1893 / 93 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Großbritannien und Jrland.

In der gestern im Covent-Garden-Theater in London ab- gehaltenen Versammlung der conservativen Primrose-League hielt der Marquis von Salisbury eine Rede, worin er dem „W. T. B.“ zufolge betonte, das Oberhaus werde sich durch die Agitation gegen seine verfassungsmäßigen Befugnisse von seincr Pflicht nicht abwendig machen lassen. Die Home- rulevorlage würde nur dazu führen, das Unterhaus zu desorganisiren, dessen irishe Mitglieder, von jeder Verantwort- lichkeit befreit, ihre Unterstüßung dann an diejenige Partei würden verkaufen können, die ihnen die größten Versprehungen mache.

Frankreich.

Ein Telegramm des Generals Dodds meldet, daß im Norden von Dahomey mehrere Scharmüßzel stattgefunden hätten. Unter den Anhängern des Königs herrsche große Niedergeschlagenheit und Mangel an allen Hilfsmitteln. Die Abreise des Generals Dodds nah Frankreich ist um mehrere Tage aufgeshoben worden.

Ftalien.

Der Erzherzog Rainer ist gestern Nachmittag gegen 2 Uhr in Rom eingetroffen und, laut Meldung des „W. T. B.“, auf dem Bahnhofe vom König, den Prinzen des Königlichen Hauses, den Mitgliedern der österreichisch- ungarischen Botschaft, den Ministern, dem Bürgermeister und den Spizen der Behörden empfangen worden. Der König und der Erzherzog begrüßten sich auf das herzlihste. Die Musik dexr Ehrencompagnie spielte die österreichische Nationalhymne. Der König begab sih mit igl hohen Gast sodann nah dem Quirinal zur Begrüßung er Königin. Die in den Straßen zahlreih versammelte Volksmenge begrüßte den Erzherzog mit lebhaften Zurufen. Sein Absteigequartier hat der Erzherzog in dem österreichisch- ungarischen Botschaftshotel genommen. |

Der Großfürst Wladimir von Nußland traf in der vergangenen Nacht in Rom ein.

Der Vertreter des Königs von Sachsen, General der Cavallerie von Carlowiß, ist gestern in Rom angekommen.

Die Prinzessin Clementine, der Prinz Philipp August und die Prinzessin Luise vonSachsen-Coburg, die Erzherzogin Clotilde, die Herzogin Amalie in Bayern, sowie die bulgarischen Minister Stambulow und Grekow sind in der Villa Pianora in Viareggio ein- getroffen.

Belgien.

Eine ministerielle Versügung untersagt, wie „W. T. B.“ aus Brüssel berihtet, die Einfuhr aller Explosiv- stoffe nah Belgien. Zur Ueberwachung an den Grenzen sind besondere Maßnahmen angeordnet.

Türkei. Der Sultan hat dem Großvezier Dshewad Pascha die hohe Auszeichnung des Jmtiaz-Ordens verliehen.

Rumänien.

Der gesirige Tag ist in Buka rest einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge vollständig ruhig verlaufen; es hat

keinerlei Ansammlung stattgefunden.

Schweden und Norwegen.

Der König, der sih vorgestern nach Christiania begeben hatte, empfing daselbst gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, den Staats: Minister Steen. Wie es heißt, hätte die norwegische Regierung die Absicht, dem König einen neuen Vorschlag in der Konsulatsfrage zu unterbreiten, der in dem nächsten, wahrscheinlih am Sonnabend oder Sonntag stattfindenden Staatsrath zur Erörterung kommen würde.

Afrika.

Der Capitän van Kerkhoven, der Führer der vom Congostaat ausgesandten Expedition, die Lado und die Gegend am oberen Nil beseßt haben soll, ist, wie der „Jndép. belge“ aus Boma gemeldet wird, infolge eines Unfalls gestorben.

YVarlamentarische Nachrichten. Deutscher Reichstag.

__ Der Bericht über die gestrige Sißung befindet sih in der Zweiten Beilage.

79. Sißung vom Donnerstag, 20. April, 1 Uhr.

Der Sißzung wohnen die Staatssecretäre Pr. von Boctticher und Hanauer bei.

Zur ersten Berathung steht der Geseßentwurf, betreffend den Schuß der Waarenbezeichnungen.

Nach dem Geseßentwurf können Waarenzeihen in cine Zeichenrolle eingetragen werden, welche beim Patentamt geführt wird. Die Anmeldung ist schriftlich zu bewirken. Die Eintrogung des Waarenzeichens gewährt dem Eingetragenen das Recht, Waaren der angemeldeten Art oder deren Verpackung oder Umhüllungen mit dem Waarenzeichen zu versehen und die fo bezeihneten Waaren in Verkehr zu seßen. Die bisherigen „Freizeichen“ sollen in Wegfall kommen. Anmeldungen von Waarenzeichen auf Grund des Markenshußgeseßes von 1874 gollen vom 1. Oftober 1893 ab nicht mehr angenommen werden.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Die Vorlage bedeutet nah der Meinung der Interessenten einen erbeblihen Fortschritt gegen den dermaligen Zustand der Gesetzgebung auf diesem Gebiet. Der Wunsch nach Centralisation des Zeichenwesens wird erfüllt; an Stelle der een Anmeldung tritt eine Art Vorprüfungsverfahren. Auch Wörter ohne Verbindung mit einem figürlichen Zeichen sollen geschüßt, der Schuß gegen Nachahmung verstärkt werden. Alle diese Vorschläge werden von der Geschäftswelt mit Freude begrüßt, besonders aber auch der weitere Vorschlag, daß mit E von 100 bis 3000 # oder mit Gefängniß bis zu 3 Monaten bestraft wird, wer gewisse als Kennzeihen der Waaren eines Andern allgemein bekannte Zeichen zum Zwecke der Täuschung im Handelsverkehr verwendet. In einzelnen Punkten wünscht man Freilich nech weiter zu gehen. Für die s{hwierigen Einzelkeiten der Vorlage wird Commissionéberathung nicht zu umgehen sein.

(Schluß des Blattes.)

Preuszischer Landtag. Herrenhaus. :

Der Bericht über die gestrige Sißung befindet sih in der Zweiten Beilage.

12. Sißung vom 20. April.

Der Sißzung wohnen der Justiz - Minister Dr. von Schelling und der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen bei. O

Der Geseßentwurf, betreffend die Abänderung von Amtsgerichtsbezirken wird nah den Anträgen der Justiz- commission ohne Debatte angenommen. j

Es folgt der Geseßentwurf, betreffend den Einfluß von Vorrehtseinräumungen auf das geringste Gebot in dem Verfahren der Zwangsversteigerung. Nach dieser Vorlage soll der § 54 der Subhastations- ordnung von 1883 (Feststellung des zulässigen geringsten Gebots bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks unter Berücksichtigung derjenigen Rechte, welhe dem Rechte des be- treibenden Gläubigers vorgehen) folgenden Zusay erhalten : „Hierbei sind auch Vorrechte zu berücksichtigen, welhe dur Vorrechtseinräumungen begründet und im Grundbuche eingetragen sind.“ Die Justizcommission hat die gesperrt gedruckten Worte der Regierungsvorlage hinzugefügt. - ;

Justiz-Minister Dr. von Schelling erklärt sih mit dieser Fassung einverstanden, und das Haus beschließt nach dem Commissionsantrag.

Den Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der Staatseisenbahnen für 1891/92 beantragt die Eisenbahn- Commission durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären.

Graf von Frankenberg bespriht den Unfall, welher am 15. Juli v. F. den Orient-Expreßzug auf der Neissebrücke betroffen hat. Die Untersuchung habe keinen Schuldigen entdecken Tönnen, wie es überhaupt oft bei Eisenbahnunfällen der Fall sei. Dieses Ergebniß der Untersuchung könne das Publikum nicht beruhigen. Redner bat den Minister, bei der Aenderung in der Organisation der oberen Eisen- bahnbehörde auch die Frage der Verantwortlichkeit der Beamten von neuem zu prüfen. Die bei jenem Unfall zerbrochene Neisser Brüdke sei bis jeßt noch nicht wiederhergestellt und die Reisenden müßten noch immer dort umsteigen.

(Schluß des Blattcs.)

Haus der Abgeordneten. Der Bericht über die gestrige Sißung befindet sich in der Zweiten Beilage.

G Siuña von 20; Pil.

Der Sißung wohnen der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheit en D Bose bel

Die in der gestrigen Sißung abgebrochene Debatte über S 51 des Ergänzungssteuergeseßes in Verbindung mit 8 51a der Commissionsbeschlüsse und 8 1 des Geseßentwurfs über die Verbesserung des Volksschulwesens wird fort- gesetzt.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Der Abg. Nickert hat die Stimmung des Hauses wohl richtig beurtheilt, wenn er meint, daß es keine große Debatte mehr will. Deshalb habe ih auch darauf verzichtet, meinen in der Commission gestellten Antrag zu wiederholen, wonach der Mehrertrag der Vermögenssteuer verwendet werden solle, um einen entsprechenden Theil der Einkommensteuer beweglich zu machen. Eine große Bedeutung hat - die Quotisirung allerdings nicht, denn das Drängen nach neuen Ausgaben is stärker als das nah Verminderung der Einnahmen. Wenn eine quotisirte Ein- tommensteuer besteht, dann wird es dem Finanz-Minister s{hwer sein, seinen andrängenden Collegen zu erklären, daß er kein Geld habe. Die Contingentirung „der Vermögensösteuer nah oben hin hat cigenilih keinen großen Werth; denn wenn die Steuerzahler sih an den Steuer- saß von è pro Mille gewöhnt haben, dann wird ihnen eine kleine Er- mäßigung, um wenige Pfennige vielleicht, kaum von Bedeutung sein. Des- halb ift der Gedanke, die Mehrerträge zur Schuldentilgung zu verwenden, kein unberechtigter; aber ich stimme troßdem dagegen. Die Contingentirung nach unten hin soll der Staatskasse den Eingang von 35 000 000 sichern; wird dieser bei der ersten Veranlagung nicht er- reicht, so kann der Steuersaß erhöht werden. Das ist bedenklich für die Steuerzahler. Was die Commission vorgeschlagen hat, sichert die Steuerzahler nicht auêreihend. Besser wäre es, den ganzen § 51 zu streichen oder den von der Vermögenssteuer aufzubringenden Betrag auf 32 Millionen Mark festzuseßen; denn mehr ist niht nothwendig, um den Ausfall zu decken, den die Staatskasse wirklih erleidet. Redner geht auf die Berechnung dieses Ausfalls ein und führt aus, daß der Ertrag der lex Huene viel zu niedrig. veranschlagt ist.

Abg. Dr. Wuermeling (Centr.) erklärt sich für die Com- missionsbeshlüsse, die für alle Interessen eine gewisse Mittellinie innehalten.

Abg. Schmidt - Warburg (Centr.) bringt einige persönlihe Be- denken vor, die er in Bezug auf die Commissionsbeschlüsse hat, behält sich aber die \{ließlihe Zustimmung zum § 51 vor. Redner führt namentlich aus, daß die Vertvendung von Geldern aus der Einkommen- steuer zu Schulzwecken niht dem Einkommensteuergeseß entsprehe, und verlangt eine Uebersicht der Schulbauten, die man auf Grund des Schulgesetzes herstellen wolle.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse weist darauf hin, daß durch die Förderung der Schulbauten die Gemeinden entlastet werden und damit ein Ziel der Steuerreform gefördert wird. Eine Uebersicht der Schulbauten ist bei früherer Gelegenheit gegeben, geprüft und als rihtig befunden worden. Sollte jeßt noch einmal eine Uebersicht gegeben werden, so würde dadur die Sache nur aufge- halten. Ueber die Ausführung der Schulbauten wird dem Landtag Rechenschaft gegeben werden.

Abg. von S [9s (entr) warnt vor allzu optimistischer Auffassung der Sachlage. Man folle niht um das Fell des Bären streiten, den man noch nit erlegt habe. Es habe ih jeßt {hon herausgestellt, daß die Einkommensteuer im zweiten Jahre um 27 Millionen Mark zurückgegangen fei. Dieser Rückgang sei haupt- fählih eine Folge des Nückganges der Einkommen aus dem fundirten Vermögen, - sodaß auch leiht ein Rückgang der Ergänzungssteuer zu erwarten sei, welcher dahin führen könne, daß der Steuersas erhöht werden müsse. Wenn der Silberpreis noch mehr sinke, werde der Werth des Nationalvermögens noch mchr sinken und der Saß der Vermögensfteier höher werden müssen.

Abg. Freiherr vvn Zedliß (freicons.) hält die Bedenken des Vorredners für übertrieben und glaubt, daß die 35 Millionen aus der Vermögenésteuer sicher eingehen würden, sodaß man garkeine Cautelen brauche, um dem Staat diefe Einnahme zu sihern. Nedner empfiehlt die Annahme des Antrages Stengel, der leider nah den Erklärungen des Finanz-Ministers keine Aussicht auf Annahme habe. Alle anderen Anträge müßten abgelehnt werden. Die Berehnung der Finnahme aus der lex Huence sei allerdings zu niedrig, sodaß die Vermögens- steuer vielleicht nur 32 Millionen Mark betragen brauche. Der Antrag auf Quotisirung sei nit grundsäßlich zu verwerfen, aber zur Zeit niht annehmbar, weil die Finanzverhältnisse erft eine gewisse Mei, dirung erfahren müssen, namentlich auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens. Cs müsse die Möglichkeit geschaffen werden, plöplih an uns beran-

tretenden starken M, ¿- B. einer plôßlichen Erhöhung der Matrikularbeiträge an das Meich, fteuerlich zu genügen, was bisher

niht der Fall gewesen sci.; Jeßt einen elastishen Factor in ck

Steuersystem einzuführen, würde niht angebracht sein, weil cine V minderung der Cinnahmen des Staats niht möglih sei, weil gy

das Herrenhaus cinem folhen Schritt jeßt ernsthaften Widerstand entgegenseßen werde und dadur das Reformwerk gefährdet werdey roûrde.

Finanz-Minister Dr. Miquel: Der Abg. Sattler \oll gesagt haben, daß ih auf der Einnahme von 35 Millionen aus der Ex. gänzungssteuer nicht bestehe. Ich glaube mich deutlich genug dabin ausgedrückt ¿zu haben, daß eine Hêrabminderung dieser Summe durchaus nicht zu verantworten ist. Die Gebäudesteuer ist bei der Berechnun, nur mit 35 Millionen Mark angeseßt worden, während sie thatsäclid {on 38 Millionen Mark beträgt und während bis' zum 1. April 1895 die Nevision derselben erfolgt sein wird, welche eine Steigerung von 4 bis 5 Millionen Mark ergeben dürfte. Wir haben diese Steigerung niht in Rechnung gestellt, weil wir annahmen, daß auch die Cinkommensteuer steigen würde, was niht mehr so ganz sicher ift. Deshalb wäre es unverantwortlich, die Vermögenssteuer auf weniger als 35 Millionen Mark zu bemessen. y

Abg. Freiherr von Minnigerode (cons.) s\priht sh ebenfalls gegen alle Anträge aus und wendet fich namentli) gegen den Abg. Nickert. Der Abg. _Rickert will die Steuern nur nah Bedarf bewilligen, den Staat also: möglich\ kurz halten und in die Hände der Mekhrheitsparteien geben. Daß ein Bedarf besteht, hat der Finanz-Minister nahgewiesen. Wir müssen nicht nur cinen vollen Ersaß für die Realsteuern schaffen, sondern der Regierung auch cinen kicinen A gewähren für die Steigerung der Gewerbe- und der Gebäudesteuer. Der Abg. Rikert will auch eine Garantie gegen Erhöhung der Steuern haben. Wir müssen im Gegentheil dafür sorgen, daß ein Ausgleih zwischen Ausgaben und Einnahmen gefunden wird, damit nicht die Verschuldung immer mehr steigt. Der Abg. Ridkert ist offenbar ein principieller Gegner der ganzen Steuerreform, er will nicht die Erleihterung des Grund- besißes und shreckt vor der Heranziehung des mobilen Kapitals zurü. Seine ganze Rede war wohl nur auf die Wahlen berechnet; er will glauben machen, daß er die Mittel für die Aufbesserung der Lehrer- befoldung schaffen kann, wenn er die Quotisirung hätte. Das roird aber niemand glauben. Wir werden für die nothwendigen finanziellen Bürgschaften eintreten. E /

Damit schließt die Discussion; es folgt nunmehr die Dis- cussion des S 51a und des S 1 des Schulgesetzes.

Nach demneu cingeschalteten S51a follen dieZinsen dieser Ucber- schüsse aus der Einkommensteuer, soweit sie niht zur Deckung cines Minderertrages der Ergänzungssteuer verwendet werden, zu Beihilfen für Volksschulbauten und zu anderweiten Beihilfen an unvermögende Schulverbände durch den Staatshaushalt Der Fonds selbst soll zur Staatskasse ver-

verwendet werden. einnahmt werden. i

Mit diesem Paragraphen zusammen wird verhandelt über den § 1 des Geseßes, betreffend die Verbesserung des Volks- \hulwesens und des Diensteinkommens der R Nach der Vorlage sollen die angesammelten Ueberschüsse aus der Staaiseinkommensteuer zur Staatskasse vereinnahmt, aber daraus verwendet werden: 1) für die Verbesserung des Diensteinkommens der Volksschullehrer jährlich 3 Millionen Mark; 2) für Volksschulbauten jährlich 1 Million Mark, sowie 6 Millionen Mark einmalig. i e

Die Commission beantragt, aus diesen Ueberschüssen für 1893/94 und für 1894/95 je 2 Millionen Mark zu Volks\hul- bauten zu verwenden. :

Abg. Dr. Enneccerus (nl.) beantragt zum Schulgescß in dem Antrage der Commission statt 2 Millionen Mark zu seßen: 3 Millionen Mark.

Abo. De Enstecterus l) S fan nue bie Erxtläruna meiner Freunde bei der ersten Lesung wiederholen, daß wir für den 8 1 des Schulgeseßes stimmen werden. Das Bedürfniß der Auf- besserung der Lehrerbcfoldungen wird nicht bestritten, da zwei Zehntel der Lehrer mit Einschluß der Alterszulage unter 750 #6 Dienst- einkommen hat ; die Hâlste hat ein Einkommen unter 1200 A, nur drei Zehntel hat cin Einkommen über 1200 A Wir ziehen ein Bolks schuldotationsgesey bei weitem vor, halten au die Hindernisse niht für unüberwindlih. Aber einstweilen is ein solches Dotationsgeseß niht zu haben; deswegen müssen wir die Mittel verwenden, wie sie vorhanden sind. Die Vorlage will mehr Geld verwenden, als die Commission beschlossen hat; ich be- antrage daher cine Erhöhung der von der Commission beschlossenen Bewilligungen. Gegenüber dem Bedürfniß, das die Regierung na gewiesen hat, ist mein Antrag ein sehr mäßiger. Jh empfehle auch die Annahme des § d5l a, troßdem diefer den Gemeinden nur eine unsichere Ausficht eröffnet, namentlih- nur für den Fall, daß die Er- gänzungsfteuer mehr als 35 000 000 M bringt. S |

Abg. von Buch (conf.) spricht sich gegen ein Schuldotation®- gese aus, weil diese Frage niht losgelöst werden könne von der Regelung der anderen Schulfragen, an denen das Volksschulgesct gc- scheitert fei. Er erkenne das Bedürfniß auf dem Gebiete des Schul- wesens an und troydem der Fonds aus den Ueberschüssen der Ein- kommensteuer nur für die Durhführung der Steuerreform bestimmt fei, wolle er 4 000 000 aus diesem Fonds in zwei Raten bewilligen. Darüber werde er nit hinausgehen und hoffe, daß die Regierung sih au auf das Bedürfniß beschränkt und niht darüber hinausgeht, weil die Erfahrungen, welche auf diesem Gebiet gemacht sind, vielfa böôfes Blut gemacht haben, weil die Anforderungen der Schulverwaltung in Bezug auf den Bau von Schulpalästen zu hohe waren. Die Schulbauten müssen nicht nach der S yablone ausgeführt werden, fondern müssen sich den Bedürfnissen der Landestheile anpassen. So0- weit die Zinsen des Fonds nicht für die Steuerreform nothwendig sein sollten, sollen sie für die Zwecke der Volkêshule verwendcl werden. Damit glauben wir gethan zu haben, was die Finanzlage gestattet. :

Abg. Rickert (dfr.): Den Standpunkt der Conservativen der Schule gegenüber hat der Abg. von Minnigerode {hon früher dar- gelegt; auch der Vorredner hat erklärt, vom Schuldotationsge]cp wolle er nihts wissen. Wenn der Cultus-Minister mit eincr folhen Vorlage kommt, vielleiht nah manchem Kampf mit der Finanzverwaltung . . . . (Widerspruh des Finanz-Ministers), nun gut, mit Zustimmung der Finanzverwaltung, wenn der Minister nichk bloß für Schulbauten, sondern auch für die Verbesserung der Lehret- gehälter Gelder fordert, dann ist es cin starkes Stück, daß die Con- jervativen einen Theil diefer Forderung dieser Vorlage zurückweisen. Dem gegenüber muß der Minister mit Einzelheiten zur Begründung seiner Forderung hervortreten, namentli auch bezüglich der sogenannten Schulpaläste. Es sind wirklih ganz polizeiwidrig baufällige Kabachen, in denen jeßt die Kinder vielfach unterrichtet werden. Die Sachen werden doh nicht bloß im Cultus - Ministerium gemacht, een die Zusammenstellung der erforderlihen Schulbauten (ist auf Grund der Berichte der Behörden aufgestellt worden. Dabei haben des „auch die Landräthe mitgewirkt, die ja sonst immer die - praktischen Männer sind. Aber die Conservativen haben jeßt andere Interessen, die si? der Schule vorziehen. Ich bin in erster Linie für die Herstellung der Regierungévorlage, id möchte auch über den Antrag Ennecceru® hinausgehen. Wichtiger als diese Geldfrage ist der andere Theil des Schulgeseßes, der heute nicht zur Berathung steht. Hoffentlich fommen wir nach Erledigung der Steuerreform zur Berathung dieses Theils. Auch nah den Wahlen werden wir, die Minderheit, 18 jedem Jahre der Regierung mit der Forderung kommen, ein Schul- dotationsgeseß vorzulegen.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Minister der geist lichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bo sfe das Wort.

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„Nr. 16 dér „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Ge- sundheitsamts* vom 19, April hat folgenden Inhalt : Gesund- heits\tand. Mittheilungen über Volkskrankheiten. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in

größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern -

einzelner Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt- und Landbezirken. _— Witterung. Grundwasserf#and und Bodenwärme in Berlin und München, März. Maßregeln gegen Cholera x. Weitere Mittheilungen aus British: Ostindien. (Schluß.) Gesetzgebung u. st. w. (Preußen. Reg.-Bez. Oppeln.) Lymphe-Erzeugungsanstalt ¡u Oppeln. E (Württemberg.) _Entschädigungen für gefallene oder getödtete Thiere. (Mecklenburg-Schwerin.) Impfungen. (Oester- rei.) Weinfälshungen. Lungenseuhe. (Spanien.) Wein und alfoholishe Getränke. Thierseuchen. Influenza der Pferde in Bayern 1892. Thierfeuhen in Dänemark, 3. Vierteljahr. Desgl. in Bulgarien. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. (Preuß. Reg.-Bez. Oppeln, Aachen, Ober-Elsaß, Oesterreih, Shweden, Nor- wegen.) MRechtsprehung. (Landgericht 1 Berlin.) Fahrlässige Körperverleßung seitens eines Vrogisten durch Abgabe von Insecten- pulver statt Kurella’shen Brustpulvers.) Verhandlungen von geseßgebenden Körperschaften. (Franfkreih.) Fleishwaarentransport. Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Nohes Schweinefleish. (Hamburg.) Sterblichkeit 1892.

Nr. 15A des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben imMinisteriumderöffentlichen Arbeiten, vom 19. April hat folgenden Inhalt: Fricdrih Ludwig Schneider +. Preisbewerbung für Pläne zur Stadterweiterung von München. Deutsche Ingenieur-Ausstellung in Chicago. Vermischtes : Gestaltung der Lrogschleusen. Weitgespannte Bogenbrücken. Zusammenstöße zwischen Betriebsmitteln der Eisenbahnen und Straßenbahnen in Chicago. Inhalt von Heft 1V bis VI der Zeitschrift für Bauwesen 1893.

Kunft und Wissenschaft.

Professor Begas wurde, wie die „N. A. Z.* erfährt, am Montag von Seiner Majestät dem Kaiser empfangen, um die in Silber gegossene Statuette zu überreichen, die als Gte\ enk des Monarchen für das italienishe Königspaar zu dessen silbernem Hochzeits-Jubiläum bestimmt ist. Das künstlerisch vollendete Werk hat eine Höhe von 60 cm und zeigt die Idealgestalt der Italia auf einem Felsen, an dem ein ausgegrabenes altrömishes Kapitäl lagert. Auf diefes tritt die Gestalt der Jtalia mit dem rechten Fuß und stützt auf das unverhüllte Knie das emaillirte, goldumrahmte Wappen des Königs- hauses, das sie mit dem vorgestreckten rechten Arm hält. Die herab- hängende linke Hand faßt einen goldenen Lorbeerzweig, der mit silbernen Myrthen durhwirkt is. Das leiht aufgeshürzte Gewand läßt einen Thèil der Brust und die Arme frei und wird vom Bande des Annunziaten- Ordens, das sih um die Brust \{lingt, zusammen- gehalten. Das lose lockige Haar wird von cinem Diadem mit der goldenen vierzackigen Stella d’Jtalia durchflohten. Der Stern trägt in seiner Mitte einen funkelnden Brillanten, den der Kaiser aus feinem Privatbesiy ausgewählt hat. Der Kopf der Italia ist leiht nah rechts gewandt. Der fein profilirte Sockel aus s{warzem Ebenholz trägt an der Vorderseite den vom Kaiser be- stimmten Wahlspruch des italienishen Königshauses „Sempre avanti Savoia“ auf einem silbernen Schilde. Die Schrift felbst is in Gold auf blauem Grunde ausgeführt. Auf der rehten Seite des Soels sieht man einen silbernen Reichsadler und auf der linken sind die verschlungenen Anfangsbuchstaben von „Wilhelm Imperator Rex“ angebraht. Die Ornamentirung des Werkes is nah Begas? Ent- würfen vom Ciseleur Lind ausgeführt.

4E Immer häufiger begegnen uns in den Berliner Kunsft- salons Werke nordisher Maler, die von der fruhtbaren Ent- widtlung des Naturalismus auf der skandinavishen Halbinsel beredtes Zeugniß geben. Die impressionistishe Strömung in der skandinavischen unst datirt von der Pariser Weltausstellung im Jahre 1878; sie wird von bedeutenden Talenten, wie Kroyer in Dänemark, Otto Sinding in Norwegen, Anders Zorn in Schweden in Bewegung er- halten. Erst kürzlich machten wir bei Gurlitt die Bekanntschaft des trefflichen \{chwedishen Thier- und Landschaftsmalers Bruno Liljefors und in der gegenwärtigen Ausstellung von Schulte finden wir einen nicht minder bedeutenden schwedischen Künstler, G. Ankarskrona, mit einer ansehnlichen Neihe von Landschafts- und Porträtstudien vertreten. Ankarskrona steht auf dem gleihen Boden moderner Farbenanschauung wie seine Landsleute Munch und Liljefors; er verfügt über reiche coloristische Mittel und wendet sie zur lebendigen Wiedergabe des in der Natur geshauten mit vielem Geschick an. Eines seiner besten Bilder ist „Lange Schatten“ betitelt: Am Sommerabend schen wir auf einer Halde am Waldrand, dessen Schatten auf die Wiesenfläche fallen, eine Schweineheerde und einige Schafe gelagert. Das ansprucslose Motiv erhält dur die feine Behandlung von Licht und Luft Stim- mung und Leben. Sehr gelungen is auch der Blick in einen Kuh-

\tall, durch dessen hochgelegenes Fensier Licht in den geschlossenen .

Naum dringt und auf dem Nücken der gelagerten Thiere wie auf dem Estrich des Stalles scin buntes Spiel treibt. Der Abenv can. See an dessen Ufer ‘eine * Kuh- heerde nah dem Stalle zieht, verdient ebenfalis seiner einheitlichen zarten Stimmung wegen Bewunderung. Weniger glücklich is Ankarskrona in der Behandlung des Wassers, dem er niht genügende Durchsichtig- leit und Bewegung zu verleihen versteht. Es fällt das besonders ins Auge, da der Künstler vor allem in lichten klaren Tönen excellirt, die die krystallhelle Lust seiner nordischen Heimath überzeugend wiedergeben. Jm Porträt stört eine unvermittelte Härte der Töne, die scharf von einander abfeßen und dem ganzen etwas Kaltes, Lebloses geben, obwohl Bewegung und Ausdruck in den Zügen der Dargestellten gut beobachtet sind.

Neben diesen talentvollen Arbeiten des chwedishen Impressionisten hat Ernestine Mack, die in der Künstlerinnen-Auestellung von Amsler und Ruthardt dur ihre gewandte Pastelltehnik auffiel, eine Reihe von Pastellstudien meist weiblicher Bildnißköpfe sowie ein Porträt des Fräulein Lilly Siemens in ganzer Figur und ein sehr wirkungs8volles Stillleben in Oel ausgestellt. Auh Frau Hedinger hat cinige Stillleben und Landschaften beigesteuert, die kräftigen Senn und geschickte Mache bekunden. Im elektris erleuchteten Vordersaal der Ausstellung erregte neben den saftigen Landschaften von O. Modersohn net das Porträt des Afrikareisenden Grafen Pfeil in voller Tropenausrüstung von A. Jäger lebhafte Aufmerksamkeit der Beschauer.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Belgien.

Die Schelde-Gesundheitscommission zu Antwerpen hat unter dem 12, April 1893 beschlossen, dem Minister für Landwirthschaft, Handel und öffentliche Arbeiten den Erlaß eines Einfuhrverbots von Lumpen aus Havre und Lorient zu empfehlen. Im übrigen ist die Anordnung einer strengen ärztlihen Untersuhung von der Dauer von ein bis zwei Fluthperioden gegen die Herkünfte aus den ge- nannten beiden Häfen für ausreihend erahtet worden.

Cholera.

m. Desterreih-Ungarn. In der Zeit vom 5. bis 12. April Mittags sind, wie das „D. österr. San. Wes." berichtet, in der Ge- meinde Kudrynce (Bezirk Borszczow) acht neue Choleraerkrankungen, darunter sechs mit tödtlihem Ausgang festgestellt worden. Jn der nôrdlich von Kudrynce und gleichfalls am Zbrucz gelegenen Gemeinde

owosiolka, sowie in der etwa 1 km von Zbrucz entfernten Ge- meinde Paniowce, südlih von Kudrynce, fam je ein cholera- verdâchtiger Fall vor, :

‘… Rußland. Zufolge einex Mittheilung: des „Regierungsanzeigers" sind vom 25. bis 31. März (n. St.) naGstebend aufgeführte Cholera- erkrankungen und -Todesfälle amtlich bekannt geworden: Gouvernement Tula 20./3. bis 24./3. 1 erkrankt; Orel (Stadt) 19./3. bis 26./3. 65 Bezw. 19; Orel (sons i. Gouv.) 19./3. bis 26./3. 4 bezw. 2; Gouv. Dongebiet 24./3. bis 27./3. 1 erkrankt; Gouv. Kasan 11./3. bis 22./3. 1 bezw. 1; Gouv. Ufa 12./3. bis 27./3. 84 bezw. 29; Gouv. Jelissawetpol 22./3. bis 29./3. 10 bezw. 4. Persien. Vom 13. bis ÞP. sind in Sakklis 22 Choleratodesfälle festgestellt worden, in Boukian fünfzehn, in Tebriz sieben.

Ostindien. Kalkutta. Vom 5. Personen an der CHolera gestorben.

Influenza.

__ Die Seuche scheint, wie in den „Veröffentlihungen des Deutschen Kaiserlihen Gesundheitsamts* mitgetheilt wird, in Paris erheblich um fich gegriffen ¿u haben, da zwanzig Todesfälle daran gegen acht in der Vorwoche und 334 Todesfälle an acuten Erkrankungen der Athmungsorgané gegen 223 von dort gemeldet wurden. Eine Zu- nahme der Todesfälle an Influenza ist auch für New-York mit sechzehn gegen elf, und für London mit 49 gegen 46 zu verzeichnen ; in beiden Orten wax gleichzeitig die Zahl der Todesfälle an acuten Erkrankvngen der Athmungs- organe (G69 gegen 343 Wid 271 gegn 254 in der Vors woche) gesteigert. In Kopenhagen und Stockholm scheint die Seuche eine weitere Abnahme erfahren zu haben. In Kopenhagen wurden zwar zwei Erkrankungen mehr als in der Vorwoche beobachtet (110 gegen 108), aber es starben an Influenza nur zwei gegen drei und an acuten Erkrankungen der Athmungs8organe 29 gegen 37 Per- sonen, desgleichen in Stockholm eine gegen drei und vierzehn gegen achtzehn unter glei{zeitiger Abnahme der Erkrankungen an Influenza von 33 auf 25. Ferner sind drei Todesfälle in Köln und 26 Er- krankungen in Fran kfurt a. O. zu erwähnen.

bis 11. März sind zwölf

Hamburg. Die Sterblichkeitsziffer des Hamburger

Staats Hat nach einem Bericht in den „Veröffentlilungen des Kaiferlißen GesundHeitsamts“ im Jahre 1892 mit 3961 auf 1000 Bewohner den höhsten Stand innerhalb der leyten 29 Jahre erreiht. Die cigentliche Stadt, sammt Vorstadt, Vororten und Hafen hatte eine Jahreemortalität von 41,3900, im Monat September eine folhe von 1539/0. In der inneren Stadt kam die höchste Sterb- [ichkeitsziffer mit 35,5% auf Neustadt-Südertbeil, in der Vor- stadt mit 86 99/0 auf St. Pauli-Südertheil, falls man von den im Alten Allgemeinen Krankenhause zu St. Georg Gestorbenen absieht. Unter den Vororten Hatten nach Abzug der im Neuen Allgemeinen Krankenhause zu Eppendorf eingetretenen Todesfälle der Billwärder Ausschlag mit 48,9, Barmbeck mit 43,7, Bövrgfelde mit 43,3 9/00 die höchsten Sterbeziffern. Im Landgebiet hatte Veddel verhältnißmäßig die meisten Todesfälle, nämlih 142 = 40,0 %o der dortigen Be- völkerung.

¡Dex Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 2. bis 8. April cin weniger günstiger als in der Vorwoche und auch die Sterblichkeit hat etwas zugenommen (von je 1000 Einwoh- nern starben, aufs Jahr berechnet, 21,7 gegen 21,1 der Vorwoche) und zwar kamen von den Erkérankungsursachen uoch immer acuteEnt- zündungen der Athmungsorgane in großer Zahl zum Vorschein und führten auch in nicht seltenen Fällen ¿um Tode. Auch Erkrankungen an Grippe wurden mehr beobachtet; aus der der Berichtsw-ce voran- gegangenen Woche wurden 4 Todesfälle an Grippe gemeldet. In ansehnlich gesteigerter Zahl zeigten \ih wieder acute Darmfkranthceiten, die au, fast nur bei fleinen Kindern, häufiger wie in den Vormonaten (in 71 Fällen) zum Tode führten. Die Theilnahme des Säuglings- alters an der Sterblichkeit war infolge dessen eine größere: von je 10 000 Lebenden ftarben, aufs Jahr berehnet, 72 Säuglinge. Das Vorkommen der Infectionskrankheiten war meist ein nur wenig häufigeres als in der vorhergegangenen Woche, nur rosenartige Ent- zündungen des Zellgewebes der Haut gelangten seltener und von Unterleibstyphus nur zwei Erkrankungen zur Kenntniß. Erkrankungen an Masern, Scharlah und Diphtherie, von denen die ersteren nur aus dern König|tädtishen Viertel in größerer Zahl zur Anzeige gelangten, wurden etwas häufiger beobahtet. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden b gemeldet. Häufiger zeigten sich ferner Er- krankungen an Keuchhusten, die auch etwas mebr Sterbefälle ver- anlaßten. Erkrankungen an acutem Gelenkrheumatismus wiesen gegen die Vorwoche keine wefsfentlihe Veränderung auf, während rheumatische Beschwerden der MusSkeln in ansehnlich gesteigerter Zahl zur ärztlichen Behandlung gebracht rourden.

Verkehrs-Anstalten.

Zum 1. Mai d. I., dem Beginn dex Sommer-Fahrplan- periode, werden im Bezirke der Königlichen Eisenbalhn-Direction (rechtsrheinisch) zu Köln die nachstehend aufgeführten wesentlicheren Fahrplanänderun gen eintreten :

1) Der Zug 128 Emmerich (ab 12,08) Oberhausen Köln (3,23—33) NiederlTahnstein (6,356—7,36) wird auf der ganzen Strecke früher gelegt. Die Abfahrt von Emmerich foll 11,26 erfolgen, in Wesel woird Anschluß an den Schnellzug 45 Wesel— Haltern (— Hamburg) erreiht und Anschluß von dem von Vlissingen (London) kommenden Schnellzug aufgenommen. Hiermit ist eine wesentliÞhe Beschleunigung des Verkehrs von den Niederlanden nach Bremen—Hamburg und von London nah Oberhausen und dem Industriegebiet nah Duis- bird Und Disserbof êerztelt A E O D o der Zug von 2,05 bis 220 Aufenthalt haben. Als Ersaß für den Zug 128 in feiner jetzigen Lage (ab Köln H. B. 3,33) wird der bisher in Deut abgefertigte Personenzug 136 genau im Fahr- plan des 128 von Tn H. B. abgelassen werden. Es bictet also demnächst Zug 128 in seiner verfrühten Lage eine neue Neise- insbesondere Ausf lugsgelegenheit nah dem Oberrhein. In Niederlahnstein findet der 5,30 eintreffende Zug 128 um 5,44 Weitergang nach Frankfurt (an 9,25), während nah dem jeßigen Fahrplan dafelbst Aufenthalt von 6,35 bis 7,36 bisteht . und die Ankunft in Frankfurt erst 11,17 erfolgt.

2) Der Sz. 77 Oberhausen (ab 7,47) Emmerich (an 3,45) wird später gelegt: Oberhausen ab 8,52, Emmerich an 9,50 und nimmt in Oberhausen den Anschluß vom Berliner Sz. 4! (an Oberhausen 8,44) und dem Hamburger Sz. 94, welcher in Oberhausen anhalten wird (an 8,35) auf. Da auch der niederländische Anshlußzug entsprehend später gelegt wird, so werden mit dieser Fahrplanänderung abgekürzte NReiseverbindungen aus Richtung Berlin und Hamburg nah den Nieder- landen hergestellt. Der Anschluß von Köln an den Sz. 77 wird dur den Pz. 25 (ab 1. Mai Nr. 27) vermittelt, welcher in Köln H. B. abgefertigt, verfrüht und beschleunigt wird (Köln H. B. ab 6,45, Oberhausen an 8,42). Zug 27 wird von Oberhausen (ab 8,959) bis Hamm (an 11,10) weitergeführt; dagegen fallen Pz. 31 Oberhausen (ab 7,22) Dortmund (an 9,10) und 35 Dortmund (ab 1,590) Hamm (an 2,33) aus.

3) Zur Erleichterung des Verkehrs aus Richtung Krefeld (Zug 179 an Duisburg 5,26) nah Richtun Emmerih, Wanne, Dortmund, Osnabrück wird ein néuèr Pz. Nr. 31 mit 1. bis 4 Klasse Duisbüxrg (ab 5,36) —Oberhausen (an 5,46) eingerichtet, sodaß die Reisenden der beiden unteren WagenElafssen der Lösung von Zusaßkarten für den nur 1. und 2. Klasse führenden Sz. 113 auf der Strecke. Duisburg— Oberhausen überhoben find. In der umgekehrten Richtung wird der

¿. 16 Dortmund— Oberhausen auf die Strecke ORETT ano tid: urg (an 5,19) ausgedehnt. j

4) Auf der Strecke Düsseldorf— Kettwig— Essen wird der von Düsseldorf aus sehr wenig benußte Personenzug 71- (ab Düsseldorf 4,47) vielseitigen Wünschen entsprechend in die \pä teren Vormittagsstunden N er wird als Personenzug Nr. 73

um 947 von Düsf el dorf abfahren und 10,56 in Essen an-

fommen. Der bisherige Zug 75 (Düsscldorf ab 11,06, Essen an 12,17) wird ebenfalls verspätet; er wird 1254 von Düssel- dorf abfahren und 2/01 in Essen eintreffen. Auf der Theil- strecke Kettwig— Essen wird, hauptsählich für die Arbeiter- beförderung, ein neues Zugpaar eingerichtet: Zug 54, Essen ab 4,40, Kettwig an 5,07, Zug 55 Kettwig ab 5,15, Essen an 5,44.

9). Auf der Strecke Soest—Emden wird die Personenbeförderung mit den Güterzügen 554 Lingen— Papenburg und 555 Papenburg— Lingen beseitigt. Dafür wird auf der Strecke Papenburg—NRheine und umgekehrt ein neuer Personenzug eingerihtet. Gleich- zeitig wird Zug 52 auf der StreXe Hamm—Lingen früher elegt. Der Fahrplan gestaltet sih wie folgt: Zug 52 von Soest an Hamm 1,59, wie bisher, ab Hamm 2,10, Münster 3,06 bis 4,05, Rheine 5/02 bis 5,24, neuer Anschlußzug nah Niederland und von Löhne, Leer 8,14 bis 8,29, Leer—Emden im Fahrplan des bisherigen Zuges 44. Zug 43 Emden—Leer wie bisher, Leer ab 130, Rheine an 4,19, zveiter im Plane des bisherigen Pz. 63. Pz. 60 Hamm—Nheine (au. 11,23) wird bis Lingen (an 12,08) ausgedehnt.

6) Die besonderen Zugverbindungen für den Verkehr von Rhein - land und Westfalen nah den deutschen Nordseebädern werden im bevorstehenden Sommer zum 1. Juli eingerichtet werden. Fur dieselben wird \. Zt. ein besonderer Fahrplan zur Ausgabe ge- langen. Wie im Vorjahre, fo werden auch im bevorstehenden Sommer die Nückzüge von den Bädern, je nah dem Stande der Fluth und dem davon abhängigen dgs der Dampfschiffe, in zwei verschie- denen Fahrplänen verkehren.

Dn Dänemark dürfen gebrauchte Leinewand, gebrauchte Kleidungsstücke und Bettzeuge in Paketen mit der Poft Sie pr geführt werden.

_ Auf den Linien der Großen Berliner Pferde-Eisen- bab n-Actien-Gesellshaft sind im Monat März 1893 11 058 668 Perfonen befördert und dafür 1242 682,00 (M oder durch- schnittlih auf den Tag 40 085,87 46 eingenommen. Die Einnahme im Monat März 1892 betrug 1 158 296,04 6 oder durchschnittlich auf den Tag 37 364,39 4 A

Theater und Musik.

Fricdrich-Wilhelmstädtisches Theater. __ Am Dienstag ging neu einstudirt Carl Millöcker?!s reizvolle Dperette „Der arme Jonathan“ unter dem Beifall des gut be- seßten Hauses in Scene. Die Melodienfülle, der Humox der Hand- lung und des musifalishen Ausdrucks waren von so frisher und crquicklicher Wirkung wie am ersten Tage und gewannen die Sympathien der Hörer um fo schneller, als die Aufführung im ganzen musterhaft war und auh die Einzelleistungen fas ausnahmslos Lob verdienten. Gine besondere Erwähnung gebührt Fräulein Leonardi, welche die Rolle der Molly reht wirkungsvoll gab; auch diesmal wie bei ihrem ersten Auftreten als Briefchristel im ,„Vogelhändlker* gefielen ihr natür- lihes Wesen und ein ungekünstelter Humor, der jeweilig ihren Vor- trag belebt. Die Stimme der Darstellerin ift niht groß, aber ange- nehm und ausdrudcksfähig, sodaß auch diese Leistung als eine erfreuliche bezeichnet werden darf. Herr Klein spielte den Jonathan Tripy mit vortrefflicher Laune und brachte auch gesanglih seine Partie aufs beste zur Geltung. A Residenz-Theater.

| Das Lustspiel „Derbstzeihen“ von dein shwedishen Dichter August Strindberg, das hier bisher erst einmal, im Januar dieses Jahres, bei Gelegenheit ciner Matinée im Nesidenz-Theater aufgeführt worden ift, ging gestern zum ersten Male in einer Abendvorstellung in Scene. Bekanntlich behandelt der Verfasser in diesem kleinen Werk den ungewöhnlichen, fast unnatürlichen, doch nicht unmöglichen Vorgang, daß eine junge Frau fünfzehn Jahre hindurch alle Zärtlich- keiten ihres Gatten zurückrveist, troßdem fie von seiner ausschließlichen Neigung zu ihr und von feiner zweifellosen Treue überzeugt ist, weil fie ihn, wie alle anderen verliebten Männer verachtet. Erft die Cifer- sucht auf eine Freundin und deren Tochter, denen der Gatte in un- \huldigster, aber von ihr belaushter und mißverstandener Weise sich genähert hatte, läßt bei der Gattin die bis dahin zurückgehaltene Lebe heftig hervorbrehen und führt zu dem bisher vergeblichß von dem Gatten erstrebten Ziel. Der glänzende Dialog und das tünstlerische Spiel der Darsteller, besonders des jungen Ehepaars, Fräulein Brion s und Herrn Haack's, verseßten die Zuschauer in cine angenehme Spannung und ließen die {wer verständliche Handlungsweise der jungen Frau glaubhafter erscheinen. In der Nolle des Bakfisches, der die Neigung des Chemanns8 zu erringen suht und dadurch unbewußt die endliche glückliche Lösung herbeiführt, trat zum ersten Male auf einer deutshen Bübne die Schwedin Fräulein Gabriele Tavaststjerna auf. Die junge Dame zeigt Talent und Sicherheit im Auftreten, doch fehlt es ibr uo ein wenig an der Freiheit der Bewegungen. - Der nicht ganz überwundene fremde Accent bei dem Gebrauch der deutschen Sprache wirkt zwar nicht unangenehm, müßte aber do abgelegt werden. Zu einem endgültigen Urtheil über die Befähigung des Gastes if das Auftreten in dieser kleinen Rolle niht genügend. Dein Dichter und den Darstellern wurde lebhafter Beifall bezeigt.

Kroll’s Theater.

Fräulein Prevosti fang gestern Abend als vorleßte Gastrolle dic Titelpartie in Donizetti’s „Lucia di Lammermoor.* Der Vortrag der Sängerin und ihr Spiel find stets durch die gleichen fünstlerishen Vorzüge der Einfachheit und Natürlichkeit ausgezeichnet ; rein und klar, mit tadelloser Technik führt sie den gesanglihen Tbeil ihrer Aufgabe durch, mit blendender Keblfertigkeit überwindet sie spielend alle Schwierigkeiten des Coloraturgesanges, gleihviel, ob es einen Staccato, einen glänzenden Triller oder die compositorisch gewagtesten Läufe gilt. Getragen und geistig durhdrunFen wird der chimmernde Gesang durch eine tiefe, fraftvolle Seelenerregung dergestalt, daß der seelische Ausdruck und der gesungene Ton fih in |{chönem Einklang decken. Der ganze Abend war für die Künstlerin an äußerlihen Ehren rei, die cinen befonderen Nachdruck nah der Wahnsinnéscene fanden. Herr Gura hat sich als Lord Ashton im Laufe der Saifon wiederholt be- währt, ebenso Herr Lurgenstein als Raimund. Die Rolle des Edgar sang Herr Möers angenehm in Stimme und Vorteaa.

Saal Bechstein.

Das zweite populäre Concert des Berliner Tonkünfstler- Vereins, welches vorgestern stattfand, wurde mit einem Streichquartett von dem Componisten F. E. Koch eröffnet, der durch seine Gediegen- heit in der Formbehandlung bereits wohlbekannt ist. Hat auch der erste Say wegen des zu gedrängten Ineinandergreifens der verschie- denen contrapunktish gestalteten, aus dem Motiv entwickelten Ton- zruppen etwas Gekünsteltes, das einem freien melodishen Gedanken bemmenb entgegentritt, so ist dafür der zweite rhythmish sehr interessant und der melodiófe langsame Saß von sehr fesselnder Wirkung. Der leßte fugirte Saß stellt die Geschicklichkeit des Componiften in der polyphonen Gestaltung ins glänzendste Liht und ist zugleih klarer entwickelt als der erste Sap. Dem Werke, welches von den Königlichen Kammermusikern Hasse, Nieselt, Gülzow und Sandow vortrefflih ausgeführt wurde, folgte reiher und wohlverdienter Beifall. Fünf Lieder von N. J. Eichberg, die von Selbständigkeit der elo Erfindung und charakteristisher Wiedergabe fowohl bei ernsten, als bei heiteren Dich- tungen zeugten, fanden gleichfalls eine sehr günstige Aufnahme. Weniger durch Originalität hervorragend waren die Romanze für Violine und die drei Lieder von Hasse, wel von Fräulein Herms mit: vielem Ausdruck gesungen wurden. Den Schluß des Abends bildete das bereits in der Sing-Akademie aufgeführte und an dieser Stelle besprohéne Quintett für Klavier, Flöte, Klarinette, Horn und Fagott von E. E. Taubert, das der Componist in Gemeinschaft mit den Königlichen Kammermusikern Prill, Schubert, Littmann undi

Valerius unter sehr lebhaftem Beifall vortrug.

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