der Standpunkt weit erhaben über die agitatorische
Kritik, welche gegenwärtig draußen im Lande ge- trieben wird (sehr wahr! links), — eine Kritik, die meint, mit allgemeinen Redewendungen, als da sind: die Regierung habe nicht mit gehöriger Umsicht oder Geschicklichkeit verfahren, man habe nicht alle Interessen gehörig gewahrt, — ein Werk, wie die Handelsverträge dis- creditiren zu“ können. Wer nichts vorzubringen hat ‘als diese-Rede- wendungen, der beweist nihts Anderes, als daß er etwas sagen möchte, aber nichts zu sagen weiß. Und vollends das beliebte Schlagwort von der Ungeschicklichkeit, mit der die Regierung verfahren sei, das Wort ist zu aller Zeit die Waffe derjenigen gewesen, bei denen das Be- dürfniß des Tadels sehr groß und der Vorrath an sahlichen Argu- menten sehr lein gewesen ist. Und wenn der Abg. Vopelius unter keinen Umständen eine Herabseßung der landwirthschaftlichen Zölle “haben will, dann hätte er viel einfacher fagen sollen: ih will über- haupt keinen Tarifvertrag mit Oestecreih. Denn ein Tarifvertrag mit Oesterreih-Ungarn ist überhaupt niht zu {ließen auf einer anderen Grundlage, als daß wir in den landwirthshaftlihen Zöllen Con- cessionen machen, Oesterreih-Ungarn seinerseits uns Concessionen be- züglih der Industrie gewährt. Wir haben auf diesem Boden mit Desterreih-Ungarn abgeschlossen im Jahre 1853. Wir haben damals die Zollfreiheit für Getreide gebunden, wir haben dieselbe Concession gemacht im Jahre 1865 und 1868. Im Jahre 1877 war die Zoll- freiheit des Getreides die conditio sine qua non von Seiten Oesterreihs; eben deshalb fam ein Vertrag nicht zu stande. Jch erinnere mich sehr wohl, daß gerade aus der Reihe der Rechten da- mals die Getreidezölle, und zwar in der Höhe von 1 M damit be- fürwortet sind, daß man sagte, das sei ein schr gutes Compensations- object bei einem Tarifvertrag mit Oesterreich und mit Nußland.
Meine Herren, der Herr Vorredner will ein autonomes Schutz- zollsystem haben. Ich gehe mit ihm soweit, als er von einem rationellen Zollsystem verlangt, daß es den inländishen Markt der inländischen Production in erster Reihe sichert; allein ich trenne mi von ihm, indem ich die Behauptung aufstelle: Jedes Schutzollsystem in! Deutschland hat seine naturgemäße Grenze in den Interessen der Ausfuhr. Ein Land, das, wie Deutschland, jedes Jahr für 3000 Millionen Nohstoffe einführen muß, und darunter für 1000 Millionen nothwendige Nahrungsmittel, muß exvportiren, wenn nicht alle wirthschaftlichen Factoren Noth leiden follen.
Wenn der Herr Vorredner sih auf den Standpunkt tellt: eine kauffräftige Landwirthschaft ist die Voraussezung eines Gedeihens aller anderen wirthschaftlichen Factoren, so sage ih: ja, aber ih füge bei: der Gedanke, daß die Landwirthschaft Vortheil ziehen könnte von einem handelspolitischen System, - welches mittelbar oder unmittelbar unsere Ausfuhr nachhaltig schädigt , enthält einen ungeheuren Irthum, und ih bedaure, sagen zu müssen, daß dem Anschein nah auch der geehrte Herr Vorredner in diesem Irrthum befangen is. Daß ein Schußzoll, wenn er eine gewisse Höhe erreicht hat, die Ausfuhr s{chädigt dadurch, daß die Inlandspreise höher werden als die Weltmarktspreise, und damit der Wettbewerb im Auslande erschwert wird, das sollten doch am allerwenigsten diejenigen abreden, die sch heute se lebhaft für die Aufhebung des Identitätsnachweises interessiren. Denn dieser Wunsch beruht do auf der Erwägung, daß durch die Getreidezölle die Ausfuhr von Getreide auf den Weltmarkt ers{chwert wird.
Es ift also ein eigenthümlicher Widerspru, daß man in dem- selben Augenblick, wo man eine Herabsetzung des Zolles gegen Ruß- land von 5 M auf 3,590 4 als eine Art von vaterlandslofem Be- ginnen erklärt, fih bemüht für eine Maßregel, die darauf hinausgeht, ein gewisses Quantum russishen Getreides zollfrei bezw. zu 1,50 M. einzuführen. — Ja, der Herr Abgeordnete Graf von Mirbach \chüttelt das Haupt. Aber der Wunsch, den Identitätsnachweis aufzu- heben, beruht do darauf, daß infolge der Zölle die Landwirthschaft im Often niht mehr auf dem Weltmarkt concurriren kann, und man deshalb wünscht, in gewissem Umfang Getreide zollfrei aus Rußland einzuführen. Wie dieser Widerspruh zu erklären is und wie insbesondere über“ diese Dinge das landwirthschaftlihe Kränzchen in Unterfranken denkt, das wäre interessant zu erfahren. Sodann übersieht der Abg. Graf Kanitz, daß das entscheidende Moment am 1. Fe- bruar 1892 das war, daß der Schußzoll fih verallgemeinert hat und daß die Verallgemeinerung des Schutzzolls nothwendiger Weise der Regierung die Frage vorlegte: was ift angesihts dieser Erschwerung unserer Ausfuhr zu thun? Man hat den Versuh gemacht, die Dinge herumzudrehen. Ich lese da in einer angesehenen conservativen Zeitung : „Daß Rumänien, Spanien u. #. w. sich fehr autonome Tarife gaben, das war die einfahe Folge der deutshen Schußzollpolitik von 1891; man wollte für die bevorstehenden Tarifverhandlungen ein gehöriges Austauschmaterial in der Hand behalten.“ Also: die Staaten haben ihre Tarife erhöht, weil wir Tarifpolitik treiben wollten! Einige Daten mögen diefe Behauptung beleuchten. Der neue {hutzöllnerishe Tarif in der Schweiz beruht auf einem Bundesrathsbeshluß vom 20. Dezember 1888; die Vorlage erfolgte am 2. Mai 1890. Der neue shußzöllnerische spanische Tarif beruht auf einem Beschluß vom 10. Oktober 1889, mit dem die Commission eingeseßt wurde, um einen {utzöll- nerishen Tarif auszuarbeiten. In Rumänien haben fich Parlament und Negierung bereits im Jahre 1883 vereinigt, nah Ablauf der Handelsverträge einen \{chußzöllnerischen Tarif aufzustellen. In Frankrei hat der Conseil supérieur bereits im Juni 1890 die Beshllisse gefaßt, nunmehr in intensiver Weise Landwirthschaft und Industrie zu s{chüzen. Also die Sache verhält sih genau um- gekehrt; denn unsere Absicht , Tarifverträge zu \chließen, trat erst îm Herbst 1890 in die Oeffentlichkeit. Wir waren gewiß, daß vom 1. Februar 1892 an nach Ablauf der Tarifverträge alle Exportstaaten wesentlich höhere Zölle erheben würden; und das war der Grund, warum wir den Weg der Tarifverträge gegangen sind.
Man hat meine Behauptung bestritten, daß die Opposition gegen unsere Tarifverträge auf einer Verkennung unferer handelspoli- tishèn Situation beruhte. Jch darf wohl zur Bekräftigung meiner Behauptung einige Zahlen anführen über die Gestaltung unserer Handelsbilanz, namentlich deshalb, weil man die Handelsbilanz von 1892 vielfach als Sturmbock benußt, um gegen die Handelsverträge vorzugehen. Im Jahre 1886 hatten wir noch eine active Handels- bilanz, d. h. eine Ueberbilanz von 106 809000 4; dieselbe war 1887 herabgesunken auf 22 Millionen. Von 1888 an beginnt die Unter- bilanz; dieselbe betrug 67 Millionen, Diese Unterbilanz ift 18389 bis auf 824 Millionen angewachsen und im Jahre 1891 auf 975 Millionen Mark. Um diesen Betrag hat 1891 die Einfuhr nah
euts{chland die Ausfuhr aus Deutschland überwogen.
Exportbedingungen, die uns gewährt wurden, durch den unentgeltlihen Genuß aller der Tarifverträge, die mit dem 1. Februar 1892 abliefen. Wer für den 1. Februar “kein anderes Remedium hatte, als Festhalten der - Getreidezölle, Festhalten der autonomen Schutzolltarife, der mußte gewärtigen, daß unsere Ausfuhr,
die an sih {on im Sinken war, in dem“ Maße rapid noch sinken
muúßte, als durch Wegfall der ‘Tarifverträge unsere Exportbedingungen erschwert wurden. Nun, meine Herren, hat man von der Währungs- frage gesprohen als Remedium. Ich erkenne die Bedeutung der Währungsfrage vollkommen an, und ih persönlich bin überzeugt, daß allerdings unter der Silberentwerthung ein erheblicher Preis- druck auf Getreide sih herausgestellt hat; darüber ist für mi kein Zweifel. (Sehr richtig! rechts.) Das is meine persönliche Meinung. Aber die Lösung der Währungsfrage # auf die man uns so vielfach verweist, ist doch ein Wechsel auf sehr lange Sicht, von dem ich Zweifel habe, ob er jemals hHonorirt werden wird, während unsere Handelspolitik namentlich in den fritishen Augenblicken des 1. Fe- bruar 1892 dringende Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen hatte. Also mit dec Vertröstung auf Lösung der Währungsfrage würden wir nicht einen Schritt vorwärts gekommen sein.
Man kann nun allerdings sagen: wenn die anderen Staaten ihre Zölle erhöhen, so können wir das gleiche thun. Gewiß, das können wir; wir können Repressalien üben und können dabei allmählich zu einem Zustand kommen, bei dem es darauf ankommt, wer kann es länger aushalten? Diesen Weg kann und muß man unter Umständen gehen, und ih bin heute noch nicht überzeugt, ob man nicht dem einen oder anderen Lande gegenüber dazu wird schreiten müssen, so weit unsere Thüren zu verschließen, als der andere Staat das gleiche thut. Ich bin der Ansicht, daß gegebenen Falls ein solcher Zollkrieg kräftig geführt werden muß, um ihn rasch zu beenden. Aber ein Zollkrieg kann doch niemals Selbstzweck sein, sondern nur Mittel zum Zweck; das Ende ist immer wieder der Friede, ein Tarifvertrag, — nur mit dem Unterschiede, daß, wenn nah einem Zollkrieg der Friede ge- {lossen wird, alle Welt zufrieden ist, während heute das nit der Fall ist. Jch bin fest überzeugt , wenn wir die Handelsverträge niht geschlossen hätten, wenn wir es hätten darauf ankommen lassen, in den Zollkrieg mit dem einen oder anderen Staat zu gelangen, daß alle Leute bei uns und auch die Landwirthschaft sehr zufrieden gewesen wären, wenn wir {ließlich diesen Krieg mit unseren Tarifverträgen beendigt hätten.
Man hat außerhalb des Hauses von den Erfahrungen ge- sprochen, die wir mit unseren Handelsverträgen gemacht hätten ; die- selben find als ungünstig bezeichnet und gleihsam als Warnung bezüg- lih der deutsh-russishen Verhandlungen aufgestellt worden. Nach meinem Dafürhalten kann von Erfahrungen in diesem Augenblick noch niht gesprochen werden, weil die Wirkung der Verträge noch nicht zu übersehen ift, zumal in der Zwischenzeit eine so bedeutende Um- wälzung wie der Ablauf aller Tarifverträge liegt. Aber ih habe gar keine Scheu, die Handelsbilanz des Jahres 1892 unter die Lupe zu nehmen , und Sie werden finden , daß, während unsere Handels- bilanz sich von 1887 bis 1891 fortwährend vershlechtert hat, 1892 eine Art Stillstand eingetreten i, und das wäre an sih {on ein recht erheblicher Erfolg. Die Einfuhr namentli der Rohproducte hat sih 1892 vermehrt, und hier spielt wieder das Getreide die Hauptrolle. Wie ih bereits das leßte Mal sagte, ift für 1892 eine Mehreinfuhr von circa 88 Millionen Mark Weizen notirt als 1891, und diese Zahl wird sich zu Gunsten unserer Bilanz voraussichtlich noch erheblich vermindern bei der definitiven Statistik, weil vorläufig die hohen Preise des Jahres 1891 ein- geseßt wurden, niht die weit niedrigeren Preise des Jahres 1892.
Was nun die Ausfuhr betrifft, so haben wir doch bezüglich ganz wichtiger Industriezweige recht erheblite Mehrausfuhren zu ver- zeichnen gegenüber dem Jahre 1891. Beispielsweise sind an Baum- wollenfabrikaten 1892 ausgeführt worden mehr als 1891: 25 Millionen Mark, an Farbwaaren, Chemikalien 20 Millionen Mark, an Glaswaaren 13 Millionen Mark, Kautshukwaaren 3 Millionen Mark, Kleider, Confection, Leibwäsche ca. 7 Millionen Mark, Papier 3 Millionen Mark, Wolle und Wosllwaaren 34 Millionen Mark, und dem steht gegenüber eine Minderausfuhr namentli an Leder im Betrage von 15 Millionen Mark, von Holz im Betrage von 9 Millionen Mark, von Häuten und Fellen int Wetrage von c Millionen Mack u: sw Also! es it jedenfalls eine Verschlehterung unserer Hendelsbilanz durch unsere Handelsverträge vermieden worden, die zweifellos eingetreten wäre, wenn wir nach dem Princip des Herrn Abg. Grafen von Kanihtz für den 1. Februar 1892 kein anderes Remedium gehabt hätten als den Schein unseres autonomen Zolltarifs.
Man hat ja auch von den politischen Erwägungen gesprochen, welche die verbündeten Regierungen veranlaßt hätten, die Tarifverträge, insbesondere mit Desterreih-Ungarn und Italien abzuschließen; man will damit den Regierungen gleichsam mildernde Umstände gewähren. Das ist ja sehr s{hön, ih muß es aber doch entschieden ablehnen, daß die verbündeten Regierungen diese Verträge in einer politischen Zwangslage geschlossen hätten. Wenn so überwiegend wirthschaftlihe Gründe für den Abshluß von Tarifverträgen \prechen, wie damals Ende des Jahres 1891, so konnte es für die Regierung nur erwünscht sein, wenn dieselbe verstärkt wurde durch die politishe Erwägung, daß es die Bündnisse mit Oesterreih-Ungarn und mit Italien nur fördern kann, wenn wir auch wirthschaftlich mit ihnen im Frieden leben. Wir haben diese Tarifverträge geschlossen in erster Reihe aus wirthschaftlihen Gründen ; aber allerdings auch die politische all- gemeine Anschauung hat dabei vorgewaltet, daß, je mehr die Interessen der Nationen Europas dur solche Tarifverträge folidarisch werden, um so mehr sie sich hüten werden, in Streit und in Krieg einzu- treten.
Ich resfümire mi dahin, daß ih nach wie vor den Saß aufrecht erhalte: die Handelsverträge sind ein für Deutschland nüßliches und wohlthätiges Werk gewesen; sachliche, stihhaltige Argumente sind bis jeßt niht dagegen vorgebracht worden, und wenn auf die Stimmung und Verstimmung hingewiesen wird, die aus Anlaß der Tarifverträge in weiten Kreisen herrshen sollen, so kann ih ja die Thatsache nicht abreden ; aber ich tröôste mich mit der inneren Ueberzeugung, daß diese Stimmung und Verstimmung noch viel intén- siver sein würde, wenn die Tarifverträge nicht zum Ab\chluß gekommen sein würden. (Sehr wahr! links.)
Abg. Dr. Barth (dfr.): Wie die Socialdemokraten haben uns auch die Agrarier im Unklaren über ihren Zukunftsstaat gelassen. Nur
einzi orte zu D J ( gt V, / Großgrundbesißer. So nackt und bloß wie heute i Landarbeiter foll U werden, in einer \ verharren, damit der Ever billigere Arbeitskräfte hat, Denn darauf laufen alle Vorschläge des Abg. Freiherrn von Man teuffel bali der Freizügigkeit hinaus. Man wird dabei lebhaft an die hannövershe Domicilordnung von 1827 erinnert, welde die obrigkeitlichè Erlaubniß, an einem bestimmten Orte zu wohnen für Handarbeiter und Tagelöhner nur dann ertheilt wissen will, wenn sie tadellosfe Führung am Orte ihres früheren Aufenthalts und Efriftenzmittel für längere ‘Zeit nah weisen. Der Abg. Graf Kaniß will nicht bloß dur allerlei polizeilihe Chicanirungen die Leute an ihrem augenblicklichen Wohn, ort festhalten, sondern auch im Wege der Eisenbahntarifpolt indem den Arbeitecn das Neisen vertheuert wird. Bei alle dem handelt es sich um Erschwerung des wirthschaftlichen Emporkommenz der ländlichen Arbeiter. Eine 1890 erschienene Schrift hat nachge wiesen, daß die Sachsengängerei zu einer Erhöhung der wirthschaft lichen Lage der betreffenden Arbeiter führt. Der agrarish qn, "gehauhte Verfasser seßt auseinander, von welcher eminenten Bedeutung für die sociale Hebung jener wandernden Arbeiter es ift, daß sie fich in anderen Gegenden einen höheren Lebeng- ‘stand angewöhnen und dadurch auch den der zurückgelasseny Genossen erhöhen. Diejenigen, welhe dem freien Verkehr im Lank Hindernisse in den Weg legen, handeln durchaus gegen das allgemein ZÖnteresse. Eine Erhöhung des Lebensstandes der landwirthschaftlichen Ar: beiter liegt auch im Interesse der Entwicklung der Landwirthschaft. Di Frage muß endli einmal principiell entschieden werden: ob der Großgrundbesiß in der That fo werthvoll ift, daß man de8wegen alle anderen Interessen der Bevölkerung zurückftellen muß. Die ganze Politik seit 1878 ist, um ein Wort des gemäßigten Volkswirtlz Roscher anzuwenden, niht eine Schußzollpolitik, sondern eine Gunst politik gewefen zu Gunsten des Großgrundbefitzes. Es ist irrig, an: zunehmen, daß die Interessen der kleinen Befißer und der Groß: grundbesfißer identish find. Man suchte die Lasten des Großgrund- besißes abzuschieben auf die Schultern anderer Bevölkerungskreife; die leßten Ausläufer diefer Steuerpolitik zeigen sih jeßt in Preußen in der Abschaffung der Grundsteuer. Durch die landwirthscchaftliden Zölle besteuert man vorzugsweise die ärmeren Klassen der Bevölkerung mit jährli über 100 Millionen zu Gunsten des Großgrundbesißzes. Den ‘Landarbeiter will man in einer \{chlechten Lebenslage erhalten, und end: lich stellt die ganze Bewegung gegen unsere Währung nichts anderes dar, als das Bestreben, die Schulden, die die Großgrundbesißer gemacht haben, dadur zu verringern, daß man das Geld entwerthet. Diese ganze Interessenpolitik mischt sich obenein noch in unsere all, emeine Politik. Dieselben Leute, die das Wort „königstreu" immer im Munde führen, lassen einen Aufruf los, daß sie Socialdemokraten werden wollen, wenn es nicht nah ihrem Wunsche geht, und agitiren gegen den Handelsvertrag mit Rußland, obwohl die Verhandlungen darüber noch \chweben. Alle Angriffe der Confervativen im Ah- geordnetenhaufe und Reichstag rihten \sih gegen eine Regierung, die doch durh und durh conservativ und gewiß nicht freihändlerisch ist, sondern im großen und ganzen auf demselben Boden \teht, wie Fürst Bismarck. Die Männer, die hier angegriffen werden, sind zum theil solche, welhe au die Politik des Fürsten Bismarck haben durh- führen helfen. Alles, was seit 1849 im Wege der protectionistischen Gesetzgebung geschaffen worden ist, j muß beseitigt werden. Der Großgrundbesit vorwärts, weil der Grundbesiß häufig zu theuer gekauft i, sehr häufig mit zu geringen Mitteln bewirth\chaftet wird, weil die Herren zu hohe Ansprüche an das Leben stellen und in Bezug auf ihre landwirthschaftlihe Auébildung nicht genug fortgeschritten sind in dem, was die Zeit verlangt. Diese nicht leistungsfähigen Ele mente aus allgemeinen Mitteln zu erhalten, heißt, die bestehenter Schäden in alle Ewigkeit verlängern. Es is nothwendig, einen Zw seines Fleißes und seiner Arbeit selbs erringt. Nach den Wort
doch die Möglichkeit im Auge zu behalten, daß an unseren Wä verhältnifsen einmal geändert werden könnte. Schon
und ih wünsche, daß diese Besorgniß bescitigt würde. Daß dul die Silberentwerthung die Preise der landwirthfchaftlida Producte gesunken sind, is durchaus ircig. Das ist das Rückschrittlich in der agrarischen Politik, daß sie einen Zustand aufrecht erhalten will, der gegen die ganze Culturentwickelung geht; denn diese ver billigt alle Mroounte, schafft dadur einen größeren Consumenten kreis und verbessert so die Lage der gesammten Bevölkerung. Die Möglichkeit einer Währungsänderung will man anscheinend wenigstens für eine späte Zukunft offen halten. Aber {hon das erste Antasten unserer gesunden Währungéêverhältnifse würde zu außerordentlichen Calamitäten für unsere gesammte Volkswirth\chaft führen, so daß ih selbst das Coquettiren mit dieser entfernten Möglichkeit für bedenklich
gegen den Vorredner sein sollten. Auch die Bemerkung, daß, wenn es zu einem Zollkriege käme, man denselben mit aller Energie führen würde, ist bedenklih. Wer erst die Möglichkeit eines Zoll- krieges erwägt, geht in seinen Maßregeln leiht weiter, als nöthig ist, um den Zollkrieg zu vermeiden. Die Zollkriege zwischen Oesterrei und Rumänien, Frankreih und Italien und Megereis und der Schweiz zeigen, daß beide Theile von einem Zollkriege nur schweren Schaden haben und dies das ungeeignetste Mittel ift, einen anderen Staat zu überwinden. Zollkriege rufen nur Bitterkeit hervor, aber keine Besserung. Einen Zollkrieg mit Rußland haben wir aus wirthschaftlichen und politi de Gründen zu vermeiden. Zwischen uns und Rußland giebt es |chon politishe MReibungêpunkte genu um noch wirthschaftlihe hinzuzufügen. e j unausbleiblih, wenn es nit zu einem Handelsvertrag käme. Geling! es den Agrariern, die Handelsvertragépolitik des Reichékanzler Grafen Caprivi zu hintertreiben, so sind sie für die Zustände eint
wärtige Regierung auf dem Spiele; wenn sie so s{chwach wäre, Ul! vor den agrarishen Angriffen die Segel zu streichen, dann würde Y vor der ganzen Welt dastehen als eine durch und durch schwache (i gierung, die in Zukunft überhaupt nicht_ mehr in der Lage A roße Transactionen zwischen einzelnen Staaten mit Glüdck zum 4 {luß zu bringen. Das wäre eine folche Schäd gung der Lat Autorität unserer Regierung und der Macht des Deutschen O jo daß ih es auf das Allertiefste beklagen würde, wenn jeßt kein Handelt vertrag mit Rußland zu Stande käme. s
Abg. Freiherr von Pfetten (Centr.): Es freut mid, der Staatsfecretär Dr. von Boetticher den Nothstand der Landw n schaft anerkannt hat; ih fürhte nur, diese Anerkennung bleibt a platonische. Die Klagen der Ländwirthschaft gehen gleichmäßig h dem großen und kleinen Grundbesiy aus. Wir glauben immer n
Auch das Sinken der Getreidepreise kann ich nicht ausfcließlig s die herabgeseßten Zölle zurückführen, denn dann müßte ich au i Consequenzen zugeben, daß hohe Zölle hohe Preise» bedingen rid hohen Getreidepreise des vorigen Jahres haben der Landwir he den Nuyen nicht gebracht, den sie ihr hätten bringen müssen, fte diese Behauptung rihtig wäre, Für die Ernährung des n j Volkes kommt doch in erster Linie die deutsche Landwirthschaft n 0 tracht. FÎ bin überzeugt, es könnte auf deutschem N 16 A Menge Brotfruht gebaut werden , welche nothwendig E d einzelnen bayerishen landwirthschaftlihen Besißer brachte pu Loben Getreidepreise feine Mehreinnahmen, da 4 weg 1891 eine Mißernte war. Nun * gehen duie M zurück. Die Ausgaben bleiben dieselben , seine L hie also niht gebessert. Man muß dem Landwirth auf den S
, tit entgegenkommen, welche heute erwähnt worden sind. Eine eins
fern, 02
sie soll auch nicht das Aschenbrödel des Reichs fein.
E Uo noch niemals zum Ausdruck gekommen. Auch E Îlechten Lebensélage u
ist eine Ungerechtigkeit und [f tommi nit F
stand der Gerechtigkeit wiederherzustellen, in welchem jeder die Früdt -
des Staatssecretärs Freiherrn von Marschall scheint die Rep s
rungs _die blo M Besorgniß davor könnte unsere wirthschaftlichen Verhältnisse \hädige, f
halte. Jch hoffe, daß diese Bemerkungen nur eine formale Höflichkeit M
Der Zollkrieg wäre abet |
Zollkriegs verantwortlih. Viel mehr steht aber dabei für die gege" M
wohl daran gethan zu haben, für die Handelsverträge zu stimm
Bevorzugung der Landwirthschaft zu fordern liegt mir sehr r fi
ant2u pi
‘fon fü den entschiedensten Widerspr A son für ben Often die angeblichen Be n
nnen héhung e ei nds aben würde.
Deuts were Nachtheile
A Graf Behr (Rpþp.): Alles, was heute hier geredet worden ist, hat mit dem Behalt des Staatsfecretärs gar nichts zu thun. Man hat sih in sehr ausgiebiger Weise mit der Noth der Arbeiter beschäftigt, heute ist einmal von der Noth der Landwirthschaft geredet worden. Ich bin der Ansicht, daß der Vorstoß, der im Abge- ordnetenhause in dieser Frage stattgefunden hat, Veranlassung zu der heutigen Debatte gegeben hat. Man hat jenem Hause nicht allein die Ehre lassen wollen, diese Frage zu behandeln; das scheint mir {on daraus hervorzugehen, daß auch der Antrag Arendt hier in die Debatte gezogen ist. Es wurden von dem Abg. Freiherrn von Manteuffel verschiedene Vorschläge gemacht, um der Noth der Land- wirthschaft abzuhelfen. Mit vielem bin ih durchaus einverstanden, sie sind au nicht neu, wie z. B. der einer Abänderung des Unterstüßungswohnsißgeseßes von meiner Fraction bereits im Mai 1889 angeregt wurde. Hier liegt ein Bedürfniß vor. Ebenso habe ih kein Bedenken dagegen, daß das Freizügigkeitsgeseß vielleicht einer Abänderung bedarf, die aber jedenfalls niht so weit gehen darf, das Princip der Freizügigkeit aufzuheben. Durchaus einverstanden bin ih au mit der Aufhebung des Identitätsnachweises. Von freihänd- lerisher Seite sind wieder die alten Gesichtspunkte ausgesprochen, aber nichts Neues vorgebraht. Eine Noth der Landwirthschaft existirt, aber wir haben kein Mittel, dieser {nell abzuhelfen. Daß alle Fractionsgenossen des Abg. Freiherrn von Manteuffel gegen einen Handelsvertrag mit Nußland stimmen werden, das zu betauvtci, sheint mir niht ganz richtig, da wir noch gar nit wissen, wie der Vertrag gestaltet sein wird. Wenn der Getreidezoll noch unter 35 4 ermäßigt werden follte, so verstände i diesen Widerstand; aber wir haben in diesem Fall kein Handelsobject für einen Handelsvertrag mit Rußland. Ich verstehe auch nicht, wie die Landwirthe auf die Zollermäßigung von 15 A einen fo großen Werth legen. Es mag ia nicht gerade glücklich sein, aber unylüdlich macht es au nicht. Für ganz verwerflih halte 1h es, wenn so scharfe Artikel, wie der heutige der „Kreuzzeitung" gegen Rußland geschrieben werden. Gegen Rußland fo scharf vorzugehen, ift politis sehr falsh. Wir haben allen Grund, uns möglichst freundschaftlich mit diesem Lande zu stellen. Auf die Dauer die Differentialzölle aufrecht zu erhalten, halte ih nicht für angängig. Jedenfalls wird der Osten durch die Differentialzölle geshädigt, denn nur, wenn er frei in scinem Verkehr mit Nußland ift, kann er prosperiren. Es wird immer gesagt: die Landwirthschaft wird von der Regierung \{lecht behandelt, sie findet keine Unterstüßung bei ihr. Das kann ih nicht zugeben. Die Landwirthschaft muß sich elbt zu helfen suchen, und zwar muß principiell und nah verschiedenen Richtungen vor- gegangen werden. Dann wird eine Besserung eintreten. Fch glaube aber nicht, daß dieser demagogishe Zug, der augenblicklich durch die Undwirthschaft geht, zum Ziele führt.
Abg. von Komierowski (Pole): Daß ein demagogischer Zug durch die Landwirthschaft geht, muß ih in Abrede stellen. Daß die Verschuldung eine weitgehende ist, beweisen die vielen Subhastationen und das Zurückgehen der Pachtsummen. Der große Schaden für die Landwirthschaft waren auch die Polengesete. Der polnische Arbeiter hâtte gerade ansässig gemaht werden müssen. Bei dem öster- reichischen Handelsvertrag haben wir ganz ausdrülich erklärt: Wir stimmen dafür. Wenn uns aber die einzelnen Positionen des Tarifs vorgelegen hätten, so hätten wir einige Abänderungen gewünscht. Der Zdentitätsnachwets mag ja für die süddeutschen Verhältnisse eine Berechtigung haben , aber die wirths{haftlihe Lage bei uns im Osten läßt die Aufhebung desselben als vollständig gerechtfertigt erscheinen. Dem Abg. NRikert Ce ih darin zu, daß die Ausweisung pol- nischer Arbeiter eine Arbeiternoth in den östlihen Provinzen herbei- geführt hat. Ich habe seiner Zeit selber auf diese Eventualität hin- gewiesen. Es fällt uns gar nicht ein, das deutsche Element zu be- lämpfen. Troßdem haben wir gestern von dem preußischen Cultus- Minister eine Rede gehört, die uns tief kränken mußte. Sonderbar : wir unterstüyen die socialen und wirthschaftlichen Bestrebungen der ver- bündeten Regierungen, und man nimmt unsere Mithilfe sehr gern in Anspruch, aber in dem Mitgenuß der bürgerlihen Rechte stellt man uns in die Kategorie der Staatsbürger zweiter Klasse.
Abg. Freiherr von Hammerstein (dcons.): Die Fiction des Abg. Dr. Barth, daß kleiner und großer Grundbesiß nicht identisch seien, nochmals zu widerlegen, habe ih in dieser späten Stunde keine Lust. Die nächsten Tage vielleiht werden Sie {hon belehren, wie man in den Kreisen des kleinen Grundbesißes über diese Frage denkt, bei einer etwaigen Auflösung wollen wir weiter darüber reden. Wenn ih recht unteërihtet bin, so sind die Freisinnigen nicht ohne ernste Besorgniß, daß bei einer etwaigen Auflösung die jegt mit elementarer Gewalt sich geltend machende agrarishe Bewegung und die ihnen an manchen Orten unbequeme antisemitishe Bewegung für ihren Besißstand an Mandaten niht ohne Gefahr fein wird. Wenn der Abg. Dr. Barth ein hervorragender Kenner der wirthschaftlichen Literatur sein will, dann hätte er wenigstens, als er den Versu machte, wenn nicht den kleinen gegen den großen Grundbesitz, so do den ländlichen Arbeiter gegen die Arbeitgeber aufzuheßen (Präsident von Leveßow rügt diesen Ausdruck als unparlamentarish) — ih nehme den Ausdru zurück und sage: anzuregen — dann hätte er die Untersuchungen des Vereins für Socialpolitik hier nicht ganz unterdrücken sollen. Es wird dort festgestellt, daß da, wo die alten patriarchalishen Verhältnisse auf dem Lande noch in Blüthe sind, der standard of life, die ganzen äußeren Verhältnisse der Arbeiter die bei weitem besten in ganz Deutschland find und den Vergleich aus- halten mit den höher gelohnten Industriearbeitern. (Zuruf des Abg. Dr. Barth: Warum gehen sie denn fort?) Weil sie verleitet werden; weil sie von den Agenten aus den großen Städten in die Städte gelockt werden, wo sie Le nachher arbeitslos umhertreiben. Wenn eine kaufkräftige Landwirthschaft die Grundlage einer gedeih- lihen Staatswirthschaft ist, wie sich der Staatssecretär aus- drückte, dann verstehe ih De, warum die verbündeten Re- gierungen 1887 eine Zollerhöhung auf 6 A verlangten mit dem Hinweis, die Ap Mh dürfe niht unter den Producttonskosten verkaufen und könne ohne diesen hohen Zoll nicht existiren. Ist das richtig, dann muß die Herabseßung des Zolles die Kaufkraft der Landwirthschaft verringern und die Landwirthschaft zu Grunde richten. Man mag für die Handelsverträge politische Gründe anführen, welhe man will; aber man führt, wenn au vielleiht mit dem größten Bedauern, so doch mit fehenden Augen den Nuin der Landwirthschaft herbei. Noch eine persönliche Be- merkung: Jch bin niht gewohnt, Aeußerungen der „Kreuzzeitung“ Hier persönli zu vertreten. Ich werde deshalb auf die Angriffe des Sa Tee Freiherrn von Marschall, welhe er merkwürdiger- weise als eine Antwort auf eine lange fachlihe Rede meines Fractions- ‘genossen machte, nicht antworten, Darauf wird die „Kreuzzeitung“ antworten. : ] ;
Gegen 5 Uhr wird die Weiterberathung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt.
ruh n Vortheile dieser Auf-
Der dem Reichstag zugegangene Entwurf eines Ge- seßes, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen. der 2 E Nonnen vom 27. Juni 1871 und vom 4. April 1874, sowie des .Reihs-Beamtengeseßes vom 31, März 1873 und des Geseßes über den Reichs- JInvalidenfonds vom 11. Mai 1877, lautet:
Dié Geseße vom 27. Juni 1871 Ge s: Geseßbl. S. 275) und vom 4. April 1874 (Neichs-Gesegbl., S. 25), betreffend die Pensio- nirung und Versorgung der Militärpersonen des Reichsheeres und der LUNA Marine, sowie die Bew \igungen für die Hinterbliebenen olcher Personen, und vom 31, März 187: (Reichs-Ges]epbl. S. 61),
etreffend die Ne Pren! e der Reichsbeamten, sowie ferner das Gesetz: über den Reichs-Invalidenfonds vom 11, Mai 1877 (Neichs-
erheben; wir | tei find aber ficher, daß sie für den übrigen Theil ®
A Offlilere und im Offizierrang stehende Militärärzte.
Artikel 1.
* An die Stelle der §8 8, 16 des dur Artikel T des Gesetzes vom 21. April 1886 (NReichs-Gefeßbl. S. 78) abgeänderten § 21 und des § 29 des Gefeßes vom 27. Juni 1871 treten, unter Fortfall des § 3 des Geseßes vom 4. LELO Nes folgende Vorschriften :
Die Offiziere und im Offizierrang- stehenden Militärärzte des Beurlaubtenstandes, sowie die ohne Pension ausgeschiedenen, zum activen ‘Militärdienst vorübergehend wieder herangezogenen Offiziere und im Offizierrang stehenden ilitärärzte erwerben den Anspruch auf eine Pension nicht auf Grund der Dienstzeit, sondern lediglih durch eine im Militärdienst erlittene Verwundung oder Beschädigung (88 2 und 3). Die Bewilligung ist nur statthaft, wenn der Anspruch inner- halb fechs Jahren nah der Entlassung von der Dienstleistung, bei welcher sié die Verwundung oder Beschädigung erlitten baben, geltend gemacht wird (§ 99). § 16
„1) Ein Anspruch auf die im § 12 aufgeführten Pensions- erhöhungen is nur vorhanden, wenn derselbe innerhalb sechs Jahren nah dem Friedensshlusse geltend gemaht is und wenn derselbe daraufhin von der obersten Militärverwaltungsbehörde des Con- tingents als begründet anerkannt wird.
_2) Die Bewilligung der im § 13 aufgeführten Pensions- erhöhungen ist auh nah erfolgter Pensionirung zulässig, wenn die BVerstümmelung oder Pflegebedürftigkeit in ursählihem Zusammen- hang mit der Dienstbeschädigung steht, welche die Invalidität bewirkt
2
hat. Die Bewilligung unterliegt keiner Zeitbeschränkung. Ak
, Die Zeit, während welcher ein mit Pensionsansprüchen aus dem activen Dienst geschiedener Offizier oder im Offizierrang stehender Militärarzt im Frieden wieder zum activen Militärdienst oder unter Beibehalt der Pension (an Stelle von Gehalt) zum Dienst in der Militär- oder Marineverwaltung herangezogen worden ift und in einer etatömäßigen Stellung Verwendung findet, begründet bei einer Ge- fammtdienstzeit von mindestens zehn Jahren mit jedem weiter erfüllten Dienstjahre den Anspruch auf Erhöhung der bisher bezogenen Pension um ein Sechzigstel des derselben zu Grunde liegenden wensionsfähtgen Diensteinkommens bis zur Erreichung des im § 9 Absaß 2 bestimmten Höchstbetrages.
Findet eine Wiederheranziehung zum activen Militärdienst oder zum Dienst in der Militär- oder Marineverwaltung aus Veranlassung einer Mobilmachung oder ciner militärischen Netion bei der Kaiserlichen Marine, und zwar mindestens in der Dauer von sehzig Tagen, statt, so tritt eine Erhöhung der Pension um ein Sechzigstel des pensionsfähigen Diensteinkommens innerhalb der geseß- lichen Grenze — § 9 Absaß 2 — auch dann ein, we2nn durch die Zeit der Wiederverwendung ein Pes Dienstjahr nicht vollendet ist.
S 29. __ Das Gesuch um Gewährung von Pension A in dem Abschieds- gesuche enthalten und begründet Tei eine nachträgliche Forderung von Pension ist unzulässig; nur in dem Falle, daß die Art der Invalidität gleichzeitig den Anspruch auf Pensionserhöhung begründet, kann eine nahträglihe Bewilligung stattfinden, insofern eine solche innerhalb fechs Jahren nah der E beantragt wird. rtikel 2.
An die Stelle der §8 32, 33, des ersten Satzes des § 34, sowie an Stelle der §§ 35 und 37 des Geseßes vom 27. Juni 1871 treten folgende Vorschriften :
S 32,
Das Recht auf den Bezug der Pension einschließli der Pensions- erhöhungen erlischt:
a. Ao den Tod des Pensionärs,
b. dur Stat Verurtheilung wegen Hochverraths, Landes- verraths, Kriegsverraths oder wegen eines der in den §8 1 und 3 des Gesetzes gegen den Verrath militärisher Geheimnisse bezeichneten Verbrechen. 20
Das Necht auf den Bezug der eigentlihen Pension ruht:
a. wenn der Pensionär das deutshe Indigenat verliert, bis zu .
etwaiger Wiedererlangung desselben ;
h. mit der Wiederanstellung im activen Militärdienst während ihrer Dauer, in Höhe des gewährten Diensteinkommens;
c. wenn und solange der Pensionär im Reichs- oder im Staats-
dienst ein Diensteinkommen bezieht, insoweit als der Betrag dieses Diensteinkommens unter Hinzurehnung der Pension, aus- hließlih der Pensionserhöhungen, den Betrag des vor der Pensioni- rung bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens übersteigt ; ___d. wenn gegen den Pensionär wegen Hochverraths, Landesverraths, Kriegsverraths oder wegen eines der in den 8 1 und 3 des Gesetzes gegen den Verrath militärisher Geheimnisse bezeihneten Verbrechen vor einem Civilgericht die öffentliche Klage erhoben oder im militär- gerihtlihen Verfahren die Einleitung der Strafverfolgung angeordnet ist, so lange der Pensionär sich im Auslande aufhält oder sein Auf- enthalt unbekannt ist. Die einbehaltene Pension wird ausgezahlt, wenn der E rehtskräftig freigesprohen is oder dem {traf- gerihtlihen Verfahren wegen unzureihender Verdachtsgründe oder wegen mangelnder Strafbarkeit keine weitere Folge gegeben wird.
„Hat in den Fällen der Litt. c das vor der Pensionirung be- zogene pensionsfähige Diensteinkommen nicht über 3000 X jährlich betragen, so ruht das Net auf den Pensionsbezug nur, insoweit das Civildiensteinkommen unter Hinzurechnung der Pension, aus- {ließlich der Pensionserhöhungen, als Betrag übersteigt.“
(Erster Sah.) Das Necht auf den Bezug der Pensionserhöhungen (§8 12 und 13) ruht in den Fällen des § 33 e E und d:
Erdiént ein MilitärpenfionŸe im Reichs- oder Staatsdienst eine Civilpension, fo erhält derselbe an Stelle dieser Civil- pension die ganze früher erdiente Militärpension — sofern - sie lebenslänglih zuerkannt war — wieder aus Militärfonds und daneben den etwaigen Mehrbetrag der Civilpension aus dem betreffenden Civilpensionsfonbds. Die geseßlich zuständigen, im Militärdienst er- worbenen Pensionserhöhungen (§8 12 und Sh bleiben bei Cer Be- rechnung außer Betracht und sind \tets aus Militärfonds zahlbar.
Das gleiche Verfahren findet statt, wenn ein mit lebenslänglicher Pension ‘aus dem Militärdienst geschiedener, demnä bei der Gendarmerie eines Bundes\taats oder S Ooleringens angestellter Offizier mit einer nah den für die Offiziere des Reichsheeres geltenden Vorschriften bemessenen Pension in den Ruhestand verseßt wird. Die zuständige Pensionserhöhung gemäß § 12 wird in. diesem Falle nah der Gesammtpension gerege T.
Die Einzichung, Kürzung oder Wiedergewährung der Pension auf Grund der Bestimmungen in den §8 32 bis 35 tritt mit dein Beginn desjenigen Monats ein, welcher auf das, eine solhe Veränderung nah fich bende Ereigniß folgt.
__Im Falle vorü Li aebenber Beschäftigung im Reichs- oder Staats- dienst gegen Tagegelder ‘oder eine anderweite Entshädigung wird die Pension Für die ersten sechs Monate diéser Beshäftiguna unverkürzt, dagegen vom siebenten Monat ab nur zu dem nah ‘den vorstehenden Bestimmungen zulässigen Betrage gewährt.
| ; Artikel 3.
Die Vorschrift des § 36 des Geseßes vom 27. Juni 1871 tritt außer Kraft.
B. E NGE ronen der Unterklassén. N : rtifel 4.
__Bei der Versorgung der Militärpersonen der Unterklassen findet eine Doppelrehnung der Kriegsjahre nah Maßgabe des § 23, fowie der Seereisen nah Maßgabe des dur Artikel 1 und Il des Gesetzes bom 24, März 1887 (Neichs-Geseßbl. S. 149) abgeänderten § 50 des Geseyes vom 27. Juni 1871 statt.
D t behufs Cemübeunt des Civilverforgung! invalide Unterofficiere gemäß § 10 Abfaß 1 des Gesetzes vom 4.
1874. 4 Artikel 5. / ; : Die im § 71 des Geseßes vom 27. Juni 1871 bezeichnete Pensionszulage — Kriegszulage Fe: wid auf 9 M erhöht.
ifel 6. Die Vorschriften des § 75 des Geseßes vom 27. Juni 1871 finden nur auf die als dauernd versorgungsbecechtigt anerkannten Jn- validen Anwendung. ‘ Artikel 7.
An die Stelle des § 76 des Geseßes vom 27. Juni 1871 unv des § 11 des Geseßes vom 4. April 1874 treten, unter Fortfall des § 12 des leßteren Gesetzes, folgende Vorschriften:
§ 76 des Geseßes vom 27. Juni 1871. E
Invalide, welhe an der Gpilepsie leiden, dürfen den Civil- verforgungsschein nicht erhalten. - :
Den zum Civilversorgungsschein berehtigten, aber wegen Gpilepfie oder anderer förperliher Gebrechèn zur Verwendung im Civildienst untauglihen Invaliden wird für den Fall, daß die Unfähigkeit zur Verwendung im Civildienst in dem Zeitraum eines Jahres entweder nah der Anerkennung“ dés Anspruchs auf den Civilversorgungsschein oder nach der erfolgten Aushändigung desselben sich ergiebt, an Stelle des Civilversorgungsscheins eine EEROIE Ae von 12 Æ monatli (Zulage für Nichtbenußung des Sivilversorgungsscheins) gewährt.
Neben einer auf Grund des § 72 zuständigen Verstümmelungs- zulage is die Zulage für Nichtbenußung des Civilverforgungsscheins nur im Betrage von 9 # monatlih zu gewähren.
8 11 des Gefeßes vom 4. April 1874. :
Ganzinvaliden, deren Invalidität durch eine in dem Kriege von 1870/71 erlittene Dienstbeshädigung herbeigeführt worden ist und welche Anspru auf den Civilversorgungsschein haben, wird nach ihrer Wahl an Stelle des Civilversorgungssheins eine Pensionszulage von 6 A monatli gewährt (Anstellungsentshädigung). :
Das Recht zur Wdhl erlisht ein Jahr na der erfolgten An- erkennung der Invalidität, beziehungsweise durch Annahme des Civil- Se vor Ablauf diefer Frist.
Die Anstellungsentshödigung und die Zulage für Nichtbenußung des Civilversorgungsscheins dürfen nit nebeneinander bezogen werden.
In dem Falle des § 74 des Geseßes vom 27. Juni 1871 ift die Anstellungsentshädigung beziehungsweise die Zulage für Nichtbenußung des Civilversorgungssheins neben einer dem gesammten Dienstein- ommen gleihkommenden Pension zahlbar.
Artikel 8.
Die Vorschrift des § 80 des Geseßes vom 27. Juni 1871 tritt außer Kraft.
Artikel 9.
Die nachstehend bezeichneten Fristen werden wie folgt erweitert: 1) die des § 82 des Geseßes' vom 27. Juni 1871
unter B auf sechs Jahre,
unter C auf ein Jahr, 2) die des è 83 jenes Gesetzes, sowie 3) die des § 13 Aksaß 1 des Gesetzes vom 4. April 1874
auf je ses Jahre.
Artikel 10.
1) Die auf Grund erlittener Dienstbeshädigung (§ 59 des Ge- seßes vom 27. Juni 1871) als versorgungsberechtigt anerkannten Invaliden erhalten bei späterer in ursächlihem Zusammenhange mit der Dienstbeshädigung stehender Steigerung ihrer Invalidität be= ziehungsweise Erwerbsunfähigkeit die dem Grade derselben entsprechende Pension ohne Einshränkung auch dann, wenn die Steigerung erft E der im Artikel 9 dieses Gesetzes festgeseßten Fristen eintritt.
Bezüglich der übrigen als versorgungsberechtigt anerkannten Jn=- validen ist eine Steigerung der Penfionsgebührnisse nah der Ent- lassung aus dem activen Dienste ausges{lossen.
2) Die Vorschriften der §8§ 84, 85, 86 des Geseßes vom 27. Juni 1871 treten außer Kraft.
Artikel 11.
An die Stelle der §§ 100, 101, 103 und 106 des Gefeßes vom
27. Juni 1871 treten folgende "O
Das Recht auf den Bezug der Pension einf{ließlich der Pensions- zulagen erlischt:
1) durch den Tod,
2) im R temporärer Anerkennung mit Ablauf der Zeit, für welche die Bewilligung erfolgt war,
3) fobald das Gegentheil der Vorausfezungen erwiesen ist, unter denen die Bewilligung der Competenz stattgefunden hat,
4) durch rechtskräftige Verurtheilung wegen Hochverraths, Landes= verraths, -Kriegsverraths oder wegen eines der in den 88S 1 und 3 des S eoes gegen den Verrath militärischer Geheimnisse bezeihneten Ver-
rechen.
8 101. Das Recht auf den Bezug der Invalidenpension einschließli sämmtlicher Zulagen ruht : l
a. wenn der Pensionär das deutsche Indigenat verliert, bis zu etwaiger Wiedererlangung desfelben ;
b, mit der Wiederanstellung im activen Militärdienst während ihrer Dauer;
c. wenn gegen den Pensionär wegen Hochverraths , Landes- verraths, Kriegsverraths oder wegen eines der in den SS L und 3 des Geseßes gegen den Verrath militärisher Geheim- nisse bezeichneten Verbrechen vor einem Civilgericht die öffent= liche Klage erhoben oder im militärgeri{tlihen Verfahren die Ein- O der Strafverfolgung angeordnet ist, solange der Pensionär ¿A im Auslande aufhält oder fein Aufenthalt unbekannt ist. ie einbehaltene Pension wird ausgezahlt, wenn der Pensionär rehtskräftig freigesprohen if oder dem trafgecidtlidhen Verfahren wegen unzu» reichender Verdachtsgründe oder wegen mangelnder Strafbarkeit keine weitere’ Folge gegeben {vird.
beat: das Diensteinkommen eines im Civildienst angestellten oder- beschäftigten Pensionärs nah Abzug des. etwa miteinbegriffenen Betrages zu usgaben für Dienstbedürfnisse cht den doppelten Bes trag der Invalidenpenfsion, ausf{ließlich der Pensions- und Ver- \stümmelungszulagen, oder
Vel eINem Feldwebel ut e 1200 M
a V rgeanten oder Unteroffizier nit. . . 750 ,
Ge a On E G00
des Unteroffizierstandes,
d. „ einer Militärperson welche sih mindestens 12 Jahre im activen Militär»
DInIL, Denen Dat, E O so wird dem Pensionär, je nahdem es günstiger für ihn ist, die Pension bis zur Erfüllung des Doppelbetrags oder bis zur Erfüllung jener Sätze belassen.
§ 106. “Unter Civildienst im Sinne des vorstehenden leder Dienst beziehungoweise jede DUGGuR eines e
aragraphen ist e eamten zu vers tehen, für welhen ein Entgelt (die Naturalien nach ihrem Geld- werth gerechnet) aus einer öffentlihen Reichs- oder Staatskasse direct oder indirect gewährt wird; ferner der Dienst bei solhen Instituten, welche ganz oder zum theil aus Mitteln des Reichs oder Staats e R lis 04; mik fi Eigenschaft: : ienf ingen, in welchen dem Pensionär die Eigen ; eines Beamten nit Beiges t ist, gegen stückweise Bezahlung, gegen Boten-, Tage- oder bealeia oder bloßen Copialienverdienst gehören nicht hierher. Autikel 12.
An die Stelle des ersten Absatzes des § 77, sowie an die Stelle /
der §§ 107 und 108 des Geseßes vom 27. Juni 1871 treten,
Fortfall des § 16 des Geseyes vom 4, April 1874, folgende Vor«/ 0 Tien :