1893 / 26 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

vinz an Volkszahl und namentlich an Steuerkraft hingewiesen ist, so erscheint damit die Erwartung begründet, daß der Provinzialverband in den Stand gesetzt sein werde, die bei der erhöhten Bedeutung feiner communalen Aufgaben unvermeidliche Steigerung der Autgabelast ohne fühlbaren Dru zu tragen.

* Unter den Ihrer harrenden Vorlagen verdient besondere Er- wähnung der Entwurf eines Reglements, welches über die dem Land- armenverbande unter Mitbetheiligung der Kreise und Gemeinden gesezlih auferlegte Fürsorge für solhe Geistesfranke, Taubstumme und Blinde, die der Anstaltspflege bedürftig find, nähere Bestimmung trifft.

Ihrer Beschlußfassung wird ferner die blig, der Be- dingungen unterliegen, unter denen die Gemeinden, welhe höhere Lehranstalten unterhalten, berechtigt fein follen, der Westfälischen Wittwren- und Waisenverforgungskasse behufs Versicherung des Lehrer- personals beizutreten.

Von Seiten der Königlichen Staatsregierung werden Ihnen zwei Vorlagen zugehen, welche die Begutachtung eines Gesetzentwurfs über die Anlegung von Thalsperren für gewerblihe Zwecke im Fluß- gebiete der Volme, sowie die Feststellung von Normalstädten für die demnächstige Nevision der Gebäudesteuer-Veranlagung betreffen.

Bei Prüfung der Voranschläge und des von dem Provinzial- Ausschuffe erstatteten Verwaltungsberichts werden Sie von neuem die Ueberzeugung gewinnen, daß die geschäftsleitende Stelle im Verein mit dem E L mit bewährter Umsicht und bestem Er- folge die Interessen der Provinzial-Verwaltung zu fördern bestrebt ift.

Im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs erkläre ih hiermit den 34. Provinzial-Landtag von Westfalen für eröffnet.

Das älteste Mitglied der Versammlung, Justiz-Rath Ge ck aus Hazen, brachte nach entsprehenden Worten der Erwide- rung cin dreifahes Hoh auf Seine Majestät den Kaiser und König aus, in das die Versammlung lebhaft einstimmte.

Sachsen. Jhre Majestäten der König und die Königin und Scine Königliche Hoheit der Prinz Johann Georg sind am Sonntag früh aus Berlin wieder in Dresden eingetroffen.

Meelenburg-Schwerin. Das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß- herzogs ist, wie die „Mecklenb. Nachr.“ melden, nah den aus Cannes eingetroffenen Nachrichten andauernd ein gutes.

Sachsen-Meiningen.

Der Landtag hat 14940 M für das Landkrankenhaus, fowie den Etat der Jrrenheilanstalt mit 244 000 M ohne Staatszuschuß bewilligt. Für die Justizverwaltung wurden bewilligt: 39710 Beitrag zum gemeinschaftlihen ODber- Landesgericht in Jena, 74820 # für das meininger und 25500 A für das rudolstädter gemeinschaftliche Landgericht, 432650 # für die Amtsgerichte, bei denen einige neue Amtsrichter-, Gerichts\{hreiber- und Dicenerstellen vor- geschen sind, 37 000 /( als Beitrag zu den gemeinsamen Strafanstalten. Beim Cultus-Etat wurden für die Landes- firhe 107680 M, für die Universität Jena 39 700 M (+5000 M) und für die höheren Landes-Lehranstalten 171 490 M bewilligt.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Seine Königliche Hoheit der Fürst von Hohenzollern ist am Sonnabend Nachmittag zum Besuch amzgHerzoglich Edinburgschen Hof in Coburg eingetroffen.

Waldeck und Pyrmont.

Das Geburtsfest Seiner Ma jestät des Kaisers wurde in Arolsen am Freitag im Fürstlichen Schlosse durh eine Galatafel gefeiert, zu der sämmtliche Offiziere des Bataillons und viele Civilbeamte geladen waren. Die Stadt war reich

„geflaggt, und in den Schulen fanden Festacte statt.

Schaumburg-Lippe.

Seine Durchlaucht der Fürst ist, wie der „Hann. Cour.“ erfährt, noch immer nicht von seiner Erkrankung hergestellt. Höchstderselbe hatte in den leßten Wochen wiederholte Anfälle von Niecrenkolik, mit der rheumatishe Schmerzen und Schüttel- frost, sowie hohe Temperatur (über 39 Grad) verbunden waren. Seine Durchlaucht is infolge dessen noch immer an “Zimmer und Bett gefesselt. Der Kräftezustand is infolge geringer Nahrungsaufnahme ein herabgesczter.

Oesterreich Ungarnu.

Die Kaiserin ist vorgestern an Bord der Yacht „Mira- mar“ von Gibraltar nah Barcelona in See gegangen.

Das öosterreichishe Abgeordnetenhaus seßte am Sonnabend die Debatte über das Budget des Unter- rihts-Ministeriums fort. Der Unterrichts - Minister Dr. Freiherr von Gautsh betonte dabei unter lcb- hafiem Beifall, die Theilung der Schulkinder nah Confessionen widersprehe dem Gesch und dem EStand- punkt der Toleranz; er halte auch an dem Unterricht in den klassischen Sprachen unbedingt fest. Dic Abgg. Dr. Palak Und Dohlhamer rihteten im weiteren Verlau? der Sißzung zwei Jnterpellationen an den Finanz-Minister, die sih auf die Schwierigkeiten bezogen, welhe sich bei vinculirten und amtlich deponirten Papieren ge- legentlih der im Zuge befindlihen Conversion cergäben. Der Finanz-Minister Dr. Steinbach erklärte darauf, es genüge bei den auf den Namen lautenden, ferner bei den als Cautionen oder bei Depositenämtern und Bchörden hinterlegten Convcersionstitres die Bekanntgabe der Converfionsabsicht bis zum 7. Februar bei den Conversionsstellen.

Jn der vorgestrigen Sizßung des ungarischen Unter- hauses erklärte anläßlih der Berathung einer Petition Buda- pester Arbeiter der Handels-Minister Lucacz, cer sei fortgeseßt mit der Erörterung der Arb. iterfrage beschäftigt und billige die Jdee cines Friedensgerichts zur Erledigung gerechter Ansprüche der Arbeiter sowie zur Erzielung eines näheren Einvernehmens zwischen Arbeitgebern und Arbeitern. Der Errichtung einer Arbeiterbörse könne er nicht zustimmen, weil sie zu socialistishen Umtrieben führen und dem Zwecke nicht entsprehen würde. Die Regierung behalte den Schuß der Interessen der Arbeiter im Auge und werde, falls es nothwendig sein sollte, Geseßes- maßnahmen vorschlagen.

Frankreich.

In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath theilte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Minister des Auswärtigen Develle den Abshluß des Handelsübereinkommens mit Canada mit. Danach kommt für gewisse Artikel der französishe Minimaltarif zur Anwendung, mwährend von Seiten Canadas cine Herabsczung des Einfuhrzolls nament- lich auf französishe Weine zugestanden ist.

des Landes aufs beste} verwendet werden.

Die Deputirtenkammer seßte vorgestern die Debatte über das Marinebudget fort. Der Berichterstatter Thompson erklärte, die Bewaffnung der Marine werde im Jahre 1893 eine bessere sein, als dies im Jahre 1892 der Fall gewesen sei ; das Mittelmeer: Geschwader sei der italienischen Flotte überlegen, und das Nord-Geschwader befinde sih in unbestreitbarem Fort- schritte; es sei der Zahl nach fast der gesammten deutschen Flotte gleich. Die Offensiostärke der Flotte werde von Jahr zu Jahr zu- nehmen. Die Gesammtheit der Schlachteinheiten betrage gegen- E 422 und werde sih im Jahre 1897 auf 515 belaufen. Der Marine-Minister Admiral Rieunier bat, die beantragten Credite ohne Zögern zu bewilligen, sie würden im Jnteresse Der Abg. Lockroy habe sich zu pessimistisch ausgesprochen; die Marine sei durch- aus auf der Höhe ihrer Rflichten. Mehrere Kapitel des Budgets wurden hierauf angenommen.

Jtalien.

Die Deputirtenkammer seßte am Sonnabend die Berathung der Jnterpellationen über die Banken- angelegenhceit fort. Nach einem Bericht des „W. T. B.“ brachten Bovio von der äußersten Linken und Costa von der Rechten Anträge auf eine parlamentarishe Enquête ein. Colajani sagte, er werde die ihm bekannten Thatsachen und Gebrechen enthüllen, wenn niht irgend eine Untersuchung die Sache vollständig aufhelle. Diejenigen Personen, welche unwürdig wären, dem Parlament anzugehören, seien wenig r cs sei daher nicht unmöglich, ein über jeden Ver- acht erhabenes Untersuchungs-Comité zu bilden. Der ehe- malige Minister Chimirri vertheidigte das von ihm seiner Zeit in der Bankenfrage beobachtete Vorgehen und verlangte die parlamentarische Untersuhung. Der Minister-Präsident (Giolitti lehnte leßtere unbedingt ab, um den Landescredit nicht zu gefährden. Er verlangte, indem er die Vertrauens- frage stellte, die Vertagung aller Anträge bezüg- O der Onquête Und Dev Bankenfvrage auf dréi Monate. Crispi crklärte, er finde keinen Anlaß zu einer parlamentarishen Untersuhung; da man aber der Kammer Schweigen auferlegen wolle, so werde cer als Zeichen seines Protestes gegen den Antrag Giolitti’s stimmen. Der Antrag des Minister-Präsidenten Giolitti wurde shließlich mit 274 gegen 154 Stimmen angenommen und die Sißung sodann aufgehoben.

Der Papst hat vorgestern den Jesuiten-General Pater Martin empfangen. '

Spanien. ie deutsche Colonie in Madrid feierte am Freitag, wie „W. T. B.“ berichtet, den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm mit einem Bankett, an dem der Botschafter von Radowig theilnahm, der auf Seinc Majestät den Kaiser und auf Jhre Majestät die Königin- Regentin cinen Trinkspruch ausbrachte.

Nach einer Meldung der carlistishen Blätter ift die Herzogin von Madrid, geborene Prinzessin von Parma, in Viareggio gestorben.

Nach ciner Meldung aus Barcelona wurde in einer daselbst abgehaltenen Versammlung liberaler Studenten Protest dagegen erhoben, daß der Eröffnung der protestantischen Kapelle in Madrid Schwierigkeiten bereitet worden sind. Der Widerspruch der in der Versammlung anwesenden Katholiken veranlaßte cine Schlägerei. Die Polizei löste die Versammlung auf. Mehrere Studenten erlitten Verwundungen.

Schweiz. Die Einführung des Proportional-Wahlverfahrens für den Canton St. Gallen ist mit 21800 gegen 19941 Stimmen abgelehnt worden.

Türkei.

Jn der Kapelle der deutshen Botschaft in Pera fand, nach einer Meldung des „W. T. B.“, am Freitag aus Anlaß der Geburtstagsfeier Seiner Majestät des Deutschen Kaisers cin Gottesdienst statt, bei dem der Pastor Suhle die Predigt hielt und dem der deutshe Botschafter Fürst Nadolin, das Personal der Botschaft und des Genceral- Konsulats, die Offiziere des Dampfers „Loreley“, sämmtliche in türkishem Dienste stehenden deutschen Civil- und Militärper- sonen sowie der rumänishe Gesandte beiwohnten. Mittags war bei dem Fürsten Radolin großer Empfang, bei welchem der Fürst den Toast auf Seine Majestät den Kaiser ausbrachte. Ein türkishes Kriegsschiff gab dabei 21 Salutschüsse ab. Um 2 Uhr überbrachten der Ober- Cerecmonienmecister und der erste Gencral-Adjutant des Sultans dem deutschen Botschafter die Glückwünsche des Sultans. Am Abend fand in der deutschen Boischaft ein Diner statt, wozu 108 Einladungen ergangen waren. Fürst Radolin dankte in einer Ansprache für die Glückwünsche des Sultans und {loß mit cinem Hoh auf Seine Mazestät den Kaiscr Wilhelm. Der Sultan halte zu dem Diner das Kaiserlihe Orchester gesandt.

Schweden und Norwegen.

Auf cinen Protest der norwegischen Regierung gegen die Ernennung eines neuen s{chwedisch-norwegischen General-Konsuls in Kopenhagen beshloß, wie „W. T. B.“ berichtet, die schwedische Regierung, das General- Konsulat durh einen Vicar verwalten zu lassen. Die nor- wegische Regierung wünscht, daß in Kopenhagen die Theilung des Konsulatswesens versucht werde.

Dänemark,

Im Folkething- wurde, wie „W. T. B.“. meldet, am Sonnabend die zweite Berathung des Bu dgets für 1893/94 nach zwölftägiger Debatte geschlossen. Die beiden gemäßigten Parteien legten dabei die Neigung an den Tag, sich über die großen finanziellen Streitpunkte zu verständigen, doh sprachen die Berichterstatter der gemäßigten Linken sih aufs ent- schiedenste dahin aus, daß, die Beseitigung jedes Provisoriums die Vorbedingung einer Verständigung sei.

Der Vice-Admiral von Dockum, 1850 bis 1852 dänischer Marine-Minister, später Gesandter in London, 1864 Chef des dänischen Ostsce-Geschwaders, if gestern in Helsingör ge- storben.

n L

Afrika.

Wie die „Times“ aus Kairo melden, verlich der Sultan dem Minister-Präsidenten Riaz Pascha den Osmanié-Orden ersier Klasse mit Diamanten.

Jm Gegensay zu den von verschiedenen belgischen Blättern gebrachten beunruhigenden Nachrichten über die Situation an den Stanley - Fällen, wo die Araber angeblich einen

Angriff auf die ‘Posten ‘vorbcreiteten, erklärt, dem „W. T. Y - zufolge, die Negierung des Unabhängigen Congo- taats, daß der Commandant Dranis die Offensive geaen Moharra, der Hodister ermorden licß, ergriffen habe. Der Unabhängige Congostaat habe keine Nachrichten erhalten, aus denen hervorginge, daß die Araber Feindseligkeiten vorbereiten. Von Kerekhove sind keine directen Nachrichten eingelaufen : man weiß nur, daß er sih am Oberen Kiboli befindet. Die in der Nummer des „R.- u. St.-A.“ vom 27. d. M mitgetheilte Nachricht des „Standard“, das englishe Kanonen- boot „Philomel“ habe aus Besorgniß vor Unruhen unter den Arabern Kanonen in Sansibar gelandet, beruht dem „Reuter’schen Bureau“ zufolge auf cinem Mißverständ- niß. Es bestehe die Gewohnheit, in jedem Monat Kanonen zu landen, um die Mannschaft in der Handhabung der Geschüße zu üben. Einen anderen Beweggrund habe auch diese Landung der Geschüße nicht gehabt. /

Australien.

Nach Meldungen, die dem Staatsdepartement der Ver- einigten Staaten zugegangen sind, ist das bisherige Cabinet von Hawaï am 12. d. gestürzt und ein neues ernannt worden. Die Königin vertagte hierauf die geseßgebende Versammlung und versuchte eine neue Verfassung zu proclamiren, die nach der Auffassung des Volks die Königliche Prärogative verstärkt und den Wählern das Wahlrecht verkürzt hat Am 16. d. oxrgaäni- sirten die Bewohner der Hawaï-Jnseln ein öffentliches Wohlfahrtscomité; am nächsten Tage wurde eine provisorische Regierung eingeseßt und die Königin entthront, ohne daß“ es zu Blutvergießen gekommen wäre. 300 Marinesoldaten wurden von dem amerikanischen Kricgs- chiff „Boston“ auf Ersuchen des amerikanischen Konsuls gelandet. Auf den Jnseln herrsht vollklommene Ruhe. Jn San Francisco ist, nah cinem Telegramm des „Neuterschen Bureau“, am Sonnabend der hawaïshe Dampfer „Claudine“ eingetroffen, an dessen Bord sih eine aus fünf Mitgliedern bestehende hawaïsche Abordnung befindet, die nah Washington gehen soll, um den Anschluß Hawaïs an die Vereinigten Staaten nachzusuchen. In den politischen Kreisen Washingtons hält man einer Meldung des „W. T. B.“ zu- folge dieses Ziel für niht wohl erreichbar, da die Annectirung Hamwaïs durch die Vereinigten Staaten eine Neuerung in der Unionspolitik bedeuten und Verantwortlichkeiten im Gefolge haben würde, welche die Vereinigten Staaten nicht auf sich nehmen könnten. Ueberdies würden die dabei interessirten fremden Mächte zu der Annectirung Hawaïs auch \{chwerlich ihre Zustimmung ertheilen. Den Londoner „Daily News“ wird gemeldet, es werde der Regierung Harrison's an der nöthigen Zeit fehlen, um de Annexion oder Schuzßherrschaft auf Hawaï herbeizuführen. Die Demokraten wünschten keine (Gebietsvergrößerung, wären jedoh geneigt, cine militärische Station auf offener Sce in Hinblick auf zukünftige mögliche Fâlle zu errichten.

Nach einer weiteren Meldung aus San Francisco hätte die Königin eine Proclamation erlassen, worin sie gegen die provisori)he Regierung und die Landung amerikanischer Truppen protestire und erkläre, fie weihe der Gewalt und erwarte, von den Vereinigten Staaten wieder in ihre Macht eingeseßt zu werden.

Das amerikanische Honolulu abgegangen.

Kriegsschiff „Mohican“ is nah

Parlamentarische Nachrichten.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die 23. Sißung vom 28. Januar be-

findet sih in der Ersten und Zweiten Beilage. 24. Sißung vom 30. Fanuar.

Der Sitzung wohnt der Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg bei.

Das Haus sett die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1893/94 fort und erledigt zunächst déèn Nest des Etats des Bureaus des Staats- Ministeriums ohne weitere Debatte und geht über zur Berathung des Etats dcs Ministeriums des Jnnern.

Unter den Einnahmen i} ein neuer Titel eingestellt von 6 450 000 „a an Beiträgen der Gemeinden zu den Kosteu Königlicher Polizeiverwaltungen, über den der Gc- heime Regierungs-Rath Lin dig Auskunft giebt dahin, daß diesen Einnahmen Ausgaben gegenüberstehen für die sahlichen Kosten, für die Vermehrung der Shußmannschaften, für den Nachtwacht- dienst, sodaß etwas über 800000 M übrig bleiben. Dieser Uebcr- chuß foll geseßlih für die Landgendarmerie verwendet werden und es ist auch zur Anstellung von 100 Gendarmen in länd- lichen Gemeinden mit städtishem Charakter und in den Vor- orten von Städten ein Betrag von 300 000 F verwendet worden, sodaß ein Uebershuß von 500 000 A verbleibe.

Die Einnahmen werden bewilligt.

Bei dem Gehalt des Ministers fragt j

Abg. Dr. Lotichius (b. k. F.), ob der Minister dem Hause eine Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau vorlegen werde; der frühere Minister Herrfurth habe dieje zunächst in Aussicht gestellt.

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Die Vorarbeiten für die Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau dauern fort; deren Ergebniß wird dem Provinzial- Landtage vorgelegt werden und dann dem Hause zugehen. :

Abg. Knebel (nl.) weist darauf hin, daß eine staatsrehtlide Eigenthümlichkeit bestehe, daß eine ganze Neihe von Beamtenklajjen, die in den alten Provinzen niht zur Disposition gestellt werden föônnen, auf Grund ciner besonderen Verfügung, die zur Zeit der Annexion erlassen ist, jeden Augenblick zur D gestellt werden fönnen. Dieser Uebelstand sei vom früheren Minister des Innern anerkannt worden ; der aber habe erklärt, daß von dieser Berfügung [eit zwanzig Jahren kein Gebrau gemacht, worden sei, daß also die Noth- wendigkeit einer Aenderung nicht vorliege. Dieser Zustand entspreche nicht der Verfassung. ¿

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Ich gebe zu, daß die Verschiedenartigkeit nicht wünschenswerth ist, aber der Verfassung widerspricht sie niht. s hängen mit der Regelung dicser Angelegenheit Dinge zusammen, die sich nicht so einfa regeln lassen, und fie muß untersucht werden, ob nit aus der alten Verordnung manches in eine andere Regelung mit hinübergenommen werden müßte. Ich lehne es nicht ab, auf die Prüfung der Frage cinzugehen, aber für so dringlih halte ih deren Frledigung nicht. : : _

Abg. Kolisch (dfr.) weist darauf hin, daß in der Provinz Pofen ein Mißverhältniß besteht bezüglich der Vertretung der Städte u Kreistage. Es sei vorgekommen, daß cine städtische Sparkasse, welhe

- Etwas Ehrenrühriges ift

florirte, durch die Einrichtung einer besonderen Kreiesparkasse ge- \hädigt worden fei. Wenn die Städte in der Provinz Posen einen größeren T hätten, so würde dadurch auch vielleicht verhindert worden sein, daß die Mittel aus der lex Huenec fo \{lecht verwendet worden find. E

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Culenburg: Die Vertretung der Städte und Landgemeinden in der Kreißsvertretung beruht auf dem Gefeß von 1828. Eine einseitige Durchbrechung dieses Geseges im Interesse der Städte würde eine Verschiebung der Vertheilung der Vertretung zur Folge haben. Solche einseitigen Experimente kann man niht machen. Die Verhältnisse drängen allerdings roohl dazu, daß man eine systematische Aenderung herbeiführt. Aber folhe Dinge wie bezüglih der Sparkasse können auch im Gebiet der Kreisordnung von 1872 vorkommen.

Abg. Knebel (nl.) führt aus, daß die Verfassung alle Aemter allen Preußen zugänglih mache; daraus folge auch mit Nothwendigkeit, daß die Entseßzung von diesen Aemtern für den ganzen Staat gleich- mäßia geordnet sein müsse.

_ Abg. Fran cke- Tondern (nl.) weist auf verschiedene Mißstände auf dem Gebiet des Versicherungswesens hin. Es handelt sich zunächst um das Agentenwesen; die Agenten theilen nicht überall mit, ob es sich um eine gegenseitige Versicherung, d. h. um cine folhe mit wechselnden Prämien oder um eine solhe mit festen Prämien handelt. Ferner ist es zu tadeln, daß die Versicherungs-Gesellschaften ihre Prozesse an ihrem Siye führen lassen, was viele Leute abhält, über- haupt Prozesse anzustrengen, weil die Kosten zu groß werden. Ferner tadelt er, daß einige Versicherungs-Gesellshaften, die tleine Leute versichern, die Editveitlonaliteäfen mit großer Härte beitreiben.

Pfäsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf ¿u Eulenburg: Es bestehen sehr viele Mißstände auf dem Gebiet des Versicherungswesens, und ih kann nur bitten, alle Klagen zur Kenntniß der Regierung zu bringen, damit sie Veranlassung nimmt, bei der Revision der Versicherungsgesetzgebung ihr Augenmerk darauf zu rihten. Aus dem Vorgetragenen will der Minister Veranlassung nehmen, die Aufsichtsbehörde auf diese Mißstände aufmerksam zu machen.

Aba. Graf zu Limburg-Stirum (conf.) bemerkt gegenüber dem Abg. Knebel, daß die Verfassung nur von der Zulassung zu den Aemtern spreche; diese Vorschrift kann man aber nicht ohne weiteres auf die Entlassung aus den Aemtern anwenden. Die Einführung der Selbstverwaltung in der Provinz Posen is doch nur möglich, wenn die Sicherheit besteht, n die politishen Gegensäßtze von der Selbstverwaltung ferngehalten werden, wie dies in den anderen Provinzen sih herausgestellt hat. Diese Sicherheit be- steht für Posen nicht. Ebensogut wic in dem angezogenen Fall der Kreis der städtishen Sparkasse Concurrenz macht, könne auch cinmal eine neue ftädtishe Sparkasse der Kreissparkasse Concurrenz machen. Cs wird überhaupt ein Gesetz erlassen werden müssen, welches die cinheitlihe Verwaltung der Sparkassen und namentlih die Ver- wendung threr Ueberschüsse regelt.

Abg. von Tiedemann- Bomst (freicons\.) bestreitet, daß sich irgend welche Mißstände herausgestellt hätten. Man könne ruhig warten, bis die politishen Verhältnisse sih geändert hätten. Daß der Kreis eine Sparkasse einrichtet, um zu verhindern, daß die städtische Sparkasse zu große Ueberschüsse erzielt, is eine durchaus berechtigte (Loncurrenz. :

Abg. Papen diek (dfr.) bringt die Nichtbestätigung des Land- schafts-RNaths Maul und des Gutsbesißers Büchler als Kreis-Deputirte zur Sprache. Die Kreisausschüsse haben die betreffenden Herren, die ih in geachteten Stellungen befinden, mit großer Mehrheit gewählt. Der frühere Minifter und der jetzige haben erklärt, daß es sich um pvolitishe Gründe bei der Nichtbestätigung nicht handelte. Was soll denn aber fonst vorliegen ?

Präsident des Staats - Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Wenn man den Ansichten des Vorredners folgen wollte, dann würde man niemals zur Nichtbestätigung kommen, wenn nicht der Betreffende einer entehrenden Handlung sich schuldig gemaht hat. So Uegt. die Sache aber nicht. Die Negtierung muß das Vertrauen haben, daß der betreffende Mann sich zur Wahrnehmung des Amts vollständig eignet. in den betreffenden Fällen nicht vor- gckommen. Es fommt im Parteikampf vor, daß jemand sich in feine Partciauffassung so leidenschaftlih verrannt hat, daß man nicht an- nehmen kann, er werde ein Staats8amt unparteiish und wie es ge- fordert werden kann verwalten. Diese Erwägungen haben die Ne- gierungen geleitet und werden sie auch in Zukunft leiten.

Abg. Knebel (nl.): Ich halte daran fest, daß das Disciplinar- gesetz cin integrirender Theil des preußischen Staatsrechts ist, und daß feine Ausnahme bestehen darf für eine einzelne Prooinz.

Abg. Nik ert (dfr.) : Ich danke dem Minister für seine ODffen- herzigkeit, muß aber feststellen, daß der Graf Eulenburg von den Grfahrungen des früheren Grafen Eulenberg, der s{ließlich in der Befähigunçsfrage ein privilegium odiosum erkannt hat, Nile Gel Dat Ge ut 0 Que rats der Konflikts- zeit zurü. Der Minister meint, daß cs sh um Männer handeln könne, die nach ihrem Temperament s1ch leidenschaftlih einer politishen Parteirihtung hingegeben haben. Es handelt sich um Männer, die von ihren Gegnern troß der Nichtbestätigung einstimmig wiedergewählt worden sind. Ich bin von dem früheren Minister Grafen Eulenburg als Landes-Director bestätigt worden, troßdem ich damals ebenso im Vordergrunde der politishen Kämpfe gestanden habe wie jeßt. Werden denn conservative Männer als Deputirte nicht bestätigt, trotzdem sie sich der Parteipolitik mit dem größten Gifer hingeben ? Diese werden zärtlih behandelt und nur gegen die Freisinnigen richtet sich die Maßregelung. Das Volk wird sehen, daß es sih nur um eine politishe Maßregel handelt. Der Minister hat keinen Beweis dafür erbracht, daß die betroffenen Männer si leidenschaftlicher Parteiagitation hingegeben haben. So lange das nicht geschehen ift, bleiben wir bei der Behauptung, daß die Regierung eine Partei- regierung ist. (Widerspruch rets.) f

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Ich bin erstaunt über diese Philippika des Abg. Nicker. Ich muß wiederholen, nah den Grundsäßen des Abg. Nickert wäre das Bestätigungsreht der Regierung überhaupt beseitigt. Sie sehen, wie an den hervorragendsten Stellen fieisinnige Männer bestätigt sind, und dann wagen Sie mir zu sagen, daß ich parteiish gehandelt habe! Das wird Ihnen kein Mensch glauben. Ich bin entschieden der Meinung, ein unparteiisches Regiment zu führen. Aber ih werde die Bestätigung nicht ertheilen oder Seiner Majestät nicht rathen, sie zu ertheilen, wenn ih nit vollständig überzeugt bin von der Befähigung der Männer, die gewählt sind. Das ift eine politische Maßregel, aber eine Maßregel, die sih niht gegen eine besondere Partei richtet, sondern gegen jede Partei, in der die be- treffenden Verhältnisse sich herausstellen sollten. Wenn ih etwas vor- gebracht hätte über die betreffenden Männer, so würde ih mir vielleicht gesagt haben: das genügt nicht. Das kann man nur aus persönlicher, genauer Kenntniß der Verhältnisse beurtheilen, und dazu gehört eine große Verantwortlichkeit. Ich fann nur sagen, daß nur Dinge an- geführt worden sind, welche ergeben, daß dic beiden Männer ihr Amt nicht objectiv, sondern vom Standpunkte der Partei aus wahrnehmen würden, y E E O

Abg. Schmi z (Centr.) weist darauf hin, daß die kleinbäuerlichen Besizer bei den Versicherungsagenten. oft Dinge unterschreiben, ohne sie gelesen zu haben, oder daß sie sogar mündliche Vereinbarungen treffen, die den schriftlihen widersprechen. Dei Minister sollte dem Agentenwesfen eine größere Aufmerksamkeit zuwenden. R

Abg. Motty (Pole): Die Abgg. Graf zu Limburg-Stirum und von Tiedemann-Bomst haben gemeint, die politischen Gegensäße würden in Posen in die Selbstverwaltung cindringen, dafür ist ein Beweis nicht beigebraht worden; wix. müssen diese Behauptung zurückweisen, Die politischen oder vielmehr die nationalen Gegensäßge werden wir in die Verwaltung niemals einmischen. ;

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (cons.): Wenn alle Lands- leute des Vorredners von seiner gemäßigten Gesinnung wären, könnte die Einführung der Selbstverwaltung kein Bedenken haben. Vas ist

aber durhaus nicht der Fall, und es wird schr viel Zeit nöthig sein, um dahin zu kommen. In Bezug auf die Nichtbestätigung der Kreis-Deputirten stehe ih vollständig auf dem Standpunkt des Ministers, dem ih unseren Dank dafür aus- \sprehe, daß die Rechte der Krone energisch gewahrt werden. Die Herren find nicht bestätigt worden wegen der prononcirten Partei- stellung, niht weil sie überhaupt freisinnig sind. Der Abg. Nikert, obgleih cin Führer der Freisinnigen, könnte in jedem communalen Amte bestätigt werden. Aber es giebt Leute, die in jedem Falle ihren Parteistandpunkt vertreten. Solhe Männer können öffentliche Aemter nicht bekleiden. Sie tellen die Regierung în eine ganz falshe Lage, wenn Sie verlangen, diele soll hier die Gründe angeben; denn das Urtheil über einen Mann bildet sich aus einer Menge von Imponderabilien. Dabei . läßi fich kein logischer juristisher Beweis führen. Das Kronrecht würde ohne weiteres beseitigt sein. Deshalb müssen wir uns dem Anfordern des Abg. Nickert entschieden widersezen. Das Recht der Bestätigung ist ein verantwortungsvolles, aber, wenn es gut geübt wird, dient es dem Wohle des Landes. Es if im leßten Jahre mit einex Unparteilich- feit geübt worden, daß niemand berehtigte Beschwerden erheben kann.

Bei Schluß des Blattes nimmt Abg. Dr. Langerhans das Wort.

Der Bericht über die Sißung des Reichstags vom 28. Januar befindet sich in der Ersten Beilage.

Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Geseßes über den Einfluß von Vorrechtseinräumungen auf das geringste Gebot in dem Verfahren derx Zwangsversteigerung zu- gegangen.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus dem Ober - Bergamtsbezirk Dortmund wird der „Frkf. Ztg.“ unter dem 26. d. M. geschrieben, das Ende des Aus- standes werde die endgültige Entlassung mehrerer hundert Bergleute sein, die während des Strikes sih mißliebig gemacht haben. Die Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, die er über 1000 Bergleute der Zeche „Germania“, „Schacht 1“ und Schacht „Müllensiefen“ und „Zollern“ entlicß, habe sämmtliche Leute bis auf 509 wieder ange- nommen. Da auch andere Gruben folche Leute nicht annehmen, wird den Entlassenen nichts übrig bleiben, als in ihre Heimath zurü- zukehren. Die Betroffenen sind meist Fremde.

Gestern fand hier in Berlin eine Versammlung von Anarchisten statt, in der heftige Neden gegen die Socialdemokraten gehalten wurden, die dann aber schließlich der Auflösung durch den überwachenden Beamten verfiel.

Nach einer Mittheilung der Londoner „Allg. Corr.“ beliefen ih die dur Ausstände in Großbritannien verursahten Verluste 1890 auf 1292 009 Pfund Sterl. ; für 1891 berehnet man die Ver- luste auf 1500 000 Pfund Sterl.

Ueber die ergebnißlose Conferenz, die jüngst wieder zwischen Är- beitgebern und Ausständigen der Baumwollindustrie in Lan- cashire stattfand (vgl. Nr. 25 d. BVl.), berichtet die Londoner „Allg. Corr.“ : Die Arbeitervertreter erklärten ih bereit, den Ge- nossen zu rathen, die Arbeit zu den alten Lohnsäßen unter der Bedingung wieder aufzunehmen, taß, wenn nach Verlauf von 3 Monaten die Preisdifferenz zwiswen Baumwolle und Garn feine genügend große sein sollte, fie cine fünfprocentige Lohnkürzung fich sollten gefallen lassen. Die Fabrikanten wiesen diesen Vorschlag als unannehmbar zurück. Darauf erklärte der Secretär des Arbeiteraus\chusses, Mr. Maudsley, daß bei dieser Sachlage von der weiteren Fortseßung der vierzehntägigen Berathungen fein Nußen sih erwarten ließe, und da die Fabrikanten gleicher Meinung waren, wurde die Conferenz auf unbestimmte Zeit vertagt. In Manchester liefen“ Gerüchte um, daß eine große Anzahl von Baumwollenfabrikanten, Mitgliedern des Bundes der Meister, mit der Aufnahme der Vorschläge der Arbeiter auf der Freitagsconferenz dur die Arbeitgeber, unzufrieden seien ; das Executiv- comité des Bundes werde um die Einberufung einer großen Ver- sammlung ersuht werden, auf der die Lage vom Standpunkt der Fabrikbesiger gründlichst besprochen werden soll.

Neue Arbeitershußgeseßgebung in Belgien.

Das belgishe „Staatsblatt“ veröffentlicht eine Neihe Königlicher Erlasse, wodurch die Frauen- und Kinderarbeit in industriellen Anlagen nach den Forderungen des Geseßes vom 3. Dezember 1889 geregelt wird. Dieses Geseß hatte u. a. bestimmt, daß der König innerhalb dreier Jahre die höchste zulässige tägliche Arbeitsdauer und die Nuhepausen (für Frauen und Kinder) nah den Erfordernissen der íöIndustrie sowohl als dex Art der Beschäftigung regeln wird. Die jeßigen Erlasse die sih indeß nicht auf den Bergwerksbetrieb be ziehen enthalten diefe damals vorgesehene Regelung. Wir heben hieraus auf Grund einer Mittheilung der „Köln. Ztg.“ Folgendes hervor : :

1) Spinnereien und Webereien von Leinen, Baum- wolle, Hanf und Jute: Arbeitsdauer 113 St., jedoh für Kinder von 12 bis 13 Jahren nur 6 St. mit Ausnahme der vor dem Erlaß beschäftigten; drei Nuhepausen mit (zusammen) 14 St. Rube und einschließli ciner cinstündigen Mittagspause; während der Pausen müssen die Einrichtungen, an denen geshüßte Personen arbeiten, ftill stehen und diese freien Ausgang haben. 2) Wollspinnereti und -Webe rei: Arbeitsdauer 114 St.; drei Paufen mit 1, St., davon einstündige Mittagspause. 3) Zeitungsdrucckereien: Arbeits dauer 10 St.; mehrere Pausen mit 14 St. 4) Kunstgewerbe, darunter graphische Künste, Scriftgießereien, Buchbindereien, Klavier-, Orgel-, Geigenfabriken, Diamantschneidereien u. a. m.: Arbeiisdauer 10 St. (in Schriftgießereien 8 für Arbeiter unter 16 Jahren); drei Nuhepausen mit 1} St. 5) Papierfabriken: Arbeitsdauer 6 St. für Kinder unter 14 Jahren, 10 St. für die anderen geschüßten Per- sonen; Pausen für Kinder §4 St., für die übrigen dreimal mit 13 St. Die vor dem Erlaß beschäftigten Kinder werden wie geshüßte Per- sonen über 14 Jahren behandelt. Nachts dürfen Knaben von mehr als 14 Jahren beschäftigt werden. 6) Taback- und Cigarren- fabriken: wie in den Papierfabriken, jedoch ohne Ausnahme- bestimmung für Nachtarbeit. 7) Zuckerfabriken: Arbeitsdauer 104 St.; drei Pausen mit 14 St. Nachtarbeit wird für Knaben über 14 und Mädchen über 16 Jahre gestattet. 8) Möbel- industrie, darunter Parkettirung, Marmorarbeit, Wagenfabriken, Böttchereien, Bürstenfabriken : Arbeitsdauer (hier betrifft die Aus- nahme bloß die geshüßten Personen bis zum 16. Jahre) 9 St. vom 1, Oftober bis Gnde März, sonst 10 St.; drei Paufen mit 15 Skt, einstündige Mittagspause. 9) Töpfereien und Fayence- fabriken (wieder für alle geshüßten Personen): Arbeitsdauer 10 St., drei Pausen mit 1} St. mit einstündiger Mittagspause. 10) Fabriken von feuerhartem Steingut: desgl. 11) Spie gelfabriken: desgl. Ferner können beim Gießen Knaben von 14 bis 16 Jahren Nachts sowie alle 14 Tage 6 Stk. am Nuhetage beschäftigt werden; zwischen diese 6 St. fällt eine wenigstens halbstündige Pause. 12) Zündholzfabriken: Arbeitsdauer 104 St.; drei Pausen mit 14 St. und mit freiem Ausgang. Jn diesen Fabriken dürfen nah einem früheren Erlaß Kinveéë“ unter 14 Jahren schon nicht mehr beschäftigt werden. 13) Baugewerbe (für Arbeiter von weniger als 16 Jahren): Arbeitödauer § St. vom 1. November bis Ende Februar, sonst 10 St.; Paufen 1 bezw. 14 St. 14) Ziegeleien: Arbeitsdauer a. 8 St. für alle unter 14 und Mädchen unter 16 Jahren : b. 12 St. für die übrigen Ge- s{hüßten vom 1. April bis Ende September foust e. 8. St.; Pausen, zu a und ‘c mebrere mit 1 St, u d 1 St. mit einstündigem Mittag. 15) Zinkb ütten: Arbettsdauer a. für Kinder untex 14 Vahren 5 Sh, d. W übrigen Geschüßten 10 St.; Pausen zu a è St,: zu b mehrere, mit 4 St, und mit einstündigem Mittag zwischen 11 und 2 Uhr; Nacht-

arbeit nur für Knaben von 14 bis 16 Jahren. 16) Glas- und Krystallfa briken (für solche, die beim Glasberciten selbst thätig sind); Arbeitsdauer 10 St. und 20 Min.; drei Pausen, nämlich Mor- ens 20 Min., Mittags # St., Nachmittags 20 Min. ; Nachtarbeit ür Knaben von 14 bis 16 und weibliche Personen von 16 bis 21 Jahren ; Arbeit an jedem ‘zweiten Ruhetag für Knaben von 14 bis 16 Jahren, die beim Gießen thätig fein müssen, und dann nur bis zu 6 St. mit 2 St. Pause. 17) Bekleidungsgewerbe 1, nämlich Bereitung von. Kleidungsstücken und Kurzwaaren: Arbeitsdauer 11 St.; drei Pausen mit 14 St. und einstündigem Mittag. 18) Sonstige Be- leidungsgewerbe, also Leder, Schuhwerk, Färbereien, Schirme, Handschuhe u \#. w.: Arbeitsdauer 10 St.; Paufe mit 1 St. und freiem Ausgang. 19) Schwere Maschinen und Eisenbahn- wagen u. \. w.: Arbeitsdauèr 10 St. für Kinder unter 14 Jahren, 11 St, für die übrigen Geschüßten ; Pausen mit 1 St. und freiem Aus- gang. 20) Leichte Maschinen, darunter Instrumente für Techniker, Ühren, Gießerei für kleinere Gegenstände, Waffenfabriken u. \. w. : Arbeits- dauer 10 St. für Kinder unter 14 Jahren, 11 St. für die übrigen Geschüßten in Fabriken von Schrauben; Nägeln, Werkzeugmaschinen, landwirthschaftlidben und Gartenmaschinen und Geräthen, Wagen, Zaundraht und Drahtgeweben, Stahlfedern, Messern, Küchengeräthen, Kratzen, Feuersprißzen, Hufen, Näh- u. \. w. Maschinen, Fahrrädern u. a. m., ferner beträgt die Arbeitsdauer für Geschützte über 14 Jahre in den fonstigen Anstalten dieser Gruppe 10 St., Ruhepaujen allgemein 14 St. mit einstündigem Mittag und mit freiem Aus- gang. Die in den verschiedenen Erlafsen angeseßten Stundenzahlen find die höchst zulässigen für die Arbeitsdauer, die niedrigften für die Ruhepausen. Wo Nachtarbeit gestattet wird, darf die ge- fammte Arbeitsdauer die durh die Erlasse für die betreffenden ge- shüßten Personen gestattete Zahl Stunden thatsächliher Arbeit in 24 Stunden nicht übersteigen; und wo Sonntagsarbeit der Ausdru durfte der Verfassung wegen nicht gebraucht werden zu- lässig ist, muß, wie noch ausdrüctlih bestimmt wird, freie Zeit zum Besuch des Gottesdienstes gelassen werden. In den Fabrikräumen muß neben dem Geseß eine Stundentabelle angeschlagen werden.

Da die Erlasse niht unerwartet kamen, haben die Gewerbe- treibenden bereits ihre Vorkehrungen getroffen; in Gent z.- B. haben alle großen Textilfabriken bereits verfügt, daß die für ges{hüßte Per- fonen vorgeschriebenen Marimalstunden und Ruhepausen für alle Ar beiter gelten, und zwar ohne Lohnverkürzung.

L) Kunst und Wissenschaft.

Die Philosophishe Gesellschaft beging am Sonnabend im Bürgersaal des Rathhauses ihr fünfzigjähriges Bestehen durch einen Festact. Von Gästen waren, wie die „Nat.-Ztg.“ berichtet, anwesend : Ge- heimer Justiz-Rath Professor Dr. Berner, der noch als Schüler zu Michelet’s und Werder's Füßen gesessen hat, ferner die Professoren Lazarus, Steinthal, Bastian. Ihnen {lossen ih die Professoren Paulfen, Ebbinghaus, Ascherson, Brugsch, Pappenheim, der russische Staatsrath von Konmanin u. a. an. Professor Lasson er- öffnete die Feier mit einer Begrüßung der Gäste. Dann betrat der cinundneunzigjährige Professor Michelet das Katheder und machte einige Mittheilungen über die Entstehung der Gesellschaft, deren Gründung in eine Zeit fiel, „in der die Systeme wie Pilze aus der Erde wuchsen“. Ihr stehe die Gegenwart als die „heldenlose, die schreck- liche Zeit“ gegenüber. In einem zweiten Theil feiner S ging Michelet darauf ein, in welher Weise die Gefellshaft ihre Aufgabe erfüllt habe. Mit Lebhaftigkeit gebe noch eine philosophishe Wahrheit, welhe durch die zweitausendjährige Geschichte der Philofophie herbeigeführt und ans Licht gezogen sei. Hierauf nahm Professor Lasson das Wort zu der Festrede, in der er ein Bild von der Entwickelung und Umbildung gab, welche die philosophische Gefellshaft im Laufe der fünf Jahrzehnte ihres Bestehens erfahren hat, und zugleich das Ver- hältniß zu den Naturwissenschaften beleuchtete. Der leßte Redner, Gymnasial-Director a. D. Döring, früher in Dortmund thätig, sprach zum Schluß über die Zukunft der Gefellshaft mit Hinwe!s auf die neuen Regeln der Gesellschaft. Am Abend vereinigte sich die Gefellshaft mit ihren Gästen zu einem Festmahl im Restaurant Aimé.

Der 22. Chirurgen-Congreß wird unter Vorsig des Professors König-Göttingen vom 12. bis 15. April d. J. in Berlin um Langenbeck- Hause stattfinden. Der 21. deutsche Aerztetag wird in Breslau am 26. und 27. Juni abgehalten werden.

-— Auch die Universität zu Palermo ift laut Veldung des „W. T. B.“ vom gestrigen Tage tufolge von. Unbotmäßigkeiten der Studirenden geschlossen worden.

erklärte er, es

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs Maßregeln.

Cholera. ; 30. Januar. Der „Hallishen Zeitung“ zufolge sind in der Irrenanstalt zu Nietleben von Sonnabend Mitter- naht bis Sonntag Mitternacht zwei Erkrankungen und zwei Todes- fälle und von Sonntag Mitternaht bis Montag Mitternacht zwei Todesfälle infolge von Cholera vorgekommen. In der Stadt Wettin ist eine Perfon an der Cholera erkrankt.

Halle a. S., T

Großbritannien,

Die von dem Local Government Board erlaffenen Verords nungen vom 11. und 13. Juli, 11. August und 14, Dezember 1892 (vergl. „R.-A.“ Nr. 4 vom 5. Januar 1893), betreffend die Einfuhr von Lumpen, f{chmußigem Bettzeug und gebrauchten oder s{chmutzigen Kleidungsstücken, sind unter dem 21, Januar 1893 weiter dahin ab- geändert worden, daß „Lumpen“ im Sinne der früheren Verordnungen und innerhalb des bisberigen Geltungsgebiets der leßteren, vorbehaltlich einer etwa anderwett von dem Local Government zu treffenden Bestimmung, während der nächsten zwei Monate nach England eingeführt werden dürfen, ohne der bisher vorgeschriebenen Desinfection in englischen Hâfen vor Auslieferung an den Adressaten unterworfen worden zu fein, vorausgefeßt, daß ein von dem Absender vor einem britischen Konsul ausgestelltes und von dem letzteren beglaubigtes Certificat dahin beigebracht wird, daß die Lumpen niht von Orten herstammen, in welchen Cholera geherrscht hat.

Portugal.

Durch cine im „Diario do Governo“ vom 24. Januar 1893 ver- öffentlichte Verfügung des Königlich portugiesishen Ministeriums des Innern troerden die Häfen Rußlands von dem: gedahten Tage an für „rein“ von Cholera erklärt.

Handel und Gewerbe.

Unter der Firma K. Richter, General Office, 20 Market Place, Oxford Street, London W. empfiehlt sich. in deutschen Zeitungen ein in London angeblich bestehendes Stellenvermitte- lungsbureau. Stellungsuchende, welche sih auf eine folche Anzeige hin an die bezeichnete Adresse wenden, erhalten daraufhin die Aufforderung, zunächst auf die von dem Bureau herausgegebene Zeitschrift „Central Office“ zu abonniren und den Abonnementspreis im voraus einzusenden.

Nachfragen in dem Hause 20 Market Place, London W., haben ergeben, daß sich in demselben ein Stellenvermittelungs- bureau oder General Office von K. Richter nicht befindet, und daß ein salhes auch in der Nachbarschaft gänzlih unbekaunt ist. Unter diefen Umständen kann: den Stellungsuchenden nux empfohlen werden, den unter der bezeichneten Adresse ergehenden Offerten gegenüher vorsichtig zu fein.

Verkchrs-Austalten.

Bremen, 29, Januar. --(W. T. B): (NoxddeutiGer

Lloyd.) Der Postdampfer „Frankfurt“, na dem La Plata be»