1893 / 128 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 May 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Auf das Paradefeld selb werden nur diejenigen Equipagen

ugelassen, deren Inhaber mit polizeilichen Passirsheinen versehen

d. Droschken und andere Mea en müssen zurückgewiesen werden, auch wenn deren Inhaber Passirscheine haben. i

Auf dem Paradefelde den Wagen zu verlassen, ist nit RAL E ;

Die auf das Paradefeld zugelassenen Equipagen müssen nach Beendigung der arade so lange dort halten bleiben, bis Seine Majestät der Kaiser die Belle- alliancestraße erreiht und die Suite, sowie sâmmt- lihe Truppen das Tempelhofer Feld verlassen haben. Sodann erfolgt die Abfahrt lediglih nah der Tempel- hofer Chaussee und von dieser entweder nah Westen durch den Colonnenweg über die Colonnenbrüdcke, oder nah Osten auf dem südlich der Bockbrauerei gelegenen Wege (Straße 22) nach der Friesenstraße und von dieser durch die Bergmann-, Bärwald- und Prinzenstraße.

Equipagen, deren Inhaber niht im Besiße von Passirscheinen find, sowie Droschken, Kremser und andere derartige Perfonen- fuhrwerke können \ih rechts (westlih) der Tempelhofer Chaussee auf- ftellen, wo ihnen ein geeigneter Plaß angewiesen werden wird, von dem fie das Paradefeld übersehen können. Denselben ist jedoh das Befahren der Bellealliancestraße bis zum Steuerhause nit gestattet, sie müssen vielmehr bei der Kreuzberg- ftraße in die Lichterfelderstraße einbiegen, um (nach näherer Anweisung der Aufsichtsbeamten) über den Colonnenweg und die Tempelhofer Chaussee auf das Tempelhofer Feld westlich der Chaussee zu gelangen.

" Die Abfahrt dieser Wagen muß auf demselben Wege erfolgen, welcher für die mit Passirschein versehenen Equipagen vorgeschrieben ist, und zwar erst dann, wenn die leßteren fich entfernt haben. i Marketenderwagen werden auf den Plaß nicht zu- elassen, ebenso ist das Aufstellen von Schank- und S etsebuden daselbst nicht gestattet. : |

Lastwagen, einschließlih der Düngerwagen, dürfen während der Zeit vom Ausrücken der Truppen bis nah dem Einmarsch derselben e pie Stadt die Bellealliancestraße und die Lichterfelderstraße nicht efahren.

| Mit dem Beginn des Ausmarsches der Truppen etwa 7 Uhr Vormittags bis zur Aufhebung der Absperrungen wird:

a. der Betrieb der Pferdebahn-Linie Se ganz, derjenige der Linie Mariendorf—Dönhoffplaß in dem Lheile, der zwischen der Theilstreckentafel auf der Mitte des Exercirplatzes und dem Belleallianceplaß liegt, eingestellt ; 2 :

b. die Linie Gesundbrunnen—Kreuzberg nur zwischen dem Gesund- brunnen und dem Halleschen Thor, die Linie Rixdorf—Schloßbrücke nur zwishen Nixdorf und dem Blücherplaß, die Linie Brunnen- \traße—Kreuzberg nur zwischen der Demminer- und der Bellealliance- straße, die Linie Gneisenaustraße (Eke Bellealliancestraße)—Moabit nur zwischen Königgräßerstraße (westlich des Halleshen Thores) und Moabit, die Linie Schlesishes Thor—Lüßowplaß einerseits nur zwischen dem Schlesischen und dem Halleschen Thor, andererseits nur zwishen dem Lüßowplaß und der Bellealliancestraße, die Linie Alexanderplaß—Bülowstraße nur zwischen dem Alexanderplaß und dem Halleschen Thor betrieben ; :

c. die Haltestelle der Otmnibuslinien Halleshes Thor—Lands- berger Thor bezw. Schönhauser Thor und Chausseestraße wird vom Blücherplay nah dem Belleallianceplay zwischen Wilhelm- und Friedri (Mtrafe verlegt und j a S

d. der Betrieb der anderen Pferdebahnlinien nah Bedürfniß, und zwar nur soweit unterbrochen, als das Passiren der Allerhöchsten Herrschaften und der ein- bezwo. ausmarschirenden Truppen dies noth- wendig macht. : 5 À

Die Umspannpferde für Omnibus- und Pferdebahnwagen dürfen zwischen 7 und 14 Uhr die Bellealliancestraße, den Blücherplat, die Hallesche Thorbrücke und das Halleshe Thor nicht passiren.

Berlin, den 30. Mai 1893.

Der Polizei-Präsident. Freiherr von Richthofen.

Ab gerei st :

Seine Excellenz der Staatssecretär des Reichs-Marine- amts, Vice-Admiral Hollmann, nah Danzig.

Nichtamllicßes. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 31. Mai.

Seine Königlihe Hoheit der Prinz Viktor von Stalien, Graf von Turin, Bruder des Herzogs von Aosta und Neffe Seiner Majestät des Königs Humbert, ist laut Meldung des „W. T. B.“ in der vergangenen Nacht, begleitet von dem Adjutanten Grafen Robilant und dem Obersten Gozzoni, von Nom zur Theilnahme an der Früh- jahrsparade nah Berlin abgereist.

Die vereinigten Ausshüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen sowie die vereinigten “anle a für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sißzungen.

Der Kaiserliche Botschafter in St. Petersburg, General von Werder ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäßte der Bot- schaft wieder übernommen.

Der Jnspecteur der 1. Jngenieur - Jnspection, General- Lieutenant Andreae hat Berlin verlassen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem- bergische Ministerial-Rath vo n Fischer ist hier eingetroffen.

Der Archiv-Assistent Dr. phi]. Friedrih Küch ist von Marburg an das Staats-Archiv in Düsseldorf verseyt worden.

Württemberg.

Die Kammer der Abgeordneten hat in ihrer gestrigen Sigzung mit 61 gegen 17 Stimmen den Antrag Goeß, wonach „die vorgeschlagene Steuererhöhun g für das Etatsjahr , 1893/94 abgelehnt, für das Jahr 1894/95 aber bewilligt wird, angenommen. Der Finanz-Minister behielt sh Er- Färungen der Regierung zu diesem Beschlusse vor.

Hessen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden traf gestern Vormittag zum Besuch des ErepperiA hessischen Lo es in Darmstadt ein und wurde auf dem Bahnhof von

einer Königlichen Hoheit dem Großherzog und Seiner Grofiberzodiiten Hoheit dem Prinzen Wilhelm Laden, erner waren der „Darmst. Ztg.“ zufolge der Großherzogliche

taats-Minister Finger, sowie die i der Civil- und Militär- behörden und die Großherzoglichen Hofstaaten zum Empfang an- wesend. Nach dem Nbihreiten der auf dem Perron auf- gestellten Ehrenwache und dem von der Compagnie aus- eführten Parademarsh begaben sich beide Br auyergoûe unter 8corte der Leib-Escadron des 1. Großherzoglihen Dragoner- Regiments Nr. 23 durch die festlih geschmüdckten Straßen nah dem Neuen Palais.

Schaumburg-Lipþpe.

Bückeburg, 29. Mai. Seine Durchlaucht der Fürst hat den Regierungs-Präsidenten Spring zum Staats- Minister und Wirklichen Geheimen Rath mit dem Prädicat Excellenz ernannt.

Hamburg.

Der Senat beantragte bei der Bürgerschaft, die Regulirung des Walles zwischen dem Holsten- und dem Hafenthor vorzunehmen. Die Kosten des Grunderwerbes be- laufen sih auf rund 3% Millionen Mark, die Baukosten werden auf 2523 000 M veranschlagt. Durch diese Regulirung sollen in der Hafengegend zahlreiche alte O deren Beseitigung aus Gesundheitsrücksichten wünschenswerth ift, entfernt werden.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser empfing laut Meldung des „W. T. B.“ aus Wien gestern den Vvomlntius Galimberti, welcher sein Abberufungsschreiben überreichte, und darauf den württem- bergischen Gesandten Freiherrn von Varnbüler, um dessen Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen. Am gestrigen Nachmittag machte der Kaiser dem Prinz-Regenten Luitpold von Bayern einen Abschicdsbesuch. Der Prinz- Regent reiste Abends 8 Uhr 20 Minuten nah München urück, Der Herzog Max Emanuel in Bayern ist gleich- falls gestern Nachmittag nah München abgereist.

Großbritannien und Jrland.

Die Verhandlungen des Unterhauses in der Montags- sißung bezogen sih, wie die Londoner „Allg. Corr.“ berichtet, zumeist auf locale Gegenstände und, soweit diese ein allgemeines Interesse beanspruchen konnten, führten sie zu keinen ent- scheidenden Ergebnissen. Vei der ersten Abstimmung nach den Ferien, fehlten zum ersten Mal in dieser Session nicht weniger als 30 Antiparnelliten troß der ergangenen Ermahnung zu pünktlihem Erscheinen bei Wieder- aufnahme der Berathungen. Jn der gestrigen Sißzung des Unterhauses theilte der Parlaments-Secrer des Auswärtigen Grey mit: die spanijhe Regierung habe bisher Vor- \hläge wegen eines Handelsvertrags nicht formulirt; allein der englische Botschafter in Madrid Sir Drummond Wolff sei nah London gekommen, um mit der Regierung diesen Gegenstand zu besprechen. Ein Antrag Brookfiî eld’s, wegen des Derbyrennens für den heutigen Tag keine Sißzung anzuberaumen, wurde mit 281 gegen 169 Stimmen abgelehnt. Jn der dann fortgeseßten Debatte über die Homerule-Bill wurde ein von Naylor Leylands eingebrahter Unterantrag zu Artikel 3 der Bill, die Erörterung dieses Artikels zu vertagen, mit 273 gegen 240 Stimmen abgelehnt. Später beantragte Wolmer ein Amendement zum § 3 der Vill, welches bezweckt, die irische Legislatur zu verhindern, Beschlüsse über Gegenstände u fassen, über welche sie keine Geseße erlassen könne. Der Meine hifter Gladstone bestritt, daß die tür locale Zwecke errichtete irishe Legislatur sich in internationale Fragen mischen würde. Das Amendement verdiene wohl eine Er- wägung, allein er bekämpfe es deshalb, weil es nußlos sei, Verbote zu erlassen, die durchzuführen England keine Mittel habe, und der Versuch, Erörterungen und Beschlüsse über Gegenstände zu verhindern, in welche die irische Legislatur sih einzumischen kein Necht besitze, einer Entziehung des Petitionsrechts gleihkommen würde. Balfour entgegnete, Gladstone habe thatsächlich zuge- geben, daß ein mit der irischen Legislatur abgeschlossener Contract werthlos sein würde, da er nicht durchgeführt werden könne. Dies zerstoóre den gesammten Bau der Vorlage, möchten die irishen Deputirten nun im Reichsparlament blieben oder M Der Premter- Verner Untler- Dad hierauf. den Jeder, mdem e Venmertle Diese ¿Sradt Jer m S 9 Dehandell, Den DUTOZUMINTEN, Die Regierung ihr Bestes thun werde. Balfour sprach hierüber seine Genugthuung aus: es sei dies die deut- lihste Erklärung, welche die Regierung bisher über die Vor- lage gegeben habe. Schließlih wurde das Amendement Wol- mer’s mit 259 gegen 238 Stimmen abgelehnt. Das Zurü ck- gehen Der NegierungSmajoritat auf 21 Summen wurde von der Opposition mit enthusiastishem Jubel begrüßt.

Die Ernennung des bisherigen Botschafts-Raths in Berlin, Le Poer Tren ch zum Gesandten in Mexiko ist von der Königin genehmigt worden.

Unter dem Vorsiß des Generals Sir Arnold Kemball fand am Montag Nachmittag die Jahresversammlung der Britisch-ostafrikanishen Gesellschaft statt. Mackenzie, einer der Vice-Präsidenten, hob, wie wir dem Bericht der „Frkf. Ztg.“ entnehmen, hervor, die Gesellschaft habe in den fünf Zahren ihres Bestchens mehr Sclaven befreit als die Regierung in zwanzig Jahren; deshalb schlage die Gesellshaft vor, ein gewisser Procentsay der j¡ährlih vom Parlament zur Sclavenbefreiung bewilligten Summe solle dazu ver- wandt werden, 3 Proc. Dividende zu garantiren für das Ka- pital, das für die zu bauende Elsenbahn von der Küste nach Kikuyu verausgabt werde. Die Bahn sei für 1 Million- Pfund herzustellen und der beste Factor der Civilisation in Ost- Central-Afrika. Von 526 000 Pfund Actienkapital seien bis- her nur 372000 Pfund gezahlt. Die gegenwärtige Lage er- heishe unverzügli weitere Einzahlungen. Bezüglich Ugandas stelle die Gesellshaft der Regierung drei Alter- nativen: 1) Wenn Uganda von der Regierung aufgegeben werde, könne die Gesellschaft anderweitig unterhandeln ; 9 wenn eine Vereinigung Ugandas mit dem Protectorat Sansibar zu stande käme, solle die Gesellshaft entshädigt werden ; 3) wenn die Regierung vorzóge, durh die bestehende Gesellschaft das Werk der Civilisation fortzuseßen, solle es dieser unter den

veränderten Umständen freistehen, die Einkünfte aus diesem Gebiet zur Administration zu verwenden. Nach der „Allg. Corr.“ lautet der Finanzbericht der Gesellschaft ungünstig : einer Ausgabe von 448 000 Pfd. Sterl. stehen Activa im Werthe von 181 000 Pfd. Sterl. gegenüber. :

Frankreich.

6

Die Deputirtenkammer ernannte gestern die Budget - commission, die aus 16 der vorigen Commission angehören- den und 17 neuen Mitgliedern, darunter Rouvier, Burdeau, Pelletan und Jules Roche, besteht. Jn der Commission sißt nur ein einziger Conservativer. Die Commission erkennt, wie ein Wolff sches Telegramm meldet, einmüthig die Nothwendig- keit an, rasch vorzugehen und sämmtliche das Budget nicht berührenden Fragen fernzuhalten. Mehrere Mitglieder der Commission machten einige Vorbehalte bezüglich verschiedener Theile des Budgets, namentlich wegen der Getränkesteuer- Reform. Der frühere Minister Lockroy will, nah einer Mittheilung des „D. B. H.“, den Minister - Präsidenten Dupuy über dessen in Toulouse gehaltene Rede inter- pelliren.

Wie der „Mgd. Ztg.“ telegraphirt wird, würde der Minister-Präsident am 11. Juni in Alby eine qroße Rede Über die aus3wärtige Politik der Regierung halten.

Jtalien.

Der Senat nahm gestern die seit dem 17. v. M. unter- brochene Berathung des Pensionsgeseßes wieder auf. Die Senatoren Blanc, Ferraris und Saracco sprachen dagegen. Blane bemerlleé nh dan Berit d W D B? die Verminderung der Steuereingänge treffe mit dem Zeitpunkt zusammen, wo man diplomatische Engagements ein- gegangen, durch welche die militärischen Streitkräfte vermehrt worden seien. Weiter beklagte der Redner den Mangel nüß- licher Verträge bezüglih des Mittelmeeres.

Die Deputirtenkammer erklärte gestern entgegen dem Antrage der Wahlprüfungs-Commission die Wahl des Deputirten für Albano “Aguglia für gültig. Der Präsident der Commission theilte darauf unter großer Bewegung des Hauses mit, daß die Commission unwiderruflich auf ihr Mandat verzichte.

Der päpstlihe Jnternuntius im Haag Rinaldini soll, wie „W. T. B.“ erfährt, demnächst zum Unter-Staats- secretär des päpstlihen Stuhls ernannt und auf seinem bisherigen Posten durh den Rector des böhmischen Collegiums Lorenzellî erseßt werden.

Spanien, __ Die Kammer hat in ihrer gestrigen Sißung beschlossen, die Abstimmung über die Adresse auf die Thronrede bis zum Sonnabend zu vertagen.

Niederlande.

Die in auswärtigen, namentlih englischen Blättern ver- breitete Meldung, daß die Gesundheit der Königin Wilhelmine angegriffen sei, wird dem „W. T. B.“ aus Amsterdam unter dem gestrigen Tage von unterrichteter Seite für unbegründet erklärt. Die Königin erfreue sich viel- mehr vollkommenen Wohlseins.

Rumänien.

Ein aus der Synode, dem Senat und der Kammer ge- bildetes Collegiuum wählte, wie dem ,„W. T. B.“ aus Bukarest von gestern berichtet wird, den Bischof von Argesch Ghe- nadius zum Erzbischof-Primas von Numänien.

Serbien.

Bei den Wahlen zur Skupschtina sind in Belgrad drei Radicale und ein Fortschrittler gewählt worden. Jn dreizehn anderen Städten wurden Radicale, in Nisch und Kragujevaß je ein Radicaler und ein Fortschrittler gewählt.

Parlamentarische Nachrichten.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 80. Sißung vom 31. Mai 1893, 11 UYL.

Der Sißung wohnen bei: der Präsident des Staats- Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg, der Vice-Präsident des Staats-Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher und der Finanz-Minister Dr. Miquel.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Berathung des vom Herrenhause in abgeänderter Fassung zurückgekommenen Pr is betreffend Aenderung des ahlver-

ahrens.

Das Herrenhaus hat die einfahe Drittelung der Wähler nach dem Steuerertrage beschlossen und die Nichtanrehnung der Einkommensteuer über 2000 M hinaus gestrichen.

Das Centrum (Abgg. von Heereman und Genossen) beantragt die Wiederherstellung der Beschlüsse des Abgeord- netenhauses, wonach die erste Wahlklasse 5/15, die zweite 4/15, die dritte 3/13 der Steuererträge umfassen und die Einkommen- steuer über 2000 M4 niht angerehnet werden soll.

Abg. Dr. Bachem (Centr.): Ich für mein Theil hätte ge- wünscht, daß zunächst eine Erklärung des Staats-Ministeriums erfolgt wäre, wie dieses sih zu der Fassung des Herrenhauses stellt. Als die Regierung uns das Wahlgeseß vorlegte; hat sie selbst erklärt, daß sie die Correctur des Wahlgeseßes als eine nothwendige Vorbedingung für die Steuerreform erachte, damit niht durch die Reform eine weitere plutokratische Verschiebung in Betreff des Wahlrechts eîin- trete. Die Regierung hat au im Herrenhause diesen Standpunkt ent- schieden vertheidigt. Inzwischen ist von keiner Seite auch nicht ein- mal der Antrag auf Wiederherstellung der ursprünglichen Regierungs- vorlage außer von uns gestellt worden. So müssen wir also die Regierungsvorlage vor dem Hause vertreten. Die heutige Lage h eine solche, die nah mehr als einer rund Besonderheiten mit si bringt, und hätte nicht das Haus das L A fehr ras über alle diese Dinge hinwegzugehen, so würden fich ret interessante Bemerkungen über diese Lage machen lassen. Wir treten mik aller Entschiedenheit für unseren Standpunkt ein und haben zu § 1 den Antrag gestellt, die Regierungsvorlage in Bezug auf die eng nas Zwölfteln und ferner die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in Bezu zu die Nichtanrehnung der Cinkommen- steuer über 2000 4 wiederherzustellen. Das Herrenhaus ist nit be- fonders gründlih an diese Materie herangegangen. Jedenfalls haben wir uns ernstliher und gründliher damit be- schäftigt. Wenn das Wahlgesep in der Fassung des Herrenhauses angenommen wird, dann tritt eine noch gans besonders vershärfte plutokratishe Wirkung desfelben ein : auf der einen Seite große Steuerbelastungen der Bürger, auf der

«anderen-- Seite keine sihere Gewähr eines gesunden Wahlrechts. Troßdem is von keiner Seite ein Vorschlag gemacht, diese unhalt- baren Zustände zu beseitigen. Auch wird uns kein anderes Wahl- geseß in Aussicht gestellt. Jch hätte wohl Lust, gründlich diese Frage noch einmal zu discutiren, aber die Unaufmerksamkeit des Hauses berührt mich sehr unangenehm und wird auch auf die Wähler im Lande einen unangenehmen Ein- druck machen. Ich sehe mich_ daher nicht in der Lage, auf eine weitere Debatte einzugehen. Wenn Sie alle hier im Hause, wie wir, für ein esundes Wahlrecht gekämpft hätten, fo würden Sie mit derselben Ruhe in die Zukunft schen wie wir. Wir erwarten von Ihnen wenigstens eine ausgiebige Motivirung, warum Sie von Ihren früheren Beschlüssen abgegangen sind. bg. Graf Limbüxrg-Stirum (cons.): Ih habe namens meiner politishen Freunde die Erklärung abzugeben, daß wir gesonnen sind, den Beschlüssen des Herrenhauses zuzustimmen. Principiell ist in dieser ganzen Frage nur die Tendenz, diejenigen Verschiebungen im Wahl- recht wieder gut zu wachen, welche durch die Steuerreform herbei- eführt worden sind. Alle einzelnen Fragen find nicht principieller Natur, weil nah der Individualität des einzelnen sich jedes Correctiv in seiner Größe verschieven darstellt und je nah den einzelnen Wahl- kreisen verschieden wirkt. Wir haben seiner Zeit die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses mit ermögliht, um eine Verständigung zu erzielen; wir haben aber gefunden, daß in sehr vielen Wahlkreisen des Ostens nah der Regierungsvorlage fehr viele Leute der ärmeren Klassen, welche bisher in der dritten Abtheilung gewählt haben und an sih nicht in die zweite Abtheilung gehören, in diese hineinkommen, und daß in den Landgemeinden den Wählern des bäuerlihen Besißes, deren Rechte {hon durch die Land- gemeinde-Ordnung erheblich verkürzt worden sind, durch die Bestim- mungen der Regierungsvorlage dieses Wahlreht noch ges{chmälert wird. Nicht Feindseligkeit gegen die Interessen, welche der Abg. Bachem und feine Freunde vertreten, sondern die Wahrung der berechtigten Interessen der von uns vertretenen Kreise bestimmt uns, für die Be- \{lüsse des Herrenhauses zu stimmen. Ueber ein Correctiv wird man sih niemals einigen können, und darum i es ganz natürlih, daß wir uns bei den einzelnen Abstimmungen vereinigt haben, bloß

um überhaupt ein Wahlgeseß zu stande zu ringen. Von einem Verlassen des principiellen Standpunktes is nicht

die Rede. Ur uns t maßgebend "daß wr Vet Der durh die Neichstagsauflösung herbeigeführten Unsicherheit der Ver- hältnisse und der Unmöglichkeit, das Haus zusammenzuhalten, den Wunsch haben, wenn etwas Acceptables geschaffen werden kann, es anzunehmen, um das Zustandekommen der Steuerreform nicht zu ge- fährden. Dieser Gesichtspunkt hat meine politischen Freunde ver- anlaßt, von allen Abänderungsvorschlägen abzusehen und sih auf die Herrenhausbeshlüsse zurückzuziehen. E

Abg. von Czarlinski (Pole): Wir sehen die Herrenhaus- beschlüsse nit als eine Verbesserung an. Wir liebäugeln aber nicht mit der Masse oder leisten, wie im Herrenhaus gesagt ist, der Socialdemokratie Vorschub; denn wir vertreten hier nicht allein die besißenden Klassen, sondern auch die besißlosen. Schüßen wir die Rechte dieser, so nehmen wir sogar der Socialdemokratie eine be- queme Waffe aus der Hand. Wir werden also für die Anträge des Centrums stimmen.

Abg.- von Eynern (nl.): Meine Freunde haben bisher gegen das Gesetz stimmen müssen, weil es in zwei wesentlichen Punkten unseren Forderungen nicht genügte. Das Herrenhaus hat eine der- selben und zwar die principiell wichtigere acceptirt und dadur für uns die Lage verändert. Wir bedauern, daß die von der Regierung selbst vorgeschlagene Zwölftelung im Herrenhause nit acceptirt ift. Nach den Verhandlungen der Fractionen ift aber hier eine Aeuderung nicht zu erreichen ; daher nehmen wir die Herrenhausfassung an, weil sonst ein Wahlgeseß niht zu stande käme. In diefer Lage stimmt der größte Theil meiner Freunde für die Beschlüsse des Herrenhauses, und wir werden daher auch gegen alle Abänderungen, so erwünscht sie uns sonst in einzelnen Punkten wären, \timmen. ; :

Abg. Sperlich (Centr.): Nach den Erklärungen des con]er- vativen und des nationalliberalen Redners müssen wir leider jede Hoffnung aufgeben, noch in leßter Stunde wenigstens das in das Geseß hineinzubringen, was früher die Regierung selbst als noth- wendig erachtete. Für die Zwölftelung wäre wohl, wenn die National- lileraten diesen Wunsch früher geäußert hätten, durch meine ganze Fraction und zweifellos auch die freisinnige Partei eine Majorität zu erreichen gewesen. Die conservative Partei und auch die Negierung wird bald dazu kommen, wieder Vorschläge zur Abänderung des Ge- seßes einzubringen, welhe die unteren und vor allem die mittleren Klassen mehr berücksichtigen. Man wird sih über- zeugen, daß dieses Gesey auf die Dauer unmöglih ist. Wir haben noch über das Ueberweisungsgeseß abzustimmen. Ich bin nunmehr zu der Erklärung gezwungen wie ih glaube, im Namen der großen Mehrheit meiner Fraction (Ruf im Centrum: Der ganzen!) der ganzen Fraction —, daß wir auch gegen das Steuergeseß stimmen müssen. Wir haben consequent den Standpunkt festgehalten, daß wir die Verschiebungen des Wahlrehts durh die Steuergefeßze nicht zugeben können. Wenn nicht mindestens die Zwölftelung an- genommen wird, können wir dem Steuergeseß nicht zustimmen, ob- wohl wir fonst Freunde der Steuerreform sind. |

Abg. Freiherr von Zedliß (freicons.): Es ist bedauerlich, daß der Vorredner und ein erhebliher Theil seiner Parteigenossen, (Ruf im Centrum : Aller!) aller seiner Parteigenossen, niht bei der Auf- hebung der Grund- und Gebäudesteuer als Staatssteuer mitwirken wollen. Wir werden uns darüber aber beruhigen müssen, denn die große Mehrzahl meiner Freunde wird ebenfalls die Beschlüsse des Herrenhauses annehmen. Zwar sind diese in Bezug auf die Zwölftelung für uns niht besser als die Beschlüsse dieses Hauses; es handelt sich aber nur noch um das Geseh als Ganzes, und principiell ist der Vorschlag des Centrums über die An- rechnung des Steuerbetrags erheblih bedenklicher als die Veränderung der Zwölftelung. In der jeßigen Zwangslage müssen wir, so gern wir zu der Regierungsvorlage zurückehren möchten, doch dem ganzen B in der Keéreialisfasiilia zustimmen. N

bg. Rintelen (Centr.): Bereits im Jahre 1891 ift eine Aenderung des Wahlverfahrens herbeigeführt worden. Ich behaupte, daß diese Aenderung einen viel besseren Zustand bedeutet, als die Beschlüsse des Herrenhauses. Durch die Mitanrehnung der Bezirks- und Provinzialsteuern wird der Plutokratismus noch verschärft, und cine weitere Verschlehterung ist, daß Steuern angerehnet werden sollen, welhe überhaupt nicht erhoben werden. Die bestehende Un- zufriedenheit im Lande, der Nährboden der Socialdemokratie, wird durch das Geseß noch vermehrt werden.

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Bei der ersten Berathung des Wahlgeseßes ist das Abgeordnetenhaus weit über die Vorschläge der Staatsregierung hinausgegangen, in einer Weise, daß die Staatsregierung geglaubt hat, den Vorschlägen des Abgeordnetenhauses auf das Bestimmteste widersprehen zu müssen. Diesem Umstand i} es mit zu verdanken, daß nunmehr nicht bloß diese weitergehenden Beschlüsse, sondern au ein Theil der Vorschläge der Staatsregierung vom Herrenhaufe ab- gelehnt worden sind. Das ist nicht erfreulich, aber niht von fo einscnei- denden Folgen, wie es von Seiten des Centrums dargestellt wird. Durch die Bestimmungen des Geseßes vom 24. Juni 1891 waren die Folgen, welche dur& das Einkommensteuergeseß eingetreten sind, im wesentlichen ausgeglihen. Es handelt sih also nur noch darum, vor- sorglihe Vorschriften zu treffen für Folgen, die in der Zukunft liegen. So sehr ich wünschte, daß diese Frage in dem von der Staats- regierung empfohlenen Sinne jeßt gelöst worden wäre, \o wird nunmehr die Aufmerksamkeit sih dahin zu rihten haben, welche Po ae sählich die weiteren Schritte der Steuerreform herbeiführen. Dem gegenwärtigen Zustand gegenüber ist das, was hier geschaffen ist, keineswegs so ungenügend, wie es dargestellt wird. Dic Frage der Zwölftelung oder Drittelung ist keineswegs die einzige, welche auf diesem Gebiet in Frage steht. Die ganzen übrigen Bestimmungen

der Vorlage sind im wesentlihen angenommen worden. Ob die Drittelung an Stelle der Zwöftelung nothwendig sein wird, werden

wir gorgfällig beobachten und danach unsere weiteren Beschlüsse einricten.

Abg. Cremer (b. k. F.) hält es für besser, man hätte es bei den Vorschlägen der Staatsregierung belassen. Man dürfe dem all- gemeinen directen Wahlrecht, diesem „Wurm im Reichsapfel“, nicht noch weiter entgegenkommen.

Nach weiterer Discussion, an der sich der Minister- Präsident noch einmal, sowie die Abgg. Rickert (dfr.), Freiherr von Huene (Centr.) und Meyer (dfr.) betheiligen, wird der Antrag des Centrums wegen der Einführung der Steuergrenze von 2000 M gegen die Stimmen des Centrums und der Polen abgelehnt, ebenso der Antrag wegen Beseiti- gung der einfachen Drittelung und Einführung der Zwölftelung in namentliher Abstimmung mit 228 gegen 125 Stimmen.

Die Vorlage wird darauf in den einzelnen Paragraphen und s{ließlich im ganzen unverändert nah den Be- \{chlüssen des Herrenhauses genehmigt.

Es folgt die Abstimmung über den Geseßentwurf wegen Aufhebung directer Staatssteuern im ganzen.

Abg. von Heereman (Centr.) erklärt namens des Centrums, daß er auf eine namentliche Abstimmung verzichte; das Centrum werde ohne Ausnahme gegen die Vorlage stimmen.

Abg. von Eynern (nl.) erklärt, daß die Nationalliberalen ein- stimmig für die Vorlage stimmen werden.

Die Vorlage wird darauf gegen die Stimmen des Centrums, der Freisinnigen und der Polen genehmigt.

Ebenso wird in dritter Berathung der Geseßentwurf, be- treffend die Verbesserung des Volksshulwesens und Diensteinkommens der Volksschullehrer, unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Lesung genehmigt.

M dritler Lesung wird shlieflidh der Geset- ENTWUr}, «Velresfend die tm.GeltungsSberelh des Rheinischen Rechts bestehenden Pfandschaften, auf Antrag des Abg. von Cuny en bloc angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Der Präsident von Köller erbittet und erhält die Er- mächtigung, die nächste Sitzung aus eigener Machtvollkommen- heit anzuberaumen; vor Ende Juni wird eine Sizung nicht stattfinden.

Schluß gegen 2 Uhr.

Wahlangelegenheiten.

Die gestern telegraphish im Auszug mitgetheilte, in der „Schles. Volksztg.“ veröffentlihte Erklärung des Freiherrn von Huene hat folgenden Wortlaut:

Hinsichtlih der Wahl zum Reichstag habe ih auf Anfrage geant- wortet, daß ih für Glaß-Habelshwerdt nicht candidiren wolle. Eine weitergehende Grklärung bezüglich der Annahme einer troßdem etwa stattfindenden Wahl habe ih bis jeßt nah keiner Richtung hin abgegeben. Meine Zurückhaltung beruhte einmal auf meinem hon wiederholt ausgesprohenen Wunsche, mich möglichst von der parlamentarischen Thätigkeit für immer zurück- zuziehen; sie war dann aber auh geleitet von der Hoffnung, durch mein Zurücktreten zu einer gegenüber der Militärvorlage ver- föhnlichen Haltung des Centrums und damit zur Unterstüßung dieser Sache selbst beizutragen. Nachdem nun aber der Wahlaufruf der Centrumsfraction den Widerspruch gegen den von mir aus voller sahlicher Ueberzeugung gestellten und vertretenen Antrag als das Feldzeihen des Centrums in der Wahlschlacht hingestellt hat und ich aus Centrumskreisen aufgefordert bin, i näher zu erklären, so sprehe ih hiermit offen aus, daß ich mi Verp ltMtet Ballen wirde, eint quf mi etwa fallende Wahl anzunehmen, um méeine Stimme im Reichstag für eine Vorlage abzugeben, deren Annahme ich zur Sicherheit des Vaterlandes für unbedingt nothwendig erahte. Anders zu handeln wäre, nah meiner Ansicht, gewissenlos, und keine Rü- siht nah irgend einer Seite wird mich je bestimmen, gegen mein Gewissen zu handeln. Endlich sehe ich mich veranlaßt zu erklären, daß ih mich im Falle meiner Wahl keiner Fraction anschließen könnte. Ich stehe fest auf den cristlih-conservativen Grundsätzen des alten Centrums, sehe mih aber durch den Wahlaufruf der Fraction gehindert, dieser beizutreten.

Gr.-Mahlendorf, den 28. Mai 1893.

Freiherr von Huene.

Wie aus Münster gemeldet wird, erklärt Freiherr von Schorlemer- Als im „Westfälischen Merkur“ die Behauptun mehrerer Landwirthe, sie hätten den Schorlemer’schen Aufruf weder selbst unterzeichnet noch irgend jemanden beauftragt, dies für sie zu thun, für unrihtig. Die Versammelten hätten vielmehr ausdrücklich Vollmacht ertheilt, ihre Namen unter den Aufruf zu schreiben.

Nr. 21A des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben imMinisteriumder öffentlihenArbeiten, vom 31. Mai hat folgenden Inhalt: Die Bauthätigkeit des preußischen Staats auf dem Gebiete des Hochbaues in den Jahren 1886 bts ein- s{ließlih 1890. Vermischtes: Wettbewerbe für Pläne zu einer Garnifonkirhe in Dresden, zu einer Kirche für die evangelishe Gemeinde Prüm, zu einem Geschäfts- und Wohnhause in Berlin und zu einem Krankenhaus in Gothenburg. Neuer Tunnel unter dem East River. Der Verkehr des Sault St. Mary's Falls-Kanals.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

__In Bezug auf Art. 743 des Handelsgeseßbuchs „Wenn noch während der Gefahr ein Vertrag über die Höhe des Berge- oder Hilfslo h ns geschlossen ist, so kann derselbe wegen er h eb- lihen ÜUebermaßes der zugesiherten Vergütung angefochten und die Herabseßung der leßteren auf das den Umständen ent- sprehende Maß verlangt werden" hat das Reichsgericht, T. Civil- senat, durch Urtheil vom 5. November 1892 ausgesprochen : Als ein Hilfslohnvertrag im Sinne dieser Bestimmung is auch an Bertrag zu eraciten, der mt nux L den Kal des Erfolges, sondern auch für den des Nihterfolges der Rettungsarbeiten einen Lohn vereinbart. Zur Anfechtung des Ver- trages wegen erheblichen ae der zugesiherten Vergütung bedarf es nur des objectiven Bestehens einer durch Seenoth hervor- gerufenen Gefahr, dagegen hat der Anfehhtende niht darzuthun, daß er auch subjectiv bei der O der Vergütung in seiner o Entschließung durch die Bedrängniß, in welcher sich Schiff und adung befanden, beeinträchtigt gewesen sei.

Speculationsgeshäfte, zu welchen der Banquier seinen Kunden dur die Erklärung animirt, daß dieser aus den mit dem Banquier gemachten Geschäften keine Verluste erleiden werde, t nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Civilsenats, vom 15. März 1893, deshalb nicht ohne weiteres als unklagbare Differenz- ge\ch äfte zu erachten.

Kunst und Wissenschaft,

4 Franz von Lenbach gehört zu den markantesten Persöns- lichkeiten der deutschen Kunstwelt unseres Jahrhunderts. Es is un- begreiflich, daß der Zar der Geschichte der deutshen Malerei, Hubert Janitschek, seinen Namen vergessen konnte. ps darf man

. niht eigentlich als Bahnbrecher einer neuen Richtung bezeichnen : seine Meisterschaft als Bildnißmaler ruht auf den Grundlagen der alten Kunst. Tizian, NRembrandt, Velazquez bilden das Dreigestirn, das seiner Kunst voranleuchtet. Ihnen hat er die Fähigkeit abgelauscht, die P das Wesen, den Charakter feiner Dargestellten in Farben zu bannen. Die gegenwärtig in Schulte’s Kunstsalon veranstaltete Sonderausstellung zahlreiher Werke seiner Hand bietet glänzende Belege dafür. Da sehen wir den verwitterten mäch- tigen Kopf des englischen Premier-Ministers Gladstone, dessen dur dringender Blik dem Beschauer unwiderstehlich Ehrfurht einflößt und jeden Widerstand zu ‘brehen scheint, den kahl glänzenden Schädel des Grafen Moltke, wie ein Enkel römischer Imperatorenzeit anmuthend, die mit blendender Sicherheit aus wenigen Kreidestrißhen -zusanrmengefaßte Gestalt des Fürsten Bismark, Hans von iBülowro?s feingeshnittenes Künstlerprofil, das vielleiht noch etwas \chärfere Accente vertragen könnte, und das in Rembrandt's Helldunkel getauchte Bildniß des Berliner Kunstsammlers Wesendonck. Meisterhaft i| auch Franz Liszt charakterisirt ; Baron von Tucher erscheint, um die Illusion eines Velazquezbildes noch zu verstärken, in altspanishem \{chwarzen Wamms und Falt- fragen; fast immer wählt Lenbah dunkle Kleidung, um aus den Tiefen des unergründlihen braunschwarzen Gesammttons die be- leuhteten Züge des Antlißzes um so wirkungsvoller herausarbeiten zu können. Cine Ausnahme macht .das Porträt des Prinzen Leopold von Bayern, das in seiner hellblauen bayerishen Uniform und den warmen Fleishtönen eine ‘\feltene Farbenfreudigkeit verräth. Wie reizvoll versteht es der Altmeister unserer Bildnißmalerei auch, zarte Frauenköpfe mit wenigen Koßhlenstrihen auf die Leinwand oder Pappe zu zaubern: da ist feine Gatlin, eme ges borene Gräfin Moltke, Frau von Poschinger und ein Pag der Madame Talandière mit ihrem Kinde, braun in braun angelegt, das uns mit seiner unnachahmlihen morbidezza des Blicks wie ein Madonnenbild anmuthet. Von Staatsmännern sind überdies noch der Minister Delbrück und der bayerische Finanz-Minister Freiherr von Riedel zu erwähnen, unter den Künstlerporträts der männ- lih energishe Kopf Reinhold Begas*. Ganz altitalienisch wirkt das Kniestück einer jugendlichen Venezianerin, das zu den anziehendsten Schöpfungen Lenbach?s zu zählen ist. Man wird von jedem Bild von neuem in Staunen und Bewunderung verseßt und könnte den Wortschaß der Begeisterung ershöpfen, ohne doch die Wirkung dieser Schöpfungen vollwerthig schildern zu können.

Um Pläne zu einer Garnisonkirhe in Dresden zu gewinnen (Preise 5000 #, 3500 A und 2000 4), ladet, wie wir dem „Centr. Bl. d. Bauv.“ entnehmen, das Königlich sächsische Kriegs- Ministerium alle in Deutshland ansässigen deutshen Architekten zum Wettbewerb ein. Ablieferungstermin is der 15. Oktober d. F.

Zur Erlangung des Entwurfs für eine Kirche der evange- lishen Gemeinde Prüm, Regierungs-Bezirk Trier, if ferner unter den Mitgliedern des Berliner Architektenvereins ein Wet f- bewerb veranstaltet. Die Kosten der kleinen Kirche, die für 120 Sißpläße Raum bieten soll, dürfen niht mehr als 27 000 Æ be- tragen. Für die beiden besten der am 15. Juli d. I. einzureichenden Entwürfe sollen Preise von 300 und 209 A vertheilt werden; das Preisrichteramt wird dur den derzeitigen Beurtheilungsaus\{huß des Architektenvereins ausgeübt. i

Endlich soll nah Mittheilung deéselben Blattes der Entrourf zu einem neuen Kran kenhause auf dem Gebiet des Gutes Aeng- gârden in Gothenburg durch eine allgemeine Preisbes werbung gewonnen werden. Die Anftalt soll zwei freigelegene Krankenhäuser (zunächst für etwa je 60 Betten), ein Abfonderungs- haus, ein Leichen- und Obductionshaus, Verwaltungs- und Wirth- \chaft8sgebäude, Aborte und ein Pförtnerhaus enthalten und ift auf niht unbedeutenden Zuwachs einzurichten. An Preisen find 3000, 1500 und 750 Kronen ausgeseßt; das Preisrihteramt werden zwet Stockholmer Aerzte und der Hof-Intendant A. Kumlien ausüben. Die Unterlagen können von dem Vorfißenden des Bau-Aus\chufses Dr. med. E. von Sydow in Gothenburg bezogen werden.

Zu der Preisconcurrenz für das Denkmal des Dom- baumeisters Friedr. Schmidt in Wien find, wie der „Nat.-Z.“ mitgetheilt wird, 32 Entwürfe eingegangen. Bei der jeyt getroffenen Entscheidung wurde der erste Preis von 1000 Kronen dem Entwurf von Edmund von Hofmann und dem Architekten Professor Deininger zuerkannt. Der berühmte Dombaumeister ist in \{lihter, charafteristischer Haltung dargestellt, den einfahen Ueberrock über der Arbeitsjacke, - die rechte Hand mit s\prechender Ges berde vorwärts gestreck, in der Linken, die fich leiht auf ein Werkstück stüßt, Zirkel und ein Blatt Papier. Die Archi- tektur ist ebenso einfach gehalten: eine Balustrade mit zwei stilisirten Wwen als Wappenhaltern an den beiden Enden; der Mittel pfeiler ist zum Sockel erhöht, auf dem die Figur Schmidt’s steht. Den zweiten Preis (600 Kr.) erhielt der Entwurf von Franz Seifert, den dritten (400 Kr.) der von Theodor Charlemont und dem Architekten Kirstein hergestellte Entwurf. Sämmtliche 32 Entwürfe find gegenwärtig im Wiener Künstlerhause ausgestellt.

Verdingungen im Auslande.

Spanien.

Ohne Datum. Junta de Obras del rio Guadalquivir y puerto de Sevilla: LYieferung von 1 Baggermaschine, 4 km trag- barem Schienenweg, 60 Wagonetten und 2 Locomotiven. Caution vorläufig 1000 Peseten, endgültig 59% vom Werth der Lieferung. Näheres in spanisher Sprache beim „Reichs-Anzeiger“.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 31. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Llovd. Der Schnelldampfer „Saale“ is am 29. Mai Abends auf der We ser angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Oldenburg“ hat am 29. Mai Nachmittags die Reise von Neapel nah Genua fort-

eseßt. Der Reichs-Postdampfer „Hohenzollern“ hat am 29. Mai Nachmittags die Reise von Suez nach Aden fortgeseßt. Der Schnell- dampfer Ems" ist am 29. Mai Abends in New-York ange- kommen. Der Postdampfer „W eimar“, am 18. Mai von Bremen abgegangen, ist am 30. Mai Morgens in New-York angekommen.

Hamburg, 30. Mai. (W. T. B.) Hamburg - Ameri- kanishe Packetfahrt-Actien-Gesellshaft. Der Postdampfer „Dania* hat heute Morgen Lizard passirt.

London, 30. Mai. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Venice“ ist am Sonnabend auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen. Der Castle-Dampfer „Do une Castle“ ift am Sonns- tag auf der Heimreise in London angekommen.

Theater und Musik,

Im Königlichen Opernhause werden am Freitag auf Aller- höchsten Befehl die Oper „Das goldene Kreuz“ von Brüll und das Ballet „Die Puppenfee® gegeben; Anfang der Vorstellung 74 Ubr.

_Im Neuen Theater gelangt durch das Königliche Schaus- \piel am Freitag „Vafantasena* zur Aufführung.

In der im Friedrih-Wilhelmst ädtishen Theater am Sonnabend neu in Scene gehenden Lecocgq’shen Operette „Angot, die Tochter der Halle“ sind die Hauptrollen mit den Damen Collin, Cornelli, Graichen (al8 Debut) und den Herren Wellhof, Broda, Unger, Lieban und Ernsthaft beseßt. Die Jnscenirung leit

Herr Director Fritsche, während als Dirigent des musikali der neu r Mit e Kapellmeister, Herr Pgar R cla N

aid D R S G G B Ec Ö E RAE Trr C G E M E D A6 Mai wte D N R RI E R

D: eden dre U

N

firma n pi adi R L I Ae