1912 / 205 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Aug 1912 18:00:01 GMT) scan diff

__ Merseburg, 27. August. Jhre Kaiserlihe und

Königliche Hoheit die Frau Kronprinzessin besuchte, „W. T. B.“ zufolge, heute vormittag die Ausgrabungen auf dem St. Petri-Kloster, wo die hohe Frau die ausgegrabenen Reste der Heinrichsmauer, die Steinkistengräber und anderes besichtigte. Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz empfing um 61/4 Uhr auf dem Rittergut Schkopau die Vereine des Jungdeutshlandbundes und einige Pfadfindervereine aus Halle, Merseburg und anderen Städten der Umgebung, die in Stärke von mehreren tausend Mann auf dem Schloßhofe Aufstellung nahmen. Der Kronprinz be- arüßte zunächst die Leiter der Bewegung und richtete dann an die Knaben eine patriotishe Ansprache, die mit einem Hurra c: : cis 20 "Es S - e auf Seine Majestät den Kaiser und König s{hloß. Die Feier, der auch die Kronprinzessin von einem Fenster des Schlosses aus beiwohnte, {loß mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den Kronprinzen und dem Absingen von Heil Dir im Siegerfranz.

Um 7 Uhr war im Ständehaus zu Merseburg König- liche. Tafel für das TV. Armeekorps. Jm Verlaufe des Mahles brahte Seine Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz folgenden Trinkspruch aus:

Seine Majestät der Kaiser und König hat mich beauftragt, dem Korps seine große Trauer darüber auszusprehen, daß er an dem beutigen Tage niht bier anwesend sein konn!'e. Seine Majestät hat mich ferner beauftragt, dem Korps seine berzlihen Grüße zu über- mitteln. Ich fordere Sie alle auf, in den Ruf einzustimmen : Das IV. Armeekorps und sein kommandierender General Hurra! Hurra! Hurra!

Der kommandierende General Sixt von Armin er- widerte, wie „W. T. B.“ mitteilt, etwas folgendes:

Eurer Kaiserlißen und König!lichen Hoheit bitte ih im Namen des I V. Armeekorps unseren ehbrerbietigsten Dank aus\prehen zu dürfen für den buldvollen und uns hochbeglückenden Gruß, wel#en Seine Majestät der Kaiser durch Eure Kaiserlihe und Königliche Hoheit uns entboten baben. Wenn wir cs \{chmerzlich beklagen, daß es uns nicht vergönnt gewesen ist, beute vor Seiner Majestät dem Kaiser und König in Parade zu stehen, so hofen wir um so mehr, daß es dem Korps gelingen möge, ls den besten Lohn für pflichttreue Arbeit die Zufriedenheit Seiner Majestät in den Feldtmanövern erwerben zu können, damit Seine Majestät mit der Ueberzeugung von uns scheide, daß auch das V, Armeekorpys in ernsten Zeiten eine \charfe, zuverlässige Waffe cin wird. Dann werden fo boffe ich nit nur die Negimenter Nr. 26 und 93, sondern alle Negimenter des Korps zeigen, daß in ibnen noch ein Hauch von dem Geiste des alten Dessauers lebt, und die Neiterregimenter werden ibre Standarten in den Feind tragen, wie cin Seydliß mit seinen Scharen es getan. Denn das darf ih aussprechen, daß, wenn Seine Majestät uns zu den Fahnen ruft, die Magdeburger, Altmärker, Anhalter und Thüringer zu kämpfen und zu sterben wissen werden für König und Vaterland, für Kaiser und Neich, eingedenk des Beispiels, welhes jener Prinz des Hauses Hobenzollern gegeben hat, dessen Namen das Regiment Nr. 27 mit Stolz; trägt. Und fo geloben wir aufs neue, daß wir alle, ein jeder an seinem Plate, unser ganzes Können einfeßen wollen, daß folcher Geist allezcit lebendig bleibe. Diesem Gelöbnis AutdruckE zu geben, stimmen Sie ein in den Jubelruf: Seine Majestät der Kaiser und König, unser Allerhöchster Kriegéherr, Hurra! Hurra! Hurra!

Später fand im Schloßgarten großer Zapfenstreih der vereinigten Kapellen des TV. Armeekorps statt, dem die Höchsten Herrschaften vom Gartenpavillon aus beiwohnten. Die Stadt war erleuchtet. Zahlreiches Publikum hatte sich auf den Haupt- straßen und in der Umgebung des Schlosses angesammelt.

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GLUnod aße des Königlichen Staatsministeriums «_TUL Die i : Gewährung von Zuwendungen an Altpensionäre und Althinterbliebene.

Die zu oder vor dem 1. April 1908 in den Ruhestand getretenen Pensionäre sowie die Witwen und Waisen dieser PRensionäre und der vor dem 1. April 1908 verstorbenen aktiven Beamten erhalten zur Milderung der fich für sie aus den ein- getretenen Teuerungsverhältnissen ergebenden Härten aus den dafür bestimmten Fonds Zuwendungen nah Maßgabe folgender Grundsätze:

1. Der Antrag auf Gewährung einer Zuwendung ist bei der leßten vorgeseßten Dienstbehörde des pensionierten oder verstorbenen Beamten einzureichen. Dabei genügen ge- acbenenfalls unter Bezugnahme auf frühere Eingaben oder aftenmäßige Feststellungen folgende Angaben :

a. bei den Pensionären:

1) Vor- und Zuname, leßte amtliche Stellung, gegen- wärtiger Beruf und Wohnort des Penstionärs,

9) Mitteilung, ob vereheliht: Zahl der unversorgten Kinder mit Angabe des Tages der Geburt,

3) Höhe der Pension (ohne Ostmarkenzulage) und der Einkünfte aus sonstigen Einkommensquellen, einschließlich Leistungen des Staates oder Dritter: Einkünfte der Ehefrau und der Kinder, die den Haushalt teilen: Angabe, auf welche

dieser Einkünfte voraussichtlih dauernd oder für mehrere Jahre gerechnet werden fann; h. bei den Witwen und Waisen:

1) Vor- und Zunahme, Tag der Geburt, bei Witwen auch Fsternname mit Angabe, ob wiederverheiratet, gegenwärtiger Beruf und Wohnort der Personen, für die die Zuwendung be-

ntragt wird,

9) Vor- und Zuname, Tag des Todes, leßte amtliche tellung, leßter Beruf und leßter Wohnort sowie etwaige unversorgte Kinder über 18 Jahren des verstorbenen Ehe- manns oder Vaters,

3) Betrag des bezogenen geldes, je für sich,

4) Höhe der Einkünfte der zu 1 genannten Personen sowie anderer Kinder (Ziffer 2), die den Haushalt teilen, aus sonstigen Einkommensquellen, einschließlih Leistungen des Staats oder Dritter; Angabe, auf welche dieser Einkünfte voraussichtlich dauernd oder für mehrere Jahre gerehnet werden fann.

Dem Antragsteller bleibt es überlassen, diese Angaben durch Hervorhebung von Tatsachen, die eine besondere Berücksichtigung im Einzelfalle oder eine höhere Bemessung der Zuwendung zu rechtfertigen geeignet sind, zu ergänzen.

Im Interesse der Geschäftsvereinfahung wird den Antrag- stellern die Ausfüllung eines Formulars nah anliegendem Muster +) empfohlen, welches bei den Pensionszahlungsstellen un- entgeltlich verabfolgt wird. Jn diesen Formularen brauchen nur die mit *) bezeichneten Angaben vom Antragsteller selbst aus- gefüllt zu werden. Die Zahlungsstelle hat auf Wunsch die

MWeiterbeförderung des Antrages zu übernehmen und, soweit

Witwengeldes und des Waisen-

{) Anm. : Nicht mit abgedrut.

angängig, dem Antragsteller bei der Ausfüllung der Formulare behilflich zu sein.

Liegt bereits ein früherer Antrag auf Unterstüßung vor, der bisher nicht oder nicht völlig berücksihtigt werden Lite, so kann von der Stellung eines neuen Antrages abgesehen werden.

TI. Die leßte vorgeseßte Dien)tbehörde hat die in dem An- trage enthaltenen Angaben nach Maßgabe der nachstehenden Vorschriften auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin nach- zuprüfen und sodann dem zuständigen Minister mit einer gut- achtlichhen Aeußerung über die Höhe der befürworteten Zu- wendung zur Entscheidung vorzulegen. Eine Zuwendung kann nicht gewährt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen bei der Person, für die sie nahgesuht wird, ein Bedürfnis oder die Würdigkeit niht anerkannt werden fann.

Die Nachprüfung hat in wohlwollender Weise an der Hand der Akten, deren Jnhalt zur Ergänzung der Angaben heranzuziehen ist, zu erfolgen. Sind weitere Aufklärungen oder Ergänzungen der Angaben nötig, so ist zunächst der Antrag- steller selbst zu hören, wobei jedoch unter Beschränkung auf das zur Beurteilung der Sachlage unbedingt Erforderliche jedes peinlihe Eindringen in die privaten Verhältnisse des Antragstellers und seiner Angehörigen nah Möglichkeit zu ver- meiden ist. Hat die Behörde nah ihrer Kenntnis der Sach- lage zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben Veranlassung, so fann dem Antragsteller aufgegeben werden, die Richtigkeit durch Beibringung geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Machen Zweifel an der Würdigkeit der Personen, für die die Zu- wendung beantragt wird, oder sonstige Gründe weitere Er- mittelungen erforderli, so sind diese in vertraulicher und \chonender Weise vorzunehmen. Feststellungen untergeordneter Polizeiorgane in der Wohnung oder Nachbarschaft des Antrag- stellers sind unter allen Umständen ausgeschlossen.

TTI. Bei der Gewährung von Zuwendungen sollen, soweit niht durch sonstige Einkünfte ein genügender Ausgleih ge- schaffen ist, besonders berücksichtigt werden:

a. Pensionäre sowie Witwen und Waisen, die wegen eigener Krankheit, Krankheit in der Familie oder aus sonstigen Gründen besonderer Fürsorge bedürfen,

b. Pensionäre, die entweder in jüngeren Jahren pensioniert worden find oder unversorgte Kinder haben,

c. Witwen und Waisen von Beamten, dié vor dem 1. April 1897 oder in jüngeren Jahren pensioniert oder verstorben find.

IV. Durch die Zuwendungen soll nah Maßgabe des Be- dürfnisses in angemessenen Grenzen ein Ausgleich der sich aus den eingetretenen Teuerungsverhältnissen ergebenden Härten herbeigeführt werden, insoweit niht die neben der Pension oder den Hinterbliebenenbezügen vorhandenen Einkünfte einen solchen Ausgleich bereits bieten. Bei Berehnung des Gesamt- einfommens sind nur solhe Nebeneinkünfte zu berücksichtigen, die als voraussichtlih dauernd oder für längere Zeit gesichert erscheinen. Einkünfte von Kindern, die den Haushalt teilen, sind bei Berechnung des Gesamteinkommens eines Pensionärs oder einer Witwe nur soweit zu berücksichtigen, als sie dazu dienen, die Lebenshaltung dieser Person zu erleichtern.

Die Höhe der im Einzelfall zu gewährenden Zuwendungen bemißt sich mindestens :

a. bei den Pensionären, die zu oder vor dem 1. April 1907 in den Ruhestand getreten find, auf ‘den Unterschied zwischen dem einshließli® der geseßlichen Pension bezogenen Gejamteinfommen unh dem Betragk, der sih bei Anwendung der dur Art. TT 8) der Pensionsgeseßnovelle vom 27. Mai 1907 verbesserten Pensionsabstufung auf die der Pensionsfest- sezung zugrunde gelegten Dienstbezüae und “Dienstzeiten er- geben würde,

h. bei Witwen und Waisen dieser Pensionäre und der vor dem 1. April 1907 verstorbenen aktiven Beamten auf den Unterschied zwischen dem einschließlih dem geseßlihen Witwen- und Waisengeld bezogenen Gefamteinkommen und dem Betrage, der sich ergibt, wenn das der Festsezung der geseßlichen Be- züge zugrunde gelegte Ruhegehalt in der zu a gedachten Weise berechnet worden wäre und wenn der Art. IT (§8 8) der Novelle zum Hinterbliebenenfürsforgegeseß vom 27. Mai 1907, insbesondere der erhöhte Mindestbetrag des Witwengeldes von 300 6 bereits gegolten hätte.

V. Die Zuwendungen werden regelmäßig fortlaufend unter dem Vorbehalte des Widerrufs, für die Waisen längstens bis zum vollendeten 18. Lebensjahre, bewilligt und zugleih mit den geseßlihen Bezügen, also für die Pensionäre vierteljährlich, für die Witwen und Waisen monatlih ‘im voraus gezahlt. Neue Zuwendungen sind in der Regel erst von dem auf die Bewilligungsverfügung folgenden Monat zu zahlen.

Die Empfänger sind verpflichtet, eine wesentliche Besserung ihrer Verhältnisse, namentlich eine Anstellung gegen Ge- halt usw. oder eine Beschäftigung gegen Entgelt unverzüglich anzuzeigen.

VI. Stirbt ein Pensionär, der zur Todeszeit eine Zu- wendung bezog, so kann von ihr den bedürftigen Hinter- bliebenen ein Gnadenvierteljahr insoweit gewährt werden, wie ein solches von der Pension gezahlt wird. Ebenso können den Hinterbliebenen nah Maßgabe der Bedürstigkeit die von dem Rerstorbenen etwa nicht abgehobenen, vor seinem Tode fällig gewordenen Zuwendungsbeträge nachgezahlt werden.

Als Hinterbliebene im Sinne dieser Bestimmung gelten nur Witwen und Waisen, nicht aber sonstige Angehörige des Pensionärs. S

Nachdem der versuchsweise Anschluß der Regierungshaupt- kassen und Kreiskassen sowie einer größeren Anzahl sonstiger staat- licher Kassen der Rheinprovinz an den Postüberweisungs- und Scheck- verkehr sich abgesehen von der für die Kassen damit verbundenen Arbeitsvermehrung auch in seiner gegenwärtigen Form als im Jnteresse einer weiteren Verringerung des Bargeldumlaufs liegend und für den Kassenverkehr nußbringend erwiesen hat, sollen nunmehr unter anderem auch die Oberzollkassen und die Zollkassen, bei denen ein Bedürfnis hierzu vorliegt, an den. Postüberweisungs- und Scheckverkehr an- geshlossen werden. Die Präsidenten der Oberzolldirektionen find beauftragt worden, wegen des Anschlusses dieser Kassen an den Postüberweisungs- und Scheckverkehr das Erforderliche zu veranlassen. Für diesen Verkehr sind im allgemeinen die Vorschriften der Postshekordnung vom 6.“ November 1908 maßgebend. e

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Scarn- horst“ mit dem Chef des Kreuzeraeshwaders an Bord und S. M. S. „Leipzig“ am 26. August in Wladiwostok, S. M. S. „Jaguar“ am 27. August in Port Arthur ein- getroffen.

Bayern.

Der Präsident des Bayerishen Verwaltungsgerichtshofes von Lermann ist, -„W. T. B.“ zufolge, auf sein Ansuchen in den Ruhestand verseßt und der Ministerialdirektor von Krazeisen zum Präsidenten des Bayerischen Verwaltungs- gerihtshofes ernannt worden.

Sachsen.

Seine Königlihe Hoheit der Prinz Ludwig von Bayern traf heute vormittag 8 Uhr 35 Minuten in der Uniform des sächsishen Jnfanterieregiments Nr. 102 auf dem Hauptbahnhofe in Dresden ein, wo er von Seiner Majestät dem König, der die Uniform seines bayerischen Jnfanterieregiments angelegt hatte, herzlih begrüßt wurde. Zum Empfange waren, wie „W. T. B.“ meldet, außerdem erschienen der bayerishe Gesandte Graf Montgelas und der bayerishe Generalkonsul Reichel sowie der dem Prinzen zuge- teilte Ehrendienst. Auf dem Wiener Plaße vor dem Haupt- bahnhof hatte der Militärverein 102 mit Fahne Aufstellung genommen. Der Prinz schritt die Front des Militärvereins ab. Nach einem von dem Vorsißenden des Vereins auf den Prinzen ausgebrahten Hoh fuhr der Prinz Ludwig an der Seite des Königs in das Residenzshloß, wo er Wohnung nahm.

Großbritannien und Jrland. Die „Agence Havas“ meldet aus London: Die englische

Regierung hat in Paris und St. Petersburg das Ansuchen gestellt, mit ihr gemeinsam die Aufmerksamkeit Griechenlands auf die Gefahren einer Landung in Samos und der Ein- leitung einer Bewegung zugunften einer Besißnahme dur Griechenland, wie sie gegenwärtig von Griechenland und Kreta vorbereitet werde, zu lenken. Ein englisches und ein fran- zösisches Kriegsschiff haben Befehl erhalten, nah Samos zu gehen, um eine Landung, wenn nötig mit Gewalt, zu ver-

hindern. Rußland. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat die Kommission,

die mit der Voruntersuhung der Matrosenvershwörung in der Flotte des Schwarzen Meeres betraut war, 50 Mann für schuldig befunden und sie dem Marinegericht überwiesen. Gegen 300 unzuverlässige Matrosen seien zum Zwecke scharfer Beobachtung von Bord in Landkommandos verseßt worden.

Türkei.

Die türkishe Regierung hat eine strenge Untersuchung darüber angeordnet, ob die Gerüchte sih bewahrheiten, daß die serbishe Bevölkerung des Wilajets Kossowo Belästigungen ausgeseßt sei und zahlreihe Serben ermordet worden seien, Amtliche Meldungen hierüber liegen nicht vor.

Ferner hat die Regierung angeordnet, daß in Anbetracht der den Arnauten gewährten Amnestie die Erstürmung der TWaffenniederlagen und die Oeffnung der Gefängnisse als Nevolte anzuschen und die Schuldigen zu verfolgen und den Gerichten zu übergeben seien.

Weiter meldet „W. T. B.“ unter dem 27. d. M. aus Saloniki: Die von Mohammedanern bewohnte Ortschaft Zovice bei Kolasin ist von Montenegrinern eingeäschert und ausgeplündert worden. Jn der Gegend von Elbassar hat ein heftiger Kampf zwischen türkishen Truppen und Malissoren stattgefunden. Die Truppen hatten drei Tote und mehrere Verwundete; die Malissoren zogen sih zurück, nahdem sie 19 Mann verloren hatten. Eine bulgarische Bande, die aus 20 Mann bestand, drang in die Ortschaft Lenischte bei Perlepe ein und warf eine Bombe in das Amtslokal, das durch Explosion zerstört wurde. Die Bande entkam.

Nach einer Meldung des „Reütershen Bureaus“ sind gestern sechs italienishe Kriegsschiffe vor Jaffa ein- getroffen. Während drei nordwärts weiterdampften, gingen die VPanzerkreuzer „Francesco - Feruccio“ und „Giuseppe- Garibaldi“ sowie der geshüßte Kreuzer „Coatit“ vor Anker. Der Levantedampfer „Leros“ wurde vom „Coatit“ einer Durd)- suchung unterzogen.

Serbien.

Die Regierung hat den serbischen Gesandten in Kon- stantinopel beauftragt, bei der Pforte wegen der Serben- meßgßelei in Sienißa energische Schritte zu unternehmen und gleichzeitig Schuß der Serben im ganzen Sandschak gegen jed- weden Angriff zu verlangen. Die Regierung hat einen Grenp fommissar nah Sieniza entsandt zur ausführlichen Bericht erstattung über das Gemeßel.

Amerika.

Die „Times“ meldet aus Washington unter dem gestrigen Datum: Der britishe Geschäftsträger hat von neuem Vor stellungen wegen der Panamakanalgebühren gemacht und dem Staatsdepartement angezeigt, daß England an seiner be reits mitgeteilten Ansicht festhalte. Voraussichtlih werde auf diese Vorstellungen hin ein näher begründeter Einspruch er folgen, sobald der Tert des Geseßes in London geprüft fein werde. Falls die Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen nicht dur diplomatishe Verhandlungen beigeleg! werden fönnten, werde England die Einberufung eines Schieds gerichts fordern.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ meldet unter dem 26. August aué Tripolis: Nach Aussagen von Kundschaftern ist vor etwa einem Monat mit einer neuen Karawanenstraße ein Ver such gemacht worden. Die neue Straße beginnt an der tunesishen Grenze bei El Homra und zieht sih an den vor Gebel gelegenen Hügeln und über die Ebene von Gall entlang bis Azizie. Diese Straße ist lang, beshwerlih und wasserarm und erfordert siebzehn Tagereisen. Man hat bisher zwei Reisen unternommen, aber von den Kamelen überstande! 14 die Reise nicht, und die übrigen kamen erschöpft an.

Jn der leßten Woche haben sih 629 Flüchtlinge unte worfen, von denen 159 aus Sahel, 238 aus Tagiura, 70 au? Tripolis und 162 aus anderen Ortschaften stammen.

Dieselbe Zeitung meldet aus Zuara unter dem gestrige" Tage: General Garioni begab sih gestern nah Sidi abd Esjem! und entsandte ein Bataillon erythräischer Askaris nach der Oa? Gemil. Das Bataillon durchstreifte die ganze Oase und rüd!! bis Marut und darüber hinaus vor, wodurch bestätigt wurde, daß die Türken diese Orte vollständig verlassen haben. F

¿leiher Hell vollführte eine Eskadron Kavallerie unter dem Fommando des Majors Curti einen ausgedehnten Erkundungs- it weit über die südliche Grenze der Oase hinaus. Die sfadron stieß mit Abteilungen arabischer Reiter zusammen, iff fie heftig an und fügte ihnen beträchtlihe Verluste zu. Aus Marokko liegen heute folgende Nachrichten vor: Das Lager von Suk el Arba wurde am 25. August um 6 Uhr früh von einer starken Harka des Khalifen El Hiba ingegri ffen. Der Angriff dauerte bis gegen Miïitag; der Feind wurde zurückgewiesen und hatte beträhtlihe Ver- ie. Vier Franzosen wurden leiht verleßt, die Harka zog ch4 shließlih 15 km weit nah Süden zurück. Der general Lyautey ist nach Casablanca zurückgekehrt. gie „Agence Havas“ meldet aus Mazagan vom 25. August: fin Kaufmann hat aus Marrakesch einen vom 19. August patierten Brief von dem Arzt Guichard erhalten, in welhem jieser bestätigt, er hätte mit seinen Gefährten am 15. August pieder nah der Stadt zurückehren müssen. Sie seien unver- hrt und hätten si zuerst zu Mtugi, sodann zu El Glaui ge- sühtet und würden gut behandelt. Der Brief bestätigt ferner, daß die europäischen Läden nah dem Einzuge El Hibas ge- indert wurden. Schließlich bestätigten auch in Saffi ein- ffene Europäer, die Franzosen seien Gefangene El Hibas.

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Nr. 32 des „Eisenbahnverordnungsblatts*, herausgegeben in Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 24. August hat folgenden Fnbalt : Erlaß des Ministers der öffentlihen Arbeiten: vom 3. August

112, VI. D. 12449, betr. Vorschriften für die Beschaffung von Fahr- ¿ugen, fowie Vorschriften für die Materialabnahme und Bauüber- rahung auf den Lieferwerken.

Statistik und Volkswirtschaft.

Tödlihe Verunglückungen in Preußen im Jahre 1910.

Nach einer in der „Stat. Korr.“ gegebenen Uebersicht über die 1910 im preußischen Staate und in den Provinzen vorgekommenen jdlihen Verunglückungen nach der Zahl, dem Alter und dem echlecht der von thnen betroffenen Personen sind im Berichtsjabre inégesamt 15 112 (12 005 männlihe und 3107 weibliGße) Personen gégen 14 534 im Vorjahre 1909 tödlich verunglückt, von je 100 000 der Bevölkerung 38,2 gegen 37,2 im Jahre 1909. Es ist also abîolut und verhältniëmäßig eine Zunahme zu verzeichnen. Dies ccchtfertigt eine Mahnung, auf die Shutzmaßregeln im Verkehr und in den Betrieben ein immer größeres Gewicht zu legen.

Die folgenden Zahlen lassen den Einfluß erkennen, den das Alter und das Geschlecht auf die tödlihen Verunglückungen zuêüben. Es8 verunglückten mit tödlihem Ausgange

S af von 100 000 Perfonen in der Altersklasse Personen Pe

Bf 5 maunl. weibl. - : weibl. zu}. Geschlechts zu}. ton S Jahren 1 043 E o

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überbaupvt... 12006 3107 15

__ Sett man die Gesamtzahlen glceih 1009, fo ergibt sh, daß die Knaben im Alter bis zu 5 Jahren nur mit 12,7 v. H., die gleicalirigen Mädchen dagegen mit 33,6 v. H. aller tödlich verunglückten männ- lien bezw. weiblihen Personen vertretzn waren. In der Alterskasse on über 5 bis 15 Jahren war die betreffende Zahl bei den Mädchen auf 16,0 v. H. zurückgegangen ; bei den Knaben betrug sie 11,8 v. H. in der Altersgruppe von 15 bis 60 Jahren verunglüdckten dann aber verhältni8mäßig weit mehr Männer als Frauen, von ersteren nämli 639 v. H. aller tödlich verunglückten Männer, von leßteren 28,8 d. H. aller tôödlich verunglückten Frauen. Im Greisenalter war die betreffende Verhältniszahl von 10,8 v. H. für das männlihe Geschlecht jast gleich derjenigen in der Alteréklasse von 5 bis 15 Jahren; bei den weiblichen Personen betrug sie 20,8 v. H. ; Die Zahlenangaben über die tödlihen Verunglückungen in den einzelnen Provinzen lassen erkennen, daß von den Knaben und Mädchen 0s zu 15 Jahren, auf 100 000 Lebende dieser Altersgruppe berechnet, die meisten in den Provinzen Ost- und Westpreußen (43,43 bezw 41,32) jowie Schleswig-Holstein (37,93) verunglückt sind (die Hohenzollern- den Lande sind dabei außer Betracht gelassen). Berücsichtigt man die Erwachsenen (die über 15 Jahre alten Personen), so sind von 100 000 lebenden Männern im Staate 72,40, am meisten in der Provinz Westfalen, nämlih 104,26, dagegen im Landespolizeibezirk Vcrlin nur 36,22 Männer ums Leben gekommen. Was die Frauen anbelangt, so verunglüdten diese gegenüber den Männern viel |ltener; im Staate find von 100 000 lebenden Frauen nur 11,96 tédlih verunglüdckt, am meisten in den Probinzen Westpreußen, Vstpreußen und: Brandenburg (ohne den Landespolizeibezirk Berlin) mit 15 61 bezw. 14,54 und 14,10. Der Landeetpolizeibezirk Berlin ill mit 13,32 beteiligt, während die Provinz Westfalen mit 7,59 tötlih verunglüdckten Frauen am- günstigsten dasteht.

Bezüglich des Familienstandes der tödlih Verunglückten sei anzefübrt, daß im Staate von Ledigen 8410, von Verbeirateten 5347,

1 Verwitweten 1185, von Gescziedenen 62, von Perfonen un- vetannten Familienstandes 108 verunglückten.

Was die einzelnen Berufsbeshäftigungen anbekangt, fo verunglückten von Männern in dem Bereiche der Land- und Forst- wirtschaft 2836 (23,62 v. H ), des Bergbaues und Hüttenwefens 1837 [19,30 v. H.), der Industrie 3743 (31,18 v. H.), des Handels und Lerkehrs 1627 (13,55 v. H.). Danach hat die Industrie am meisten Ltunglückungen aufzuweisen. - L _, Faßt man die soziale Lebens stellung ins Auge, so ereigneten 0 am meisten tödlide Verunglückungen bei den Arbettsständen, und war bei Gehilfen, Gesellen, Lehrlingen und Fabrikarbeitern 3663 (2424 v, -H.), bei Tagearbettern und ähnlich Beschäftigten 2181 (2,43 v. H.), bei Dienstboten 737 (4,88 v. H.) und bei selbständig Atwerbenden 1332 (8,81 v. H.), zusammen 52,36 v. H. Bei Vmntnern, Pensionären, Altsizern und Almosenempfängern ihre Angehörigen eingeshlofsen ist die Zahl dagegen niedrig, 638 T v. D). Heer und Marine hatten 147 tödliche Verunglücungen 097 6. S Unter a vershtedenen Arten der Verunglückungen ist in erster {inie Ertrinken mit 3351 (2765 männlihen und 586 weiblichen) +U]onen oder auf je 1000 tôdlich Verunglückte 222 (230 m., 189 w.) “tronen beteiligt, an zweiter Stelle sieht Sturz mil 3158 (492 m., 706 w.) oder auf je 1000 Verunglückte 209 (204 m., “l w.) und an dritter Stelle Ueberfahren mit 2601 (2223 m., #0 w.) oder auf je 1000 Verunglückte 172 (185 m., 122 w.) Personen. Mit diesen drei Hauptarten der Verunglükungen |ételnigen sich die- übrigen in folgender Anführung: Ver- ‘bung durch Maschinen 430 (383 m., 47 w.) oder auf je 1000 tödlich Verunglückte 28 (32 m., 15 w.), Verbrennen und Yttbrühen 1513 (734 m., 779 w.) oder 100 (61 m, 291 w.), Lrstien 656 (442 m., 214 w.) oder 43 (37 m., 69 w.), Verschütten wnd Ershlagen 1358 (1319 m., 39 w.) oder 90 (110 m., 12 w.), [Lergiftung 266 (171 m,., 95 w.) oder 18 (14 m., 31 w.), Slag B Biß usw. dur Tiere 313 (279 m., 34 w.) oder 21 (23 m., [17, w.), Stoß, Schlag und Anprall 191 (174 m., 17 w.) oder 13 9 m., 5 w.), Ersießen, Schußverleßungen und Erxplosionen 367 [41 m., 26 w.) oder 24 (27 m., 8 w.), Erfrieren 126 (117 m., [7 v.) oder 8 (10 m., 3 w.), Blißschlag 236 (165 m. 71 w.) oder 16 1 m., 23 w.), Sonnenstich und sonstige Ereignisse 546 (440 m., 106 w.) Per auf je 10.0 tödlich Verunglückte 36 (37 m., 34 w.) Personen.

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Beklagenswerte Begleitersheinungen der modernen Verkehrs- fahrzeuge bringen in der leßten Zeit die Fahrräder und Kraftwagen mit sih. So kamen 1910 60 Todesfälle bei Männern vor, deren Ursahe Sturz mit dem Fahrrade war (Selbstfahrcr); 223 Personen (169 männlihe und 54 weiblihe) haben im Kraftwagenverkehr durch Ueberfahren das Leben eingebüßt. 242 Perfonen find im Landespolizei- bezirk Berlin durch „Ueberfahren“ im allgemeinen getötet worden. Weitere Kreise dürften ganz besonders die Unfälle derjenigen Personen interessieren, die bei den Fahrten mit dem Ballon oder der Flugmaschine ihre fühnen Versuhe mit dem Leben gesühnt haben. Entsprechend dem Aufschwunge des Luftverkehres i. J. 1910 sind beim Fliegen und bei der Luf!schiffahrt, gegenüber einem Todesfall i. I. 1909, im Berichtéjahre 19 männlihe Personen tödlih ver- unglüdckt, darunter 2 bei der Fluamaschine, die mit dem Flugapparat herabgestürzt sind, und ciner durch Absturz_ mit dem Fallshirm. Von den übrigen 16 Opfern der Lufschiffahrt sind 4 mit dem Ballon bei Gewittersturm verunglückt, 6 durch Absturz mit dem Luftsiff, 1 durch Sturz aus der Gondel des Ballons, und 5 fanden den Tod beim Landen durch Ertrinken.

Zur Arbeiterbewegung. _ Die Angestellten des Berliner städtishen Obdachs stellten, wie die „Voß. Ztg.“ mitteilt, gestern in gut besfuhter Ver- sammlung neue Lohnforderungen auf.

In Malaga haben, wie „W. T. B.“ meldet, die Stauer und Fuhrleute die Arbeit wieder aufgenommen. Der Verkehr im Hafen geht wie aewöhnlich vor sich. (Vgl. Nr. 198 d. Bl.)

Wie dem „W. T. B.* aus Tortosa (Spanien) gemeldet wird, baben die Leiter einer Weberei infolge des Ausstandes von achthundert Arbeitern bes{chlossen, den Betrieb einzustellen.

Kunst und Wissenschaft.

Ueber römische Grabdenkmäler tn Deutshland schreibt der Professor Dr. H. Dragendorf in sciner Schrift „Westdeutshland zur Röômerzeit“ (Verlag von Quelle u. Meyer in ipzig): Wie faum eine zweite antike Denkmnälerklasse lassen uns die auf deutshem Boden stehenden römishen Grabdenkmäler ins reale Leben ihres Landes blicken. Auf den Militärgrabmälern feben wir dèn Toten beim festlihen Mahle im Jenseits, bequem auf feinem Speisesofa ausgestreckt. Anders das Trierer Totenmahl. Der Speise- tis, ganz naturgetreu aufgeführt, als ein aus Stäben zusammen- geseßter Klapptisch, steht in der Mitte. Vater und Mutter sigen, wie der Treverer es im Gegensaß zum Nömer tat, auf ibren bequemen Lebnstühlen am Tisch, Sohn und Tochtir stehen dabei; leßtere stellt mit dem Teller ein gebratenes Hubn auf den Tisch. Haartraht, Barttrat zeigt die Nihtrömer. Die Aermel- gewänder, die Schals, die die Leute um den Hals tragen, find gallische Tracht. Bis zu den Stiefeln berunter ist alles naturgetreu aus- geführt, ein Bild aus dem Leben mit aller Freude an den kleinen Einzelheiten auf den Stein gebracht. Die Szene ist damit in cine ganz andere Sphäre gerückt. Da finden wir den Kahn, der, von Knecdhten am Ufer gezogen, die Warenballen den Fluß hinaufführt, den Lastwagen, mit drei Maultieren bespannt, der sie zum Hoftore binaus über Land führt, tie Maultiere, die sie mühsam auf steilem Pfade über das Gebtrge tragen. Wir werden ins Kontor des Großhändlers geführt und sehen die „Heimarbeiter“ die von thnen ge- webten Tücher abliefern und die Schuldner Zahlungen leisten. Wir sehen die Knehte dabei, den Ballen mit Hebelkraft fest ¡usammen- zushnüren. Bauern kommen auf den Gutshof und liefern die Natur erzeugnisse, Fishe, Wild, Früchte ab. In die Küche blicken wir, wo zwei Köche am Herd arbeiten, während ein anderer in einer Shüfsel Tetg knetet, wieder ein anderer auf dem Tisch mit dem Mefsjer Speltsen zurihtet. In die Tür tritt ein Diener, der in der Stube auf- zuwarten hat, um die Speisen zu bolen. An der Vorderseite desselben Frieses finden wir die Familie selbst bim Mahl, die Männer liegend, die Frauen in Lebhnstühlen sißend. Rechts hantieren Diener an der Anrichte, während links der reihge\{müdckte und reihbesezte Schenk- tisch steht und Diener die Becher füllen. Es sind Szenen aus dem Leben, wie sie sich im Mosellande bet den wohlhabenden Handels8- berren und Greßgrundbesitzern abspielten. Mit liebevollem Eingehen auf Einzelheiten sind die einfachen alltäglihen Vorgänge erzählt. Was die Fgeler Säule bietet, ergänzen andere gleiharttgeNeliefs in Trier, in Met, in Arlon. Da werden wir in das Zimmer*der Frau geführt. Wir seben sie auf dem Bette sitßend, während die Dienerin ihr das Gewand bringt. Wir sehen sie bei der Toilette. Jn ihrchm Korbstuble sißend, blickt sie in den Spiegel, den ein Mädchen ihr vorhält, während ein anderes ihr die Haare ordnet. Den Mann sehen wir über Land reiten, im {weren Kapuzenmantel, oder mit feinen Hunden hinter dem Hasen her galoppierend, oder von der Jagd heimkehrend, triumphierend den erlegten Hasen emporhaltend. Ein anderer fehrt mit der Angel vom Fischfang heim. Einen Blick in die Lati- fundienwirtschaft, wie sie auch im Moselgebiet damals herrschte, lassen andere Neliefs tun. Auf den Gutshof werden wir geführt, wo die Pächter ihre Abgaben abliefern, die der Schreiber, unter der Tür stehend, notiert. Im Kontor finden wir die Schreiber eifrig beschäftigt, das auf dem Tische fih bäufende Geld zu zählen und zu prüfen und in die großen Geschäftébücher einzutragen, während die Pächter mit fäuerliher Miene ihre Summen abliefern und im Hinausgehen noch einmal an den Fingern nahre(nen, ob ihnen auch zuviel abgenommen worden sei. Wir finden den Bauern bei der Feldarbeit, wir sehen ihn in der Schwinge das Korn von der Spreu sondern. Den Kauf- mann führen uns die Künstler in setnem Laden vor. Auf einem anderen Bilde steht der Magazinverwalter, eine behäbige Figur mit großem Ledershurz, an der Schnellwage, um einen Ballen zu wiegen. Die Wagen führen die Ballen und die Fässer über Land. Köstlich ist ein kleines, leider sehr zcrstôrtes Nelief, das den Wagen mit einem ftolz \chreitenden, {chön ges{chmüdckten Maultier und zwei braven Eselein bespannt zeigt, die fi bieder und eifrig mit aller Kraft in die Stränge legen und mit kfrummen Knien vorwärts stampfen. Wir sehen, wie die Fässer auf den Kahn gerollt werden, sehen den Kahn, der auf dem Flusse gezogen wird, während ein zweiter Mann vornübergebeugt, auf dem Rand des Schiffes \{reitend, dieses mit der unter die Achsel ge- stüßten Stange vorwärts stsßt. Besonderer Beliebtheit erfreut sich in Trier die Darstellung eines hochbordigen, von Nudern fortbewegten Schiffes mit bärtiger Mannschaft, das eine ganze Ladung Weinfässer mit sih führt. Wer da weiß, welhe Nolle noch heute im Leben der Moselanwohner der Wein spielt, wird sh nicht wundern über die liedevolle Sorgfalt, mit der dieser Gegenstand behandelt ist, und erkennt gern in den Gesichtern einen gewissen sanft melancholischen Zug, wie er Trinkern eigen ist. Er wird sich au niht wundern, daß einer dieser Treverer sih nihts Schöneres aufs Grab zu seßen wußte als eine Pyramide von \trohumflohtenen Weinamphoren, ein anderer einen Altar, der rechts und links von einem Faß flankiert war. Landwirt- schaft und Handel, Weinbau, Tuchbereitung, das ists, was diese Leute namentlich interessierte und woran die Bilder immer wieder er innern. Ein besonters niedliches Bildhen sei zum Schluß noch erwähnt, das uns in die Schulstube führt. Der bärtige Lehrer fißt, sanft mit der Hand gestikulierend, bei zwet Buben, die \chon eifrig mit der Arbcit bes{äftigt sind, während der dritte eben mit seinen derben Nagelstiefeln in die Stube stampft und grüßend die Hand hebt. Alle Einzelheiten werden auf diesen Steinbildern mit liebe- vollstem Interesse wiedergegeben, die Stühle und Tische, die Wagen so genau, daß man sie ohne weiteres nahbilden ftann. Vor allem aber tritt uns die Bevölkerung in ihrer äußeren Erscheinung lebendig entgegen. Nicht in konventioneller Tracht, sondern so, wie sie wirklih damals im Mosellande sich kleidete. Ein und der andere feine Herr erscheint wohl einmal in römischer Tracht. Weitaus die meisten aber tragen den Nock mit Halbärmeln, darüber, wenn sie ins Freie gehen, den {weren Mantel aus filzartigem Stoff mit Kapuze, das besonders gallishe Kleidungéstück. Die Frauen er- scheinen im langen Gewand, die Mädchen im einfachen, gegürteten Hemd. Aus Wolle gefertigte, sockenartige Schube tragen die Fraue die Männer Stiefel mit nägelbesck{lagenen Sohlen und im ' Freie

auch noch Gamaschen. Auch das Halstuch gehört zur vollen Kleidung, und wer am Tisch sitzt, hat! die Serviette. Der Bauer, der zum Gutsherrr. geht, nimmt als fparsamer Mann seinen Mundvorrat in einer großen umgehängten Tashe mit. Daß man troß aller provinzialen Eigenart doch in Verbindung nit den damaligen Kulturzentren steht und die Mode der Hauptstadt \chließlich au für die Provinz maßgebend wird, zeigt eine Einzelheit, wie die Behandlung des Bartes auf diefen Bildwerken. Da finden wir in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts den fkurzgehaltenen Vollbart, etwa wie Kaiser Hadrian ihn trägt, etwas später den dann in Nom Mode werdenden langen Vollbart. Der Lehrer auf dem Schulrelief trägt den Bart etwa wie Marc Aurel. Dann kommt die Zeit, wo man den Bart wieder kürzte. Das kleine Backenbärthen, wie Caracalla es trägt, kommt an unseren Monumenten mit dem Beginn des 3 Jahrhunderts wieder auf. Dann erscheinen au wieder glattrasierte Gesichter. Der Künstler benußt auch diese Aeußerlihkeiten zur Charakteristik, und gewiß ist es dem Leben abgelauscht, wenn er die feinen Kontoristen und Buchhalter glattrasiert darstellt, während auf dem gleichen Relief die Bauern noch nah der alten Mode der vorigen Generation den Bollbart tragen.

Literatur.

Deutsche Geschichte. Von Dietrih Schäfer. Erster Band: Mittelalter, 468 Seiten. Zweiter Band: 509 Seiten. Jena, Verlag von Gustav Fisher. Zweite, bis auf die Gegenwart fortge- führte Auflage. Preis 14 46, geb. 17 M. Das vorliegende Werk ift bei seinem Erscheinen seiner Bedeutung entsprehend eingehend ge- würdtat worden. In der zweiten Auflage ist der Abschnitt „Fm neuen Reich“ um die Darstellung des Marokkovertrags vom 4. No- vember 1911 und die Lage, die sch daraus für Deutschland ergibt, be- reichert worden. Auch die Tripolisangelegenheit sowie die reihsländische Verfassung sind in die Betrachtung einbezegen worden. In dem folgenden Abschnitt „Nückblick und Schluß“ wird der Gedanke, daß die Deutschen aus\chließklich und allein auf die eigene Kraft angewiesen seien, noch stärker als bisher betont. Wohl gebe es Auslandstnteressen, die an das Bestehen unseres Reiches geknüpft seien. Alle in Europa, die aufrichtig Frieden wollten, müßten die Erhaltung dieses Reiches wünschen. Das neue Deutschland habe sich als die festeste Friedens- bürgshaft des Erdteils erwiesen und werde das bleiben, folange es mächtig sei. Für das deutshe Volk dürfe seine augenblicklihe Lage nur ein Ansporn zu einer gesteigerten Hingabe an seine Pflichten sein. Große Ovfer seien erforderlih, um die Nüstungen zu verstärken. Von einer Minderung der Lasten könne in absehbarer Zeit nit die Nede fein.

Von Ihr und Ihm. Dialoge von Nudolf Presber. Stuttgart und Berlin, Deutsche Verlagsanstalt. 1912. Brosch. 4,4. Ein neues Buch von Nudolf Presber wird {on seit Jahren von jedem Freunde echten Humors mit Freuden begrüßt. Auch die vorliegende Sammlung von zum Teil kernig humoristiscen, z. T. scharf fatirischen Zwiegesprächen dürfte fich bald einen freudig zustimmenden Leserkreis erobern. In der Wahl seines Stoffes ist Rudolf Presber dicsmal von seinen früheren Gepflogenbeiten etwas abgewichen, indem er seine Borwürfe, etnen größeren Stoffkreis meidend, aus dem einen bedeut- samen Zusammenhang von Ihr zu Ihm hauptsächlih im erotishen Sinne s{chöpfte. Preêber hat es verstanden, seinem Thema die verschiedensten Seiten abzugewinnen. Von den fkindlihen Lebens- \chülern, die gemeinsam ihre Sandburgen am Seestrande bauen, bis zu dem gereiften alten Freundespaar, das ih erst in zwölfter Stunde die bis dahin verheblte Jugendneigung eingesteht, zieht an dem Leser eine Fülle von Gestalten vorüber, die durch Preébers \prühende Erzählerkunst Leben gewinnen. Wohlgelungene Ausflüge in sein früheres Stoffgebiet unternimmt der Verfasser in der höchst drolligen literarishen Satire „Der Mord in der Padojaschlucht“ sowie in dem lustigen Dialog „Die Rettungémedaille“, der von den ver- unglückten Bemühungen des Herrn Ottomar Meier erzählt, fich einen berühmten Namen zu hafen.

Das Septemberhest der von Richard Fleischer herausgegebenen „Deutschen Nevue“ (DeutsWe Verlagsanîtalt in Stuttgart und Leipzig; vierteljährlih 6 S) hat folgenden Inhalt: Hindernisse auf dem Wege deutscher auswärtiger Politik; Sidncy Whitman: Prinz Heinrih V11. Neuß; Admtral ¿. D. Breusing: Die deutsche und die englische Flotte und die Weltmachtstellung Englands; Tancredi Galimkerti, Mitglied der italienischen Deputierten- kammer: Jtalien und die Mittelmeerfrage; K. Th. Zingéler (Sigmaringen): Briefe des Fürsten Karl Anton von Hohen- zollern an seine Gemahlin, Josephire geb. Prinzessin von Baden (Fortseßung); Dr. Fretherr von Jettel: Tripolis und der Balkan; Graf Vay von Vaya und zu Luskod J., A. S. M. A. P. :. Persôn- lihe Erinnerungen an den verstorbenen Kaiser von Japan; Professor Gd. Schâr (Straßburg): Aelteste Heilmittel und Heilmittelnamen ; I. Minor: Mephistopheles als Diener des Erdgeistes? August Fournier: Gent und Bellio; Das neue China und unser oftasiatishes Schutzgebiet; Privatdozent Dr. Veit Valentin (Freiburg i. Br.): Politische Briefe Karl v. Hofmanns an den Staatsminister v. Dalwigk (Schluß); I. v. Nexrkül: Die Merkwelten ver Tiere; Baron v. Cramm-Burgdorf: Erinnerungen; Prof. O. Knopf (Jena): Ernst Haecktel als Vorkämpfer der Entwicklungslehre; Literarishe Berichte ; Eingesandte Neuigkeiten des Büchermarktes.

Land- und Forfstwirtschaft. Weizeneinfuhr in Marseille. Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung „LÆæ Sémaphore“ hat die Weizeneinfuhr nah Marseille auf dem See- wege betragen: In der Zeit vom 28. Juli bis 2. August d. J. 137 833 dz, davon aus Nußland 43 474 dz in der Zeit vom 4. bis 9. Rußland 53 135 dz, in der Zeit vom 11. bis 16. August d. J. Nußland 67 963 dz, in der Zeit vom 18. bis 23. Rußland 49 201 dz. In den Zollniederlagen {n Marseille J. 93 930 da.

August d. J. 86915 dz, dabon aus

D

98 154 dz, davon aus

August d. J. 211 789 dz, davon aus

befanden sich am 21. August

Das KaiserliGße Generalkonsulat in Odessa berichtet unterm 17. August: Nah den bei dem Generalkonsulat von sachkundiger Seite beute eingegangenen vorläufigen Nachrichten darf angenommen werden, daß troß der starken Negenfälle in den leßten Wochen die Ernte in Südrußland doch gut mittel augefallen ist. Die Ernte ist stark verspätet, weshalb die Getreidezufuhren noch immer sehr klein sind. Dieser Mangel an Zufuhren erklärt die große Zurückhaltung Rußlands im Außenhandel. Dennoch ift zu erwarten, daß der ver- fügbare Uebershuß der Ernte diesmal vollständiger auf den Auslands- markt gelangen wird, da ein Bedürfnis, wie im Vorjahre, zur Ver- wendung eines großen Teils der Ernte für entfernte notleidende russise Gouvernements niht vorzuliegen s{heint.

Saatenstand in Nußland.

Der Kaiserlihe Konsul in Libau berichtet unterm 25. d. M.: Seit drei Wochen regnet es täglih. Der selten gut gewahsene Roggen liegt zum großen Teile noch auf den Feldern, keimt aus und kann niht unter Dach gebracht werden. Nur wenigen Besitzern des Goldingshhen und des Hasenpothshen Kreises ist es gelungen, ihr Korn vor Eintritt des {limmen Wetters zu bergen. Auch das Somnmergetreide, dessen Schnitt nahe bevorsteht, {eint gefährdet, wenn niht bald trockene Tage eintreten. Unsere glänzenden dlese- jährigen Ernteaussichten sind kurz vor dem Ziel vernihtet worden.