1893 / 83 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 8. April.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen beute Vormittag von 10 Uhr ab den Vortrag des Chefs des Generalstabs der Armee, Generals der Cavallerie, General- Adjutanten Grafen von Schlieffen entgegen und arbeiteten im Anschluß hieran längere Zeit mit dem Chef des Militär- cabinets, General der JZnfanterie, General - Adjutanten von t E Um 1 Uhr nahmen Seine Majestät militärishe Meldungen entgegen und empfingen im Anschluß hieran den neuernannten Königlich sächsishen Militär- Bevollmächtigten, Major Grafen Vißthum von Ecfstädt, sodann den neuernannten Militär-Attaché bei der hiesigen {hwedisch- norwegischen Gesandtschaft, Hauptmann Rustad.

Der Ausshuß des Bundesraths für Handel und Verkehr trat heute zu einer Sizung zusammen.

Die Nr. 7 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs - Ver- siherungsamts“ vom 1. April 1893 enthält folgende Recurs- entsheidungen: : /

Es is! zulässig, einen Entschädigungsanspruh zuglei aegen mehrere Berufsgenossenschaften zu verfolgen; der Einwand der Rechtshängigkeit kann von einer in Anspruch aenommenen Berufsgenossenschaft nicht mit dem Hinweis darauf, daß das Verfahren noch gegen eine andere Genossen- schaft schwebe, begründet werden. A

Die Zustellung einer Entscheidung kann wirksam au dort erfolgen, wo der Adressat sih nur besuhsweise für einige a aufhält; denn als Wohnung im Sinne des § 34 der Postordnung vom 8. März 1879 ist nur der Ort des that- sächlichen Wohnens, nicht der Wohnsiß im Sinne des öxtlichen Mittelpunkts der Lebensführung gemeint. Die Zu- ftellungsurkunde is kein ausshließlihes Beweismittel für die erfolgte Zustellung. S

Die vorbehaltlos und ohne Einschränkung abge- gebene Erklärung der Zur ücknahme eines Rechtsmittels hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge. |

Eine Partei, welche im Feststellungsverfahren noch nicht aufgetreten ist, kann sih, anstatt den Entshädigungsanspruch bei der Berufsgenossenshaft anzumelden, lediglich dem von einer anderen Partei bereits anhängig gemachten Streit- verfahren anschließen, sofern fe an dem Ausgange des Rechtsstreits ein unzweifelhaftes rechtliches Interesse hat; die dadurch eintretende Rehtshängigkeit des Anspruchs kann von der Berufsgenossenshaft durch Ertheilung eines neuen Bescheides nicht mehr beseitigt werden. A j

Die Schiedsgerichte sind nah keiner Richtung in der Wahl und Würdigung der Beweismittel beschränkt, können mithin auch Vertrauensmänner der beklagten Berufs- genossenschaft eidlih als Zeugen vernehmen lassen. Die Schiedsgerichte sind nicht gehindert, auch unbecidigten

“Aussagen von Zeugen maßgebendes Gewicht beizulegen.

Solange ein neues Rentenfestsezungsverfahren (etwa nach Abschluß einer Krankenhausbehandlung oder gemäß Z 65 des E E niht in Frage kommt, fann die

Aufhebung einer früheren Entscheidung und die Gewährung einer erhöhten Nente unter Zugrundelegung eines anderweit ermittelten Jahresarbeitsverdienstes nur im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens er- olgen.

A Eine Berufsgenossenschast kann ihre Passivlegitimation nicht bestreiten, wenn ihr der Be trieb, in welhem sich der Unfall ereignet hat, im Wege des Verfahrens nach S 62 Absatz 1 des Unfallversicherung8geseßes (Z 67 Absay 1 des landwirthschaftlihen Unfallversicherungsgeseßes) überwiesen worden ist; eine gleiche Bedeutung kommt jedoch den Katasterentscheidungen nah Z 37 Absaß 5 des Unfallversiherungsgesebßes nicht zu.

Die Nr. 7 der Sonderausgabe der „Amtlichen Nach- richten des Reichs-Versicherungsamts , Jnvaliditäts- und Altersversiherung“ vom 1. April d. J. enthält folgende bemer- kenswerthe Revisionsentsheidungen und Bescheide :

Das Bestehen einer civilrechtlichen Verpflichtung zur Lohnzahlung is mit der Anwendung des § d Absatz 2 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes nicht für unvereinbar -erahtet worden in einem Fall, in wéelhem dem Arbeiter von seinem ihm nahe vershwägerten und in ungünstigen Vermögens- verhältnissen lebenden Arbeitgeber seit Jahren thatsächlich nur freier Unterhalt als Arbeitsentgelt gewährt worden ist. Denn für die Auslegung der Arbeiterversicherungsgeseße kommen im allgemeinen nicht die Verhältnisso, wie sie nah den rechtlich bestehenden Vereinbarungen hätten sein sollen, sondern wie fie wirklich sind, in Betracht.

Nicht der Jnstmann, ' welcher den Scharwerker an- genommen, sondern der Gutsherr, in dessen Betriebe und zu dessen Vortheil die Arbeit des Scharwerkers verrichtet wird, und der den Lohn für diese Arbeit bezahlt, muß als Arbeit- geber des leßteren angesehen werden. Der Unternehmer des landwirthschaftlihen Betriebes als solcher ist mithin auch ver- pflichtet, die gesezlihen Beiträge zur FJnvaliditäts- und Altersversiherung für den Scharwerker zu entrichten, und die Frage, ob und welhe Beiträge zu leisten o, Gau ne -ch dem VBerhalniß, welhes zwischen ihm und. dem Scharwerker besteht, beurtheilt werden. Wird von dem Gutsherrn ein baares Entgelt für die Arbeit des Scharwerkers entrichtet, so ist die Versicherungspflicht be- gründet, selbst wenn der Jnstmann als Mittelsperson da- zwischen tritt und den von dem Arbeitgeber bezahlten Baar- lohn in freien Unterhalt umseßt, den er dem Scharwerker

ewährt.

N L Operation wider Willen des Versicherten ist in dem auf Grund des § 12 des Jnvaliditäts- und Alters- versiherungsgeseßes von der Versicherungsanstalt eingeleiteten Heilyverfahren unstatthaft. i

Jn einem Einzelfalle ist eine Krankheit, welche zwar die Fortsezung eines Lohnarbeitsverhältnisses ausshloß, die Ausübung einer geringfügigen Unternehmerthätig- keit aber noch gestattete, gemäß S 17 Absaß 2 des Jnvaliditäts- und Altevasersierutigdgéfeyes für anrechnungsfähig er- achtet worden.

Eine Berichtigung des T atbesiandes nach Maß- abe des ? 291 der Civilprozeßor s ist im. \chiedsgericht- ihen Verfahren nit zulässig. Meint ein an diesem Verfahren Betheiligter, daß eine erst in der mündlichen Ver- handlung vorgebrahte Erklärung vom Schiedsgericht über- gangen sei, so kann er dies nur im Wege der Revision rügen, und es ist alsdann in jedem Einzelfalle nah Lage der Verhältnisse zu prüfen, ob ein so wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne des § 80 Ziffer 2 a. a. O. vorliegt,

n die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sih recht- ertigt. /

Dagegen hat die Berichtigung vonSchreibfehlern, Rechnungsfehlern u. \. w., die in dem schiedsgerichtlichen Urtheil vorkommen, in sinngemäßer Anwendung des S 290 der Civilprozeßordnung |tattzufinden.. Der Zusendung des berihtigten Urtheils wohnt nicht die Kraft bei, aufs neue den Lauf der Rechtsmittelfrist zu eröffnen.

Eine Versicherungsanstalt hatte die E p ng in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisions- frist um deswillen in Anspruch genommen, weil sie das ihr zugestellte Urtheil des Schiedsgerichts alsbald behufs Be- rihtigung eines darin enthaltenen Rehnungsfehlers an den Schiedsgerichtsvorsißenden zurücgesandt, dasselbe aber mit ihren Acten erst nah Ablauf der V a U wieder erlangt habe. M ist jedoh von dem Reichs-Versiherungsamt ein die Wiedereinseßung rechtfertigender Grund Naturereigniß, unabwendbarer Quali, außerhalb des Willens der Partei liegender objectiver Hinderungsgrund nicht erblickt worden.

Der Controlbeamte einer Versicherungsanstalt ist im Falle des S 127 des Invaliditäts: und Altérs ver] M}é- rungsgeseßes nicht befugt, irrthümlih verwendete Marken ciner anderen Versicherungsanstalt ohne Zuziehung dieser leßteren zu vernichten und an Stelle der vernichteten Marken solche der eigenen Anstalt zu verwenden.

Die Vorschrift des § 26 Absag 4 des Jnvaliditäts- und Altersversiherungsgeseßes, wonach die monatlihen Theil-

beträge der Renten auf volle fünf Pfennig nach oben abzurunden sind, findet auch dann Anwendung, wenn die Rente gemäß 8 34 a. a. O. theilweise ruht.

Der Königlich sächsische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf von Hohenthal und Bergen hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während der Abwesenheit desselben fungirt der Legations-Secretär Graf Vißthum von Eckstädt als Geschäftsträger.

Der Königlih preußishe Gerichts- Assessor Dr. Bassenge ist zum Kaiserlichen Regierungs-Assessor ernannt worden.

Sachsen.

Seine Majestät der König wird nah einer Meldung der „Agenzia Stefani“ bei der Feier der silbernen Hochzeit des Königs und der Königin von Jtalien durh den General von Carlowißt§ vertreten sein.

Oesterreich-Ungarn.

Die Kaiserin wird dem „Prag. Abdbl.“ zufolge nah den bisherigen Dispositionen in Korfu bis Ende April oder Anfang Mai verweilen. Von Korfu kehrt Allerhöchstdieselbe nah Wien zurü, wird im Lainzer Schlosse einige Wochen Wohnung nehmen und sich hierauf zum Sommeraufenthalt nah Jf chl begeben. Í E

Der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg, der gestern früh in Wion eintraf, empfing, wie „W. L. B.“ meldet, am Nachmittag den Professor Polliger, der fih von der fortschreitenden Heilung des Ohrenleidens des Prinzen überzeugte. Später unternahm der Prinz eine Spazierfahrt und gab im Auswärtigen Amt seine Karte für den Grafen Kälnofy ab. .

Jn der gestrigen Sißung des ungarishen Unter- hauses griff die Opposition bei der Verificirung des Pro- tokolls der legten Sißung den Präsidenten Banfsfy heftig an, weil er einen iee MbR des Hauses kundgab, obwohl die Oppo- sition namentliche Abstimmung gewünscht habe. Die Oppo- sition beantragte eine Aenderung des Protokolls. Nach längerer Debatte wurde das Protokoll in namentlicher Abstimmung mit 131 gegen 89 Stimmen unverändert angenommen.

Großbritannien und Frland.

Die Königin wird der „A. C.“ zufolge in der lezten Woche dieses Monats nah England zurückkehren. Auf der Rückreisc wird die Königin ein paar Tage in Venedig zu- bringen und dann dem Großherzog von Hessen einen Besuch in Darmstadt abstatten.

Auf einer am Donnerstag in Bristol abgehaltenen Ver=- fammlung gegen die Homerule-Bill erklärte der Herzog von Devonshire, der eigentlihe Kampf gegen Homerule werde niht im Unterhause, sondern in den Wahlbezirken aus- gefohten werden, weil die Gladstonianer bei den leßten Wahlen nur durh rücksichtslose Versprehungen und falsche Darstellungen, sowie dadurch, daß sie die Homerule geflissent- lih in den Hintergrund schoben, Stimmen gewonnen hätten. Die Unionisten hätten daher Recht, wenn sie sich weigerten, das Verdict der Wahlen als das des ganzen Landes anzu- erkennen. Die Homerule-Vorlage müsse durhaus nohmals den Wählern unterbreitet werden. i

Das Dubliner „Evening Echo“ erklärt auf das be- stimmteste, die L iG Bold Hierarchie sei der Meinung, daß die Homerule-Bill nicht zum Geseg werde erhoben werden. Die finanziellen Bestimmungen darin seien völlig unzulänglich.

' Velgien.

Wie bereits in Nr. 81 d. Bl. kurz erwähnt worden ist, ist es zwischen den Führern der Rechten und der gemäßigten Linken zu einer Einigung über die Grundzüge der Ver- fassungsrevision gekommen. Die einzelnen Punkte dieses Uebereinkommens sind nah der „Magd. Ztg.“ folgende : 1) Die neue Verfassung soll kein unüberwindliches Hinderniß für die spätere Einführung des allgemeinen Stimm- rets enthalten, sondern ledigli bestimmen, daß das Wahl- recht von der jeweiligen Kammer mit Q S festgeseßt wird. 2) Vorläufig wird das Wahlrecht dahin er- weitert, daß alle bisherigen Gemeindewähler zum Kammer-

wahlreht zugelassen werden, wodurch die Zahl der Wähler wos e f auf 500 000 erhöht wird. 3) Die Constituante soll unterdessen ihre Berathungen zur Feststellung eines noch ausgedehnteren Wahlsystems fortseßen.

Türkei.

Der Staatssecretär der Vereinigten Staaten hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, den Ge- sandten in Konstantinopel angewiesen, von der Pforte Genug- thuung für den fkürzlich im amerikanischen Seminar in Marsivan (Klein-Asien) vorgekommenen Brand und Be- strafung der Schuldigen zu verlangen. -

Serbien.

Das Präsidium der Skups\schtina und der Verifications- ausschuß haben dem „W. T. B.“ zufolge die Abgeordneten aufgefordert, ihre Mandate zu überreichen, widrigenfalls gegen sie nah den Bestimmungen der Verfassung werde vorgegangen werden. Wie die „Politishe Correspondenz“ erfährt, beschloß die Regierung, die durch den Austritt der radicalen Abge- ordneten aus der Skupschtina nothwendig gewordenen Ne u- wahlen für die dritte Woche des April anzuordnen. Die Skupschtina könnte somit Ende April in die meritorischen Ver- handlungen eintreten.

Schweden und Nortoegen. '

(F) Christiania, 5. April. Die gesammten Zoll- einnahmen in den ersten neun Monaten des laufenden Finanzjahres betrugen 15717 949 Kronen gegen 17 072565 Fbdnen im gleichen Zeitraum des vorigen Finanzjahres.

Amerika. A

Dem „Reuter'shen Bureau“ wird aus Buenos-Air.es von gestern gemeldet, die vor einiger Zeit in Catamarca (dem nordwestlichsten Staate der Argentinischen Conföderation) ausgebrochenen Unruhen drohten einen ernsteren Charakter anzunehmen. Es hätten zwischen den Aufrührern und den Regierungstruppen mehrere Gefechte stattgefunden; die Ver- [uste seien beiderseits groß; die Gefangenen seien erschossen worden. Die Eisenbahnen befänden sich in den Händen der Insurgenten. Es seien Regierungstruppen zum Schuß des Nationaleigenthums entsandt. i

In Paris eingetroffenen Meldungen aus Valparai}fo von gestern zufolge wäre daselbst eine Ministerkrifis aus- gebrochen.

Afrika.

Nach einem Telegramm des „Reuter shen Bureaus“ aus Prätoria vom 6. d. M. ist Präsident Krüger mit großer Majorität wieder zum Präsidenten der Republik Transvaal gewählt worden.

Nr. 14 der „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Ge - sundheitsamts“ vom 6. April hat folgenden Inhalt: Gesund- heitsstand. Witterung. Maßregeln gegen Cholera. Gefeßz- gebung u. \. w. (Deutsches Reich). Beförderung thierisher Abfälle auf Eisenbahnen. Todesursachenstatistik. (Preußen). Privat- Irrenanstalten. Gerichtliche Leichenobductionen, (Sachsen- Meiningen). WViehbseuchen - eia. (Großbritannien). Tollwuth. Thierseuhen in Norwegen. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. Rechtsprechung. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. Vermischtes. Geschenkliste. Sterbefälle in deutshen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, Februar. Desgl. in größeren Orten des Auslandes. Beilage. Gerichtliche Entscheidungen zum Nahrungsmittelgeseß (Fruchtsäfte, Zuker- waaren 2c., Syrup, Honig, Wasser, Pilze, Sauerkraut, Rüböl, Nhabarbertinktur, Eß-, Trink-, und Kochgeshirr, Spielwaaren, Fische 2c.).

Nr. 14 dés „Centralblatts der Bäauverwältüng“, herausgegeben imMinisteriumderöffentlihen Arbeiten, vom 8. April hat folgenden Inhalt: Vom Reichstagshause. Ent- wicklung der Verkehrsverhältnisse in Berlin. Die Aufgaben des Ingenieurs bei Seuchen (Schluß). Der Auswanderer-Bahnhof in Ruhleben bei Spandau. Vermischtes: Wettbewerb für die „Riebeck- Stiftung“ in Halle a. S. Erweiterung des preußischen Staats- bahnnetes und Anlage neuer Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung. Louis Boissonnet-Stiftung. Versammlung zur Vereinbarung von Prüfungéverfahren für Baustoffe in Wien. Ausstellungen iu Berliner Kunstgewerbe-Museum. Die Ausführung der städtischen Bauten Londons. :

Entscheidungen des Reichs8gerichts. Bör sen-

Ist der Agent bei der Entgegennahme eines r ge\chäfts-Auftrages für seinen Principal sich bewußt, pap die in demselben enthaltene Offerte niht auf ein effectives Ge|chäst, sondern auf ein Differenzge\chä ft gerichtet ist, so hat, nah einen Urtheil des Neichégerichts, 1. Civilsenats, vom 19. November 1392, der Auftraggeber dem Principal gegenüber den Einwand des ver- fleideten Differenzgeschäfts, auch wenn dieser in der Meinung, daß es si um ein effectives Geschäft handle, den Auftrag ausgeführt hat.

Verlangt bei einem Nichtfirge\chäft der Käufer “einer Waare vom faumigen Verkäufer fortgeseßt Erfüllung und läßt Käufer sodann infolge des vorübergehenden Weichens des Marktpreises der Waare einige Zeit verstreichen, ohne sein Recht auf Lieferung geltend zu machen, so ist er nach einem Urtheil des NReichsgerichts, 1. Civilsenats, vom 30. November 18392, troßdem berechtigt, mit seiner Forderung wieder hervorzutreten, wenn der Preis der Waare wieder gestiegen ist.

Kunst und Wisseuschaft.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung der Internationalen criminalistischen Vereinigung befürwortete der Referent, Staatsanwalt Dr. Apvelius (Elberfeld) folgende von ihm auf- gestellten Thesen : r ; L.

l. 1) Es empfiehlt sich, das Alter der Strafmündigkeit bis “auf das vierzehnte Lebensjahr hinaufzurücken. 2) Wer bet Begehung einer strafbaren Handlung das vierzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann daher wegen derselben nicht strafrehtlih verfolgt werden. 3) Es fan jedo in diesem Falle s\taatlih überwachte Erziehung eintreten.

11. 1) Gegen Personen, welche bei Begehung der strafbaren Handlung das vierzehnte, aber niht das achtzehnte Lebens- jahr vollendet haben, kann wegen derselben auf Strafe ‘oder auf staatlich überwahte Erziehung oder auf Freiheitsstrafe und Erziehung, oder auf Ueberweisung an die Familie erkannt wéerdèên. 2) Wird auf Strafe in Verbindung mit staatlich überwachter -Er- ziehung erkannt, so ist in dem entscheidenden Theile des Urtheils zum Ausdru zu bringen, ob die Strafe oder die Erziehung vorangehen soll. 3) Die Bestimmung der §§ 56 und 57 des Straf- efezbuchs, wonach die fstrafrehtlihe WVerantwortlihkeit eines Jugendlichen davon abhängig ift, daß er bei Begehung der

„wendig,

That die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderlihe Einsicht be- ‘féfsen hat, ‘ift zu nee 4) Als Strafmittel find nur zulässig : Gefängniß und Festungshaft bis zu fünfzehn Jahren, Haft, Geld- strafe, Verweis, allein und in Verbindung mit Ueber- weisiig zur Schulzuht und zur Zucht der staatlich über- wachten Erziehung, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Kemter. Ausgeshlossen bleiben: Todesstrafe, Zuchthaus, Ab- erkennung der bürgerlichen Ehrenrehte, Ueberweifung an die Landes- yolizeibehörde und Polizeiaufsiht. Vou der Erkennung auf dauernde Uüfahigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlih vernommen zu wérden, kann abgesehen werden 161 des Strafgeseßbuchs). 5) Wird au erster Stelle auf Freiheitsstrafe erkannt, so ist ‘dieselbe bei ani nicht unter einem Monat, bei Haft nicht unter, zwei Wochen zu bemessen. 6) Für die Dauer der Freiheits- strafe ift, A von Nr. 5, im allgemeinen die Strafandrohung der ordentlichen Strafgeseße maßgebend. An Stelle von zeitiger Zuchthausstrafe tritt regelmäßig Gefängnißstrafe von gleicher Dauer; jedoch in allen Fällen mit einem Mindestmaß von nur einem Jahre und mit einem ‘Höchstmaße von niht über zehn Jahren. 7) Gefäng- aißstrafe von mehr als zehn Jahren ist nur zulässig bei den mit dem Tode oder mit lebenslängliher Freiheitö\trafe bedrohten Straf- thaten. 8) Wenn Gefängnißstrafe und Erziehung verbunden twerden, tann die erstere um die Hälfte herabgeseßt werden. 9) Es ist zu empfehlen, für erste Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten die Ausseßung des Strafvollzugs einzuführen. 10) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen eine in der staatlich überwahten Erziehuag befindliche Person, sowie die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, welche in Verbindung mit staatlich überwachter Erziehung erkannt is und derselben nahfolgen soll, kann, sofern die Freiheitsstrafe zwei Jahre nit übersteigt, von dem Erfolg der Erziehung und eventuell der tachträglihen Führung abhängig gemacht werden.

ITI. Auch ohne das Vorliegen einer strafbaren Handlung sollen jugendlihe Personen bis zum se{chzehnten Lebensjahre der staatlich überwachten Erziehung überwiesen werden,

wenn deren sittliche Verwahrlosung, festgestellt oder der Eintritt *

derselben nah den häuslihen Verhältnissen zu befürchten ift, und die Maßregel erforderli erscheint, um die Personen vor \itt- lihem Verderben zu bewahren. TIV. Die ftaatlich überwadhte Erziehung findet statt: eigenen Familie, b. in einer geeigneten fremden Familie, e.

a. in der in einer

unter staatliher Aufsicht stehenden Privaterziehungsanstalt, 4. in einer

staatlichen Erziehungsanstalt.

V. Es empfiehlt sich, die Entscheidung der Frage, ob gegen verbrecherishe oder verwahrloste Kinder staatlich überwachte Erziehung eintreten soll, den Vormundschaftsgerichten zu übertragen.

VI. 1) Die Entscheidung über die Art und die Ausführung der staatlih überwachten Erziehung ist in die Hände besonderer Erziehungs- ämter zu legen. 2) Es bleibt der Landesgesetzgebung überlassen, die Grziehungsämter in den bestehenden Verwaltungéeorganismus ein- zuordnen. 3) Doch ist die bestehende getheilte Leitung des staatlichen ‘EGrziehungówesens zum theil in der Hand von Staatsbehörden, zum theil in der Hand von Communalbehörden mit einer erfolg- reien Thätigkeit auf diesem Gebiet unvereinbar.

VIT. Die Untersuhung gegen jugendliche Verbrecher vom vier- zehnten bis achtzehnten Lebensjahre und die Aburtheilung liegt den zah dem Gerichtsverfassungsgeseß zuständigen ordentlihen Straf- gerichten ob.

VIII. Die L verbrehherisher und verwahrloster Kinder, fowie die Bestrafung verbrecherischer jugendlicher Personen muß durch ein besonderes Reichsgeseß gemeinsam einheitlih geregelt werden.

Der zweite Referent, Amtsgerichts-Rath Schmölder (Köln) wandte sih ganz besonders gegen die Absicht des Vorredners, die ¡ugendlich Verwahrlosten u. \. w. einer staatlichen Zwangserziehung zu überweisen und besondere Erziehungtämter zu errichten. Den Schwerpunkt der Zwangserziehung müsse man in*die Familie legen. Der Redner verlangte in den von ihm aufgestellten Thesen, daß der Vormund, nicht aber der Vater einer ständigen Controle durch das Vormundschaftsgeriht unterstehen solle. Jum weiteren bemertte der Redner, daß der Zustand der Strafmündigkeit sih nicht an den Zustand der Strafunmündigkeit in unmittelbarer Folge an- rethe. Es schiebe sih vielmehr zwischen beide Zustände ein Zwischen- zustand, der Zustand der beshränkten Strafmündigkeit, ein. Für den Zustand der beschränkten Strafmündigkeit sei ein besonderes, der Gigenart dieses Zustandes entspyrehendes System von Strafinitteln aufzustellen. Diese Strafmittel verdrängen bei allen einzelnen Straf- thaten die dort vorgeschenen, allgemein gültigen Strafmittel. Jn dieses Strafmittelsystem seien aufzunehmen: 1) der Verweis, 2) die Geldstrafe, 3) die körperlihe Züchtigung, 4) die Ueberweisung in ein Besserungshaus. -— Der dritte Referent Geheime Ober-Finanz-Nath F uch s (Karlsruhe) machte Mittheilungen über das Zwangserziehungs8- wesen in seiner Heimath, das dort zumeist in den Händen freier Vereine liege und im allgemeinen gute Resultate gezeitigt habe. Geheimer Regierungs-Rath Dr. Keßler (Wabern) erklärte sih mit den Thefen des ersten Referenten einverstanden. Er habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, daß das Gefängniß nicht geeignet sei, er- ziehcrisch und bessernd zu wirken, Amktsgerichts-Nath Sch mölder (Köln) erklärte, die erste These tes Staatéanwalts Dr. Appelius nicht gutheißen zu können. Er halte es für nothwendig, das Alter der Strafmündigkeit bis auf das vierzehnte Lebensjahr hinaufzurüken. Dr. med. SLeppmann (Berlin) stimmte dem Vorredner bei. Mit dem sechzehnten Lebensjahre beginne die Pubertät und mit dieser erst die erforderliche Einsicht. Allerdings müsse verhütet werden, daß Kinder unter sechzehn Jahren nicht auf diese Straflosigkeit renen ; diese seien daher, sobald sie ein Berbrehen begehen, der Zwangs- erziehung zu überweisen. Eventuell würde er (Redner) sih mit der Hinaufrückung der Strafgrenze bis zum vierzehnten Lebensjahre be- gnügen ; jedenfalls aber wünsche er eine Absonderung derjenigen, die nur wegen Verwahrlosung und derjenigen, die eines begangenen Ver- brehens wegen der Zwangserziehung Überwiesen werden. ODekonomie- Rath Jungk (Berlin), Pastor D. von Koblynski (Düsseldorf) und Kaufmann Bischoff (Berlin) sprahen sih für die Hinauf- rückung der Strafmündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre aus. Lebterer befürwortete diese aus dem Grunde, weil bei der gegen- wärtigen Geseßesbestimmung, wo die Strafmündigkeit mit dem zwölften Lebensjahre beginne, oftmals ein in diesem jugendlichen Alter begangenes Vergehen dem bestraften Kinde für das ganze Wben anhafte und es in seinem wirthschaftlihen Fortkommen hindere. Pfarrer Winckelmann (Halle) und Landrichter Dr. Feli ch (Berlin) sprachen sich ebenfalls für die Hinaufrückung der Straf- mündigkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre aus. Leßterer bemerkte :

“Gs sei erforderlich, die jugendlichen Verbreher mit Handarbeiten und

landwirth}chaftlihen Arbeiten zu beshäftigen. Es würde fih auch sehr empfehlen, jugendliche Verbreher aus den großen Städten aufs Land abzuschieben. Amtsgerichts-Rath Dr. Schubert (Ebeleben bei Sondershausen) trat ebenfalls für das Hinaufrücken der Straf- mündigfkeit bis zum vierzehnten Lebensjahre ein und betonte die Noth- wendigkeit, Einbruclhsdiebstähle und Sittlichkeitsverbrehen, die von

Strafuninündigen begangen werden, der zuständigen Gerichtsbehörde

anzuzeigen, damit diese in der Lage sei, die verbrecherischen Kinder und auch deren Eltern zu warnen. Derartige Warnungen würden eine große Wirksamkeit ausüben. Außerdem erachte er es für noth-

îg, die jugendlichen Verbreher in den Gefängnissen gebörig zur Arbeit anzuhalten. Das Gefängniß müsse den jugendlichen Verbrechern als etwas Schreliches erscheinen. Pfarrer Müller (Braunsdorf in Sachsen) bezeichnete das Hinaufrüccken der Strafmündigkeit bis zum 14. Lebensjahre als eine dringende Nothwendigkeit, wenn man bessernd guf die verbrecherishe Jugend wirken wolle. Auch die Schule habe ein Recht zu verlangen, daß ihre Schüler niht ins Gefängniß gesteckt würden. / Staatsanwalt Dr. Stachow 1. und Landgerichts - Rath Kronecker (Berlin)

wandten fih gegen den Antrag: Strafunmündige bei jedem von

diesen begangenen Vergehen der Zwangéerziehung zu überweisen. G E der Debatte, an der sich noch mehrere andere Redner betheiligten, gelangten die Thesen 1 1 bis 3 des Staatsanwalts Dr. Appelius fast einstimmig zur Aunahme. Zu These Il 1

beantragte Amtsgerichts - Rath Scchmölder

(Köln ), das Wort „Freiheitsstrafe“

zu streihen. Geheimer Regtierungd- Rath Dr. Krohne \timmte dem Vorredner im allgemélien bei. und trat ganz besonders für die These II 3 ein. Redner bemerkte: Man stecke jeßt jugendlihe Verbrecher in eine Ver- brechersWule. Die gegenwärtige Sai belaste ihr Schuldconto immer mehr; es komme ihm vor, als befolge die heutige Gesellschaft den Grundfaß: „Après nous le déluge“. Nach noch längerer Debatte gelangten die Thesen 11 1 bis 3 mit der Aenderung zur Annahme, daß es in 11 1 anstatt „Freiheitsstrafe" „Strafe“ heißen soll. Von dem Geheimen Regierungs-Rath Dr. Krohne war ferner folgender Antrag gestellt: „Gegen jugendliche Per- fonen im Alter vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 21. Lebens- jahre finden Todesstrafe und Zuchthausstrafe, ferner diejcnigen Neben- strafen keine Anwendung, welche auf die Erfüllung der militärischen Dienstpflicht von E sind“. Dieser Antrag wurde jedoch nah längerer Debatte abgelehnt und alsdann die Sitzung auf heute vertagt.

In der heutigen zweiten und leßten Sitzung wurde die Be- rathung der Thesen des Staatsanwalts Appelius fortgeseßt. Zu These [11 erklärte Landes-Rath Vorster (Merseburg): Er könne diese These nur in jeder Beziehung befürworten. Jn der Provinz Sachsen habe man mit der Zwangserziehung sehr gute Resultate erzielt. Es seien aus der dortigen Provinztal-Zwangs-Erziehungs- anstalt von 1878 bis jeßt 593 Zöglinge entlassen worden. Von diesen seien 79% als E gebessert zu bezeihnen; bei 16% fei die Besserung eine zweifelhafte, in vielen Fällen seien aber auch hierbei Besserungen erzielt worden, und nur bei 5% sei keine Besserung zu constatiren. Die Zwangserziehung liege nicht nur im Interesse der Verwahrlosten, sondern vielleicht noch mehr im Interesse des Staats und der menschlichen Gesellschaft. Wenn aber in dieser Be- ziehung ein Resultat erzielt werden solle, dany müsse es möglich sein, auch ältere Knaben und Mädchen der Zwangserziehung zu überweisen. Die geäußerten Bedenken, daß man die Heiligkeit der Familie dadur antasten könnte, könne er in feiner Weise theilen. In Familien, wo eine Verwahrlosung der Kinder anzutreffen sei, sei keine Heiligkeit sondern gewöhnlih nur Scheinheiligkeit anzu- treffen. Ah juristishe Bedenken dürften nicht maßgebend fein. Halte man die Zwangserziehung auch ohne das Vorliegen einer \traf- baren Handlung für nothwendig, dann empfehle es sich, zu sagen : „bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre“. Amts3richter Dr. Simonsfon (Berlin) äußerte sich in ähnlichem Sinne. Amts- rihter Dr. Köhne (Ludtenwalde) erklärte, er mache in seiner Praxis fast täglih die Erfahrung, daß eine Gesetesbestimmung, wie sie der Antragsteller wolle, dringend nothwendig sei. Es sei gestern von dem Amtsgerihts-Nath Shmölder gesagt worden: man nähere fih durch derartige angen dem focialdemokratischen Zukunfts\taat. Er habe wenig Sympathien für diesen Sutlinifleitäat, a S e oh E U VerTenien, daz auch in der focialdemokratishen Kritik ein berehtigter Kern vor- handen sei. Im übrigen stimme er dem Vorredner bei, daß dort, wo Zwangserziehung geboten, ein Familienleben überhaupt nit vor- handen seï. Landrichter Dr. Ashroth (Berlin): Er halte das sehzehnte Lebensjahr als zu weit gegriffen und beantrage daher, zu jagen: „bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahre". Im weiteren beantrage er, zu sagen: anstatt „zu befürchten ist“: „wenn deren sitt- liche Berwahrlosung_festgestellt oder der Eintritt derselben nah den häuslihen Verhältnissen eingetreten ist“, Man dürfe einmal nit all- zusehr in das Familienleben eingreifen, andererseits müsse auch der Richter in der Lage sein, die Verwahrlosung festzustellen. Für eine ernste Be- fürhtung biete sich bei der richterlichen Feststellung keinerlei Handhabe. Geheimer Ober-Finanz-Rath Dr. Fuchs- Karlsruhe: In Baden habe man diè Erfahrung gemacht, daß es nothwendig sei, die Altersgrenze in der vorliegenden Angelegenheit bis zum achtzehnten Lebensjahre hinaufzurücken. Dem Einwand, daß man die Heiligkeit der Familie antaste, halte er entgegen, daß ihm das Wohl des zu erziehenden Kindes mehr am “Herzen liege, als das Wohl der Eltern. Die nicht bestraften Verwahrlosten hätten fich in seiner Heimath oftmals als bedeutend schlimmer erwiesen als die bestraften.

Der Bildhauer Professor Martin Paul Otto, der Schöpfer des Entwurfs zu dem Luther-Denkmal, das den hiesigen Neuen Markt zieren soll, ist seinem unablässigen Schaffen an dem großartigen Werk gestern Morgen durch den Tod entrissen worden. Er war in Berlin am 3. August 1846 geboren und hatte ih in der Schule von Reinhold Begas gebildet. Seine Vaterstadt hat außer jenem leider unvollendeten bereits zwei hervorragende Werke von ihm aufzuweisen: die Marmorstatuen Wilhelm von Humboldt?s vor der Universität und Daniel Chodowiecki's in der Vorhalle des Alten Museums. Für Bad Ems {uf er das imposante Denkmal Kaiser Wilhelm?s I. |

___— Dem „Centr.-Bl. f. Bauv.“ wird geschrieben: Zu den zahl- reihen, dem öffentlihen Wohl dienenden Anstalten, welhe Bürgersinn und Nächstenliebe in der Stadt Halle errihtet haben, wird diese demnächst noch eine neue große Stiftung erhalten, indem, wie {hon kurz erwähnt, nah der leßtwilligen Verfügung ihres einstigen Mit- bürgers Paul Riebedck, eines Sohnes des Verstorbene Industriellen, Commerzien-Raths A. Niebeck, über 2 Millionen Mark dazu verwendet werden sollen, eine Altersversorgungsan stalt für Angehörige besserer Stände einzurihten und dauernd zu unterhalten. Das für die Anstalt ausersehene Grundstück von nahezu 3 ba liegt im Süden der Stadt und hat eine in gesundheitlicher und landschaftliher Beziehung gleich vortheilhafte Lage. Am Sing eines auf ziemlich stark abfallendem Gelände anzulegenden Parks joll fich das Gebäude für die Pfleglinge erheben, welches mit Altanen und Balconen ausgestattet werden soll, von denen sich eine prächtige Aussicht in die Parkanlagen hinein und darüber hinweg nach dem landschaftlih" reizvollen Saale- thal bieten wird. Um für das Gebäude, auf welches die Summe von 500000 zu verwenden is, möglichst praktische und zugleih Fünstlerisch roerthvolle Entwürfe zu erlangen, hat der Magistrat der Stadt Halle sih dazu entschlossen, einen allgemeinen Wettbewerb unter den in Deutschland ansässigen Architekten aus- zuschreiben. Für die besten Entwürfe sind Preise von 4000, 2500 und 1500 A ausgeseßt; ferner wird der Ankauf von zwei weiteren Entwürfen zum Preise von je 600 ( vorbehalten. Das Preisgericht besteht aus den Herren Königlichen Baurath Brünecke, Stadt-Baurath Genzmer, Geheimen Sanitäts-Rath Dr. Hüllmann und Ober-Bürger- meister Staude in Halle, Stadt-Baudirector Licht in Leipzig, König- lichen Baurath Schmieden und Königlichen Baurath Wallot in Berlin.

Seine Königliche Hoheit der Herzog Karl Theodor in Bayern beging, wie die „M. N. Nachr.“ melden, am 7. d. M. in seiner Augenheilanstalt, Maria-Josefastraße 2 zu München, das Jubiläum der 2000. Staaroperation, wobei seine Gemahlin und seine Tochter, die Merten Sofie, hilfreihe Hand leisteten. Zu-

egen waren außerdem Ober: Medizinal-Rath Professor von Zehender, Professor Dr. Angerer, Professor Dr. Bauer, Dr. Voithenleitner und die assistirenden Aerzte Dr. Zenker und Dr. Dsborne. Der Operations- saal war von den Shwestern der Anstalt mit Blumen und Gewächsen festlih geschmüdckt. Die 1000. Staaroperation hatte Seine Königliche Hoheit am 3. Juli 1889 vorgenommen.

Der deutsche Mee aa n München nahm laut Meldung des „W. T. B.“ in seiner ge rigen Schlußsißzung nah einer Nede des General-Majors Weter (Wien) die von e Heigel formulirten Thesen, mit Ausnahme derjenigen betreffend die 2 A an. Als Grenzjahr für die Benußung der Archive wurde das Jahr 1847 festgeseßt, die Erledigung des Nestes der Tagesordnung wurde dem im Jahre 1894 in Leipzig stattfindenden Historikertage vorbehalten.

Der in Paris verstorbene Finländer Dr. A ntell vermadchte, wié „Wi T: B.“ aus Helsin A mittheilt, seine bedeuten- den u A und Kunstfammlungen nebst einer Million Mark feinen Landsleuten als Grundlage für ein zu gründen- des finländishes National-Museum, ferner 800 000 Mark der finländishen Universität als Fonds zu Stipendien für wissenschaftliche Arbeiten, 100 000 4A als Stipendienfonds für das Lyceum feiner Vaterstadt Wasa und \{kießlich l: 100 000 M für das Nordische Museum und die Akademie der Wissenschaften in Stockholu.

Verdingungen im Auslande.

j i Dänemark. 15. April, 12 Uhr. Kjóbenhavns Havneforvaltning, Contôir Toltboden, Kopenhagen : Lieferung von 100 000 bis 1 900 000 Stü geflammten Mauersteinen, 100 000 bis 900 000 Stück hartgebrannten Mauersteinen, ca. 86 000 Stü Klinkern und ca. 100 000 Stück ganzen Mauersteinen. __ Bedingungen an Ort und Stelle und beim „Reichs-Anzeiger" (in dänischer Sprache).

Theater und Musik.

/ Saal Bechstein.

Der zweite Quartett-Abend der Herren Thomas, Udel, Hörbeder und Weiß wirkte gestern noch viel mehr auf die Lach- musfeln der Zuhörer als der erste; zugleich war aber auch wieder die große Kehlfertigkeit im Gesang und in der Aussprache zu bewun- dern, die bei der rapidesten Tempobewegung alles klar zu Gehör brachte. Dieser Vorzug läßt besonders die vortreffliße Shulung der Stinr- men erkennen, die z. B. in der „Historia vom Kuß“ von Maier, in dem „Spayßentratsh“ von Lött und in dem Schäffer'shen „Die da“ zur Geltung kam, wobei auch die günstige Akustik des Saales ihren Antheil hatte. Das urkomishe Quartett „Der Hand- {huh* (nah der bekannten Ballade) ging durch seine pantomimischen Zuthaten etwas über die Grenzen eines Concerivortrages hinaus ; da- geaen wurden als sehr willlommene Zugabe die Variationen über ein

olfslied, die, der Ohs'shen Idee folgend, den Stil der verschiedenen Componisten charakterisiren, mit rauschendem Beifall aufgenommen. Mehrere Quartette wurden auf Wunsch wiederholt.

Im Königlichen Opernhause gelangt am Montag „Lohen- grin® mit den Damen Pierson und Göße und den Herren Gudehus, Bulß, Stammer und Fränkel zur e Am Dienstag geht „Cavalleria rusticana“ mit Signora Bellincioni und Signor Stagno, den Damen Dietrih und Lammert und Herrn Bulß in Scene. Vorher wird die mythologishe Tanzdichtung „Prometheus“ mit der Musik von Beethoven gegeben. Diese auf Aller- höchsten Befehl stattfindende Théâtre-paré-Vorstellung beginnt um 74 Uhr. Die Preise find für diesen Abend folgendermaßen erhöht : Fremdenloge 12 4, Orchesterloge 10 4, 1. Rang und Parquet § 4, 17. Rang Proscenium 6 4, I. Rang Logen und Balcon 5 46, ITT. Rang 3 4 950 S, Parterre 2 (, Amphitheater Sitplaß 2 M, Stehplay 1 :

Im Königlichen Schauspiel im (Neuen Theater) gelangt am Montag „Vasantascna“, am Dienstag „Was ihr wollt“ (25. Auf- führung in der vom Ober-Negisseur Grube vorgenommenen Neu- einstudirung) zur Aufführung. Für den Sonnabend ist die erste Aufführung des Lustspiels „Blaues Blut“ von G. von Moser und Schaper in Ausficht genommen.

Im Deutschen Theater geht „Der Talisman“ außer morgen au am Dienstag, Donnerstag und Freitag in Sczne. Der Schwank „Zwei glücklihe Tage“ erreicht am Montag [seine 50. Vor- stellung und wird am Sonnabend wiederholt. Am Mittwoch findet e M ame des Schauspiels „Der Pfarrer von Kirch- feld” 1tatt.

Im Berliner Theater geht Shakespeare's „Viel Lärm um Nichts“ morgen Nachmittag und Abend fowie am Dienstag und Donnerstag in Scene, und zwar jedesmal mit Ludwig Barnay und Nuscha Bute in den Hauptrollen. Neu einstudirt kommen am Montag Schiller’s „Räuber“ zur Aufführung und werden am Freitag (31. Abonnements-Vorstellung) wiederholt. Auf Mittwoch ift Moser's Lustspiel „Der Veilchenfresser“ angeseßt; der Sonnabend bringt in neuer Einstudirung „Die Braut von Messina“, die feit einer Reihe von Jahren nicht gegeben wurde.

Für das Lessing - Theater lautet das Wochenprogramm : Montag: „Eine PalaibRevolutian“ : Dienstag: „Hanna Jagert“ ; Mittwoch: Zum ersten Mal „Die Bohème“, Schauspiel in fünf Acten von Henri Murger, deutsch von Paul Lindau; Donnerstag : „Heimath“ ; Freitag: „Die Bohème“ ; Sonnabend: „Hanna Jagert“; Sonntag: „Die Bohème“.

Im Wallner-Theater wird am nächsten Mittwoch auf viel- fahen Wunsch Hérmann Sudermann's Drama „Sodoms Ende“ in der alten Beseßung der Hauptrollen wieder aufgenommen, um fodann am Freitag wiederholt zu werden. An den übrigen Abenden der Woche werden in we{selnder Folge „Der Probepfeil“, „Die große Glocke“ und „Die Großstadtluft“ gegeben werden. Das Gastspiel des Lessing-Theaters wird übrigens nur noch bis Ende dieses Monats ausgedehnt werden, sodaß die beliebtesten Repertoire- werke nur noch an wenigen Abenden wiederholt werden können.

Der Spielplan des Friedrich - Wilhelmstädtischen

Theaters für die kommende Woche lautet: Sonntag und Montag «Die \{chöône Helena*, Dienstag bis einschließlich Freitag „Der Bettelstudent“. __ Im Kroll’\chen Theater findet morgen eine nochmalige Auf führung von Verdi's „Traviata" in der Titelpartie mit Signorina Prevosti statt; die Partie des älteren Germont wird wieder von Signor de Padilla, und zwar als leßtes Auftreten, gesungen. Der fernere Wochenspielplan lautet: Montag: „Der wilde Jäger“; Dienstag: „Der s{chwarze Domino“; N «Linda von Chamounix“ (Linda: Signorina Prevosti als Gast, Marquis: Signor Merly); Donnerstag: „Frißchen und Lieshen“, „Der Schwur* und „Abu Hassan“; Freitag: „A Santa Lucia“ (erstes Gastspiel von Eemma Bellincioni und Roberto Stagno); Sonnabend: „Linda von Chamounir“. /

Im Theater Unter den Linden bleibt für die kommende Woche das Ausftattungs-Ballet „Columbia“ mit der vorangehenden Operette „Lachende Erben“ auf dem Spielplan.

In dem {hon angekündigten Concert zum Besten des Pensionsfonds des Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Dr. Hans von Bülow am Montag, Abends 8 Ühr, gelangt Beethoven's C-moll-Symphonie an Stelle der Pastoral- Symphonie zur Aufführung. Die A-dur-Symphonie bleibt auf dem Programm. Eine öffentliche Hauptprobe findet morgen Mittag 12 Uhr statt. Der Kartenverkauf für leßtere ift bei Bote u. Bock eröffnet. Der Tenorist Herr Otto Fischer-Sobell wird in feinem am Dienstag, Abends 74 Uhr, unter Mitwirkung seiner Gattin, der Pianistin Fr. Agatbe Fischer-Sobell im Saal Bechstein zu ver- anstaltenden Concert u. a. Lieder von Schubert, Shumann, Brahms, Massenet und Arien von Weber und Wagner fingen, während seine Gáttin Chopin’'s Andante spianato und Polonaise Es-dur, Liszt's Polonaise E-dur und kleinere Stücke von Weber und Chopin spielen wird. Das Wiener Udel-Quartett veranstaltét morgen Mittag 12 Uhr im Saal Bechstein seine Abschieds Matinée, deren Programm außer einigen von den Sängern bisher noch nicht gehörten Stücken die Haupttreffer ihrer drei hiesigen Soiréen bringt. Karten sind morgen von 9 Uhr ab im Saal Bech= stein zu haben.

__ Der Berliner Tonkünstler-Verein veranstaltet seinen nächsten Musik. Abend Dienstag, den 11. d. M., Abends 8 Uhr, in der Aula des Ascanischen Gymnasiums, Hallesche Straße. Zum Vortrag gelangen : Streichquartett von Osc. att Gesänge von O. Fauter, Mor. Scharf und R. Wustandt, Cellofoli von F. E. Koch und N. J. Eichberg, Phantasie für Harmonium von Schulze-Robst.

Mannigfaltiges.

Im Circus Nenz fand gestern Abend mit Allerhöchster Ge- nehmigung und im Beifein Ihrer Majestäten des Kaiserdß und der Kaiferin nebst den ältesten drei Kaiserlichen Prinzen eine Parade-Gala-Vorstellung zum Besten des unter dem Preotectorat Jhrer Majestät der Kaiserin stehenden Berliner Locälyereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger (Friedenöthätig- : keit: Sanitätswachen) statt. Die erste ‘Nummer des Programms,