1893 / 60 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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E R S e R E E Ea m0 Sgr e A doi «rig ¡5 0 Lau ARE? aMie D

des Veräußercrs gegen den (juristischen)“ s er- Folgt, der gute Glaube des Erwerbers nicht nur zur Zeit der Erlangung des Besißes, sondern auch zur Zeit der Abtretung vorhanden gewesen scin müsse, wurde abgelehnt. ' Eine Meinungsverschiedenheit ergab sich über die Regelung der VBeweislast in Anschung des guten Glaubens. Der Entwurf (8 877 Sah 1) geht davon aus, daß der Erwerber die Um- stände darzulegen habe, aus denen sein guter Glaube si ergebe. Die Mehrheit trat jedo der Ansicht bci, daß der gute Glaube zu vermuthen und deshalb eine Fafsung zu wählen sei, welchè diesen Gedanken zum Ausdruck bringe. Gegen den Tachlichen Juhalt des § 879 Sah 2, der den Schup des guten Glaubens bei gestohlenen oder verlorenen Sachen beschränkt, erhob sich kein Widerspruch. Auch der § 878, der den gut- gläubigen Erwerber gegen die Folgen eines partiellen Mangels in dem Rechte des Veräußerers |{chüßt, wurde mit den aus den Beschlüssen zu 8 877 sich ergebenden Acnderungen sachlich nach dem Entwurf angenommen, jedoh mit dem Zusaß, daß in dem Falle, in welchem die Uebergabe der Sache durch die Ab- tretung des dem Veräußerer gegen den dritten Besißer zu- f#tchenden Anspruchs auf Herausgabe der Sache erseßt wird, die Nechte an der Sache bestehen bleiben, welhe dem Besitzer zur Zeit der Abtretung zustanden. Ein Antrag, dem S 878 hinzuzufügen, daß das Pfandrecht des Vermiethers nicht erlischt, so lange die Sache niht von dem vermictheten Grundstücke weggeschafft ist, fand keinen Anklang. Die Vor- chrift des § 880, wonach derjenige, welcher nach S8 877 bis 879 in Folge des Schutzes des guten Glaubens einen Rechts- verlust erleidet, gegen den Veräußerer einen Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung hat, wurde mit dem Zusaß genehmigt, daß der gleihe Anspruch gegen den Erwerber statt- findet, wenn die Veräußerung unentgeltlich erfolgt ist.

Bei der Berathung des § 868 war beschlossen, daß bei der Veräußerung cines Grundstücks durh Auflassung mit dem Eigenthum an dem Grundstück im Zweifel auch das Eigenthum des Veräußerers an den Zubehörstücken auf den Erwerber übergehen solle. Dagegen war die Frage, ob und unter welhen Vorausseßungen der Erwerber des Grundstücks das Eigenthum an solchen Zubehörstücken erwerben soll, die niht Eigenthum des Veräußerers sind, bis nach der Berathung der S8 877 bis 879 ausgeseßt worden. Die Mehrheit entschied fih nunmehr dahin: der beschlossenen Vor- chrift hinzuzufügen, daß, wenn der Erwerber auf Grund der Auflassung und Eintragung demnächst den Besiy von Zu- behörstüken cerlanat, die Vorschriften der §8 877 bis 880 mit der Maßgabe Anwendung finden, daß der qute Glaube des Crwerbers zur Zeit der Erlangung des Be- fißes vorhanden scin muß. Ein Antrag, zu bestimmen, daß der gutgläubige Erwerber mit dem Eigenthum an dem Grund- tück auch das Eigenthum an den Zubehörstücken erwerbe, sofern der Veräußerer sie zur Zeit des Uebergangs des Eigen- thums an dem Grundstücke besitze, wurde abgelehnt.

Die Berathung wandte sich sodann der früher ausgeseßten Frage zu, ob und inwieweit die nah den S8 815, 819, 820 zum Schuße des Besißers (Inhabers) gegebenen Rechte und Ansprüche auch dem mittelbaren Besißer (Besiß- herrn) eingeräumt werden sollen. Der § 821 bestimmt, daß die nah den 88 819, 820 im Falle der Besitzentsezung oder der Besißstörung für den Besißer begründeten Nechte auch dem mittelbaren Besißer zustehen sollen, daß also z. B. der Ver- miether oder der Verpächter die für den Miether oder den Pächter begründeten Besißklagen geltend machen kann. Wenn jcdoch im Falle der Besigentziehung der frühere Besißer seinerseits auf die Wiedereinräumung des Be- sizes verzichtet, soll der mittelbare Besißer fordern fönnen, daß ihm selbst der Besiß eingeräumt werde. Nach einer lebhaften Debatte entschied sich die Mehrheit für den Entwurf. Verschiedene Anträge, welche dem mittelbaren Besißer nicht nur einen aus der Person des Besißers ab- geleiteten, sondern cinen selbständigen Besißshup zu geben und diesen auch auf die nach dem 8 815 dem Besizex zu- stehenden Rechte der Selbstvertheidigung und der Selbst- hilfe auszudehnen bezweckten, wurden abgelehnt, ebenso verschiedene Anträge, den Besißshuß des mittelbaren Be- sißers nur bei Grundstücken, und auch bei diesen nur unter beshränkenden Vorausseßungen, anzuerkennen. An- langend den Begriff des mittelbaren Besfißes, war man sach- lih einverstanden, daß als mittelbarer Besißer derjenige an- zusehen sei, welchem der Besißer auf Grund eines zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses, insbesondere als Nicßbräucher, Pfandgläubiger, Pächter, Miether, Ver- wahrer, die von ihm besessene Sahe nah Beendigung des Verhältnisses zurückzugewähren habe. Weitere Vorschriften über den Erwerb und den Verlust des mittelbaren Besißes hielt man für entbehrlih; doch soll eine Vorschrift auf- genommen werden, daß der mittelbare Besiß durch Abtretung des dem mittelbaren Besißer gegen den Besißer zustehenden Anspruhs auf Einräumung des Besißes auf einen Anderen übertragen werden kann. Die nähere Fassung sowic die Prüfung der Frage, ob es sich empfehle, den Ausdruck „mittelbarer Besiß“ im Geseßbuh selbst als einen technischen zu verwenden, wurde der Nedactions- commission überlassen. Ebenso blieb die Prüfung der Frage der Redactionscommission vorbehalten, ob in den Fällen, in welchen eine Nechtsnorm (unmittelbaren oder mittelbaren) juristischen, d. h. mit dem Willen, die Sache als eigene zu haben, ver- bundenen Besiß vorausscße, zur Bezeichnung cines folchen Besißes der tehnishe Ausdruck „Eigenbesiz“ im Geseßbuch gebraucht werden solle.

Die Commission trat nah Erledigung dieser früher aus- geseßten Fragen in die Berathung der Vorschriften über die Érsißung (§8 881 bis 889) ein. Die Vorschriften der &8 881 bis 884 übcr die Erfordernisse der Ersißung und die Berechnung der Ersißzungszeit wurden sachlich nah dem Ent- wurf angenommen. Ein Antrag, den Zeitraum für die Er- s statt auf zchn Jahre auf fünf Jahre zu bestimmen,

and feinen Anklang.

Der Kaiserlihe Gesandte in Guatemala, Wirkliche Legations-Nath Peyer ift von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der RNegierungs-Assessor Dr. Sartorius zu Stade ist

„an die Königliche Regierung zu Köln verseßt worden.

S. M. Stiffsjungen-Schulschiff „Nixc“, Commandant Capitän zur See Riedel, ist am 8. März in Neapel ein- getroffen und beabsichtigt, am 16. nah Genua in See zu

gehen.

Posen, 8. März. Jn der heutigen siebenten Plenar- Sißung des Pro A e a Lao nahm dic Versamm- lung von dem Bericht des Landeshauptmanns über dic Jnvoentarisirung der Kunstdenkmäler und das Straßenwesen während des Rechnungsjahres 1891/92 Kenntniß. Der dur den 27. Provinzial-Landtag dem Provinzialausshuß zur Prü- fung und Berichterstattung überwiesene Antrag des landwirth- ihaftlichen Centralvereins zu Posen, bei der Königlichen Staatsregierung dahin vorstellig zu werden, daß dieje die Einführung einer Landgüterordnung für die Provinz Posen bewirken möge, gelangte demnächst zur Verhandlung. Nach einer längeren Debatte, in welher der Ober - Präsident Freiherr von Wilamowihß-Möllendorff den Standpunkt der Königlichen Staatsregierung und der Vorsißende des Provinzialausshusses Landrath a. D. von Dzicmbowski denjenigen des Provinzialausshusses begründete, beschloß die Versammlung mit Stimmenmehrheit, dem Antrage des land- wirthschaftlichen Centralvereins keine Folge zu geben, weil der roirthschaftlihe und sociale Zweck eines derartigen Gesetzes fraglih ersheine und die in anderen Provinzen, besonders aber in den Nachbarprovinzen Brandenburg und Schkesien, erfolgte Einführung der Landgüterordnung nur eine geringe Zahl von Eintragungen in die Landgüterrolle bewirkt habe. Demnächst ermächtigte die Versammlung den Provinzial- aus\chuß, das Grundstück des alten (General-Commandos zu Posen für 277 607,09 6 zu erwerben und die Mittel entweder aus dem Provinzial-Kapitalfonds zu entnehmen oder durch ein Darlehn zu beschaffen, wenn dieses zu einem niedrigeren Zinsfuß aufgenommen werden könne, wie demjenigen der Provinzial-Anleihescheine. Der Provinzialauss{chuß wurde ferner ermächtigt, über die Benußung des Grundstücks und der Baulichkeiten bis zum nächsten Provinzal-Landtag zu verfügen und dann Vorschläge über dessen Verwendung zu machen. Demnächst nahm die Versammlung von dem allgemeinen Zustande der Provinzial-Feuersocictät in den Rechnungsjahren 1890 bis 1892 Kenntniß und centlastete die Rechnung über den Provinzial-Feuersocietätsfonds für 1890/91. Ferner cntlastete der Landtag 27 FJahresrehnungen ver- schiedener Verwaltungszweige und bewilligte mit Rücksicht darauf, daß in dem Staatshaushalt für 1893/94 60 000 M behufs Förderung der Landwirthschaft in der Provinz Posen eingestellt sind, für den gleihen Zweck 10000 sé, unter der Bedingung, daß der Provinzialausshuß in der durch den Ober-Präsidenten zu bildenden Commission bezüglich der Vertheilung dieser Beihilfen vertreten sei. Der polytechnischen Gesellschaft wurde die für die gewerbliche Fortbildungs\chule zu Posen bisher bewilligte jährlihe Beihilfe von 3000 A auch für 1893/94 gewährt. Diese Beihilfe fällt fort, wenn die errichtete staatliche Baugewerksschule ihren Organisations- plan durchgeführt hat.

Hannover, 9, Marz DæA Provinzial-Landtag nahm in seiner heutigen Sißung Kenntniß von dem regle- mentsmäßigen Eingang der Uebersichten über die von der Hannoverschen Landescreditanstalt im Rechnungsjahre 1891 ausgeliehenen und angeliehenen Kapitalien und verwies diese, wie auch die Uebersicht der erledigten Beschlüsse des NXV. Pro- vinzial-Landtaqgs zu den Acten. Zu Mitgliedern des Pro- vinzialausschusses wurden sodann der Hofbesißzer Greve- meyer Und Ver Horvenver Cheling gewahlt, Dex Geseßentwurf über den Erlaß polizeiliher Strafverfügungen wegen Uebertretung strom- und schiffahrtspolizeiliher Vor- schriften auf der Elbe, sowie über die Verwaltung der Strom- \chiffahrts- und Hafenpolizei in den Provinzen Hannover und Hessen - Nassau wurde nach längerer Berathung einer Commission von fünf Mitgliedern überwiesen, mit dem Ersuchen an die Regierung, einen sachverständigen Regierungs- vertreter zu den Berathungen entsenden zu wollen. Bei den dann folgenden Berathungen über die Einnahmen und Aus- gaben des Hannoverschen Klosterfonds für das Jahr 1891/92 wurde folgender Antrag des Abg. Lauenstein einstimmig an- genommen.

„Der Provinzial-Landtag wolle beschließen, auch in diesem Jahre dem wiederholt ausgesprochenen Wunsche Ausdruck zu geben, daß die Mehrerträge des Klosterfonds thunlichst für folhe Zwecke verwandt werden, für welche die Kosten niht ohnehin aus der allgemeinen Staats- fasse bestritten werden müssen, und daß der Herr Cultus-Minister sich entslicßen möge, zu den Verhandlungen des Provinzial-Landtags über den Klosterfonds einen NRegierungscommissar abzuscnden ; gleichzeitig aber dem Herrn Cultus-Minister den Dank der Provinz dafür auszusprechen, daß er der in der 29. Sitzung des Abgeordneten- hauses vom 13. Februar d. J. erfolgten Anregung, die Verwaltung der Liegenschaften des Klosterfonds dem landwirthschaftlihen Minifte- rium zu übertragen, aus Gründen des Nechts und der Zweckmäßigkeit, sowie mit Nücksiht auf die entgegenstehenden Wünsche der Provinz entgegengetreten ift.“

Schließlich bewilligte der Landtag 10 0009 zum Bau der Kaiser Wilhelms-Gedächtnißkirche in Berlin.

Sachsen. __ Jhre Majestät die Königin ist gestern-Abend aus Leipzig wieder in Dresden eingetroffen.

Baden.

_ Aus Anlaß der gestern mitgetheilten Veränderungen im Ministerium hat, wie die „Karlsr. Ztg.“ mittheilt, Seine Königliche Hoheit der Großherzog nachstehende Schreiben an Staats-Minister Turban und Finanz-Minister Ell- ]stätter gerichtet und deren Veröffentlichung angeordnet :

Lieber Herr Staats-Minister Turban! :

Sie haben {hon wiederholt mir den Wunsch geäußert, sich aus der anstrengenden Arbeit Jhrer hohen Dienststellung zurücziehen zu dürfen, um sich mehr der lege JIhrer Augegnenen Seiunthei widmen zu fönnen. Mit selbstloser Hingebung haben Sie aber auch wiederholt meinem Wunsch entsprochen, noch weiter in Ihrer mühe- vollen Thätigkeit auszuharren. Je dankbarer ich diese so oft bewährte Treue in ihrer ganzen Bedeutung erkenne, desto mehr mußte ih mich verpflichtet fühlen, nun auch Ihr persönliches Wohl ins Auge zu ddn und dafür zu forgen, daß Sie Ihre Kräfte zu pflegen im unde eien.

Von folcher Gesinnung ausgehend, habe ich Ihr Gesuch vom 2. März um Enthebung von dem Amte als Präsident des Staats- Ministeriums ciner entgegenkommenden Behandlung widmen zu müssen geglaubt.

Fch entspreche also Ihrem dringenden Wunsche mit aufrihtigem Bedauern, freue mi aber, zu wissen, daß Sie gerne breit sind, dem activen Dienst auch ferner sih als Präsident ter Ober-NRechnungs-

fammér widmen zu wollen,

Mit großer Dankbarkeit blicke ih auf die langen Jahre zurück in denen ich She hilfreien Dienste in dauerndem Verkehr fo rie: reih in Anspruch nehmen durfte. Die treue Gefinnung und die auf- opfernde Hingebung, welhe Sie in den vielen Jahren bethätigten, bleiben mir eine werthe Erinnerung, und dankbar werde ih der Selb|- losigkeit gedenken, womit Sie Ihre ausgezcichneten Dienste dem Wokle des Staats gewidmet haben.

Möge Ihnen Gottes Gnade noch lange Jahre gesegneten Lebens gewähren dies wünscht von Herzen

Ihr crgebener Friedrich.

Karlsruhe, den 7. März 1893. : An den Herrn Staats-Minister Turban dahier.

Lieber Herr Finanz-Minister Ellstätter !

Wiederholt gaben Sie die Absicht kund, sich von Ihrer ver- antwortungsvollen Stellung zurückzuziehen; in treuer Hingebung und Anhänglichkeit fügten Sie sih dann meinem dringenden Wuns, in Ihrem wichtigen Amt noch länger auszuharren. Dieser dankent- werthen Hingebung entspringt die seltene Thatsache einer 25 jährigcn Wirksamkeit als verantwortlicher. Präsident des Finanz-Ministeriums, eine Zeit erfolgreiher Arbeit ünd fruchtbringender Thätigkeit , auf welche ih mit großer Dankbarkeit zurückblicke.

Ihr erncutes Gesuh vom 2. März begründet Ihren Wunsch, sich in Rücksicht auf Ihre angcegriffene Gesundheit aus dem actiren Dienst zurückzuziehen ein Wunsch, den ich- im Hinblick auf die langen Jahre felbstlosen Wirkens und aufopfernder Thätigkeit nicht glaube entgegentreten zu dürfen, da ih weiß, daß Ihnen Nube und Un dex Kräfte erforderlich ist.

Mit Bedauern erfülle i Ihren Wunsch, und nur ungern sebe ih Sie aus einer Thätigkeit scheiden, in welcher Sie so ausgezeichnete Dicnste dem Staate geleistet haben und dabei cine Treue und Hingebung be- währten, die mir stets in werther Erinnerung bleiben werden.

In Anerkennung der vorzüglichen Dienste, welche Sie in lanç}en Jahren geleistet haben, verleihe ih Ihnen als cine öffentliche Kund- gebung meiner Dankbarkeit hiermit den Berthold:Drden und wünsche, daß noch viele glückliche Jahre des Wohlergehens Ihnen beschieden sein mögen. :

Mit diesem treucn Wunsch verbleibe ih

Ihr ergebener Friedri. Karlsruhe, den 7. März 1893. An den Herrn Finanz-Minister Ellstätter dahier.

Das „Geseßzes- und Verordnungsblatt“ veröffentlrcht dic Verordnung, durch welche die bisher mit dem Präsidium des Staats-Ministeriums verbundenen Geschäfte des Ministeriums des (Großherzoglichen Hauscs sowie die in gleicher Weise zu erledigenden Reichs- und Auswärtigen Angelegenheiten . einen besonderen Ministerium zur Besorgung übertragen werden, das die Bezeihnung führt: „Ministerium des | Groß- herzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten“. Auf dieses Ministerium geht ferner die Zuständigkeit übet, die bisher dem Ministerium der Finanzen in den Angelegenheiten des Eisenbahnbaues und Eifenbahnhetriebs; des Post- und Telegraphenwesens zugetheilt war. Der Zeitpunkt, von wel: chem an die leßtere Zuweisung in Wirksamkeit tritt, wird durch besondere Bekanntmachung bestimmt werden.

Hessen. ie Erste Kammer crledigte in ihrer Sißung vonz 8. d. M. die Gesezentwürfe über den Ersay des Wildschadens, die Ausübung der Gemeindejagden und die Abänderung des Zagdstrafgeseßes, die mit mehreren Abänderungen der Fassung der Zweiten Kammer (das dritte Gesey hatte die Zweite Kammer überhaupt abgelehnt) angenommen wurden. Hierauf vertagte sih die Kammer auf unbestimmte Zeit. Die Zweite Kammer. tritt am 15. d. M. wieder zusammen. Sachsen-Coburg-Gotha.

__ Der gemeinschaftlihe Landtag der Herzogthümer Coburg und Gotha ijt auf den 13. d. M. nah Gotha cin berufen worden.

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Elsaß-Lothringen.

Der Landesausschuß beendete in seiner Sizung von 8. d. M. die Berathung der §8 11 ff. des Etatsgeseßes und berieth außerdem in zweiter Lesung dic Etats der Prüfungs- commission für Candidaten des höheren Schulamts, des Obcer- Schulraths und höheren Unterrichtswesens und der Verwaltung des Jnnern. Die durch diegenannten Paragraphen desEtatsgcseßes festgeseßte Gehaltserhöhung für die akademisch gebildeten Lehrer wurde in Uebereinstimmung mit der Commission angenommen, dagegen bezüglih der Vertheilung der dadurch entstehenden Mehrkosten der von der Commission vorgeschlagene Modus abgelehnt und statt dessen ein Antrag Spies angenommen, wonach die ganzen Mehrkosten durch Erhöhung des Schulgeldes aufzubringen sind. Im Ubrigen wurden sämmtliche Etats, abageschen von. zwei ferneren Ab- weihungen, nach den Commissionsbeshlüssen angenommce:1. Der von der Commission abgelechnte Beitrag zu den Kosten der Vermehrung der Schußmannschaft- für die Stadt Straßburg wurde vom Hause gleichzeitig mit“ einer vor- geschlagenen Resolution angenommen : die Regierung um Prü- fung der Frage zu ersuchen, ob die Städte Mey, Mülhauscn und Straßburg nicht mit einem höheren Beitrage zu den Koften der Polizei-Directivnen herangezogen werden sollen.

Oesterreich-Ungarn.

Jn der gestrigen Sißgung des ungarischen Unter- hauses erflärte, wie „W. T. B.“ meldet, der Cultus-Minister Graf Csaky dem Abg. Asboth gegenüber, der die Zurück- zichung des fkirchenpolitishen Programms verlangte, daß cr von jeher Anhänger der allgemeinen obligatorishen Civilche gewesen sei und niemals einem auf anderer Basts gefaßten Beschlusse seine iBng ertheilt haben würde. Was dice Verlesung der bishöflihen Briefe anbelange, so habe er die Bischöfe loyal verständigt und werde sih auf die darin dar- gelegten Anschauungen berufen, weil er dies der öffentlichen Meinung und der Mea cining schuldig sci.

Großbritannien und Frland.

Bei der Königin fand gestern Abend im Buctinghan- Palast cine Familientafel statt, an der laut Meldung dcs „W. T. B.“ Jhre Majestät die Kaiserin Friedrich, dic Mitglieder der Königlichen Familie sowie einige andere hervor ragende Personen theilnahmen. Die leßteren verabschiedeten sih sämmtlich von Zhrer Majestät der Kaiserin Friedrich, Aller- höchstwelche in der nähsten Wocze nah Deutschland abzureisen beabsichtigt. i L

Jn der gestrigen Sißung des Oberhauses erklärte Sir Lyon Playfair, Mitglied des Geheimen Raths, ‘in Bezug auf cine Commission, die zur Untersuchung der dortigen Cin- wanderungsverhältnisse na Amerika gesandt werden soll, cs

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seien über die Einwanderung in England Besorgnisse laut geworden. Die Gesammtzahl aller in England lcbenden Ausländer betrage aber weniger als 200 000. Dic jährlihe Durchschnittszahl der in England ceinwandernden russischen und polnischen Juden sowohl, wie auch österreichischer und deutscher Staatsangehöriger belaufe sih auf ctwa 5000, fic sei zwar im Jahre 1891 auf 10 000 gestiegen, jedoch im vorigen Jahre wieder auf etwas weniger als 7000 herunter gegangen. Zehnmal so viel russishe und polnishe Juden gingen nach den Vereinigten Staaten; es“ sei deshalb wünschenswerth, in Erfahrung zu bringen , wie diese sih dort aufführten und welche Schritte die amerikanische Regierung betreffs solchcr Einwanderer zu thun gedenke. Die Com- mission werde die bezüglichen Geseße Amerikas und deren Aus- führung zu erforschen fowie dic ökonomishe Wirkung der Ein- wandcrung mittelloser Personen aus dem östlichen Europa ins Auge zu fassen haben.

Im Unterhause theilte der Parlamentssecretär des Auswärtigen Sir E. Grey mit: Es sci die Aufmerksamkeit der Regierung auf ein Decret des Königs Leopold von Belgien gc- lenkt worden, der in seiner Eigenschaft als Souverän desCong 0- staats unterm 30. Oktober 1892 außer dem vom Staat damit betriebenen Handel jeden Handel in (Gummi elasticum mit Eingeborenen in gewissen Districten untersagt habe. Es sei zrwocifelhaft, ob und wie weit die Doctrin über Staatsdomänen in Afrika mit dem durch die Berliner Congo: Acte in der Zone errichteten Freihandel zu vereinbaren sei ; die Regierung habe daher gegen dieses Decret niht protestirt, jedoch hinsichtlich der bezüglichen Politik des Congostaats Erkundigungen eingezogen, und cs sei möglih, daß das Decret dem- nächst werde modificirt werden. Ein Decrett vom 25. Juli--—-1892-—sei der Regierung nicht mitgetheilt worden. Falls es nur Reglements gegen das uncontrolirte NAbschlachten von Elephanten enthalte, laufe es dem Geiste der Congo-Acte nicht zuwider. Hierauf erklärte der Premier Gladstone, daß er die zweite Lesung der Homerule-Bill vom 183. aufden 16. d, M. versWiebe! heute werde er eine Sißung für Sonnabend beantragen. Ein Antrag, für gestern dic Geschäftsordnung hinsichtlih der Vertagung der Debatte nach Mitternacht aufzuheben, wurde mit 264 gegen 179 Stimmen an- genommen. Im 1voeiteren Verlauf der Sißung bekämpfte Wolmer den Antrag auf Eintritt in die Speccialdebatte über den Heeres-Etat durch einen Unterantrag, worin erklärt wird, das gegenwärtige System der Militärverwaltung sichere weder die gehörige Sparsamkeit in Friedenszeiten, noch dic Wirksamkeit für die nationale Vertheidigung. Der Staats- secretär des Kricges Campbell -Bannermann ver: theidigie das jehige Heeressystem Englands und hob hervor, niemand in England würde daran denken, sih in cinen Kricg mit dem Festland cinzulassen; England bedürfe cines Heeres für Jndien, für die Colonien, zur Vertheidigung Englands und zu kleinen Expeditionen; cer sei bereit; wo sich Mängel im Heere zeigen sollten, solche abzustellen. Hierauf wurde cin Antrag auf Vertagung der Debatte mit 225 gegen 167 Stimmen abgelehnt und sodann der Unterantrag Wolmer’s ohne besondere Abstimmung verworfen.

Wie dic „A.-C.“ mittheilt, wird Sir M. Hicks-Bea ch zu dem Antrag auf zweite Lesung der Homerule-Bill den Antrag stellen, daß die Bill in sechs Monaten, vom Tage der Antragstellung an, zu lesen sei. Die Abstimmung über diesen Antrag, der einer Verwerfung der Bill gleichkommt, würde somit entscheidend für das Schicksal der Bill sein.

Die Commission zur Berathung der Frage wegen der vertriebenen Pächter hat dem Parlament nunmehr ihren Bericht vorgelegt. Darin wird vorgeschlagen, die Pächter wieder. in ihren Besiß einzuseßen, den Ankauf von Pachtgütern zu cerleihtern und einen Theil der rückständigen Pachtsummen aus öffentlichen Mitteln zu bezahlen.

Die ParnellitisheVereinigung in Dublin beschloß, cine Amnestie für die irishen Gefangenen zu beantragen, sowie Amendements zu dem auf die finanziellen Fragen bezüg- lichen Punkte der Homerule-Vorlage zu stellen.

Frankreich.

Bei der gestern fortgeschten Verhandlung des Panama- Prozesses äußerte sich zunachst Fontane auf Befragen des Präsidenten über die Stellung, die cer bei der Panama-Gesell- haft ecingenommen hatte, und crzählte sodann von den Schritten, die Blondin unternommen habe, um das von Baïhaut für die Einbringung der Panama-Vorlage ver- langte Geld (wie gestern mitgetheilt worden ist, hatte Baiïhaut cine Million verlangt, aber nur 375 090 Fr. befommen) zu crhalten. / Vaïhaut (der 1886 Bauten- Minister war) habe ihm crklärt, das Geld sei für die Interessen des Landes bestimmt. Der Präsident ging sodann zu .der Frage der anonymen Bons über. Fontane erflärte, die Bons seien bestimmt gewesen, die Kosten für die Veröffentlichungen zu decken ; andere hätten zur Bezahlung von Banditen gedient, die der Gesellschaft wie in einem Winkel des Waldes aufgelauert hätten. Der Präsident befragte sodann Baïhaut, \ der mit tief bewegter Stimme antwortete: Jh bin schuldig! Kein Wort kann «meine Reue und . meinen Schmerz ausdrücken! Jh verstehe selbst noch nicht, wie ih mich. habe so vergehen können. Jch bitte mein Land um Verzeihung, dessen guten Ruf ich viclleiht compromittirt habe! Baïhaut führte sodann aus, er habe auf Antrieb von Blondin gehandelt, der 75 000 Fr. zu- rückerhalten habe. Er (Baïhaut) habe den Betrag zurückgeben wollen, aber gefürchtet, sih zu verrathen. Baïhaut floß unter anhaltender Bewegung der Zuhörer mit Ausdrücken des Bedauerns und der Verzweiflung. Blondin bestritt, die 75000 Fr. erhalten zu haben; er habe nur im Juteresse der Panama-Gesellschaft ge- handelt. Die Aussage Baïhaut's bezeichnete er als cinen Auf- bau von Lügen. Sans-Leroy, der nah Baïhaut verhört wurde, führte Beschwerde darüber, daß er rücksichtslos ins Gefängniß geworfen worden sei, während man unterlassen habe, so viele andere gerichtlich zu verfolgen. Er betonte, daß er nic- mals Geld von der Panama-Gesellschaft erhalten habe. Die 200000 Fr., von denen die Anklage behaupte, daß er sie von der genannten Gesellschaft erhalten habe, rührten von der Mitgift seiner Frau her. Wenn er nicht früher eine darauf bezügliche Erklärung abgegeben habe, so sei das auf seinen Wunsch zurückzuführen, nicht eine Einstellung des CREOs gegen ihn, sondern ein ihn freisprehendes Urtheil herbeizuführen. Die Arton zugeschriebenen strafbaren Handlungen seien seiner Meinung nach in ihrer Bedeutung übertrieben worden. Der Angeklagte Béral räumte ein, von Reinach 40 000 Fr. an

‘Honoraren erhalten zu haben; er habe niht gewußt, daß

das Geld von der Panama-Gesellschaft herstamme. Dugué de la Fauconnerie betonte, daß er 25000 Fr. nicht für

scine Stimmabgabe, sondern für seine Betheiligung an dem Panama-Syndikat erhalten habe. Goléron sagte aus, daß durch den von ihm erhobenen Check eine Schuld Neinach’'s ausgeglihen worden sei. Prou s behauptete, daß er lediglich für feine Betheiligung an dem Panama-Syndikat einen Check erhoben habe. Darauf wurde die weitere Verhandlung auf heute vertagt.

Einer Meldung des „Figaro“ zufolge enthielte ein bei der Bank Offroy beshlagnahmtes und gestern zu den ‘Panama- acten genommenes Notizbuch Arton's die Namen mehrerer Deputirten, die bereits durch den Untersuchungsrichter Franqueville vernommen worden seien und befriedigende Er- klärungen abgegeben hätten. Uebrigens verlaute von einer neuen Untersuchung und von neucn gerichtlihen Verfolgungen.

Auf der internationalen Sanitätsconferenz in Dresden wird Frankreih durch seinen Geschäftsträger in München, Vicomte de Chaptal, und durch die Professoren Proust und Brouardel vertreten sein.

Rußland.

Das Amt eines Jnspecteurs der Cävallerie-Remonten und Cavallerie-Reserve-Brigadet ist laut Meldung des „W. T: B.“ neu geschaffen und dem General-Lieutenant Strukow, bisher Commandeur der ersten Garde-Cavallerie-Division, übertragen worden.

Die russishen Delegirten zu der internakionalen Sanitätsconferenz, Geheimer Rath Jonin, Delegirter bei der europäishen Donaucommission Ladijenski und Legations-Secretär Baron von Wrangel sind bereits nah Dresden abgereist.

Spanien.

Der General Blanco ist, ciner Meldung des „W. T. B.“ zufolge, zum Gouverneur der Philippinen ernannt worden.

Dem Vernehmen nah hat die Regierung infolge der Versicherung des Washingtoner Cabinets, in die St. Domingo-Angelegenheit nicht eingreifen zu wollen, dem bisher bei Haiti stationirten spanischen Kreuzer den Befehl zugehen lassen, die dortigen Gewässer zu verlassen. ___ Jn Barcelona sind die Wahlen zu Gunsten der Oppo- sition ausgefallen. Jn der Umgebung des dortigen Stadt- hauses hatten sih mehrere Tausend Nepublikaner angesammelt, welche wiederholt: „Es lebe die Republik!“ riefen. Das con- signirte Militär mußte einschreiten, um die Nuhe wiederherzu- stellen. Jn Valencia wurden drei Republikaner gewählt. An verschiedenen Orten der Provinz Guipuzcoa werden Wahlunruhen befürchtet, es wurden daher dic nöthigen Vorsichtsmaßregeln getroffen. i :

Luxemburg.

Die Regierung hat am 7. d. M,, wie ‘der „Köln. Ztg.“ mitgetheilt wird, der Kammer den Geseßentwurf über die Umwandlung der luxemburgischen Anleihen vorge- legt. Der Zinsfuß ‘wird darin von 4 Proc. auf 3/4 Proc. herabgeseßt. Außerdem wird der Zeitraum für die Tilgung der Anleihen, der ursprünglich mit dem Jahre 1915 zu Ende gehen sollte, bis zum Jahre 1947 hinausgeshoben. Der

habern von Anleihescheinen der 4 procentigen Anleihe von 1882 wird das Recht eingeräumt, ihre Titel gegen neue 31/9 procentige Titel umzuwandeln, wobci die näheren Be- dingungen erst durch großherzoglihen Beschluß festgestellt werden follen. [

Serbien.

Bei den Wahlen zur Skupschtina wurden, wie W. L. D meb M Belarad 2757 liberale Stimmen, 1034 radicale, 425 fortschrittlihe und 43 Stimmen von Wählern ‘ohne bestimmte Parteirihtung abgegeben; es sind demnah gewählt die Candidaten der Liberalen: Finanz - Minister Stojanowics, sowie die Kaufleute Stamankovics und Jokovics; der Rest: der Stimmen entfällt auf den Radicalen Pasic. Jn den Städten Sabac, Paracin, Pozarevac, Negotin, Jagodina, Zaicar, Leskovac, Smederevo, Prokuplje, Csupria, Loznica, Takowo, Vrania und Dobrinje siegten die liberalen Candidatèn. Bei den leßten Wahlen hatten nur Negotin und Prokuplje, wo jeßt der Unterrichts-Minister Gjonjewitsch gegen den General Leschjaniw siegte, liberal gewählt. Jn Sabac unterlag der frühere radicale Vice-Präsident der Skupschtina Jovanovics gegen den Liberalen. Fn Kragujevaß wurde ein Liberaler und cin Nadicaler gewählt. Jn Uzize siegten die Nadicalen. Die ersten Berichte über die Wahlen in den Landgemeinden melden cbenfalls einen Wahlsieg der Regierung.

Schweden und Norwegen.

Jn der gestrigen Sißung des Storthings wurden nach einer Meldung des „W. T. B.“ von der Nechten und den Gemäßigten folgende Vorschläge eingebraht: Das grund- gesebliche Recht Norwegens festhaltend, wie solches in der Adresse des Storthings vom 23. April 1860 ausgesprochen ilt, empfiehlt das Storthing , daß Verhandlungen mit der s{hwedischen Regierung cingeleitet werden, sowohl unter der Vorausseßung der Auflösung und der Ab- wickelung des gemeinsamen Konsulatswesens, als unter der Voraussezung ciner: Neform mit Aufrechterhaltung der bisherigen gemeinsamen Konsulate. Das Storthing glaubt nach. der Aeußerung der s{hwedishen Regierung in dem zu- sammengesehten Staatsrath vom 14. Januar 1893, daß Ver- handlungen aufgenommen werden sollen über eine befriedigende Ordnung der Behandlung [der diplomatischen Angelegenheiten auf der Grundlage der Selbständigkeit der beiden Neiche und der völlig durchgeführten Gleichberechtigung in der Union.

Amerika. Nach ciner Meldung des „Reuter hen Bureaus“ aus Washington hat der Präsident Cleveland den Vertrag über die Annectirung von Hawaii, der unter der Präsidentschaft von Harrison dem Senat unterbreitet worden war, zurückgezogen.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über ‘die gestrige Sizung befindet sih in der Ersten Beilage.

03, Sigung vom Freitag, 10. März, 1 Uhr. Der Sizßung wohnen bei der Königlich preußische Kriegs-

Minister von Kaltenborn-Stachau, der Königlich

Entwurf betrifft die Anleihen von 1859 und 1863. Den Jn-"

sächsishe Kricgs-Minister von der Planiß und der Königlich bayerishe Bevollmächtigte zum Bundesrath General-Major Ritter von Haag. H :

Die Berathung des Militär-Etats wird fortgeseßt beim Kapitel „Militär-Justizverwaltung“.

Aktg. Nichter (dfr.) erklärt zur Geschäftsordnung, taß er das- jenige, was er über Soldatenmißhandlungen vorzutragen habe, beim Kapitel „Geldverpflegung der Truppen“ vorbringen werde.

Abg. Hinze (dfr.): Es muß dem Neichstag darauf ankommen, zu erfahren, ob und wie weit die Militär-Justizverwaltung den Ursachen der Selbstmorde in der Armee nahgeht. Die Zahl der Selbstmorde gebt zwar zurück, ist aber absolut genommen immer noch sehr hoch. In 35 0%/6 aller Fälle ist die Urfahe des Selbstmordes nicht festzu- stellen gewesen. Beschränkt sih die Heeresverwaltung darauf, Bericht über die Selbstmorde cinzufordern oder veranlaßt sie die Organe der Hceresrechtspflege zu genaueren Untersuhungen? Außer allgemeinen Ürsachen find eine Anzahl solher vorhanden, die ledig- lih auf das Dienstverhältniß zurückzuführen sind: gekränktes Chrgefühl, Furcht vor Strafe und Unlust zum Dienst. Sind auch hierüber genauc Untersuchungen angestellt ? Das Motiv des gekränkten Ehr- gefühls findet \ih befonders- bei den Sclbstmorden von Chatgirten. Auffallend ift ferner die Thatsache, daß die große Mehrzahl der Selbstmorde der Gemeinen im ersten Jahre des Dienstes erfolgt. Auch über die Ergebnisse der hierüber angestellten Ermittelungen erbitte ich Auskunft. :

Königlich preußisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Gencral- Lieutenant von Spig: Die Zahl der Selbstmorde in der Armee corréspondirt im Verhältniß genau mit der Zahl der Selbstmorde in den Provinzen, aus denen die Truppen sich refrutiren. Daraus ift zu shlicßen, daß die Zahl der Selbstmorde von Ursachen ab- hängt, die niht mit dem militärishen Dienst zufammen- hängen. Die meisten Selbstmorde erfolgen aus Furcht vor Strafe erheblih mehr bei Chargirten als bei Gemeinen. Auch hieraus ergiebt sich, daß die Selbstmorde der Gemeinen auf schlechte Behandlung nicht zurückzuführen sind. Bei jedem Selbstmordfall findet eine genaue gerihtlihe Untersuchung statt mit Hinzuziehung auch eines Arztes, der über die Ursache gehört wird. Ein bedeutender Procentsay der Selbstmorde gehe auf gekränktes Ehrgefühl zurü. Durch die Bestrafung, die sie erlitten haben, ift ihre ganze Zukunft vernichtet, und sie ziehen es vor, in den Tod zu gehen. Gewiß fönnen weihcre Naturen, die eben zum Dienst eingestellt sind, dur den plötzlichen Wechsel in Gemüthsleiden verfallen ; fie bekommen Heimwch, können sich an den Commandoton nicht gewöhnen, und auch auf diese Weise wird mancher Selbstmord crklärlich. Nur 1,5 aller Selbstmorde fallen der \{lechten Behandlung zur Last. Die Abnahme der Zahl der Selbstmorde is zwar mäßig, aber stetig.

Abg. Freiherr von Gültlingen (Np.) wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Kunert. Glaube diefer ctwa, daß die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens das Vorkommen der von ißm erwähnten Schandthaten verhindern werde? Die Rich- tigkeit der von dem Abg. Kunert angeführten Zahlen müsse bezweifelt werden. Auch nach dem Militär-Strafgeseßbuch dürfte das höchste Maß mehrerer gleichzeitiger Verurtheilungen 15 Jahre nicht überschreiten. Mit einem Falle der Verurtheilung zu 17 Jahren dürfte es ‘also nicht ganz richtig sein. Erfreulih sei die Erklärung des General- Lieutenants von Spit, daß die Vorlage einer neuen Militär-Strafprozeß- ordnung im nähsten Jahre bevorstehe. Es sei zu wünschen, daß, was in Bayern sich bewährt habe, auch für das Deutsche Reich ersprieß- lich wirken werte. Schwierig sfsci die Sache allerdings; die militärische Disciplin in ihrer Besonderhcit müsse berücksichtigt werden. Aber der Neichstag werde diefer Besonderheit auch Rechiung tragen. Nedner. bedauert daun die niht ganz würdige Stellung, welche die Juristen als Auditcure in der Armee einnehmen, und empfiehlt eine anderweitige Organisation. s

Bei Schluß des Blattes hat der Abg. Hinze das Wort.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die gestrige Sißung befindet sich in der Ersten Beilage.

50. Sißung vom 10. März.

Der Sitzung wohnt der Minister der geistlihen 2c. Ange- legenheiten. Dr. Bosse bei.

Die dritte Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1893/94 wird fortgeseßt, und zwar beim Etat des Cultus-Ministeriums:

Beim. Kapitel „Ministerium“ weist

Abg. von Czarlinski (Polé) darauf hin, daß der Rector Spohn in Löbau die polnishen Kinder mit der Peitsche gezüchtigt und „polnische Hunde“ genannt habe. Eine Beschwerde beim Minister sei zurückgewiesen und der Rector als ein befonnener Lehrer bezeichnet worden, dem so ctwas nicht zuzutrauen sei. Der Rector habe gegen den Nedner die Privatklage erhoben; der Beweis der Wahrheit fet angetreten und. der Redner freigesprohen worden. Redner erklärt, daß er dics nur vorbringe, um den Behauptungen der Polen mehr Glauben zu verschaffen.

Minifterial-Director Dr. Kügler: Die Sache ist noch nicht rechtsfräftig entschieden; sobald dies gefchchen fein wird, wird der Minister die erforderlichen Schritte thun.

Abg. Dr. Graf- Elberfeld. (nl.) tritt für die Reform des Medizinalwesens ein, die dringend nothwendig sei, namentli wenn ein Neichs-Seuchengesetz geschaffen würde, zu dessen Ausführung es jeßt an den nöthigen ärztlichen Behörden fehle.

Min'sterial-Director Dr. Barth: Der Minister ift tief durch- drungen von der Nothwendigkeit einer Reform des Medizinalwesens. Ein vollständiger Plan dafür ist bereits 1885 aufgestellt worden; cer liegt jeßt in unseren Acten. Ein Theil davon, die Schaffung. der Aerztekanuncrn, ist bereits in die Praxis umgeseßt worden. Der Minister ist au bemüht, die Stellung der Kreisphysiker fortgefeßt zu verbessern. Der Finanz-Minister if im Princip ebenfalls voll« ständig mit dem Cultus-Minister einverstanden, aber bei der gegen- woârtigen Finanzlage läßt fich wenig machen.

Abg. Graf Clairon d'Haussonville (conf.): Die Aus- lassungen der Abgg. voa Minuigecode und von Heydebrand über die Lage der Volksschullehrer find von der freisinnigen Presse in der be» kannten Weise ausgebeutet worden; man schob den MNednern - unter, daß sie meinten, die Volksschullehrer hätten genug; man brauche für sie nichts mzhr zu thun. Diese Auffassung ijt durhaus unzutreffend. In der Steuercommission ist bereits beschlossen worden, einen Theil des Vorschlages der Regierung anzunehmen, und gewisse Summen für die Lehrer zur Verfügung zu stellen. Wo bleibt da das angebliche conservative Mißwolleu gegenüber den Lehrern ?

Bei Schluß des Blattes nimmt der Abg. Freiherr von Minnigerode das Wort.

D

In der Militärcoimission des Neichstags kaum es heute zur Abstimmung. Abg. von Bennigsen hatte feinen früher zu & 2 gestellten Antrag, die 173 neuen vierten Bataillone unter der Bezeichnung „Ersay: Bataillone“ zu bewilligen, zurückgezogen, beantvagte dagegen heute, dem § 2 dec Militärvorlage folgenden Abfay anzu- fügen: „Die unter 711 Bataillonen befindlihen Bataillonsstämme werden nur so lange formirt, als die Dauer des Dienstes bei der Fahne für die Mannschaften der Fußtrupyen auf zwei Jahre fest= geseut ist.* Es wurde fofort zur Abstimmung über § 2 (Zahl der Cadres) geschritten. Die 711 Bataillone Infanterie wurden gegen 9 Stimmen abgelehnt; 477 Gscadrons Cavallerie wurden ebens falls abgclehnt gegen 7 Stimmen; 494 Batterien Feld-Artillerie gegen 9 Stimmen, 37 Bataillone Fuß-Artillerie gegen 6 Stimmen, 24 Bataillone Pioniere gegen 6 Stimmen, 7 Bataillone (ifenbahntruppen

gegen 9 Stimmen, 21 Bataillone Train cbensalls gegen 9 Stimmen