1893 / 99 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Apr 1893 18:00:01 GMT) scan diff

London, 25.- April. (W. T. B.) - Der Castle - Dampfer „Grantully-Castle“ ift heute auf der Heimreise in London angekommen. Der Castlc-Dampfer „Dunottar Castle* ift gestern auf der Ausreise in Capetown angekominen.

Theater und Musik.

Residenz-Theater. Das „Liebesdrama- Jugend“ von Max Halbe, das bereits am Sonntag in einer Vormittags-Vorstellung ausgeführt wurde, fand estern bei der ersten Abendaufführung einé bemerkenswerthe warme heilnabme bei den Zuschauern und fast ungetheilten Beifall. Der Verfasser. der sch mehrmals auf - der Bühne zeigte, gehört zu den jüngsten modernen Dichtern, und scheint entschlo}sen, selbständige Wege zu wandeln, Er hat seinen Stoff der lebendigen Gegenwart entnommen und hat offenbar beabsichtigt, ihn der Wirklichkeit entsprehend durhzuführen; “aber hier, wie so oft bei den modernen naturdalistishen Dichtern, werden aus einfachen und natürlichen Voraus- engen innerlih völlig unwahre und unnatürlihe Folgerungen ab- geleitet.

Kummer frgreend, Die Rolle des Jünglings lag in den Händen des ‘Herrn Nittner, der den Ton des werdenden Studenten recht ut traf. Herr Jarno als Kaplan vertrat init Erfolg’ den asketischen Slaubenseifer, der die Welt und ihre Lüste siegreich Üüberwindet. Lie Werner als Pfarrer Hoppe hätte bei seiner sonstigen milden reundlihkeit in der Streitscene vornehmer sein müssen. Theater Unter den Linden.

Bei Gelegenheit der hundertsten Aufführung der Operette „Lachende Erben“ von Horst und Stein wurden gestern Abend in Gegenwart des Componisten Herrn Carl Weinberger, der persönli die Leitung übernommen hatte, von einem dichtbeseßten Hause dem unermüdlichen Personal, das noch mit derselben Frische, wie bei der ersten Vorstellung, alle Kräfte zur Unterhaltung und Er- heiterung der Zuschauer einfeßte, die shmeichelhaftesten Huldigungen in Hervorrufen und Blumenspenden dargebraht, an denen auch der Componist und derRegisseur HerrEd uard Binder ihren wohlverdienten Antheil erhielten. Die Vorstellung bekam {on dadurch einen festlihen Charakter, daß jeder Dame beim Eintritt in den Theater- raum ein mit einem zierlihen rothseidenen Bändchen versehener, die so häufig zur Erheiterung des Publikums von Herrn Fröden (dem

Mannigfaltiges. Seine Majestät der Kaiser hat, wie: der „Nat.-Ztg," be-

richtet wird, am Montag, dem Sterbetage des General-Feldmarschalls-

Grafen M oltke, einen großen Lorbeerkranz mit Namenszug auf der Schleife auf dem Grabe in Kreisau niederlegen lassen.

St. Petersburg, 25. April. Aus Wladiwostock wird dem „W. T. B.* folgender Unfall berihtet: Zum Empfange eines aus Odessa anlangenden Dampfers hatten sich daselbst zahlreiche Personen, unter ihnen der Hafen-Commandant, auch viele Damen, insgesamint achtzig Personen, auf dem Dampfersteg versammelt, als dieser plößlih einbrach und die darauf zusammengedrängten Personen in das an jener Stelle etwa 1 Faden tiefe Meer stürzten. Es gelang, fast alle Verunglückten zu retten.

Nishny-Nowgorod, 25. April. Der SLgans auf dem Oka-Flusse hat, wie ,W. T. B." meldet, große Verheerungen unter den Schiffen angerichtet, welhe dort am Quai überwinterten.

Der erste leidenschaftlihe Liebesrausch zwischen zwei ganz jungen Leuten, der Held kommt von der Schulbank und besucht vor dem Abgehen nach der Universität ein katholishes Pfarrhaus an der pol- nischen Grenze nimmt eine böchsstt unwahrscheinliche, fast unnatürlihe Wendung und würde den Grundstein zu dauerndem Elend für die beiden jungen Menschen bilden, wenn nicht ein gütiger Zufali dem Dasein der jugendlihen Sünderin ein Ende machte; sie stirbt durh einen dem Liebhaber bestimmten Schuß ihres blödsinnigen Bruders. Dem Stück haften zahlreihe Mängel an, ohne daß dadurch Antheilnahme an den Vorgängen } s{hmälert würde. Die Liebe des jungen Mädchens wagt {1h lo heiß und stürmisch hervor, daß sie nur dur eine anormale, ererbte Anlage erklärt werden kann, die auch {on ihre Mutter ins Unglück stürzte. Von einer gegliedexten Handlung ist in dem Drama kaum die Rede; der erste und zy-eite Act spiegeln fast nur Stim- mungen wider, erst der dritte Aufzug mit feinem Herzeleid und traurigen Ende is wirklich dramatish. Die Charaktere sind, soweit sie fkindlich und alltägliÞ find und ansprehend

aber die

Scchwungs bedürfen, freundlih und

die Liebesfreude, die kleinen Zänkereien der ( ihr hilfloses Trauern und Fürchten nah dem Fehltritt, is natürlich und einfach, wenn auch zu weitläufig wiedergegeben; sobald aber ernstere Charaktere mit tieferer Menschenkenntniß, gehobener Welt- anschauung verlangt werden, reiht die Kraft des Dichters nicht aus. Ein Pfarrer und ein Kaplan, die in dem Stück vorkommen, behelfen ih durhschnittlih mit recht trivialen Redensarten und kommen über Gemeinpläße niht hinaus; große Gedanken fehlen gänzli und in einem heftigen Streit des dritten Acts tritt ein Grad von NRohheit und Niedrigkeit bei den edel und asketish angelegten Personen hervor, der von Naturwahrheit weit entfernt ist. Troßdem {webt ein dichterischer Hauch über dém kleinen Liebeësdrama; der Frühling draußen in der Natur und drinnen im Herzen wird theilweise mit rührender Einfolt Der joviale alte Pfarrherr in seiner Behaglichkeit bei seiner Pfeife und seinem Gläschen, das geschäftige, liebkosende Annchen und der junge Student, der am offenen Fenster die Frühlings- l d vereinigen sich zu cinem friedlichen, stimmungsvollen Bild, das Theilnahme fordert und

geschildert.

luft und die Freiheit in tiefen Zügen einathmet,

géwinnt.

Die Darstellung war recht tüchtig; besondere Aufmerksamkeit er- regte Fräulein V. von Mayburg. als Annen mit ihrem herzigen lebhaften Wesen, das auch. der Leidenschaft noch einen züchtigen Schleier überwoarf; ihre Lebensfreude war rührend naiv und thr

reiht wurde.

wesentlich ge-

keines hohen __ gezeichnet : Liebesleutchen,

Preisen Sardou?s

stets’ um 725 Uhr beginnen.

Dryade in Weber's „Silvana“.

Offizierburshen Cyprian) gebrauhten drolligen Worte „Sie leben, Sie genießen“, in Goldbuchstaben enthaltender Blumenstrauß über- Mit rauschendem Beifall wurde der jugendliche Comvponist begrüßt, als er zum Beginn der Operette auf dem blumenge|chmüdten ODirigentenstuhl laß nahm. Der Löwen- antheil der gespendeten Anerkennungen wurde aber dem Herrn Steinberger zu theil, der ununterbrochen bei allen hundert Auf- führungen dur seinen überwältigenden Humor als der lebenslustige und liebebedürftige ältlihe Commandant die Besucher erfreut hat. In der Rolle der Margit gewann Fräulein Melanie Andrée \chnell j alle rer Cd r E alis e E j und_ a pointirten Vortrag. Fräulein Walden, als des Nahtwächters Tochter, N 96 ; und die Herren Druker (Lieutenant Brandt), Fröden (Cyprian) und Rom, 26. April. Lemcke (Nachtwächter) trugen das Jhrige bei zum Gelingen der er- folgreihen Vorstellung, die wie gewöhnlih ihren glänzenden Abschluß dur das Ausstattungs-Ballet „Columbia“ von H. Regel fand.

Im Berliner Theater wird mocgen das Blumenthal’sche Schauspiel „Ein Tropfen Gift“ mit Agnes Sorma in der Rolle der Hertha gegeben. Am Freitag kommt „Graf Waldemar“ zur Dar- stellung, au) mit Agnes Sorma, welche an diesem Abend zum ersten Mal die Rolle der Gertrud spielen wird. Für Sonnabend ist Moser’s „Veilchenfresser“ und für Sonntag Nachmittag zu erinäßigten chauspiel „Dora“ mit Agnes Sorma in der Titelrolle angeseßt. Vom 1. Mai an werden die Abendvorstellungen

Im Friedrih-Wilhelmfstädtishen Theater beginnen die Vorstellungen vom 1. Mai ab um 7 Uhr. i

Im Residenz-Theat er wird am Sonnabend Alma NRenier aus Stettin als „Denise“ erstmalig auftreten. / :

Morgen debütirt im Krollshen Theater eine junge Ber- linerin, Fräulein Agnes Herrinann , und zwar in der Rolle der

am Freitag zum ersten Mal in Scene. | j

In dem morgen zum Besten der Lehrerwittwen und -Waisen in der Philharmonie stattfindenden Concert des Sängerbundes des Berliner Lehrervereins wird die Altistin Fräulein Adelina Herms Lieder von Schubert, Rubinstein, O. Eichberg, Liszt, Heuberger und Gounod singen und Herr Professor Robert Hausmann Stücke von Davidoff, sowie den Cello-Part in Boccherini's C-dur-Sonate für Cello und Klavier zum Vortrag bringen.

aber sehr groß.

Siebzig Flußfahrzeuge vershtedener Größe find vom Eise stark be- schädigt tvorden, vierzig sind . gesunken. Eis mit fortgerissen, auch drei Dampfer sind schwer beschädigt worden. Ein Verlust an Menschen ist nicht zu beklagen, der materielle Schaden

Nach Schluß der Redaction eingegangene

Depeschen. (W. T: B) D talterlGe

Königspaar wohnte heute Vormittag um 101/24 Uhr dex Eröffnung der National-Ausfstellung in den Thermen des Diocletian bei.

Albano, 26. April. der Kaiser traf nebst Gefolge um 9 Uhr 6 Minuten hier ein und wurde auf dem festlih geschmüdten Bahnhof, wo sich eine große Volksmenge angesammelt hatte, unter Salutschüssen von den Behörden, Vereinen und Schulen empfangen. gestelltes Musikcorps spielte die preußishe Volkshymne. Seine Majestät bestieg einen \ durch die geschmückte Stadt Albano über Ariccia nach Gen- zano. Hier besuchte der Kaiser die Villa Sfoxza-Cesarini, deren Park den Ausblick auf den tief unten liegenden Nemis See und dessen hecrlihe Umgebung bietet. Auf dem ganzen Weg wurde der Kaiser von der zahlreih herbeigeströomten Be- völkerung enthusiastisch begrüßt.

Konstantinopel, 26. April. (W. T. B.) Der Com- : mandant des französishen Mittelmeer-Geshwaders Admiral Sullivan's „Mikado®" geht im Theater Unter den Linden | Vigne ist mit 45 Dfficieren gestern Abend an Bord des

Avisoschiffes „Tronde“ hier eingetroffen. Die Ankunft der

Kaiserlichen Yacht „Jzzeddin“ mit weiteren 50 Officieren wird erwartet. Die französishen Officiere dürften bis zum Sonn- abend hier verbleiben.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten und Dritten

(W D, B) Seine Majestät

Ein auf-

vierspännigen Wagen und fuhr

Beilage.)

Wetterbericht vom 26. April,

8 Uhr Morgens.

p illim

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=40R.

Stationen. Wetter.

Bar. auf 0 Gr . d. Meeres red. in Mill Temperatu in 9 Cel s 509 C.

U

wolkig bededckt bededckt bedeckt

Mullaghmore | 767 Aberdeen .. | 765 Christiansund | 765 Kopenhagen. | 758 toŒholm . | 756 aranda . | 761 t Petersburg| 757 Moskau... | 753 Cork, Queens- alen: | 16 erbourg . 5 l Bs E bee 762 mburg .. | 762 inemünde | 760 Neufahrwasser} 759 Memel (58 S l 760 Münster .. | 761 Karlsruhe . . | 762 Wiesbaden . | 762 Sbanig ; : | 763 olfenl.2) Es l A0 wolkenl. Beclins 1: 762 heiter Wien .….. | 764 wolkenlos Breslau... | 764 wolkenlos

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Schnee bedeckt

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beiter heiter wolkenlos Nebel!) heiter heiter bededckt bedeckt

wolkenlos beiter Dunst wolkenlos

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1) Dichter Nebel. 2) Dunft, Thau.

Uebersicht der Witterung.

Eine breite Zone niedrigen Luftdruckes erstreckt Ly von der Biscayasee ostwärts nah dem Innern Rußlands, während über dex Balkanhalbinsel und im Nordwesten der britischen Ini der Luftdruck am höchsten ist. Bei {wacher Luftbewegung aus veränderliher Richtung is das Wetter in Deutsch- land andauernd heiter und trocken bei hohen Tages- temperaturen. N gestern wurden wieder hohe Nachmittagstemperaturen beobachtet, zu Bamberg 24, Kaiserslautern 25, Paris und Clermont 27, Brest 28 Grad. In Westrußland ift fast überall Schnee gefallen. Ueber Deutschland ziehen die obéren Wolken aus West und Nordwest.

Deutsche Seewarte.

Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern- haus. 105. ‘Vorstellung. Der Ring des Nibelungen. Bühnenféstspiel von Richard Wagner. 1. Abend: Die Walküre in 3 Acten. Dirigent: Kapell- meister Sucher. Anfang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5.) 312. Vorstellung. Gaftreht. Drämatisches Gedicht

in 1 Aufzug von Rudolph Genée. In Scene gesest vom Ober-Regisseur Max Grube. Meister Gert Westfaler. Komödie in 1 Aufzug aus dem Dâä- nischen des Ludwig Holberg (geschrieben 1722). Für die deutshe Bühne eingerihtet von Dr. Julius Hoffory und Dr. b fe Schlenther. In Scene ge- seßt vom Ober-Regisseur Max Grube. Die wachsame Schildwache. Zwischenspiel in 1 Auf- zug nah Cervantes (geschrieben um 1612), bearbeitet von Rudolph Genée. In Scene geseßt vom Obers- Regisseur Max Grube. Die chrlich Väckin mit ihren drei vermeinten Liecbsten. Ein Possen- spiel zur Lehr und Kurzweil gemeiner Christenheit, Frauen und Jungfrauen zum goldenen Spiegel von Sacobus Ayrer. (Zum ersten Male aufgeführt in Leipzig im Jahre 1615.) Anfang 7 Uhr.

Freitag: Opernhaus. 106. Vorstellung. Bajazzi (FPagliazzi). Oper in 2 Acten und einem Prolag. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwig Hartmann. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Teblaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher, Die Rebe. Ballet in 2 Acten (5 Bildern) nach dem Text von Taglioni, Grand- mougin und Hansen, von Emil Graeb. Musik von Anton Nubinstein. Dirigent: Musikdirector Stein- mann. Anfang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). 113. Vorstellung. Vasantasena. Drama in 5 Auf- zügen von Emil Pohl, mit freier R der Dichtung des altindishen Königs Sudraka. In Scene geseht vom Ober-Regisseur Max Grube. Anfang

r.

Deutsches Theater. Donnerstag: Das Wintermärchen. Anfang 7 Uhr.

Freitag: Zum 50. Male: Der Talisman.

Sonnabend: Zwei glückliche Tage.

Berliner Theater. Donnerstag: Ein Tropfen Gift. (Agnes Sorma.) Anfang 7 Uhr.

Freitag: 23. Abonnements - Vorstellung. Graf Waldemar.

Sonnabend: Der Veilchenfresser. /

Die nächste Aufführung von „Viel Lärm um Nichts“ findet am Sonntag statt.

Lessing-Theater. Donnerstag: Brave Leut" vom Grund. Anfang 7 Uhr. Le: Brave Leut’ vom Grund. onnabend: Die arme Lötvin. Sonntag: Brave Leut’ vom Grund,

Wuallner- Theater. (Leßte Woche.) Donners- tag: Die Orieutreise. Anfang 74 Uhr.

Freitag: Die Orientreife.

Sonnabend: Die Grofstadtluft.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. Chausseestraße 25.

Donnerstag: 4. Gastvorstellung der Frau Ilka von ezug Zum 4. Male: Mamselle Nitouche. audeville mit Gesang in 3 Acten ‘von H. Meilhac und A. Millaud, Deutsch von Richard Genée. Musik von Hervé. (Denise de Flavigny: Ilfka von Palmay ) Anfang 7 Uhr.

Freitag: 5. Gastvorstellung von Ilka von Palmay- Mamselle Nitouche.

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- burg. Donnerstag: Zum 45. Male: Die beiden Champignol. (Champignol malgré lui.) Schwank in 3 Acten von Feydeau und Desvalliòres. Deutsch von Benno Jacobson. In Scene gefeßt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7# Uhr.

Freitag: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Max Halbe. In Scene geseßt von Hans Meery.

Sonnabend: Denise.

Sonntag: Jugend.

Kroll's Theater. Anfang 7 Uhr.

Freitag: Auf Verlangen: Mala Vita. Melo- drama in 3 Acten von Giordano. (Christine: Bega Bellincioni; Vito: Noberto Stagno, als Häste.

Sonntag: Auf Verlangen: A Santa Lucia. Melodrama in 2 Acten. von Tasca. (Nosella : Gemma Bellincioni; Ciccillo : Noberto Stagno, als Gäste.)

Donnerstag: Silvana.

Victoria-Theater. Belle - Allianceftraße 7/8.

Donnerstag (leßte Woche): Mit neuer Aus- stattung: Die Reise um die Welt in achtzig Tageu. Großes Ausstattungssück mit Ballet in 5 Acten (15 Bildern) von A. d'’Ennery und Jules Verne. Ballet arrangint vom Balletmeister C. Severini. Musik von Debillemont und C. A. Raida. Anfarig 7F Uhr. i :

Freitag: Die Reise um die Welt in achtzig -Tagen.

Theater Unter den Linden. Donnerêtag:

Die Welt-Aussftellung in Chicago. Die deutsche Abtheilung in dem populären Aus- stattungs - Ballet Columbia. Vorher: Lachéude Erben. Operette von Horst und Stein. Musik von Carl Weinberger. H T T (f : Freitag: Zum 1. Male (vollständig neu inscenirt) : Der Mikado. Vorverkauf an der Tageétkafse.

Adolph Ernst-Theater. Donnerstag: Zum 27. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil- weise von G. Gbrie Musik von G. Steffens. Jn Scene geseßt von Adolph Ernst. Anfang 7# Uhr.

Freitag und folgende Tage: Goldlotte.

Der Sommeér-Garten is geöffnet.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Donnerstag: Novitäten-Cyclus, Z. leßten Male: Der Herzogsmüller. Volksdrama in 4 Acten von C, Mallachow. Anfang 7+ Uhr.

Freitag: Gute Zeuguisse,. Wenn man im Dunkeln küfßt.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes - Ausftellungs - Park (Lehrter Bahnhof), Gedsffnet von 12—11 Uhr. Y

Concerte.

Philharmonie. Donnerstag, Anfang 74 Uhx: Coucert vom Sängerbunde des Berliner Lehrervercins (Dirigent: Prof. Felix Schmidt), zum Besten der Lehrerwittwen und Waisen, unter güliger Mitwirkung des Fräulein Adelina Herms, des Herrn Prof. Hausmauu und des Herrn Brüning.

Circus Renz (Carlstraße.) Abschieds - Vor- stellung am 2. Mai.

Donnerstag, Abends 7} Uhr: Auf vielseitiges Verlangen: Wiederholung der Gala - Sport - Vor- stellung vom 22. April. Aus dem Programm be- tonders hervorzuheben: Springschule, mit dem Schul- pferde „Camelliard“ geritten von Frl, Oceana Renz. „Maïstoso“, in der hohen Schule geritten von Frl. Oçeana Renz. Mr. James Fillis mit der Schulpferde „Germinal“. Miß Edith als Jockey 2c. Zum Schluß in neuer Ausstattung: Die lustigen Heidelberger. Große Ausstattungs-Pantomime.

Freitag, Abends 7+ Uhr: Große Vorstellung.

Sonntag: 2 grofe Vorstellungen. Um 4 Uhr (1 Kind frei) und um 73 Uhr.

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Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Marie Berckenkamp mit Hrn. Lieut. Hans Georg von der Marwiß (Wiges- baden— Frankfurt a. O.). Frl. Elfriede Ber mit Hrn. Kreis - Bauinspector (Ful

ruhl (Schweidniß—Oppeln). r, har- lotte Sabeck mit Hrn. Eisenbahn - Bau- inspector Oscar Nosenkranz (Berlin—Stettin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Emil von Frankenberg und Ludwigsdorf (Bückeburg). Hrn. Oberpfarrer Jonas (Eberswalde). Hrn. Hâäuptmann Eberhard (Neisse). Eine Tochter: Hrn. Gymnafial-Director Dr. Michael (Jauer).

Gestorben: Hr. Gutsbesitzer s Baerccke (Spittelhof bei Elbiyg). Hr. ‘Mäjorätsherr Hugo von Wedel (Braunsforth). Verw. Fr. Ober - Landesgerichts - Rath Emma Spangun erle N Diederichs, (Rostock). Verw. Fr. Ged, tegierungs-Rath Ottilie Schähell, geb. Schmidt (Breslau). Hr. Pastor Hermann Mapßpfke (Karoschke). Verw. Fr. Vrediger Luise Müller, geb. Seyffert (Wittenberg).

Redacteur: J. V. Siemenroth.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlgbs

Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Acht Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage);

und die amtliche Gewinnliste der 7, Marie

burger Geld-Lotterie.

Vierzehn Fahrzeuge hat das-

M D,

Deutscher Reichstag.

82. Sibung vom Dienstag, 25, April, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht der in der Nummer vom Dienstag mitgetheilte shleunige Antrag des Abg. Ahlwardt, der zur Begründung seines Antrages das Wort erhält.

Abg. Ahlwardt (b. k. F.): In der 72. Sitzung des Reichstags fam ih auf den Jnvalidenfonds zu sprehen und erklärte, daß der- {elbe meiner Meinung nach falsch eingerihtet sei, und führte aus: wenn {on eine Dotation für denselben geschaffen werden sollte, fo hätte sie auch so hoh geschaffen werden müssen, daß dié Zinsen aus- reichen, damit der Fonds sich nicht selbst aufzehrt. Auf die Erinnerung des Abg. Richter, daß die Vorlage von der Regierung so gemacht tvorden sei, erklärte ih, daß eine Einrichtung dieser Art wesentlichen Nußen nur für die Börse habe, und auf Zischenrufe erklärte ih weiter, daß, ehe dieses Gesetz zur Verhandlung gekommen sei, Verhandlungen hinter den Coulissen stattgefunden hätten. Es wurde mir dann ge- fagt, daß solche Vorverhandlungen hinter den Coulissen bewiesen werden müßten. Ich erklärte dann, daß ih in diefem Fall be- ¡züglih des Invalidenfonds Acten nicht hätte, sondern bloß Druck- fachen, wohl aber für andere Fälle. (Infolge der von der Linken laut wverdenden Zwischenrufe verliest Redner seine damalige Aeußerung aus dem amtlichen stenographischen Bericht.) Da die Presse meine damaligen Behauptungen vielfach verdreht hat, fo stelle ih hiermit irochmals ausdrücklich fest, daß ih beweisen soll, daß bei anderweitigen Dingen in der That \{chlimme Verhandlungen hinter den Coulifsen stattgefunden haben, und daß von Herren, die früheren und jeßigen Mitgliedern des Reichstags und dem preußischen Finanz-Minister Dr. Miquel nahe \tehen, unser Volk um Hunderte von Millionen geichädigt ist, und daß dies einen Nückschluß auf den Invalidenfonds giebt. Obwohl ih also die vollständigen Acten erst nach Ostern bringen konnte, hat der Senioren-Convent doch über die damals vor- gelegten Acten beschlossen und erklärt, daß darin nichts enthalten sei von dem, was ich behauptet habe. Dieses Vorgehen gegen mich erkflärte ih {on damals für eine Vergewaltigung, die damit motivirt wurde, daß cs im Hause immer Brauch gewesen sei, für solche An- griffe sofort Beweismaterial vorzulegen. Diese Erklärung des Senioren-Convents ift ein bedauerlicher Irrthum. Der Abg, Lasker hat seinerzeit für seine Angriffe nicht sofort Beweismaterial beigebracht, und ih erinnere ferner an all die Angriffe des Abg. Richter gegen den Reichskanzler, wobei er Actenmaterial nicht vorgelegt hat. In der- selben Sitzung, in der ih hier abgeurtheilt wurde, wurde ein Mit- glied des Hauses vom Abg. Richter des {wersten Verbrechens, des Falscheides bezichtigt, woflir ein Beweis von ihm nicht erbraht, ihm auch niht abverlangt is. So muß ich annehmen, daß ih vom Zentioren-Convent vergewaltigt bin. Demnächst habe ih nach Ostern verschiedene Male vergeblich ums Wort gebeten und ließlich diesen Antrag eingebracht. Jch will die Acten einer besonderen Commission und niht dem Senioren-Convent überwiesen haben, weil ih mich durch diesen vergewaltigt fühle und weil ein Mitglied darin ist, das mich in leßter Zeit nicht so behandelt hat, wie es ein Abgeordneter gegen einen anderen thun soll. Abgesehen von all den unerhörten Dingen, die er über mich durch die Presse von ganz Deutschland ver- breitet hat, hat er sich niht einmal entblôdet, den Präsidenten dieses Hauses in das Lügengewebe zu ziehen. Er machte in seiner Zeitung bekannt, daß der Präsident des Hauses mir gesagt habe, er wolle nur zoch in Gegenwart von zwei Schriftführern mit mir verhandeln. Der Präsident, der mi stets in höflicher Weise behandelt hat, hat auf meine Frage in Abrede gestellt, daß er dies weder zu mir, noch zu irgend einem anderen gesagt habe. Das ift also eine unerhörte, absolut durch und durh erfundene Lüge des Abg. Rithter. (Präsident von Leveßow: Jch kann nicht zulassen, daß Sie einen Abgeordneten einer Lüge bezihtigen, und rufe Sie zur Ordnung.) Fch werde das weitere Material auch in der Commission, von der ih erwarte, daß sie mih vorladen wird, vortragen. Jch will mich hier dem Wunsche des Präsidenten fügen und diese Thatsachen jeßt hier nicht anführen. Die Gesammtheit dessen, was mit meinem Material bewiesen werden foll, ist, daß dur den Kapitalismus, hauptsächlich vertreten durch den Herrn von Bleichröder und Herrn von Hanse- mann und unter dem Beistande des damaligen Directors und Mit- inhabers der Discontogesellschaft, des Herrn Miquel, unser Volk um viele Hunderte von Millionen gebracht worden ist. Es ist nicht noth- wendig, daß ich zunächst darauf komme, wie ih in den Besiß der Acten gelangt bin. Als ich im Jahre 1890 in der weiteren Veffent- lichkeit durch mein Buch: Der Verzweiflungskampf der arischen Völker mit dem Judenthum, und sväter mit dem Buch: Der Eid eines Juden, bekannter wurde, trat eines Tages ein gewisser Meißn an mich heran und theilte mir mit, daß er einen sehr gcoyen Posten von Actenstücken besitze, die er mir zur Verfügung stellen wolle, weil er es für gut halte, daß ih sie genauer prüfe. Ich erklärte mich be- reit, und er hat mir dann diese Acten ins Haus gebracht. Jch \tudirte sie und fand allerdings Dinge darin, die ih bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Ich sragte den Mann: Wie sind Sie in den Besitz dieser Acten gekommen? Er sagte: Ich war zu jener Zeit angestellt von der Discontogesellschaft, resv. der rumänishen Bahn. Jch hatte Zutritt Tag und Nacht zu allen Acten und habe dafür gesorgt, daß ïiberall Copirbücher vorhanden waren ; ih habe alle Acten copirt, die zerrissenen Briefe und Papiere, die bei Seite geworfen waren, zu- sammengeklebt, und so sind im Laufe der Jahre diese Acten entstanden. Ich fragte den Mann: Welches Interesse hat Sie dazu veranlaßt, daß Sie die Acten jenen Leuten nahmen und in meinen Besiß bringen, von denen Sie doch Ihr Brot gehabt haben ? Er erwiderte: Ich bin von großer Wuth und Haß erfüllt worden, denn meine Pflegetochter ist dur die Herren Hans von Bleichröder und Reichenheim geschändet worden. So bin ih in den Besiß der Acten gekommen. Wenn nun anderweitig behauptet wird, es wären Actenstücke, welhe mir von Herrn Grünwald zum Ankauf angebotcn wären, so muß ih dies be- streiten. Grünwald mag e Actenstücke besißen, aber diese sind es niht. Aus diesen Actenstücken geht nun allerdings hervor, das die Gesellshaft durh Herrn von Bleichröder und die Discontogesellschaft, deren Directoren die Herren Miquel und von Hansemann waren, in der grauenhaftesten Weise ausgewuchert worden is, und zwar ohne jedes Risiko dieser Gesellschaft, da sie vollständig Deckung hatte. Mer von Gehlsen ist f. Z. wegen einer ähnlihen Behauptung zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt worden, weil er die Belege dafür nit erbringen konnte. Hauptzeuge war der jeßige preußische Staats-Minister Miquel. Derselbe sagte Folgendes aus: „Jm Auf- sihtsrath selber ist von der 5 Millionen-Anleihe bei der Reichs- Hauptkasse und der Seehandlung nie die Nede gewesen... . Ich selbst habe von dieser ganzen Darlehnssahe überhaupt gar nichts ge- wußt; ih war zu jener Zeit in Thale und habe von der Existenz des Darlehns erft Kenntniß erhalten, als hierüber im Aufsichtsrath referirt wurde; erst da habe ih erfahren, daß die Seehandlung das Geld gegen Bürgschaft hergeben wollte. Wenn behauptet wird, die Gefellschaft habe 144 v. H. an uns gezahlt, so kann ih selbs aus eigener Wissen- schaft nichts sagen; nah den mir gewordenen Mittheilungen aber it es völlig unrichtig; denn es sind im Gesammtbetrage 4 v. H. Zinsen gezahlt und die Bürgen haben # v. H. pro Quartal Bürgschafts- provision erhalten". Auf das Vorhalten, daß sowohl die Disconto- gesellshaft, wie au Bleichröder an. die Gesellschaft direct Vorschüsse zu Weit höherem Zinsfuße hergegeben, deponirt Zeuge: „Es ist zuerst ein kleiner Vorshuß auf kurze Zeit gegeben; zu welchem Zins- fuße, weiß ih nicht." Hier sind {were Irrthümer untergelaufen,

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1893.

Berlin, Mittwoch, den 26. April

denn Sie werden in der Abschrift der Acten und in den Acten selbst eine Anzahl von Briefen, die der jeßige preußishe Finanz-Minister gezeichnet hat, finden, aus denen hervorgeht, daß in minimo 16 9/6, in maximo 39 vom Hundert Zinsen bezahlt worden sind, und zwar an die Discontogesellschaft sowohl als auh an die Firma Bleichröder. Diese Darlehen belaufen sich auf 20 Millionen, für welche durh- \hnittlich 209/69 bezahlt worden sind. Jch muß dies für eine ganz ungeheure Auswucherung des nothleidenden deutshen Volkes halten seitens der Herren Hansemann, Bleichröder und Miquel. Aber nicht nur, daß die Herren ihr eigenes Geld zu so hohem Zinsfuß anlegten, sie haben sogar Staatsgelder in Anspruh genommen, um mit diesen Wucher zu treiben. Sie werden in den Acten finden einen Brief der Discontogesellshaft an das Neichskanzleramt, wo dasfelbe um 4 Millionen Mark, und später die Seehandlung um 6 Millionen Mark gebeten wind. Darauf die Antwort, gez. Delbrück, daß das Darlehen bewilligt sei. Für die nominelle Bürgschaft lassen sich die Discontogesellshaft und Bleichröder 4 9% allein als Pro- vision bewilligen. Wenn dér Aba Miquel damals ertlärte, daß nur 14 9/9 Zinsen überhaupt genommen seien, so beruht diefer Eid auf cinem Irrthum, denn es sind mehr als 14 9% genommen worden. Wenn er weiter sagt: Ich habe niemals eigene Geschäfte gemacht, fondern alles, was ih gethan habe, that ih als Director der; Discontogesellschaft, so is das wiederum ein Irrthum, denn Sie werden bei den Acten Briefe finden von Hansemann und Miquel, worin sie erklären: ih Hansemann, ih Johannes Miquel, zeihne fo und so viel. Nun findet sich in den Zeitungen eine Darstellung, die fast genau übercinstimmt mit der des Senioren-Convents, daß nämlich die Betheiligung bei dem Bau der rumänischen Staatsbahnen eine Nettung des deutschen Kapitals gewesen wäre. Was gerettet worden ist, ift durchaus nicht das deutsche Kapital, sondern ist in die Börse der Discontogesellshaft und Bleichröder's geflossen. Das alles Va e N mten De dame Preffe Bud bie Discontogesellshaft bestohen wurde. 21 Wiener Zeitungen er- hielten für cine fünfzeilige Notiz, die günstig über die Bahn lautete, je 50—100 Gulden, ähnlich die Berliner Zeitungen, was sich aber so ziemlih in jeder Woche wiederholt. In den Acten finden sich Originalrehnungen von zwei Herren, die zur Bestehung der Presse nah Wien geschickt waren, über ungefähr 100 000 Thaler. Hier in Berlin ist die Presse von der Disconto-Gesellschaft bearbeitet worden. Wir finden in den Acten einen Brief, in dem Herr Miquel schreibt, daß die Presse nun einmal bearbeitet werden müßte. Das kann ih voll und ganz begreifen nah der letzten Preßmache gegen mich, welche mich als einen Auswurf der Menschheit hinstellt, und von dem Oberjuden, den ih wohl nicht zu nennen brauche, in der un- erbörtesten und geschicktesten Weise gemaht wird. (Heiterkeit und Zwischenrufe.) Wenn Ihnen der Ausdruck nicht gefällt, will ih sagen: Zuhälter des Judenthums. An den Kaiser wurde das Gesuch gerichtet, für die neuen Actien der rumänishen Bahn den Stempel von 250 000 Thalern zu erlassen. Ob es genehmigt wurde, darüber beweisen die Acten leider nihts. Die Wechsel zwischen der rumäni- schen Vahn und der Disconto-Gesellschaft gingen ungestempelt hin und her, wodur die Reichskasse cinen Verlust von 3—400 000 6 hatte. Dann finden Sie einen Brief, aus dem hervorgeht, daß die Beschlüsse der Generalversammlungen häufig durch Strohmänuer herbeigeführt wurden, die Herren Horwiß und Munckel werden da befonders genannt. Es war ein trauriger Zustand, daß \ich der Führer der damals größten politishen Partei mit folchen Geschäften befaßte. Der Hauptgewinn is natürlich den jüdischen Bankhäusern zuge*allen und berehnet sih an diesem ‘einen rumänischen Geschäft auf 50 Millionen Thaler; an anderen Geschäften wurden geradezu ungeheuerlihe Summen verdient. Eine Gründung, an der Herr Miquel auch betheiligt war, war die Preußische Central-Bodencredit- Actiengesellshaft. Die Provinzial-Discontogesellschaft is wohl eine der blutigsten Gründungen gewesen, die es je gegeben hat. Die Actien wurden auf 150 getrieben und brachten im zweiten Jahre garnichts. 11 Millionen sind dem deutschen Volke daran verloren gegangen. Jett finde ich auch die Erklärung des Herrn Miquel hier im Reichstage vom 5. Februar 1876, daß er für sein Theil niemals Geschäfte ge- macht habe. (Nedner verliest dieselbe.) Es wurde damals der Ver- suh gemacht, so zu sagen das ganze Deutsche Reich anzukaufen, um das Land an Eisenbahngesellschaften abzugeben. Bleichröder und die Discontogesellschaft standen mit den Reichsfonds dahinter, insbesondere auch mit dem Welfenfonds, für den nur 39/0 Zinsen gezahlt und 35 9/9 verdient wurden. Die Sache mit der Braunschweiger Bahn

war sehr eigenthümlich. Die Darmstädter Bank und Bleichrödér F

mit der Discontogesellschaft kauften dieselbe, sie waren aber nur vor- geschoben; jeßt sind die Actien im Besiß des preußischen Staats, der daran geradezu ungeheuerlihe Verlujte erleidet. Die Sachsen waren damals flüger und ließen sih niht durch Berliner Juden aus- beuten. Die s{limmste Gründung ist die Hannover-Altenbekener Bahn. Diese ist so theuer gebaut, wie keine einzige Bahn in ganz Deutschland. Sie konnte sich auch niht annähernd verzinsen und erhielt \ch{ließlich aus dem Reichs - Invalidenfonds ein Darlehen. Nachher wurden die Aktien von« TInvaliden- fonds gekauft. Der Reichs-Juvalidenfonds war mit 800 Millionen ähnlicher Papiere belastet, so auch mit denen der Köln-Mindener Bahn. Damit der Fnvalidenfonds niht 50 Millionen Thaler an der Hannover-Altenbekener Bahn verlor, mußte der preußische Staat ein- springen und sie mit dem Vierfachen des Werths bezahlen. Daraus fann man sehen, was für ungeheuerliche Dinge hinter den Coulissen vorgegangen fein müssen. Auch Herr von Bennigsen hatte damals die Klinke der Gesetzgebung mit in der Hand; ob er Geschäfte gemacht hat, weiß ih nicht, aber Herr Miquel hat Geschäfte gemaht. Der Neichs-Invalidenfonds und der MReichstags-Baufonds sind lediglich diesen Speculationen zu gute gekommen und die Gründe, aus denen sie ins Leben gerufen waren, kamen nicht in erster Linie in Betracht. In der Commission werde ih genaue und ausführliche Auskunft darüber geben. Sämmtliche productiven Stände des Reichs sind damals durch wenige, überaus reihe Personen, aller- dings hauptsächlich Juden, voll und ganz ausgebeutet worden. Ich bin weit entfernt, irgend einen Mann persönlich anzugreifen. So wenig wie Herr Miquel hat mir eine der genannten N etwas gethan, aber man muß, wenn man allgemeine Zustände darlegen will . . . (Abg. Rickert: Tüchtig verleumden.) Verleumdung liegt mir vollkommen fern. Jrrthümer meinerseits sind nicht ausgeschlossen, aber mein Gewissen is das beste. (Nufe: Jawohl!) Mein Zweck ist, die vroductiven Stände (erneute Rufe: Jawohl!) von dem Vampyr, der auf ihnen lastet, 7zu befreien. Abg. Rickert ruft: Ja- wohl! ein Mann, der doch au für seine Directorstelle bei der Juden- s{hußztruppe 12000 4 jährlih erhalten hat. (Langanhaltende Heiter- feit und Lärm. Glocke des Präsidenten. Abg. Rickert: Heraus mit der Sprache! Namen nennen! Wen meinen Sie damit?) Herr Nickert soll nah Berichten .. .. (Abg. Rickert in höchster Erregung: „soll“! Ein Lügner, ein Verleumder sind Sie. Großer Lärm.) Daß ih den s{limmsten Gefahren ausgeseßt fein würde, wußte ich vorher, aber ih babe es für meine Pflicht gehalten, dies hier vorzubringen. In der Commission werde ih alle Einzelheiten darlegen, deéhalb bitte ih, eine solhe zu wählen. Sie sehen wieder, wie ih behandelt werde. Jch kann mich gegen Leute, die mi Ver- leumder nennen, absolut nicht verantworten. Jch muß mir alles gefallen lassen, was in der Presse aller Parteien an unerhörten Ver- eumdungen gegen mich vorgebraht wird, während es mir niemals eingefallen ift, irgend eine einzige Partei zu beleidigen. Die Gründer,

von denen ih gesprochen habe, sind leider in allen Parteien, besonders in der nationalliberalen vertreten, mit Ausnahme der Centrumsypartef und der Socialdemokfraten. Wählen Sie in die Commission auch einen der mir nahestebenden Herren: Den Abg. Pickenbach oder einen Andern! »

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Königlih preußischer Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Wenn ich es hier bloß mit Herrn Ahlwardt zu thun hätte, so könnten Sie sicher sein, daß ih nicht antworten würde. (Sehr richtig!) Da aber Herr Ahlwardt die Ehre hat, Vertreter der deutschen Nation zu sein (Zuruf), da hier im Deutschen Reichstage diese unerhörten Unwahrheiten und Lügen vorgebracht werden (fehr wahr!), so halte ich mich verpflichtet, niht in meinem Interesse, sondern im Interesse der öffentlihen Moral, im Interesse der Er- haltung des Vertrauens zu den Staatsbehörden, eingehend auf diese unerhörten Beschuldigungen zu erwidern.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagt: ich will ja nur das: Gute, ih stehe hier für meine Behauptungen ein! Nun, ich lade ihn ein, diese seine Behauptungen außerhalb des Reichëtags (sehr gut ! links) mir nur kurz zu bestätigen, so wird er sehr bald Herrn Joachim Gehlsen nahfolgen, und ih werde erwarten, ob dieser große Cato den Muth hat was dohch, wenn man Männern unter der Redefreiheit in dieser Weise angreift, eine Sache der persönlichen Ehre wäre seine heutigen Behauptungen mir außerhalb des Reichstags zu wiederholen.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete stützt sich auf die rumänische Actiengesellshaft und deren Handlungen. Gestatten Sie mir, auf diese Gesellshaft etwas näher einzugehen, und Sie werden suher staunen, wie man derartige Behauptungen aufstellen kann. Diejenigen, welche die Zeit erlebt haben, werden \ich erinnern, daß im Anfang der 70er Jahre der Dr. Strousberg mit einigen anderen Herren eine Concession erlangte für den Bau mehrerer hundert Kilometer Eisen- bahnen in Rumänien. Es wurden, um die Kapitalien für diesen Bau aufzubringen, 7F 9% Obligationen ausgegeben, während allerdings die Garantie für diese Obligationen, die der rumänishe Staat übernahm, erst bei Fertigstellung der Eisenbahnen fällig wurde. Von diesen 73 °%/% Obligationen wurden, wenn ih nicht irre, 63 Millionen Thaler ins deutsche Publikum gebracht, und zwar vorzug8weise mit Nücksiht auf den hohen Zinsfuß gelangten diese Obligationen in die Hände kleiner Leute.

Das Unternehmen ging nun voran, scheiterte aber bald an dem Mangel der Mittel und an der Schwierigkeit der Ausführung in dem fernen Orient. Die Obligationen gingen Schritt vor Srité herunter - fie waren zu etwa 70 ausgegeben und standen \{ließlich auf 35, end- lih waren überhaupt keine mehr abzusezen. Die rumänische Regie- rung sah, daß die Sache niht vorwärts ging, daß die Fristen nichk innegehalten wurden; és wurde ein eigenes Geseß emanirt, wonach die Garantie als nit in Kraft getreten bezeichnet, mit der Confiscation der Bahnen gedroht wurde und das ganze Unternehmen also nunmehr völlig in Frage stand.

Eine große Unruhe bemächtigte sich der Inhaber der Obligationen, überall bildeten sh Schußcomités. Diese wendeten sich an diese beiden Bankhäuser, auf die sie auch höheren Orts verwiesen troaren, mit der Bitte, sie möchten sich doch der Rettung oder des Versuchs der Rettung des deutschen Kapitals annehmen. Sehr zögernd und widerwillig was au wohl jeder Geschäftsmann verstehen wird ließen sih diese Bankhäuser auf diese Sache ein. Sie gründeten, wie gesagt, nah Uebereinkommen mit dem rumänischen Staat eine Actiengesell- schaft, die in 30 Tagen aus diesen Obligationären zu bilden war. Sie erließen einen Aufruf an die Obligationäre, wonah diese sich zu melden und ihre Obligationen in Actien zu verwandeln hätten. Es meldeten sich fast ausnahmslos alle Obligationäre. Nun wurde die Actiengesellschaft constituirt. Es wurden Unterhandlungen mit dem rumänischen Staat angeknüpft. Derselbe war auch einverstanden, daß diese Actiengesellshaft an die Stelle der ursprünglichen Constitutionäre zu treten hätte; aber allerdings waren die Garantieverpflihtungen des rumänishen Staats erst fällig, wenn sie gleih den ursprünglichen Concessionären die Bahn rechtzeitig fertigstellte. Nun stand die Gefell- haft da; irgend welhe Kapitalien waren niht vorhanden, das Ver- mögen bestand in halbfertiggestellten Eisenbahnen in Rumänien, welche sehr mangelhaft gebaut waren; die Dämme waren eingefallen, die Brücken waren eingerissen, und es war überhaupt nur noch ein geringerer Theil hergestellt. Wenn die Gesellschaft niht rehtzeitig und bedingungs- mäßig die Eisenbahnen fertigstellte, so hatte sie nichts, das deutsche Kavital blieb verloren. Nun stellen Sie sih einmal in die Lage dieser Bankhäuser ; wenn sie Vorschüsse gaben, so hatten fie dasselbe Nisico, was die Actionäre hatten: denn gelang diefer {chwierige Ver- suh nit, in der kurz gestellten, noch übrig gebliebenen Frist diese Bahnen fertigzustellen, so waren die Vorschüsse der Banken ebensogut verloren, wie die Actien der Actionäre, dann war eben nichts da. Das waren so ungeheuer riskante Geschäfte, hier Vorschüsse zu geben, daß wir oft in der Discontogesellschaft erwogen haben, ob man es überhaupt noch weiter verantworten könnte gegen die eigenen Actionäre, immer steigende Vorshüsse in einer Höbe zu geben, die chließlih die größten Schwierigkeiten auch für die Discontogefell- {haft selbs zur Folge haben konnten.

Meine Herren, nun hat der Angeklagte ih darauf gestützt (Große Heiterkeit) bat der Abgeordnete sich darauf gestützt, daß dis Gesellshaft den Bahnbau in Rumänien nicht felbst ausgeführt, sondern denselben der österreihishen Staatsbahn übertragen hat. Ja, meine Herren, wir waren unendlich glücklih, als dieses gelang. Denn die Beamten, die da von Strousberg her sich vorfanden, waren meistens von der Beschaffenheit, daß wir ibnen keinerlei Vertrauen {enken konnten; und wenn es auch anders gewesen wäre, fo waren wir garniht im f\tande, in der kurzen Zeit einen fo gewaltigen Bahnbau von noch vielen hundert Kilometern fertig zu stellen ohne die geordneten Kräfte einer Bahn, die da în der Nähe ih befand, und deswegen wurde der ganze Bau und Betrieb in Rumänien vertrags8mäßig der österreichish-französishen Staatsbahn übertragen. Es wurde eine General-Direction in Bukarest eingeseßt2

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