1893 / 48 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Feb 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Bäume die Zweige und Wurzeln gegen cine angemessene Entschädigung zu dulden habe, im Falle der Annahme des Antrages aber den Art. 67 des Entwurfs des Einf.-Gesctzes, der dem S 861 gegenüber für Waldgrundstüke abweichende landesgeseßlihe Vorschriften vorbehält, als entbehrlich zu streichen. Nah einer eingehenden Erörterung wurde unter Ablehnung des Antrages beschlossen, den Art. 67 des Entwurfs des Einf. - Geseßes durch die Vorschrift zu erseßen, daß die landesgesezlichen Vorschriften unberührt bleiben, nach welchen die Rechte des Eigenthümers des einem Waldgrundstücke benachbarten Grundstücks in An- sehung der auf der Grenze oder auf dem Wald- grundstücke stchenden Bäume und Sträucher zu Gunsten des Waldgrundstücks weitergehenden Beschränkungen, als M O Lo. Ah. 2 und im S 861 des Bürgter- lichen Geseßbuhs bestimaäat is, unterworfen werden. Der das Recht auf den Ueberfall von Baumfrüchten regelnde § 862 wurde mit dem a angenommen, daß die Vorschrift keine Anwendung finden soll, wenn das Nachbar- grundstück eine öffentliche Straße oder ein öffentlicher Plaß ist. Jn diesem Falle foll also das Eigenthum an den hinübergefallenen Früchten demjenigen verbleiben, welchem nah den allgemeinen Grundsäßen das Recht auf den Erwerb des Eigenthums an den Früchten des ‘Baumes zusteht. Ein Antrag, in dem bezeichneten Falle die hinüber- gefallenen Früchte für herrenlos zu erklären, wurde abgelehnt. Zu ciner lebhaften Debatte führten die Vorschriften des § 863 Über die Verpflichtung zur Einräumung cines Nothweges. Der Entwurf macht diese Verpflichtung davon abhängig, daß einem Grundstücke die zu seiner bisherigen ordnungsmäßigen Benußung nothwendige Verbindung mit cinem öffentlichen Wege fehlt und der Nothstand nicht durch cin Verschulden des Eigenthümers oder eines Rechtsvorgängers des Eigen- thümers herbeigeführt ist. Demgegenüber wurde beschlossen, das Necht auf den Nothweg zu gewähren, wenn einem Grund- stücke die zu ordnungsmäßiger Benußung nothwendige Ver- bindung mit einem öffentlihen Wege fehlt, sofern nicht das Bedürfniß der Verbindung durch eine willkürlihe Anordnung des Eigenthümers des Grundstücks hervorgerufen ist. Ver- schiedene Anträge, die in noch weiterem Umfange das Necht auf einen Nothweg zu gewähren bezweckten, wurden abgelehnt. Dagegen fand die RLO beantragte Vorschrift Zustimmung, daß, wenn der Eigenthümer einen Theil seines Grundstücks veräußert hat und dadurch für den veräußerten oder für den zurückbehaltenen Theil des Grundstücks ein Nothweg er- Toroderli) Mid, dem Veräuperer bezw. dem Er- werber die Pflicht obliegen soll, die Herstellung der erforderlichen Verbindung mit dem öffentlichen Wege zu dulden. Der zweite Saß, daß die Richtung des Weges und der Umfang der Wegebenuzung von dem Gericht nah freiem Ermessen bestimmt werden, wurde mit der Abweichung an- genommen, daß die Worte „von dem Gericht“ durch die Worte „durch Urtheil“ erseßt werden sollen. Man war einverstanden, daß es nah 13 des Gerichtsver- fassungsgeseßes der Landesgeseßgebung freistche, die Zu- ständigkeit für die Entscheidung auch anderen Behörden als den ordentlichen Gerichten zu übertragen. Die Vorschriften des dritten und vierten Saßzes über die für die Duldungs- pfliht dem Nachbar zu entrichtende Entschädigung fanden mit dem Zusaß Annahme, daß, entsprechend der für den Ueberbau gegebenen Vorschrift des S 857 Abs. 3, für die Bestimmung des Betrages der zu entrihtenden Rente die Zeit der Her- stellung des Nothweges maßgebend fein soll. Nach dem S 864 dürfen Anlagen, deren Benußung cine unzulässige Ein- wirkung auf ein Nachbargrundstück zur Folge hat, nicht her- gestellt oder gehalten werden. Der sachlihe Jnhalt der Vor- chrift wurde mit der Einschränkung gebilligt, daß, wenn bei der Herstellung oder der Einrichtung solher Anlagen die landesgeseßlichhen Vorschriften über Entfernung von der Grenze, Schußvorkehrungen und dergleichen eingehalten werden, die Beseitigung der Anlagen nur dann verlangt werden kann, wenn sih ergeben hat, daß die Benußzung der Anlagen die unzulässige Einwirkung zur Folge hat. Einvernehmen bestand, daß der § 864 auf Bäume keine Anwendung finden solle. Eine Ergänzung erfuhr der Entwurf durch die Auf- nahme der Vorschrift, daß, wenn durch cin Gebäude oder ein sonstiges mit einem Grundstück verbundenes Werk wegen Gefahr des Einsturzes öder der Ablösung von Theilen des Gebäudes oder des Werks ein Nachbargrundstück mit Schaden bedroht wird, der Eigenthümer des Grundstücks von dem Unterhaltspflichtigen die Vorkehrung der zur Ab- wendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln verlangen kann. Der § 865, welcher das mit Gefahr Nis ein Nachbargrundstück verbundene Vertiefen eines Grundstücks verbietet, wurde nach dem Entwurf angenommen. Eine ausführliche Erörterung knüpfte sih an den § 866, nah welchem land es- geseßliche Vorschriften, die das Eigenthum an Grund- Hüden zu Gunsten der Nachbarn noch anderen oder weiter- unterwerfen, unberührt bleiben ollen. Es wurde beschlossen, diese Vorschrift unter Streihung der Worte „oder weitergehenden“ in das Einführungsgeseß zu verweisen. Man war der Ansicht, daß im Hinblick auf die zu den S8 855, 861, 864 beschlossenen Zusätze und auf den Art. 66 des Entwurfs des Einführungsgeseyes, nah welhem die landesgesehlichen Vorschriften bent bleiben, die das Eigenthum in Ansehung tha1sähliher Ver- fügungen im öffentlihen Jnteresse beshränken, ein Bedürfniß nicht bestehe, auf dem Gebiete des Nachbarrechts der Land e sge} e b- gebung auch die Befugniß vorzubehalten, die in dem Geseßy- buch selbst geregelten Eigenthumsbeshränkungen erweiternd zu modificiren. Der §8 867, welcher das Recht auf Aufsuchun( und Wegnahme einer auf ein fremdes Grundstü

gelangten beweglihen Sache regelt, wurde sahlih nach dem Entwurf En, Zum Schluß gelangte noch der e ausgeseßte Antrag zur Tung, dem 8 848, welcher en wesentlichen Jnhalt des Eigenthums bestimmt, die Vor- schrift hinzuzufügen, daß der Eigenthümer, wenn er durch eine in Ausübung seines Eigenthumsrehts vorgenommene Hand- lung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem Anderen vorsäßlich Schaden zufüge, zum Ersaß des Schadens verpflichtet sei. Der Antrag wurde, auch in der Beschränkung auf Grundstücke, abgelehnt.

gehenden Beschränkungen

Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Mei- ningen, Commandeur der 2, Garde-Jnfanterie-Division, hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen.

Der Großherzoglich „badische Gesandte am hiesigen Aller- höchsten Hofe, Geheime Rath von Brauer hat ‘einen ihm von seiner Regierung bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Der bei dem Königlichen Ober-Präsidium zu Posen be- \häftigte Regierungs-Assessor Steiner ist vom 1. April d. J. ab der Königlichen Regierung zu Hannover und

der Regierungs-Affessor Rötger zu Hannover vom

1. April d: F. ab dem Königlichen Dber-Präsidium zu Posen zur weiteren dienstlihen Verwendung überwiesen worden.

Sigmaringen, 23. Februar. Jhre Königlichen Hoheiten der Fürst und die Fürstin von Hohenzollern haben sich dem „W. T. B.“ zufolge nah San Remo begeben.

Baden.

Durch cine im „Geseßes- und Verordnungsblatt für das Großherzogthum Baden“ veröffentlihte landesherrliche Ver- ordnung wird bestimmt, daß zum Zweck der Berathung der obersten Staatsbehörde in gewerblichen Angelegenheiten und zur Vertretung der Interessen des Gewerbestandes überhaupt beim Ministerium des Jnnern ein Landes -Gewerberath gebildet wird. Dem Landes-Gewerberath liegt ob: 1) die Berathung der ihm von der Staatsverwaltung in Bezug auf die Förderung des Gewerbes im allgemeinen und in Bezug auf das gewerbliche Unterrihhts- und Bildungswesen vor- gelegten Fragen, insbesondere auch in betreff der Verwendung der im Staatsbudget hierfür vorgesehenen Mittel; 2) die Begutachtung der sih auf das Gewerbewesen beziehenden Ge- seße, Verordnungen und sonstigen behördlihen Anordnungen allgemeiner Art; 3) die Einbringung von Vorschlägen und Anträgen im FJunteresse des Gewerbes; 4) die Aufstellung von Vorschlagslisten für die Ernennung außerordentlicher Mitglieder des Gewerbeschulraths aus dem Gewerbestand. Der Landes-Gewerberath seßt sih zusammen aus: 1) je einem Vertreter der Gauverbände der Gewerbevereine und des Badischen Kunstgewerbevereins; 2) je cinem Vertreter der Handelskammern und der diesen gleichstehenden Handels- genossenschaften; 3) zwei Vertretern der im Lande bestehenden Fnnungen:; 4) vier Vertretern des Arbeiterstandes, die aus der Zahl der Beisißer der Gewerbegerichte oder den Vor- ständen größerer Krankenkassen zu nehmen sind; 5) einer Anzahl vom Ministerium des FJnnern ernannter, auf dem Gebiet des Gewerbewesens Jene Per- sonlichkeiten, die ein Drittel der gewählten Mitglieder nicht übersteigen foll. Anderen, als den vorgenannten, gewerblichen Vereinigungen kann das Ministerium des Jnnern eine Vertretung im Landes-Gewerberath einräumen, wenn sie eine entsprehende Zahl von Mitgliedern umfassen, und es foll von dieser Befugniß jedefalls dann Gebrauch gemacht werden, wenn sich auf Grund des Geseßes vom 22. Juni 1892 Gewerbekammern bilden. Den Vorsiß im Landes- Gewerberath führt der Präsident dcs Ministeriums des Jnnern bezw. der von ihm jeweils für die Dauer einer Tagung ernannte Stellvertreter. Die übrigen mit dex Be- arbeitung gewerbliher Angelegenheiten betrauten “Beamten des Ministeriums des Jnnern fowie diejenigen der Fabrik: inspection, des Gewerbeschulraths und der Landes-Gewerbehalle werden zu“ den Verhandlungen des Landes-Gewerberaths mit berathender Stimme beigezogen, soweit deren Betheiligung für zweckmäßig erachtet wird. Der Landes-Gewerberath tritt auf Anordnung des Ministeriums des Jnnern regelmäßig, und zwar mindestens einmal im Jahre, sowie dann zusammen, wenn seine Einberufung von einem Drittel seiner Mitglieder, unter Bezeichnung bestimmter Berathungsgegenstände, bean- tragt wird.

Hessen.

Jn der gestrigen Sißung der Zweiten Kammer theilte der Präsident, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, zunächst mit, daß die Regierung die Geseßentwürse über die Reviston der Verwaltungsgeseße und des Baues und Unterhaltung von Kunststraßen zurückgezogen habe. Dié Kammer erledigte hierauf den Gesetzentwurf über die Reform der Einkommensteuer in zweiter Lesung und nahm dann das Gesep über das Verfahren der Zwangsvollstreckung im Verwaltungswege sowie das Geseß über das Grund- cigenthum und Hypothekenwesen inRheinhessen an.

Bremen. Die Bürgerschaft hat der „Wes.-Ztg.“ zufolge die für die Vertiefung des Freihafens geforderte Summe von 276 000 M bewilligt.

Oesterreich-Ungarnu.

Der Saler jtattere heute Dem Herzog und ver Herzogin von Parma sowie der Prinzessin Maria Louise cinen halbstündigen Besuch ab.

Der gestrigen Soirée bei dem deutschen Botschafter Prinzen Reuß wohnten die Erzherzoge Wilhelm und Rainer, die Minister Graf Kälnoky, Freiherr von Bauer, von Kallay, Graf Falkenhayn, Graf Welsersheimb und Marquis de Bacquehem, der Pronuntius Galimberti, das gesammte diplomatishe Corps, die Spizen der Civil: und Militärbehörden, sowie zahlreiche Mitglieder der Aristokratie bei.

Das österreihische Abgeordnetenhaus Ee Bene zunächst die Berathung des Budgets fort, unterbrach diese aber, um mit der Verhandlung über die Verlängerung des Budgets-Provisoriums bis Ende März 1893 zu beginnen.

Großbritannien und JFrland.

Im Unterhause erklärte gestern nah ciner Meldung des „W. T. B.“ der Parlaments-Secretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey auf eine Anfrage, daß die Abgrenzung am Kilimandscharo noch nicht beendet sei. Diejenigen Punkte, über die die beiderseitigen Commissare nicht einig geworden, seien der englishen und der deutschen Regierung zur Prüfung über- wiesen, der betreffende Schriftwechsel könne daher nicht vorgelegt werden. Auf eine weitere Anfrage erklärte Sir E. Grey, China habe Vorstellungen über die Operationen gegen die Katchin-Stämme gemacht; die englischerseits darauf zur Ant- wort gegebenen Erklärungen hätten eine freundlihe Aufnahme efunden. Mit China fänden Unterhandlungen statt zum Zweck der Feststellung der Grenze, welche hoffentlih baldigst einen befriedigenden Abschluß finden dürften. Der Staats- secretär des Jnnern Asquith beantragte sooann die erste Lesung einer Vorlage, wodurch während ciner begrenzten Zeit

die Schaffung neuer Pfründen in der englishen Kirche Wales verhindert werden soll. Der Minister bezelnae die Bill als ersten Schritt zur Entstaatlihung der ‘Kirche ig Wales. Sir J. E. Gorst bekämpfte die Bill duxch einen Unterantrag, der eine legislative Einmishung, so lange dag Princip einer Veränderung der Beziehungen zwischen Stagt und Kirche in Wales vom Parlament nicht genehmigt sei für unzweckmäßig und ungerecht erklärt. Der Antrag Gorst wurde mit 301 gegen 245 Stimmen abgelehnt und die erste Lesung der Bill angenommen.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer begann gestern die Berathung des Geseßentwurfs über die Besteuerung der Börsen- geshäfte. Der Finanz - Minister Tirar d begründete den Entwurf und führte, dem „W. T. B.“ zufolge aus, die Ne- gierung könne neben den Wechselagenten, die gewissen Be- lastungen unterworfen seien, niht eine ganze Armee oon Personen bestehen lassen, die die gleihen Geschäfte machten, ohne irgend einer Verpflichtung zu unterliegen. Der Handel mit den den Wechselagenten vorbehaltenen Werthen werde durch die Wechselagenten vermittelt werden, während der Handel mit den nicht cotirten Werth: papieren den Coulissiers überlassen sei. Dicse Anordnung gche zwar gegen die Gewohnheiten der Börse, die Regierung bringe hierbei aber nur das bestehende Geseß zur Anwendung. Jeder- mann in Frankreih zahle Steuern, deshalb müsse auch die Coulisse, die sih vornehmlich aus Ausländern zusammen- seze, Steuern zahlen. Die Coulisse behaupte, eine Macht zu sein. Wenn dics zutreffend sei, so sei umsomehr - ihre ge- jeglihe Regelung angezeigt. Lamarzelle (Rechte) forderte die Abschaffung der Coulisse, die einen kosmopolitischen Charakter habe. Dagegen müsse die Zahl der Wechselagenten vermehrt werden. Naquet bekämpfte den Entwurf, da durch ihn die Freiheit der Speculation beeinträhtigt werde. Dex Generalberichterstatter für das Budget Poincarré ccklärte nich für den Negierungsentwurf. Hierauf wurde die Gencral- oiscussion geschlossen. Die Kammer beschloß mit großer Mehr- heit in der heutigen Sißung, zur Berathung der einzelnen Artikel überzugehen.

Das Journal Ferry's, die „Estafette“, protestirt nach- drücflich gegen die Behauptung, daß die Wahl Ferry's zum Präsidenten des Senats persönlihen Zwecken dienen folle und gegen Carnot oder Ribot gerichtet wäre. Ferry könne nur deren Verbündeter zur Vertheidigung der focialcn Ordnung fein.

Rußland.

Der Erbprinz von Montenegro ist, wie „W. T. B“ meldet, gestern Abend von St. Petersburg - wieder abgereist. Der Stadthauptmann und der General, der dem Prinzen für die Zeit seines dortigen Aufenthalts attachirt war, gaben ihm das Geleite zum Bahnhof.

Ftalien.

Der Finanz-Minister Grimaldi brachte, wie „W. T. V“ meldet, in der gestrigen Sißung der Deputirtenkammcr einen Gesegentwurf ein, wodur die provisorishe Gebahrung der Einnahmen und des Schaßbudgets bis zum 31. März verlängert wird. Der Minister-Präsident Giolitti erklärte auf ne Anfrage Uber. die angeblih. am 19, d. M. beim Petersdome gehörten aufrührerishen Rufe, es sei thm unbekannt, ob solhe Rufe laut geworden: seien. Die Wallfahrten seien ein eclatanter Beweis für die Frei- heit des Papstes. Dic Wallfahrer hätten keinerlei Aus- schreitungen begangen: mehr als 4000 derselben hätten \ich in das Gedenkbuch des Pantheon, wo das Denkmal Victor Emanuel’s sih besinde, eingezeichhnet. Jm weiteren Verlaufe der Sihung verwarf die Kammer in namentlher Abstimmung mit 197 gegen 92 Stimmen den Antrag des Socialisten Agnini, die die Banken betreffenden Ministeriglacten ciner Commission von 7 Mitgliedern zuzuweisen. Der Minister- Präsident Giolitti hatte eine Vertagung des Antrages auf drei Monate verlangt. Crispi und Rudini stimmten für den Antrag. Crispi erklärte, man müsse mit der Gewohnheit brechen, ähnliche Anträge beständig abzulehnen.

Ein von der „Politishen Correspondenz“ veröffent: lichtes Communiqué stellt fest, daß die Nachricht von dem bevorstehenden Besuche eines italienishen Gc- \hwaders in ausländishen Häfen als Erwiderunzq der vorjährigen Besuche der ausländishen Geschwadct n Genua durchaus UnbegrUnder sel: Dur das Erscheinen der ausländishen Schisse in Genua, das der Feier des größten Schiffahrtsereignisses der Neuzeit gc- golten habe, werde der italienischen Flotte keineswegs die Pflicht eines Gegenbesuches auferlegt, dessen Unwahrscheinlich- keit übrigens aus der großen Zahl der bei den Feierlichkeiten in Genua vertretenen Länder ersichtlich sei.

Der Papst empfing gestern die Wallfahrer aus Frankreich, Ungarn, Uruguay und Argentinien. Zuerst wurden die 250 ungarischen Wallfahrer von dem Bischof von Stuhl- weißenburg vorgestellt. Der Papst ermahnte sie in lateins cher Sprache, stets an dem Glauben des Heiligen Stephan fcît- zuhalten und gleich diesem die Rechte der Kirche zu verthci- digen. Der Papst, der bei dem Betreten und dem Ver- lassen des Consistorialsaales enthusiastish begrüßt wurde, beschränkte sich im Beiscin des Arztes, da er noh an Erkältung leidet, darauf, nur die Führer der Wallfahrer zu empfangen und ließ sih deshalb bei den leßteren entschuldigen. Jede Pilgerschaft überreichte Geschenke für den Peterspfennig. Der ebenfalls auf gestern angeseßte Empfang des österreichisc)- ungarischen Botschafters Grafen Revertera wurde verschob.

Portugal.

In der gestrigen Sihung der Deputirtenkammcr legte einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge der Minisler- Präsident Ribeiro das Programm des Cabine1s dar und kündigte eine Amnestie für Preßvergchen sowie Vergehen bei den Wahlen und politischen Ver- gehen und Freiheit der Presse bei gleichzeitiger ministerielier Verantwortlichkeit an. e kündigte der Minister cine Abänderung der Bankgeseßhe in der Richtung an, daß die Controle der Regierung cine wirksamere werde. L züglich der portugiesishen Staatsschuld erklärte er, daß diÔ Regierung, unter Berücksichtigung der Einnahmequellen des Staatsschaßes, soviel wie möglich zu leisten beabsichtige. Die Einführung neuer Steuern sei niht in Aussicht genommen» jedenfalls würden etwaige neue Steuern nicht den arbeitenden Klassen zur Last fallen. 2 L

Wie es heißt, würde das vom früheren Minister-Pr@& sidenten Diaz Fereira bezüglih der äußeren Schuld auf

gestellte Project fallen gelassen werden. Die Cortes sollen

auf einige Tage vertagt werden.

Schweiz.

Die Majorität der Commission des National- raths hat sih für den Antrag des Bundesraths aus- gesprochen, wonach dieser ermächtigt wird, den Eisenbahnen die Einführung der mitteleuropäishen Zeit zu ge- statten und diese gleichzeitig auch im Post- und Telegraphen- dienst zur Anwendung zu bringen.

Rumänien.

Die Deputirtenkammer hat, wie „W. T. B.“ meldet in ihrer gestrigen Sißzung mit 82 gegen 27 Stimmen den Gesehentwurf über den gewerblihen Unterricht ange- nommen und zu dessen Durchführung einen Credit von sieben Millionen Lei bewilligt.

Amerika.

Infolge der Wahl eines demokratischen Candidaten zum Senator für Dakota sind, wie „W. T. B.“ meldet, die beiden Partcien des Senats jeßt gleich stark. Da der Präsident des Senats die ausshlaggebende Stimme hat, so könnten die Demokraten im Senate ihre Zollpolitik zur An- nahme bringen. Uebrigens haben Montana, Washington und Wyoming noch 1e einen Senator zu ernennen.

Asien.

Wie der „Standard“ erfährt, hat die chinesishe Re- gierung die Ernennung eines NResidenten für die Pamirs beschlossen, der densc!ben Rang haben soll, wie der Vertreter Chinas in Thibet.

Afrika. Nach einer Meldung des „Neuter hen Bureaus“ aus

Kairo wird sih der finanzielle Beirath des Khedive Sir

Elwin Palmer am 6. März nach London begeben, um dort

wegen einer Anleihe zur Converston der Domänenschuld zu unterhandeln.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag. _Der Bericht über die 50. Sizung vom 283. Februar befindet sih in der Ersten Beilage. ol. Sißung vom Freitag, 24. Februar, 1 Uhr. Der Sigung wohnt der Staatsfecretar Dr! Von Boetticher bei. j i Die Vorlage, betreffend die Cautionen der Bundes-

beamten, wird in dritter Lesung unverändert ohne Debatte

angenommen.

Darauf wird die Etatsberathung fortgeseßt. Die Discussion über das Ausgabekapitel „Neichs-Versicherun gs- amt“ und des Spccial-Etats des Neichsamts des YFnnern nimmt ihren Fortgang.

Abg. Schmidt- Elberfeld (dfr.): Auf dem Lande werden viel- fach die versicherten Arbeiter verantroortlich gemacht für Versäumungen bei Einklebung der Marken. Nun is aber durh das Gesetß zweifellos den Arbeitgebern die bctreffende Verpflichtung auferlegt. Die unteren Polizeibehörden verlangen fogar auf dem Lande, daß der Arbeiter die feh- lenden Marken in seine Quittungsfkarte auf eigene Kosten einklebt. Es follte veranlaßt werden, daß die unteren Verwaltungsbehörden ihren Organen cntsprehende Weisungen zugehen lassen. Gestern hat der Abg. Wurm erklärt, ohne die Socialdemotratie würde man für die Arbeiter ke'nen Finger gerührt laben. Diese Behauptung muß zurückgewiesen werden. Die natürliche und ruhige Entwickelung der Dinge hat uns die Arbeiterfürsorge gebracht. Der ruhige \tetige Fortschritt in den Verhältnissen der Gesellschaft überhaupt hat diese Einrichtungen

mitgebracht, und fraglich i} nur, ob es rihtig war, es von Staats-

wegen oder cs anders zu machen. Was die Socialdemokratie fordert, hat s{chon vor fünfzig Jahren Harkort gefordert. Seit ih im Reichstag bin, habe ih dieselben Forderungen wie Krankenkassen, Normal-Arbeitstag für verschiedene Gewerbe u. \. w. erhoben. Der Abg. Wurm kann das nicht wissen, weil er erst seit 1890 hier ist. Ihre (zu den Socialdemokraten) Agitation ist keine Förderung, fondern ein Hemmschuh für diesen Fortschritt. Durch Ihre Agitation ist bis in die hochsten Kreise die Meinung erweckt worden, als ob Ihre Existenz eine Gefahr für Staat und Gesellschaft sei. Das i} ganz fals, Die Jungen in Ihrer Partei haben ganz recht: So lange Sie noch parlamentiren, sind Sie nicht gefährlih! Der Abg. Wurm hat auch behauptet, daß der größte Theil der Nenten nur dur Zwang nach erfolgter Berufung der Schiedsgerichte gezahlt wird. Hätte er den Bericht gelesen, der uns in diesen Tagen zugegangen ist, so würde er diese Behauptung nicht aufgestellt haben; denn es is nur ein Scchstel der Renten vor die Schiedsgerichte gekommen, von 123 239 Bescheiden sind nur 5221, etwa 40/0, durh die Schiedsgerichte ab- geändert worden.

__ Staatésecretär Dr. von Boetticher: Aus dem Streit der Parteien ziehe ih den Schluß, daß es doch keine \chlechte Geseßgebung sein muß, die hier in Frage steht. Es entspricht niht der Vorschrift des Gesetzes, wenn die Arbeiter für die unterlassene Einklebung der Marken verantwortlih gemacht werden. Das Reichs-Versicherungsamt lann dagegen nihts thun; das Neichsamt des Innern wird aber, wenn diese Klagen zu ihm dringen, Gelegenheit nehmen, die Unter- behörden entsprechend anzuweisen. __ Abg. Hofmann - Chemniß (Soc.): Wir haben in Chemnitz vielfah den Fall gehabt, daß den Arbeitern keine Marken von den Unternehmern eingeklebt wurden, obwohl die Arbeiter ihre Beiträge gezahlt hatten. Diese Beiträge gehen also den Leuten verloren und die Sicherheit, ihren Nentenanspruch zu begründen, vermindert sih mit jeder fehlenden Marke. Sehr {limm ift es, daß Arbeiter in die Lage kommen, die ihnen zugesprochene Rente nicht erheben zu können. Der Betreffende war niht im stande zu shreiben, konnte seine Unterschrift nicht geben, und die Postbehörde verweigerte mit Neht nach dem Buchstaben des Gesetzes die Auszahlung der Rente. Hier muß doch Abhilfe geschaffen werden. In Sachsen i} es ferner vorgekommen, daß man Arbeitern, armen Webern die Rente verweigert hat, weil sie nah der sächsishen Landesgesezgebung noch als Meister gelten. Wir follen kein Recht haben, uns als Vertreter der Arbeiter aufzuspielen. Wir haben gegen das Gesetz gestimmt, weil dem

Anspruch der Arbeiter nicht voll und ganz nachgegeben wurde. Jeßt

aber, nachdem das Gescß in Kraft getreten ist, sind wir verpflichtet, für seine Durchführung zu sorgen. Darum habe ih mir erlaubt, diese Beschwerde hier vorzutragen.

Staatssecretär Dr. von Boetticher: Die Gefahr, daß Beiträge

‘der Arbeiter zur Altersversicherung von dem Unternehmer untershlagen

werden können, ift nicht groß ; denn der Unternehmer muß den Nachweis der Bezahlung der Beiträge durch Marken auf der Quittungskarte führen, und diese bleibt in den Händen des Arbeiters, der fich stets davon überzeugen kann, ob der Arbeitgeber die Marken eingeklebt hat, deren Betrag er ihm vom Lohn zurückbehält. In dem Fa e, wo der Nentenempfänger nicht chreiben konnte, hätte der Postsecretär sih doch bloß von der Identität des Mannes über- ¿eugen und dann die Zahlung der Rente attestiren sollen. Wer eine Rente empfängt, muß dafür sorgen, daß er oder ein legitimirter Stell- vertreter die Quittung leisten kann. Was die Meister betrifft, die keine Mente erhalten haben, \o kann die Verwaltung daran nichts ändern ;

die B Ho Neichs-Versicherungsamts is souverän. Nur bei einer etwaigen Aenderung des Geseßes würde diese Schwierigkeit be- seitigt werden können. i;

Abg. Dr. Buhl (nl.): Was die behauptete VersHleppung uon Entschädigungsansprüchen angeht, so wird diese vielfah dadurch her- beigeführt, daß die Betreffenden sih an eine andere als die zuständige Berufsgenossenschaft gewendet haben. Die zuerst angerufene Berufs- genossenschaft hat den Anspruch abgewiesen und dem Geschädigten nicht mitgetheilt, welches die richtige Adresse sei. So haben sich manche Fälle Jahre lang hingezogen. Die Verschleppung wäre vermieden worden, wenn die Vorstände den geshädigten Arbeitern sofort Aufklärung gegeben hätten. Es wäre schr wünschenswerth, wenn dies allgemein geshähe, obgleich natürlih eine Verpflihtung der Vorstände dazu nicht besteht; daß die Berufsgenossenschaften ers durh die Schiedsgerichte sih zur Zah- lung von Renten bestimmen ließen, is nur in Ausnahmefällen, die sehr gering sind, vorgekommen.

(Bei Schluß des Blattes Dr. von Boetticher das Wort.)

nimmt der Staatssecretär

Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

__ Die Berichte über die gestrige Vormittags- und die gestrige Abendsißung befinden sich in der Ersten Beilage. 39. Sißüung vom 24. FebrUar.

Der Sigzung wohnt der Minister der geistlihen 2c. An-

gelegenheiten Dr. Bosse bei. __ Die zweite Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1893/94 wird fortgeseßt, und zwar im Etat des CultusMintstexrtums beim Kapitel“ Kunst wnd Wissenschaft.

Beim ersten Titel: Kunstmuseen in Berlin bedauert

Abg. Bödiker (Centr.), daß niht mehr Geld für diesen Zweck verwendet werde. Er könne aber bei der jeßigen Finanzlage Anträge auf Vermehrung nicht stellen Nedner hält es für zweckmäßig, einer Ueberproduction von Künstlern entgegenzutreten: es müßten sowohl bei der Aufnahme in die Kunstschule, als beim Uebergang von einer Klasse in die andere Beschränkungen eintreten. Redner empfiehlt ferner dem Minister, sich künstlerishen Beirath zu vershaffen und die freien. Künstler mehr zur Geltung kommen zu lassen.

Minister der geistlihen 2. Angelegenheiten Dr. Bosse: Ich hätte auch gern mehr Geld für die Kunst verwenden mögen; der Vorredner hat ja die Gründe anerkannt, die das verhindern. Die Ueberproduction der Künstler ist wohl niht so \{chlimm, wie Vorredner annimmt. Mein künstlerisher Beirath is der Senat der Akademie der Künste. Eine anderweitige Zusammen- seßung der Landes-Kunstcommission is in Aussicht genommen und dabei wird auch die Zahl der freien Künstler, die darin jetzt schwach vertreten sind, verstärkt werden. Im übrigen wird das Aus- \tellungswesen durch das neue Statut gefördert werden, wonach die Akademien in Berlin und in Düsseldorf, sowie die freien Künstler gleihmäßig vertreten fein follen.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) fordert die Re- gierung auf, für monumentale Kunst etwas mehr zu thun und das Kunstgewerbe mehr mit den großen Kunstshulen in Verbindung zu bringen, damit das Handwerksmäßige mehr durh das Künstlerische beeinflußt werde. Ferner müsse für die Kunstgewerbeschulen überhaupt etwas mehr gethan werden.

Abg. Bödiker (Centr.) verlangt eine Statistik des Besuchs der Kunstschulen.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Jordan giebt einige Zahlen über die Frequenz der Kunstshulen und weist darauf hin, daß der Fonds für Ankäufe zur Hälfte für die monumentale Kunst, zur Hälfte für die Nationalgalerie verwendet worden sei. Bei den Ankäufen und Bestellungen seien die freien Künstler und die akademischen gleihmäßig berücksihtigt worden.

Die Ausgaben für die Kunstmuseen, für das Kunst- gewerbemuseum und für die Nationalgalerie werden genehmigt.

Bei den Ausgaben für die Königliche Bibliothek fragt

Abg. Dr. Kropatscheck (cons.) wie weit der Plan für den Neubau der Bibliothek gefördert sei, und tritt für die Aufbesserung der Gehaltsyperhältnisse der Bibliothekbeamten cin. Diese Beamten sollten im Gehalte mit den Lehrern höherer Lehranstalten gleichgestellt sein; aber die Voraussezung dafür sci auch die Erfüllung gleicher Borbedingungen. Die Bibliothekbeamten aber hätten oft nur pro- movirt und niht das Staatsexamen gemaht. MNedner empfiehlt endlich, den Titel Custos zu beseitigen.

Abg. Dr. Sattler (nl.) bemängelt die große Zahl der Hilfs- arbeiter im Bibliothekdienst, die die der festangesteUten Beamten übersteige. Wenn die jungen Leute, die sich. dieser Laufbahn zuwenden, fo wenig Autsicht auf feste Anstellung haben, so müsse fih cine große Unzufriedenheit unter ihnen bemerkbar machen.

(Seheimer Ober-Regierungs:Rath Dr. Althoff weist darauf hin, daß die Zahl der etatsmäßigen Stellen in der leßteren Zeit um 30 9/9 vermehrt worden fei. Bezüglich des Neubaues der Königlichen Bibliothek bemerkt er, daß auf dem Bauplaz nicht bloß die Bibliothck, sondern auch Räume für die Kunstausstellung und für die Akademie der Wissenschaften Plat finden sollen. Alles könne, wenn eine gewisse Beschränkung stattfinde, nebencinander dort bestehen. Die Bauskizze sei fertig gestellt, die Pläne würden auf- gestellt werden, und dann könne der Bau beginyen, wenn das Geld bewilligt sei. : i / Bei den Ausgaben für das meteorologishe Jnstitut

ittet

Abg. Horn (nl.) um eine Mehrbewilligung für cine meteorologische Station auf dem Brocken.

Geheimer Ober-Regierungs-Nath Dr. Althoff erklärt, daß dafür chon gesorgt sei. R : :

Bei den Ausgaben für die biologishe Station auf Helgoland empfiehlt

Abg. von Benda für Helgoland ctwas Weiteres zu thun. Es sei {on manches geshehen und die Stimmung der Bevölkerung sci auch schon eine bessere geworden.

Im übrigen werden die Ausgaben für Kunst und Wissenschaft ohne erhebliche Debatte bewilligt, ebenso das Kapitel: Technisches Unterrichtswesen.

Beim Kapitel 124: „Cultus und Unterricht ge- meinsam“ sind im Titel 1 zum Neubau und zur Unterhaltung der Kirchen, Pfarr-, Küsterei- und Schulgebäude 2 Millionen Mark ausgeworfen.

Hierzu liegt folgender Antrag des Abg. Dr. Freiherr von Heereman vor:

„Die Staatsregierung zu ersuhen, Erwägungen darüber an- zustellen, welhe Bestimmungen des Geseßes vom 20. Juni 1875 über die Vermögentverwaltung in katholishen Kirchengemeinden erhebliche praktishe Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten herbei- geführt haben, und eventuell eine entsprehende Vorlage zur Ab- A jenes Geseßes in der nächsten Session dem Landtag vor- zulegen.“

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) führt aus, daß die Kirchengemeindevertretungen überall als großes Hinderniß der Vermögensverwaltung empfunden würden. Eine große Anzahl -von Personen werde bei zum theil ganz unbedeutenden Dingen beschäftigt und dann stünden über der Gemeindevertretung die Aufsichtsinstanzen, sowohl die kirhlihen als die staatlichen.

Ministerial-Director Dr. Bart\{ch: Wenn ein Mann von der Bedeutung des Vorredners die Abschaffung eines Gesetzes verlangt, so verdient das volle Würdigung. Aber die Staatsregierung hat mit dem Gesetz keine schlechte Ersabtung gemacht. Dieses Junigeset ist

« doch fein Maigeseß, d. h. es ift doch fein Kampfgeseß, kein Abwehrgeseß, T nbles ein organishes Gese, das den Zweck hat, die Vermögenéverwaltung in den fatholishen Gemeinden ein- beitlih zu regeln. Die Bischöfe haben die Gemeinden in der loyalsten Weise aufgefordert, tei der Ausführung dieses Suche mitzuwirken. Die Gemeindevertretung ift keine Erfindung des Geseßes, fie besteht auf Grund früherer Vorschriften. Das Gesey giebt ein Expediens, um die Gemeindevertretung in Fortfall zu bringen ; wenn das kirchlich Vermögen zu klein ist, wenn die Entfernungen in der Gemeinde zu groß sind, dann fann die Vertretung wegfallen; sie kann ferner in threr Mitgliederzahl herabgeseßt werden. Von diefen Möglichkeiten ist mehrfah Gebrauch gemacht worden. Das allgemeine Landrecht ing viel weiter; es verlangte eigentlih cine Staatsverwaltung.

ieser Standpunkt is aber 1875 aufgegeben zu Gunsten einer be- shränkten Staatsaufsicht. E z L L Abg. Graf zu Limburg-Stirum (conf.): Diese Resolution hat eigentlich mit dem Etat nichts zu thun, denn sie betrifft niht den Neubau von Kirchen u. st w. Es wäre also wohl besser gewesen, wenn der Abg. von Heereman einen felbständigen Antrag ein-- gebraht hätte. Ih bin Patron von zwei katholischen Kirchen und einer evangelishen Kirhe, und ih fomme nah meinen praktischen Erfahrungen zu demselben Ergebniß wie der Abg. von R Die Gemeindevertretungen sind eigentlih überflüssig, der Gemeinde- Kirchenrath reiht vollständig aus. Bedenklihe Beschlüsse des Gemeinde-Kirchenraths können auch wohl ohne die Gemeinde- vertretung zurechtgestellt werden. E wird mir aber von manher Seite gesagt, sogar von fkatholishen Geist- lichen, daß die Gemeindevertretung beibehalten werden follte. Ich kann mich heute noch niht {lüssig machen. Jch will daher für die Resolution heute nur in dem Sinne stimmen, daß erwogen werden möge, ob aus praktishen Gründen nicht einc Aenderung eintreten könne.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Minister der geist- lichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse das Wort.

Abg. Dr. von Bennigsen« hat am Schlusse der heutigen Sißung der Militärcommission des Reichstags folgenden Antrag eingebracht: 1) In § 2 der Militärvorlage zu sagen: „Vom“ 1. Ok- tober 1893 ab wird die Infanterie in 538 Bataillone und 173 un- vollständige (Ersatz-) Bataillone formirt.“ (In der Vorlage heißt es in 711 Bataillone.) 2) Dem § 2 folgenden zweiten Absaß anzufügen : „Die 173 unvollständigen (Ersaz-) Bataillone werden nur solange formirt, als der active Dienst bei der Fahne für die Mannschaften der Fußtruppen auf zwei Jahre festgeseßt ist.“

In der Neichstagscommission zur Berathung der „lex Heinze“ wurde heute nach langer Debatte der zum Strafgeseßbuch neu beantragte § 16a in folgender Form angenommen: „Bei der Verurtheilung zu Zuchthaus- oder Gefängnißstrafe kann, wenn die That von besonderer Noh heit, Bosheit oder Ehrlosigkeit des Thâters zeugt, auf Verschärfung der “Strafe erkannt werden. Die Verschärfung der Strafe besteht darin, daß der Berurtheilte auf die ganze Dauer der Strafhaft oder einen Theil derselben eine harte Lagerstätte oder als Nahrung Wasser und Brod erhält. Die Verschärfungen können einzeln oder vereinigt angeordnet werden und fommen zweimal in der Woche zur Anwendung. Auch fann auf eine mildere Bollstreckungs8welse ertanut werden. Die Strafvershärfungen sind auszuseuen, wenn und solange der fkörperlihe Zustand des Verurtheilten den Vollzug niht zuläßt. Dieselben können auf Antrag der Strafvollstreckungsbehörde wegen guter Führung oder fleißigen Arbeitens des Verurtheilten durch Beschluß des Gerichts zeitweise oder gänzlich gemildert oder aufgehoben werden.“ Der neu vorge- \hlagene § 362 (Beschäftigung der Gefangenen 2c.) passirte in der Fassung der Negierungsvorlage. Schließlich wurde auch § 180a. (Neberweisung der Zuhälter an die Landespolizeibehörde) angenommen.

In der Reichstagscommission zur Berathung des Ge- seßes gegen den Verrath militärischer Geheimnisse wurde heute § 4 der Vorlage, welher Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleiher Dauer dem andkroht, der ohne landesverrätherishe Absicht fich rehtswidriz den Besiß oder die Kenntniß militärisher Geheimnisse verschafft, mit der Abänderung angenommen, daß auch der Vorsaß vor- handen fecin muß. Außerdem wurden auh hier mildernde Umstände zugelassen, aber auch der Versuch bereits für strafbar er- flärt. Dic §§ 5, 6 und 7 erlitten nur redactionelle Abänderungen. S 8, der auch, abgeschen von den Fällen des Verraths militärischer Geheimnisse, für Bekanntgebung von Verhältnissen der deutschen Kriegsmacht u. f. w. eine Gefängnißstrafe bis zu 3 Jahren androbt, wurde einstimmig abgelehnt. Die 889 und 10 blieben unverändert. Die Berathungen werden morgen fortgeseßt.

- Der Fürst von Haßhfeldt-Trachenberg hat im Herrens- hause nahstehenden Antrag eingebracht : Das Herrenhaus wolle beschließen : Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen :

künftig in dem Etat der landwirthschaftlihen Verwaltung

1) Kap, 106 Tit. 12. Zur Förderung genossenschaftlicher und communaler Flußregulirungen anstatt 500 C00 .( zu setzen 3 000 000 M

2) Kap. 107 Tit. 1. Dispositionsfonds zur Unterstüßung der landwirthschaftlichen Vereine und zur Förderung der Landcaltur im allgemeinen 2c. anstatt 310 000 6 zu seßen 500 000

Kunst und Wissenschaft.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe veranstaltete am Mittwoch Abend im großen Saale des Arcitektenbhauses einen Fachabend für Buchdruck, zu dem die Wände des Saales mit bervor- ragenden Erzeugnissen hiesiger und auswärtiger Druckereien beseti waren, unter denen außer den Arbeiten der Reichsdruckerei und der L VBürenstein, Grunert, von Holten, Mosse, Sittenfeld u. a. esonders die glänzende Ausstellung Münchener Drucke von Dr. M. Huttler (Konrad Fischer) und Knorr u. Hirth Beachtung fanden. Herr Professor E. Doepler d. I. betonte bei der Besprechung der Ausstellung, wie die älteren Drudcker mit ihren Mitteln vielfach reinere künstleris{e Wirkungen erzielt hätten, und warnte vor der übertriebenen Willkür und Sthiefbeit der Anordnung, wie sie heute nah amerikanishem Vorbild beliebt sei: bei den Ornamenten sei besonders ihr Verbältniß zur Schrift und ein nicht zu kleiner Maßstab zu verlangen. Herr B. Grunert bespraSd die ausgestellten Arbeiten der Monatsconcurrenz, die einen Bucbtitel in E betrafen. Herr Hermann Hoffmann erläuterte dèe Techni des typographischen Buntdrucks und die lehrreichen bezügliten Ausstellungen von R. Bong, H. S. Hermann und Mar Krause. Der Zusammentritt der 42. Versammlung deukfder hilologen und Shulmänner ist, wie dem „W. T. V.“ zus ien berichtet wird, nunmehr auf Pfingsten festgesetzt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrung® Maßregeln.

E Bulgarien.

In ‘Bulgarien is das Verbot der Einfuhr der unter Ziffer 13 der Nuarantäne-Vorschrift vom 19. November 1892 aufzetüßeten Gegenstände (vergl. „R.-A.*" Nr. 282 vom 28. 11. 92) gegen Herkünfte aus Ungarn, Rußland, der asiatischen Türkei, Hamburg und Marseille von neuem in Kraft gesezt worden. Î

Verdingungen im Auslande.

L __ Großbritannien.

27. Februar, Mittags. T. W. Wood, Secretäxr der Bourday, Baroda and. Central India Railway Company , Püredury Circus 49, London E. C.: Sieferung von! :