1893 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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würde von den Erfahrungen des Schiffes „Brandenburg“, wels im Sommer in Versu genommen werden wird. Aus diesem Grunde hat au die Marinevcrwaltung mit vollem Ret diefen Ersay hier einstellen dürfen. - Das wäre der zweite Fall,

Nun kâme der dritte: Sie könnten ja sagen: ah, lassen wir das mit tem Neubau, bewilligen wir licber Gelder für die Grundreparatur dieser Schiffe! Ja, eine Grundreparatur folcher Schiffe würde, wenn fie einigermaßen modernisirt werden könuten, wenigstens 4 bis 5 Millionen Mark in Anspruch nehmen, lediglich für Maschinen und Schiffe. Man ift \sich nun im allgemeinen in der Welt in allen großen Ma- rinen darüber einig, daß man verschwenderisch mit dem Gelde ift, wenn man allzu hohe Summen auf alte Schiffe verwendet, Auch diesen Ausweg würde ih Ihnen unter keinen Umständen rathen FXöônnen zu betreten.

Summa Summarum : Alles weist darauf hin, daß diese Forde- rung „Ersaß Preußen“. zu bewilligen is, wenn wir nicht in Schaden gerathen sollen.

Nun kommen die beiden nächsten Schiffe, die Panzerfahrzeuge „W“ und „X“. In der That, meine Herren, cs sind noch 5 dieser Art im Bau, und, wie der Herr Abg. Hahn gesagt hat, es wären eigentlih diefe Schiffe niht ret beliebt; nan wäre sich nit ganz Har darüber, ob man das Richtige getroffen hätte. Das ist natürlich Ansichtésache. Ich kann nur sagen: in den Kreisen der Marine sind die Schiffe außerordentli beliebt, die Schiffe haben sih durch ihre wirkli vorzüglichen Eigenschaften, was man so sagt, cinges{chmeicelt, und während man anfänglich manches an ihnen auszuseßen hatte, wie an jedem neuen Werk, hat man sich jeßt vollkommen ausgesöhnt, und man sagt: es sind in der That für unsere Bedürfnisse treffliche Schiffe. Also die Marineverwaltung hat keine Veranlassung, mit dem Vorschlag zurückzuhalten. Der Vorschlag wird auh dadur noch begründet: seinerzeit in der Denkschrift vom Jahre 1886/1887 ist die Nothwendigkeit des Vorhandenseins diefer Schiffe dargelegt worden.

Nun kommt die Kreuzer-Corvette „K“, ein Schiff, welches ih ja eine große Berühmtheit erworben hat durch die Schicksale, die ihm im vorigen Jahre zu theil wurden. Es spielt seit langen Jahren eine Rolle in den Marine-Etats, cs ist cinmal bewilligt worden, es ist wieder zurückgezogen worden, es hat dann ein großer Streit stattgehabt um das Schiff, es war nahe daran, wieder bewilligt zu werden; es ift ¡êblings wieder abgefallcen. Jh würde Ihre Zeit ganz unberechtigt in Anspruch nehmen, wenn ih noch einmal auf die Bedeutung dieses Schiffes zurückkommen wollte. Ich habe versucht, im vorigen Jahre und in der Commission wiederholt die Nothwendigkeit zu betonen, daß der Marine dieses Schiff zuwächst.

Der Herr Referent hat gütigst diejenigen Kreuzer hier genannt, welche der Marineverwaltung zur Verfügung stechen; ih habe aber cines dabei zu betonen : es sind darunter fünf Schiffe gewesen, die für den Kricgsbedarf niht mehr mitzählen, die lediglich für Schulzwecke benußt werden, das find die Kreuzer-Fregatten, die Schiffe „Stosch“, „Gneisenau“, „Moltke“, „Stein“, sie werden benußt zur Ausbildung der Cadctten und Schiffsjungen. Die cine Fregatte „Charlotte“ wird benutzt als Neferve für diese Schiffe. Wir haben also nur noch ein Schiff „Leipzig“, welches augenblicklih als Admirals\{chifff in auêwär- tigen Gewässern liegt. Dieses Schiff lcidet leider auch an großer Alters\hwäche, und ih bin nicht ganz sicher, daß wir cs nicht in der allernâdhsten Zeit zurückzichen müssen, weil es niht mehr wird fahren Tönnen. «Wir sind dann in der Lage, daß wir als Ersatz für dieses Schiff nichts mehr hinausschicken können.

Ulfo, ohne mich des weiteren hier noch cinmal über: die Gründe auszulassen, die die Marineverwaltung veranlaßt haben, dicses Schiff cinzustcllen, kann ih nur betonen, cs thut dringend noth. Die Noth- wendigkeit war bereits vor vier Jahren anerkannt.

&s fommen nun die Kreuzer-Avifos. Die Commission des hohen Hauses hat Ihnen vorgeschlagen, eincn Kreuzer und einen Aviso zu bewilligen cs waren deren von jeder Sorte zwei gefordert. Die Noth an Kreuzern ist hier drastisch geschildert; auch die Avisos brauchen wir nothwendig. Alle Nationen haben auf Grund ihrer kricgsmäßigen Manöver mit der Flotte crkanut, daß cine Flotte dieser Avisos noth- gedrungen bedarf; fie werden benußt zum Aufklärungsdicnst, und dieser Aufklärungödienst ist unerläßlich, wenn die Flotte mit einiger Sicher- beit ihren Marsch innehalten soll.

Es kommt dann das Torpedo: Divisionéboot, was allgemeinen Bei- fall gefunden hat, und die Torpedoboote, die auch glücklicherweise den Beifall der hohen Commission gefunden haben.

Vom Standpunkt der Marineverwaltung aus kann ih hier nur den Antrag stellen und das hohe Haus bitten, vor allem in der Be- willigung dieser Schiffe reichlicher zu scin, als Ihre Commission ge- wesen ift.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Meine Herren! Ich bitte um die Erlaubniß, Ihre Aufmerksam- leit auf cinige Augenblicke in Anspruch nehmen zu dürfen, um auch mcincrscits von dem Standpunkte aus, den ih jeßt einnehme, wenigstens für den Antrag Hahn einzutreten. Ich glaube, denjenigen Herren, die meine Amtsführung als Chef der Admiralität von dem Standpunkt dieses Hauscs zu sehen und zu beurtheilen in der Lage gewesen sind, niht als Marincenthusiast verdächtig zu sein. Ich habe immerauf dem Standpunkt gestanden: Die Marine muß in engen Grenzen gehalten werden, fo eng, als unsere Verhältnisse es zulassen. Sie wird, wenn cs sih darum handelt, ob der Armee oder der Marine zugelegt werden foll, meist den Kürzeren ziehen; aber ich habe auf der anderen Seite keinen Augenblick verkannt und verkenne auch heute nicht, was dic Kriegführung zur Sce Deutschland im entscheidenden Augenblick werth sein kann. Ich habe in den verschiedenen Denkschriften, die ih und mein Amtsvorgänger, der General von Stosch, Ihnen vorgelegt haben, immer festgehalten und, foviel ih weiß, ift das heute noch der Standpunkt der Marineverwaltung, daß wir unsere Marine auf die Defensive, auf die Vertheidigung organisiren müssen. Defensive und Offensive sind Worte, die, wie die Erfahrung bei der Militärvorlage gezeigt hat, vielfah mißverstanden und im falschen Sinne gedeutet werden, weil fie, je nah dem Standpunkt, von dem aus fic gebraucht werden: politisch, strategish oder taktish, einen schr verschiedenen Sinn haben können. Ein Schiff kann ih nicht taktis defensiv schlagen, sondern nur offensiv; aber eine Flotte fann si strategifh defensiv shlagen, indem sie nicht den Feind în feinen Ee- wässern aufsucht, sondern indem sie in den heimischen Gewässern bleibt und das heimathlihe Land zu {hüten suht. Das ist, glaube ih, die Aufgabe unserer Flotte.

Wenn wir aber im Schiffsersaßbau, im Ersaß für Schiffe, deren Hinfälligkeit und Abbängigkcit mit absoluter Sicherheit in wenigen

Jahren vorber zu schen ist, zu sparsam wcrèdcn,. so wird cs mir zweifelkaft, ob die Marine tieser Aufgabe, unsere Küste zu s{üycn, noch gewachsen sein wird. Man hat ja davon gesprochen, daß die Küste zu Lande geshüßt werden könne. Man muß sich erst darüber cinigen : was heißt das, die Küste hüten ? Zweifellos kann man fie vom Lande aus schüßen ; man kann hindern, daß die Feinde landen, oder, wenn sie gelandet sind, kann man sie {lagen und ins Wasser werfen, vorausgesctt, daß man über cine hinreichende Zahl von Landtruppen verfügt. Es giebt Lagen, wo man dem Feinde gern cine Prämie gäbe, wenn er bei uns landete; denn eine folhe Landung ist ein sehr precärcs Unternchmen und fett cinen so verzweifelten Entshluß voraus, daß ih nit glaube, daß fich jemand leiht zu ciner Landung im großen Stile entschließen wird. Er kann unsere Küste benagen, er kann Städte brandschagen, bombardiren; aber größere Truppenkörper landen und damit cinen entscheidenden Einfluß auf den Ausgang des Kriegs übcn, wird schr {chwcr halten und würde Deutschland gegenüber nur dann möglich fcin, wenn wir am Lande so ecrheblih geschlagen wären, daß der Feind cinen Ucberschuß an Kräften hat, oder weun er von Haus aus so viel stärker in sciner Organisation wäre, daß ihm am ersten Mobilmachungstage cin Uebershuß zu Gebote steht, den er dann, wie es anfänglih 1870 in Frankrei geplant war, an eine unserer Küsten werfen kann. Also wir können unsere Küste zu Lande \{ütßen, und wir würden von diesem Standpunkte aus, wenn unser Landheer stark genug ift, nihts von der Marine zu erwarten brauchen. Aber das ist nicht alles, was man im gewöhnlichen Leben unter „Schutz der Küste“ versteht. Man versteht darunter auch den Schuß unserer Handels- städte und unseres Handels, und das is} keine gleihzültige Frage. (Sehr wahr! rechts.) Um diefen Handel {hüten zu können, müssen wir cine ‘feindlihe Blockade von uns fernhalten.

Es liegt dem hohen Hause wieder cin Antrag vor, der darauf zielt, dur internationale Vercinbarungen das Privateigenthum auf ce ¿zu s{üßcn. Ich stehe diesem Antrag noch heute genau fo gegen- über wie im vorigen Jahre. Ich glaube nit, daß er ausführbar ist, weil ih der Ueberzeugung bin, daß derjenige, dem im Kriege die Verletzung feindlihen Eigenthums vortheilhaft ist, wenn er starl genug ist, sh keinen Augenblick geniren wird, dazu zu s{rciten. Wic können wir nun aber unsere Küste vor Blockade hüten? Wie können wir cs machen, daß unser Handel, wenigstens bis zu cinem gewissen Grade, während des Krieges weitergeht? Das is an den Küsten felbst im wesentlichen nur zu machen dur gepanzerte Schiffe und Fahrzeuge und Torpedoboote, auf hoher Sce dur “Kreuzer. Man kann niht mchr wie in alten Zeiten ganze Flotten, die mit Getreide kommen, durch Schiffe convoyiren und escortiren, sondern man muß durch eigene Kreuzer die des Feindes auffuchen und sie zu vernichten suchen, um dann den eigenen Schiffen den freien Weg über den Deétan zu bereiten: Wir nd für den Kticas- fall in dieser Bezichung, namentlich wenn wir an cinen Krieg gegen Westen denken, in einer \{chwierigen Lage. Was bei uns cingeführt werden foll und über den Atlantischen Ocean kommt, muß entweder den Kanal passiren oder nördlich um England herumgehen. Einer an Kreuzern überlegenen feindlichen Flotte würde cs nicht {wer sein, unseren Schiffen ten Kanal zu sperren. Es würde ihr wahrscheinlih auch nicht s{chwer sein, den Weg über dem Nordende von Schottland so zu beobachten, daß die Passage für unsere Schiffe eine s{wierige wird. Wir werden also immer darauf angewiesen bleiben , zunähst unsere Küsten durch Panzer und dur Torpedoboote schüßen zu müssen, um den Schiffen, die nun dur den Kanal oder um das Nordende von England gekommen find, wenn sie sich unsern Küsten nähern, den Eingang in unsere Häfen offen zu halten. Wir brauchen also die Panzer nicht, um auf Abenteuer auszugehen, fondern um unfere Existenz während cines Landkrieges zu sichern ; denn, wenn wir während cines Krieges auf einen Import uiht mehr rechnen fönnen, kann unsere Existenz {wer bedroht sein. Ich halte cs nicht für wahrscheinlih, daß unter cinigermaßen normalen Verhältnissen und bei unserer heutigen Bevölkerungszahl wir im Kriege absolut auf den Import fremden Getreides angewiesen wären. Wir können uns be- shränken. Wir können, statt Kartoffeln zu brennen, Kartoffeln essen, wir würden das eine und das andere Mittel finden können, au wenn der Krieg lange dauert. Wir würden statt Nüben Getreide bauen können, und fo glaube ih, daß, wenn der Himmel nicht allzu ungünstig wäre, wir uns entweder allein, oder wenigstens im Verein mit unseren österreihishen Berbündeten würden helfen können. Aber man bat fein Recht, mit so günstigen Umständen zu rechneun. Wir können auch s{lecht ernten, und diese ganze Rechnung würde fehlerhaft werden mit dem Augenblick, wo der Kricgsschauplag auf deutschen Boden vérlegt werden würde; denn dann würde das deutshe Korn nicht mehr für Deutsche reifen, fondern für die feindlihe Armce. Wir würden unsere eigenen Krieger niht mehr von fremdem Korn nähren könncn, fondern von dem Korn, das auf dem Reste deutshen Bodens, der uns ver- blieben ift, wahsen möchte. Wir werden also gut thun, unsere Auf- merksamkeit auf die Nothwendigkeit zu richten, in die wir versetzt werden können, unsere Häfen, entweder ganz oder wenigstens den einen oder anderen blockadefrei zu halten, um den Import zu ermöglichen nit allein aber den Import von Getreide, was allerdings unter Umständen ja das wesentlichste ist und für den Ausgang des Krieges bedingend und entscheidend werden kann, sondern auh den Import von anderen Waaren. Wir brauchen Nobstoffe, um unsere Fabriken im Stand zu halten, wir brauchen Colonial- waaren, wir sind verwöhnter wie unsere Väter und Großväter, die zur Zeit der Continentalsperre mit Eichelkaffee sich begnügten, wir würden eine Menge Dinge {wer entbehren; nicht bloß, weil uns jene Artikel fehlen würden, sondern weil Handel und Wandel dadurch aufs tiefste geschädigt würden. Jh kann meine Neberzeugung nur dahin aussprechen, daß, um während eines Krieges das Landheer leistungsfähig, die Steuerzahler, die überhaupt noch Steuern zahlen, steuerfähig zu erhalten, wir danach streben müssen, die Blockade von unseren Küsten fernzuhalten. Und um das zu können, können wir der Panzerschiffe, der Kreuzer und Torpedoboote nit entbehren. (Leb- haftes Bravo! rets.)

Abg. von Henk (dconf.) verzichtet nah diesen Ausführungen aufs Wort.

Abg. Jebsen (nl.): Jch schließe mich dem Votum der Com- mission bezüglih der Kreuzer-Corvette „K“ deshalb an, weil wir in diesem Jahre \{chon Gelegenheit haben werden, die Bewährung der Kreuzer-Corvette „J“ zu erproben. Fällt die Probe gut aus, fo wird jedenfalls im nächsten Jahre meine Fraction für dic Kreuzer-Corvette „K* stimmen,

In der Abstimmung: wird die Forderung für das Panzer-

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Auch im übrigen werden dic Commissionsanträge as genommen.

Abgescht werden ferner in Conscquenz dieser Streichungen 270 000 6, ‘welhe für die artillcristishe Armirung als erste Rate für „Ersaß Möwe“ gefordert ‘waren, 150000 M, welche zu demselben Zweck für Aviso „Ersay Falke“ ausgeworfen sind; ferner 63000 bezw. 50000 f zur Torpedoarmirung

Rest des ordentlichen Etats des Extraordinariums wird ohne Debaite bewilligt.

Im außerordentlichen Etat des Extraordinariums werde: im ganzen 18 390 000 4 gefordert. Die Commission hat dic erste Baurate von 11/, Millionen zum Bau von zwei große! Trockendocks zu streichen beantragt. Jm vorigen Jahre waren 36 000 M zu Vor- und Projectirungsarbeiten für Her- stellung von Dockanlagen bewilligt worden. Der Etat nimmt zwei Docks in Kiel in Aussicht, welche zusammen 17 Millionen tosten sollen. Jn der Commission ift die Nothwendigkeit fo großer Dockanlagen angefochten und die Verwaltung zunächst ersucht worden, sich. eventuell mit einem Dock zu begnügen.

Staatsserectär Hollmann:

Meine Herren! Diese Frage ist so wichtig, daß ih wi ihrer aud im Plenum annehmen und die Bewilligung dieser Summe bcför- worten muß. Zur Unterhaltung der Schiffe is das Vorhandenfcin von Docks eine unabweisliche Nothwendigkeit ; man kann keine Schiffe unterhalten, ohne sie von Zeit zu Zeit ins Trockendock zu nebmen. Die Schiffe heutigen Tages gehen nicht in Trockendock8, lediglih 11 Havarien aufzubessern und Schäden zu beseitigen; sondern sie geßen ins Dok, um ihre Böden zu reinigen, ihren Anstrich zu erneuern, 111:3 ihre Unterwassertheile nachzuschen, deren cs bei den complicirten Maschinen außerordentlich viele aicbt; kurz und gut, es ist nothwendiz und in der Marineverwaltung anerkannt, daß jedes Schiff, welches im Dienst und im Eecbrauch ist, zwcimal im Jahre ins Dock gebt.

Welche Vorkehrungen und welche Anstalten haben wir nun in der Ostsee denn nur von der Ostsee ist ja die Nede: die Nordscc lassen wir ganz bei Seite. Um unsere Schiffe zu docken, haben wir im ganzen vier Docks, von denen aber nur zwei in Frage fommcn für die Panzerschiffe und großen Corvetten; für fünf alte Schiffe vier neue Schiffe, sowie für drei neue Kreuzer, die im Bau beziebungt weise cben fertig gestellt find, kommt überhaupt nur ein Dock Frage. Es sind infolge dessen ¿wölf Schiffe, die auf ein Decl angewiesen sind. Dieses i {hon in Friedenszeiten üble Lage. Wir sind in diesem Winter in annehmlichkeit verseßt worden, ein Schiff, welches ift gestellt war, so lange hintanhalten zu müssen mit seinem Doen, weil das Dok in Anspruch genommen war von cinem havarirten Schiff, das auf zwei Monate diescs Do vollständig in Anspruch nak11. Haben wir nur cin Dock für diese großen Schiffe, so muß naturgemäß das Docken anderer Schiffe unterbleiben, so lange dies betreffe: Schiff nicht aus dem Dock herausgenommen werden kann. Sie werden ih vorstellen können, daß, wenn an cinem Schiffe große Reparaturcz sind, Bodenblehe vom Schiff abgenommen sind, Unterwassertheile cnt- fernt sind, das Schiff nicht von Tag zu Tag herausgenommen werden kann, um cinem anderen Play zu machen. Haben wir solhe Nepya raturen und ist das Dok beseßt, dann müssen die anderen warten. Das hat fih {Gen in Friedenszeiten als störend herausgestellt. Nun erst in Kriegszeiten. Die Schlagfertigkeit ciner Flotte läßt sich nur aufrecht erhalten mit ciner Anzahl von Dos, im Kriege werden dicfe Bedingungen noch schärfer eintreten als im Frieden, abgesehen daven, daß, wenn Schiffe in den Kampf gehen, cin Theil der Schiffe havarirt zurückkehrt und nun die Dockbedürftigkeit in höchstem Maße vorhandcn ist. Mit cinem Dock ift wenig zu machen, mit zweien sind wir con cher zufriedengestellt, am besten aber würde cs scin, wenn dic ver- geschlagenen drei zur Verfügung stchen. Ich will nicht das noch cinmal wiederholen, was ih schon im vorigen Jahre gesagt habe über die Art des Dockens. Daß Schwimmdocks unscren Bedürfnissen nicht Nechnung tragen, habe ih gesagt, und ih habe cs in der Commission weitec auêégeführt. Zudem würde cin s{wimmendes Dock theurer sein als ein massives. Das s{hwimmende würde fosten 12 Millionen Mark, dcis massive 10 bis 11 Millionen Mark.

Nun hat der Herr Referent gesagt und auch in der Commi'sion ift

vielfa davon dic Nede gewesen : ja, wenn ihr in der Ostsce nicht genug Decks habt, geht in die Nordsee. Da habe ih versucht, auéeinanderzusetzen, daß das cin unbilliges Verlangen is und unter Umständen sogar ungazus- führbar. Schiffe, die havarirt sind, werden „tieser gehen als solhe ohne Havarie, aus dem cinfachen Grunde: das Schiff hat ein grofcs Leck in irgend ciner Abtheilung, cs läuft diese Abtheilung voll, dic wasserdihten Schotten verhindern, daß das Wasser das ganze Schiff durchläuft; aber, da das cine Abtheil voll Wasser ist, so geht das Schiff natürlich tiefer, und es wird garniht mögli sein, ein fo haearirtes Panzerschiff durch den Nord-Ostsec-Kanal nah Bremcr- haven zu bringen, aus dem cinfadhen Grunde, weil der Nord-Oftsce- Kanal uur 8,9 m Tiefe hat und einzelne von unseren Panzerschiffen hon im gesunden Zustande, wenn ih mi so ausdrücken darf, solchen Tiefgang haben, aber 9 bis 10 m, wenn sie havarirt werden. Also cin Hinüberbringen von der Osftsce nah der Nordsee ist ganz unaué- führbar, abgesehen davon, daß die Schiffe, wenn sie dur den Nord- Ostsce-Kanal gegangen sind, einen Seeweg zu machen haben, um ins Dock zu gelangen. Man wird immerhin, was ih auch in der Kommission erwähnte, Abstand nehmen, cin {wer havarirtes Schiff mit Mannschaft in die Nordsce hineinzubringen, man seßt es ciner großen - Gefahr aus „und. einer großen Katastrophe. Das gilt {on von den Friedenszeiten. In Kriegszcitcn ist es ganz ausgeschlossen. Es ist gänzlih ausgeschlossen, daß man in Kriegszeiten mit cinem havarirten Schiff, was sih nit wehren kann, die Elbe verläßt, um nach Wilhelmshaven zu gehen. Alle diese Gesichtspunkte kann die Marineverwaltung nicht aufer Acht lassen, und ih bleibe dabei bestehen : cs ist für die Marinever- waltung zur Unterhaltung ihres Schiffsmaterials ein Bedürfniß vor- handen, diese Docks zu besitzen. Jch glaube, daß man im vorigen Jahre entgegenkommender war als in diesem Jahre. Ju vorigen Jahre handelte es sih in der Hauptsache nur darum, daß die Kosten- anshläge nicht so vollständig waren, als man sie verlangte, und ich glaube nit irre zu gehen, daß, wenn diese Kostenanshläge vorhanden gewescn wären, daß ‘das möglicherweise bewilligt worden wäre. Ich Tann nur darum bitter, dem Do eine günstige. Stimmung entgegen- zubringen.

Die Forderung wird abgelehnt, der Nest des Marinc-

{i} „Ersaß Preußen“ mit großer Majorität abgelehnt.

Etats unverändert bewilligt.

der Kreuzer-Corvette „K“ und des Avisos „Ersaß Faike“. Dex

Namens der Geschäftsordnungscommission crstatict alsdann Nbg. Dr. H'orwiß (dfr.) Bericht über das Schreiben des Reichs- fanzlers, wonach die Ausführung des Reichstagsbeschlusses bezüglich der Einstellung des Strafverfahrens gegen den Ab- geordneten Freiherrn von Münch (b. k. F.) dadurch hinfällig wird, daß s sih niht mehr um cin Strafverfahren, fondern um cin béreits rechtsfräftig gewordenes Urtheil handelt. Die Coms- mission beantragt, den Reichstagsbeshluß vom 6. Februar durh dieje Mittheilung des Reichskanzlers für erledigt zu | ten. erade Stadthagen (Soc.): Ich bitte Sic, nicht zurüdzu- \chrecken vor dein, was stets die Praxis des Haufes gewesen ist. Von feinem cinzigen theoretischen Juristen is die 1874 seitens der Abgg. Windthorst und Lasker vertretene Ansicht als hinfällig bezeichnet worden, und wir dürfen die Privilegien des Reichstags nicht preis geben. Die Frage ist nie anders beantwortet worden, als daß cine Verhaftung eines Abgeordneten nach dem Wortlaut des Artikels 31 der Verfassung nicht stattfinden darf. Ich halte es für unbegreiflich, wic man zur entgegengeseßten Auffassung kommen kann. In dem Fall Majunke hat allerdings die nationalliberale Partei den Artikel 31 anderé interpretirt, wie die Abgg. Windthorst und Lasker; aber die Neichstagsmehrheit beschloß damals, daß Majunke zu unrecht ver- haftet sci. Der Polizet-Präsident batte dic Verhaftung abgelehnt, weil sic gegen" die Verfassung verstoße, das Stadtgericht ebenso. Das Kammergericht hatte die Verhaftung angeordnet, weil fie nit gegen dic Verfassung verstoße. VBestimmend für dic Mehrzahl der Commission war die Meinung, daß Majunke sich an das Ober-Tribunal wenden könne and daß man dessen Entscheidung nicht vorgreifen solle. Aus diescm Grunde kam die Commission ohne Antrag heraus und die Sache ge- langte niht zum principiellen Austrag. Scit 1874 ift nun fein Fall vorgelommcn, wo ein rechtsfräftig Verurtheilter zwecks Abbüßung der Strafvollstreckung während der Session gegen seinen Willen verhaftet wurdc. Die Frage der Entlassung ,„eincs bercits Inhastirten ist hiermit nicht zu verwechseln. Im ersten Absaß des Artikel 31 ift von Ver- haftung ganz allgemein dic ede, im dritten Absai wird ausdrülih von Untersuchungs- und Civilhaft gesprochen. Das beweist gerade, daß ¡jede Verhaftung ohne Ausnahme an die Genchmigung des Reichstags gebunden ist. Wenn Sie mit der bisherigen Praxis nicht brechen wollen, dann können Sie dem Comunuissionéantrag niht zustimmen. Der württembergische Justiz-Minister hat gar nicht das Recht, in dic Befugnisse des Richters einzugreifen. in Nücktritt von der cinmal gefaßten Entschließung würde dem Reichêtag niht zum Ansehen gereichen. : E E O Abg. Ackcermann (dcons.) weist die Interpretation des Artikels 81; wie fie bezüglih des Sinnes des Wortes „Verhaftung“ der Vorredner gegeben, als unzutreffend zurück. Dcr Antrag dcs Abg. Singer habe ausdrüdlich auf Einstellung cines Strafversahrens gelautet, während cs sich um cine rechtskräftig gewordene Verurtheilung handle.

Nach kurzer Neplik des Abg. Stadthagen und Duplik des Abg. Ackermann bemcrkt der s j : :

Abg. Bebel (Soc.): 1874 war der Neichêtag mit wenigen Aus- nahmen der Meinung, daß auch der Antritt ter Strafhaft unter die Bestimmung des Artikels.31 der Verfassung fällt. Gs ist nicht denkbar, daß sh der Reichstag mit cinem geringeren Recht begnügen foll, als die- Vertretungen aller anderen Verfassungsstaaten. Der Artikel 31 der Reichéverfassung ist allerdings in dieser Bezichung etwas unklar. Die sächsische Verfassung spricht cs in weit klarerer Weisc aus, daß über cin Mitglied der sächsischen Ständekammer ohne Zustimmung derselben keine Haft verhängt werden kann. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß der Reichstag sich tasfelbe Privilegium hat vorbehalten wollen. Im Falle North lag die Sache anders, weil ein gemeines Verbrchen vorlag. Aber in allen anderen Fällcn können wir unser Privilegium nicht aufgeben. Daß der Artikel 31 der Verfassung nicht so ausgelegt werden kann, daß cin Mitglied des Neichstags aus der Strafhaft entlassen werden muß, darüber hat der Reichstag sich klar entschieden. _ 1873 beantragte der Abg. Schraps, daß ih während der Dauer der Session aus der Festungshaft entlassen werden sollte. Der Reichêtag lehnte cs aber mit großer Majorität ab. Das württembergishe Gericht wollte die Strafhaft des Abg. Freiherrn von Münch aussetzen, sobald er einen dahin gehenden Beschluß des Reichstags beibringe. Aehnlich baben die sächsischen Gerichte erkannt und gehandelt, als der Abg. Licbkneht und ih am 6. März 1872 vom Schwurgericht zu Leipzig wegen Vorbercitung des Hochverratls8 zu zwei abren ¿Festung ver- urtheilt waren. Ich war Pêitglicd des Meichstags, der Abg. Liebknecht nicht. Nach Verwerfung der Revision durch das Ober, Landesgericht wurde der Abg. Liebknccht aufgefortert, Anfang Juni die Haft anzu- treten, ih wurde erst nach Ablauf der Session dazu aufgefordert. Wenn die Gerichte in Deutschland eine gleiche Auffassung hierüber achabt haben, besteht für den Reichstag erst recht die allergrößte Ursache, sih scin Privilegium nicht nehmen zu lassen. It der Artikel 31 unklar, so muß durch Interpretation Klarheit geschaffen werden. ] F E A

Königlich württembergiïher Bevollmächtigter zum Bundesrath, ‘Gesandter von Moser: Der Abg. Freiherr von Münch is von dem Amtsgericht in Stuttgart zum Antritt der Strafe am 20. Februar cingelaten worden mit dem Hinzufügen, daß der Strafvollzug cintreten würde, sofern er nicht einen Nachweis über Stellung cines betreffenden Antrags auf Grund des Art. 31 Abs. 3 der Verfassung im Reichstag beibringen winde. Ich hebe das besonders hervor, weil die Abgg. Bebel und Stadthagen diesen Umstand nicht beachtet haben, sondern sih auf Absay 1 beziehen. Die württembergische Regierung vertritt im Einverständniß mit sämmtlichen anderen verbündeten Regierungen und mit dem. Reichstag die Nechtsanshauung, daß Art. 31 Abs. 3 h auf die Strafvollstreckung nicht beziche, und die württembergische Regierung hat dem Amtsgeriht zu Stuttgart wegen seiner irrigen Auffassung das Nöthige zu erkennen gegeben. S e :

Der Antrag der Geschäftsordnungscommission wird darauf angenommen. | :

Die beim Reichstag nachgesuchte Ermächtigung zur straf- rehtlihen Verfolgung des Abg. Meßger (Hamburg) wegen Beleidigung des Senats und der Bürgerschaft der Stadt Ham- burg wird, entsprechend dem Antrage der Geschäftsordnungs- commission, nit ertheilt. i

Darauf wird die Etatsberathung fortgescyt und der Etat des Nechnungshofes, des allgemcinen Pensionsfonds und des Reichs-Fnvalidenfonds bewilligt. Ueber die Petition, be- treffend die Gewährung einer Ehrenzulage an die Jnhaber des Eisernen Kreuzes von 1870/71, wird zur Tagesordnung über- gegangen.

Schluß 5/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 48. Sihung vom 8. März.

Auf der Tagesordnung stcht die dritte Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1893/(

Ueber den Beginn der Sizung ist bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden. Jun weiteren Verlaufe der (Sencraldiscussion nimmt nah dem Abg. Francke- Tondern (nl.), dessen Rede bereits gestern mitgetheilt worden ist, das Wort / i

Abg. Rickert (dfr.): Es wäre an der Zeit, daß die Budget- commission wieder einmal ‘cinen Gencralbericht erstatten würde; cin ‘solcher Rückblick auf die Vergangenheit ist immer sehr instructiv. Die ganzen Auseinanderseßungen des Abg. Franke haben wieder bewiesen, daß wir ohne einen beweglichen Factor im Etat niht auskommen löônnen. Uebex diese wichtige Frage hat aber der Führer der maß-

gebenden conscrvativen Partci garnicht gesprohen. Die Annahme des Antrages Dziembowski war doch eine Niederlage für die Conservativén, weil er cigentlih ganz felbstveritändlih war, sodaß wir auch für den Antrag hâtten stimmen können. Die Rede des Abg. von Minnigerode über das Schuldenmachen war sehr schön; ich wünschte, daß der Abg. von Minnigerode noch in den Reichstag gewählt würde. Da können wir folhen Gegner cs Schuldenmachens fehr gut ‘gebrauchen. Seine Freunde im Neichstag in der Militärcommission stehen durchaus nicht auf scinem Standpunkt. In der Militärcommission haben wir uns auch über die Frage der Matrikularbeiträge unter- halten. Der Scaßsecretär erklärte, daß man das Verhältniß des Reichs zu den Einzelstaaten in cine feste, geseßlihe Form bringen könnte. Finden darüber {on Verhandlungen statt ? Wie soll die Sache gemacht werden? Die Franenstein’sche Clausel werden wir nicht aufgeben, wenn nicht ein beweglicher eactor in die Reichs- finanzen eingefügt wird, wofür wir uns auf den früheren Neichstags- Abgeordneten Miquel berufen. Wenn der Finanz-Minister über diefe Fragen s{weigen follte, fo werde ih daraus meine Schlußfolgerungen zichen. Was der Abg. von Minnigerode über die Antisemitenfrage sagte, kam mir fast wie cine halbe Entschuldigung vor. In con- servative Bahnen können Sie den Antisemitismus uicht einlenken; fehen Sie doch nah Arnswalde-Friedeberg und nach Liegniß. Dort laufen die Conservativen den Antifemiten nah und nicht um- gekehrt. Bezüglich des russischeu Handelsvertrages traue ih dem Neichskanzler und dem Handels-Minister zu, daß sie Thatkraft genug besißen, um das System der Handelsperträge fortzuführen. Sehen Sie doch einmal über ihre cnge Scholle hinweg! Curopa, wenn es fih durch Zollkriege bekämpft, wird ja machtlos gegenüber dem jungen Riesen Amerika. Vielleicht däâmmert nah Jahren den Landwirthen auh einmal die Bedeutung der Handelsverträge auf. Ucbrigens über den Kopf der. Landwirthe“ Hinweg qnd - die Handels- verträge niht geschlossen; hat Graf Kaniß nicht im Yteichétag über diese Verträge gesprochen ? Hat die Mehrheit der Conservativen niht für sie gestimmt ? Vom russischen Handelsvertrage und vom Bimetallismus weiß der Bauer nichts; das Invalidenversicherungs- gese hat die Unruhe wachgerufen. Aber daß die Confervativen es gemacht haben, das sagen sie niht. Redner weist darauf hin, daß in landwirthschaftlichen Vereinen {hon Beiträge bewilligt werden für den Bund der Landwirthe; darauf müsse der Landwirthschafts-Minister sein Augenmerk rihten. Ein Saß der MNede des Abg. von Minnigerode könnte als eine Absage an den Centralverband der deutshen Industriellen aufgefaßt werden! Was bedeutet er? Der Reichskanzler ist heute noch immer ohne Antwort auf seine Frage : Wodurch soll der Landwirthschaft geholfen werden? Stellen Sie doch Ihre ‘Anträge, dann werden wir sie prüfen. Haben die Handels- verträge nicht auch in die Industriezölle Bresche gelegt? Und wenn wir mit Rußland einen Vertrag abschließen, dann werden wir doch hoffentlich au einige Concessionen von Rußland erreichen. Der Handelsvertrag mit Nußland würde cin Creigniß von europäischer Bes- deutung scin. Im Mai 1892 haben die Confervativen des Meich8- tags, des Herrenhauses und des Abgeordnetenhaufes sich über dic Differentialzölle Rußland gegenüber beklagt und für den Fall des Fortbestehens die Aufhebung des Identitätsnahweises verlangt, und jeßt heßten sie die Bauern gegen den Handelsvertrag mit YNuß- land auf, weil eben die conservative Partei kein volksthümliches Programm hat. Es wäre wirkli besser, wir hätten einen abfoluten Staat, wo der König die agrarishe Begehrlichkeit zurückweist. Herr von Wedel-Malchow hat die Bedeutung des Schutzzollsystems erkannt. Er warnte davor, weil dadurch das Parlament von einer politischen Vertretung zu einer reinen, krassen Interessenvertretung herabsinken würde. Wir wollen dagegen ankämpfen. Der Abg. von Minnigerode hat seiner Partei die Zukunft zugesprochen. Welches i} denn Ihre Zukunft ? Sie sind angekommen bei Ahlwardt und Hertwig.

Abg. Sombart (ul.): Ich bin während meines ganzen Lebens im Interesse der Landwirthschaft thätig gewesen und bedauere lebhaft, daß cine Partei den Namen „Agrarier“ als Parteinamen für sich angenommen hat. Nur 14 Million Landwirthe haben ein fo großes Besißthum, daß sie cin Interesse am Schußzzoll haben. Diese Land- wirthe mit ihren Angehörigen \tellen nur den achten Theil der deutschen Bevölkerung dar. Ich bin Vertreter des ganzen Volkes und kann daher nicht die Vortheile cines so kleinen Theils der Bevölkerung wahrnehmen. Ich bin Freihändler und mit mir waren es die meisten Landwirthe, die erst im Gefolge des Fürsten Bismark Schußzöllner geworden sind. Wer hätte früher gedacht, daß wir jemals cinen Zoll von 35 6 auf die Tonne Getreide haben würden ? Die Ge- treidepreise sticgen und die Landwirthe dachten nun, die Bâume wachsen in den Himmel. Dadurch wurden die Güterpreise in die Höhe getrieben. Es trat nun die Uchbershuldung der Gutébesißer cin. Db die Frage, wie Graf Mirbach will, reihsgeseßlih zu lösen is, weiß ih nicht. Es giebt aber cin anderes Mittel, namentlich um die anderen Erben sicher zu stellen: Die Praxis der Bauern, die bei Lebzeiten ihr Gut übergekcn und es zum nîedrigen Preife anrechnen. Wir müssen in Deutschland Getreide zukaafen; dafür müssen wir doch Industrie- producte exportiren. Um unseren Export zu sichern, müssen wir doch Handelsverträge schließen. Ein Handelsvertrag mit Nußland würde von großer Bedeutung fein; denn dadurh würden wir uns den Nücken deckecn und hätten niht mit zwei Fronten zu rechnen. Dann könnten wir getrost sagen: Wir fürchten Gott und fonst

ichts auf der Welt! G

N u Lamprecht (cons.): Die Rede des Abg. ‘jickert war wohl weniger für dieses Haus als für die Wahlen bestimmt. Auf Herrn von Wedel-Malchow hätte er sich nicht berufen sollen ; denn diefer hat sich später für ein energisches Schuyzollsystem ausgesprochen. Der Bund der Landwirthe scheint den Freisinnigen Schmerzen zu bereiten. Man stiftet cinen anderen Bund, an deren Spiße Herr Thomsen und Herr Wisser stehen. Die Leiter des Bundes der Landwirthe sucht man mit Schmuyß zu bewerfen, und man fuht Zwietracht zu säen, indem man die Leiter als Junker verdächtigt. Wir s\prehen den Leitern unsern Dank für ihre Thätigkeit aus, die sie im Interesse der kleineren Besißer entwickeln. Die großen Besitzer haben noch andere Cinnahme- quellen, aber die kleinen Besißer stehen vor dem Ruin. Biele scheuen sih, zu gestehen, daß sie kein Einkommen mehr haben und laffen sil) noch einschäßen, Es wird dem Abg. Rickert nie ge- lingen, Zwietracht anzustiften. Die Bewegung, die mit elementarer Macht aufgetreten is, wird die Interessen der Bauern vertheidigen.

Damit schließt die Gencraldiscussion.

Beim Etat der Domänen bittet h i

Abg. Conrad- Pleß (Centr.) den Minister um cine baldige Regelung der Wildschadenfrage. A E

Abg. Nickert (dfr.): Diese Bitte beweist, daß die Herren doch nicht die Interessen der Bauern wahrnehmen. Sie reden ihnen von Doppelwährung und folchen Dingen vor, aber ihre rehten Ber- treter sind Sie idt, Von dem neuen Landbunde habe ih feine Ahnung. Aber die Herren leiden ja öfter an Einbildungen.

Bei dem Etat der directen Steuern empfiehlt

Abg. Freiherr von Erffa (cons.), daß bei der Einschäßung zur Einkommensteuer die gesammte Bausumme für Herstellung neuer Ge- bäude in dem betreffenden Veranlagungsjahre zum Abzug komme. Auf dem Lande seien die Gebäude ein nothwendiges Uebel, nicht, wie in der Stadt, ein Vermögenswerth.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Es i} vollkommen zutreffend, daß cs nicht leicht ist, zu den rihtigen Grundsäßen und zum Verständniß derselben bei der Frage der Berehnung der Abnußung von Gebäuden zu kommen. Vor dem Erlaß des neuen Einkommensteuergeseyes war die Lage der Gebäudebesißex aber ungünstiger geseplih geregelt, als durch das neue Einkommensteuergesez. Bei landwirthschaftlichen und gewerblichen Gebäuden konnten Abnuzungsquoten in Ansaß gebracht werden ; i bei allen mobilcn Werthen, namentlih bei Maschinen für die Industrie, wurden Abnußzungsquoten zu gute gerechnet, nux nicht bei den cigént-

lichen Wohngebäuden. Nun sagte man sich bei Erlaß des neuen Ein-

fommcnsteuergescßes, daß dies für dic Besitzer von Wohngebäuden eine Ungerechtigkeit roäre ; wenn bei den übrigen Gebäuden, die zu gewerb- lichen oder landwirthschaftlihen Zwecken dienten, der Abzug von Neubaurenten gestattet ist, so muß das auch bei Wohngebäuden der Fall fcin; denn es sind dieselben Grundsätze | bei denselben an- wendbar und berechtigt, wie bei den Gebäuden für preductive Zwecke. Infolgedesscn hat das Einkommensteuergesey das Recht der Berehnung der Abnußung und des Abzugs derselben von dem regelmäßigen Ein- fommen auch auf Wohngebäude ausgedehnt. Das Geseß ift also gerade nach der Nichtung fortgeschritten, die Herr von Erffa wünscht ; cs behandelt die Wohngebäudebesißzer wohlwollender als die frühere Gesetzgebung. Daraus ergiebt sich auch von felbst, daß ein Unter- schied zwischen bestehenden Gebäuden und in Zukunft herzustellenden Neubauten nicht gemaht werden kann, weil {hon vorher bei den eben bezeihneten Gebäuden das Recht des Abzugs von Abnußtungsquoten gegeben war. H

Nun hat Herr von Erffa den Gedanken angeregt, ob es nicht richtiger wäre, diese {wierige Frage der Berehnung von Neubau- renten in ihrer Höhe und in ihrer Anwendbarkeit dadur radical zu beseitigen, daß man demnächst zu einer Aenderung des Einkommensteuer- gesetzes schreitet in der Nichtung, daß weder für Mobilien, für Maschinen, für fonftige Inventarstücke, noch für Immobilien irgend welcher Art eine solche Abschreibung stattfinden soll, daß vieknehr ein Abzug vom Einkommen stattfindet in dem Augenblick wo wirklich \olhe Neu- herstellungen gemacht werden, dann aber im vollen Betrage.

Meine Herren, das läßt sich schr wohl crwägen; ih will diefe Frage durchaus niht ohne weiteres ablehnen, denn für den Staat gleichen fh die großen Schwankungen, die in den Einkommensbeträgen des Einzelnen sich bei diefem Verfahren ergeben, im großen Ganzen aus, und man würde allerdings die s{chwierige Frage der Berehnung der Neubaurcnten vollständig los sein; man würde einfach den vollen Betrag, der wirkli) zur Verwendung kommt, in dem cinzelnen Jahre bei den einzelnen Einkommensteuerpflihtigen zur Anwendung bringen, im übrigen aber darauf rechnen, daß sich für den Gesammtstaat bei allen den ver- schiedenen Steuerpflichtigen cine regelmäßige Ausgleichung, ähnlich wie bei ciner Abnußungsquote für den cinzelnen Steuerpflichtigen, ergeben würde. Vorläufig haben wir aber mit dem gegenwärtigen Gesetz zu operiren, und da bleibe ih dabei stehen: erstens, daß Neu- baurenten nur richtig berechnet werden können, wenn sie für die ge- sammte Periode, nah deren Abklauf der Neubau nothwendig wird, mit Zinsen und Zinfeszinsen berehnet werden. Man muß ih doch bei der Bildung von folchen Renten vorstellen, daß die An- fammlung des Fonds wirklih ftattfindet, daß eine Ausscheidung aus dem übrigen Vermögen stattfindet, und daß nicht bloß die Zinsen von diesen Fonds den Steuerpflichtigen zugute kommen, fondern auh Zinseszinfen. Je nach diefer verschiedenen Berehnung aber ergeben sih sehr verschiedene Nesultate in Bezug auf die Höhe der zulässigen Abnutzungsquote.

Nun ift ja vollkommen richtig, daß, wenn man ganz correct vers fahren wollte, man diese Abnußzungsquote verschieden für jedes ein- zelne Gebäude feststellen müßte. Man muß sich da fragen : wie lange fann das Gebäude noch stehen, welhe Summe muß ih also jedes Jahr zurücklegen, um in dem Zeitpunkt, wo das Gebäude neu ber- gestellt werden muß, den Neubaubetrag in vollem Maße angesammelt zu haben? Daß vas aber absolut unmöglich ift, durchzuführen, darüber, meine Herren, brauhe ih fein Wort zu verlieren. Man muß dabei daher auf Durhschnittssäße kommen, man kann auf andere Weise sich hier niht helfen, man kann darin eine Schwierigkeit finden einer richtigen Steuerveranlagung; in diesem Punkte aber ein anderes Verfahren, als Durchschnittssäße zu Grunde zu legen, i überhaupt nit möglih. Es ift ja klar, daß die Steuerveranlagungsbelörden vollständig außer stande sind, jedes einzelne Gebäude auf die ver- muthliche Dauer seiner Standfähigkeit hin zu untersuchen.

Nun gebe ih zu, daß man dalei unterscheiden kann nach deren verschiedenen Zwecken, denen diese Gebäude dienen. Es i} ganz zweifellos, daß cin Fachwerkgebäude, welhes zu landwirthschaftlichen Zwecken dient, viel eher sih abnußgt und neu wiederhergestellt wird, als cin massives Wohnhaus. Aber in allen diefen Dingen, glaube i, fann man auch noch nit in der Steuerveranlagung fo genau unter- scheiden; im großen und ganzen wird man immer auf Durch- \chnittsfäße angewiesen fein.

Menn ih das vorige Mal gesagt habe, der Fistus kommt aller Wahrscheinlichkeit nah bei diefer ganzen Berechnung, wie man sie auch gestaltet, sehr {lecht weg, so bleibe ih dabei durhaus stehen. Denn thatsächlih wird sich die Sache fo gestalten, daß diese Neubau- renten in Wirklichkeit nicht angesammelt werden, daß also in dem Momcnt, wo der Neubau nothwendig ift, nicht aus den Nevenüen, wie Herr von Erffa annimmt das würde ih durchaus niht tadeln, wozu die NRevenüen verwendet werden, is} dem Fiscus gleichgültig, man versteuert ja die Nevenücr ganz ohne Nücksicht auf den Zweck ihrer Verwendung —, sondern aus Kapital oder durh Aufnahme von Schulden der Neubau beschafft wird. In beiden Fällen werden die Nevenüen sich vermindern, das Einkommen sih vermindern, und der Fiscus wird also die ganze Ab- nußungLquote, die er sih im Laufe der langen Jahre hat abrc@nen lasscn, damit noch einmal sih anrechnen . lassen. Diese Erwägung fönnte dabin führen, dem Vorschlag des Herrn von Erffa näher zu treten: das ganze System, wie wir es jeßt haben, das Syftem der Ansammlung von Neubaurenten überhaupt zu beseitigen. Jch glaube, daß wir in dieser Frage noch mehr Erfahrungen werden fammeln müssen. Man wird doch in Zukunft in mehreren anderen Punkten vielleicht die Nothwendigkeit hervortreten sehen, einzelne Bestimmungen des Einkommensteuergeseßes zu revidiren, - und wir werden die ver- licgende Frage bis dahin im Auge behalten.

Abg. Schenck (dfr.) bittet, die durh ministerielle Verfügung für Actiengesellschaften angeordnete Stundung der Steuern bei vor- liegender Doppelbesteuerung au auf die Genossenschaften auszudehnen.

Abg. Pr. Enneccerus (nl.): Die Abzüge für Bauten als jährliche Durchschnittsabzüge nah Zins und Zin}eszins zu berechnen, halte er niht für richtig und dem Geseße entsprechend. Würde der Neubaufonds als nicht zum Vermögen gehörig gerechnet, so wäre das Verfahren richtig, aber das Geseß führt unter den Abzügen solche niht auf. Richtiger wäre cs für Häuser, je nach ihrer Bauart 1 bis © 0? zit ieh L “0 A Sombart: (nl: bittet! ebenfalid; bie Abedce voti: Qi \{nittsbeträgen stattfinden zu laffen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ja, der Herr Vorredner kat zwar mit großer Sicherheit in feflen Ausdrücken meine Ansicht als gazz unhaltbar bezeichnet, ih glaube

aber dech das Haus überzeugen zu können, daf ih derartige Ausdrüdte