1893 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Sachsen-Weimar-Eisenah. -

Jhre Hoheiten die Prinzessin Heinrih VIT. Reuß und der Herzog fowie die Herzogin Johann Albrecht von Melen- burg-Schwerin sind der „Th. C.“ zufolge zura Besuch am Großherzoglichen Hofe in Veranlassung des Geburtstags Zhrer Königlichen E der Großherzogin in Weimar eingetroffen. Ebenso weilt daselbst zur Beglückwünschung der

hohen Frau der niederländische Gesandte Jonkheer van der Hoeven mit Gemahlin aus Berlin. Am Sonnabend Mittag traf der Erbprinz Reuß j. L. aus Gera zum Besuh am Großherzoglichen S

ofe in Weimar ein.

Oesterreich-Ungarn.

Die Kaiserin is gestern in Korfu eingetroffen. Der König von Griechenland und die Prinzessin von Wales statteten Allerhöchstderselben einen Besuch in der Villa Gastouri ab.

Der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich- Este ist nah der „Wien. Ztg.“ am Sonnabend von Singa- pore nah Batavia in See gegangen.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky hat, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend seinen Namen in den für den Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg im Palais Coburg aufliegenden Bogen eingetragen.

Die vorgestern in Budapest abgehaltene Landes- Honvedversammlung hat, wie den Wienern Blättern be- richtet wird, beschlossen, die feierlihe Enthüllung des Honved- Denkmals am 21. Mai, am Tage der Erstürmung Ofens im Zahre 1849, zu begehen und dazu alle hervorragenden Per- fönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der gemeinsamen Armee einzuladen. Ferner wurde beschlossen, daß die Honveds anläßlich dieser Enthüllungsfeier eine Huldigungs- Adresse an den König richten sollten; dagegen wurde der Antrag, daß auh die Gräber der gefallenen Soldaten der Kaiserlichen Armee bekränzt werden sollten, ab- gelehnt. Nach cinem Telegramm der „Magdeb. Ztg.“ werden diese Beschlüsse selbst von oppositionellen Blättern gemißbilligt, die die Hoffnung aussprechen, eine Abänderung werde dahin angenommen werden, daß das Fest der Enthüllung des Denk- mals auf den 8. Juni anberaumt werde, um eine Harmonie zwischen den Ereignissen von 1849 und der Königskrönung von 1867 herzustellen und damit die Vergangenheit vollständig zu versöhnen. Kossuth und Görgey sollen, wie es heißt, nicht zu der Feier geladen werden.

Großbritannien und Frland.

In der Sizung des Unterhauses vom Freitag kritisirte bei der weiteren Berathung der Homerule - Bill der Abg. Barton Gladstone's Behauptung, daß die Zeit, wo Grattan’s Parlament (von 1783 an) in Dublin getagt habe, eine Zeit unvergleichlihen Gedeihens für Jrland ge- wesen sei. Nicht die Thatsache eines irischen Parlaments, sondern die Aufhebung aller Handelsbeschränkungen 1779/80 dur Großbritannien habe das glücklihe Gedeihen des Landes herbeigeführt. Das habe auch das Steigen der Preise für landwirthschaftlihe Er- zeugnisse in den Jahren 1794 bis 1800 bewirkt. Wenn die Preise der Acerbauerzeugnisse heutzutage gesteigert werden fönnten, würde man nihts mehr von Homerule hören. Ueberdies sei die Prosperität vorübergehend gewesen, da am Ende von Grattan’'s Parlament Lord Clare, einer von den Gewährsleuten des Premiers, erklärt habe, Jrland gehe dem Bankerott innerhalb der nächsten drei Jahre entgegen. Nach des Redners Meinung würden sih die sheußlichsten Scenen von 1792 an der Südgrenze von Ulster wiederholen, wenn die Vill Geseß würde. Der Abg. Brodrick führte aus, daß Jrland nah den finanziellen Bestimmungen der Bill entweder an hronischem Bankrott leiden oder beständig das Reichs-Parla- ment anbetteln würde. Der Abg. Kimber wiederholte die schon früher gemachte Behauptung, daß Jrland mit 23 Stimmen zu viel, England mit eben so vielen zu wenig im Parlament vertreten sei, und daß infolge e leßteres bis zum Aus- gleich dieser Ungehörigkeit in der irischen Frage unzuständig sei. Schließlich erklärte der Abg. Stansfeld, daß die vinilsbe Demokratie durhaus geneigt sei, Jrland Selbstregierung zu gewähren, die, weit entfernt die Trennung der Länder herbei- zuführen, vielmehr die unauflösbare Union zwischen ihnen itärken müsse.

Ein am Sonnabend Abend in Dublin abgehaltenes unionistisches Meeting war der „Frkf. Ztg.“ zufolge äußerst zahlreih besucht. Tausende vermochten Feinen Einlaß mehr zu finden. Balfour kritisirte aufs shärfste die Rede Gladstone’'s im Unterhause. Der Premier habe von allen möglichen Ländern der Welt gesprochen, nur niht von Jrland. Er habe Oesterreih-Ungarn, Schweden und Norwegen offenbar eingehend studirt, aber niht Jrland und Home Nule. Ulster werde Mt seine Freiheit mit den Waffen kämpfen ; daß aber die Zahl er Reichstreuen auch im Süden, vor allem in Jrlands Hauptstadt groß sei, beweise dieses enthusiastische Meeting.

Gestern Nachmittag fand, wie demselben Blatt gemeldet wird, in London eine große Volksversa ¿mlung auf Trafalgar Square statt, die angesegzt war zum Zwecke einer Demonjstration gegen die Local-ODption-Bill, welche eine Zweidrittel-Majorität der Steuerzahler ermächtigt, Wirths- häuser {ließen zu lassen. Man hatte gehofft, in der Ver- sammlung einen großen Enthusiasmus der unteren Klassen gegen die Bill hervorzurufen, indessen trat das Gegentheil ein. Die Temperenzler hatten sih in über- wältigender Anzahl eingefunden. Es kam zu Thätlichkeiten, bei denen die Polizei sich als machtlos erwies. Die Gegner der Bill wurden mit Gewalt vom Plaße gedrängt und ihre Banner in Feten gerissen. Hierauf hielten die Vertheidiger der Bill Ansprachen und L p wurde unter großem Jubel eine Refolution für die Bill angenommen.

Frankreich.

Der Minister-Präsident Dupuy berieth, wie die „Magd. Ztg.“ erfährt, mit dem Präsidenten des Senats Challemel Lacour die Angelegenhcit des Budgetstreits zwischen Senat und Kammer. Der Minister-Präsident rieth zur Nach- giebigkeit seitens des Senats, weil sonst ein neues vorläufiges Zwölftel für den Monat Mai gefordert werden müßte.

Bei einem gestern zu Ehren des Präsidenten der Deputirten- kammer Casimir Périer in Troyes veranstalteten Bankett hielt dieser eine Rede, worin er dem „W. T. B.“ zufolge hervorhob, die Republik sei geschügt gegen Ueberrashungen und Angriffe; man ftönne wohl ehemalige Anhänger der

monarchischen Parteien annehmen, aber nur unter der Be- dingung, daß sie als Soldaten, niht als Führer in die republikanischen Parteien eintreten.

Die Staatseinnahmen aus den indirecten Steuern und Monopolen im Monat März find um 700 000 Fr. hinter dem Voranschlag zurückgeblieben. Die Einnahmen aus den Zöllen sind um 52/4 Millionen geringer, als im Budget veranschlagt war.

Die gemäßigten republikanischen Abgeordneten haben einen Aufruf an die Pariser Gemeindewähler veröffentlicht, worin sie diese ermahnen, gegen alle radicalen und focialistishen Candidaten zu jtimmen. Der Aufruf sagt, die Wiederwahl der bisherigen socialistishen Mehrheit würde eine Gefahr für die Republik sein.

Nußland. __ Vie der „Regierungsbote“ meldet, ist der bisherige Ge- hilfe des Finanz - Ministers, Geheime Rath Jermolow zum Domänen -Minister ernannt worden.

Ftalien.

Nach der „Jtalia militare“ dürfte die Parade am 24. April vor Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser sich ganz besonders glänzend gestalten. Der Kaiser, der Konig, die übrigen Fürstlichkeiten und ihre militärischen Ge- folge würden sich zu Pferde vom Quirinal durch die Via Nazionale, den Corso und über den Ponte Margherita nah dem Paradefelde begeben. Jhre Majestäten die Kaiserin und die Königin würden zu Wagen nachfolgen. Bei der Rüdckehr, die auf demselben Wege stattfinde, würden alle Truppen den Mazestäten bis zum E der Via Nazionale folgen.

Der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen sind dem „W. T. B.“ zufolge gestern Abend, nachdem Höchstdieselben das Diner bei Hofe eingenommen hatten, von Rom abgereist. Die Erbprinzessin wird jich einige Tage in Florenz bei der Königin Victoria aufhalten; der Erbprinz reijt unverzüglih nah Potsdam zurü.

Dem „Folchetto“ oie wird der Deputirte Barzil ai an den Minister des Auswärtigen Brin eine Jnterpellation richten wegen der Auflösung des Gemeinderaths von Triest, die angeblih infolge cines Beschlusses desselben er- folgt sei, dahin zu wirken, daß in Rom eine Wohlthätigkeits- Anstalt zum Gedächtniß an die silberne Hochzeit des italieni- hen Königspaares begründet werde.

Belgien.

Als der General Brassine gestern aus Anlaß des Geburtstags des Königs die Truppen der Garnison in Brüssel inspicirte, brachten, wie die „Etoile belge“ meldet, Socialisten, die mit einer rothen Fahne daherzogen, Hochrufe auf das allgemeine Stimmrecht aus. Ein socialistisher Arbeiter, der sich in Beleidigungen gegen den König erging, wurde dem „Patriote“ zufolge von der Volizei verhaftet.

Serbien.

Der Club der liberalen Abgeordneten hat der „Köln. Ztg.“ zufolge einen Aufruf an die Wähler erlassen, worin den von der Opposition aufgestellten Behauptungen über die Verfassungswidrigkeit der heutigen Lage entgegen- getreten und die Thatsache hervorgehoben wird, daß die ‘tiberalen. in die constituirende Sißung mit mehr als der Hälfte der verfassungsmäßig zu wählenden Abgeordneten ein- rücken würden. Dies bezieht h auf den Umstand, daß durch Ungültigkeitserklärung der radicalen Liste im Piroter Kreise die Liberalen einen Zuwachs von drei Abgeordneten erhalten, daher in der constituirenden Sißung die Zahl 69 erreichen werden. Der Wahlprüfungsausshuß stellte fest, daß die radicale Liste im Piroter Kreise vom Vorsißenden des Gerichts erster Instanz nicht gesehen und zur richtigen Zeit nicht ein- gereiht worden, also ungültig sci. Demgemäß seien alle auf diese Liste entfallenen Stimmen nichtig. Die radicalen Deputirten haben neuerdings beschlossen, der Aufforderung, in der Skupschtina zu erscheinen, niht nahzukommen, aber auch ihre Mandate nicht niederzulegen.

A der gestrigen Sißung der Skupshtina wurde der Bericht des Verificationsaus\chusses vorgelegt. Die Constituirung der Skupschtina dürfte, wie „W. T. B.“ meldet, heute erfolgen.

Dänemark.

Wie „W. T. B.“ aus Kopenhagen berihtet, haben der Kaiser und die Kaiserin von Rußland in dem Glück: wunsch-Telegramm, das sie dem König vorgestern zum Geburts- tag jandten, ihren Besuch in Fredensborg für diesen Sommer bestimmt zugesagt.

Amerika.

Nach einer Meldung des „New-York Herald“ aus Rio Grande do Sul wäre San Juan von den Jnsurgenten genommen worden, ebenso Tuarahi und IbieuU n. Ver Oberst Halgado wäre von den Regierungstruppen abgefallen und hätte sich den Jnsurgenten zugejellt.

Wie demselben Blatte aus Valparaiso gemeldet wird, hätte die Forderung des Kriegs-Ministers, über Santiago den Belagerungszustand zu verhängen, das Cabinet veranlaîzt, seine e zu geben. Der Präsident Montt habe es ¡jedoch abgelehnt, diese anzunehmen, bevor er die Präsidenten des Senats und der Kammer befragt habe.

Die in Nr. 82 des „R.- u. St.-A.“ mitgetheilte Nachricht von dem Angriff eines Pöbelhaufens -auf ein amerikanisches Konsulat in Peru bestätigt sih einem Telegramm des „Reuter'shen Burcaus“ aus New-York zufolge nicht. Sie ist vermuthlih darauf zurüczuführen, daß am 27. März ein Volkshaufe in La Paz M Eu die dortige Freimaurer- loge angriff, wo amerikanishe Studenten eine Begräbnißfeier für einen cilenischen Kaufmann begingen. Der Pöbel schoß auf die Trauerversammlung und steckte das Logengebäude in Brand. Das amerikanische Konsulat in La Paz wurde jedoch nicht angegriffen.

Asien.

Der in Lahore erscheinenden „Civil and Military Gazette“ zufolge ist ein Zusammensto§ÿ zwishen den Russen und den Afghanen unmittelbar zu erwarten. Die russische Garnison in Murghabi habe die in Kila-Penjah stehenden Afghanen aufgefordert, sich zu ergeben.

Nach einem in Paris eingetroffenen Telegramm des Gouverneurs von Cochinchina is die Jnsel Khone inm Mekongflusse von den französishen Truppen am 4. d. M. ohne Schwertstreih besezt worden. Der siamesische Commissar und die siamesishen Soldaten zogen sich auf die Aufforderung des französishen Minister-Residenten zurück. Stung-treng und Khone sind bereits von den Franzosen

in Besiß genommen.

: Afrika.

Der „Times“ wird aus Kairo gemeldet , durch die im steten Wachsen begriffene anti-europäishe Stimmung die größtentheils von dem Ministerium felbst hervorgerufen und genährt sei, werde die Durhführnng neuer Reformen unmöglich E,

Das „Reuter sche Bureau“ meldet aus Sansibar von heute: Gestern wurde eine unter französischer Flagge segelnde Dhau von dem englischen Kanonenboot „Philomele“ an- gehalten. Die Dhau hatte 60 Kinder an Bord, die in Sansibar durch vom Nothen Meer herübergekommene Araber geraubt waren. Es wurden in leßter Zeit wiederholt Sklaven- Dhaus durh Beamte des Sultans' angehalten.

Parlamentarische Nachrichteu.

Auf der A aY für die 58. Plenarsißung des S der Abgeordneten am Dienstag, 11. April, Mittags 12 Uhr, steht die zweite Abstimmung über den Gesez- entwurf, betreffend Aenderung des Wahlverfahrens.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Ein Geschäftsvermittler hat, nah einem Urtheil des Reichs- erihts, VI. Civilsenats, vom 12. Dezember 1892, im Gebiete des reußishen allgemeinen Landrechts einen Anspruch auf die ortslblithe rovision für seine, zwar ohne ausdrücklichen Auftrag des Geschäfts- errn, aber mit dessen Genehmigung ausgeführte Geschäftsver- mittlung, auch wenn die Zahlung einer Provision nicht vereinbart ist.

Die unbefugte Einfügung eines echten Aichstempels oder eines mit einem eten Stempel versehenen Waage-Balkens in eine amtlich niht geaichte Waage in rechtswidriger Absicht ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Straffenats, vom 9. Januar 189), als Urkundenfälschung zu bestrafen.

Kunst uud Wissenschaft.

F Die Ausstellung von Gemälden, Zeichnungen, Kupferstihen und Holzschnitten Albrecht Dürer's im Oberlichtsaal TIT der Königlihen Gemäldegalerie wird morgen, Dienstag, geschlossen.

Im weiteren Verlauf der vorgestrigen zweiten und leßten Sißung der Internationalen criminalistischen Vereinigung er- klärte bei Fortseßung der Berathung der III. These des Staats- anwalts Dr. Appelius (\. Nr. 83 d. Bl.) der Amtsgerichts-Rath Dr. Schmölder (Köln a. Rh.): Er könne der These in der vorliegenden Gaus nicht zustimmen; denn es sei doch ein arger Eingriff in die Familienbande, wenn man derartige Gesepesbestimmungen treffen wolle. Es sei ja möglih, daß derartige Verhältnisse dem social- demokratischen Zukunftsstaat entsprächen, unserem heutigen Staat ent- spreche nun einmal mehr die Individualität und das Familienleben. Er beantrage zu beschließen: „Bet Kindern, die unter väterliher Ge- walt stehen, kann die Zwangserziehung nur dann eintreten, wenn der Vater zur Erziehung der Kinder unfähig ist und ihm diese Unfähigkeit durch riterlihe Entscheidung abgesprohen worden ist.“ Nach Schluß der Debatte wurde jedoch dieses Amendement mit allen gegen etwa fünf Stimmen abgelehnt und die These T11 des Staatsanwalts Dr. Appelius in folgender Fassung angenommen: „Auch ohne das Vorliegen einer strafbaren Handlung find sittlih verwahrlofte, jugend- liche Perfonen der sftaatlih überwachten Erziehung zu überweisen. Die Anwendung der fstaatlich überwachten Erziehung kann bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres der jugendlichen Person stattfinden. Die staatlih überwachte Erziehung kann bis zur Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres der solcher Erziehung unterstellten jugend- lichen Personen ausgedehnt werden.“ Im weiteren Fortgang wurde auf Antrag des Staatsanwalts Dr. Appelius beschlossen: „Die staatlih überwachte bezw. die Zwangserziehung verbrecherisher und verwahrloster Kinder. sowie die Bestrafung verbrecherischer jugend- licher Personen muß durch ein besonderes Neichsgeseß gemeinsam ein- heitlich geregelt werden.“ Auf Antrag des Professors Dr. von Liszt (Halle a. S.) wurde beschlossen, behufs Herbeiführung eines derartigen Reichsgeseßes sich petitionirend an das Reichskanzleramt und den Reichstag zu wenden. Das folgende Thema bildete die Frage: „Erscheinen die Bestimmungen des NReichs-Strafgeseßbuchs über die correctionelle Nach haft reformbedürftig?" Der Referent )rofessor Dr. von Hippel (Straßburg i. G.) befürwortete folgende Thesen: „1) Die heute bestehende Nebenstrafe des Arbeitshauses in der Form der Üeberweisung an die Landespolizeibehörde ist zu beseitigen. 9) Das Arbeitshaus ist als Hauptstrafe gegen Bettel im Rückfall und Landstreicherei zu verwenden, wenn diese Delicte von arbeitsfähigen ersonen aus Arbeits\cheu u Adl werden. 3) Straflos bleibt das Betteln in unverschuldeter Noth zur Beschaffung des unbedingt er- forderlichen Unterhalts. 4) Im übrigen sind Bettel und Landstreicherei mit Haft nicht unter einer Woche, welche geeignetenfalls durch hartes Lager und Verbüßung bei Wafser und Brot ges{chärft werden fann, zu bestrafen; der heute zulässige Arbeitszwang während der chHast- strafe ist beizubehalten. 95) Gegen jugendlihe Personen unter 18 Jahren is Arbeitshausstrafe unzulässig. 6) Die Ausweisung von Ausländern hat erst nah verbüßter Arbeitehausstrafe, nicht an Stelle der Einsperrung im Arbeitshaus, einzutreten. 7) Für den Vollzug der Arbeitshauéstrafe sind einheitlihe Grundsäße unter Ausscheidung der Land- und Ortsarmen aus den Arbeitshäusern anzustreben. 8) Für Delicte, bei welchen Einsperrung im Arbeitshaus zulässig ist, ist die Anwendbarkeit des § 211 der Straf-Prozeßordnung auszu schließen, d. h. ohne \criftlich erhobene Anklage und ohne eine Ent- [E über die Eröffnung des Hauptverfahrens kann zur Hauvt- verhand M geschritten werden. 9) Die Nummern 5 und 8 des 8 361 des Strafgesetzbuchs sind zu beseitigen. (Nach diefen Nummern ist derjenige mit Haft zu bestrafen, welher durch eigenes Verschulden in einen Zustand geräth, in welchem zu seinem Unterhalte oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ift, dur Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspru genommen wer- den muß.) 10) Die Nummec 7 des § 361 des Strafgeseßbuchs tft heute praftisch werthlos. An ihrer Stelle wird sih eine Bestimmung empfehlen, welche den Armenverbänden das Recht gewährt, arbeits- scheue Arme auch wider deren Willen, solange der Zustand der Hilfs bedürftigkeit andauert, in Armenhäusern unterzubringen und dort be! Vermcidung von Disciplinarstrafen zu Arbeiten, welhe ihren Kräften entsprehen, anzuhalten. 11) Im Fall der Annahme eines § sbl Nr. 5 a, wie ihn die Novelle zum Unterstüzungswohnsiß-Gesey ent- bält, ist das Arbeitshaus als Hauptstrafe, eventuell wahlwei!e neben Haft, anzudrohen. 12) Die Behandlung der Prostitution be- darf einheitlicher reih8geseßlicher Regelung. Eine Besserung de! Prostituirten is von der Einsperrung derselben im Arbeitshaul|e re elmäßig nicht zu erwarten. Landesrath Vort er (Merseburg) erklärte: In seiner Heimathéprovinz habe man mit den Arbeitshaus- Insassen sehr shlehte Erfahrungen gemacht. Bei der großen Mehrheit sei eine Besserung überhaupt ausgeschlossen. Von 1000 entlassenen Corrigenden hätten ih im ganzen drei zur Uebernahme von Arbeit bereit erklärt und elf seien im ganzen 14 Tage lang in Arbeit gé- blieben. Es empfehle sh daher, weder eine Maximal- noch eine Minimalzeit für den Aufenthalt im Arbeitshause festzusezen, sondern die Corrigenden dauernd zum Arbeitshaus zu verurtheilen und nur

diejenigen zu entlassen, die nach Ansicht der Arbeitshausverwaltung

folgen. Die Regelung der

_fih wirklich gebefsert haben. Die i Q könne infolge defsen,

wenn wirklihe Besserung inger auch schon nach kurzer Zeit er-

isciplinarstrafen könne man erst vor- nehmen, wenn die Bestimmung durchgeführt sei, daß jeder Corrigende vor seinem Eintritt in das Arbeitshaus ärztlich untersucht werde. Mer fich bisweilen die Arbeitshäuslinge angesehen, werde zugeben, daß mindestens 2509/9 geisteskrank seien. Ein anderer großer Procentsaß - der Arbeitshäuslinge gehöre ins Siechen-, bezw. Frankenhaus. Der Nedner plaidirte weiter dafür, daß das ge- sammte Corrigendenwesen der Provinzialverwaltung unterstellt werden möge. Professor Dr. Zenker (Prag) stimmte dem Vorredner bei und bemerkte, daß vgn in Oesterreich einen Gesetzentwurf vorbereite, wonach auch bei Diebstahl, Münzverbrehen und anderen Verbrechen als Nébenstrafe Correctionshaft ausgesprohen werden könne. E Dr. von Koblynsfi (Düsseldorf) erklärte fih ebenfalls dafür, bei den verschicdenen Delicten die Correctionshaft als Nebenstrafe auszu- sprehen; denn. es sei eine bekannte Thatsache, daß die Berhreher nichts - mehr fürhten als das Arbeitshauë. Dé: ‘med. - SLeppmann (Berlin) trat der Ansicht bei, daß viele Arbeitshäuslinge s{chwadchsinnig - seien. Landrichter Dr.

Feli\ch (Berlin): Er halte es do für nothwendig, eine Grenze für

die Arbeitshausstrafe zu schaffen. - Möge man die Marximalzeit auf fünf Jahre erhöhen, es fei do aber unthunlih, einen Menschen zu dauerndem Aufenthalt im Arbeitshause zu verurtheilen. Nach Schluß der Berathung kam man überein, von einer Beschlußfassung für jeßt Abstand zu nehmen und die Thesen einem Aus\chuß zur weiteren Berathung zu überweisen. Hiernach war die Tagesordnung erledigt und wurde die Versammlung alsdann mit den üblichen Dankesreden geschlossen. Die nächste Versammlung für die Gruppe Deutsches Reich“ wird im Jahre 1894 zu Freiburg im Breisgau, der nâdste internationale Congreß vom 26. bis 28. Juni d. I. in Paris stattfinden.

Der Verein.deutscher Medizinalbeamten hielt heute im großen Sitzungssaale des Langenbeck-Hauses in der Ziegelstraße seine Jahresversammlung ab. Es hatten sih dazu zahlreiche Me-. dizinalbeamte aus allen Theilen Deutschlands eingefunden. Der Vor- sißende, Geheime Medizinal-Rath Dr. Kanzow (Potsdam) eröffnete die Versammlung und begrüßte ganz besonders den im Auftrage des ‘Ministers der geistlichen Angelegenheiten ershienenen Ministerial- Director, Wirklichen Geheimen Ober-Regierungs-Rath Dr. Bart f ch. Leßterer erklärte hierauf: Der Minister bedauere, daß er durch Amts- ge\chäfte verhindert sei, den Berathungen persönlich beizuwohnen, und habe ihn daher beauftragt, die Versammlung in seinem Namen zu begrüßen. Er, Medner, thue das um so lieber, da ihm da- dur Gelegenheit gegeben sei, den Berathungen beizuwohnen. Selbst von Allerhöchster Seite würden diese Berathungen mit größtem Interesse verfolgt, wie aus der Kaiserlichen Ordre hervor- gehe, die Redner stehend anzuhören bat. Die Versammelten erhoben ih, und der Ministerial-Director verlas hierauf die Allerhöchste Ordre vom 17. Oktober 1892, worin Seine Majestät der Kaiser ganz besonders den beamteten Aerzten für deren Bekämpfung der Cholera-Epidemie Seinen Dank ausf\priht. Der Ministerial- Director fuhr alsdann fort: Der Minister nehme an den dies- jährigen Berathungen, mit Rücksiht auf die Tagesordnung ein erhöhtes Interesse. und wünsche, daß sie der Allgemein- heit zu gute kommen und dazu beitragen möchten, das die Medizinalbeamten umschließende Band der Gemeinsam- feit zu befestigen. Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete „der Entwurf eines Gesehes, betreffend die Be- kämpfung emeingefährlicher Krankheiten.“ MNegierungs- und Medizinal-Rath, Kreisphysikus Dr. Napmund - Minden i. W. befürwortete hierzu folgende Thesen: 1. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege ist eine einheitlihe Regelung des Verfahrens betreffs Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten auf dem Wege der Reichs- gesetzgebung dringend geboten. Ein derartiges Gefeß erfüllt aber nur dann seinen Zweck, wenn es si nit nur auf diejenigen Seuchen er- sreckt, die vom Auslande her eingeshleppt werden können, fondern auch auf die gefährlicheren, in Deutschland heimischen ansteckenden Krankheiten Anwendung findet. 11. Der dem Bundesrath vorgelegte und von dem Preußishen Medizinalbeamten - Verein mit Freuden begrüßte Entwurf, betreffend die Bekämpfung ge- meingefährliher Krankheiten, entspricht im allgemeinen den in dieser Hinsicht zu stellenden Anforderungen; es empfiehlt sich ¿edoch , denselben noch nah folgenden Gesichtspunkten einer Abänderung zu unterziehen: 1) Die Bestimmungen über die anzeigepflihtigen Krankheiten (§§ 1 und 3 des Geseßentwurfs) und über die anzeigepflihtigen Personen (§8 2 und 4 des Gefeßentwurfs) sind in je einen Paragraphen zufammenzufassen. 2) Die Anmelde- vflit is auf epidemishen Kopfgenicktkrampf auszudehnen, sowie auf die Todesfälle einer anzeigepflihtigen Krankheit. Von der Anzeige der Todesfälle ift jedoch in denjenigen Theilen des Reichs zu entbinden, in denen die obligatorische Leichenschau besteht und die Anzeige an den beamteten Arzt gewährleistet ist. 3) Die bei Erkrankungen an gemein- gefährlichen Krankheiten zu erstattenden Anzeigen find nur an eine Behörde und zwar an den beamteten Arzt zu rihten. 4) Für groß- {jährige Familienmitglieder und sonstige Hausgenossen erscheint eine Verpflichtung zur Anzeige nicht nothwendig. 5) Die Form der Meldekarten über Erkrankungen an ansteckenden Krankheiten 9 des Gesetzentwurfs) ist durch den Buntesrath zu bestimmen. 6) Durch

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die Erstattung der Anzeige dürfen dem Absender keine Kosten er- wachsen. 7) Den beamteten Aerzten ist die Verpflichtung aufzuerlegen, beim Ausbruch oder dem Verdacht des Ausbruchs einer ansteckenden Krankheit den Ortspolizeibehörden fofort, spätestens binnen 24 Stunden, Anzeige zu machen. 8) Die im § 7 des Gesetzentwurfs den Polizeibehörden eingeräumte Befugniß, bei zweifelhaften Todesfällen eine Oeffnung der Leiche anzuordnen, ist auf diejenigen on zu beschränken, in denen nach dem Gutachten des beamteten Arztes ohne die Leichenöffnung eine Gewiß- beit darüber nit zu erlangen ift, ob der Verstorbene an einer der im § 1 genannten gemeingefährlihen Krankheiten gelitten hat oder nicht. 9) Es is in dem Geselze eine Bestimmung für den Fall vor- zusehen, daß Meinungsverschiedenheiten . zwishen dem be- ndelnden und dem beamteten Arzte über die Natur der Krankheit oder zwischen der Ortspolizeibehörde und dem beamteten Arzte über die anzuordnenden Schußmaßregeln entstehen. +4 Schulte's am ersten Osterfeiertage eröffnete Frühjahr s- ausstellun K trägt im wesentlichen einen retrospectiven Charakter; altbewährte Namen, wie Knaus, Vautier, Menzel, von Geb- hardt und Achenbach, sind mit charakteristischen Leistungen vertreten. Stets von neuem bewundern wir die Delicatesse und den Humor der Genredarstellungen von Knaus, der diesmal eine Zigeunerbande im sounendurchleuchteten Walde mit dem Dorfbüttel verhandeln läßt und alle Virtuosität seines Könnens dabei zu zeigen weiß. Wer sein Auge ällerdings an die naive Frishe und Derbheit des . modernen Naturalismus gewöhnt hat, wird in diesen \tudirten Cabinetstücken, wie auh in Vautiers Muhme, die der Enkelin beim Flachsspinnen ein Märchen erzählt, oder in Andreas Achenbacch's Waldhütte im blauen Abendschatten, den Erdgeruch unmittelbarer Naturanshauung und persönlicher In- spiration vermissen; neben dem breiten pastosen Farbenvortrag, wie wir ibn in der Ausstellung der X1 soeben erst bewundert, wird die zierlihe Glätte des feinabwägenden älteren Colorismus leiht als Spielerei erscheinen. Aber, wer wäre fo einseitig, daß er neben Wagner's gewaltigen Musikdramen niht Plaß sände für den Genuß der tert tändelnden Tongebilde Haydn's? Und wer wollte den Abstand übersehen, der die geistreichen Schilderungen Vautiers und FKnaus* trennt von der Süßlichkeit der Frauengestalten Konrad Kiesel's, gegen die felbst die emailglatten Bildnisse Karl Sohn's wie frishes Leben wirken, Daß unserer älteren Künstlergeneration knorrige Kraft der Charakte- ristik nicht mangelt, zeigt Gebhardt's „Bergpredigt“. Die Ge- meinde, deutshe Bauern und Bürger .in der Tracht des seck{zehnten Jahrhunderts, hat ih am Waldsaum auf der Wiese gelagert und lauscht den Worten Christi. Prächtige Studienköpfe voil Leben und Charakter sind darunter, nur büßt das Ganze durch die unendlich sorgsame Durchführung des Einzelnen etwas an Nuhe des Eindrucks

ein. Adolf Menzel's kleines Aquarell eines Bettlers am Kirchenportal sowie Pradilla’s köstlihe Carnevalsscene und Fortuny's Atelierbildchen S in thren kleinen Dimensionen weit eher folhe mikrosfopishe Behandlung, ja fordern zu derselben heraus. Welche Fülle von Geist ge in diesen zollgroßen Liller en, wie wundérbar ist die coloristishe Wirkung dieser buntfchillernden Farbentupfen berechnet! In dieser Kleinkunst ruhen die Keime der modernen Entwicklung unserer Malerei. Fortuny verstand és, seinen Bildern troß ihres frappanten Realiëmus do den Edelróôft altmeister- slihen Colorismus? zu verleihen, ähnlih wie Blommers, von dem wir ein reizendes kleines. Jdyll ein holländisches Bauernkind füttert sein kleines Brüderchen bei Schulte finden. Auch Emile Wauters, der geniale belgishe Porträtist, zeigt \sich in seinem groß angelegten Bildniß des verstorbenen Banquiers von Bleichröder als dankbarer Schüler seiner künstlerishen Ahnen; troß der etwas harten Behandlung in den Schatten sprüht diese Skizze von unmittelbarem Leben und Ausdruck. Die neueste Phase des Impressionis8mus ver- tritt der Schwede Segelke mit seinem Porträt des Dichters Strindberg, einer etwas unfreien und unbeholfenen Nachahmung des Norwegers Munch, die die Unsicherheit des Autodidakten namentli in der mangelhaften Zeichnung und Bewegung verräth. Immerhin erfreut dieses Ringen nach unmittelbarem Ausdruck mehr als Die \tudirte und akademisch: geleckte Sauberkeit und Correctheit der Bild- nisse von Fenner H. Behmer, deren eine ganze Collection bei Schulte zu einer Sonderausstellung vereinigt is. Der “feine Vortrag, die emsigste Durchführung vermögen den Mangel an ur- wüchsiger Kraft und an Ernst der Auffassung nicht zu erseßen. Beachtens- werth {ind die farbenfrishen, hier und da etwas harten, italienischen Landschaften von C. F. Karthaus, sowie das Dorfkirchlein von D G. Jansen?'s Caféscene und die Landschaften von

. Thiem.

__— In der nähsten Sitzung des [Vereins für? deut\ches Kunstgewerbe, am Mittwoh, Abends 8 Uhr, im großen Saale des Architektenhauses, wird Herr Bibliothekar Dr. P. Jessen über die Formen des Louis XVI.-Stiles inFrankreich und ihren Werth für das heutige Kunstgewerbe “\prechen. Der Vortrag wird dur eine Ausstellung alter Originalarbeiten dieser Epoche: Holz: arbeiten, Bronzen, Stickeréien 2c. erläutert werden. Gleichzeitig sind ausgestellt Entwürfe und Studien des Herrn Fr. Brochier in Nürn- berg, darunter besonders Decorationen, Metaklarbeiten u. a. für die Sch{chlö}ser König Ludwigs [Il. von Bayern.

Für ‘die Concurrenz um photographische Auf- nahmen eines Stilllebens nah der Natur, welche der Verein für deutshes Kunstgewerbe für alle Berliner Photographen und Amateure ausgeschrieben hat, läuft der Termin am 1. Mai ab. Als Preise sind bezw. 80, 60 und 40 A ‘ausgeseßt. Die näheren Be- dingungen können durch den Schriftführer des Vereins im Kunst- gewerbe-Museum erfahren werden.

Land- und Forstwirthschaft.

Weizenernte in Indien. (Vergl. „R.-Anz.“ vom 21., 26. und 31. Januar d. J.)

In Bengalen wird die mit Weizen bestellte Fläche nah einem vorläufigen Bericht des „Devartment of Land NRecords and Agri- culture“ vom 1. Februar d. I. auf 1420500 Aer - ges{chäßt gegen 1311000 Acker in dem Erntejahr 1891/92, - also um 8,3 9/0 ie als im vorigen Jahre, aber etwas unter dem Durchschnitt der leßten Jahre. Man erwartet eine 14 Anna-Ernte.

Dem zweiten von der indischen Regierung Anfang vorigen Monats über die diesjährige Weizenernte veröffentlihten Bericht entnehmen wir Folgendes :

Sn der Präsidentschaft Bombay ist die Anbaufläche in den britishen Districten um etwa 49/6 größer als im Vorjahr, und in den einheimishen um 25 9%. Im allgemeinen wird eia Durchschnitts- ertrag erwartet. 4

Im Punjab waren 7 262 600 Aker mit Weizen bestellt, also 749 900 Aer oder 11,5 9/9 mebr, als im November v. J. angenommen wurde. Die diesjährige Anbaufläche übersteigt die vorjährige um 1 039 000 Aer- oder 16,7 9%. Das regnerische Wetter im Januar und Februar ist den Saaten zu statten gekommen, dann aber wurde sonniges Wetter dringend gewünscht. Man erwartet eine 16 Anna- Ernte.

Fn Berar sind 984 408 Aker mit Weizen bestellt oder 11% mehr als im vorigen Jahr. Die Aussichten für die diesjährige Ernte ‘stellten sih bis Ende Dezember recht günstig. Regen- und Hagel- wetter im Januar aber fügte den Saaten niht unbedeutenden Schaden zu, sodaß nunmehr im Durchschnitt nur auf eine 11 Anna-:Ernte ge- rechnet wird.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Portugal. A

Zufolge ciner im „Diario do Governo" vom 4. April 1893 ver- öffentlihten Verfügung des Königlih portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Pernambuco seit dem 1. März -cr. für von „Gelbfieber verseuht* und sind die übrigen Häfen der-gleich- namigen brasilianishen Provinz derselben Krankheit „verdächtig“ erklärt worden.

Egypten.

Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths in Alexandrien vom 21. März 1893 werden Ankünfte aus. dem Hafen von Tadjura (Abessinien) wieder zum freien Verkehr in Egypten zugelassen. (Vergl. „R.-A.* Nr. 242 vom 13. Oktober 1892.)

Handel und Gewerbe.

Nach einer im russischen „Regierungs-Anzeiger“ vom 29. v. M. veröffentlihten Bekanntmachung des russischen Ministeriums des Jnnern is die Einfuhr von thierishen Roh- producten aus Preußen nach Rußland nur unter der Bedingung gestattet, daß jene Producte f

1) nicht auf Landwegen (per Achse), sondern auf Eijen- bahnen eingeführt würden und dabei ausshließlih für den Verbrauch in an den Eisenbahnstationen gelegenen Ortschaften bestimmt seien, und : e

9) daß solhe Productensendungen an den Ankaufsorten mit veterinär-polizeilihen Bescheinigungen darüber A würden, daß die Producte von gesunden Thieren gewonnen eten.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. - An der Ruhr sind am 8. d. M. gestellt 10374, niht rehtzeitig gestellt keine Wagen. O In Oberschlesien sind am 7. d. M. gestellt 4075, nicht ret - zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen

Beim Königlichen Amtsgeriht 1 Berlin standen am 8. April die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung : Dunkerstraße 6, dem Maurerpolier Georg Melzer ge rig Nußungswerth 14 000 46, Mindestgebot 142 400 4; für das Meist- ebot von 142450 wurde der Kaufmann Adolf Loewy, Koch- traße 48, Ersteher. Danziger- und Hochmeisterstraßen- Ecke, dem Maurermeister Rudolf Stade gehörig; Fläche 9,27 a; Mindestgebot 195 200 #4; für das Meistgebot von 196 000 wurde der Kaufmann Simon Labisch, Kkeine Präsidentenstr, 3, Ersteher. Soldinerstr. 27, dem Kaufmann Theodor Dechel ehörig; Nuzungswerth 3340 A; Mindestgebot 31 600 #Æ; für das Meistgebot von 31 700 «( wurde die Preußische Fmmobilien- A ctien-Bank zu Berlin Ersteherin. i j

Beim Königlichen Amtsgericht Il Berlin stand die im Grundbuche von Nieder-Schönhausen Band 4 Nr. 164 ein-

etragene ideelle Hälfte des Grundstücks, zu Nieder-Schönhausen be- egen, dem Zimmermeister Carl Behrend gehörig, zur Versteige- rung; Fläche 3,0690 ha; Gebäudesteuer - Nußungswerth .760 Mindestgebot 35 468 46; für das Meistgebot von 36 750 M ‘wurde die Firma Fr. Körner zu Berlin, Birkenstraße 34, Ersteherin. Aufgehoben murde das Verfahren der Zwangsvers#igerung wegen der im Grundbuche von Lichtenberg Band 34 Blatt Nr. 1090 und 1091 auf den Namen des Kunstgärtners Johann Carl Hein- rich Neiß eingetragenen Grundstücke. Die Termine am 5. und 8. Mai d. J. fallen fort.

Die Hauptversammlung der Kölnischen Feuerversiche- rungs-Gefellschaft „Colonia“ vom 8. d. M. genehmigte den NRechnungsabschluß sowie die Herabseßung des Gewinnantheils des Verwaltungsraths von 6 auf 4%. Die ausscheidenden Mitglieder des Men wurden wiedergewählt.

Die Bergwerks-Actien-Gesellschaft „Courl“ er- zielte, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, im Jahre 1892 einen Reingewinn von 153 000 4, der zur Ergänzung der Betriebsmittel A neue Rechnung vorgetragen werden soll.

Die Commercial Bank of Australia, die vor einigen Tagen ihre Zahlungen -instellte- {vergl. Nr. 80 d. Bl.), demnächst aber wieder reconstruirt worden ift, hat am Sonnabend ihre Bureaur wieder geöffnet.

Verkehrs-Anstalten.

Sonntag, den 16. April, wird ein Sonderzug zum Besuch der Leivziger Messe von Berlin nah Leipzig befördert. Der Bud fährt 6 Uhr 30 Minuten Vorm. von hiesigen Anhalt-Dresdener Bahnhof ab und trifft in Leipzig 10 Uhr 35 Min. Vorm. ein. Die Rückfahrt von Leivzig erfolgt 10 Uhr 40 Min. Abends, die Ankunft in Berlin 2 Uhr 7 Min. Nachts. Die drei Tage gültigen Sonder- zugfahrkarten zum Preise von 9 4 80 - für die IL. und 6 4 60 für die 111. Klasse berehtigen am Sonntag zur Nückfahrt sowohl mit dem Sonderzug wie mit allen fahrplanmäßigen Perfonenzügen, und an den folgenden beiden Tagen mit allen fahrplanmäßigen Personen- zügen. Die Benußung von Scnellzügen ist gänzlich ausgeschloffen, worauf noch besonders aufmerksam« gemaht wird. Freigepäck wird nicht gewährt. Der Fahrkartenverkauf findet vorher bei dem Invaliden- dank, Markgrafenstraße 51a, und Sonntag, den 16. d. M., früh. bei der Fahrkarten-Ausgabestelle auf dem Anhalt-Dresdener Bahnhof statt.

Bremen, 9. April. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“ hat am 7. April Abends die Reife von Gibraltar nah New-York fortgeseßt. Der Postdampfer „Hannover“, nah dem La Plata bestimmt, hat am 7. April Abends Santa Cruz (Teneriffa) passirt. Der Reichs-Postdampsfer „Darm- stadt“, am 23. März von Bremen abgegangen, if am 7. April Abends in Baltimore angekommen. Der ReichsPostdampfer „Danzig* hat am 7. April Abends die Neise von Neapel nad Palermo fortgeseßt. /

Hamburg, §8 April. (W. T. B.) Hamburg- Ameri- kanische Patetfahrt - Actien - Gesellschaft. Der Poft- dampfer „Columbia“ ist, von Hamburg kommend, heute Morgen in New-York eingetroffen. | : S

9. April. (W. T. B.) Der Postdampfer „M ora via“ ift, von Hamkurg kommend, gestern Nachmittag in New-Work an- gekommen. | : O

10. April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Scandia ist, von Hamburg kommend, gestern früh in New-York eingetroffen.

London, 8. April. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Doune Castle* ist auf der Ausreise heute in Capetown an- gekommen. Der Castle-Dampfer „Dunottar Castle“ is auf der Musreise heute von London abgegangen. Der Castle-Dampfer „Methven Castle“ ist auf der Heimreise heute in Durban (Natal) angekommen. Der Castle-Dampfer „Drummond Castle“ ist heute auf der Ausreise in Durban angekommen.

10. April. (W. T. B.) Der Uniondampfer „German“ ist heute auf der Heimreise in Southampton angekommen.

Theater und Musik.

Thomas-Theater. |

Als zweite Vorstellung in dem Novitäten-Cyclus gelangte an Sonnabend ein „Gute Zeugnisse" benanntes Lustspiel von Dscar Elsner und Carl Mallachow zur ersten Aufführung. Das nicht ohne tehnishes Geschick verfaßte Stück fand an manchen Stellen eine wohlwollende, zum Schluß aber doch nur kühle Aufnahme, weil es in etwas veralteter Weise dem Zufall eine sehr große Rolle eingeräumt hat und die Charaktere nicht logish durchgearbeitet sind. Auch das Spiel konnte in mehreren Hauptrollen nicht vollständig befriedigen, was zum theil seinen Grund darin haben mag, daß für einzelne Personen des Stücks nicht die richtigen Vertreter gewählt waren. So hatte HerrFernand, ein anschei- nendnicht unbegabter Schauspieler, die Aufgabe, einen älteren Baron dar- zustellen, der durch vornehmes und kluges Benehmen die Vorurtheile feiner adels\tolzen Gattin gegen den bürgerlihen Bewerber feiner Tochter, einen Pastor, mit Erfolg bekämpft und dadur das Glüdck des jungen Paares begründet. Herr Fernand vergriff sih aber voll- ständig in der Auffassung dieser Person und gav mit gesuchter Betonung, undeutliher Aussprache, übertriebenem Mienenspiel u. \. w. mehr die Caricatur eines Barons. Dagegen verdient die würdige und doch humorvolle Darstellung des jungen Pastors mit eleganten Manieren durch Hern Borée lobend her- vorgehoben zu werden. Als ein recht frisher Backfish mit heiterem Sinn und tieferem Empfinden zeigte sich Fräulein Linden, die ih jedo hüten muß, ihrem Schmerz oder ihrer Freude, besonders beim plötzlichen Wechsel dieser Gefühle, zu lauten und dadurch unnatürlicher- Auêdruck zu geben. Ein leichtsinniger Landjunker, der infolge der ernsten Neigung zu einem jungen Mädchen si zu folideren Lebens- anschauungen bekehrt, wurde von Herrn Stö ckel ganz befriedigend gezeben.

Philharmonie. i

Zu dem leßten populären Lieder-Abend der Frau Amalie Joachim (am Sonnabend) batte sich das Publikum fehr zahlreich eingefunden. Der s{hmelzende Wohllaut ihrer Stimme, der besonders den Tönen der eingestrichenen Octave verliehen ift, fowie die innige, tief empfindende Ausdruck8weise in dem Gesange diefer Künstlerin fesseln immer wieder von neuem die Zuhörer, wenn es au nicht unerwähnt bleiben kann, daß die Behandlung der höheren Töne bereits mit einigen Anstrengungen verbunden ift, wie dies tin den Brahtns'\chen Liedern „Alte Liede* und „Verzagen“ fühlbar wurde. Von bezaubernder Wirkung waren dagegen die beiden Lieder von Schubert „Kolma's Klage“ und „Auf dem Wasser zu fingen“ }owte Schumann's „Frauenliebe und Leben“, die Perle ihres Repertoires. Mit gleicher Vortrefflichkeit des Vortrags kamen Mendelsfohn's „Jagdlied“ und „Komm zum Garten® von Franz zu Gehör. Rau- \Mender Beifall folgte allen Liedern, für welche die Begleitung von dem trefflichen Pianisten Herrn Hans Schmidt übernommen

worden war. Saal Bechstein. Die gestrige Abschieds - Matinóe des Udel- Quartetts brahte, außer mehreren aus den früheren Programmen bereits be=- kannten komischen Gesängen, eine sehr anmuthige Novität „Ein jour

fixo“ von Weinberger. Im allgemeinen war der Eindruk der dret Concerte des Quartetts ein sehr günstiger; die Wiener Sänger boten in der That eine Allen willkommene und erfrischende Ueberrafhung. Die nahezu virtuose Ausführung aber brauchte auch das Urthetl strenger Sachkenner nicht zu sheuen. Von vielen Pläyen erscholl gestern beim Abschied der laute Ruf e Wiederkommen !“

Der Königlihe Musikdirector - Herr Peter Hertel wird am Dônnerstag zum leßten Mal im Königlichen Opernhaufe nah einer mehr als vierzig}ährigen Thätigkeit erfcheinen . und bei diefer Gelegenheit das von thm componirte Tanzpoem «Die Jahres A dirigiren. Herr Hertel hat vom Jahre 1852 ab zu nachstehenden Ballets die Musik geschrieben: Satanella, Vie guhtigen Musketierce, Alphea, Ballanda, Morgano, Elektra, Don Paratol,