1912 / 189 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Aug 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Zur Arbeiterbewegun g.

_ In Frankfurt a. M. traten, wie die „Köln. Ztg." berichtet, gestern früh in sechs bis sieben Fuhrunternehmungen die E rente in den Ausstand, weil ihre Forbernngen von den Arbeitgebern nicht erfüllt worden find. Im wesentlihen handelt es fich um die Fest- legung der Arbeitszeit auf zwölf Stunden und weniger, während hin- fihtlich der Lohnforderungen eine friedlihe Verständigung in den meisten Fällen möglih gewesen wäre oder schon erfolgt ist. Die von dem Ausftand betroffenen Firmen halten ihre Betriebe durch Hilfs- mannschaften aufrecht. (Vgl. Nr. 186 d. Bl.)

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

Verdingungen.

(Die näheren Angaben fiber Verdingungen, die beim „Reibs- und Stactsanzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition wäbrend der Dienststunden von 9—3 Uhr eingesehen roerden.)

Belgien.

21. August 1912/7 1 Uhr.“ Börse in Brüssel: Lieferung von 3000 m Samt, 1,30 m breit, 6800 m rotes und 500 m blaues Tuch, 1,40 m breit, 4000 Stüdck Einsäße aus Posamenterien mit Borden. 12 Lose. Eingeschriebene Angebote zum 17. August. Speziallasten- beft Nr. 755 vom Bureau des adjudications in Brüffel, Rue des Augustins 15, zu beziehen.

Mannigfaltiges.

Essen a- d. Nuhr, 8. August. (W. T.B) Der Festakt im Lichthofe des Hauptverwmaltungegebäudes zur Hundertjahrfeier der Kruppschen Werke (vgl. Nr. 188 d. Bl.) wurde durch das Borspiel zu der Oper .Nienzi“ eröffnet. Hierauf hielt Herr Krupp von Boblen und Halbach eine Ansprache, in der er zunächst

Seiner Majestät dem Kaiser und König den Dank der Firma für Allerhöchstsein Erscheinen aussprach, mit freudiger Genugtuung der Anwesenheit Seiner Königlichen Hobkeit des Prinzen Heinrich gedachte und die gesamten Festgäste

willkommen hieß. Ec betonte, daß dur diese Feier das neu errichte BVerwaliungs8gebäude seine Weihe empfange, vnd {loß seine Nede nah einem Ausblick auf die Zukunft des Werks und dem Gelöbnuis, dessen ferneres Gedeihen zum Besten des Gemeinwohls in Treue zu fördern, mit einem dreimaligen Hurra auf Seine Majestät. Die Versammlung erhob sich und sang die Nationalhymne, worauf Seine Majestät der Kaiser und König das Nednerpult bestieg und, während alle Anwesenden stehen blieben, folgende Ansprache hielt: Die Geschihte des Werks, dessen hundertjähriges Bestehen wir beute feiern, ist ein Stück preußischer und deutsher Ge- hihte: seine Gründung fällt in das Jahr, mit dessen Schluß für Preußen und Deutschland die Morgenröte der Befreiung von der Fremdherrsckaft anbrach und die Epoche begann, die von Leipzig bis nach Versailles zur Einigung Deutschlands unter prevßisher Hegemonie führte. Die ersten Jahrzehnte mühseligen Ningens, durch die das Werk hindurh mußte, fallen in die Zeit, da in Preußen unter etner freien Gewerbegeseßgebung, lebhaft gefördert und unterstüßt durch Meine Vorfahren, in stiller emsiger Arbeit eine Industrie entstand, die inzwishen in hundert- jähriger Entwicklung den heimishen Markt eroberte und auf dem Weltmarkt zum erfolgreihen Konkurrenten aller Kulturstaaten er- wachsen ist. Die Annalen dieser politishen und wirtschaftlichen

Entwicklung werden ‘den Namen Krupp stets mit Ehren nennen. Kruppsde Geshüßze haben in den preußischen Linien auf den Schlacht!feldern gedonnert, auf denen Deutsch- lands Einheit vorbereitet und erkämpft wurde. Krupp|che

Geshütße werden auch heute noch vom deutschen Heere und der deutshen Marine geführt, auf Kruppscher Werft erbaute Schiffe führen die deutshe Kriegsflagge, Kruppscher Stahl bewahrt Schiffe und Forts. Zahlreihe Armeen des Auslandes bedienen ch Kruppschen Kriegsmaterials. Aber die waffentechnishen Leistungen des Werks werden fast noch übertroffen dur Leistungen auf Gebieten, die der friedlihen Entwicklung der Völker dienen. Die gesamte Technik tes modernen Verkehrs,

die Eisenbahnräder, -achsen, -schienen, die Wellen des Schiffs wie des Kraftwagens beruhen heute noch auf dem Gußstahl

und den genialen Konstruktionen Alfred Krupps. So ist denn auch niht ein kriegeris@-8 fondern ein fultureles Fabrikat, der Rad- reifen, in der Fabrikmarke und im Familienwappen versinnbildlicht. Das Krupp\che Werk war nit nur der erste Großbetrieb Deutsch- lants, sein großer Leiter war auch der erste, der in Deutsck(land die

\ozialpolitishen Probleme erkannte und zu [ôfen versuchte, die aus der neuen Betriebéweise erwuchsen. Die Kranken-,

Snvaliden- und Hinterbliebenenfürsorge der Firma, ihre Kon- fumanstalten und Fortbildungeschulen, ihre mustergültige Wohnungs- volitf haben in der deutshen Großindustrie bahnbrechend newirkt und die sozialpolitishe Gesetzgebung des Deutschen Reichs vorbereiten helfen. Was Alfred Krupp in einem langen, arbeitsreiden Leben gental ersonren und mit eisernem Willen in die Tat vymgeseßt hat, ist inzwischen Gemeingut aller und die Grund- lage einer bedeutenden vaterländishen Industrie geworden, deren Entwicklung dem deutshen Können und dem deutschen Schaffens- drang zur hohen Ehre gereiht. Aber sein Werk ist noch immer führend niht nur auf technischem Gebiete, die Konkurrenz bat es nur zu neuer Kraftentfaltung beflügelt sondern auch durch die hohe Auffassung von den Pflichten des Großunternehmers gegenüber den Angehörigen des Werkes wie gegenüber der All- gemeinheit. So haben die in Krieg und Frieden dem Vaterlande geleisteten Dienste für dies Werk eine besondere Siellung in Meinem Staate geschaffen und durch nunmehr drei Generationen Jeine Inhaber und ihre Familien zu Meinen Vorfahren und Mir in ein Verhältnis freund\chaftlichen Vertrauens geseßt. Es gereicht Mir zur freudigen Genugtuung, das Werk, seine Inhaber und Ang-hörigen zu dem beutigen Ehrentage per'önlih beglückwünschen zu tönnen, und Ich kann das Bekenntnis der Treue zu Kaiser und Neich, das Ich soeben vernommen babe, nur mit dem Wunsche beantworten, daß es den jeßigen Leitern des Hauses gelingen möge, es weiter zu führen, treu den Tradilionen des Hauses, zur Chre des Namens Krupp, zum Ruhme unserer Industrie und zum Wohle des deutschen Vaterlandes.

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Theater.

Berliner Theater. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Große Rofineu. Originalposse mit Gesang und Tanz in drei Akten (5 Bildern) von R. Bernauer

und N. Schanzer. Sonntag und folgende Tage: Große Rofinen.

Theater in der Königgräßer Straße. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die fünf Frauk-

furter. A Sonntag und folgende Tage: Die fünf Frauk- autwalt furter. Sonntag und

Sonnabend, Abends 84 Uhr: anwalt.

Lehner und Frißz Pose

Ver-

Lessingtheater. Ensemblegastspiel der Direktion: L Eaon Jantsh. Die Verguügungsreise. mit Gesang und Tanz.

Sonntag und guügungsreise.

folgende Tage: Die

Neues Schauspielhaus. Sonnabend, Abends 8t Uhr: Gastspiel Sylvester Schäffer. Der erkaufte Gatte. August Neidhart. Terzett von Octave.

Sonntag und Nee Tage: vester Schäffer. L Hierauf: Ein wenig Musik.

Kurfürsten-Oper. Ensemblegastspiel Direktion | n F. Heltai: Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der Tangz-

Schillertheater. Charlottenburg. Sonnabend,

Akten von Hermann Bahr. Sonntag und folgende Tage: Das Kouzert.

Nachdem sodann Wagners „Kaisermars{" verklungen war, hielt der Vorsitzende des Direktoriums, Geheimer Finanzrat Hugenberg die Festrede, die in längeren Ausführungen die Entwicklung des Werks zum Inhalt hatte. Ein Hultigungsmarsch schloß die Feter. Nach dem Festakt besichtigten Seine Majestät der Kaiser, Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich und die hervorragendsten Ehren- gäste mit den Mitgliedern der Familie Krupp die anläßlich des Jubiläums errihtete Ehrenhalle, wobei Herr Krupp von Bokblen und Halbach über die Entwicklung der Gußstahlfabrik und der Stadt Essen Erläuterungen gab. Seine Majestät der Kaiser nahm da- nah an dem Frühstück im Hauptverwaltung8gebäude teil. Später fuhr Seine Majestät mit Herrn Krupp von Bohlen und Halbach und den anderen Herrschaften zu den Kolonien, wobei inébefondere der Alfredshof und die Gartenstadtkolonie Margarethenhöhe in Augenschein genommen wurden. Von da ging die Fahrt durH den Altenhof über dessen neueren Teil zum Hügel. Allenthalben wurden Seiner Majestät herzlihe Kundgebungen bereitet.

Um 6 Uhr fand in der neuen großen Festhalle auf dem Hügel ein Festmahl statt, zu dem über 500 Einladungen ergangen waren. Seine Majestät der Kaiser und König führte Frau Krupp von Bohlen und Halbach zur Tafel, Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich Frau Geheimrat Krupy. Die vereinigten Kapellen des Pionierbataillons Nr. 7 und Nr. 24 empfingen Seine Majestät mit einem altpreußishen Fanfarenmarsch. Bald n2ch Beginn des Mahles brahte Herr Krupp von Bohlen und Halbach einen Trinkspruch auf Seine Majestät aus. Seine Majestät der Kaiser und König erwiderte mit folgender Rede:

Mein lteber Krupp von Boblen und Halbach! Bevor Ich Ihnen danke, möchte au Ich der Trauerkunde gedenken, die an unser Ohr gedrungen ist. Es ift von dem Armeekorps der Kohle, das im Kampf mit der Erde steht, von Gefahren und Wettern umgeben, eine tapfere Schar wieder von bösen Wettern dahingerafft. Wir gedenken ihrer in Dankbarkeit, sie sind auf ihrem Felde der Ehre gefallen und werden dem Herzen der Provinz, der fie entstammen, und in der sie arbeiteten, unvergessen bleiben. Möge der Herr den Verwundeten und Leidenden beistehen und sie zur Ge- sundheit zurückführen. Ich danke Ihnen herzlih für die freundlichen Worte und Wünsche, die Ste Mir gewidmet haben. Mit großer Freude bin Ich der Einladung zur Feier des 100 jährigen Bestehens der Kruppschen Werke und des 100. Geburtstages von Alfred Krupp gefolgt. An einem \#o bedeutungsvollen Ehren- und Gedenktage durfte der Landesherr und wenn Ih hinzufügen darf Freund des Hauses nicht fehlen. Die beiten Säfularfeiern, die uns hier zusammengeführt baben, bilden im Nükblick auf die Geschichte

des Wertes U qu das Leben Ulsred Krupps ret eigentlih ein Fest und einen Triumph der Arbeit. In welhem Geiste gearbeitet werden soll, lehrt uns Alfred

Krupp mit seinem am Sockel seines Denkmals verewigten Wahl- spruh: „Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein“. An \ol(er Arbeit ist hier Außerordentliches geleistet von einem Friedrich Krurxp, der das Fundament des Hauses gelegt, einem Alfred Krupp, der aus der kleinen Schmiedehütte das größte Eiscnindustriewerk des Erdballs geshaffen, und von einem Friedrih Alfred Krupp, der den Bau erfo!greich weiter geführt hat. Mit Stolz blicken wir auf diese deutshen Männer und danken Gott dem Herrn, der sie dem Vaterlande geschenkt und ihre Arbeit gesegnet hat. Wer könnte er- messen, welche Fülle von Segen im Laufe der verflossenen 100 Jahre von bier ausgegangen ist für das Gemeinwohl, für die Tausende und Abertausende von deutshen Arbeitern, für die Stadt und die Provinz, für die Industrie, für das Vaterland und die ganze elt! Hier ist eine der Quellen für die kraftvolle nationale Aufwärtsbewegung und den Wohlstand des Vaterlantes. Was

Mich aber bei Meiner Anwesenheit in Essen und auf dem Dügel stets am sympathishsten berührt hat, das ist das wahrhaft ideale Verbältnis der Krupps und ihrer

Familie zur Arbeitershaft. Ein Mann wie Alfred Krupp, der für h selbst von frübér Jugend an nux harte Arbeit bei Tag und Nacht, Entbehrungen aller Art und rücksichts- lose Hingabe seiner ganzen Person, Kraft und Gesundheit an seine Lebensaufgabe gekannt hat, vergaß nie, was er den Schulter an Schulter ihm zur Seite stehenden Mitarbeitern verdankte. Wie ein wahrhafter Freund sorgte er mit warmfühlendem Herzen für fie und ihre Familien auch in Zeiten der Krankheit und des Alters. Unerschütterliches gegenscitiges Vertrauen war die Folge und der Lohn. Und für Friedrich Alfred Krupp, Meinem Mir und uns allen leider so früh entrissenen treuen Freund, ist es ein unverwelklihes Nuhmeéblatt, daß er in inniger Gemeinschaft mit seiner in Werken barmherziger Nächsten- liebe unermüdlihen Gattin dem väterliten Vorbilde gefolgt und immer neue Wege gesuht und gefunden hat, das Wohl seiner Ar- beiter zu fördern und ihr Weh zu lindern. Heute haben wir wieder Gelegenheit gehabt, die mustergültigen Wohlfahrtseinrihtungen in Augenschein zu nehmen und uns davon zu überzeugen, wie wohl es fich im Kruppschen Neiche auch unter der fürsoralien Negterung Meines jüngsten Gesandten und bevollmächtigten Ministers und seiner liebenswürdigen Gattin leben läßt. Daß auch in Zukunft an dieser Tradition des Hauses nicht gerüttelt und das alle Werksangehörigen ums\{lingende Band gemeinsamer Arbeit und gemeinsamen Inter- esses weiter gepflegt und gefestigt werden soll, das haben wir vor- her aus dem Munde des jeßigen Chefs mit Freude und Befriedi- gung vernommen. Ich selbst habe hier im Laufe der Jahre bet Metnen vielfachen Besuhen so manche wertvollen CEindrüke und Anregungen gewonnen für die Behandlung der großen und \{chwierigen Fragen der Arbetterfürsorge, mit denen Ih Mich in Meiner nun bald 25 jährigen Regierung eingehend und Ich denke niht ohne Erfolg beschäftigt habe. Es war Mir daher eine besondere Freude, dem Danke, den Ih und das Vaterland der Firma und der Familie Krupp schulde, heute durch zahlreihe Gnadenbeweise Ausdru geben zu fönnen. Aus vollem Herzen wiederhole Ich mündlih diesen Meinen Königlichen Dank mit dem Wunsche, daß die Familie Krupp und die Firma mit allen ihren Direktoren, Angestellten und Arbeitern auch im fommenten Jahrhundert unter dem Segen Gottes wachsen, blühen und gedeihen möge. Ich bitte Sie alle, Ihr Glas zu leeren auf das Wohl des Hauses und der Werke Krupp! Hurra! Hurra! Hurra!

Gegen 8 Uhr wurde die Tafel aufgek oben und die Schar der Gäste, an der Spitze Seine Majestät der Kaiser, begab si in den an die Festhalle anstoßenden Garten, wo ein aus mehreren hundert Sängern bestehender Chor, der fih ausfchließlich aus Werk-

l Vorher: Komödie in einem Akt von Hierauf: Eiu wenig Musik.

Gastsviel Syÿl- orber: Der erkaufte Gatte.

m. b. H.

Kren ean Gilbert.

folgende Tage: Der Tauz-

angehörigen zusammenseßte, dem Kaiser und den anderen hoben A as tes Oen Hauses eine Serenade darbrachte, die großen Beifall fand. Î Fi E

9, August. Heute Vena von 9 Uhr ab besichtigte Seine Majestät der Kaiser und König und alle anderen auf Hügel anwesenden Festgäste die neuen Werkstätten, die Anlagen der G ußstahlfabrik und die anderen Werke der Firma Krupp. Die für heute nahmittag angesagt gewefenen _ Turni erfest}piele werden auf Wunsh Seiner Majestät des Kaisers mit Nüksicht auf das schwere Unglück auf der Zehe „Lothringen vers oben.

Bochum, 9. August. (W. T. B.) Das Unglück auf der Zehe „Lothringen “* (vgl. Nr. 188 d. Bl.) ist bedeutend größer, als anfargs angenommen wurde. Amtlich wird darüber gemeldet: estern vormittag ereignete fi auf der Zeche „Lothringen“ 1 und 2 in Gertbe eine Schlag, wetter- und Kobhlenstaubexploston, der 193 Bergleute zum Opfer fielen. Ferner wurden zwei Bergarbeiter fchwer und 23 leiht verletzt. Der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow und tec Oberpräfident von Westfalen Prinz von Nattibor und Corvey haben in Begleitung des Berghauptmanns die Grube besuht und im bescnderen Auftrage Seiner Ma iestät des Kaisers der Werksverwaltung und den Angehörigen der Verun- glückten das Beileid Setner Majestät ausged!ückt. Die Ber- gungsarbeiten sind insofern s{hwierig, als die Unglüdcksftelle etwa 2 km von tem Schacht entfernt liegt. Unter ten Tolen befinden ih die Steiger Middelmann und Paßmann. In beiden Bezirken arbeiteten etwa 120 Mann, von denen si 30 bis 35 rechtzeitig retteten. Die Verletßten fanden Aufnahme im Krankenhaus „Bergmannsheil“. Die im besonderen Maße für den Nettungsdienst ausgebildete Mannschaft von „Hibernia“ und, Shamrock“ wurde zu Hilfe gerufen und das Netturgéwerk, das {on am Morgen begonnen, mit verdoppeltem Eifer weiter geführt. Zuerït waren es die oVerletten, die man herausbrachte, aber die Zahl der Verleßten ver- mehrte sih niht mehr, sondern die der Toten wurde tmmer größer. In dem Bergmannsdorf Gerthe herrschte große Aufregung, Auf dem Zechenplaß jammerten die Frauen und Kinder um thre Er- nährer, während die Rettungsmannschaften immer neue Leicen mit geshwärzten Gesichtern und verbrannten Körpern heraufbrahten, um fie in die \{hnell hergerihteten Totenkammern hineinzutragen. Un- unterbroen brate der Förteckorb noch Leute zu Tage, tie voll- ständig verkohlt und wohl nur schwer zu erkennen sind.

Die Menfchenmassen voc der Zehe nahmen später ab,

als cin heftiger Regen niederging. Der Berghauptmann, mehrere Vertreter der Bergbehörden , der Leier der

Rettungszentrale des Oberbergamtsbezirks Dortmund, Drt- mann, und der von dem Bergwerikéunglü in Courrières her bekannte Bergwerksdireltor Koch sind anwesend. Die Belegschaften find gestern zur Mittagsschicht nit angefahren. Die Urs ache dez, Schlagwetter- explosion ist vermutlih darin zu suchen, daß Gase, die in Fels- fpalten eingeschlo sen waren, dur einen Sprengschuß wieder frei wurden und sich entzündeten. Wahrscheinlich ist die Cxplofion an zwei vershiedenen Stellen entstanden. Mehrere kleine Brände wurden nah verhältnismäßig kurzer Zeit gelö\{cht. Die per rung in der Grube i nur gering. Es steht nunmehr fest, daß 99 Tote und 25 Verlette geborgen worden find. Bon den Verletten find zwei im Krankenhause „Bergmanntheil“ gestorben. 15 bis 16 Bergleute fehlen noch; doch ist es möglich, daß einige von diesen beim Beginn des Unglücks ausfuhren, ohne ihre Kontrollmarke abzugeben, sowie auch, daß sie hinter Brüchen einge- {lossen sind und noch leben. S i

Setne Majestät der Kaiser und König hat zur Linderung der ersten Not für die auf der Zehe ¿Lothringen ber unglückten Bergleute 15000 4 bewilligt und dem Ober- vräsidenten der Provinz Westfalen überwiesen. f

Aus Anlaß des Grubenunglücks hat Seine Köntgliche Hoheit der Prinz-Regent von Bayern an Seine Majestät den Kaiser ein Beileidstelegramm gerichtet; ferner hat er die bayerishe Gesandtschaft in Berlin telegraphisch beauftragt, der Bergwerksbevölkerung sein Beiletd auszusprechen, und ihr zur Linderung der Not der vom Schicksal so hart betroffenen Familien 5000 4 als Spende überwiesen.

HannoßBer, 8. August. (W. T. B.) Der auf der Fahrt von Paris nach Berlin begriffene Flieger Brindejonc-des- M oulinais, der um 11 Uhr Vormittags von Bonn zum Weiter- fluge nah Hannover aufgestiegen ist, mußte wegen starker Gewitter- böen bei Attendorf in Westfalen landen. Bei der Landung fticß der Eindecker heftig gegen einen Baum, wobei der Propeller zersplitterte und die Tragflähen stark beschädigt wurden. Der Flieger selbst blieb unverlegt. Das Flugzeug wird heute noch auseinandergenoamen und nach Paris zurückgeschickt.

_ Konstanz, 9. August. (W. T. B.) Infolge zweitägigen heftigen Regens ist der Bodensee {nell von 430 auf 468 cm gestiegen.

Melchtal, 8. August. (W. T. B.) Das feit Sonntag ver - mißte Fräulein Kübler aus Berlin ist heute abend dur eine Nettungs8kolonne unter der Führung eines Polizeihundes zerschmettert am Fuß der Ebnetalp aufgefunden worden.

Moxrent, 9. August W. T. B) En Bol das täglich fast hundert Waggons Petroleum liefert, ist in Brand geraten. Das Feuer hat \sich auf sechs Bohrlöcher und \echs Petroleumbehälter ausgebreitet. Mehrere Menschen sind dabei getötet oder p worden. Der angerihtete Sachschaden ist groß, doch find die Bohrlöcher versichert. Sie gehören den hol- ländishen Gesellshaften „Astra“ und „Van Sikle“.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Lustspielhaus. (Friedrichstr. 236.)* Sonnabend, Abends 84 Uhr: Ein Königreich m. b. H. In

drei Akten von Franz Wagenhoff. Sonntag und folgende Tage: Ein Königreich

Thaliatheater. (Direktion : Kren und Schönfeld.)

Sonnabend, Abends 8 Uhr: Uutoliebchen. mit Gesang und Tanz in drei Akten von Jean Gesangsterte von Alfred Schönfeld, Musik

Sonntag und folgende Tage: Autoliebchen.

R N I E R Famiilenna:hrichten.

Verlobt: Frl. Ella Forst mit Hrn, Hauptmann

Abends 8 Uhr: Das Konzert. Lustspiel in dret "cen g U E oru & Bt:

leutnant James Douglas (Königsberg).

Geboren: Eine Tochter: Hrn. Oberstleutnant von Auer (Hannover). Hrn. Landrichter Werner von Brünneck (Berlin-Lankwiß). Hrn. Haupt- mann Walther Arens (Münster i. W.). Hrn. Friedrich Wilbelm von Nettberg (Teistungenburg bei Duderstadt).

Gestorben: Verw. Fr. Christiane von Homeyer, geb. Borries (Murchin). Hedwig Fretin von Langermann-Erlencamp (Wernigerode).

Poffe

Verantwortlicher Redakteur: H. V: Weber in Berlin.

Verlag der Expedition (Heidrich) in Berlin. Dru der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sieben Beilagen

(eins{ließlich Börsenbeilage und Warenzeicßen- beilage Nr. 65).

2 ESDY,

, Erste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Freitag, den 9. August

1912.

Berichte von deutschen Fruchtmärkten.

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Bemerkungen.

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt.

cen

Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strih (—) in dea Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betceffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (. ) in den legten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht feblt.

Berlin, den 9. August 1912.

Kaiserliches Statistishes Amt. I. Wet Koh.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln. Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Aus den „VeröffentliGßungen des Kaiferliben Gesundheitsamts" Nr. 32 vom 7. August 1912.)

Pest.

__ ODesterreickch. In Triest ist auf cinem am 4. Juli aus Klein- asten auf dem Wege üher Port Said und Alexandrien eingetroffenen Dampfer des Oesterreichishen Lloyd etwa am 21. Juli ein Matrose an Pest e:frankt; er wurde in das Spital für Infektionskrankheiten geschafft. Bei der Reinigung und Desinfektion des Dampfers wurden viele an Pest verendete Natten gefunden.

Aegypren. Es erkrankten vom 13. bis 19. Juli 5 Personen, davon 2 in Port Said und je 1 in Alexandrien, Etsa und Minich, ferner erkrankten (und starben) vom 20 bis 26. Juli 7 (1), davon 4 (—) in Abu Kerkas, 1 (1) in Port Said und je 1 (—) in Alerandrien und Zagazig. :

Ul orlem An LE Muisseau Ut am 17; Juli auch der 6. Pes kra ke gestorben, neue Erkrankungen sind zufolge Mitreilung vom 5, Juli dort nicht festgestellt worden.

- Philippinen. In PYanila wurde am 26. Juli ein zwetter Toteëfall an Beulenpest gemeldet. China. In Packhoi sind seit Mitte Juni Pestfälle nit mehr

bekannt geworden : Anfang Juli galt die Seuche, welhe dicsmal im ganzen etntge 90 Vpfer gefordert bat, für erloschen.

In Amoy sind vom 30. Juni bis 6. Juli 22 Chinesen der Pest eclegen; die Zahl der Pesttodesfälle in dieser Stadt im Zuni wird auf 79 angegeben.

__ Britisch Ostafrika. Zufolge Mitteilung vom 22. Juni d. J. ist in Kisumu die Pest ausgebrochen,

Cuba. In Havana ist zufolge Mitteilung vom 15. Jult ein zweiter Pestfall festgestellt worden.

Porto Nico. In San Îuan wurden am 13. Juli 2 Er- krankungen, in Dorado am 15. Juli 1 Erkrankung und 1 Todesjall festgestellt.

Westi ndien, Wie in Porto Rico sind zufolge Mitteilung vom 8. Juli auch in Curaçao und La Guayra Pestfälle be- obachtet worden.

Cholera.

Desterreich- U ngarn. In einer Gemeinde des südöstlich von Budapest an der Theiß gelegenen ungari}chen Komitats Csongrad tit am 17. Juli ein Tagelöhner, wie bakteitologish feitgestellt wurde, an Cholera erfranft; er ist am 22. Juli gestorben. Die Ursache ter Erkcankung konnte nicht ermittelt werden.

Rußland. In Astrachan ist am 11. Juli im städtischen Krankenhaus cin neuer Cholerafall bei einer ortsansäfsigen Person

festgestelt wordeu.

„_ British Ostindien. Aus Moulmein wurden vom 26. Mai bis 22. Juni 11 Choleratodesfälle gemeldet.

China. In Amoy sind vom 30. Juni bis 6. Juli 8 Chinesen an der Cholera geslorben; die Zahl der Choleratodesfälle im Juni

betrug 19. Gelbfieber. Es gelangten zur Anzeige in : Mer iko. Am 14. Juli in San Juan Bautista 3 Er- krankungen ; y Venezuela. Am 1. Juni in Macuto und am 17. Juni in Maiquetia je 1 Erkrankung und 1 Todesfall ; Chile. Vom 1. bis 16. Mai im Bezirke Toco 62 Ér- krankungen (17 Todesfälle) und tin Tocopilla 237 (85). N Pocken. Dest errei. Vom 21. bis 27. Juli 2 Erkrankungen in Prag. __ Britisch Ostindien. In Moulmein sind vom 26. Mai bis 15. Juni 13 Personen an den Pocken gestorben. _ China Die Podenepidemie in Hoihow und Umgegend hat seit Mitte Juni nachgelassen und soll zufolge Mitteilung vom 2. Juli schon erloschen sein. Fledckfieber.

Oesterreich. Vom 21. bis 27. Juli 45 Erkrankungen in Galizien.