1893 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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dürftige Beamte mit Gehältern bis 4500 4, zur ausnahms-

weisen Unterstüßung höher besoldeter Beamten, zur Gewährung

von Vergütungen tir den Vertrieb der Wechselstempelmarken

und der Marken für die statistishe Gebühr, und zur Beihilfe

Ls die Beamten, welche zur Post- und Telegraphenshule in erlin herangezogen sind.

Abg. Vollrath (dfr.) verlangt eine Zerleg ng des so umfangreichen Titels, der zu den verschiedensten Dingen Beträge auswirft. Vor allem aber wüns{t er zu erfahren, wieviel auf die Ausgaben für die Post- und Telegraphen\schule bei diesem Titel entfällt, damit man die Kosten diefer Schule genau kennen lernen könne. Es sei eine ganz eigenartige, in feiner anderen Verwaltung vorkommende Erscheinung, daß den höheren Postbeamten die Carrière durch eine directe Unter- stüßung aus Staatsmitteln erleihtert wird, wie es hier durch die Telegraphenschule geschieht. S

Der Titel wird bewilligt. j

Bei den Betriebsausgaben im Bereich der Telegraphie tommt Staatsfecretär Dr. von Stephan auf die neuliche Anregung des Abg. Adt in Bezug auf die Telephongebühren und die Vergrößerung des Telephonnetzes zurü.

Staatssecretär Dr. von Stephan:

Hier ist der Titel, bei welchem die Anfrage zu beantworten sein wird, die vorher von dem Herrn Abg. Adt zu dem allgemeinen Posten: „Gehalt des Staatssecretärs“ gestellt wurde, nämlich über die Telephon- angelegenheit. Der Herr Abgeordnete ist zwar nicht hier. (Zurufe.) Ich bitte um Vergebung, der Herr Abgeordnete i} auf einem andern Play. Um so lieber ist es mir, daß ih ihm persönlich diese Auékunft geben fann. ;

Also, wo die localen Anschlüsse, die Sie gemeint haben, biéher bestanden, tritt eine Veränderung nicht cin. Es bleibt bei den bisherigen Gebühren. Wir konnten sie auch, wie Sie ganz richtig bemerkt haben, nah § 7 des neuen Telegraphen- gesetzes garnicht erhöhen. Dagegen müssen wir Bedenken tragen, diese Vorortnete in Bezirks-Fernsprechneße zu verwandeln, sie also, was auf dasfelbe hinauskommt, weiter auszudehnen. Das geht nicht, weil sich beim Betrieb der Bezirks-Fernsprehneßze doch verschiedene Schwierigkeiten herausgestellt haben. Auh hat uns die Erfahrung gezeigt, daß es schr zweckmäßig it, vorläufig mit einer Ausdehnung der Netze zurückzuhalten, dem Verkehr dagegen dadurh Genüge zu leisten, daß die einzelnen Gesprähe nah dem bisherigen Gebührentarif von 1 M bezahlt werden.

Es werden ganz ungemeine Anforderungen auf dem Gebiet des Fernsprechwesens an die Verwaltung gestellt; und troß der Aufwendung der größten Mittel und der weitgehendsten Mühewaltung ist «8 doch sehr schwierig, mit den An- sprüchen einigermaßen in gleiher Linie zu bleiben und sie entsprehend zu verwirklihen. Jch will hier beispielsweise nur an- führen, daß die Herstellung von Localitäten für Fernsprehämter in großen Orten der Verwaltung {hon jeßt schr bedeutende Opfer auf- erlegt. Allein in Hamburg bereiten sih Operationen auf diesem Ge- biet vor, die mehrere Millionen kosten werden; ähnlih wird es in Dresden und noch in manchen anderen Orten gehen. Das ist also ein sehr wesentliher Punkt.

Zweitens ist das Fernsprehney vermöge der Dünne seiner Drähte, die ja aus Bronce bestehen machten wir sie stärker, so würden die Kosten ganz ungeheuer groß werden —, in hobem Grade Angriffen der Witterung ausgeseßt. In einer einzigen Nauhreifnaht is in Hamburg, wo der Wind so stand, daß er in senkrechter Richtung auf die Drähte drückte, das Fernsprehnetz derart beschädigt worden, daß die Wiederherstellung desfelben eine Auêëgabe von 190 000 verursacht hat. (Hört! hört !) Das sind alles Sachen und derartige Ereignisse kommen auch an anderen Orten vor —, die sehr wohl im Auge zu behalten sind und wegen deren wir uns sehr hüten müssen, vorzeitige Ermäßigungen der Gebühren oder Ausdehnungen der localen Nege in Ausficht zu nehmen.

Ich möchte mir gestatten, dem hohen Hause aus der letzten Vebersiht über den Stand des Fernsprehwesens im Neichs-Postgebiet ein paar kurze Mittheilungen zu machen; diese Uebersicht ist vom 31, Dezember 1892, Danach bestand der Fernsprehbetriecb auf dem platten Lande in 6628 Orten das sind die kleineren Orte, in denen kein Telegraph besteht mit 44187 km Leitung. Cigentlichhe Stadt-Fernsprecheinrihtungen für die größeren Städte bestanden in 340 Orten, und zwar waren vor- handen 71 421 Sprechstellen mit 110 714 km Leitung, und in diesen 340 Orten wurden tägli 793 529 Gespräche geführt; davon entfallen auf Berlin bei 19 163 Sprechstellen heute sind es {on über 20 000 179 164 Gespräche täglih; heute ist die Zahl {on auf 190 000 Gespräche in Berlin gestiegen. In Hamburg 7381 Sprech- stellen mit 114 370 Gesprächen; das is verhältnißmäßig noh mehr als in Berlin; in Dresden 2749 Sprechstellen mit 44 780 Gesprächen, und endlich in Leipzig ich will nur diese 4 großen Städte auf- führen 2637 Sprechstellen mit 73 454 täglichen Gesprächen.

Nun kommen die Anlagen, welche Fernsprehverbindungen zwischen verschiedenen Orten herstellen, also beispielsweise Berlin— Hamburg, Berlin—Braunshweig—Hannover , Berlin—Magdeburg , Berlin— Stettin, Berlin—Breslau, Berlin—Dresden u. #. w. Solche Ver- bindungsleitungen, bei denen man in die Ferne sprechen kann, bestanden am 31. Dezember 1892 376 mit 27 304 km Leitung, und es wurden darauf 82 966 Gespräche täglih geführt. Das ist ja recht wenig; es bestätigt aber die Annahme, die ih wiederholt ausgesprochen habe, daß der Fernsprecher eigentlih für den Localverkehr da ist; da versieht er seinen Hauptdienst, da wird er am meisten benußt, aber viel weniger für den Fernverkehr. Diese Statistik ist, ih möchte sagen, eine Art. Psychologie des Verkehrs auf weite Entfernungen, gegen den naturgemäß größere Hinderungen obwalten als gegen den Nahverkehr.

Es kommen dann die Fernsprehanlagen in den Industriebezirken. Da haben wir im obershlesishen Jndustriebezirk 327 Sprecstellen mit 1141 km Anschlußleitungen, 706 km Verbindungsleitungen und 9177 Gesprächen täglih. Das ist ziemli viel. Im rheinischen Seiden- bezirk, Krefeld, Viersen, Gladbach u. f. w. haben wir 1164 Sprelstellen mit 16 713 Gesprächen täglih. Dann in Verbindung mit der Fern- fprehanlage Barmen—Elberfeld—Langenberg und Neviges sagen wir: im Wupperthal haben wir 1320 Fernsprestellen mit 16 715 Sesprächen täglih, Dann kommt der niederrheinisch-westfälishe In- dustriebezirk das ist Duisburg, Ruhrort, Hagen u. #. w. mit 1695 Fernsprechstellen und 25 810 täglihen Gesprächen. Im ber- gishen Industriebezirk mit den Orten Remscheid, Solingen, Wermels- kirhen haben wir 262 Sprechstellen mit 2568 täglihen Gesprächen. Dann kommt der Industriebezirk der sächsishen und preußischen Ober-

- Jausiß mit Baußen, Spremberg, Zittau, Görliß, Lauban, Reichenbach ;

er hat 607 Sprechstellen mit 5623 täglichen Gesprächen. Ferner haben wir ein allgemeines Fernsprehneß für bie Kreise Halberstadt, Oschersleben und Wernigerode u. \. w. das ist die Zuerindustrie und die Kali- industrie mit 282 Sprechstellen und 1444 Gesprächen täglih. Das ist sehr wenig, erklärt \fih aber dadur, daß die Campagne der Zuer- fabriken gewöhnlih nur ein paar Monate dauert. Dann kommt das Bezirksneß für Frankfurt a. M. und Umgegend mit 3124 Sprech- stellen und 31 080 Gesfprächen täglich; da liegen die Weinorte des Rheingaues. Schließlich ist das Bezirksneß im Hirschberger Thal zu erwähnen mit 129 Sprechstellen und 1195 täglichen Gesprächen.

Es befinden sich augenblicklich in der Herstellung drei Stadt- Fernspreheinrihtungen und neun Verbindungsanlagen.

Für das kommende Etatsjahr sind auf Grund des vorliegenden Etats in Aussicht genommen 24 neue Stadt-Fernspreheinrihtungen da kommen {on Orte wie Marburg, Könnern a. S., Flöha, Klingenthal, Oschaß, Zossen u. \. w. in Betracht; das Fernsprech- wesen dehnt sich also immer weiter auf einen Kreis von fleineren Orten aus. Außerdem sollen 22 neue Verbindungsanlagen, darunter Berlin-Köln, Berlin-Dresden (zweite Linie), Berlin-Königs- berg, Berlin-Posen, Berlin-Frankfurt a. M., alles sehr große und bedeutende Linien, gebaut werden.

Die Gesammtherstellungskosten -— das ist ja auch ein Kapitel, welches das hohe Haus interessiren wird haben von Andbeginn des Fernsprehwesens, von 1880 an, also in zwölf Jahren, bis zum Schlusse des Nechnungsjahres 1891/92 40 822 811 (6 betragen; dazu kommen im Etatsjahre 1892/93 noch 2 842 462 # und zur Erweiterung bestehen- der Einrichtungen 4 276 210 Æ Das macht insgesammt eine Summe von 47 941 483 M, die wir in den zwölf Jahren für das Fernsprechen ausgegeben haben. Jch bemerke dabei, daß davon noch nicht ganz 3 Millionen aus einer Anleihe bestritten worden sind; der Rest von 44 Millionen ist dagegen lediglich aus den laufenden Betriebsein- nahmen der Verwaltung entnommen.

Wenn man die Gesammtheit ins Auge faßt, so möchte ih glauben, daß diese shnelle Schaffung des großartigen Neges, welches wir jetzt besißen, für eine Verwaltung, die sich nach der Ansicht eines der gechrten Herren, Vorredner in voller Stagnation befindet, die alters- {chwach geworden ist, bei der der Reformeifer gänzli erkaltet ist, immerhin eine ganz respectable Leistung is. (Sehr richtig !)

Ich möchte damit s{ließen, daß in ganz Europa, England nicht ausgeschlossen, es keinen Staat giebt, der auch nur im entferntesten ein solches Fernsprehneß besißt und sih in so kurzer Zeit ein solches Neß hergestellt hat, wie die deutshe Reihs-Postverwaltung. (Bravo !)

Die Positionen werden bewilligt, desgleihen der Rest des Ordinariums. Beim Extraordinarium sind von der Commission für Apolda nur 108430 / zur Vergrößerung des Post- grundstücs bewilligt worden, während der Etat darüber hinaus noch 114 350 M als erste Nate zur Herstellung eines neuen Dienstgebäudes verlangte. Außerdem sind die erste Nate für neue Postdienstgebäude in Perleberg mit 70000 s, in Greifswald mit 89539 M, gestrichén.

Für den Erweiterungsbau des Reichs-Postamts auf dem Grundstück an der Ecke der Leipziger- und Mauerstraße werden als erste Nate 404 000 6 gefordert.

Abg. Vollrath (dfr.): Ich bin mit diesem Bau, wie ihn die Pläne zeigen, vollständig einverstanden und freue mich besonders, daß das Postmuseum eine geeignete Stelle darin findet. Das jetige Postmuseum macht zu sehr den Eindruck des Provisforischen, als daf man sich damit für die Dauer zufrieden geben könnte. In dem Museum soll eine Oberlichthalle angebraht werden, die hinter dem Vestibül an der Ecke der Leipziger- und Mauerstraße liegt. Jhren Zweck, das Postmuseum mit reihlihem Licht zu erfüllen, wird sie aber wohl nicht erreihen können. Jn der Säulenordnung der Halle findet sih zu viel Mauerwerk. Die Mauerpfeiler sind so stark, daß sie 25 9/9 oder mehr des Lichtzuflusses wegnehmên werden. Ich be- dauere, daß man sich hier niht an das Vorbild des Lichthofes im Kunstgewerbemuseum gehalten hat, wo die Mauerpfeiler cinen ganz kleinen Querdurhschnitt haben. Die Schönheit des Stiles wird ja durch die hier geplante Methode gehoben; aber es kommt hier weniger auf Schönheit als auf Zweckmäßigkeit an, und ih möchte daher an- heimstellen, ob man nicht eine reihlihere Lichtzufuhr durch Aenderung der Construction herbeiführen kann.

Das Extraordinarium und die Einnahmen werden nah den Commissionsanträgen genehmigt.

Bei den Einnahmen bemerkt

Staatssecretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! Um die etwas bewegte Symphonie der dies- maligen Gtatëdebatte mit einem harmonishen Accord zu \hließen, erlauben Sie mir noch einige Mittheilungen, anknüpfend an das, was der Herr Referent soeben vorgetragen hat.

Wir haben inzwischen noch den Abschluß für Januar bekommen. Da liegt die Sache noh günstiger. Es betrug der Vebershuß im Januar v. J., also 1892, 893273 #, dagegen im Januar d. J. 1 272092 Æ (Hört! hört!) Das i} also ein Mehrüberschuß in diesem einen Monat von 378 819 A Vom 1. April 1892 bis Ende Januar 1893 betrug der Reinüberschuß der Postverwaltung 22792 628 M, im gleihen Zeitraum des vorigen Etatsjahres dagegen 20504131 A Wir haben also diesmal vom April bis Ende Januar einen Mehrüberschuß von 2 288 497 A (Bravo!)

Der Etat der Reichsdruckerei wird ohne Debatte be- willigt.

Schluß 51/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 46. Sigung vom 6. März.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1893/94 wird fortgeseßt in dem Etat der R Hütten- und Salinenverwaltung, und zwar Del H Einnahmen und Ausgaben der Berggewerbe- gerichte.

Ueber den Beginn der Sipung is} in der Nummer vom Montag berichtet worden. Nah dem Abg. Dr. Hamma cher (nl.), dessen Rede bereits mitgetheilt worden ist, nimmt das

ort

Abg. Dr. Bachem (Centr.): Ueber das System der „festen Hand“, das Herr von Stumm vertheidigt, und über die Haltung der Re- o im Saarbrücker Strike will ich niht sprehen. Für die eßtere hat sie das Urtheil des in diesen Dingen erfahrenen Abg. Hammacher und au die Erfahrung für sih. Die Ablehnung der Position wird niht die Folge haben, daß die Gewerbegerichte für Flcdiue nicht eingerihtet werden, Die Regierung wird dann nur s{lechtere Gerichte einrihten fönnen. Die Ablehnung der Conservativen fann also nur noch die N einer Demonstration gegen die Socialpolitik haben, die von der Reichsregierung im Verein mit dem

Centrum und den Conservativen geführt wurde. Der Abg. Kropatscheck hat sich zum Wort gemeldet, und ih hoffe, daß er in dieser Beziehung auf unserer Seite fehen wird und einige feiner Qrrunde mit ihm. Eine Socialpolitik in der Beschränkung, wie die Conservativen des: Landtags fie wollen, ist durhaus nicht genügend. Als der Minister davon sprach, co die Mehrheit des Staatsraths aus conservativen Männern bestehe, ertönte der Ruf: Das bestreite ih ! Und als darauf hingewiesen wurde, daß die Reichstagsfraction ein- stimmig die Gewerbegerihte angenommen hätte, ertönte der weitere Ruf : Das geht uns nihts an! In beiden Fällen war der Abg. von Minnigerode der Urheber des Zwischenrufs; dann hört doch die con- servatie Auffassung auf, der Ausdruck einer Weltanschauung zu sein, dann beschränkt sih dieselbe darauf, hier und da zu flicken, ohne dem Ganzen auf den Leib zu gehen. Redner verweist auf die Kaiserlichen Erlasse, in welchen ausgefprochen wird, daß die staatlihen Bergwerke Muster- anstalten werden sollen. Wollen die Conservativen diese Kaiserlichen Erlasse niht mehr anerkennen? Daß in Saarbrücken die Arbeiter- ausshüsse noch feine gute Wirkung gehabt haben, liegt daran, daß sie sich noch nicht eingelebt haben. Arbeiter und Beamte haben noch nicht * den rihtigen Ton gefunden, um aus\öhnend zu wirken.- Die Gewerbegerihte werden eine Vorschule für die Ar- beiter sein, um sih für die Thätigkeit in dem Aus\{chusse auszubilden. Wer die geheime Wahl nicht will, der will überhaupt keine Gewerbe- geribte; denn nur durch die geheime Wahl werden wir Arbeiter- vertreter erlangen, welhe das Vertrauen der Arbeiter haben. Die Befürchtung, e auch für landwirthschaftliche Arbeiter Gewerbegerichte eingeführt werden, ist vollständig grundlos. Man wird nicht einmal in industriellen Gegenden überall Gewerbe- gerichte einführen können, weil sie niht genügend zu thun haben. Das wird bei landwirthschaftlihen Gewerbegerichten ebenfalls der Fall sein. “Gegen die Gewerbegerihte haben von der rechten Seite zwei Männer Stellung genommen, die aus Gegenden stammen, wo solhe Gewerbegerihte nicht vorhanden sind. In der Heimath des Abg. von Minnigerode wird es wohl niemals Gewerbegerichte geben. Der Abg. Ritter aber wird, wenn die Gewerbe- gerihte ers eingeführt sind, sie nicht mehr entbehren wollen. Cin behaglihes Bett wird dur die Einrichtung der (Gewerbegerihte den Socialdemokraten nicht geschaffen; denn die Leute, welche durh die Gewerbegerichte geschult sind, sind gewonnen für eine Politik der Ordnung; sie werden die Umsturzpolitik nicht mit- machen. Die Socialdemokraten haben au gegen das Gewerbegerichts- geseß gestimmt. Jh möchte deshalb die Conservativen bitten, sich auf sih selbst zu besinnen.

__ Abg. Freiherr von Minnigerode - Nossitten (cons.): Die 9Derren ollten sich doch unsern guten Gründen nit verschließen. Wir sind doh nicht wie ein eigensinniges Kind aufgetreten, welches plößlich niht mehr mitmachen will ! Wenn die Herren im Reichstag anderer Meiuung gewesen find, so muß ih doch bemerken, daß seitdem drei Jahre verflossen sind; es is seitdem manches geschehen und wir müssen uns daher unfere volleSelbständigkeit wahren. Wir haben das volleSelbstgefühl unserer Verantwortlichkeit und dana urtheilen wir. Herr von Stumm is heute ein Gegner der Berggewerbegerichte, weil er si überzeugt hat, daß die Sache doch bedenklih i. Der Staatsrath is angeführt worden. Es sind nur einzelne Ab- theilungen desfeiben einberufen worden, und diese Abthet- lungen sind noch besonders verstärkt worden. Aber die Berg- gewerbegerihte sind vor dem Staatsrath gar nicht verhañdelt worden, fondern nur allgemein der Arbeitershuß. So macht man aber Weltgeschichte! Die Ausschließung der Staatsbetriebe von dem Gewerbegerihtsgesetz is von der Negierung selbst begründet wörden mit der Disciplin, welche es nicht gestatte, daß Staatsbetriebe Neht nehmen vor Gerichten, die mit ihren Untergebenen beseßt sind. Daß man 1890 sehr reih an Humanitätsfanatismus gewesen ist, is eine Wahrheit ; das sehe ih besonders daran, daß dagegen heute so lebhafter Wider- spruch erhoben wird. Die Arbeitershußgesetzgebung is nur mit großer Mühe und unter großer Apathie des Reichstags durchgedrückt worden. Die Bedenken gingen eben dahin, daß auf diesem Gebiet nichts zu erreichen ist ohne internationale Vereinbarungen. Die Vertretung der Arbeiter sollte in dem Arbeiterauss{chuß gefunden werden: von den Gewerbegerihten is in den Kaiserlihen Erlasjen keine Rede, und troßdem immer wieder die Bevorzugung der Arbeitir zu einer Zeit, wo die Arbeitgeber hon mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten! Das war die Zeit, wo die Arbeiterdeputation hier erschien, die einen Empfang fand, der sih nachher als nicht berechtigt heraus\tellte. Das möchte ih nicht si wiederholen sehen! Aru.f diese Zeit wollte ih hin- weisen. Ein geseßliher Zwang liegt hier nicht vor, sondern nur die Möglichkeit, und wenn die Regierung bei Ablehnung der Position mit den communalen Gewerbegerichten vorgeht, so zwingt sie nicht das Gesetz dazu, sondern es liegt in ihrer eigenen Jnitiative. Wir hatten auf eine Mehrheit für unseren Antrag gehofft. Die Stellung- nahme der Nationalliberalen läßt uns daran zweifeln. Aber die National- liberalen werden erleben, wohin ihre Pvlitif führt.

Minister für Handel und Gewerbe Berlepsch:

Meine Herren! Eine Aeußerung des Herrn Abg. Freiherrn von Minnigerode zwingt mich zu einer kurzen Erklärung. Er hat gemeint, daß die Berufung auf die Verhandlungen des Staatsraths thatsäch- lih unzutreffend gewescn sei. Er hat daran weiter die Bemerkung, geknüpft, man ver wische das hier künstlih, daß der Staatsrath si nur auss{ließlich mit den Arbeiterausshüssen und niht mit dew Gewerbegerichten beschäftigt habe, und daß man so hier künstlich Geschichte mache, um für seine Meinung Stimmung zu machen.

Bei der sachlichen Art, mit der Herr Freiherr von Minnigerode hier die uns trennende Frage sonst behandelte, nehme ih an, daß er mir nicht den Vorwurf hat machen wollen, daß ih künstlih hier Geschihte machte, um meine Meinung dur{hzuseßen, oder daß ih künstlih Thatfachen verwisht habe es würde das ja ein \{chwerer Vorwurf sein. Jch nehme an, daß er das niht so gemeint hat.

Ich bin aber auch in der Lage zu beweisen, taß er si that- sählich im Irrthum befindet. Dem Staatsrath war allerdings nur die Frage der Arbeiteraus\hüsse vorgelegt; ih habe mir aber gestattet, bereits am vorigen Sonnabend den Beschluß des Staatsraths hier zu erwähnen; und da es anscheinend von Herrn von Minnigerode überhört ist, so muß ich nochmals auf die Sache zurückommen. Die Antwort des Staatsraths lautete: l

Es wird sih nah Verneinung der Frage Punkt 2 näâmlich nach Verneinung der Frage nah obligatorischer Einfüh- rung der Arbeiteraus\{üs}se empfehlen, aus den Mitgliedern insbesondere der für bestimmte Berufszweige eingerihteten Gewerbegerichte (hört! hört !) Delegirte derselben zur Begutachtung von den ganzen Berufszweig, interessirende Fragen zusammentreten zu lassen.

Aus der Antwort geht zweifellos hervor, daß der Staatsrath die Einrichtung von für bestimmte Berufszweige bestimmten Gewerbegerihten im Auge hatte, und das lag um so näher, weil der Geseßentwurf für Einführung der Gewerbegerichte damals bereits im Reichstag vorlag und dem Staatsrath bekannt war. Ih darf hiernach als thatsählich festgestellt ansehen, daß die Behauptung des Herrn von Minnigerode, daß der Staats- rath absolut sih nicht mit der Frage der Gewerbegerichte befaßt habe, unrichtig ist.

Dann gestatte ih mir noch einen ganz kurzen Hinweis auf die Behandlung der Reichsgeseße im Abgeordnetenhause, auch scitens der

Freiherr von

conservativen Partei, und die Consequenzen, die man bisher für nothwendig gehalten hat, bezüglih des Zusammenhangs von Reichs- geseßen und Landesgeseßen. |

Meine Herren, nahdem das Reichsgeseß, das sogenannte Arbeitershußzgesetz erlassen war, fam zunähst für das hohe Haus die Vermehrung der Fabrikinspectoren in un- mittelbarem Zufammenhange mit diesem Geseß in Frage. Diese Maßnahme fand den vollständigen Beifall der conservativen Partei, und, soviel ich mich erinnere, hat das ganze Abgeordnetenhaus ein- stimmig die sehr erbeblie Vermehrung der Fabrikinspectoren, wie sie von der Regierung vorgeschlagen war, gebilligt.

Weiter, meine Herren, als uns im vorigen Jahre die Novelle zum Berggeseß beschäftigte, die ganz zweifellos eine Con- sequenz des Arbeitershußgeseßes war, ist von den Gegnern dieses Ge- setzes, von Mitgliedern dieses Hauses, die als Gegner dieses Gesetzes zu bezeihnen waren, ausdrücklich ausgesprohen worden ich will nicht bestimmt behaupten, daß der Abg. Dr. Nitter zu denselben ge- hörte, ih glaube es aber —, ift bestimmt ausgesprochen worden : an sih halten wir dieses Gese allerdings nicht für nothwendig, in mancher Beziehung nicht für wünschenswerth; wir erkennen aber an, nachdem das Arbeitershußgeseß im Reich erlassen ift, daß es eine Pflicht des Abgeordnetenhauses ist, auf den Bergbau die Bestim- mungen dieses Gesetzes durh ein Sondergeseß auszudehnen. (Bravo! links und im Centrum.) i: :

Abg. Dr. Ritter (freicons.): Jch bedauere, daß der Abg. Hammacher meine Auffassung als vorurtheilsvoll bezeichnet hat. ; Ich fann mich ebenso wie der Abg. von Minnigerode nur auf die Motive der- Vorlage für den Reichstag beziehen. Daß Gemeindegewerbe- gerichte eingerichtet werden müssen, geht aus dem Geseß nicht „her- vor. Die Gemeinden können folhe Gerichte einrihten; wenn sie es ablehnen, kann die Staatsbehörde damit vorgehen, aber doch nur, wenn ein Bedürfniß vorhanden ist. Ein solches Bedürfniß ist nicht vorhanden, namentlich sind die Zeiten dafür nicht geeignet. Sonst hätte man ja die Gewerbegerichte obligatorisch machen fönnen. Im Staatsrath war man nicht der Meinung, daß überall Gewerbegerichte eingeführt werden sollen, ebenso wenig wie die Arbeiterausschüsse überall zweckmäßig sind. Herr von Stumm hat gegen das Gewerbe- gerichtögeseß gestimmt, weil die von ihm_ verlangte Berufung ab- gelehnt war. Bezüglich des Saarbrücker Strikes habe ih die Auf- fassung, wenn man den Agitatoren des Rechtsshußzvereins {hon im Dezember statt im Fehruar die Abkehrscheine ertheilt hätte, so würde der Strike niht die große Ausdehnung genommen haben. Meine Fraction wird gegen die Einführung der Berggewerbe- gerichte stimmen. Wir conservativen Elemente haben hier ein- mal den Muth, zu zeigen, daß wir eine andere Auffassung haben als die Negterung. Durch die Organisation der Arbeiter sind die Ausftände entstanden. Diese Leute, welche die größten Vater- landsfeinde sind, zu Richtern zu machen, fürhte ih mich. Die rheinischen Gewerbegerihte haben einen ganz anderen Charakter gehabt als die neuen Gewerbegerihte. Jedenfalls bestand damals die Be- rufung. Ich glaube nicht, daß der Rechtsfinn und die Gesinnung durch die Gewerbegerichte gefördert werden. Ich will wünschen, daß cine Beruhigung eingetreten it, daß niht, wie mir aus Saarbrücken mitgetheilt wird, wieder eine neue Gährung besteht. Die Agitatoren wollen Arbeit haben und werden, wenn die Gewerbegerihte auch eingerichtet sind, doch agitiren, denn sie wollen leben. Und folche agitatorischen Elemente werden in erster Linie in die Gewerbegerichte gewählt werden.

Minister für Handel Berleps\ch:

Der Herr Abg. Dr. Nitter kat meine Behauptung, daß es nicht rihtig sei, einen Unterschied zwischen den fiscalischen und Privat- arbeitern im Saargebiet aufrecht zu erhalten, damit zu widerlegen ge- sucht, daß er meinte, es seien nicht bloß die Hüttenarbeiter dem Strike fern geblieben, sondern auch die Kohlenbergleute der Privatgruben. Die Thatsache ist richtig; aber wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß die Kohlenarbeiter der Privatgruben, soweit mir augenblick- liz im Gedächtniß. is, nur etwa tausend betragen, daß das kleine Betriebe sind, deren Arbeiter sehr viel leichter überschen werden können als bei den gewaltigen fiscalishen Gruben, so ergiebt sih daraus {hon ein Unterschied. Ih weiß nicht, ob die dortigen Privatgrubenbesißer dazu übergegangen sind, ihren Arbeitern anzudrohen, sie zu entlassen, falls sie striken sollten; wenn sie es ge- than hätten, so wäre die Ausführung der Drohung schr leicht gewesen, während sie der fiscalishen Verwaltung kaum möglih war. Sie wären sicher gewefen, diese kleine Zahl von Arbeitern jederzeit aus der großen Zahl strikender fiécalisher Arbeiter erseßen zu * können, Nebenbei muß ih do darauf hinweisen, daß auch nit alle fiscali- hen Bergleute gestrikt haben. Drei Gruben: Geislautern, Dills- burg und Wellesweiler, haben sich mit ihrer ganzen Belegschaft vom Strike ferngehalten.

Dann hat der Herr Abg. Nitter sih auf Seite derjenigen ge- stellt, die das Verfahren der Bergwerks-Direction in Saarbrücken ge- tadelt haben. Er hat namentlich darauf hingewiesen, daß es nah seiner Meinung richtiger gewesen wäre, die Entlassung der Agitatoren zu cinem früheren Termin vorzunehmen, als es thatsächlich geschah. Zu welchem Termin diese Maßnahme richtig war, das kann doch roirklich meiner Ueberzeugung nah nur derjenige beurtheilen, der mitten in den dortigen Verhältnissen steht. Zu einem solchen Schritt überzugehen, war die Bergwerks:Direction von Anfang an entschlossen. Sie hat bereits am Tage des Strikeausbruhs eine Conferenz mit ihren Directoren ab- gehalten, und auf dieser Conferenz i} bes{chlossen worden, die Agitatoren abzulegen, und zwar dauernd, und diejenigen Bergleute, die sich, wenn auch nicht in demselben Maße, als gefährlich für den Frieden zeigten. Die Liste dieser Personen wurde aufgestellt, und die Direction behielt sih vor, den Termin zu bestimmen, an dem die Entlassung vor- genommen werden follte. Sie war der Meinung, daß es nicht ge» rathen sei, in der allerhigigsten Zeit, in der Zeit der allergrößten Er- regung und Leidenschaften mit einer solchen Maßregel zu tfommen, da sie mit ziemliher Sicherheit voraussehen konnte, daß der Strike sich dadurh verstärken und verlängern würde. Von Tag zu Tag nahm die Zahl der Strikenden infolge der ruhigen, besonnenen Haltung der Bergwerks-Direction ab. Nachdem der Culminationspunkt überschritten war und die Bergleute den Rückzug antraten, da trat sie mit ihren Maßnahmen hervor, und erst da Ttonnten ihre Maßnahmen die volle Wirkung äußern, die von der Bergwerks- Direction beabsichtigt war.

Man kann ja darüber verschiedener Meinung sein, und man kann namentlih dann anderer Meinung sein wie die Bergwerks-Direction, wenn man nicht aus der genauen Kenntniß der örtlichen Verhältnisse heraus urtheilt, Ich glaube nicht, daß die Vorwürfe, die au heute wieder gegen die Bergwerks-Direction geäußert worden sind, gerecht- fertigt sind. Die Beamten und namentlih der Leiter der dortigen Direction haben meines Erachtens ihre Pflicht nit nur in energischer,

und Gewerbe Freiherr von

sondern auch in durchaus ges{hickter Weise erfüllt. Ich kann nur |

meine Befriedigung darüber aussprechen, daß ich mich in meinen Er- wartungen bezüglich der Beamten der fiêcalishen Gruben und des Leiters der Direction niht getäuscht habe.

Abg. Dr. Meyer (dfr.): Die ganze Discussion, ob Gewerbe- erihte eingerihtet werden follen oder niht, gehört eigentlich in den Reichôtag. Heilfam haben die Gewerbegerichte gewirkt , das kann ih aus Breslau aus eigener Erfahrung mittheilen. Die ursprüngliche Rechtsorganisation waren die Standesgerichte, niht dke gelehrten Ge- richte. Vollständig freie Hand haben wir bezüglih der Gewerbe- gerichte niht. Es soll do darüber niht nah Willkür und Laune ent- schieden werden; sondern wo das nöthige Material dafür si findet, sollen Gewerbegerichte eingeführt werden, und die Regierungen haben die Mittel in der Hand, die Gemeinden dazu zu zwingen. Man führt die aufgeregte Zeit an. Was kann aber die Aufregung mehr shüren, als wenn man dem Stande der Bergarbeiter eine gemeinnützige Ein- rihtung vorenthält, die man allen anderen Arbeitern gegeben zat ! Das würde nur zu einer Steigerung der Aufregung führen. Der Wahlact für das Gewerbegeriht in Berlin hat fich mit so großer Ruhe vollzogen, daß ih mir nicht denken kann, daß durch die Gewerbegerihte eine Aufregung bewirkt wird. Gegen die Begehrlichkeit nicht bloß der Arbeiter, \ondern auch der Agrarier werden wir immer eintreten; aber der Wunsch der Arbeiter nach Gewerbegerihten is ein idealer, da kann von Begehrlichkeit keine Rede sein. Die Specialitäten der Vor- lage haben manche Meinungsverschiedenheiten mit sih gebracht ; aber niemand im Reichstage wird bereit sein, auch nur einen Schritt zurück- zuthun, Wenn die Regierung gehindert wird, Bergwerksgerichte ein- zurichten, so wird sie einen anderen Weg einshlagen müssen. Wenn sie das nicht thâte, würde sie einen Rückschritt machen, vor dem wir uns zu hüten haben. |

Abg. Dr. Kropatscheck (cons.): Die deutsh-conservative Partei des Meichstags hat dem Gewerbegerichtsgeseß zugestimmt, weil es auf der Linie der Socialpolitik lag, welche die Partei immer vertreten hat, ohne sich durch die n aunit der Zeiten einshüchtern zu lassen. Auch der Widerspru des früheren Leiters der Neichspolitik, des Fürsten Bismark, hat daran nichts ändern können. Die Gewerbe- gerichte sind durchaus nicht die Maßregeln des neuen Curses; denn der Reichstag hatte sih s{chon in den fiebziger Jahren, zuleßt 1878, mit derartigen Vorlagen befaßt. Die Vorlage über die Gewerbe- gerichte ist unter dem Fürsten Bismarck ausgearbeitet worden. Also das trifft niht zu, daß man es hier mit einem Ueberfluß von Arbeiterfreundlihkeit zu thun habe, die erst 1890 hervorgetreten ist. Es handelt sih dabei auch garniht um große socialpolitishe Ge- danken, fondern, nur darum, eine {nelle und billige Rechtspflege in diesen Streitigkeiten der Arbeiter zu schaffen. Wenn die Berggewerbe- gerichte nit eingerihtet werden, dann wird man nachher der Regierung bei etnem Ausstand vielleiht den Vorwurf machen, daß sie nicht die Möglichkeit geschaffen habe, daß Arbeiter und Arbeitgeber sich unter- einander beritänDlgtn können. Den Socialdemokraten zu Liebe oder zu Leide macht man überhaupt keine Geseße; was sie darüber denken und urtheilen, is vollständig gleihgültig. Wir haben nur unseren conservativen Wünschen entsprehend die Geseßze gemacht. Die Kritik des Abg. von Minnigerode über die Arbeitergeseßgebung muß i durchaus ablehnen. Herr von Kleist-Reßow und der Abg. Stöcker sind unsere Führer auf diesem Gebiete gewesen. Wir haben es dem Fürsten Bismarck gegenüber immer betont, daß außer der Versicherung noch eine positive Arbeitershußgeseßgebung nothwendig sei.

Abg. von Cuny (nl.): Der Abg. von Minnigerode hat uns gewarnt, mit Concessionen noh weiter zu gehen. Darum handelt es nh nicht, fondern nur um die Ausführung eines bestehenden Ge- a, die wir nicht umgehen können. Nah dem Geseß hat die Negierung die Wahl, Berggewerbegerihte zu errihten, wo das Be- dürfniß vorhanden ist. Der Abg. von Minnigerode will der Regierung dieses Recht nehmen, Dazu find wir garnicht berechtigt. Wir werden also für die Bewilligung stimmen. i

Damit s\ch{ließt die Discussion. Jn namentlicher Ab- stimmung werden die Ausgaben für die Schiedsgerichte mit 165 gegen 96 Stimmen angenommen.

Dia Titel: Beamte richtet

Abg. Dr. Graf- Elberfeld (nl.) an den Minister die Bitte, auch für die Bergwerksbeamten bezüglich des Dienstalters dieselben Grund- säße in Anrechnung der einjährigen Dienstzeit und der Reserveübungen eintreten zu lassen, die für die Beamten der Justiz und der übrigen Verwaltungszweige in Geltung sind.

Minister für Handel und Berlepsch:

Meine Herren! Die Beamten der Bergverwaltung haben jeßt, wie wir gehört haben, den großen Vortheil gegen früher, daß ihnen das Einjährig-Freiwilligen-Jahr in Anrehnung gebraht wird, was bis vor furzem nicht der Fall war. Ich erkenne an, daß Ver- \ciedenheiten heute noch vorliegen zwischen diesen Beamten und den Beamten der allgemeinen Verwaltung und der Justizverwaltung, weil es den beiden leßteren Behörden möglich ist, durch lange Urlaubs- gewährung den Mißstand zu beseitigen, der darin liegt, daß die Uebungen nicht angerechnet werden.

Für die Bergverwaltung entsteht dic Frage, ob thr ein gleiches Verfahren nicht auch möglich i. Bisher hat dem Umstand an sich schon kaum hinreichende Dauer der Vorbereitungszeit entgegengestanden. Wir sind augenblicklich in der Erwägung der Frage einer Neform des Borbereitungsdienstes. Erst im Zusammenhang mit der Lösung dieser Frage wird es mögli sein, zu entscheiden, ob wir, wie ih sehr wünschte, unseren jungen Beamten in derselben Weise wie in der Justiz den Vortheil zuwenden können, daß auch ihnen die Uebungen nah Absolvirung des Einjährig-Freiwilligen-Jahres angerechnet werden können, wenn sie zur Anstellung gelangen.

Zu dem Titel Betriebslöhne 2c. Bei

Abg. Fuchs (Centr.) an den Minister die Bitte, eine Umge- staltung der Bergausschüsse dahin zu bewirken, daß sie besser Streitig- keiten zwishen Arbeitgebern und Arbeitern {lichten können, und mög- lihste Milde bei Sit abgelegter Arbeiter walten zu lassen.

Bei dem Titel für Neuherstellung von Betriebs -

Gewerbe Freiherr von

anlagen werden die Summen als wei Ziegeleianlagen auf

den Victoriashächten der Grube Gerhard im Saarbrücker Revier und in Bielshowiß bei Zabrze auf Antrag der Com- mission abgesetzt. / ;

Unter den einmaligen Ausgaben befinden sih 700 000 M4 als zweiter Theilbetrag zur Herstellung einer Wasserleitung für den westlihen Theil des oberschlesishen Jn- dustriegebiets.

Der Berichterstatter Abg. Vopelius (freicons.) theilt mit, daß die Con obgleich noch kein definitiver Plan vorliege, woher man das Wasser beziehen wolle, dennoh den Nothstand an- n un He F ec ten vie hat. galidhfte Bescblouni h

LETO Ma entr. tittet um m l e De eunigung der Bobirätbétibit für die Wasserleitung. s

Ee für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Ich möchte mir nur eine kurze Antwort auf die Bemerkungen des Herrn Vorredners gestatten, der die Frage an mich gerichtet hat, ob das Bohrloch im Glükhilfshaht aufgegeben wäre oder fortgetrieben würde. Die Verwaltung hat sich Mühe gegeben, das Bohrloh so shleunig als mögli herunterzubringen, um Klarheit zu \{affen, ob die Wasserversorgung für den obershlesischen Industricebezirk von dort aus stattfinden kann. Es hat sih herausgestellt, daß die Schwierig- keiten größer waren, als wir angenommen hatten, und daß deshalb

die Bohrarbeiten nicht so s{hnell vorwärts gingen, wie wir erhofften. Es trat auch ein Bruch im Gestänge ein, der erst in der allerleßzten Zeit gehoben ist. Jeßt werden die Arbeiten wieder mit Eifer fort- geseßt, und wir hoffen mit dem Erfolge, daß sich hinreihendes Wasser findet. Mit Sicherheit das zu behaupten, bin ich allerdings jeßt nicht in der Lage.

Abg. Rintelen (Centr.) fragt an, ob die Regierung anerkenne, daß sie für die Entziehung irgendwelher Rechte eine Entschädigung zu zahlen habe.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps\ch:

ZU meinem lebhaften Bedauern bin ich nicht in der Lage ge- wesen, dem Vortrage des Herrn Vorredners und seinen Ausführungen zu folgen, weil die Richtung seiner Stimme nach der andern Seite ging, als wo ih mich befinde; deutlih habe ih nur die Worte ver- standen, die er zu mir gewendet gesprochen hat: ih möchte eine Er- klärung dahin geben: daß die Staatsregierung geneigt sei, eine billige Entschädigung für die verleßten Privatinteressen zu gewähren. Diese Frage, die der Herr Vorredner behandelt hat,“ ist dem hohen Hause nicht neu ; sie hat im vorigen Jahre hier wie im preußischen Herren- hause die eingehendste Behandlung erfahren. Die Budgetcommission hat durch den Mund ihres Referenten hier im Hause die Erflärung abgegeben, daß die rechtliche Seite dieser Frage nah allen Seiten hin von ihr auf das gründlichste erwogen worden sei, daß sie aber zu dem Resultat gekommen sei, daß eine Entschädigungspflicht feinesfalls für den Fiêscus, aber auch nicht für die übrigen Interessenten vorliege. Im Plenum hat die Nechtsfrage, \foviel ih mi erinnere, eine weitere eingehende Behandlung niht mehr erfahren. Im Herrenhause fam sie auf den Antrag des Herrn Grafen von Frankenberg auf das aller- nachdrüklichste zur Verhandlung; er stellte den Antrag :

Nach Annahme des Gesetzentwurfs, betreffend die Wasser- versorgung des oberschlesishen Industriebezirks, die Erwartung auê- zusprechen, daß die Quelle bei Zawada

das ist das Bohrloch oder die Quelle, die heute in Aussicht ge- nommen ist als Stätte, aus der das Wasser für die Versorgung in Oberschlesien genommen werden fol] nur nah erfolgter oder wenigstens vorläufig festgestellter Ent- schädigung der verleßten Privatrechte zur Wasserverforgung heran- gezogen wird. Die Staatsregierung hat sich bei den Verhandlungen im Herrenhause auf den Standpunkt gestellt, daß eine Entschädigungsverpflichtung nach der bisherigen Praxis der Verwaltung und der bisher vorliegenden Necht- \sprehung für sie in keinem Falle anzuerkennen sei. Es wurde darauf ein Vermittelungsantrag gestellt, in dem Herr Graf ven Franfenberg mit Herrn von Durand sich vereinigte. Es heißt da:

Das Herrenhaus wolle beschließen, na Annaßbme des Geset- entwurfs , betreffend die Wasserversorgung des obers{lesischen Industriebezirks, die Erwartung auszusprehen, daß die Königliche Staatsregierung die nachgewiesene Verpflihtung zur Schadlos- haltung für thatsählich entstandene Beschädigungen und Verleßungen von Privatrehten, welhe durch die zum Schuß der Quelle bei Zawada nothwendigen Maßregeln, erwasen, übernimmt.

Dieser Antrag lautet {on wesentlich anders wie der zuerst g stellte. Er sagt: die Staatsregierung solle die nachgewies« Verpflichtung übernehmen. Ja, meine Herren, das ift weniger selbstverständlih. Wenn die Verpflichtung ves S gewiesen wird, wird er sih niht weigern können, sie zu übernehmen. Die Annahme dieses Antrags wäre verhältnißmäßig ziemli unbederklit gewesen für den Standpunkt der Staatsregierung. Trotzdem hat dasHerren- haus auch diesen Antrag abgelehnt und si dadur indirect völlig auf Standpunkt der Staatsregierung gestellt, daß ein Entf anspruh nicht anzuerkennen sei. Jch selbst babe mir erlaubt, u folgende Erklärung abzugeben. Die Frage des Schutzbe Quelle von Zawada datirt seit dem Iahre 1880, W ganzen bis heute verlaufenen Zeit ist daran festgehalten w nah der Praxis der Verwaltung sowobl wie nah der Nechtsprehung der Fiscus nicht die Befugniß habe, seinen Mitteln eine Entschädigung für die Entziehung der Bergfreiheit zu geben. Er muß auf diesem Standpunkt so lange stehen bleiben, bis nahgewiesen ist, daß entweder die thatsählihen Verbältniffe & verändert haben oder die Nehtsprehung eine andere geworden ift, bei diesem Stnndpunkt muß die Verwaltung au heute pflihtgemäß stehen bleiben. Insofern die Interessenten die Frage der Entichätigung auf den Rechtsweg bringen und dort obsiegen, liegt die Sache völlig klar; dann würde der Fiscus ohne Zögern zahlen.

Ich würde mih einer Versäumniß meiner amtlihen Pfliéht s{huldig machen, wenn ih jeßt gegen eine dreizehniährige Praxis, gegen eine constante Praxis der Gerichte anerkennen wollte, daf der Fiscus verpflichtet sei, eine Entschädigung zu zahlen. Können wir aus dieser unerquicklichen Situation herauskommen dur einé Einigung über den Verkauf der in Frage stehenden Grubenfelder, so würde mir das schr willkommen sein, Jeßt haben wir die Aufgabe, zunächst festzustellen, ob es mögli ist, den Wafserbezug aus cinem anderen Ort als aus der Zawadaer Quelle zu nehmen. Sobald cs uns gelingt, klar darüber zu werden, daß nah jeder Nichtung auéreichende Wafserzuflüsse an anderen Stellen vorhanden sind, so wird die Bergverwaltung nit zögern, die Sperre aufzuheben.

Nur eine thatsählihe Ausführung des Herrn Vorredners möSte ih mir noch erlauben richtig zu ftellen. Er hat, wenn ih nit irre, angeführt, daß der Wassermangel im oberschlesishen JIndustrirbezir? wesentlich durch die fiscalishen Betriebe verursaht fei, und daß das Wasser, was man aus dem Zawadaer BohrloWh nehmen würde, wesentlich zum Betrieb der fiscalischen Kefselanlagen dienen würde. Daß das Wasser auch dazu dienen wird, ift allerdings rithtig. Es ist au richtig, daß eine fiscalische Grube die Königin Luisen- grube allein steht in Frage, da die Königsgrube ihren Wasserbedarf von anderer Seite her gedeck hat einen Theil der hier in Frage stehenden Ortschaften das Wasser entzogen hat, und daß fie ver- pflichtet ist, diesen Ortschaften Wasser wiederzushaffen. Die Ort- schaften aber, die von der Königin Luisengrube berührt find, find bei weitem. der kleinere Theil des ganzen hier in Frage stehendon Bezirks. Die fiscalishe Verwaltung wäre in der Lage, wonn es G um die Wasserverforgung nur für diese Orte handelt, denen sie das Wasser entzieht, den nöthigen Bedarf aus der vorhandenen, ihr gebörigen Wasserleitung, die vom Wolfshacht bei Tarnowit herführt und ver- stärkt werden könnte, zu entnehmen. Sic würde niht nöthig haben, die Zawadaer Quelle in Anspruch zu nehmen. Gerade fo liegt 6 mit der Wasserversorgung für die Kesselspeisung auf Königin Luisen-

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