1893 / 24 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Schwarzburg-Sondershausen.

__ Seine Durchlaucht der Fürst hat sich zur Geburtstags- feier Seiner Majestät des Kaisers nah Berlin begeben und wird von dort am 28. d. M. nah Sondershausen zurück-

kehren. Reuß; ä. L.

+ Seine Durchlaucht der Fürst hat fih gestern früh

nah Berlin begeben. Reuß j. L.

Seine Durchlaucht der Erbprinz hat sih zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers nach Berlin be:

geben.

Oesterreich-Ungarn.

Laut Veröffentlihung im „Armee-Verordnungsblati“ hat der Kaiser den Herzog Albrecht von Württemberg zum.

Major im 4. Dragoner-Regiment ernannt.

Das österreichische seiner gestrigen Sißung, wie „W. T. Budget der Landesvertheidigung angenommen. Jm Laufe der Debatte betonte der Minister für Landesvertheidigung Graf Welserheimb die Schwierigkeiten der Concurrenz des Kleingewerbes mit den Großbetrieben bei Heereslieferungen und erklärte, die Armee halte die Nationalität hoch, unterdrücke nicht den nationalen Charakter, sie jus diesen vielmchr zu heben. Jn der Armee herrsche in dieser Beziehung keine Unzufriedenheit. Der Gebrauch des Deutschen als Armeesprache fi nicht als Unterdrückung der Nationalitäten anzusehen. Das Schlagwort von der Germanisation sei fals.

Großbritannien und Frland.

Nach einem der „Köln. Ztg.“ aus London zugegangenen Telegramm würden die die Selbstverwaltung betonenden Ma ß- regeln Riaz Paschas dort nicht in einem fürEngland A Sinne aufgefaßt, man besorge, daß auch cer ür eine den englishen Jnteressen widerstrebende Politik ge- wonnen sei.

Am Mittwoh empfingen der Kanzler der Schah- kammer Sir W. Vernon Harcourt und der Präsident des E Mundella eine Deputation, welche die Ein- ührung des Decimalsystems für Geld, Maße und Gewichte empfahl. Der Schaßkanzler erwiderte, in der Theorie sei er selbst dafür, aber bei der Revolutionirung so lange schon bestehender Verhältnisse seien zu große Schwierig- keiten zu überwinden, als daß er Hoffnung darauf machen konne, daß die Negierung eine solhe Reform in die Hand nehmen werde.

Rußland.

Der „Grashdanin“ bespriht, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, in sympathishen Ausdrücken den außergewöhnlih festlihen Empfang des Groß- fürsten-Thronfolgers in Berlin, der das Bestehen

Abgeordnetenhaus hat in B.“ berihter, das

herzlicher Beziehungen zwischen den beiden mächtigsten Herrscher- häusern Europas von neuem bethätige, und erblickt in dieser Aufnahme des Großfürsten-Thronfolgers eine Gewähr für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens.

Ftalien.

Jn der gestrigen Sizung der Deputirtenkammer erklärte dem „W. T. B.“ zufolge der Minister-Präsident Giolitti in seiner Beantwortung der Anfragen über die Emissionsbanken: bei der Revifion hätten sih bei der „Banca Romana“ das Fehlen großer Summen, shwere Fehler der Bankgebahrung und ein mißbräuhliher Notenumlauf in Höhe von 65 Millionen ergeben. Der General-:Anwalt habe den Gouverneur Tanlongo und den Kassirer Lazzaroni wegen betrügerishen Vorgehens, mißbräuhliher Noten- emission und falscher Darstellung der Situation der „Banca Romana“ verhaften lassen. Behufs Regelung des Noten- umlaufs habe die Regierung die Verschmelzung der Emissions- banken gesichert, sie werde nah beendigter Revision einen Gesckertwurk über die Emissionsbanken vorlegen und die Schuldigen, wer immer sie seien, belangen. Ein An- trag auf parlamentarishe Enquête würde ein Miß- trauensvotum gegen das Cabinet bedeuten, welches fest entschlossen sei, seine Pflicht zu thun. Rudini wünschte die Beurtheilung des Vorgehens des gegenwärtigen und des früheren Cabinets und hielt die parlamentarishe Enquête für nothwendig. Der Minister-Präsident Giolitti entgegnete, dic Enquête würde die Justizbehörde behindern. Rudini be- stand auf einer parlamentarishen Enquête. Der Justiz-Minister Bonacci bestätigte die Erklärungen Giolitti's und versicherte, das Parlament und das Land könnten Vertrauen zu der Un- abhängigkeit der Justiz haben. Hierauf begründeten die Jnier- pellauten ihre Anfragen. Die Beráäáthung wird heute fort- gefeßt.

Afrika.

Wie dem „Standard“ aus Sansibar gemeldet wird, hat sih das Befinden des Sultans gebessert. Aus Besorgniß vor Unruhen unter den Arabern habe jedoh das eng- lishe Kanonenboot „Philomel“ Kanonen gelandet, und Sicherheitsmaßregeln feien zur Aufrechterhaltung der Ruhe crgriffen worden. :

Parlamentarische Nachrichten.

Dic Berichte über die gestrigen Sihungen des Rei chs- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Zweiten Beilage.

Die X. Commission des Neichstags zur Vorberathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher, besteht aus folgenden Abgeordneten : Freiherr von Buol-Berenberg, Vorsißender: Graf von Holstein, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. von Bar, Bödiker, Brandenburg, Büsing, Dr. von Dziembowski-Pomian, Frobhme, Dr. Giese, Dejanicz von Gliszczynski, Freiherr von Gültlingen, Schriftführer; Hiße, Dr. Horwit, Letocha,

Dr. von Marquardsen, Munckel, Rintelen, Freiherr von Schleinitz,

Dr. Schneider (Nordhausen), Stadthagen, S&riftführer; Träger

Die X1. Commission des Neihstags zur Vorberath des Entwurfs eines Gesetzes gegen den Verrath mil itärisgns Geheim nisfe besteht aus folgénden Abgeordneten : Dr, von Max, quardsen, Vorsißender; Graf von Holstein, Stellvertreter des Vor- fißenden; Dr. von Bar, Baumbach (Altenburg), Bohß, Graf von Douglas, Frißen (Koblenz), Greiß, von Koscielski, Lauck, Dr. Graf von Matuschka, Schriftführer; Molkenbuhr, Schriftführer; von Nor- mann, Dr. Osann, Pflüger (Baden), Schmieder, Schneider (Hamm) Schröder, Schultze, Wenders, Wenzel. E d

Die Steuerreformcoemmission des Hauses der Ab- geordneten seßte gestern Abend die Berathung des Communal- abgabengeseßes fort. § 23 bestimmt, daß den Gewerbesteuern in den Gemeinden unterliegen : die stehenden Gewerbe, landwirthschaft- lichen Branntweinbrennereien, Bergbau, Torfstiche, Steinbrüche und dergl., ferner als Nr. 5 die Gewerbebetricbe communaler Und. „offentlicher Verbände und als Nr. 6 die Gez werbcbetriebe des Staats und der Reichsbank. 1 Nr. 6 wurde auf Antrag des. Abg. von Buch (conf.) folgender Zusay angenommen: „mit Ausnahme der zu gemein- nüßigen Zwecken dienenden Geld- und Creditanstalten, als Sparkassen, Landes - Creditanstalten, Landescultur - Rentenbanken, VBezirks- und Provinzial-Hilfs- und Darlchnskassen u. #. w.“ Zu Nr. 5 wurde folgende, vom Abg. Schlabitz und Genossen (freicon}.) beantragte Resolution angenommen: „Die Negierung zu er- suchen, ohne Verzug die geeigneten Schritte zu unternehmen, um ¿u ermöglichen, daß die Gewerbebetriebe des Reichs zu den Gemeindeabgaben in demselben Umfange wie diejenigen des Staats herangezogen werden.“ Der Finanz-Minister Dr. Miquel erklärte übrigens, daß ein derartiges Gesetz beabsihtigt sei und dem- nächst dem Bundesrathe zugehen werde. Außerdem wurde noch folgende, vom Abg. Dr. Meyer (dfr.) vorgeschlagene Resolution angenommen: „Die Negterung zu ersuchen, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, welher die Begründung und den Geschäftsbetrieb der M regelt.“ § 23 selb wurde mit dem oben erwähnten Amendement von Buch angenommen, ebenso § 24 (Gewerbesteuern können in Procenten der vom Staate veranlagten Gewerbesteuer oder als besondere Steuern erhoben werden.) Zu § 25 (eventuelle Zulässigkeit einer verschiedenen Ab stufung der Gewerbesteuersäße) wurde folgender, vom Abg. Schlabir (freiconf.) vorgeshlagener Zusaß angenommen: „Ebenso ist eine ver- schiedene Abstufung der Procente mit Nücksiht auf eine über den Maßstab der staatlichen Gebäudesteuer hinausgehende Besteuerung der gewerblihen Gebäude oder auf die Heranzichung der gewerblichen Näume zu einer Miethssteuer zulässig". : i |

Nr. ZA des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlihen Är- beiten, vom 25. Januar, hat folgenden Inhalt: Fahrstraßen:Ent- rieglung durch das Zug-Schlußzeichen. Vermischtes: Modell zum Kaifer Wilhelm-Denkmal für Berlin. Wettbewerb für das Kaiserin Augusta-Denkmal in Koblenz. Wettbewerb für den Plan zu eine! Synagoge in Königsberg i. Pr. Ausbildung tüchtiger Bahnunter- haltungs-Arbeiter in Amerika. Inhalt von Heft 1 bis 111 der Zeitschrift flir Bauwesen 1893.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.)

Wetterberiht vom 27. Januar,

8 Uhr Morgens. der Bühne bear

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1) Neblig. *) Nebel, Reif. ?) Neif. Uebersicht der Witterung.

_Mit Ausnahme der nordwestlichen Länder Europas ist über dem ganzen Erdtheil der Luftdruck cin L ler, Das Maximum im Osten Rußlands hat an Intensität zugenommen. Während das gestern er- wähnte Minimum über dem norwegischen Meere | Sinn. nordostwärts abzieht, naht im Westen eine neue Depression heran. Bei {wachen südlihen Winden ist in Deutschland das Wetter vorwiegend trübe, stellenweise neblig, es is daselbst meist wieder Frost eingetreten. Niedershläge werden nur vereinzelt und r zwar von der Küste gemeldet.

Deutsche Seewarte.

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Abends 75 Uhr:

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Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- haus. 25, Vorstellung. Die Meifterfinger von Nürnberg. Große Oper in 3 Acten von prtatd agner. In Scene geseßt vom Ober - Regisseur Teylaff. Dirigent : Kapellmeister Weingartner. An- fang 64 Uhr.

Schauspielhaus. 28. Vorstellung. Jmogen 4Cymbelin). NRomantisches Schauspiel in 5 Auf-

burg. Hierauf : iquet.

Sonntag : Pont-Biquet.

zügen von W. Shakespeare, mit freier Benußung Derßberg'’shen Ueberseßung für die deutsche

beitet von H.

Handlung gehörende Musik von A. Dietrich. In

Scenc geh vom

Opernhaus.

Text nah Arthur Fitger’'s Drama „Die Hexe“, über- scht von Mary von Borch. Teylaff.

Dr. Muck. Slavische Brautwerbung. Tanz-

arrangirt von P. Hertel. l Brahms.) Dirigent: Musikdirector Hertek.

Schauspielhaus. von Heilbronn, oder: Die Feuerprobe. Großes NRittershauspiel in 5 Heinrich von Kleist. MNegisseur Max Grube.

Deutsches Theater. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Zwei glückliche Tage. von Th. Montag: Romco und Julia.

Berliner Theater. Sonnabend: Nachmittags

de Ubr: frolog: Uhr: Dorf und Stadt.

Sonntag: Nachmittags 24 Uhr: Julins Cäsar.

Due, Agnes Sorma, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.) Journalisten.

Zum 1. Male: | Schauspiel in ò Acten von Paul Lindau.

Lessing-Theater. Sonnabend: Heimath. An-

Sonntag: Heimath. Montag: Heimath.

Wallner-Theater. Sonnabend: Paragraph Der sechête Sinn. Sonntag: Paragraph 330.

Friedrich - Wilhelmfstädtisches Theater. (CShaufseeftraße 25.

Sonnabend: Mit neuer Ausstattung: 3. 11. Male:

ürstin Ninetta.

Wittmann und Julius Bauer.

Strauß. In Scene

Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann.

Sonntag: Fürstin Ninetta.

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- Sonnabend: 1 Act von August Strindberg. um 37. Male: Familie wank in 3 Acten von Deutsh von Max Schönau. Sigmund Lautenburg. Glänbiger.

Bulthaupt. Die zur

Ober-Negisseur Max Grube. | B festlihkeit geschloffen. 26. Vorstellung. Die August Enna.

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3 Acten von Dienstag : Leßtes Gastspic

In Scene geseßt vom Louise Heymann.) Dirigent: Kapellmeister

Gracb. ire componirt und Victoria-Theater. Mit Einlagen vo 22 Í : ; B nd: die Welt in achtzig Tagen.

29. Vorstellung. Das Käthchen be ille "C N_ Nai el Aufzügen von Debillemont und C. A. MRaida. In Scene geseßt dom ODber- Anfang 7 Uhr.

Welt in achtzig Tagen.

Sonnabend:

Fausft’s

Sonnabend: Logierbesuch.

mann-Zipfer als Gast.)

Sonntag: Zum 25, Male: Hierauf : in 5 Aufzügen von E. Henle.

(Nuscha L

Minna von Barnhelm.

Der Hüttenbefsigtzzer.

Der Zum 14. Male: 3 Acten von Horst und Stein. Weinberger.

Binder. Dirigent :

Komödiant.

Gundlach. rationen und Kostümen. Infel. Ballet in von R. Mader. Der choreogr. T reiter. Inscenirt dur den Anfang 74 Uhr. | Gundlach. Der sechôête

Goa theilweise Operette in 3 Acten von Hugo | G. S

J Musik von Johann eseßt von Julius Frißsche. Anfang

Anfang Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

semble unter Leitung des Directors Graselli. Zum 3. Male:

rinnen. Possc mit Gesan Taube. Musik von Car Müller. Anfang 73 y Sonntag: Dieselbe Vorstellung. Sonntag, Nachmittags 3} Uhr: von Wien.

Gläubiger. Tragikomödie in

Regle: Dans Meery. ont- Alexandre Bisson. In Scene geseht von

Anfang 7 Uhr. Hierauf: Familie

In Vorbereitung: Das Geständniß; (L’aveu). Drama in 1 Act von Sarah Bernhardt,

Kroll's Theater. Sonnabend:

Sonntag: Der Tas, Anfang 7 Uhr. : j I von Fraulein Louise Heymann. Die Regimentstochter. (Marie: Fräul.

Belle - Alliancestraße 7/8. Sonnabend: Mit neuer Ausstattung: Die Reise um

stattungs\stück mit Ballet in 5 Acten (15 Bildern) von A. d’Ennery und Jules Verne. i girt vom Balletmeister C. Severini. bi Anfang 7X Uhr.

Sonntag und folgende Tage: Die Neise um die

Neucs Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). Schwank in 4 Acten Weber und Max Löwenfeld. Kleine Hände. Lustspiel in 3 Aufzügen von Labiche. Deutsh von Franz von Schönthan. (Frau Hach- Anfang 7# Uhr.

Logierbesuch. Durch die Jutendanz. Anfang 7 Uhr.

Theater Unter den Linden. Sonnabend: Lachende Erben. Musik von Inscenirt durch den artist. Leiter Ed. Kapellmeister A. Ferron. Die militär. Evolutionen im 3. Act arrangirt von L. Vollständig neue Ausstattung an Deco- Hierzu: Die 1 Act von D. Regel.

veil von Jos. Haß- | m an ; 3alletmeister Herrn L. (Sensationeller Erfolg.) Anfang 7# Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Sonnabend: Zum 35. Male: Modernes Babylon. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobfon und W. Mannstädt.

von G. Görß. teffens, In Scene geseßt von Adolph Ernst.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Sonnabend: Gesammt-Gastspiel des mia Die ranz Josef Die Wettschwimme- in 3 Acten von Theodor Kleiber. Regie: Franz

Dic Gigerln

Urania, Anstalt für volfsthümliche Naturkunde. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr.

Wegen Privat-

Concerte.

Concert-Haus, Leipzigerstraße 48. Sonnabend: Karl Meyder - Concert. Anfang 7 Uhr.

_Ouv. „Der fliegende Holländer“ von Wagner. „Semiramis" von Rossini. „Leichte Cavallerie" von Suppe. Phantasie aus „Der Maskenball“ von Verdi. Ungarische Nhapsodie Nr. 2 von Liszt. „Die Schlitt- chuhläufer“, Walzer von Waldteufel. „Ständchen am Morgen“ für Piston von Wolff (Herr Steffens).

Freitag, 3. Februar, Abends 72 Uhr:

Ix. Populärer Beethoven-Abend von Waldemar Meyer. Dirigent : Hof-Kapell- meister Alois Schmitt (Schwerin). Gesang: Frl. Lydia Müller (Sopran).

Großes Aus-

Ballet arran- Musik von

Circus Renz (Carlstraße.) Sonnabend, Abends 74 Uhr: Gala-Borstellung.

Novität! P“ Ein Künstlerfest, “Wag Novität!

Große Ausstattungs - Pantomime vom Hofballet- meister A. Stems. Mit überraschenden Licht- und Wasfsereffecten und auf das Glänzendste inscenirt vom Director Franz Nenz. Großer Blumencorso. Costume, Requisiten, Wagen vollständig neu. Unter Mitwirkung des gesammten Personals. Ballet von 100 Damen. Außerdem: Auftreten sämmtlicher Künstlerspecialitäten ersten Nanges, sowie Reiten unt Vorführen der bestdressirten Schul- und Freiheits- pferde. U. a.: Mr. James Fillis mit dem Schul- pferde „Germinal“.

Sonntag: 2 große Fest-Borstellungen. Nachmit- tags 4 Uhr (ein Kind unter 10 Jahren frei): Die lustigen Heidelberger. Abends 74 Uhr: Neues Programm. Zum Schluß: Ein Künstlerfeft.

Hierauf :

Preislustspiel

Operette in Carl

Sirenen- Musik

Familien-Nachrichten,

Verehelicht: Hr. Hans von Knobelsdorff mit Frl. Margarethe von Hirschfeld (Hannover).

Gestorben: Hr. Gymnasial-Oberlehrer Dr. Bruno Arnold (Nordhausen). Hrn. Rechtsanwalt Heinemann Sohn Waldemar (Perleberg). Hr. Rittergutsbesitzer Wilhelm Grams (Niederpoelzig bei Berlinchen). Verw. Fr. Appellations- gerihts-Nath Ida Simpson, geb. von Wildowsfky (Breslau).

Musik von

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin: —— - —— Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagé-- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32, Sieben Beilagen (eins{licßlich4 Börsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.

M 24.

Rede des Geheimen Medizinal - Naths, Professors

Dr. von Vergmann zur Feier des Geburtstags Seiner Majeflät des Kaisers und Königs in der Aula der Königlichen Friedrich: Wi!helms-Universität. Hohe Festversammlung!

Hochgeehrte Collegen! Liebwerthe Commilitonen!

So oft an des Königs Geburtstage die alma mater ihre Kinder

in hergebrahter Sitte zu gemeinsamer Feier “versammelte, ist der freudige Dank das vorwaltende Gefühl gewesen, das unsere Herzen bewegte. Von dem Augenblicke, da an den fernen Ostmarken des Reichs König Friedrih Wilhelm 11. unsere Hochschule ins Leben rief, damit der Staat, was er an physischer Macht verloren, an intellectuellec und idealer wicdergewönne, hat die persönliche Theil- nahme unserer Fürsten für sie nie geruht und gerastet, hat weder der organishen Gemeinschaft, welche die Universitas literarum in Meistern und Jüngern der Wissenschaft bildet, noch den einzelnen Degen derselben, so vielgestaltig sie auh sich entwickelt haben, efehlt. y Dieser stetigen und immer neuen Königlichen Sorgen und Spenden, Wohlthaten und Widmungen geziemt es, wie dem Ganzen, fo auch dem Einzelnen in der Feststimmung des heutigen Tages be- sonders zu gedenken. Wie könnte ih da anders für die Ehre danken, welche mich heute an diesen Platz gestellt hat, als durch einen Nük- blik auf das, was unser erhabenes Köntigshaus für die Entwickelung und Förderung des Le hrens und Lernens gerade in dem von mir vertretenen Fache, derChirurgie, gethan hat.

Wahrlich, eine gewaltige Summe von Leistungen, welche die vater- ländische Chirurgie von ihren ersten Anfängen bis zu einer Höße und Blüthe gebracht haben, die sie denen andererNationen mehr als eben- bürtig gegenüberstehen läßt.

Es 1#t zunächst und zuerst die Sorge für das Heer, für seine Größe, Fertigkeit, Kraft und Leistung vom Haupte hinab bis an sein unterstes Glied gewesen, welche die Aufmerksamkeit hon der Schöpfer unserer iele preußisch-brandenburgischen Armee auf den Bil- dungsstand und Bildungsgang der damaligen Feld-Chirurgen lenkte.

Die Annalen unseres Heilwesens im Felde reichen bis auf die Siegesglorie von Fehrbellin. Noch war das Tedeum nicht verklungen, als schon vom Schlachtfeld aus der Große Kurfürst dem Statthalter der Mark einschârfte, niht zu vergessen die Blessirten, daß sie mit gehöriger Wartung und Verpflegung versehen würden!

Daß des“ Kurfürsten fürsorgliche Wünsche nur wenig Erfüllung fanden und finden konnten, lag an denjenigen, welchen in dem dama- ligen aus den Fähnlein der Lanzknechte hervorgegangenen Heere die Pflege der Verwundeten anvertraut war. Die Chirurgie und noch mebr ihre ausübenden Diener standen am Ende des stebzehnten Jahr- hunderts in Deutschland auf der niedersten Stufe ihres Vermögens und Bollbringens.

Die eigentlichen Aerzte waren scharf und weit von den aus- übenden Chirurgen getrennt: erstere ausgerüstet mit all dem afa- demischen Wissen ihrer Zeit, leßtere Zöglinge ausschließlich der Barbierstuben. Hatte doch erst in der Mitte des sechzehnten Jahr- hunderts Kaiser Karl V. die bis dahin unehrlihe Sippe der Bader für ehrlich und damit endlich jedem anderen Handwerke gleich erflärt, sodaß sie nunmehr in den Stand geseßt wurde, eine Zunft zu bilden und ihren Gesellen den Lehrbrief zu schreiben.

Jahrhunderte vorher war shon in Prag, Wien, Heidelberg und Leipzig zur theologischen und juristishen Facultät die medizinische ge- treten und genossen deren Glieder alle Privilegien, Würden und Ehren der akademischen Körperschaft. Der Chirurg aber is als Doctor legens in den Ordo medicorum erft aufgenommen worben, als die mittelalterlihe Gewandung der Universitäten längst hon abgestreift und mit der Verwandlung der Standescorporation in ein Staats- institut auh derx Bildungs8gang des Studenten ein anderer und gleich- mäßiger geworden war.

Allerdings war es Sitte, daß der akademisch" gebildete Arzt auch mit denjenigen Kapiteln und Paragraphen im Canon des Avicenna und den Aphorismen des Hippokrates bekannt gemacht wurde, die von den Wunden handelten, ja, in Wien und Würzburg wurde zur Zeit des Großen Kurfürsten die Chirurgie bereits vom Katheder vorgetragen, in leßter Universität in Verbindung mit der Professur für Botanik und Pharmacie. Allgemeiner erfolgte die Creirung der Lehrstühle für Chirurgie an den deutschen Universitäten aber erst viel später, erst Ende des 18. Jahr- hunderts und auch dann mehr in der Weise, daß wohl über Chirurgie gelesen und disputirt, aber die Auëübung der Kunst vom vortragenden Lehrer, wegen der fo leicht an) ihr haftenden macula levis notae, perhorreêcirt wurde. So hat noch in der Mitte des vorigen Jahr- hunderts Albrecht von Haller in Göttingen die Chirurgie gelehrt, ohne Rit cin Messer behufs Ausführung einer Operation angerührt zu zaben.

Dem fkläglichen, heilkünstlerishen Werthe der deutschen Wund- ärzte am Ende des siebzeßnten Jahrhunderts entsprach ihre Stellung in den Stammrollen der bei Fehrbellin kämpfenden Yegimenter, wo hinter dem Fourir und Gefreiten-Corporal der Feldscherer kam. Eine furchtbare, aber wahre Schilderung der chirurgishen Eingriffe und Leistungen dieser rohesten aller Empiriker hat uns einAugenzeuge, ein volttfder Edelmann, Abraham a Gehema hinterlassen. Derselbe hatte Medizin studirt und in elf Feldzügen vom gemeinen Soldaten auswärts bis zum Hauptmann es gebracht. Was er exfahren, ist von ihm in einem 1690 erschienenen Buch unter dem Titel „Der kranke Soldat, bittend, daß er möge hinfüro besser conserviret Und curiret werden“ nieder- gelegt worden. „Wenn folcher unverständige und ungebildete Feld- \cherer“, schreibt er, „von diesen oder jenen Krankheiten raisons geben sollte, so bestünde er wie Butter in der Sonne“.

Daher sein Appell an die Fürsten und hohen “Potentaten, daß sie sich billigst gefallen lassen möchten, das Leben ihrer Soldaten nicht mehr den Feldsherern anzuvertrauen, vielmehr möchten sie in dero reichen Ländern und Herrschaften ernstlih anbefehlen, daß diejenigen Eltern, welche ihre Kinder der Chirurgie widmen wollten, dieselben vorher möchten studiren lassen, ‘damit auf solhe Weise die Chirurgie mit der Medizin wiederum vereinigt und verknüpft werde, „dann würden niht mehr soviel Tausend Offiziere und Soldaten irraifonabel tractixet, gemartert, gepeinigt und ermordet werden“. ,

An dem Willen der hohen Potentaten, die Abraham a Gehema anruft, hat es nicht gefehlt, aber troßdem währte es fast ein Jahr- hundert, bis seine Postulate erfüllt worden sind. i

So hat schon in den ersten Jahren seiner Regierung der willens- starke Soldaten-König Friedrih Wilhelm 1. den Chirurgen feines Heeres eine wissens{haftliche Lehranstalt eröffnet. N

Man pflegt die Gründung der Akademie der Sprung in Paris im Jahre 1731 als den Wendepunkt im Geschide der Chirurgie, als den Ausgangspunkt ihrer wissenschäftlichhen Bearbeitung und ihres Aufschwunges zu neuen und größeren Leistungen anzusehen und be- trachtet die fünf anafomishen Demonstrationen, welche der Wundarzt La Peyronie einige Jahre vorher im Collège dle St.-Cômoe angestellt hatte, als die Jnauguration dieser neuen Cpoche, In Berlin is aber

on 1713 ein Theatrum anatomicum für die PLernenden der

irurgie errichtet worden: die Anatomie-Kammer in dem Eckpavillon der Nord- und Westseite des Marstalls, gestiftet wie die Inschrift sagte, „in exercitus populique salutem®* und bestimmt, im Ÿ inter zu Demonstrationen in der Anatomie, im Sommer über Chirurgie.

Der praktische Sinn Friedri Wilhelm's estimirte den Gelehrten, der bloß üm der Wissenschaft willen arbeitete und \trebte, nicht, er

Berlin, Freitag, den 27. Januar

fah ihn, wie ein Zeitgenosse schreibt, „sauer an" und freute sih an den Epigonen cines Leibniz nur über ihre Narrheiten. Die praktische Medizin aber, deren Nußen und Werth am Soldaten und Bürger so augenfällig war, genoß des Königs Gunst, zumal er selbs an sich des Chirurgen Kunst hatte shäßzen lernen. Der König war an einem Blutschwär am Fuß erkrankt und dur einen Schnitt des Negiments- Feldscherers Brandhorst tuto, cito et jucunde von feinem Leiden befreit worden. Infolge dessen achtete er seinen glücklichen Operateur höher als jeden Doctor rite promotus und beschloß, da feine Facultät dem Chirurgen ein Diplom sandte, ihn feierlih selbst in- mitten iner Gelehrten und Generale zu promoviren. Er nahm feinen Hut vom Haupt und krönte mit demselben den Wundarzt, während er ihm an den Finger einen Ring mit der Inschrift : „Doctor doctissime illustris nostri temporis Aesculapius“ steckte.

Diesem später zum General-Chirurgus ernannten Brandhorst und seinem Nachfolger Holßendorf dankt die Akademie der Wissen- schaften ihre Continuität von Leibniz bis Maupertuis, denn, als der sparsame König ihr ein Ende machen wollte, bestimmte sein Leib- Chirurgus ihn, dieselbe fortbestehen zu lassen, ihr aber eine harte Auf- lage zu machen: die Stiftung und Erhaltung eines anatomischen Jn- stituts das war die rvibnie Anatomie- Kammer.

Bald that der König für diese neue Gründung und ihre Zwecke noch mehr. Er bestellte das Collegium medico-chirurgicum mit Professoren, die Vbrlesungen über alle Zweige der Heilkunde haupt- \ächlich zur Bildung und Förderung seiner Armee: Chirurgen halten follten und \{ließlich 1727 bestimmte er, „damit die Feldscherer auch praktisch zu geschickten Aerzten gebildet würden“, das 1710 zu Berlin beim Heranrücken der Pest erbaute Pesthaus, welches mittlerweile zu einem Bürger-Lazareth vergrößert worden war, zu einer medizinischen Unterrichts- anstalt. So ist die jeßige Charité entstanden und durch des Königs Ordre în der That das erste Krankenhaus geworden, in welchem medizinischer Unterricht am Krankenbette ertheilt worden ift ; denn die erste Universitäts-Klinik, welche dem Studium der Medizin geweiht wurde, war die 25 Jahre später erst im Bürgerspitale zu Wien von Gerhardt van Swteten eröffnete.

In wie reger persönlicher Beziehung Friedrich Wilhelm zu den Lehrern und Schülern dieser von ihm ins Leben gerufenen Institute blieb, zeigt sein Bemühen, die leßteren noch weiter auszubilden, indem er drei derselben auf seine Kosten nach Paris, der berühmtesten Pflege- stätte der Chiru1gie, sandte und von jedem sih Bericht darüber erstatten ließ, ob er die Kunst des Steinschneidens und des Bruchschneidens auch ordentlich erlernt habe. Sie mußten ihm die Liste der chirurgisGen Vorlesungen senden und die Preise angeben, die sie für dieselben zu zahlen - hatten, und ob- gleich diese sehr hoh waren, säumte der König nicht, sie zu zahlen. Nur als er hörte, daß das Erlernen der Augenheilkunde bei dem da- mals stärksten Lehrer derselben tausend Lire kosten sollte, befahl er, daß nicht alle drei Eleven, sondern nux einer derselben diese Kunst sich anzueignen habe. Weil aber allem voran die Schüler Kriegs- erfahrung sich zu verschaffen hätten, sandte er je zwei in die russische und österreichische Armee, als diese 1737 in türkishes Gebiet rückten.

Diesen Bemühungen Friedrih Wilhelms if es zu danken, daß in den chirurgish trostlosen Kriegen seines großen Nachfolgers doch drei im Theatrum anatomicum und in der Charité gebisdete Chirurgen sich einen wohlverdienten Nuf gemacht haben: Bilguer, Theden und Schmucker. Freilich nur drei, wo mehr als ebenso viel Hunderte noch zu wenig gewesen wären.

Die Vorbildung, wenn man fie überhaupt so nennen darf, der Feldscherer war dieselbe wie früher geblieben, sie erfolgte lediglih in den Officinen .der Bader und Barbiere, aus denen dér losgesprochene Lehrling in die Demonstrationen des Theatrum anatomicum fam, ohne sie zu verstehen und zu würdigen. Es blieb im siebenjährigen Kriege der verwundete Soldat noh immer in denjenigen Händen, aus welchen ihn Abraham a Gehema so gern gerissen und gerettet hätte.

Daran hat das tiefe, humane Empfinden Friedrichs des Großen nihts ändern können. Wer von uns kennt nicht aus seinem Gedichte „L’art de guerre“ die Verse :

Ein Vater follst Du Deinen Kriegern sein, Ein Vater liebevoll; in dem geringsten

Bon ihnen follst Du Deine Söhne lieben : Dein Blut verschwende, geizig sei mit ihrem!

Vom Geiste edelster Menschlichkeit beseelt, verbindet der König bei Lowositz einen Soldaten des Regiments Gardes-du-Corps, mit seinem Taschentuh und reiht bei Zorndorf cinem am Bein Getroffe- nen vom Pferd herab feinen Krückenstock mit den Worten: „Mein Sohn, helfe Dir weiter fort!“ Nach der Schlacht bei Noßbach bilft er mit eigener Hand den verwundeten französischen Offizieren, die ihm zurufen: „Die Nöômer quälten ihrè Gefangenen, Eure Majestät aber gießen Oel in unsere Wunden!“ und nah der Schlaht von Hohen- friedberg \{chickt er den General-Chirurgen, fünfzig Lazarethgehilfen und seine Feldapotheke nach Striegau mit dem Befehl, zur Behand- lung der zahlreihen öüsterreihishen und sächsishen Verwundeten dort zu bleiben. i

Der Triumph der Schlachten hat in Friedrichs Ohr das Jammern ihrer Opfer nicht übertönt, aber die mangelnde Organisation des Lazarethwesens machte seine Sorgen und Befehle fruchtlos, wäh- rend die geringe Zahl tüchtiger und gebildeter Chirurgen in feiner Armee verschwand und verloren ging unter der Nvhheit und Unwissen- heit der übrigen Menge des Heilpersonals.

Theden's und Cotheninu's Schilderungen geben davon überreichlih Zeugniß und des Königs eigene Klagen wollen niht verstummen, ja verfolgen ihn bis in seine leßten Tage, wo er Zimmermann gegenüber bekennt: „Jn allen meinen Kriegen hat man meine Absichten für meine kranken und verwundeten Soldaten äußerst s{lecht befolgt. Nichts hat mi in meinem Leben mehr verdrossen, als wenn ih fah, daß man diese braven Männer, die Gesundheit und Leben für thr Vaterc land hingaben, bei ihren Krankheiten und Wunden so übel ver- pflegte. « Man i} barbarish mit ihnen GRGFIANGE, ja mancher von ihnen is geradezu daran gestorben, obgleich mich doch nichts so sehr betrübt hat, als die unshuldige Veranlassung vom Tode eines Menschen gewesen zu fein." Und als Zimmermann den König auf das aufmerksam macht, was vor allem zu einer höheren Bildung der Feldärzte geschehen müßte und ihn auf eine die be- treffenden Verhältnisse in den schlesishen Kriegen heftig tadelnde Schrift des Dr. Friße in Halberstadt hinweist, läßt, noh vier Wochen vor seinem Tode, der Schwerkranke den Verfasser diefer Kritik kommen, um ihm zu sagen, daß er sich von seiner Rechtschaffenheit und Wissenschaft durch die Lectüre seines Buches überzeugt habe und Ga eine Umgestaltung des Sanitätswesens in der Armee übertragen woe.

N ist des Königs Ordre an Dr. Friße niht mehr geworden. Der Tod trat dazwischen und Friedrih der Große nahm fo die Sorge für das Gesundheitswohl seiner Soldaten mit in seine Gruft.

Systematisch und in vollständig neuer Organisation das Lehren und Lernen der Chirurgie bei den Feldärzten durhgeführt zu haben, ist Johann Görcke’'s Verdienst gewesen, des preußischen General- Chirurgen der Rhein-Campagne von 1792. Gutseßliche Eindrücke pOnu das menschenfreundlihè Herz Friedrich Bs des Zweiten ewegt, als er die Ferme Meignóe besuchte, wohin die Opfer der berüchtigten Kanonade von Valmy ras worden waren. Er-

[holt von so viel Jammer und Elend, hatte der nig, einan

‘runk Wasser für sich begehrt, aber ihn nit erhalten Tönnen, denn den dort Berschmachtenden fehlte selbst dieses Labsal! Gerade

1893.

ebenso wie den im Orte „der Pest und des Todes“, auf dem Schlosse zu Grand pré Zurüdgelassenen, auf die der Blick des Königs #sich rihtete, als Goethe ihn an der Brücke über die Aisne halten fah, ehe er am Ende den Weg all der Seinen über sie eins{hlug. Auf diesem Nückzuge war es, wo Görke sich ihm näherte und ‘mêdít

zwei Aufträge vom Könige zur Besserung der so überaus traurigen

Lazarethverhältnisse Ciate zwei Aufträge, die allerdings das Uebel

an der Wurzel anfaßten: einmal die Vorbildung derer, die sich dem

mühevollen Berufe der Feldärzte widmen wollten, zu bessern und

dann dieselben mit der ganzen medicochirurgishen Wissenschaft und

Kunst allseitig und vollkommen vertraut zu machen.

Görcke hat durch die Gründung der Pepinière, als einer medico- dchirurgishen Afademie, den Willen seines Kriegsherrn erfüllt und in beispielloser, rastloser Thätigkeit den Bildungêgang des Feldarztes und die Einrichtung des Feldlazareths umgestaltet und neu formirt. Schon am 23. Juni 1795 {rieb ihm der König: „Mit wahrem Antheile und Vergnügen unterrihte ih mich, mein lieber General-Chirurgus, von Jhren so heilsamen Vorschlägen und bezeuge mih durch willige Bei- stimmung als Jhr unverändert wohlgeneigter Friedrich Wilhelm.“

Wenn ein Arzt jeaer Zeit behauptet, daß zwischen einem preu- ßishen Negiments-Chirurgen im siebenjährigen Kriege und einem in den Freihetitsfriegen von 1813 und 1815 ein Unterschied gewesen fei, wie zwischen einem Steinmeß und einem Bildhauer, fo werden wir das gegenüber den Zeugnissen, die {on 1806 die hohchberühmten Chirurgen ver Napoleontshen Armee, Percy und Larrey bei ihrem Besuche der Pepinière ihr ausstellten, glauben dürfen sie sprachen es offen aus, daß sie die Ergebnisse der Prüfungen und Uebungen, die sie mit den Eleven angestellt hatten, für bessere und befriedigendere als die in den entsprehenden Instituten Frankreichs hielten.

Es war diese Anerkennung der sonst fo rücksichtslofen Sieger ein Lichtblik im Memeler Aufenthalt Friedrih Wilhelm’s des Dritten, dem sih Percy in Tilsit mit den Worten: „Je enis le Görcke de l’armée francaise“ vorgestellt hatte.

Wie in der großen Prüfung, welche auch die preußische Chirurgie 1813 bis 1815 zu bestehen hatte, sie sich bewährt hat, bezeugt ihr {on am 11. Januar 1814 der König in einem Briefe an Görcke aus Freiburg: weil die Anstalt ihre so überaus zweckmäßige Organi- sation erwiesen, wünshe Er sie vergrößert zu haben und verordne, daß die vergrößerte Anstalt den Namen: Medizinisch-chirurgisches Fricdril) Wilhelms-Justitut führen solle.

Daß wirklih der höhere und akademische Bildungsgrad der Feld- ärzte den gewaltigen Fortschritt in den Leistungen derselben beforgt hat, dafür weiß ih fein besseres Zeugniß anzuführen, als das des greisen Feldmarschalls Fürsten Blücher von Wahlstatt, welches er dret- mal ofen und unumwunden abgelegt hat bei der fünfzigjährigen úJubelfeier von Görke’'s Wirksamkeit und an zwei Stiftungs- festen des Instituts, und welches um so s{werer wiegt, als es fich um einen Feldherrn, der vor und nah der Reform die Armee ge- führt hatte, handelt. „Ich habe“, so redete der Fürst die Studirenden an, „in dem jeßt beendeten Krieg gesehen, mit welher Gefschicklihkeit und Ausdauer die vreußishen Militär- ärzte ihren Kranken und Verwundeten Pflege und Hilfe leisten. Sie haben niht nur Ihren Kopf, sondern auch Ihr Gefühl auszu- zubilden, denn es giebt feine größere Beruhigung für die Kranken und Blessirten, als wenn sie einen gefühlvollen und theilnehmenden Arzt haben, dem sie mit Vertrauen fi übergeben können, fowie für Sie Fhr größter Lohn bleibt das innere Bewußtsein, feine Pflicht gethan zu haben. Heil vem Arzte mit dem fühlenden Herzen, wohl auch dem Kranken, der einen folhen zu feiner Pflege erhält.“ Welch ein Unter- \chied zwischen diesem aus voller Ueberzeugung gespendeten Danke des Feldherrn von 1815 und den Klagen Friedrih's des Großen von 1786!

Durch die Gründung unserer Hochschule is der Chirurgie die wissenschaftliche Pflegestätte dauernd gewährleistet worden.

Das Verhältniß der Chirurgie zur übrigen Medizin war um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts in den meisten deutschen Uni- versitäten, die damals {on Kliniken besaßen, ein derartiges, z. B. im Leipziger Jakobshospital, wo neben einem klinishen Lehrer ein ihm untergeordneter Wundarzt die chirurgishen Fälle demonstrirte. Das gleiche Verhältniß nahm der von Halle nah Berlin berufene Professor Neil für fh, nicht ohne Aussicht auf Erfolg, in An- \pruch. Er sollte die Klinik dirigiren und unter ihm sollte der von Wilhelm von Humboldt ebenfalls an die neue Uni- versität berufene jugendliche, ers 25 Jahre alte Lehrer der Chirurgie Carl Ferdinand Graefe operiren, Die Frage ift, wie dies in einem Nachrufe an Graefe gemeldet wird, erft vom Throne Herab entschieden worden zu Gunsten der Selbständigkeit der Chirurgie. Mit dieser Entscheidung war Gráefe’s Ernennung zum Armee-Chirurgen erfolgt und ihm die Organisation und Leitung aller Lazarethe zwischen Weichsel und Weser anvertraut worden. Eine fortlaufende Kette von Anerkennungen feines Königs hatte in der That die ruhmreiche friegerishe Laufbahn des jungen Chirurgen ausgezeichnet, von dem die Cabinet8ordre am Ende des Krieges sagte: „Ste haben dem in Sie geseßten Vertrauen genügt. Jh würdige die Gesinnungen, die Sie bekannt, sowie Ihre ausgezeichneten Verdienste um die Wissenschaft und die rühmlichen Dienste, welche Sie in einem ausgebreiteten Wir- kungskreise im Heere während der beiden leßten großen Kriege ge- leistet haben“. :

Mit dieser Entscheidung endet die Reihe organisatorischer Maß- nahmen, welche zur Begründung und Förderung eines wissenschaftlichen Unterrichts in der Chirurgie von Preußens Königen ausgegangen ift, Eine felbständige, eigens dem chirurgischen Unterrichte gewidmete Klinik war geschaffen und ibr Leben und Weben der Thatkraft eines Mannes anvertraut, welcher sich glänzend in |{chwerster Zeit und \{wersten äußeren Verhältnissen bewährt hatte.

Die ersten Einrichtungen, die Graefe für feine Klinik treffen konnte, waren, entsprechend den ershöpften Mitteln des Staats, fehr bescheidene; bat do fünf Mal in den ersten neun Jahren ihres Be- stehens das nur für 10 Betten bestimmte Hospital fein Quartier wechseln müssen, und stand es vor Beginn des Winterfemesters von 1817 auf 1818 fogar ohne Dach und Fach da, sodaß der Unterricht an stationären Patienten gar nicht, fondern bloß an ambulanten ertheilt werden konnte. Erst im Laufe des Jahres 1818 ift der Klinik der» jenige Play erworben worden, auf dem fie noch heute steht.

Graefe fand keinen Plan vor, der für die Errichtung einer chirurgischen Klinik entworfen worden wäre und noch weniger eine Anleitung für den klinischen Unterricht felbst. Er {uf beides aus sih heraus. Wie ihm das gelungen, dafür weiß ich kein würdigeres und wahreres Zeugniß als das seines hochbedeutenden Bonner und Münchener Zeitgenossen, Philipp von Walther beizubringen, der 1834 nah einem Besuch in Berlin schrieb: „Eine eigenthümliche, glänzende Erscheinung, kühn und genial improvisirt, ist Graefe's Klinikum in Berlin, zu welchem sich ein Vorbild weder in Fraukreid), England, Nord- Italien, oder Holland findet. Seine Mar eung ist ganz national, rein deutsch". Das schreibt Walther in einer Abhandlung, in welcher es heißt: „Wie soll in Deutschland der chirurgische Unterricht ein vollkommener sein, da die Anslalten, in welchen er- ertheilt wird, j noch theils im Entstehen begriffen, theils unvollkommen ausgebildet, überall im Kampfe mit den größten Widerwärtigkeiten liegen ?"

Wie ist das heute, nah wenig mehr als 50 Jahren anders ge- worden! auders gewordeu durch dieselbe rastlose Thätigkeit der deutschen klinisheu Lehrer und ihre aus innerster Ocn, hervor»

egangene, volle Hingabe an die Sache, welche bei einem Graefe es bout te, daß nah weniger als 15 Jahren klinifcher Arbeit seine Mit«

welt ihm ein solhes Zeugniß ausgestellt hat.