1893 / 135 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Jun 1893 18:00:01 GMT) scan diff

jeßigen Friedenspräsenzstärke forderte, woraus sih nur ein Mehr von 25 000 Rekruten ergab. E

Allerdings sollten die Uebungen der Ersazreservisten im bisherigen Umfange beibehalten werden.

Es handelte sich somit niht um einen Unterschied von 11 000, sondern von 28000 Rekruten, denn es muß jedem Laien einleuchten, daß ein nur kurze Zeit ausgebildeter Ersaßreservist niht gleihwerthig einem zwei Jahre dienenden Mann gegenübergestelt werden kann, ganz abgesehen davon, daß bei den Neichstagsverhandlungen seitens der Militärverwaltung die positive Unmöglichkeit der Beibehaltung der Ausbildung der Ersaßreservisten bei gleich- zeitiger Einführung der zweijährigen Dienstzeit nachgewiesen worden ist. : - E

Hieran ändert auch die beispielsweise von der „Frei- sinnigen Zeitung“ vom 6. Juni 1893 gebrachte Erklärung, der Kriegs-Minister von Verdy hätte die Ausbildung der Ersaßt- reservisten vorerst beibehalten wollen, nichts ; denn die „Frei- sinnige Zeitung“ verschweigt hierbei, daß dem Verdy'schen Project nicht die zwei-, sondern die drei jährige Dienstzeit zu Grunde lag.

2) Wie viel Mann würden \chon bisher (1891) zur militärishen Ausbildung jährlich eingestellt?

Die Beantwortung dieser Frage lautet in den gekenn- zeichneten Flugblättern:

a. in Deutschland: 211 403 Mann. b. in Frankreich: 214 442 Mann.

Auch diese Angaben treffen nicht zu.

Nach der dem Reichstag zugegangenen amtlichen Ueber- sicht über das Ergebniß des Aushebungsgeschäfts im Jahre 1891 sind einschließlich aller Freiwilligen 198 500 Mann in Deutschland ausgehoben worden, wovon etwa 10 500 Mann für dur Tod, Unbrauchbarkeit u. st. w. Abgegangene als Nachersaß und 5000 für Marine abzuziehen sind, sodaß für das Landheer rund 183 000 Mann, oder 28 403 Mann weniger, als jene irre- leitenden Flugschriften und Zeitungsartikel behaupten, zur Aushebung gelangt sind. i :

n Frankreih werden bekanntlih alle Diensttauglichen eingestellt. S L

Nach dem amtlichen Bericht des französishen Kriegs- Ministeriums vom 24. Juni 1891 „compte- rendu sur le recrutement de l’armée pendant l’année 1890“ wurden allein für das Landheer einschließlich der Freiwilligen in Frankreih 226 496 Mann ausgehoben. Diesen treten noch mehrere Tausend für solhe Marine - Jnfanterie- und Artillerie - Truppentheile Ausgehobene hinzu, welche berufen sind, im Fall eines europäishen Krieges im Ver- band der Landarmee verwandt zu werden, sodaß die Gesammt- aushebungsquote für das französische Landheer die Ziffer von 230 000 Mann im Jahre 1890 nicht nur erreicht, sondern noch überschreitet. Das bedeutet, daß rund 16 000 Mann im Jahre 1890 in Frankreih mehr ausgehoben sind, als ene Glugblätter angeben: der Unterschied zwischen der deutschen und französischen Aushebungsquote beläuft sich hiernah im ganzen auf ein Mehr von rund 44 000 Mann zu Gunsten der französischen. :

Bei den Commissionsverhandlungen wurde dieser Gegen- stand in ausführlichster Weise behandelt, worüber Seite 10 des Gröber'shen Commissionsberichts Aufschluß giebt, der die betreffenden Ziffern auch enthält. :

53) Wieviel Mann würden künftig jährlich in Deutschland eingestellt werden?

a. nach der Forderung der Regierung :

laut einem freisinnig - volk3parteilichen San E 247 403,

O S 229 000 Mann, b. nach dem Angebot der freisinnigen Volkspartei: laut Wahlflugblättern dieser Partei . 236 403,

O 200000 Mann

Jn beiden Fällen sind bei der „thatsählichen“ Angabe vie Einjährigfreiwilligen und der Nachersaß unberücksichtigt geblieben. Leßterer deshalb, weil er nur als Deckung für Abgänge dient und daher auf die Zahl der ausgebildeten Mannschaften ohne Einfluß bleibt.

4) Wie groß war die deutsche. Kriegsarmee 1870/71 ? .

laut Flugblättern, die im Verlage der „Freisinnigen Zeitung“ erschienen sind, S

1350 787 Mann (einshließlih der nach Ausbruch des Krieges Ausgebildeten), :

thatsächlih 1 452000 Mann. (Generalstabswerk Band Y. Seite 865.) i

5) Wie groß wird künftig die deutsche Kriegs- armee sein ohne die neue Vorlage? i

laut obengenannten Flugblättern 3700 000 bis 3 900 000 Mann; -

thatsählih, wie in der Militärcommission nachgewiesen, auf Grund der sih aus der Heeresverstärkung 1890 ergebenden Rekrutenquote in 24 Jahren (also 1914) = 3 500 000 Mann nah Abzug der Abgänge und einschließlich der Ersaß- reservisten.

6) Wie groß würde die deutshe Kriegsarmee künftig werden nach der Forderung der Négierung:

laut den Wahlflugblättern thatsächlich der Opposition fast 4 300 000 Mann. 4 348 000 bis 4548 000,

7) Wie groß würde die deutsche Kriegsarmee künftig werden nah dem Angebot der freisinnigen Partei? nach der „Freisinnigen Zeitung“ thatsächlich 4150000 bis 4350000 Mann, etwa 3 750 000 Mann, das heißt nicht viel mehr, als die jéhige Organisation an Au3gebildeten zur Verfügung stellt.

Es wird hierbei ausdrücklih hervorgehoben, daß natürlich, wie schon früher nahgewiesen, Ersazreservisten bei zweijähriger Dienstzeit niht in Frage kommen.

8) Wie groß ist gegenwärtig die deutsche Friedenspräsenzstärke (excl. Offiziere)?

laut freisinnig-volkspartei- thatsächlich lihen Wahlflugblättern 495 983 Mann 502 000, einshl. Einjährig-Freiwilliger.

Die Einrechnung übender Ersaßreservisten in die Präsenz- stärke ist, wie von Herrn Richter in der Militärcommission rihtig hervorgehoben wurde, ein Unding, man könnte dann ebenso gut auch die zu den Uebungen einberufenen Mannschaften des Beurlaubtenstandes in ähnliher Weise hinzushlagen, und dann würden wir gegenüber Frankreich allerdings sehr viel zu kurz kommen, denn für Uebungen des Beurlaubtenstandes sind im Jahre 1893 vorgesehen:

Mann mit Uebungstagen in Frankreich . . 508 907 10 836 000 in Deutscbl d 2 173 970 3 448 464 in Deutschland |_" Frsazreseristen 44 656 2 065 000 Mithin in Frankreih mehr 290 281 5 322 536 9) Wie ist die deutshe Friedenspräsenz schon bisher gewachsen? :

Es wird behauptet, die deutsche Friedenspräsenzstärke habe 1872 nur 350 000 Mann betragen, während si dieselbe that- sächlich (lt. Neichs - Militärgeseß vom 9. Dezember 1871) auf 401 659 Mann belief. l

Auf den Leser wirken ferner Vergleiche zwischen den an- geblichen Friedenspräsenzstärken Deutschlands und Frankreichs verwirrend, indem fälshlich angegeben wird, daß beide gleich hoh seien. Es ist deshalb angezeigt, den Sachverhalt noch- mals kurz zu erörtern: /

Auf Seite 10 und 11 des Gröber hen Berichts über die Verhandlungen der Militärcommission steht :

Die französische Friedenspräsenz beträgt nicht 502 000, sondern 520 000 Mann. 502 000 Mann bilden die Stärke abzüglich der Rekrutenvacanz. Nach gleicher Berehnung beträgt die deutsche Präsenzstärke (496 000 Mann abzüglich der Rekrutenvacanz 2c. von 21 000 Mann) rund 475 000 Mann.

Die deutsche Stärke ist somit 27 000 Mann geringer als die entsprechende französische.

Diese unbestreitbare Thatsache wird zu verschleiern ver- sucht, indem die französishe Präsenzstärke nah der Durch- shnittsstärke, die deutsche aber nah * der Maximalstärke an- gegeben wird, was ein völlig falshes Bild giebt. Durch- schnittsstärke und Maximalstärke sind Begriffe, welche für Laien niht ohne weiteres verständlih sind. Bedurfte es doch erst einer langen Debatte“ in der Militärcommission, um diesen Punkt völlig zu“ klären.

Schließlich bleibt noch die öfter wiederkehrende Angabe zu widerlegen, daß die geforderte Präsenzerhöhung von 70 000 Mann „einschließlich der Normirung der Präsenzziffer als Durchschnittsziffer statt der Maximalziffer“ einer Erhöhung von 90 000 Mann gleichkäme.

Die Durchschnittsziffer hat mit der Erhöhung der Friedens- präsenz nichts zu thun, jie ist lediglih eine Geldfrage; du r ch sié wird fein Mann mehx ausgehoben, kein Nekrut mehr eingestellt, kein ausgebildeter Mann mehr entlassen.

Das Angebot der freisinnigen Volkspartei hat abgesehen davon, daß die Einstellung des Plus von 2 000 Nekruten ohne Erhöhung der Friedenspräsenzstärke eine baare Unmöglichkeit ist eine Verstärkung der Armee nicht oder doh nur in ganz minimalem Umfang zur Folge.

Eine Verjüngung der Armee bezw. die Schonung der älteren Jahrgänge wird dadur überhaupt nicht erreicht, wäh-

rend nach der Regierungsvorlage anstatt früherer 7 Jahrgänge künftig nur rd. 6 16 I r 1 15 20 j 7 S 24 L 7 20

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, E erforderlich werden. S Diese Angaben sprechen für sich selbst.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für das Landheer und die Festungen, für Eisenbahnen, Post und

Telegraphen und für Rechnungswesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen hielten heute Sißzungen.

Durch Allerhöchste Cabinetsordre vom 22. Mai ist Cassel als dauernde Garnison für die reitende Abtheilung Hessischen Feld-Artillerie-Regiments Nr. 11 bestimmt worden.

Der Unter-Staatssecretär im Auswärtigen Amt, Wirk- liche Geheime Legations-Rath Freiherr von NRotenhan ist vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt.

Der Königliche Gesandte in Darmstadt Freiherr von Plessen ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt- chaft wieder übernommen.

Der Königlich sächsishe Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Graf von A TS und Bergen ist vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt- schaft wieder übernommen.

Der Königlich württembergishe Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe Staatsrath von Moser ist vom Urlaub hierher zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Der Landtag des Herzogthums Coburg hat in seiner Sigung vom 5. d. M. 3000 M für den Garantiefonds der nächstjährigen Landesausstellung genehmigt, ebenso einen Betrag von 245 000 6 für die Herstellungen im Regierungs- gebäude sowie 4800 f und 7505 M. zu Herstellungen in anderen staatlichen Gebäuden des Herzogthums.

Oesterreich-Ungarn.

Der Heeresausschuß der ungarischen Delegation hat gestern das gesammte Heeresbudget unverändert an- genommen.

Großbritannien und Frland.

Das Unterhaus segzte gestern die Berathung des 8 3 der Homerule-Bill fort. Brodrick beantragte, wie „W. T. B.“ meldet, ein Amendement, durch das die irische Legislatur verhindert wird, Geseße über die Einwanderung und die Ausweisung von Ausländern sowie über die Rechte der in JZrland wohnenden Engländer zu erlassen. Der Ober-Sccretär für Zrland Morley führte aus, der Zweck des Amendements werde erfüllt, wenn dasselbe auf die Ausländer beschränkt werde; Brodrick erklärte sih hiermit einverstanden. Das Amendement

Brodrick wurde N dur einen dahin gehenden Unter- antrag Morley erseßt und leßterer mit 328 gegen 139 Stimmen angenommen. Jm Laufe der Debatte protestirten die irischen Nationalisten gegen das Amendement; sie stimmten auch da- gegen. Der Premier - Minister Gladstone erklärte, das Amendement Morley führe kein neues Princip in die Vorlage ein, es bezwecke nur, eine Frage, welche die auswärtigen Beziehungen betreffe, dem Reichsparlament allein zu überlassen. Jm weiteren Verlauf der Berathung beantragte Courtney die Weglassung der Worte, welche die irische Legislatur verhindern, Geseze über den irishen Handel oder Quarantänen zu erlassen. Der Premier-Minister Gla d- stone gab zu, daß es sich dabei um eine ernste Frage handle; die Regierung könne aber das Amendement niht annehmen, das die Vorlage an der Wurzel treffe. grland hätte zweifellos die Controle des Handels fordern können, doh habe Parnell im Jahre 1886 auf diese Befugniß verzichtet, was ein großes und weises Zugeständniß gewesen sei. Die Handelsgeseßgebung Jrlands sei mit den auswärtigen Beziehungen eng verknüpft und es sei daher erwünscht, sie in den Händen des Reichsparlaments zu behalten. Chamber- lain befürchtete, daß Jrland sich an dieses Zugeständniß nicht halten und später die Handelscontrole beanspruchen werde. Nolan meinte, Jrland sollte diese Controle besißen; aber das vorliegende Amendement bezwecke nur, die Nationalisten zu Erklärungen zu zwingen, bevor der Finanzartikel erreicht sei. G oschen befürchtete ebenfalls, daß die Jrländer später doch die Handelscontrole fordern würden: er werde aber gegen das Amendement stimmen, weil er wünsche, daß das irische Parla- ment diese Befugniß nicht besiße. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wurde mit 293 gegen 256 Stimmen angenommen und hierauf das Amendement ohne Abstimmung abgelehnt. rzranfkreich.

Dem „Figaro“ zufolge hatte der Präsident Carnot gestern einen neuerlichen Anfall seines Leberleidens zu bestehen. Am Abend trat eine merkliche Besserung ein.

Spanien.

Einer Meldung des „W. T. B.“ aus Madrid zufolge haben die Conservativen beschlossen, bei der Berathung des Budgets in der Obstructionspolitik zu beharren, üm die Abstimmung am 30. Juni zu verhindern.

Schtwveiz.

Der Nationalrath hat nah der „Köln. Ztg.“ gestern den Antrag zu Gunsten der finanziellen Unterstü gung der Volksschule durch den Bund angenommen.

Schweden und Norwegen.

In der gestrigen Sihung des Storthings beantragte, wie „W. T. B.“ aus Christiania meldet, der Deputirte Prahl, zur weiteren Aufklärung über die in Horten Anfang Mai vorgenommene Ausrüstung von Torpedobooten und Kanonenbooten drei Marine-Offiziere und zur Auf- Élärung über die Frage, betreffend den Vorgang mit Waffen der Marine im Jahre 1834 es waren damals viele Ge wehre mit abgeshraubten Schlössern vorgefunden worden —, vier andere Marine-Offiziere, darunter den ehemaligen Marine- Minister Johansen vor das Storthing zu laden. Der Antrag soll in einer späteren Sißzung zur Verhandlung kommen

Amerika.

Jn der vorgestern abgehaltenen“ Sizung des Cabinets der Vereiniglen Siaalei f anem Telegramm der „Frtf. Ztg.“ aus Washington zufolge, die Proclamation des Auslieferungsvertrags mit Rußland aus: gefertigt worden. Der Vertrag tritt am 24. E U O

Nach einer in London eingetroffenen Meldung des „Reuter’schen Bureaus“ aus Buenos Aires hat das ge- sammte argentinische Cabinet demissionirt. Nach einer in Paris eingetcoffenen Meldung von heute hâtte sih das neue Cabinet bereits constituirt. Als Minister werden genannt: Venceslav Escalante für Jnneres, Cane für Auswärtiges, Avellaneda für Finanzen, General Vie- bueno für Krieg und Amancio Alcorta für Justiz.

Waßhlangelegenheiten.

n der „Nordd. Allg. Zig.“ wird folgende Erklärung veröffentlicht :

„Die unterzeihneten Katholiken des Nheinlandes sehen fich an- gesichts der demnächstigen Neichstagswahl zu folgender Erklärung ver- anlaßt:

Das Verhalten der Majorität der Centrumsfraction bei der Ab- stimmung über den von Huene'schen Antrag war unseres Erachtens überhaupt, namentlich aber in Rücksicht auf die Stellung der Katho- liken in unserem Vaterland, ein unpolitishes. Indem sie die Wehr- haftigkeit des Neichs nicht zu der den gegenwärtigen politischen Ver-

hältnissen entsprehenden Entwickelung gelangen ließ, {chwächte sie ihrerseits die Sicherheit unserer Grenzen ; sie gab den Gegnern der Katholiken Waffen in die Hand, mit denen man dereinst deren Stel- lung in Staat und Reich bekämpfen wird, und sie entfernte sih von dem traditionellen conservativen Boden, in dem die katholishen Be- \trebungen wurzeln sfollen.

Der Umstand, daß von den rheinischen Abgeordneten des Centrums bei jener Abstimmung nur zwei auf die Seite der Reichsregierung traten, kann hinsihtlich der Stimmung der Bevölkerung der Nhein- lande zu dem Urtheil führen, daß hier in den weitesten katholischen Kreisen das Verständniß für die Nothwendigkeit der Forderungen der Regierung fehle, oder daß die Neigung zur Opposition den politischen Blick dèr Nheinländer trübe,

Dieser Auffassung müssen wir unsererseits entschieden entgegen- treten. Wir könnèn nicht zugeben, daß man im Neich, wie draußen, die Stellung der rheinishèn Katholiken zu der Militärvorlage ähnlich beurtheile wie diejenige der Bevölkerung Elsaß-Lothringens. Wir anerkennen gern die erfolgreiche seitherige Thätigkeit des Centrums und danken ihm für die mannhafte Vertheidigung unserer verfa\sungs- mäßigen Rechte, wir pflichten auch dem jüngst erlassenen Wahl- aufruf in den meisten Punkten bei, allein wir beklagen es mit einem niht unbeträchhtlihen Theil der rheinischen Katholiken aufs tiefste, daß die Majorität des Centrums in der Bewilligung der Leistungen für die Wehrhafterhaltung des Reichs nicht über dasjenige hinausgehen wollte, was für die Durchführung der zweijährigen Dienstzeit inner- halb der gegenwärtigen Präsenz erforderlih fein würde. Die Be- willigung innerhalb dieser Grenzen ist nah Ansicht niht allein der maßgebenden militärischen Autoritäten, sondern auh eines großen Theiles des Neichstags für die wirksame Vertheidigung unserer Grenzen gegenüber den herausfordernden Rüstungsbestrebungen unserer Gegner nicht ausreichend.

Berufe man sich_ nicht auf die Windthorst'shen Resolutionen. Sie mögen vor drei Jahren am Plate gewesen sein, Nachdem aber inmwwishen sowohl Rußland wie Frankrei eine \taunenswerthe Ver- besserung der Ausbildung ihrer Truppen, eine starke Vermehrung

hrer Cadres/ sowie eine durchgreifende Vervollständigung der Vor-

bedingungen für die Mobilmachung ihrer Armeen und für den ersten Aufmarsh ins Werk geseßt haben, ist die Lage verändert. Ein Staatsmann wie Windthorst würde bei dem heutigen Stande der Dinge an jenen Refolutionen keineswegs festgehalten haben. Er seßte ein so unbedingtes Vertrauen in die Wahrhaftigkeit und Selbstlosigkeit des Reichskanzlers Grafen Caprivi, er s{häßte tessen staatsmännische und organisatorishe Eigenschaften so hoh, daß er sich gegenüber den von demselben vertretenen Forderungen zur Erhaltung der vollen Wehr- haftigkeit des Reichs gewiß niht in kühler“ Ablehnung auf die vor drei Jahren beschlossenen Resolutionen berufen haben würde. Nie und nimmer würde er sih durch die angedrohte Secession eines Theils der süddeutschen Centrums-Abgeordneten zu einer unpolitischen Oppo- sition habene drängen lassen ; nie und nimmer bätte er die Fraction uber das Vaterland gestellt. Ihm wäre es zweifellos gelungen, mit der Majorität seiner Fractionsgenossen eine Entscheidung herbeizu- führen, welche uns die jeßt herrschende Beunruhigung erspart hätte und über welche in allen Gauen des Deutschen Neichs Befriedigung herrshen würde. Mede man auch niht von den unershwinglichen Lasten, die aus der Annahme dcs Huene’schen Antrages für das Volk entstanden wären. Es giebt Wege genug, die unvermeidliche Mehr- belastung so zu vertheilen, daß die breiteren Schultern auch das meiste zu tragen bekommen und daß den unvermögenderen Kreisen nur das- jenige auferlegt wird, was ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Alle diese Lasten tragen sih leicht, wenn man si sagen muß, daß sie die Sicher- heit des Reichs gewährleisten und daß damit jene Erleichterung der Dienstpfliht verbunden ist, wie sie die Militärvorlage vorgesehen hatte.

Wir verwahren uns dagegen, daß die conservative Tradition des Centrums, welhe unter Reichensperger und von Mallinckrodt, dann unter Windthorst, von Schorlemer und von Franckenstein, und zuleßt unter Graf Ballestrem und von Huene zum großen Nutzen der katho- lishen Sache und unter der ausdrücklichen Zustimmung der höchsten kirhlichen Autoritäten gepflegt wurde, verlassen werde. Wir protestiren gegen die Herabseßung und Verunglimpfung. welche man sich jüngst in gewissen Organen des Centrums gegen die der Militärvorlage bei- fällig gesinnten Kirchenfürsten herauëgenommen hat, gegen hoch- erleuhtete Männer, die in den kirchenpolitis{en Kämpfen der siebziger und achtziger Jahre im Vordertreffen gestanden haben, und denen das katholishe Volk nie erlöschenden Dank schuldet.

Wenn wir davon absehen, uns völlig von der Partei des Centrums zu lösen und zur Organisirung einer besonderen, die bewährten Ueber- sieferungen wieder aufnehmenden Partei anzuregen, so geschieht dies, um auch jegt noch und so lange wie möglich die tatholische Einigkeit zu wahren; es geschieht in der Hoffnung, daß die gegenwärtige Centrumsmajorität dur den ruhigeren Ton in ihrer Presse und auf ihren Versammlungen, sowie dur thr versöhnliches Verhalten bei der bevorstehenden Wahl es uns möglich macht, an der Lösung der großen uns noch bleibenden Aufgaben auch weiter gemeinsam mit ihr zu arbeiten.

Den einzelnen Wahlkreisen mag es überlassen bleiben, ob fie unter den obwaltenden Umständen und gegenüber der aus früheren Zeiten noch vorhandenen \traffen Organisation des rheinischen Partei- auss{usses katholische Candidaten zur Wahl stellen wollen, welche auf dem Boden des von Huene’schen Antrages stehen.

Möchte man in jedem Fall Schroffheiten vermeiden, in Zweifel- fällen auch die Entschließung des Gegners achten und vor allem nicht vergessen, daß die Parole: „Für Wahrheit, Freiheit und Necht zu ergänzen ist durch den allen Patrioten gemeinsamen Ruf : „Mit Gott für König und Vaterland!“

Dierzu die folgenden Unterschriften:

Gutsbesißer Abels zu Gommern. Rentner Alf zu Prüm. Guts- besißer Außem zu Niederaußem. Gutsbesißer Baumann zu Arnolds- weiler. Graf Beissel von Gymnich auf Frenz. Gutsbesißer von Beulwiß auf Mariahütte. Freiherr von Blanchart zu Alsdorf. Freiherr von Brakel zu Tet. Gulsbesißer Brauhaß zu Nheidt. Landrath von Brenning zu Düren. Landrath Graf von Brühl zu Koblenz. Gutsbesißer Bürsgens zu Güsten. Landrath Fret- herr von Coels zu Aachen. Fabrikbes{ßer Cüpper zu Burtscheid. Rittergutsbesißer Dahmen zu Damianshof. Gutsbesißer Destrée zu Effern. Gutsbesißer Dik zu Quadenhof. Staatsprocurator a. D. Dubusc zu Aachen. Gutsbesitzer Efferty zu Neuenhausen. Gutsbesiße Eich zu Bödingen. Bürgermeister Fisher zu Eschweiler. Graf von Fürstenberg-Stammheim auf Stammheim. Nittergutsbesißer von Heinsberg auf Wevelinghoven. Graf von und zu Hoensbroech auf Kellenberg. Gutsbesitzer Hoffmann zu Löveling. Freiherr von Hövel auf Junkernthal. Gutsbesißer Jansen auf Kinzweilerburg. Land- rath z. D. Janssen zu Burtscheid. Rittergutsbesißer vvn Kesseler- Bock zu Pattern. Commerzien-Rath Kesselkaul zu Aachen. Landes- Rath Klausener zu Düsseldorf. Landes-Director Klein zu Düsseldorf. Landrath Linz zu Mayen. Landrath Freiherr von Los zu Siegburg. Gutsbesitzer von Meer zu Hottorf. Gutsbesißer von Meer zu Sittarderhof. Vberst-Lieutenant a. D. Meese zu Grülinghausen. Ehren - Bürger- meister und Gutsbesitzer Meising zu Jüchen. Graf von Mirbach auf Schloß Harff. Gutsbesißer Jakob Rey zu Gladbach. Gutsbesitzer Ludwig Rey zu Kelz. Fabrikbesitzer Nitter zu Burtscheid. Handels- fammer-Präsident Nosellen zu Neuß. Landrath Sasse zu Montjoie. Geheimer Regierungs-Rath Seul zu Düsseldorf. Justiz-Rath Scheuer zu Jülich. Gutsbesitzer Friedrih Schmitz zu Hillesheim. Gutsbesitzer Oubert Schmiß zu Serrest. Landrath Freiherr von Schorlemer zu Neuß. Fabrikbesißer Const. Schwarß zu Prüm. Bürgermeister P. Stern zu Viersen. Freiherr von Syberg zu Eichs. Fabrikbesitzer Trimborn zu Grevenbroich. Landrath Dr. Vüllers zu Jülich. Frei- herr von Wenge-Wulffen auf Overbach. Gu 8besißer Wolff zu Merr- hof. Nittergutsbesißer Zillekens zu Asperschlag.

Die „Schlesische Volkszeitung“ meldet aus Reichen- bach i. Schl.: Jn einer sehr zahlreih besuchten Vertrauens- männerversammlung wurde dem Bedauern über die Mandats- niederlegung des Abgeordneten Pors\ch Ausdruck gegeben, in gerechter Würdigung der Verdienste desselben und unter Mißbilligung der gegen Porsch in einem Centrumsblatt gerich- teten Angriffe. Dem neu aufgestellten Candidaten, Gutsbesißer Konrad - Neurode ist für die Abstimmung über die Militär- vorlage vollständige Freiheit gelassen.

Wen follen wir wählen? betitelt ih ein gut und ein- dringlih geschriebenes eVaterländisles Mahnwort“ von K. L udwig. (Emmendingen, Commissionsverlag von A. Doll, 18983) Dié Broschüre seßt sahgemäß die Nothwendigkeit der Militärvorlage aus- einander und hält dem deutshen Volke vor, was es damit gewinnen, was es bei ihrer Verwerfung verlieren würde. Sie {ließt mit den Worten: Was wir sind und was wir haben, verdanken wir dem Vaterlande; darum : das Vaterland über alles!

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Lage der Textilindustrie. _ Aus dem Regierungsbezirk Liegniß wird uns geschrieben: Auf dem Gebiete der Fabrikation leinener Tücher, der Leingarnspinnerei,

der Leingarnbleiche, der mechanischen Baumwollweberei, sowie endlich

der Wollspinnerei ist in dem letzten Quartal ein merklicher Aufshwung zu verzeichnen gewesen.

Rentengüter und Ansiedelungsstellen.

Die Bildung von Rentengütern hat im Regierungsbezirk Danzig immer mehr Anklang gefunden; es sind in der Zeit vom L August 1892 bis Anfang März d. J. aus den einzelnen Kreisen des Bezirks 91 Anträge auf Parzellirung von Gütern, Gutstheilen und bäuerlichen Besißungen, welhe eine Flähe von nahezu 12 000 ha

umfassen, eingegangen. Wenn auch in elf Fällen, bei welhen es ich um Parzellirung eines Gesammtareals von 2450 ha handelt, inzwishen der Antrag theils zurück- gezogen, theils das Verfahren nicht eingeleitet ist, fo liegen do immer noch 87 Anträge auf Parzellirung einer Fläche von insgesammt 22 990 ha vor ein Beweiê, von welch hoher Bedeutung das Gesetz über die Bildung von Rentengütern für den Regierungsbezirk ist. Mit der Begebung von Ansiedelungsstellen des Ansiedelungsguts nan im Pr. Stargardter Kreise, soll demnächst vorgegangen werden. ;

Zur Arbeiterbewegung. j Wie der „Vorwärts“ heute berichtet, legten sämmtlihe Han d- \{chuhmacher des Kaufmanns Liebenam in Brandenbu Ld. D. wegen einer Lohndifferenz die Arbeit nieder.

Der Ausftand in den Kohlenbergwerken der Donau: Dampfschiffahrts - Gesell schaft in Fünfkirhen (vergl. Nr. 134 d. Bl.) hat sich nach einer Meldung des „W. T. B.* vom gestrigen Tage auf sämmtlihe Kohlenbergwerke der Gesellschaft aus- gedehnt. Die Zahl der Strikenden beträgt mehr als 2200. Bisher ist die Ordnung nicht gestört worden. In einer Bekanntmachung wird allen denen, die bis heute die Arbeit nicht aufnehmen, die Abschiebung angedroht.

Angesichts der Aufreizungen gegen die belgischen Ar- beiter im Pas de Calais beshloß nah einem Telegramm des „H. T. B.“ aus Brüssel vom heutigen Tage der Borstand des Arbeitersyndikats, dort hinzureisen und ein Manifest zu erlassen, vorin die französischen Arbeiter vor Ausschreitungen gewarnt werden.

Eine Maurerversammlung, die hier in Berlin am Dienstag Abend bei Hensel in der Invalidenstraße stattfand, hat, der «Post zufolge, den Ausstand beschlossfen. Es wurde folgende Resolution angenommen: „Die Maurer Berlins und Umgegend verpflichten fich, morgen, 7. Juni, unverzüglih die Forderung von 55 -5 Stunden- lohn zu stellen. Auf Bauten, wo er nicht gezahlt wird, ift die Arbeit sofort niederzulegen. Der Bau wird fo lange gesperrt gehalten, bis bewilligt ist.“ :

Nach einem Bericht des Vorwärts" wurde in einer Verfammluug des Allgemeinen Unterstützungsvereins der Töpfer, Filiale Berlin, am 28. Mai die Frage des Achtstundentages berathen und durch eine Nefolution bestimmt, daß an den Stellen, wo die Arbeitszeit, ein- \hließlich einer halbstündigen Frühstücks- und einstündigen Mittags- pause, länger als von früh 75 Uhr bis Nachmittags 5 Uhr dauert, eine Einigung versuht und erforderlichen Falls die Sperre verhängt werden foll.

Kunft und Wissenschaft.

S S ber Lebte Sißung der kunstgeshihtlihen Gesellschaft sprah Herr Schweißer über die «Stunden des Zages und der Nacht“, die unter Naffael’s Namen bekannt und in Stichen der französischen Akademie aus dem Anfang unseres Jahr-

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hunderts weit verbreitet sind. Die Originale befanden ih, wie der

Vortragende unter Vorlage eines älteren Stichs nachwies, ursyrünglich an der Decke des Badezimmers des Cardinals Bibbiena. Da der den Appartamenti Borgia angehörende Naum heute zu einer Kapelle umgewandelt, ist die ursprünglihe Ausmalung theils verändert, theils zerstört, theils dur die Holztäfelung der Wände der Besichtigung entzogen, soweit die Fresken nicht überhaupt abgesägt und an die Eremitage zu St. Petersburg verkauft wurden. Der Bortragende gab zunächst eine Uebersicht über die Ausfhmücckung des Naumes vor dem Umbau und erläuterte dann die einzelnen Bilder der fehs Tages- und fechs Nachtstunden, speciell die \ymbolischen Darstellungen am Fuße der Gemälde. Schließlih wies Herr Schweitzer darauf hin, daß die Originale nicht eigenhändige Arbeit Raffael’s, vielmehr das Werk eines Schülers, etwa des Perin del Vaga, seien.

Herr Geheimer Regierungs-Rath Lippmann erhielt fodann das Wort zu cinem Vortrage über die „Ausstellung alter Kunstwerke in Madrid“. Dort war in den noch unbenutßten Räumen der neu- erbauten Nationalbibliothek eine Culturhistorishe Ausftellung zu Ehren der columbischen Jubelfeier veranstaltet worden. Nachdem die aus- [hließlich geographisch, ethnographish u. \. w. wichtigen Objecte zurügezogen waren, versuhte man noch den verbleibenden Bestand an Werken der bildenden Kunst, des Kunstgewerbes, der graphischen Künste 2c. und {uf fo eine höchst umfangreiche Ausstellung altsvanischer Kunst. Einzelne Werke ersten Nanges finden sih z. B. in dem Saale, der die Prachtteppihe des Königlichen Hauses enthält, die nächst denen der Schönbrunner Sammlung weitaus zu den {önsten und besterhaltenen Stücken niederländischer Teppichwirkerei des 16. Jahr- hunderts gehören. Jm gleihen Saale finden wir ein vortreff liches Porträt von der Hand des Jan van Eyck, eine Grisaille der Kreuzigung von Nogier van der Weyden und andere treffliche flandrishe Ge- mälde. Im fünften Saale ist die höchst bedeutende Privatsammlung des Grafen von Valencia vereinigt, der kunstgewerblihe Arbeiten aller Zeiten und Linder, vorzügliche Majoliken u. a. m. in tadellofen Exrem- plaren gesammelt hat. Die Nationalbibliotheken. besonders von Sevilla, haben eine höchst wichtige Zusammenstellung aller älteren spanischen Druke bis ca. 1550 gegeben. An Gemälden, Kirchengeräthen, Sculpturen 2c. ist eine große Zahl in diesen Sälen zusammengetragen. Leider ist bei der Auswahl wenig kritisch verfahren, und find mehr die auffälligen Prunkstücke als die ernsteren Kunstwerke bevorzugt, sodaß man ein zwar anregendes, aber durchaus nit abs{ließendes Bild der spanischen Kunst hier gewinnt. ;

Am Schluß der Sißung wurden die Sibungen der Gesellschaft bis zum Herbst vertagt.

Land- und Forstwirthschaft.

Anläßlich der Wanderversammlung der deutschen Land- wirthschaftsgefells{chaft und der Eröffnung der Aus- stellung auf der Theresienwiese werden, dem „W. T. B“ zufolge, heute zahlreihe Extrazüge in München eintreffen. Der preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden trifft heute Mittag dort ein und wird der Eröffnung der Ausstellung beiwohnen. Gestern fand im Nathhaussaale Empfangsabend statt, bei dem etwa 600 Personen aus allen Theilen des Neichs anwesend waren, darunter Vertreter der Regierungen der deutschen Staaten und andere hervorragende Persönlichkeiten. Der Bürger- meister B orsht hieß die Gäste im Namen der Stadt willkommen

und {loß mit einem Hoch auf die Landwirthschaftsgesellshaft. Der -

Prâäfes der ostpreußishen Section, Justiz-Rath Rei ch {loß mit einem Hoch auf den Ehren - Präsidenten Prinzen Ludwig. Letzterer dankte in einer längeren Ansprache, worin er hervorhob, daß er neben dem allgemeinen Interesse für alle Zweige des Staatslebens und für alle Stände auch der praktischen Landwirthschaft nahestehe. Gerade die Landwirthschaft beweise die unbedingte Noth- wendigkeit des Zusammenwirkens der Berufsarten besonders mit der Industrie; auch die kleinen Landwirthe könnten fich die Vor- theile einer industriellen Nebenthätigkeit sichern durch Genossenschafts- unternehmungen, in denen in der leßten Zeit erfreulihe Forschritte gemacht feien. Allerdings träten entgegengeseßte Wünsche der Städte- bewohner und der Landwirthe betreffs der Zollshußzfragen hervor; die Landwirthe beispiel8weise wünschten vielfa eine billigere Verzollung der Maschinen, wohlfeilere Koblentarife 2c. 2c. Es sei eine \chwere Aufgabe, die richtige Ausgleichung der Interessen und Gegensäße heraus- zufinden, auch zwischen den großen und kleinen Landwirthen und zwischen den verschieden beshaffenen Ackergegenden. Hierzu rene er die Frage der Staffeltarife und des Jdentitätsnachweises, in welcher ebenfalls nur das Gesammtwohl, niht der Vortheil eines Landes- theils mitzusprehen habe, desgleichen bei allen Zolltarifen. „Fch bevorzuge“, {loß der Prinz, „keinen Stand und kein Land, nur das allgemeine Beste suhe ih zu fördern; ein treues Zusammenstehen aller Stände ist nothwendig, am höchsten verkörper? im Deutschen Reich. Das Reich lebe hoch!* Die Rede wurde fehr beifällig aufgenommen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Italien.

Nach einer seesanitätspolizeilichen Verordnung vom 29. v. M. werden in Zukunft die aus den österreihish-ungarishen Häfen nah italienishen Häfen bestimmten Schiffe in leßteren zum freien Verkehr zugelassen werden. (Vgl. „R.-A.* Nr. 270 vom 14./11. 92.)

Spanien.

Nach einer in der „Gaceta de Madrid“ vom 1. d. M. ver- öffentlihten Verordnung des Ministeriums des Innern sollen Pro- venienzen von Marseille, die nah dem 21. v. M. abgegangen sind und nah dem 1. d. M. in spanische Häfen einlaufen, wegen der in Marseille wieder aufgetretenen Cholera nach dem Lazarethhafen ge- \chickt werden. Provenienzen aus folhen Hafenorten, die 165 km oder weniger weit von Marseille entfernt ‘liegen, werden als ver- dächtig erklärt.

Numänien.

Durch Verfügung der Königltch runfänishen Regierung ist die Grenze der Bukowina in ibrer ganzen Länge von Mamornitza bis einshließlich Burdujeni wieder geöffnet und die Sanitätsposten von Burdujeni und Michaileni sind eingezogen worden. (Vergl. „R.-A.“ Nr. 87 vom 13. April 1893.) :

Cholera.

Hamburg. Da die Ausbreitung der Cholera im Vorjahre zum Theil den ungünstigen Wohnungsverhältnissen in Hamburg zuge- \chrieben wurde, hat, wie in den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ mitgetheilt wird, der Senat mit Rücksicht darauf der Bürgerschaft unterm 12. Mai d. J. einen Gesetzentwurf vor- gelegt, welcher eine bessere Wohnungspflege unter staatlicher Beaufsichtigung zum Ziele nimmt.

Nimes, 7. Juni. Heute ist, wie „W. T. B." meldet, hier ein Todesfall infolge choleraartiger Erkrankung vorgekommen. Die choleraartige Epidemie is auch in Ala is aufgetreten, wo die Zahl der Sterbefälle die Durchschnittsziffer übersteigt.

Montp Hter 7 S Ce gestern Abend sind, dem „W. T. B.* zufolge, hier zwei Todesfälle infolge Cholera vor- gekommen. j

Frankreich. Zufolge ciner Mittheilung vom 19. Mai d. Fi sind in der Vendée seit Anfang Mai „oleraartige“ Krankheits- und Todesfälle in den Orten Sables-d’'Olonne, Olonne,Chäâteau- d'Dlonne und auf . Ile - d'Yeu vorgekommen. Im Kreife St. -Nazaire (Departement Loire-Inférieure) wurden einige Fälle verdächtigen Dur(hfalls beobahtet. Das „Journal des Débats“ vom 14. Mai theilt mit, daß im Departement Mor bihan ur noch ‘in zwei Ortshaften der Umgebung von Lorient Erkrankungen letzthin festgestellt worden sind. Zu Cette (Departement Hérault) haben bom 20. bis 22. Mai vier bis fünf „Moleraverdächtige“ Erkrankungen, zu Nimes (Departement Gard) am 22. Mai ein Todes fall infolge von „Cholerine“ sich ereignet. „Choleraverdächtige“ ¿älle sind nah einer Mittheilung vom 30æ Mat aus Toulouse, #rontignan, Montpellier und Lunel gemeldet worden. i

Rußland. In der Zeit vom 13. bis 19. Mai (n. St.) find, wie in den „Veröffentlihungen des Deutschen Kaiserlichen Gesundheits- amts" berihtet wird, nur für das Gouvernement Saratow drefi Cholera-Erkrankungen und zwet Todesfälle amtlich angemeldet worden ; dieselben ereigneten sih vom 23. bis 29. April. In den Gouverne- ments Orel und Ufa wird die Seuche als erloschen angesehen. In Kreise Nachitshewan (Gouvernement Jelissawetpol) is zufolge einer Mittheilung vom 19. Mai ein Todesfall neuerdings vorgekommen.

Gelbfieber.

Brasilien. Nach der heftigen Epidemie während der heißen Jahreszeit 1891/92 hatte das Gelbfieber in Santos vom Mai bis Dezember 1892 während der kühleren Jahreszeit zwar nachgelassen, war aber nie erloschen. Mit Beginn der heißen Jahreszeit inr Dezember 1892 hat die Seuche wieder zugenommen. In den letzten Tagen des März befanden ih, nach einer Mittheilung în den „Vere öffentlihungen des * Deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“, in dem Hospital de Isolamento 95 Fieberkranke, wovon 23 auf die im Hafen liegenden fremden Schiffe entfielen. Jn der Zeit vont 1. Dezember 1892 bis 6. April d. J. haben sih insgesammt 43 deutsche Schiffe mit 1434 Mann Besatzung im Hafen von Santos aufge halten, darunter 14 Segelschiffe mit 164 Mann. Am Gelbfieber verstarben unter den deutschen Seeleuten 24 Mann von den Segel- schiffen, hingegen nur 12 Mann von den Dampfern. Diese auf- fallende Thatsache erklärt ih daraus, daß die zur Verhütung einer Erkrankung erforderlichen Vorkebrungen in Anbetracht des Kosten- punkts in vollkommener Weise von den großen Rhedereien, denen die Dampyfer vorzugsweise angehören, durchgeführt werden können.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks

an der Nuhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 7. d. M. gestellt 10 292, ni@t rehtzeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 6. d. M. gestellt 3868, ni@t rets zeitig gestellt keine Wagen.

i Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlihen Amtsgeriht L Berlin standen die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung: G örlißerstraße 33, den Glasermeistern G. Böhme und C. Diechmann gehörig. Nußungswerth 7050 6 Mindestgebot 120 000 Für dasselbe wurde der Votelbesißer Georg Stöckel, Neustädtische Kirchstraße 10, Ersteher. Kommandanten straße 10 und 11, dem Baumeister Th. Schiller gehörig. Nuzungswerth 49 800 6 Mindestgebot 2900 « Für das Meistgebot von 1 006 000 (4 wurde der Premiers- Lieutenant a. D. Hans von Westernb agen, Bellevuestraße 14, Ersteher. : :

Danzig, 8. Juni. (W.T. B.) Die Einnabmen der Marien- burg-Mlawkaer Eisenbahn betrugen im Monat Mai 1893 nah proviforischer Feststellung 142 700 gegen 100 900 A nah proviforischer Feststellung im Mai 1892, mithin mebr 41 800 4

Breslau, 8. Juni, Vormittags. (W. T. B.) Die Zufuhr zu dem bevorstehenden Wollmarkt hat begonnen und ist vorläufig eine sehr geringe. Auf den hiesigen Lägern befindet i weniger Wolle diesjähriger Schur als fonst. Wäsche ist meist befriedigend. Es sind englishe Käufer anwesend ; dieselben kauften von den Lägern 400 bis 900 Ctr. feine und hochfeine {lesi\{he Wollen. Tuchwollen waren gesucht, Stoffwollen vernachlässigt.

Magdeburg, 7. Fun. (W. T. B) ZuckFerbériGL Kornzucker excl., von 92 9/9 19,35, Kornzucker excl., 88 9/9 Rendement 19,00, Nachproducte excl., 75 0/6 Rendement 16,00. Fest. Brod- raffinade I. 31,00. Brodraffinade 11. 3025. Gem. Naffinade mit Faß 30,25. Gem. Melis 1. mit Faß 29,75. Fest. Roh- zucker I. Product Transito f. a. B. Hamburg pr. Juni 18,95 bez., 19,00 Br., pr. Juli 19,15 bez., 19,177 Br., pr. August 19:30 bez., 19,325 Br., pr. September 17,50 Gd., 17,574 Br. Fest.

Leivito, 4 Qu T B) Kammzug- Termins* handel. La Plata Grundmuster B. per Juni 3,725 4, per Juli 3,022 A, per August 3,77} #4, per September 3,80 M, per Oktober 3,825 A, per November 3,85 46, per Dezember 3,85 per Januar 3,87§ 4, per Februar 3,874 4, ver März 3,874 4, per April 3,872 #, per Mai M

Männheim, 7 Junt (W L) Productenmarkt. Weizen pr. Juli 16,85, pr. November 17,20, Roggen pr. Juli 15,45, pr. November 15,70. Hafer per Juli 16,90, per November 15,10. Mais pr. Juli 11,30, pr. November 11,70.

Wien, 7. Juni. (W. T. B.) Der „Politischen Correspondenz“ wird aus Belgrad gemeldet: Die für den Anleihedienst in Belgrad domicilirenden ausländishen Delegirten der Obligationäre werden nunmehr ihrerfeits alle Publikationen über die Kafsengebabrung

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