1893 / 107 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 May 1893 18:00:01 GMT) scan diff

xs mangelt ihr Glanz und Lebendigkeit. Das Textbuch, das auf einem komischen Mißverständniß aufgebaut ist, verdient besondere Erwähnung. Eine Erbschaft zerfließt den erwartungsvollen Erben in nichts, da der vermeintlihe Erblasser, Professor Pamfilio, der „auf dem Kirhhof ist", dorthin nur als Leidtragender sich begeben hat und nit, wie die Erben meinten, selbst gestorben ist. Dabei hat der gelehrte Herr das Glü, die Liebe seiner Magd und Pathin, der Pia oder Stupida, wie er sie nennt, zu ihm zu entdecken, und gern führt er das kluge, naive Bauernkind als Gattin heim. “Die hervorragendste künstlerische Leistung des gestrigen Abends rührt indeß weder vom Componisten noch vom Textdichter, sondern von der Darstellerin der Stupida, Jlka von Mtinay her. Frische und Fröhlichkeit strahlten aus der Darstellung, die eine glückliche

{ung von natürlicher Einfalt und ursprüngliher Verschmigtheit bot. Die Künstlerin besitzt ein sehr glückliches Bühnentemperament, das besonders in dem Vortrage des an und für sih unbedeutenden Walzers zu Tage trat; es lag darin eigene, künstlerishe Schaffenskraft, die das Anmuthige zu aen weiß.

An „Stupida“ #{ P sich der erste Act von Jacques Offen- bach’'s Operette „Die [chöne Helena“. Das urwüchsige Talent der Gastin trat hier wieder scharf in die Erscheinung. Die Künstlerin traf den parodistishen Ton sicher und charakteristisch, aber die Ueber- gänge zum hohen Pathos erschienen zu unvermittelt ; die Leistung entbehrte als Ganzes der Harmonie, obwohl die Einzelheiten shauspielerisch wie ge- sanglich trefflich durchgeführt wurden. Die einheimischen Kräfte thaten tapfer thre Schuldigkeit. Herr Hanno als Groß-Augur Kalchas war voll übermüthiger Laune, die in der stummen FIllustration,

mit der er das Parislied des Herrn Bruch von den Abenteuern auf Ida’s Höhen begleitete, ihren Gipfelpunkt erreichte. Herr Wellhof konnte als Menelaus wieder seinen behaglihen Humor wirken lassen. Herr Bruch als Paris sang mit angenehmer Stimme und spielte zurückhaltender, als in dieser Operette erwartet wird. : Sing-Akademie. Herr Hans Pfißner, ein junger Componist aus Frank- furt a. M., erschien gestern mit einer größeren Anzahl eigener Com- positionen zum ersten Mal. vor dem hiesigen Publikum. Der begabte Künstler läßt ernstes Streben, große Selbständigkeit der Erfindunc und eine gediegene musikalische Ausbildung erkennen, befindet sich jedoch zur Zeit noch in seiner Sturm- und Drangperiode, wie aus dem Uebermaß im Gebrauch der orchestralen Effectmittel und aus den oft ermüdenden Längen in der Durchführungsweise seiner Motive hervorgeht. Kennzeihnend für die Eigenart seiner Werke ist zugleih die Wahl der dichterishen Stoffe, die meist von zer- störtem Liebesglück, von Unheil und Tod handeln, und der Musik zu Ibsen's „Fest auf Solhaug“, der Erzählung aus dem Musikdrama „Der arme Heinrich" und der Herder shen Ballade „Herr Oluf" ihren tief elegishen und schwermüthigen Charakter geben. Die Vorliebe für Molltonarten zeigte sich auch in der Sonate für Klavier und Cello, deren befondere Schönheiten fich in dem Andante und im Scherzosaßz befinden und die von Herrn Dr. Jedliczka und Herrn Kiefer (aus Erfurt) ganz vortrefflih vorgetragen wurde. Eine schr will- kommene Abwechselung gewährten den Zuhörern vier sehr anmuthige Lieder für Sopran, mit welchen Frau Lieban-Globig großen Beifall erntete, sowie ein am Schluß des Abends ausgeführtes Scherzo für Orchester. Der Herzoglich säcchsische Kammersänger Herr Büttner, dessen kräftiger und sehr umfangreicher Bariton aus dem Kampf mit der geräushvollen Orchesterbegleitung stets sieg- reih hervorging, trug „Dietrich's Erzählung" und die Ballade „Herr Oluf* mit tiefer Empfindung und großer Leidenschaft des Ausdrucks vor. Dem Sänger sowohl wie dem von dem Concertgeber geleiteten Philharmonischen Orchester spendete das zahlrei erschienene Publikum reiche Beifallsbezeugungen. A Königlichen Opernhause wird am Sonntag Meyer- beer’s „Afrikanerin“ mit den Damen Pierson und Hiedler, den Herren NRothmühl, Fränkel, Mödlinger, Stammer und Krolop gegeben. Kapellmeister Dr. Muck wird die Oper dirigiren. Am Montag ge- langt Brüll’s „Goldenes Kreuz“ mit den Damen Wei und Herzog, den Herren Philipp, Stammer und Schmidt zur Aufführung. Hierauf folgt das Ballet „Die Rebe" mit der Musik von Rubinstein. _Im Neuen Theater wird von dem Königlichen Schau- [piel am Sonntag das Drama „Vasantasena* wiederholt.

Ernst Wichert’s vieractiges Lustspiel „Der Freund des Fürsten“, das im Berliner Theater morgen zur ersten Darstellung gelangt und am Sonntag Abend wiederholt wird, ist in den Hauptrollen mit Agnes Sorma, Antonie Baumeister, Charlotte Bah, Marie Wilke, Ludwig Stahl, Emanuel Stockhausen, Albert Schindler, Paul Nollet

ernhiglen Preisen „Hamlet“ mit Ludwig Barnay in der Titelrolle in Scene.

Im Lessing-Theater findet morgen eine Wiederaufführung von Oéêcar Blumenthal’s vieractigem Lustspiel „Falsche Heilige" statt, in welcher die hervorragendsten Lufstspielkräfte dieser Bühne zusammen- wirken. Die Rolle der Angèle wird Meta Jäger vom Hoftheater in Altenburg zur Darstellung bringen.

Frau Moran-Olden wird, wie bereits gemeldet, morgen ihre Thätigkeit im Kroll’shen Theater als Gräfin in „Figaro?'s

ochzeit* wieder aufnehmen. Am Sonntag geht zum zweiten und eßten Male „Cavalleria rusticana“ mit den Gästen Gemma Bellincioni, Roberto Stagno und Demeter Popovici in Scene. Vorher findet die Wiederholung der komischen Oper „Gute Nacht, Herr Pantalon“ statt.

Signorina Carolina Elia, die erste Ballettänzerin des Théoaters Uaiter den Linden till. morgen, nah vier- wöchiger, durch eine Fußverstauhung herbeigeführter Unterbrehung ihrer Tünstlerischen Thitigkeit zum ersten Male wieder als „Columbia“ in dem gleichnamigen Ausstattungs-Ballet auf. Die Vorstellung bringt ferner im „Mikado“ zum ersten Male den bercits früher angekündigten Nollentausch: Herr Steinberger tritt als Mikado auf, Herr Fröden als Koko, Herr Drucker als Nauki- Poo, Frau Grimm-:Einödshöfer als Katicha, Herr Strampfer als Po-Pa.

Mannigfaltiges.

In der gestrigen Sißung der Stadtverordneten wurde beschlossen, die Sißungen, wie alljährlih, während der Monate Jul i und A ugust auéfallen zu lassen.

Der Deutsche Verein für Knaben - Handarbeit wird im Anschluß an die deutshe Lehrerversammlung, seine diesjährigen Sitzungen am 25. und 26. Mai in Leipzig abhalten. Am erst- On Tage werden Vorstand und Ausshuß im Höôtel Sedan

erathen. Am 26. Mai, Vormittags 107 Uhr, wird Professor Dr. Marschall im Zoologischen Institut der Universität Leipzig, Thal- straße 33, einen Vortrag über „die Entwicklung der Hand in ihrem Einfluß auf den menschlichen Geist“ halten. Um 12 Uhr folgt sodann in den Räumen des Vereinshauses für Volkswohl, Löhrstraße 7, die Hauptversammlung des Vereins, woselbst u. a. der Professor der Kunstwissenshaften an der Universität zu Königsberg Dr. Lange einen Vortrag über das Thema halten wird: „Inwieweit kann der Handfertigkeits-Unterriht zur Geshmacksbildung der deutschen Jugend beitragen ?" Nachmittags 3 Uhr folgt ein gemeinsames Mahl, Abends 8 Uhr eine Versammlung der Handfertigkeitslehrer. Auch auf der deutshen Lehrerversammlung wird bereits am Mitt- woch, den 24. Mai, von früh 7 bis 84 Ühr, im Saale des Vereins für Volkswohl über die gleihen Bestrebungen verhandelt werden, indem Rector Nißmann - Berlin über „den Ent- wickelungsgang und den Stand des Handfertigkeits-Unterrichts in Deutschland“ und Director Dr. Göbe-Leipzig über das Thema \sprehen wird: „Wie kann der Handfertigkeits - Unterricht der Schule dienen?“ In den Unterrichtsräumen des Vereinshauses findet an den- Versammlungstagen eine Ausstellung statt. Da der deutsche Verein nur zweijährlich öffentliche Congresse abhâlt, so finden besondere Einladungen an Behörden und Private dieses Mal nicht statt, doch sind Gäste zu allen diesen Versammlungen willkommen.

Eine Belohnung von 200 4 ist vom Königlichen Polizei-Präsidium auf die Ermittelung derjenigen Personen aus- geseßt worden, die in der Naht zum 19. März die in der Säulen- vorhalle des Alten Museums aufgestellten Bildsäulen von Schinkel, Winckelmann und von Knobelsdorff verstümmelt hat. Von den Standbildern Schinkel?s und Winckelmann's sind die Finger der reten Hand abgeschlagen, von den Widderköpfen, die an der Bildsäule von Knobelédorff’s angebracht sind, die Spißen der Hörner. Die Thâter haben die abgebrohenen Stücke mitgenommen.

Bad Warmbrunn im Niesengebirge. Außer mancherlei neuen Anlagen, wie einem eleganten Musikpavillon und einer neuen, dem Gebirgspanorama zugekehrten Colonnade am Kursaal hat Bad Warm- brunn als besonders werthvolle Errungenschaft des Jahres 1893 die Einrichtung von Moorbädern zu verzeihnen, die zusammen mit den seit Jahrhunderten gegen Gicht, Rheumatiêmus 2c. bewährten heißen Quellen die Kranken von diesen Uebeln befreien sollen. Nicht un- erhebliche finanzielle Opfer hat die Herrschaft Schaffgotsch, die alle dankenswerthen Neuerungen und Verbesserungen dur ihre umsichtige

und Ferdinand Suske beseßt. Am Sonntag Nachmittag geht zu

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iht vom 5. Mai, r Morgens.

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haus.

Stationen. Wind. | Wetter.

in 9 Celsius 59G. =409NR.

Temperatur |

Graeb. Teßlaff. fang 7 Uhr.

Neues 121. Vorstellung.

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. d. in Millim

red. î

Belmullet. OSO 9lbedeckt Aberdeen SSO 4bededckt Christiansund SO 3\wolkenlos Kopenhagen . NNO 1 wolkenlos Stockholm . \till|bedeckt Haparanda ¡ 4'bededt St Petersburg 1\bedeckt Moskau . wolkenlos

Cork, Queens- U e SO halb bed.

Cherbourg SSO heiter elbe ss ONO wolkenlos

E e ONO bedeckt amburg OSO halb bed. winemünde NNO halb bed.

Neufahrwafser bedeckt halb bed.

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NONTIAINAIAE

von Emil Pohl.

geschlossen. mann.

Grube.

OSO ONO

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Sonntag: Afrikanerin.

Ober - Regi

N Memel ... NNO wolkenlos

Paris N Sucher. iet ONO heiter

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Wiesbaden , O bededckt München SW Negen

S P L S bedeckt Berlilt e| (72 D heiter!) Wien 7.1 :770 |NW wolkenlos Breslau... | 771 |NNW heiter

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Anfang

Ile d'Aix . . | 766 |OSO wolkenlos t l 068 still /heiter ONO bedeckt

glückliche Tage.

4 1 4 2 2 4 5 0 1 3 Karlsruhe . . NO j bedeckt 4 I 2 2 3 4 ill 4

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1) Nachts Negen.

eber l der Witkerxüng.

Ein Hochdrukgebiet, dessen Kern an der mittleren norwegischen Küste liegt, überdeckt ganz West-Europa, charafterisirt durch {wache Luftbewegung und vor- wiegend heiteres und trockenes Wetter, dessen Fort- dauer Gk wahrscheinli a In Deutschland, wo stellenweise etwas Regen gefallen ist, dauert die kühle Witterung allenthalben fort, indessen dürfte die Erwärmung, die in den westeuropäishen Küsten-

ebieten sih zeigt, ostwärts auch über unsere egenden sich ausbreiten. Die Temperatnr liegt an der deutschen Küste 1 bis 6, im Binnenlande 2 Lis 8 Grad unter dem Mittelwerthe. Deutsche Seewarte.

Barnay. Fürsten,

Heilige.

Theater - Anzeigen. KVönigliche Schauspiele. Sonnabend: Opern-

114. Vorstellung. Sängerkrieg auf der Wartburg. Oper in 3 Acten von N. Wagner. Ballet von Emil

In Scene gesep! vom Ober - Regisseur Dirigent :

Theater wirthschaftlichen Balle. Lustspiel in 1 Aufzug

Regisseur Max Grube. ( Lustspiel in 1 Aufzug von Karl Nie- In Scene gelegt vom Ober-Negisseur Max | Zum 1. Lustspiel in 1. Aufzug von Emil Pohl. Jn Scene n vom Ober-NRegisseur Max Grube. Anfang Li

Opernhaus. Oper in 5 Acten von G. Meyer- beer. Text von E. Scribe, deutsch von F. Gumbert. Ballet von Vin Talon. L 2 eur Teßlaff. irigent: Kapollmeister Anfang 7 Uhr. | Theater 122. Vorstellung. Vasantaseua. Drama in 5 Auf- zügen von Emil Pohl, mit freier Benußung der Dichtung des altindischen Königs Sudraka. In Scene g vom Ober - Regisseur Max Grube. E

Deutsches Theater.

Sonntag: Der Talisman. Montag: Der Talismanu.

Berliner Theater. Sonnabend: Zum 1. Male:

Der Freund des Fürsten. Anfang 7 Uhr. Sonntag : Nachmittags 2} Uhr: Hamlet. (Ludw. Abends 74 Uhr:

Montag: Viel Lärm um Nichts.

Lessing- Theater. Anfang 7} Uhr. Sonntag: Brave Leut’ vom Grund. Montag: Sodoms Ende,

und energische Verwaltung durchführen läßt, bringen müssen, um die An-

Ee 25, Sonnabend:

Tannhäuser und der Nomantische

edermann. Zum 3.

Herr Kapellmeister apellmeister Dr. Muck. An- | Palmay.) Vorher: Musik von Alexander Neumann. Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr. Sonntag : Dieselbe Vorstellung.

(am Schiffbauerdamm 4/5). Zum 1. Male: Vom land-

In Scene geseßt vom Ober- Zum 1. Male: Ein-

Male: Die Schulreiterin.

burg. Anfang 73 Uhr.

115, Vorstellung. Die

In Scene geseßt vom Frau Moran-Olden.

(Gräfin : Frau Moran-Olden.)

(am Schiffbauerdamm 4/5).

Garten.

Anfang 5 Uhr. Sonntag:

Zum leßten Male:

S bend: ù ; Vit Victoria-Theater.

Anfang 7 Uhr.

Zwei

um die Welt in achtzig Ausstattungs#ück mit Ballet in 5 dern) von A.

von

Der Freund des Aen,

Concert im Garten.

Sonnabend:

Falsche Mikado.

Elisa. Zum 42. Male: Die

lage der Moor- und medizinishen Bäder ermöglihen zu können.

angekauft und auf deren Boden die neuen Badeanstalten im modernen Stile erbaut. Die reizende Lage des \{mucken Badeorts, seine unbestrittene Vorzüge, denen Warmbrunn von Alters her seinen leb- haften Fremdenzufluß verdankt. Bahnverbindung mit Hirschberg und Hermsdorf-Petersdorf in nächste Nähe gerückt. Mancher Besucher des Gebirges, der bisher seine Sommerfrische in größerer Nähe des Gebirgskammes aufgeschlagen hatte, wird jeßt das behaglihe Warmbrunn vorziehen. Die Auskunfts- stelle der Ortsgruppe Warmbrunn des Riesengebirgs-Vereins (Hof- Juwelier Bergmann, an der Promenade) verschickt gegen Einsendung einer 10 --Marke gratis das in neuer Auflage erschienene „Verzeichniß der Sommerwohnungen von Bad Warmbrunn“, das auch sonst alles dem Besucher Wissenswerthe über dieses Bad in gedrängter Kürze enthält. __ Friedrihroda. Mit Eröffnung der Badesaison, am 15. Mai wird die Stadt, wie dic „Friedr. Ztg.“ schreibt, in der neuen Entwässerungsanlage eine Einrichtung besißen, um die sie viel- fah beneidet werden dürfte. Die von Herrn Ingenieur Mairich aus. Gotha geleiteten Bauten schreiten troß des fast durhweg felsigen, stellenweise mit Meißel und Hammer zu bearbeitenden Untergrunds, \chnell fort. Die Entwässerungsanlage wird nah den neuesten Er- fahrungen als fogenannte „Tiefkanalisation* ausgeführt. Das Grund- wasser wird durch dieselbe dauernd gesenkt. Die sämmtlichen Abwässer werden auf dem kürzesten Wege aus der Stadt abgeleitet und na Reinigung in einer großen Kläranlage dem Schilfwasser erst 1200 m unterhalb der Stadt wieder zugeleitet. Auch für energishe Spülung der Kanäle und Nohrsiele mittelst selbstthätig wirkender Spülapparate ist gesorgt. Die Entlüftungs8anlagen werden mit besonderer Sorgfalt angelegt. Die Herstellung der Hausentwässerungsanlagen wird forg- fältig überwacht und alle etwa noch bestehenden Sickergruben sollen beseitigt werden. Der Stadt erwächst aus diesen Arbeiten ein Auf- wand von ca. 275 000 A4 Man hofft, daß die Entwässerungsanlage innerhalb der von den Badegästen am meisten besuchten Stadtviertel bis zum Beginn der Saison betriebsfähig fertiggestellt sein wird. London, 4. Mai. Das „N. B.“ meldet aus Aden: Der am 12. April von Bombay nah ODjeddah abgegangene Dampfer „Khiva" ist verbrannt. Der Dampfer erreihte jedo noch, bevor er vom Feuer vollständig ergriffen wurde, Ras Mirbat an der arabischen Küste zwischen Aden und Muskat und landete daselbst alle Mekkapilger, von denen er etwa 900 an Bord hatte, sowie die Mannschaft. Cin Dampfer mit Lebenêmitteln für die Geretteten, welche Entbehrungen ausgeseßt sind, wurde nah Muskat abgesandt.

St. Petersburg, 4. Mai. Ein ungeheurer Cisblock, welcher unerwartet den Oberlauf der Wolga hinabtrieb, hat, wie ,„W. T. B.“ meldet, bei Nishny-Nowgorod zwei Dampfer der Dampf- schiffahrts-Gesellshaft Ssamolet förmlih zershnitten und einen Dampfer ciner anderen Gesellschaft stark beschädigt. Die Dampfer lagen zum Auslaufen gerüstet. Verluste an Menschenleben sind nicht zu beklagen. Aus gleicher Veranlassung kam 2% Werst flußabwärts von Nishny-Nowgorod au der Dampfer „Kasenin“ sammt Ladung zum Sinken. Die Mannschaft wurde au hier gerettet.

St. Petersburg, 9. Mai. Die Wolga ist, laut Meldung des „W. T. B.“, in Jaroslaw bei starkem Eisgang drei Meter über Normalhöhe gestiegen.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen. Stuttgart, 5. Mai. (W. T. B.) Der „Staats-Anzeiger für Württemberg“ veröffentlicht die E des bisherigen württembergischen Gesandten Freiherrn von Maucler im Wien und die Ernennung des bisherigen Gesandten in St. Petersburg Freiherrn von Varnbüler von und zu Hem- mingen zu dessen Nachfolger. Wie 5 Mi WD V) Me die Pole Correspondenz“ aus Budapest meldet, werden die Dele= gationen am 25. Mai nah Wien einberufen; die Thron- rede wird am 27. Mai verlesen werden.

Friedrich - Wilhelmstädtisches 11. Gastvorstellung von Jlka von Palmay. Die schöne Helena. (1. Act.) Komische Operette von Meilhac und Halévy. Deutsch von J. Hopp. Musik von Jacques Offenbach. Dirigent : (Helena: Ilka von

ale: Stupida. perette in 1 Act von Richard Genée und F. Zell. Dirigent : (Pia: Ilka von Palmay.)

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- burg. Sonnabend : Neu einstudirt : Die Sirene. (La Flamboyante.) Schwank in 3 Acten von Albin Valabrègue. In Scene geseßt von Sigmund Lauten-

Sonntag und Montag: Dieselbe Vorstellung.

Kroll's Theater. Sonnabend: Gastspiel der

Die Boaeie des Figaro. nfang 74 Uhr.

Bei günstiger Witterung: Vor, während und nah

der Vorstellung Großes Concert im Sommer-

rusticana. Oper in 1 Act von Pietro Mascagni. (Santuzza: Gemma Bellincioni; Turiddu: Roberto Stagno; Alfio: Demeter Popovici, als Gäste.)

Belle - Allianceftraße 7/8.

Sonnabend: Mit neuer Ausstattung: Tagen. cten (15 Bil- i d’Ennery und Jules Verne. Ballet ne vom Balletmeister C. Severint.

ebillemont und C. A. Raida. Anfang 7 Uhr. Sonntag: Die Neise um die Welt in achtzig

Nachmittags 4 Uhr bei günstiger Witterung: Entrée 50 .

Theater Unter den Linden. Sonnabend: Zum 9. Male (vollständig neu inscenirt): Burleske Operette von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. Hierauf: Wieder- auftreten der Prima Bellerina Signorina Carolina elt-Ausftellung

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(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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in Chicago und Die deutsche Abtheilung in dem populären Ausstattungs -Ballet Columbia. Anfang präc. 74 Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Theater.

Adolph Ernst-Theater. Sonnabend: Zun 36. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von: Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil- weise von G. Görß. Musik von G. Steffens. In Scene geseßt von Adolph Ernst. Anfang 74 Uhr.

Sonntag und folgende Tage: Goldlotte.

Der Sommer-Garten is geöffnet.

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Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

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Verlobt: Frl. Fredeke von Alvensleben mit Hrn. Lieut. Alexander von Schickfus und Neudorf (Err- aA -AfeF a oh een Puiat Hrn.

egierungs-Assessor Rudo ngerer (Potsdam— Münster i. W.). t e h

Verehelichi: Hr. Prediger Paulus Schmidt mit Frl. Martha Nuglish (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pastor L. Clasen: (Eichenbarleben). Hrn. Major Frhrn. von Czettriß und Neuhauß (Altona). Hrn. Haupt-- mann Kurt von Lindenau (Flensburg). Hrn. Amtsrichter Zweig (Berlin). Eine Tochter :: Q Hauptmann von Bülow (Marburg). Hrn.. ieut. Coupette (Allenstein).

Gestorben: Hr. Ober-Forstmeister a. D. Wil-- helm von Reiche (Straßburg i. E.).

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Die Reise Großes

Musik

Redacteur: J. V.: Siemenroth.

Beri Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutshen Buchdrudckterei und Verla Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. gg

Sechs Beilagen (cins{chließliÞh Börsen-Beilage).

Der

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würzige SoN und die Billigkeit der ganzen Lebensweise sind Die s{öne Umgebung ist durch die:

Erste Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M2 107.

Deutscher Reichstag. 89. Sißung vom Donnerstag, 4. Mai, 1 Uhr. Die zweite Berathung des Gesetzentwurfs über die

Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres wird

fortgeseßt.

Ueber den Anfang der Rede des Abg. Richter, der zu- nächst das Wort hatte, ist bereits in der Nummer vom Donnerstag berichtet worden. Wir fahren nachstehend in der Berichterstattung über diese Nede fort.

Abg. Richter (dfr.): Man hat ja 75 9/0 mehr tauglihe Mann- {chaften vorgefunden als 1890/91, und man könnte fomit nicht bloß um §0000, fondern um 240000 Mann die Jahrespräsenz erhöhen. Die Vorlage nimmt eben nur 25% mehr an. Ich finde, die Musterungsbehörden haben für den Zweck dieser Vorlage zu gut gearbeitet. Die Rede des Reichskanzlers enthält allerdings keine einzige Zahl, den Rechenstift hat sie verschmäht, darum aber paßte sie auf alle Militärvorlagen. Mit denselben allgemeinen Redewendungen haben der frühere NReichskanzler und Vorgänger des Kriegs-Ministers die Erhöhung um 30-, 40-, 50000 Mann, auch das Septennat gerehtfertigt. Mit dem Hinweis auf die Chre, das Dasein und die Zukunft des Landes könnte man auch die Verdoppelung und Ver- dreifahung der Präsenz rechtfertigen. Nach den Worten des Neichs- kfanzlers könnte man fast glauben, als wenn wir für Culturaufgaben Geldmittel in Hülle und Fülle hätten, während es doch Thatsache ist, daß z. B. in Preußen die geringsten Reformen im Eisenbahn- wesen niht ausgeführt werden, weil die Militärlasten alle Mittel absorbiren. Es sind z. B. in Preußen zweiundzwanzig Bau- gewerkéshulen nothwendig, aber nur elf vorhanden. Jährlich müssen 16 000 Schüler zurückgewiesen werden, weil der preußische Staat nit die geringen Mittel auffinden kann, um elf neue Schulen ins Leben zu rufen. Ferner hat der Ressort - Minister ver- fügt, die Zuschüsse für das Fortbildungsshulwesen in Preußen in diesem Jahre um 10 9% einzuschränken, weil die erforderlichen 44 000 A im preußischen Staatshaushalt niht vorhanden sind. Nicht einmal eine halbe Million kann man finden, um dem Nichtermangel abzuhelfen. Die Wehrkraft eines Landes beruht niht bloß auf dem Product des Rechenerempels von ausgebildeten Soldaten für den Kriegsfall, sie beruht auf dem Product der ge]ammten materiellen und ideellen Kräfte eines Volks. Der Abg. Freiherr von Huene deutete an, als ob die Patrioten bisher sich nur gegen den Feind mit dem Stock vertheidigen konnten und als ob erst durch diese Vorlage ihnen das Gewehr in die Hand gedrückt würde. Kann eine Uebertreibung excentrischer sein? Was nüßt dem Patrioten das Gewehr, wenn er nichts zu essen hat und keine Kleider und Schuhe, um zu marschiren? Eine Behauptung ist so excentrisch wie die andere. Ohne eine gewisse Schonung der Volkskräfte können wir in einem zukünftigen Kriege niht das leisten, was nothwendig ist. Der Reichskanzler hat dann eine besondere Einlage gemacht in Bezug auf die freisinnige Partei. Er hat angedeutet, daß wir gewisser- maßen durch unseren Widerstand das Programm in Bezug auf die zwelt- jährige Dienstzeit verleugnen. Als der Feldmarschall Moltke einmal sagte, es sei ja gleichgültig, ob nach unserer Ansicht drei Mann zwei Jahre im Frieden dienten oder nah seiner Ansicht zwei Mann drei Jahre, erwiderte ih: in beiden Fällen find es sechs Jahre, aber diese ses Jahre, vertheilt auf drei Mann auf zwei Jahre, find eine Schonung gegenüber der Einstellung von zwei Mann auf drei Jahre. Diesem Standpunkt entspricht unsere jeßige Haltung. Darum, weil wir die bisherige Präsenzstärke vertheilt auf eine größere Zahl von Mannschaften bei kürzerer Dienstzeit für einen Vorzug erachten, sind wir bereit, die- Mehrkosten zur Durchführung der zweijährigen Dienstzeit zu bewilligen. Wir haben die zweijährige Dienstzeit niht um einer militärishen Theorie willen verlangt, sondern im Interesse der Entlastung des Volks. In der Gestalt, wie sie ih jeßt repräsentirt, führt sie zu einer Belastung des Volks. Für jedes Jahr, das erlassen wird, werden zwei Jahre dem Kasernenleben hinzugefügt. Die Belastung des Volks ist auch nah dem Antrage Huene doppelt so stark wie die Entlastung, die in dem Erwerbsleben eintritt durch Einführung der zweijährigen Dienstzeit. Wollten wir diese Belastung acceptiren, so würden wir geradezu unseren früheren Standvunkt vor dem Volke discreditiren. Wir würden die Empfindung hervorrufen: Man hat unter dem Namen der Entlastung Jahr aus Jahr ein etwas begehrt, was sch jeßt in Wirklichkeit als eine größere Belastung her- auss\tellt! Unser Antrag will ermöglichen, unter Innehaltung der Präsenzstärke die Zahl der Unteroffiziere und Capitulanten um etwa 8000 Mann zu erhöhen und die Rekrutenaushebung um etwa 25 000 Mann zu verstärken. Dazu sind wir bereit, die Ersaßreserve in ihrer bisherigen Einrichtung zu erhalten. Man sagt, das sei niht mögli. Nun, der General von Verdy hat feiner Zeit in der Commission erflärt, bei Durchführung seiner Pläne würde noch für längere Zeit die Ersatreserve in der bisherigen Einrichtung aufreht erhalten werden können. Warum soll es nun auf einmal fo völlig werthlos sein, 5 Monate die Mannschaften, die zum Ersay bestimmt sind, auszubilden, während doch in Frankreih mehr als ein Viertel des Jahrescontingents überhaupt nur 10 Monate ausgebildet wird, und während man in Rußland die zwei- oder dreifahe Zahl unserer Ersaßtzreserve in 9 Monaten ausbildet? Der Abg. Freiherr von Huene wandelt die 17 500 Mann, die bisher in der Ersaßreserve ausgebildet wurden, in Mannschaften um, die künftig zwei Jahre zu dienen haben. Zieht man diese Zahl von der Zahl der MNekruten ab, so bleiben 36 000 Mann übrig, die nah seinem Antrage neu aus- zubilden sind. Die B bee Maat welde ti der zweijährigen Dienstzeit neu auszubilden sind, stellt fich nah unserem Antrage auf 25000 Mann gegenüber 36 000 nah dem Antrag Huene. Dieses Plus von 11000 Mann reicht aber auch niht aus, um das Heer um einen einzigen Iahr- gang zu verjüngen. Einen Unterschied von 11 000 Mann mehr pro Jahr auszubilden bedeutet für die Kriegsstärke 198 000 Mann in 24 friegsdienstpflihtigen Jahrgängen. Auf der Grundlage unseres Antrags kann jeßt schon ein Kriegsheer von 4 Millionen in Deutschland aufgestellt werden. Es ist ja in der Commission fest- gestellt worden, daß diese ganze Vorlage garnicht bezweckt, die Kriegs- armee als solche zu Beritäetei: Es mußte zugegeben werden, daß alle die Geschüße und Waffen, alles Trainmaterial, das erforderlich ist auf Grund dieser Vorlage, schon jeßt vorhanden ist, weil alle Kriegsformationen, die bei dieser Vorlage nöthig sind, auch hon jeßt bei der Mobilmachung vorhanden sind. Es handelt 2 nicht um eine Vermehrung der Kriegsarmee, sondern um eine Sr- höhung der Kriegsbereitshaft; darum, für dieselbe Kriegs8armee im Frieden eine höhere Präsenzziffer einzustellen. Jch weiß nicht, ob die russische Präsenzstärke von angebli 900 000 Mann auf dem Papier steht oder nicht, aber was bedeutet das bei einem Lande, das 94 mal fo groß ist wie Deutschland, und bei einem Eisenbahnneß, welches 134 mal hinter Deutschland zurücksteht? Die französishe Fricdens- vräsenzstärke wurde 1874 bereits von der Megierung auf 454 000 Mann angegeben, im neuesten französischen Budget für 1893 ist sie auf 502000, nah dem Referenten auf 496 000 M. angegeben. Wir hatten 1874 402 000, heute haben wir 486 000 Mann. Wir haben alfo seitdem die Präsenzstärke um 85 000 Mann erhöht, die Franzosen um 48 000. Wie kann man dem gegenüber be-

Berlin, Freitag, den 5. Mai

haupten, daß sich die Kriegsbereitshaft zu unseren Ungunsten verschoben hat? Der Kriegs-Minister von Verdy hat noch 1890 anerkannt, daß wir jeden Krieg mit Frankreih ehrenvoll bestehen können, und daß der Kampf gegen Rußland in gegenseitigem Hinundher sih ver- bluten würde, wenn wir keine Bundesgenossen hätten. Seit 1890 ist nichts hinzugekommen, dieses Verhältniß zu verschieben. Nun sagt der Reichskanzler, jede Einführung der zweijährigen Dienstzeit ohne Er- höhung der Friedenspräsenzstärke sei ein Uebergang zum Milizsystem. Dasselbe hat man auch {on vom Triennat an Stelle des Septennats gesagt. Was ist überhaupt Milizsystem ? Das ist ein eben solhes Schlag- wort wie Militarismus. Jeder kann si darunter denken, was er will. Man führt gegen die zweijährige Dienstzeit an, daß sich dabei die Zahl der älteren Leute niht vermehre. Es ist wahr; mit der Ein- führung der zweijährigen Dienstzeit verliert jedes Bataillon aus dem dritten Jahrgang 76 alte Leute. Wir sind aber bereit, eine Zahl von Unteroffizieren und Capitulanten mehr zu bewilligen, sodaß der Ausfall gedeckt wird. Wir haben nun in der Commission erfahren, daß |chon gegenwärtig an der Zahl der etatsmäßigen älteren Leute ein Wet GuOBede Mangel vorhan E mfolge ber lbe commandirung zu Zwecken, die mit der militärischen Aus- bildung sehr wenig zu thun haben. In jedem Bataillon werden durchschnittlih 24 alte Leute, Unteroffiziere und Gemeine, abcommandirt zu Diensten als_Schreiber, Burschen u. |. w. Wir haben uns bereit erklärt, die Dekonomiearbeiter durch Civilarbeiter zu erseßen und die Mehrkosten in Consequenz der Durchführung der zweijährigen Dienstzeit weit über die Vorlage hinaus auf uns zu nehmen. Es wäre auf diesem Wege möglich, die Zahl der alten Leute, die wirkli} für den Frontdienst verfügbar sind, den Truppentheilen zu erhalten. Der Abg. Freiherr von Huene hat sich meine Mahnung zu Herzen genommen und bei der Regierung durch- geseßt, daß eine Verminderung im Präfenzstande der Oekonomie- handwerker um 2300 Mann eintrete. Warum sollte man nicht in größerem Umfange die Oekonomiehandwerker durch Civilisten erseßen können? Dieser Forderung wird man überall im Lande zustimmen, weil man überall wahrnimmt, wie Soldaten zu Diensten verwendet werden, die mit dem Soldatendienst nihts zu thun haben und zum theil der Uniform kaum würdig sind. Wenn es durch Ein- schränken in dieser Richtung möglich wäre, zur Annäherung an die Regierung zu kommen, wird man das überall im Volk als gerechtfertigt anerkennen. Der Reichskanzler hat sih auf hervorragende volkswirthschaftlihe Gelehrte berufen, welche thn in Bezug auf die finanzielle Seite dieser Frage beruhigt haben. In der That scheint er neben den Offizieren auch Professoren unter seine Officiösen aufgenommen zu haben. Selbst von dieser Seite bestreitet man nicht, daß die Militärlasten in Oesterreih und Italien erheblich geringer find als bei uns. Ueber Rußland schweigt man fh aus, dort betragt bie Militarlas alf ben RBODE der Bevölkerung noch nicht die Hälfte der unserigen. Wir wenden {hon jeßt mehrere Dußend von Millionen mehr für “die Armee auf als die Franzosen. Die Ausgaben für die Marine sind dort T in Anbetraht der größeren Auf- gaben größer. Sollen denn überhaupt die französishen Verhältnisse für uns maßgebend scin? In Deutschland werden jährlih doppelt soviel Kinder geboren als in Frankreich. Der Bevölkerung8zuwachs ist seit 1886 um sech8 Millionen gestiegen. Für diesen Neberschuß von sechs Millionen hat man in Deutschland sparen müssen. Von dem Jahresverdienst ging der Betrag für die Ausstattung des Bevölkerungszuwachses ab, und follte auch nur der bisherige Cultur- stand festgehalten werden, so müßte durh Ersparnisse an dieser Ausstattung soviel gewonnen werden, um die Erwerbs- und Verbrauchskapitalien auf der bisherigen Höhe zu erhalten. Frankrei brauchte diese Er- sparnisse niht zu machen. Sollen wir auf den Bevölkerungszuwachs verzichten? Er ist doch die einfahste und natürlichste und sicherste Grundlage auch für die Wehrkraft des Landes. Wir geben für die Armee jeßt mehr aus als England für Armee und Flotte zusammen, troßdem es ein coloniales Weltreih zu s{üßen hat. Ich will das englishe Werbesystem niht empfehlen, aber die allgemeine Dienst- pfliht legt dem Volk weit mehr persönlihe Dpfer auf. Die volfswirthschaftlihen Autoritäten des Reichskanzlers berücksichtigen in ihrer Zahlenwuth folche kleinen Nebenumstände nit. Durch den Hinweis auf das Ausland wird man im Volk, welches den Druck dieser Lasten fühlt, wenig Eindruck hervorbringen. Die Verhandlungen in der Commission sind insbesondere nach der finanziellen Seite hin sehr eingehend gewesen. Die finanziellen Verhältnisse haben sich seitdem noch erheblih ungünstiger herausgestellt. : Neichshaushalts-Etat is größer, als man vorher glaubte. Allerdings hat man durch den Nachtrags-Etat eine Anzahl von Millionen durch Erhöhung der Matrikularbeiträge abgewälzt, was wiederum das preußische Deficit erhöht. Im Reich ist man für das nächste Etatsjahr um 20 Millionen {lechter gestellt als in diefem. In den nächsten vier Jahren wird die Verschlehterung der Finanzverhältnisse weitere 24 Mil» lionen betragen. Dur die Militärpensionsnovelle wird das Reich noch weiter belastet. Der Chef der Admiralität überrashte im Winter die Budgetcommission dur die Ankündigung, daß die Ab- siht bestehe, in den nächsten Jahren alle zwei Jahre den Bau eines neuen Schiffes in Angriff zu nehmen ; der Bau von fünf Panzer- \hiffen würde im ganzen 100 Millionen erfordern. Der Reichs- fanzler hat dies zwar als noch nicht feststehend bezeichnet, ist aber hier für den Bau des ersten Panzerschiffes eingetreten. Wenn auch dieser Bau abgelehnt ist, glauben Sie damit die Sache erledigt ? In diesem Jahre hat man allerdings darauf verzichtet, mit der Reichstagsmajorität gleichzeitig in einen Kampf zu Lande und zu Wasser einzutreten. Aber wenn erst dieser Kampf zu Lande mit der Militärvorlage durchgeführt ist, werden unzweifelhaft neue Forde- rungen für die Marine in um so größerem Maße hervortreten. Die Durchführung des Antrages Huene erfordert 55 Millionen Mehr- ausgaben. Dazu kommen die Mehrausgaben für erhöhte Pensionen, die Anleihe zur Deckung des Extraordinariums und die Anleihe für neue Kasernenbauten. Die 106 Millionen für neue Kasernenbauten nah der Regierungsvorlage werden durch den Antrag Huene. nur wenig vermindert. Im übrigen sind noch 37 000 000 zur Kaser- nirung der {hon jeßt vorhandenen noch nicht kasernirten Truppen erforderli. Wo soll das hinaus? Angesichts _folcher Ver- hältnisse hat der Reichskanzler so cavalièrement die Dekungsfrage behandelt; und das geschah, troßdem die Steuervorlagen der Regierung im gegenwärtigen Reichstag nicht auf Annahme rechnen dürfen. Der Reichskanzler ist zufrieden auch mit andern Steuern. Der Abg. Freiherr von Huene hat in leichten Umrissen eine anderweitige Deckung angedeutet, aber auch fein Finanz- programm war nicht ausreichend für einen zukünftigen Reichs- Schaßsecretair. Er sprah von Luxussteuern. Der Luxus ist in Deutschland so wenig verbreitet, daß mit der Lurxussteuer nur geringe Summen aufgebracht werden könnten. Mit der Tabacksteuer hat Abg. Freiherr von Huene_ die Interessenten aufs neue beunruhigt. Er hat nichts gegen eine Strgerung der Matrikularbeiträge und dem- entsprechende Erhöhungen der Einkommensteuer. Die Finanz-Minister der einzelnen Staaten verwahren sich mehr als je gegen eine weitere Steigerung der Matrikularbeiträge. Erst in diesem Jahre sind dieselben um 36 000 000 gesteigert, während die Finanzverhältnisse in ry “niemals ungünstiger waren. Si Preußen {ließt das Jahr 1891/92 mit einem Deficit von 45 Millionen ab, 1892/93 jedenfalls niht mit einem E E _und für das jeßt begonnene Jahr 1893/94 is das Deficit üm Etat auf

gestern

Das Deficit im-

1893.

58 Millionen veranschlagt. Eine solche Schnur von Deficits is feit Menschengedenken im preußishen Haushalt nicht dagewesen. Und dabei haben wir, zum Beispiel auf dem Gebiet des gewerblichen Unterrichtswesens, eine Finanzwirthschaft, wie sie knapper gar niht gedaht werden fann. In „Preußen is soeben die Einkommensteuer um 40 Millionen erhöht. Wie das wirkt, zeigt sih {hon in diesem Jahre. Obgleich die Kunstfertigkeit der Veranlagungsbehörden mit. dem zweiten Jahre fich erheblih ver- bessert hat, ist ein Rückgang in dem Ertrage der Einkommensteuer um 24 Millionen vorhanden. Dazu kommt demnächst noch die Ner- mögenssteuer. Allerdings sollen dafür die Realsteuern den Ge- meinden überwiesen werden. Jst etwa der Abg. Freiherr von Huene bereit, diese Ueberweisung zu suspendiren im Interesse der Deckung der Militärvorlage, oder ist er bereit, das Kapitalgeschenk an die Inhaber von Gutsbezirken, welches sich dur den Erlaß der Grundsteuer vorbereitet, zu Ehren der Militärvorlage rückgängig zu machen? Im Gegentheil! Er hat den größten Theil seiner parlamentarischen Kräfte aufgewendet, um diese Steuerreform unter das Dach zu bringen. Ich wünschte, daß die Deckungsfrage in dieser Vorlage selbst erledigt würde, und daß man es nit der Zukunft über- ließe, woher die Deckung kommt. Die persönlichen Lasten der Vor- lage tragen hauptsächlich die minder Wohlhabenden, nicht die Fa- milien , deren Söhne einjährig-freiwillig dienen. Nichts wäre gereht- fertigter, als die Kosten der Regierungsvorlage den Klassen aufzu- erlegen, die persönlih dadurch nicht getroffen werden. Nehmen wir an, die Einkommen von 10000 ( an aufwärts wären zur Deckung des Antrags Huene heranzuziehen, so würde die Cinkommensteuer in Preußen um 60% zu erhöhen fein. Die größten Bewunderer der Militärvorlage befinden sih gerade unter den Wohlhabenden. In einer Versammlung im Gürzenich in Köln haben sih Bankdirectoren und Commerzien-Räthe nicht genugthun können in der Begeisterung für die Militärvorlage; wenn man diesen Leuten die Perspective vorgehalten hätte: 60 9% Erhöhung der Einkommensteuer, die Begeisterung würde eine erheblihe Abkühlung erfahren haben. Daß der Rethfenilen die conservative Partei gelobt hat, gönnen wir ihr nach so viel Tadel. Die Herren haben sich ja durch rollende Beifalls\salven dankbar gezeigt, und zwar an den- jenigen Stellen, die, als sie der Reichskanzler in zwei früheren Reden fo ziemlich wörtlih vortrug, von ihnen mit der größten Kälte und Schweigsamkeit aufgenommen wurden. Worin besteht denn das Verdienst der Conservativen? Sie wollten auch eine Ver- mehrung des Heeres, aber dazu die Beibehaltung der dreijährigen Dienstzeit. Sie wollten dem Volke noch größere Lasten auferlegen, als die Regierung beabsichtigte. Die Haltung der Conservativen war ein Ueberbieten der Regierung. Jet wollen sich die Conservativen mit der Regierungsvorlage zufrieden geben. Ich würde das Ver- halten der Conservativen anerkennen, wenn sie bereitwilliger wären, einen Theil der Lasten den Klassen aufzuerlegen, die h vorzugsweise ver- treten, nämlich den Großgrundbesißzern in den östlichen Provinzen. Als Sie (rechts) sich Ihre Privilegien auf Kosten der Allgemeinheit kürzen lassen sollten, als es sich darum handelte, die Liebesgabe für die Brenner auh nur um ein Viertel zu kürzen, wo war da Ihr Patriotismus und Ihre Opferwilligkeit ? Da thaten Sie Alles hinter den Coulissen, um sich die Privilegien zu erhalten. Wenn Sie so groß in Ihrem Patriotismus sind, überlegen Sie doh einmal, ob Sie die vierzig Millionen Liebesgabe niht opfern wollen, wenn es h Ihrer Meinung nah um die Ehre, das Dasein und die Zukunft Deutsch- lands handelt! Machen Sie den Anfang, legen Sie dieses Privilegium auf den Altar des Vaterlandes nieder, dann werden wir vielleicht bereit sein, etwas weiter entgegenzukommen. Gerade jeßt, wo das Volk mehr belastet werden soll, wird von Jhnen (rets) ein Bund zur Ver- theuerung der Lebensmittel gestiftet. Der Reichskanzler sproch von dem Verkehrsleben; man werde nah Bewilligung der Vorlage nicht mehr nah dem politishen Wetterglase zu fehen brauchen. Wer im Verkehrsleben steht, den tröstet niht die shneidige Offensive und die schnelle Beendigung des Krieges, den beunruhigt jede Störung, schon die Möglichkeit eines Krieges. Man wird auch nach Annahme der Vorlage das politishe Wetter beobachten müssen. Vor der fortgeseßten Beunruhigung in Friedenszeiten, vor der fortgeseßten Aufwerfung neuer Steuerfragen u. . w. müßte das Erwerbsleben geschüßt werden; folhe Beunruhigungen ershüttern die Unternehmungs- lust und das Vertrauen der Einzelnen. Die Unzufrieden- heit ist niht gegründet auf den Pessimismus, sondern darauf, daß die Illusionen, welche man mit der Begründung des Deutschen Reichs verband, zerstört worden sind, daß das Reich sih immer mehr präsentirt in der Form der Vermehrung der Steuern und Soldaten. Der Eindruck, den die Ablehnung der Vorlage im Auslande machen würde, geht uns wohl nihts an. Wir follten mehr darauf sehen, welchen Eindruck die Sache im Inlande macht. Der große Un- bekannte is wieder aufgetaucht. Es ist allerdings sehr bequem, a an der Macht Deutschlands von außen zu erfreuen, wenn man zu den La ten desselben nichts beizutragen brauht. Das Ansehen des Deutschen Neich8- tags würde bei den Wählern nicht erhöht werden, wenn der Antrag Huene zur Annahme gelangte. Bei der ersten Lesung stand der Abg. Freiherr von Stumm allein mit einem kleinen Häuflein seiner E enossen. Seitdem hat sih nihts geändert, die finanzielle Lage jat fich höchstens vershlechtert. Noch im Herbst wurde der Antrag Bennigsen für unannehmbar erklärt von einer großen Mehrheit, und jeßt soll der Antrag Huene annehmbar sein? Das wird man ih im Volke nicht erklären können aus der Sache; da wird man andere Dinge dahinter vermuthen. Der Abg. Freiherr von Huene selbst erklärte, daß er nie geglaubt hätte, so weit in seinen Bewilligungen zu kommen. Er hat vor dem Conflict gewarnt. Was heißt denn das ? Wenn der Reichstag von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch macht, fo hat eine Maßnahme zu unterbleiben, die man beabsichtigt hat. Wenn man da vom Conflict spricht, so kann das nur bedeuten, daß Macht vor Recht gehen soll, daß die Revolution von oben eingeführt wird. Ein Reichstag, der sih durh folhe Drohungen einshüchtern Iäßt, der auf sein Recht verzichtet, wäre niht werth, dieses Recht jemals besessen zu haben. Meine Freunde haben die Ueberzeugung, daß sie niemals patriotischer gehandelt haben als gerade in diesem Augenblick, wenn sie den Antrag Huene ablehnen und sih damit die Aufgabe stellen , die militärischen Interessen zu vereinbaren mit der noth- wendigen Schonung der Volkskraft.

Neichskanzler Graf von Caprivi:

Der Herr Abg. Richter hat das wiederholt, was er {on bei anderen Gelegenheiten gesagt hat (sehr richtig! rechts), ausgenommen den letzten Theil seiner Rede. Ich verzichte darauf, ihm eingehend zu antworten. Monatelang haben wir dieselben Sachen gehört und ge- lesen. (Sehr richtig! rets.)

Ih habe mich gestern schon dahin ausgesprochen, daß ich die Sade zu ernst auffasse, um an kleine Gründe und dialektische Künste noch Hoffnung auf Erfolg knüpfen zu wollen. (Bravo ! rechts.) Wenn. die Sache nicht dur \sich selbst, dur ihr Gewicht, ihren Ernst durh- geht, dur Ueberredung werden wir keinen Menschen mehr ge= winnen.

Der Herr Abgeordnete sagt: Gott beshüße die Regierung vor ibren Freunden, und nennt als den Mann, vor dem wir ges{hüßt