1893 / 66 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

E M E E

Am 16. d. M. ift im Neichs-Justizamt eine Commission von Sachverständigen aus Handels- und Schiffahrtskreisen zur Berathung von Grundzügen eines Geseßes über die privatrechtlihen Verhältnisse der Binnenschiff- fahrt zusammengetreten. Außer Vertretern der betheiligten Ressorts nehmen an den Berathungen theil die Herren : Ahlers, Mitglied der Handelskammer in Hamburg, Arnholt, Commerzien-Rathin Berlin,Dr. Boisselier, Syndikus der Handels- fammer in Bremen, Bumke, Director der Schleppschiffahrts- Actiengesellschaft in Bromberg, Collenbush, Commerzien-Rath in Dresden, Dr. Hatscheck, Syndikus der Kaufmannschaft in Magdeburg, Heuser, Vorsißender der Handelskammer in Köln a. Nh., Dr. Landgraf, Syndikus der Handelskammer zu Mannheim, Leroy, Director der Preußish-Nheinishen Dampf- Tchiffahrts-Geselischaft in Köln, Lindenmeyer, Director der Bayerisch - Pfälzishen Dampfschleppschiffahrts - Gesellschaft in Ludwigshafen a. Rh., Melchers, Director der Rhederei-Gesell- shafi H. A. Disch, Mitglied der Handelskammer in Mainz, Philippi, Director der Actiengesellschaft „Kette“ in Dresden, Stoecklein, Schiffsbesizger und Spediteur in Bamberg, Strochler, Eisenbahn- und Schiffahrts-Director a. D. in Berlin, Tonne, Schiffsrheder, Hauptmann a. D. in Magdeburg, Ulrih, General-Secretär des internationalen Transport- versicherungsverbandes und Director des Germanischen Lloyd in Berlin.

Die Verhandlungen werden in Vertretung des erkrankten Staatssecretärs des Neichs-Justizamts von dem Director in diesem Neichsamt Gutbrod geleitet; sie werden vorau€- sihtlih noch mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Die Commission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Geseßbuchs für das Deutsche Reich crledigte in den Sißungen vom 183. bis 15. März zunächst den Nest der Vorschriften über die Er- sißung (S8 881 bis 889). Die Vorschriften der §8 885 bis 887 über die Unterbrehung der Ersißzung wurden mit cinigen nicht erheblihen Aenderungen nah dem Entwurf an- genommen. Gestrichen wurde der Schlußsaß des 8 885 Abs. 3, daß im Falle unfreiwilligen Verlustes des Besißes die Zeit von dem Verluste bis zu der (zeitlih begrenzten) Wiedererlangung des Besißes in die Ersißungszeit nicht einzurehnen sei. Ein Antrag : als § 887 a die Vorscrift aufzunchmen, daß, wenn der Besiy dreißig Jahre gedauert hat, der Erwerb des Eigenthums durch den Mangel des guten Glaubens in der Person des Besißers nicht ausgeschlossen werde, fand keine Zustimmung. Der 888, der die Ersißung von Erbschafts\sachen durch den Erbschaftsbesißer gegenüber dem wirklihen Erben ausschließt, gelangte mit der Beschränkung zur Annahme, daß, wenn der Erbschaftsanspruch verjährt ist, der Erbschaftsbesizer sich auch dem Erben gegenüber auf die Ersißung berufen kann. Hinzu- gefügt wurde die Vorschrift, daß, wenn der Erbschafts- besißer eine Sache als zur Erbschaft gehörig besessen hat, dessen Besiß zu Gunsten des Erben in die Ersizungs- zeit eingerechnet werden soll, und zwar auch dann, wenn der Erbschaftsbesizer sih nicht für den Erben gehalten, aber in gutem Glauben angenommen hat, daß die Sache zur Erb- schaft gehöre. Die Vorschriften des § 889 über die Wirkung der Ersißung in Ansehung der sonstigen an der Sache be- stehenden Rechte Dritter erfuhren sahlich keinen Widerspruch. Der von ciner Seite beantragte Zusaß, daß, wenn der Be- fißer das Eigenihum anderweit erworben hatte, die Nechte Dritter nah Maßgabe des § 889 mit dem Zeitpunkt erlöschen, in welchem die Ersizung cingetreten wäre, wenn der Besißer nicht hon vorher das Eigenthum erworben hätte, wurde als entbehrlih abgelehnt.

Die Berathung wandte sih sodann den Vorschriften über Verbindung, -Vermishung und Verarbeitung (S8 890—897) zu. Gegen den sahlichen Jnhalt der SS 890—892 über Verkindung und Vermischung erhob sich kein Widerspruch. Anlangend die Vorschriften der 88 893, 894 über den Eigenthumserwerb durch sogenannte Specisi- cation, wurde abweichend von dem Entwurfe, der dem Ver- fertiger der neuen Sache abgesehen von dem im §& 894 besonders geregelten Falle der Bearbeitung einer Sache durch Drucken, Zeichnen, Malen, Graviren und dergleichen ohne Rücksicht auf das Werthverhältniß zwishen Arbeit und Stoff das Eigenthum an der neuen Sache zuschreibt, beschlossen, daß der Eigenthumserwerb durch Specification aus- geschlossen sein soll, wenn der Werth der Verarbeitung oder der Umbildung hinter dem Werth des Stoffs erheblich zurück- bleibt. Verschiedene Anträge, die den Eigenthumserwerb dcs Verfertigers der neuen Sache auch dann auszuschließen bc- zweckten, wenn der Verfertiger den fremden Stoff im Be- wußtsein der Widerrechtlichkeit verwendet habe, oder doch wenigstens in solchen Fällen, in denen der Ver- fertiger den fremden Stoff durch cine strafbare Hand- lung erlangt habe, fanden niht die Zustimmung der Mehrheit. Einvernehmen bestand, den § 894, der von den Fällen der Bearbeitung einer Sache durch Drucken u. st. w. handelt, dahin zu verdeutlichen, daß die Vorschrift auch den Fall der Schrift auf fremdem Material umfasse. Die Vorschriften des § 895 über den Einfluß der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung auf die sonstigen earenaied Rechte an der Sache wurden nah dem Entwurf angenommen. Dagegen wurde der 8 896, welher in An- schung solcher Rechte den Fall besonders regelt, wenn der- jenige, der nah den §8 890 bis 894 das Eigenthum an einer Sache erwerben würde, schon Eigenthümer war, als entbehrlich gestrichen. Gegen den sachlichen Jnhalt des § 897, der demjenigen, welcher nath den §8 890 bis 895 einen Rechtsverlust erleidet, gegen den dadur Bereicherten einen Anspruh auf Heraus- gabe der Bereicherung gewährt, erhob sih kein Widerspruch. Die Vorschrift soll aber dahin verdeutliht werden, daß auf Grund der Vorschriften über die Erstattung einer ungerecht- fertigten Bereicherung nur Werthvergütung, niht Wiederher- stellung des früheren Zustandes 739) verlangt werden kann.

Der 898, welcher die E über den Erwerb des Eigenthums an Erzeugnissen und ähnlichen Bestandtheilen ciner Sache (§8 898 bis 902) durch die grundsäßliche Vorschrift einleitet, daß Bestandtheile einer Sache, insbesondere deren Erzeugnisse, auch nach der Trennung dem Eigenthümer der Sache gehören, erfuhr feine Anfechtung, cbensowenig die Vorschrift des § 899 Abs. 1 über den Fruchterwerb desjenigen, dem ein (dingliches) Nußungsrecht an einer fremden Sache zusteht. Der Abs. 2 des S 899, der von der Regel des Abs. eine Ausnahme ju Gunjten des redlih besißenden Eigenthümers bestimmt, wurde

gestrichen, da diese Ausnahme {on aus den Vorschriften des S 900 über den Fruchterwerb des redlichen Besigers abgeleitet werden könne. Der Grundsaß des § 900, daß der (juristische) Besitzer einer fremden Sache die Früchte mit deren Trennung von der Hauptsache erwirbt, wurde unter Ausdehnung auf denjenigen gebilligt, der eine fremde Sache zwar nicht als ihm gehörig, aber als seinem Nuzungsreht (Nießbrauch u. \. w.) unterliegend besißt. Der Fruchterwerb soll aus- geschlossen sein, wenn der Besißer bei dem Erwerb des Besißes gewußt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt hat, daß ihm cin Reht auf Fruchtziehung nicht zustehe, oder wenn er später Kenntniß davon erlangt (S8 900 Nr. 1). Die im S 900 Nr. 2 für den Fall bestimmte weitere Ausnahme, wenn der Besizer den Besiß durch eine strafbare, wenn auch nur .auf Fahrlässigkeit beruhende Handlung erworben hat, wurde gestrihen, ebenso die im § 900 Nr. 3 zu Gunsten eines anderen Nuzungsberechtigten bestimmte Nus- nahme. Die Ausnahme im § 900 Nr. 2 hielt man nit für gerechtfertigt, die unter Nr. 3 zwar für richtig, aber einer speciellen geseßlichen Entscheidung nicht für bedürftig. Eine Ergänzung erfuhr der Bitt durch die Bestimmung, daß die Vorschriften des § 882 Abs. 2 und des 8 885 Abs. 3 über die Einrehnung der Zeit zwishen dem Tode des Erblassers und der Besigergreifung durch den Erben sowie der Zeit zwischen dem unfreiwilligen Verlust des Besihes und dessenWiedererlangung in die Ersißungszeit auf den Fruchterwerb des redlichen Be- sißers entsprechende Anwendung finden sollen. Die Vorschriften der S8 901, 902 über den Fruchterwerb desjenigen, der kraft obligatorischen Rechts nußungsberechtigt ist, wurden nicht be- anstandet.

Die S8 903—909 über den Erwerb des Eigenthums an beweglichen herrenlosen Sachen durch Zueignung gelangten im wesentlihen nah dem Entwurf zur Annahme. Zu ciner ausführlihen Erörterung gab nur der § 903 Abs. 2 Ver- anlassung, der bestimmt, daß das Eigenthum an einer herrenlosen beweglihen Sache durch Zueignung nicht er- worben wird, wenn die Zueignung geseßlich verboten ist oder das Zueignungsreht eines Anderen verleßt. Von ciner Seite war beantragt, den Abs. 2 durch die Vora U asen, daß, wenn lemand cine Sache in Besip nimmt, die dem ausshließlichen Zueignungsrechte eines Anderen unterworfen ist, der Bueignungs- berechtigte das Eigenthum erwirbt. Eine andere Auffassung ging dahin, daß in einem solhen Falle derjenige das Eigen- thum erwerbe, der die Sache in Besiß nehme, ihm gegenüber aber troß des Eigenthumserwerbs der Zueignungsberechtigte von dem Rechte der Zueignung Gebrauh machen könne. Von dritter Seite war die Streichung des Abs. 2 beantragt, da nah den Art. 43, 45 des Entwurfs des Einführungs- geseßes die Vorschriften der Landesgeseße über Jagd und Fischerci sowie über dic Regalien unberührt bleiben sollten, mithin auch für die Frage des Eigenthumserwerbs in dem in Nede stehenden Falle die Landesgeseße maßgebend sein müßten. Die Mehrheit entschied sih jedoch unter Ablehnung der An- träge für den Entwurf, und zwar in dem Sinne, daß in den Fällen des § 903 Abs. 2 die in Besiß genommene Sache herrenlos bleibe. Zugleich wurde beschlossen, dem Art. 43 des Entwurfs des Einführungsgeseßes hinzuzufügen, daß die Vor- rift des § 903 Abs. 2 einer Aenderung durch die Landes- geseßgebung nicht unterliege. Zu 8 905 Abs. 2, der bestimmt, daß gefangene wilde Thiere herrenlos werden, wenn sie die natürlihe Freiheit wieder- erlangen, ergab sich eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob diese Vorschrift auch auf solhe Thiere zu beziehen sei, die in Deutschland niht in natürliher Freiheit vorkommen. Ein Antrag, derartige Thiere von der Vorschrift des § 905 Abs. 2 auszunehmen, wurde abgelehnt; dagegen wurde beschlossen, den Abs. 2 dahin zu fassen, daß gefangene wilde Thiere herrenlos werden, wenn sie die Freiheit wiedererlangen und der Eigen- thümer sie niht unverzüglich verfolgt, oder er die Verfolgung aufgiebt. Die besonderen auf Bienen sich beziehenden Vor- schriften der §8 906 bis 909 erfuhren keine Anfechtung.

Von den Vorschriften über gefundene Sachen (88910 bis 928) wurde noch der §910 erledigt, der in den Abs. 1, 2 die Anzeigepflicht des Finders, im Abs. 3 die Bekanntmachung des Fundes durh die Polizeibehörde des Fundorts regelt. Der Abs. 3 wurde gestrichen. Jm übrigen fand der sachliche Jnhalt des § 910 Zustimmung.

Der commandirende General des Garde-Corps, General der Jnfanterie Freiherr von Meerscheidt-Hüllessem feiert am 21. d. M. sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Geboren am 15. Oktober 1825 zu Berlin, trat er 1843 beim damaligen 21. Jnfanteric-Negiment ein, wurde 1845 Offizier, 1857 Premier-Lieutenant, 1859 Hauptmann im 24. Regiment und 1860 bei der Reorganisation der Armee ins 64. Regiment versezt. Als Compagnie-Chef nahm er mit Auszeichnung im Kriege gegen Dänemark an dem Sturm auf die Düppeler Schanzen theil; als Major und Bataillons-Commandeur im 4. Ostpreußischen Grenadier - Regiment Nr. 5 focht er mit dem [. Armee - Corps in Böhmen, und als Führer, feit 18. Januar 1871 als Oberst und Commandeur des 5, Den Infanterie-Regiments Nr. 41 war er im französischen Feldzuge an den Schlachten vor Meß und im nördlichen Frankreich betheiligt. 1872 wurde der Oberst Frei- herr von Meerscheidt als Commandeur des 3, Garde-Grenadier- Regiments Königin Elisabeth in Spandau zum Garde-Corps verseßt. 1874 erhielt er das Commando der 11. Infanterie-Brigade, 1875 dasjenige der 4. und später dasjenige der 2. Garde- Jnfanterie-Brigade. Jm Jahre 1880 vorübergehend Com- mandant von Berlin, wurde er noch in demselben Jahre mit der Führung der 30. Division in Meß beauftragt, 1881 zum General-Lieutenant befördert und 1882 zum Commandeur der 28. Division in Karlsruhe ernannt. Jm Jahre 1886 an die Spize des Y. Armee-Corps in Posen gestellt, wurde er 1888 zum General der Jnfanterie befördert - und kurz darauf als Nachfolger des General-Obersten der Jnfan- terie von Pape zum commandirenden General des Garde- Corps ernannt. Jm Jahre 1888 war der General Freiherr von Meerscheidt Vorsißender der zur Bearbeitung des Exercir- Reglements für die Jnfanterie berufenen Commission. Außer den für Auszeichnung vor dem Feind erworbenen Decora- tionen: dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse, dem Rothen Adler-Orden dritter und dem Kronen-Orden dritter Klasse mit Schwertern, sowie vielen anderen preußischen und fremdherrlichhen Orden, besißt der Jubilar auch den hohen Orden vom Schwarzen Adler mit der Kette. Dem 5. Ost:

preußischen Jnfanterie-Regiment Nr. 41 wurde vor einigen Jahren die Chre ju theil, seinen ruhmvollen Führer während des Krieges 1870/71 als Chef zu erhalten.

Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Meiningen, General-Lieutenant und Commandeur der 2. Garde-Jnfanterie- Division, hat sich mit vierwöchigem Urlaub nah Jtalien be- geben.

Der Jnspecteur der 1. Cavallerie-Juspection, General der Cavallerie von Krosigk hat Berlin verlassen.

__ Staatssecretär Dr. von Stephan wird sih auh in diesem Jahre während der Osterferien nach Karlsbad begeben.

Wiesbaden, 16. März. Der XXVII. Communal|- Landtag des Regierungsbezirks Wiesbaden wurde, wie bereits gemeldet, gestern Mittag 12 Uhr durch den König- lichen Landtags-Commissarius Negierungs-Präsidenten von Tepper-Laski mit einer Ansprache eröffnet.

Nachdem der Appellationsgerichts-Vice-Präsident a. D. Dr. Bertram zum Alters-Präsidenten proclamirt worde: war, übernahm dieser den Vorsiß und brachte ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus, worin die Versammlung lebhaft einstimmte.

Demnächst wurde der Vorstand des Landtags mit Acclamation gewählt. Der zum Vorsißenden gewählte Justiz- Rath Hilf theilte darauf die Vorlagen für den Communagl- Landtag mit und beraumte die nächste Sißung auf Donners- tag, den 16. d. M., Vormittags 11 Uhr, an.

Jn dieser Sißung wurde nach einigen geschäftlichen Mit- theilungen des Vorsißenden zunächst in die Prüfung der Com- munal-Lan®3tagswahlen eingetreten. Diese wurden sämmtlich für gültig erklärt.

Demnächst wurden die Mitglieder der gebildeten Com- missionen: Finanzcommission, Wegebaucommission, Eingaben- commission, Nehnungsprüfungscommission mit Acclamation gewählt und die Eingänge den Commissionen zugetheilt.

Köln, 16. März. Der Cardinal Kremenßtz i} heute Mittag hier eingetroffen. Das Festcomité war ih bis Koblenz entgegen gereist. Am Bahnhofe waren die Spißen der städtishen Behörden und des Klerus zur Begrüßung anwesend und geleiteten hierauf den Cardinal in feierlihem Zuge in den prächtig decorirten Dom, woselbst ein Tedeum stattfand und der Cardinal cine Ansprache hielt. Vom Dom bewegte sih der Zug nah dem erzbischöflihen Palais. ‘Jn den Straßen, durch die der Zug passirte, bildeten Vereine und Corporationen Spalier. Die Häuser waren rei beflaggt.

Sachsen.

ZU Ehren der Delegirten zur internationalc: Sanitäts-Conferenz fand gestern bei dem österreichisch: ungarischen Gesandten Grafen Chotek cin Diner statt, woran, wie „W. T. B.“ meldet, außer den Delegirten noh Seine Königliche Hoheit der O Friedrih August, die Mit- glieder des diplomatishen Corps und die Staats-Minister theilnahmen.

Württemberg.

Die Kammer der Abgeordneten hat, wie der „St.-A. f. W.“ berichtet, in ihrer gestrigen Sißzung das Gescy über die Steuerbefreiung neubestockter Weinberge angenommen.

Mectlenbnurg-Schwerin.

Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin Maric und Jhre Hoheit die Herzogin Elisabeth begeben sich heute Mittag, wie die „Mel. Nachr.“ melden, zu mehrtägigem Aufenthalt nah Kiel, wo Höchstdieselben im Schlosse ab- steigen.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Seine Kaiserlihe Hoheit der Großfürst Konstantin KFonstantinowitsch, der vorgestern aus St. Petersburg ab- gereist ist, wird der „Th. C.“ zufolge zum Besuch Zhrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin in Weimar erwartet. Höchstderselbe gedenkt am Sonnabend und Sonntag dort zu verweilen.

Braunschweig.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, hat si gestern Nachmittag in Begleitung des persönlihen Adjutanten Obersten von Mißlaff und des Flügel-Adjutanten, Nittmeisters von Krosigk nah Berlin begeben.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser ist gestern Abend kurz e 9 Uhr wieder in Wien eingetroffen. Ein zahlreihes Publikum begrüßte Allerhöchstdenselben am Bahnho] der Westbahn und in der Straße Mariahilf mit stürmischen Hochrufen.

Jm ungarischen Unterhause kündigte gestern der Abg. Pazmandy eine Jnterpellation über die angebli) scitens der ungarischen Negierung im Jahre 1884 beim Vatikan unternommenen Schritte an, die er am Schlusse der Sißung motiviren werde. Das Haus seyte hierauf die Berathung des Budgets des Cultus- Ministeriums fort. Bei der Debatte erklärte Graf Apponyi, wenn die kirchenpolitishen Vorlagen der Negierung zweckentsprechend seien, würden sie seine Unterstüßung finden, sonst nicht. Die Ausübung eines Zwanges auf die ial R zu Statistendiensten für die Regierung könne man von ihm niht erwarten. Die Regierung sei verpflichtet, die “ange kündigten Geseßentwürfe baldigst einzubringen. Die liberale Auffassung in Ungarn sei keineswegs an die Existenz eincs bestimmten Ministeriums gebunden. Nach Beendigung der Debatte kam es zu einem es Zwischenfalle zwischen dem Präsidium und mehreren der Opposition angehörigen Abgc- ordneten, die behaupteten, die A des Debattîc- {lusses niht gehört zu haben. Der Abg. Julius Horvath wurde hierbei zur Ord nung gerufen. Der Abg. Pazmandy motivirte sodann seine Jnterpellation. Der Minister- räsident Dr. Wefkerle erwiderte, die Siering fühle- sih nicht be- rufen, sich eingehender mit der Sache zu befassen. Der Minister

des Auswärtigen Graf Kälnoky respectire die Rechte Ungarns und gehe in inneren Angelegenheiten nur 2 den Wunsch der betreffenden Regierung vor. Zur Angelegenheit selbst erklärte der Minister-Präsident, am 24. März 1884 sei ein Privat- schreiben ohne amtliche Signatur und Nummer an den Bot- schafter beim päpstlihen Stuhle Grafen Paar abgegangen, das niht bezweckt habe, eine Unterstüßung zu erbitten, sondern einen informativen Charakter gehabt und be- sagt habe, der päpstlihe Stuhl möge auf die leciden- \chaftlihe Haltung des Klerus mäßigend cinwirken. Das Schreiben sei auf ein mündlihes Ersuchen des damalinen Unterrichts - Ministers Trefort abgegangen. Ein Verkehr mit dem heiligen Stuhle in Angelegen- heiten, welche die religiösen Gefühle der Katholiken beträfen, könne nicht beanstandet werden, es bedeute ein solcher nicht dic Gestattung ciner Einmischüng in innere Angelegenheiten des Reichs. Auch andere Staaten hätten diese Intervention in größeren Fragen angerufen, ohne daß die betreffenden Staatsmänner deshalb der Preisgebung des Landes bezichtigt worden seien. Das betreffende Actenstüc vorzulegen, sehe er keine Veranlassung. Was die angeblich damals er- folgte Entsendung einer höheren politischen Persönlichkeit nach Rom behufs Jutervention zu Gunsten der Negierung angche, so sei ihm davon absolut nichts bekannt. Die Antwort des Minister-Präsidenten wurde von dem Hausc cinstimmig zur Kenntniß genommeu.

Das Stadtverordneten-Collegium von Prag hat einstimmig beschlossen, bei der Regierung um die sofortige Aufhebung des Stremayr’schen Sprachenerlasses vom ò. Dezember 1892 zu petitioniren.

Großbritannien und Jrland.

20D Gat e D O beri an einem heftigen Jnfluenzaanfall erkrankt, der ihn nöthigt, das Bett zu hüten: Gladstone ist beinahe ganz wiederhergestellt ; er ließ sich nach Salisbury’s Befinden erkundigen.

Im Unterhause erklärte gestern der Parlamentssecretär des Colonialamts Buxton, die Regierung weigere sich nicht, Herrn Vanlann die Erlaubniß zu einer detaillirten Vermessung zum Bau eines Hafens bei Sordwana und ciner Eisenbahn von dort nah Swaziland zu ertheilen. Die Frage über die Aus- führbarkeit des Unternehmens und die finanzielle Sicherheit Vanlann's habesie jedo an den Kronagenten zur Berichterstattung verwiesen, ohne vorher eine detaillirte Vermessung zu verlangen. Vanlann habe sich bis jeßt noch niht an den Kronagenten gewandt. Eine Abtretung der Sordwanabay an Transvaal jei niht beabsihtigt Ferner sei eine präliminäre Vermessung hinsihtlich der besten Route für cine oder mehrere Eisenbahnen in der Colonie an der Goldküste angeordnet. Der Staats- secretär des Krieges Campbell-Bannerman erwiderte auf cine Anfrage, die Flottenbehörden und Militärbehörden hätten ihre Ansichten über den Kanaltunnel bisher nicht geändert. Vei der Berathung des Budgets des Kriegs- Ministe- riums erklärte der Staatssecretär des Krieges, die Frage, ob die Kosten für die nach Egypten gesandten Truppenverstär- fungen von England oder Egypten zu tragen scien, sei eine schr wichtige, sie sei aber noch nicht völlig erwogen worden. Bei der Debatte über den Nachtragscredit für das Münzwesen hob der Kanzler der Schaßkammer S W Harcourt hervor, die Erklärungen Wilson's auf der Brüsseler Münzconferenz würden von der RNegie- ‘ung völlig gebilligt. Falls jedoch je eine neue Conferenz zusammenträte, würden die englishen Delegirten hin- sihtlih der Frage des Bimetallismus definitive Înstructionen erhalten, dahin gehend, daß die Ansichten der englischen Re- gierung in der Resolution enthalten seien, die vor wenigen Wochen im Unterhause mit großer Majorität angenommen worden sei.

Der Herzog von Abercorn, Lord Londonderry und andere hervorragende Persönlichkeiten haben cinen Aufruf er- lassen, worin zur Organisation ciner Defensiv-Liga gegen die Homerule-Bill aufgefordert wird.

Aus Jrland theilt die „A. C.“ weitere Manifesta- tionen gegen die Homerule-Bill mit. Auf ciner am Dienstag in Dublin abgehaltenen Versammlung der General- Synode der Kirche von Jrland protestirten von 1229 Kirch- sprengeln 1190 gegen die Bill. Auch die katholischen Unionisten betheiligen sich lebhaft an der Agitation gegen Homecrule. „In einem vorgestern von katholischen Laien veröffentlichten Manifest werden die Katholiken aufgefordert, eine Petition zu unterzeihnen, worin sie erklären, daß sie volle bürger- liche und religiose Freiheit besäßen, daß das fernere Besiehen der Union die einzige Sicherheit für diese Freiheit sei, und daß die Homerule-Bill nur cinen nachtheiligen Einfluß auf ihre n haben könne und Jrland clbst nur Schaden bringen werde.

Frankreich.

it De gestrigen Sißzung der Deputirtenkammer erklärte nach cinem Bericht des „W. T. B.“ der Minister- Präsident Ribot, der „Gaulois“ habe in seiner gestrigen Nummer mitgetheilt, er (Ribot) habe Cottu bitten lassen, den Namen einer bekannten Persönlichkeit, die cinen Panama- Che erhoben habe, nicht zu nennen, indem er (Nibot) ver- sprohen habe, sich für sein Schweigen dankbar zu er- weisen. Er habe von einem Gerücht Kenntniß erhalten, wonach die betreffende Persönlichkeit der Botschafter ciner befreundeten Macht sei. Diese Behauptung sei eine s{chma- volle Verleumdung. Es sei ferner erzählt worden, daß der Namen der betreffenden Persönlichkeit während der Verhandlung des Schwurgerichts erwähnt werden solle. Er (Nibot) habe sich an den Vorsteher der Körperschaft der Advocaten gewandt und ihm gegenüber erklärt, bevor man in solcher Weise Aergerniß er- rege, sollte man sih doch gegenwärtig halten, daß man sranzose sei. (Beifall.) Der Vorsteher der Körperschaft der Advocaten habe darauf mit dem Vertheidiger Cottu's ge- sprochen, der erklärt habe, daß er niemals eine solche Ab- sicht gehabt habe, da die in Rede stehende Persönlichkeit der Panama- Angelegenheit durchaus fernstehe. (Beifall.) Diese Zckuttheilung, die geheim hätte bleiben sollen, sci heute den Blättern zugestellt worden, in denen sie entstellt worden sei. Diese Vorgänge seien schmahvoll. Er hoffe, daß der Dis- ciplinarrath die erforderlihen Maßnahmen zu treffen wissen werde, um die Würde der Körperschaft der Advocaten zu wahren. (Beifall links.) Hierauf kündigte Barres (Bou- langist) eine Interpellation an über die Mittheilung der heutigen Morgenblätter, daß Loubet seiner Zeit Soinoury be- auftragt habe, sih die Namen von Deputirten der Rechten, die in die anama-:Angelegenheit verwickelt seien, zu ver- schaffen und Arton entfliehen zu lassen. Die Berathung der

Interpellation wurde auf cinen Monat vertagt. Eine Juter- |

pellation des Deputirten Chiché über die Beweggründe, die den . Finänz-Minister Tirard dazu geführt hätten, im Senat in die Trennung der Getränkesteuer-Reform von dem Budget für 1893 zu willigen, beantwortete dieser mit dem Hinweis darauf, daß er die Trennung im Senat bekämpft habé, daß er aber hließlich niht habe umhin können, seinen Standpunkt gegen- über den einmüthigen Anschauungen des Senats aufzugeben. Jamais und Salis forderten die Aufrechterhältung der Getränkesteuer-Reform und beantragten cine in diesem Sinne abgefaßte Tagesordnung. Der Finanz-Minister Tirard und der Minister-Präsident Ribot verlangten dagegen Uebergang zur cinfahen Tagesordnung. Die einfahe Tagesordnung wurde hierauf mit 282 gegen 245 Stimmen angenommen.

Die Organe der Opposition greifen Ribot auf das heftigste an, der zu seiner Vertheidigung den Botschafter einer befreundeten Macht in leichtfertiger und überflüssiger Weise Erörterungen preisgegeben habe. Der Vorsißende der Advocatenkammer Du Buit hat an den Minister-Präsidenten Nibot ein Schreiben gerichtet, worin er gegen die Be- schuldigung der Jndiscretion, die Ribot von den Tribünen der Kammer herab gegen die Mitglieder der Advocatur er- hoben habe, entschieden Verwahrung einlegt und erklärt, Nibot habe nicht daran gedacht, daß weder Herr noch Frau Cottu zur Ver- \hwiegenheit verpflichtet gewesen seien, und daß letztere von der in ihrer Umgebung organisirten Spionage erfahren habe. Du Buit s{ließt, er werde ähnlihe Angriffe auf den Advo- catenstand niht mehr dulden. Drei Advocaten, darunter zwei oppositionelle Abgeordnete, haben gegen Ribot, welcher der Advocatur angehört, Disciplinarklage beim Vorsißenden der Advocatenktammer erhoben.

Andricux erklärte auf Befragen einem Berichterstatter gegenüber, cs habe sich niemals ein Mitglied des diploma- tishen Corps auf der Liste des Barons Reinach befunden.

Mehrere Morgenblätter von heute meinen, der Gedanke der Kammerauflösung gewinne in der Kammer immer mehr Terrain.

Der gestrigen Verhandlung in dem Panama-B e- stehungsprozeß wohnte wiederum cin zahlreihes Publikum bei. Der Advocat Barboux eröffnete die Vertheidigungs- reden; er hob besonders hervor, daß die Unterzeichner der Panama-Anlehen mit den gerichtlihen Verfolgungen durchaus nicht einverstanden seien und namentlih ihr Vertrauen zu Lesseps nicht verloren hätten. Er schilderte die Lage der Panama-Gesellshaft im Jahre 1885; damals seien alle Handelskammern der Ansicht gewesen, daß der Kanalbau fortgeseßt werden müsse. Dazu sei es nöthig gewesen, die Genchmigung des Gesecgentwurfs zur Ausgabe der Obligationen durch ein Votum der Kammern zu erlangen und sih den Forderungen Baïhaut's und Genossen zu unter- werfen. Jm weiteren Verlaufe seines Plaidoyers hob Bar- boux den Mangel an Zusammenhang innerhalb des Mini- steriums hervor, woraus die gerichtliche Verfolgung entsprungen sei, kritisirte den gerichtlihen Beschluß, durch den Lesseps ver- urtheilt wurde, und erinnerte an dessen ruhmvolle Vergangenheit. In der Besprehung des Falles Baïhaut betonte Barboux, es sci durh Baïhaut eine förmliche Erpressung ausgeübt worden : hätte Lesseps ihr nicht Folge geleistet, so würde dies gleich- bedeutend mit dem Ruin der Actionäre gewesen sein. Nirgends sei cin Beweis dafür erbraht worden, daß die Panama- Compagnie jedermann habe bestehen wollen. Man berufe sih auf den todten Baron Reinach, auf den kranken Cornelius Herz und auf Arton, dessen endliche Ermittelung zweifelhaft sei. Auf eine Bemerkung, des Vertheidigers, daß Clémenceau wohl in der Lage sei, die Herz hen Depeschen mitzu- theilen, erwiderte der Präsident, die Depeschen stünden ja der Vertheidigung zur Disposition, worauf Barbour auf die Geldsummen hinwies, welche die Panama - Gesellschaft für politische Zwecke habe ausgeben müssen, und an den Einfluß erinnerte, den Herz bei Clémenceau und der radicalen Partei gehabt habe. Hierauf wurde die Sizung aufgehoben. Heute wird Barboux sein Plaidoyer beendigen.

Ftalien.

Nach einer Meldung der „Politischen Correspondenz“ aus Nom hat der Papst entschieden, daß das Programm für die Pilgerzüge, wonah in der zweiten Hälfte des April Pilger auch aus Oesterreih und Deutschland zu erwarten sind, durch die Festlichkeiten anläßlih der silbernen Hochzeit des Königs und der Königin von Jtalien keinerlei Ver- änderung crleiden solle.

Spanien.

Der Handels-Minister bereitet dem ,„W. T. B.“ gufolge ein Decret vor über eine Reform der Syndikat der Wechselagenten. Die neue Börsensteuer soll sich sowohl auf die Kassageschäfte als auch auf die Termin- geschäfte beziehen, hinsichtlih der leßtere indessen nur auf die Differenzen.

Schweiz.

Der Ständerath hat nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Bern die Revision der Bundes- verfassung beschlossen, um der Eidgenossenschaft die Competenz zur Geseßgebung auf dem Gebiete des Gewerbewesens zu Ubertragen.

Rumänien.

Der Senat hat laut Meldung des „W. T. B.“ den Handelsvertrag mit Frankreich einstimmig und den- jenigen mit der Schweiz mit 78 gegen 17 Stimmen an- genommen.

Das Gericht hat die Erbberechtigung der Erben Zappa'’s E und angeordnet, sie in den Besiß der Erbtheile zu ehen.

Serbien.

Gelegentlich der leßten Stichwahlen sind, dem „W. T. B.“ Wi e, in mehreren Wahlbezirken Ausschreitungen seitens er Radicalen vorgekommen, welche ein Einschreiten der be- waffneten Macht nöthig machten. Hierbei wurde in Leskovac und Vlastonice von den Waffen Gebrauch gemacht. Mehrere Personen wurden verhaftet, unter denen einem Gerücht zu- folge sih vier radicale Abgeordnete befinden sollen.

Schweden und Norwegen,

Dep f L sandte, wie „W. T. B.“ unter gestrigem Datum aus Stockholm meldet, eine Deputation an den Staats-Minister Boström. Der Minister ließ dem Präsidenten des Folkriksdag eine sriftlihe Erklärung zustellen, worin es heißt: Er könne eine derartige Deputation nicht

S er kenne keine anderen Vertreter des shwedishen Volks als die gemäß den constitutionellen Gesehen gewählten. Er könne begreifen, daß Personen zur Erreichung eines Zwes, der ihnen am Herzen liege, Versarnlungen abhielten ; aber er finde es nit rihtig, daß dies in einer Weise geschehe, als ob diese Personen neben dem Riksdag das s{chwedishe Volk repräsentirten. Der Folkriksdag wird eine Deputation an den König entsenden, um dessen Ansichten über das allge- meine Stimmrecht kennen zu lernen, und wird auch die Re- gierung selbst über diese Frage durh eines seiner Mit- glieder, das zugleih dem verfassungsmäßigen Niksdag angehört, interpelliren lassen. | L

Nach einer Mittheilung des „W. T. B.“ aus Christiania erklärte gestern im Storthing der Staats-Minister Steen, er habe am Montag es nicht so dargestellt, als ob für den gal, daß die Konsulatsangelegenheit nicht geregelt würde, die Auf- lösung der Union mit Schweden erfolgen werde. Er habe von der Auflösung der Union nux als einer zukünftigen Perspective gesprochen, wenn die norwegishen Ansprüche auf Selbständig- - keit innerhalb der Union nicht erfüllt werden follten. Diese Aeußerung sei ganz naturgemäß der Erwägung entsprungen, daß die Union lediglich ein Mittel zur Erreichung der vater- ländischen Biele sei. Der ehemalige Minister Roll und Birch Neichenwald sprachen ihre Befriedigung über die Ausführungen Steen's aus. Ein Redner der Nechten erklärte, daß auch er in der Union nichts sehe als ein Mittel, aber er erblicke in ihr ein gutes und zweckmäßiges Mittel zur Er- reichung der Ziele des Vaterlandes.

Dänemark.

Nach ciner Meldung des „H. T. B.“ aus Kopenhagen hat das Landsthing bei der dritten Lesung des Finanz- gesches, nah den Vorschlägen des Finanzausschusses, fast in allen Titeln die ursprünglichen Anträge der Regierung ange- nommen. Das Finanzgesey is nun dem Folkething zurück- gesandt worden, das heute die verfassungsmäßige einzige Lesung vornehmen wird. Verbleibt das Folkething auf seinem Stand- punkt, dann ist, wenn nicht die Regierung die Auflösung des Folkething vorzieht, eine aus Mitgliedern beider Thinge be- stehende Commission niederzusezen.

Afien.

Nach einer Meldung des „Reuter schen Bureaus“ aus Kalkutta von gestern sind durch einen Abgesandten des Emirs von Afghanistan an den Vice-König von Indien Briefe überbracht worden, die in durhaus freund- lichem Ton gehalten sein sollen. Der Emir gestehe darin zu, daß die zwishen Jndien und Afghanistan s{chwebende Grenzfrage im District des Kurriem-Passes auf dem Wege von Verhandlungen zu regeln sei; der afghanishe Gouverneur sei angewiesen, sich inzwischen jeder offensiven Action zu enthalten. Jn Betreff der all- gemeinen Grenzfragen sei in den Briefen des Emirs nichts gesagt, was an der gegenwärtigen Situation etwas ändere; weder acceptire der Emir die englische Sondermission nah Kabul, noch lehne er diese ab. Im nächsten Monat sei die Mission jedenfalls der Hiße wegen unausführbar.

Parlamentarische Nachrichten. Deutscher Reichstag.

_ Der Bericht über die geslrige Sizung befindet si in der Ersten Beilage.

69. Sißung vom Freitag, 17. März 1 Uhr.

Der Sißung wohnen die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall bei.

Die erste Lesung der Novelle zum Unterstügungs- wohnsißgeseß wird fortgeseßt.

Abg. Dr. Baumbach (dfr.): Auh ih stelle mich im großen und ganzen der Vorlage freundlich und zustimmend gegenüber. Mit dem Heimathsrecht haben wir in Deutschland früher niht besonders angenehme Erfahrungen gemaht und die Erfahrungen, welche man in Bayern, wo im Widerspruch mit dem Neichsrecht das Heimathsrecht als Neservat noch besteht, gemacht hat, sind nicht verlockender Natur. Einzelne Fälle besonders ungeheuer- licher Art, welche sih aus den Consequenzen dieses Heimathsprincips ergaben, beweisen, daß dieses Princip ein Anachronismus ist. Es hatte seine Berechtigung zu einer Zeit, als die Bevölkerung noch im wesentlichen eine feßhafte war. Wer jeßt die Freizügig- keit in einzelnen Punkten beschränken will, wie die Con- servativen beabsichtigen, der kann dabei nicht steben leiben, er muß schließlich auch bei der Beschränkung der Verehe- lihungsfreiheit anlangen. Das entgegengesetzte System ift dasjenige, welches lediglich den Aufenthalt entscheidend sein läßt. In der Theorie hat die Sache viel für ih, bringt aber in der Praxis ebenfalls Härten und Ungerechtigkeiten s{werster Art mit si. Es würde dann das Abschiebungswesen noch mehr als jeßt überbandnehmen. Ich ziche hiernah das System der Vorlage, Ortsarmenverbände und Landarmenverbände, vor. Daß auch hierbei große Mängel bestehen bleiben, wird jeder Verwaltungsbeamte bezeugen. . Die Ortsarmen- verbände sind geradezu erfinderis{ch, wenn es zu verhindern gilt, daß durch den zweijährigen Aufenthalt der Unterftüßungs8wohnsig er- worben wird. Der Vorschlag, die Altersgrenze auf 18 Jahre festzuseßen, is auch derjenige, den der westpreußische Städte- tag gemaht hat. Jn Ostpreußen wollte man noch weiter heruntergehen, während es scheint, als ob der Reichstag 21 Jahre sür richtiger hält. Die Ausdehnung auf die land- und forst- wirthschaftlichen Arbeiter ist ebenfalls ein richtiger Gedanke. Nicht recht verstehe ih allerdings, inwiefern die Landwirthe im Osten fich einen Vortheil von dieser Bestimmung versprechen. namentli wenn sie die Freizügigkeit der Minderjährigen beschränken wollen. Wenn der socialdemokratishe Redner die Auswanderung der landwirth- schaftlichen Arbeiter des Ostens auf die mangelhafte Bezahlung zurückführt, so geht er doch zu weit. Was der Abg. von Schalscha über die Lage der Betreffenden bemerkte, war allerdings gar fehr rosig gefärbt. Die Enquête des Vereins für Socialvolitik über diese Frage mat sehr wahrscheinlich, daß die Lohnfrage nicht das Entscheidende ist. Im großen und ganzen kommen etwa 1,80 pro Tag und Kopf des landwirth\ch{aftlichen Arbeiters heraus. Sebr günstig liegen die Verhältnisse in Württemberg und Baden: das ostelbishe Deutschland weist dagegen nur în Mecklenburg be- friedigende Zahlen, die ungünstigsten aber în Schlesien auf. Auch die Frage der Behandlung der landwirtbschaftlichen Arbeiter ist wohl niht das Entscheidende. Vielmehr {eint es, als ob nah dem alten deutshen Sprüchwort: „Stadtluft macht frei*, das ursprünglich das Ausscheiden aus dem Öörigkeitsverbältniß ums schrieb, die Fortdauer des alten überlebten, patriarcalischen Systems mit seiner Abhängigkeit des Arbeiters vom Arbeitgeber die Hauptshuld an den unerfreulihen Verhältniffen trägt, über welche die östlichen Landwirtbe klagen. Auch mit der Naturalwirtbschaft auf dem Lande wird aufgeräumt werden müssen. Herr Dr. Weber, der den auf die ostelbischen Gebiete bezüglichen Theil der Enquête bearbeitet hat, faßt die Ergebnisse der Untersuhung in den Sa zusammen : Das patriarchalishe System ist völkerpsychologis ausfihtslos. Wie