1893 / 153 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 Jun 1893 18:00:01 GMT) scan diff

der Kirche niht verzichten könne. Sn Hannover gebe es keine Kirchen- E fondern E T apocliinbe. Die Geschichte

n weise wiederholt Fälle auf, în denen Kirhenvermögen spurlos ver- {wunden seien. ;

Das Haus beschliez nach dem Antrage des Grafen zu

Jnu- und Knyphausen. :

Die Petition des Ortsvorstehers Müller und Genossen In Garze, Kreis Bleckede, um Erwirkung des fünften Fünftels Des enverdachi ihrer auf polizeiliche g wegen Lungen-

Teuchenverda

s der Das e, 41/4 Uhr. Nächste Sizung:

ts getödteten Rinder wird au E des egierung zur Berülksichtigung überwiesen. reitag 12 Uhr.

——

Haus der Abgeordneten.

82. Sigßung vom 28. Juni 18983.

Bei der Berathung des Berichts der verstärkten Budget- commission und des Berichis der Nehnungscommission, be- treffend die Uebersicht von den Staatseinnahmen und -Ausgaben für 1891/92, bat (wie hon im Anfangsbericht in der gestr. Nr. d. Bl. erwähnt wurde) der Abg. Sattler um Auskunft über den Abschluß der Eisenbahnen pro 1892/93.

Der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen machte darauf wörtlich folgende (gestern niht vollständig wieder- gegebene) Mittheilungen :

Meine Herren! Ich bin gern bereit, diesem Wunsch zu ent- \prechen. Das Betriebsergebniß der Staatseisenbahnverwaltung für 1892/93 tellt sich nach dem nun vorliegenden endgültigen Abschluß, wie folgt:

Die Einnahmen sollten nah dem Etat betragen ih beschränke mich, die Zahlen bis zu den Tausenden zu nennen 966 289 000; in Wirklichkeit haben die Einnahmen betragen 920 949 000, es ist daher die Wirklichkeit gegen den Etat bei den Einnahmen zurück- geblieben um 45 340 000 oder 4,9 9/0.

Die Ausgaben sollten nah dem Etat betragen 595 566 000, sie haben in Wirklichkeit betragen 581 152 000, mithin in Wirklichkeit gegen den Etat weniger 14 510 000 oder 2,5%. Der Uebers{uß follte nah dem Etat betragen 370 723 000, er beträgt in Wirklichkeit 339 896 000, mithin in Wirklichkeit weniger 30 830 000, oder in Procenten 9,1 9/0.

Zu diesem Uebershuß im Ordinarium tritt noch eine Minder- ausgabe im Extraordinarium von circa 2000 000 4, sodaß sich der Minderübershuß gegen den Etat auf etwa 28 400 000 stellt. Bei der ersten Berathung des Etats wär eine Mindereinnahme von 64 000 000 und eine Minderausgabe von netto 3 000 000 angenommen, was einen Minderüberschuß von etwa 61 000 000 (A ergeben hätte. Meinerseits wurde in den Verhandlungen der Budgetcommission, in der Sißung vom 11. Februar d. J. über den zu erwartenden Abschluß eine Mittheilung gemacht, wonach der Minder- übershnß gegen den Etat auf 46 000000 geschäßt werde. Hier- gegen ift also der endgültige Abschluß um 16 000 000, und wenn das Extraordinarium mitberücksihtigt ift, um 18 000 000 A günstiger ausgefallen; gegen die ursprüngliche Annahme von 61 000 000 M Minderertrag würde sich also der gegenwärtige Hauptabschluß um die Hälfte günstiger stellen.

Wird das wirklihe Ergebniß der Staatseisenbahnverwaltung für 1892/93 mit dem wirklichen Ergebniß für 1891/92 verglichen, also die Istziffern von 91/92 gegen die Istziffern von 92/93, so ergiebt fi folgendes. Die wirklißhen Einnahmen von 91/92 ergaben 919 691 000, dagegen 92/93 920 949 000, mithin 92/93 1 260 000 M oder 0,1% mehr. Die Ist-Ausgaben von 91/92 haben betragen 601 847 000, die Ist-Ausgaben von 92/93 haben betragen 581 052 000, Mithin 92/93 weniger 20 790 000 oder 3,6 9/6.

Der Ist-Ueberschuß 91/92 hat betragen 317 844 000, der Ist- Ueberschuß 92/93 339 896 000, mithin mehr 92/93 22 050 000 oder 6,5%/%. Während also die Einnahme 1892/93 gegen die Ein- nahme 1891/92, Jst gegen Ift gerechnet, um 1 260 000 # gestiegen ist, ift eine sehr erhebliche Ermäßigung der Ausgaben eingetreten.

Die Ausgaben betragen von den Einnahmen im Jahre 1891/92 65,4%, im Sahre 1892/93 63,1 9%.

Von diesem Ergebniß der Betriebsrehnung muß die Ausgabeseite diesmal ganz besonders interefsiren, wenn man erwägt, zu welchen Erörterungen gerade die Ausgabepositionen der Eisenbahnverwaltung in diesem hohen Hause und seinen Commissionen seiner Zeit geführt Haben. Die Minderaus8gaben von 144 Millionen Mark, beziehungsweise gegen die Jst-Ausgabe des Vorjahres von 21 Millionen sind fast aus\{chließlich bei den tech- nischen Etatstiteln erzielt worden. Wie {hon bei früheren Gelegen- heiten im Landtag ausgeführt worden ist, ist auch nur bei diesen Etats- titeln im Laufe eines Etatsjahres eine wesentliche Ersparniß zn erzielen, während Ausgaben für die Löhne und Gehälter an und für si als feststehend angesehen werden müsse.

Das relativ günstige Wirthschaftsergebniß des vergangenen Jahres 1892/93 in den tehnishen Titeln is nun niht etwa dadur herbeigeführt worden, daß nothwendige Ausgaben nicht gemacht wor- den sind, daß nothwendige Arbeiten in der Unterhaltung und Erneue- rung des Oberbaues, in der Unterhaltung und Erneuerung der Be- - triebémittel, in der Ergänzung und Erweiterung der Bahnanlagen

nit gemacht oder mit ihren Ausgabebeträgen auf das nächste Jahr verschoben worden sind; im Gegentheil, es sind alle diejenigen Aus- gaben, welche an fih als nothwendig anzusehen, aber aus irgendwelchen Gründen im Laufe des Etatsjahres niht haben gemacht werden können, soweit die Uebertragkarkeit nah den Grundsäßen des Etats zulässig, dem Etatésjahre 1892/93 zur Last geseßt worden.

Œs ift also in diojer Beziehung keine Verschiebung der Ausgaben Vorgenommen worden aus dem Etatsjahre 1892/93 in das Etatsjahr 1893/94; die Summen, welche dem abgelaufenen Gtatsjahre 1892/93 mo zur Last und demgemäß in Rest gestellt worden sind, weil die “batreffenden Arbeiten nit haben ausgeführt werden können, belaufen ih im ganzen auf die sehr erheblihe Summe von 29 677 000 M, die dem Jahre 1892/93 also nach voll belastet sind und der Verwaltung zu dea etatsmäßigen Zwecken zur Verfügung stehen.

JIch glaube, aus diesen Mittheilungen wohl den be- rechtigten Schluß ziehen zu können, daß der Abschluß für 1892/93 nach den strengsten Vorschriften der Vorsicht aufgestellt worden ist und als durchaus solide auch vor Ihrer Kritik bestehen wird. Wenn der Abschluß verhältnißmäßig und über Er- warten günstig gewesen ist, so ist das in erster Linie der außerordent- Tien Pflichttreue und Umsicht der mir unterstellten Eisenbahn-

verwaltungen zu verdanken, welhe im vollen Verständniß der ihnen obliegenden Aufgabe, alle unnöthigen Ausgaben unter den gegen- wärtigen Verhältnissen zu unterlassen und sparsam zu wirthschaften, im vollsten Maße nachgekommen find. Ich kann mich der Ueber- zeugung hingeben, daß dies auch nicht nur in dem laufenden Jahre, sondern auch in aller Zukunft der Fall sein wird.

Ih möchte an diese Mittheilungen über den Abschluß des Jahres 1892/93 noch kurz diejenigen Zahlen anknüpfen, welche sih für das laufende Jahr 1893/94 bezüglichßh der Einnahmen ergeben, da ja auch diese Zahlen für das hohe Haus von erheblicher Bedeutung sind.

Meine Herren, es liegen zwei Monate des laufenden Jahres in ihren Einnahmen vor, der Localverkehr definitiv abgerehnet, von dem directen Verkehr naturgemäß ein Theil nach den bisherigen bewährten Grund- säßen geschäßt. Es ergiebt sich für diese beiden Monate im Personen- und Gepäckverkehr ein Plus gegen das. Vorjahr von 5 415 090 4, im Güterverkehr ein ‘Plus von 3 832 000 Æ, in den sonstigen Einnahme- quellen ein Plus von 164 000 Æ, sodaß im ganzen die beiden Monate ein Plus von 9412 000 Æ brahten. Das würde ungefähr das Doppelte von dem sein, was, wenn man das etatsmäßige Plus auf zwölf Monate vertheilt, diese beiden Monate aufzubringen gehabt hätten. Hoffentlich bleibt das in Zukunft ebenso!

Zu den (ebenfalls bereits gestern mitgetheilten) A n- trägen der Budgetcommission äußerte sh der

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, wie folgt:

Meine Herren! J bin dem Berichterstatter Herrn Abg. Dr. Hammacher für die anerkennenden Worte von Herzen dankbar, möchte aber dazu bemerken, daß ih es als meine einfahe Pflicht habe an- sehen müssen, überall da, wo ‘es gewünscht wurde und möglich war, der Budgetcommission die vollste Aufklärung entweder selbst oder durch meine Commissare zu gewähren; dieser Pfliht werde ih auch in Zukunft im vollsten Maße entsprechen.

Was nun die beiden, von dem Herrn Abg. Dr. Hammacher \o- wohl als von dem Herrn Abg. Schoeller berührten Angelegenheiten betrifft, so bin ich in der Lage, erklären zu können, daß die Staats- regierung die Verhandlungen bezüglich der Aenderung des Garantie- geseßes auch zur Zeit noch eifrig betreibt und die Hoffnung nicht auf- gegeben hat, dem Hause in seiner nächsten Session einen bezüglichen Geseßentrourf vorlegen zu können. (Hört! hört!) Bezüglich einer Aenderung des Enteignungsgeseßes bin ih allerdings nicht in der Lage, namens der Staatsregierung eine Erklärung abgeben zu können. Dagegen ftehe ih niht an, als Mirister der öffentlichen Arbeiten hier zu erklären, daß ih der gegebenen Anregung durchaus sympathisch gegenüberstehe. Die Uebelstände, welche sich unter der Herrschaft des gegenwärtigen Enteignungsgeseßes ausgebildet haben, und die von dem Herrn Abg. Schoeller hervorgehoben sind, werden von der Staatseisenbahnverwaltung ebenfalls lebhaft empfunden ; die- selbe ist auch bereits in Erörterungen über den Umfang dieser Uebelstände und über die Mittel und Wege, wie denselben abzuhelfen sein möchte, eingetreten. Die Aenderung des Enteignungs- geseßes ist aber eine sehr weit ausfehende und {chwierige Sache; es werden voraussichtlich noch viele Verhandlungen und geraume Zeit vergehen, ehe wir, falls das Bedürfniß festgestellt werden follte, zu einer geseßlihen Aenderung des Enteignungsgeseßes kommen. Ich habe es daher für meine Pflicht erachtet, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz-Minister in Erwägung zu ziehen, ob nicht ein Theil der Uebelstände, die fih gezeigt haben, im administrativen Wege be- seitigt werden könne. Wir hoffen, in dieser Beziehung Erfolge zu erzielen.

Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Antrag der Abgg. Dr. Eckels (nl.) und Gen. :

Die Staatsregierung zu ersuchen, den am 1. September 1891 und 17. Dezember 1892 versuhswei}e eingeführten Ausnahme- tarif mit D Streckensäßen (Staffeltarife) für Getreide, ühlen- und Malzfabrikate s{leunigst wieder aufzuheben.

Zugleich hiermit wurde berathen der Antrag der Abgg. Schoeller (freicons.) und Gen. :

Die Regierung zu ersuchen, weitere Ermittelungen über die Wirkungen der Staffeltarife für Getreide, Mühlen- und Malzfabrifate anzustellen, da die bisherigen Erfahrungen sich auf zwei anormale Jahre stüßen, wovon das eine mit außer- gewöhnlich geringem, das andere mit außergewöhnlih hohem Ernte- ertrage, ferner eine Frachtermäßigung auch auf kürzere Entfernungen in Erwägung zu ziehen. i

Abg. Eckels (nl.) geht ausführlih auf die Geschichte der Staffel- tarife ein und sucht nachzuweisen, daß diese fo gut wie gar keine Wirkung gehabt hätten. Diese Tarife würden am 1. September zwei volle Jahre bestehen, ohne der Landwirthschaft irgendwie genüßt zu haben; dennoch würden fie von der Verwaltung beibehalten. Der Verdacht, daß es sich um ein finanzielles Geschäft handle, werde von der Verwaltung durhaus zurückgewiesen; sowohl Herr von Maybach, wie der jeßige Minister lehnten diesen Stand- punkt entschieden ab. Wenn also das Interesse der Eisen- bahn nicht in Betracht komme, so lasse fich ein Grund für die Aufrechterhaltung dieser Ausnahmetarife niht ausfindig machen. Für die Tarife werde geltend gemacht, daß sie dem Osten aufhelfen sollten, und es werde bestritten, daß der Westen dadur benachtheiligt würde. Leßteres sei aber troß alledem der Fall, nachdem i die alten Tarife im Westen seit lange eingebürgert hätten. Die Staffel- tarife hätten eine ganz ungeheure wirtb\chaftliche Umwäkßung gebracht. In solchen praktishen Fragen follte doch die Theorie niht ent- scheidend fein. Die Unterstüßung der öéftlihen Provinzen werde auch von gewichtigen Stimmen aus den östlichen Provinzen felbst bestritten. Redner bezieht fich unter wörtliher Anführung der betreffenden Stellen auf die Berichte der Handelskammern von Breslau, Pren und Oppeln. Es sei ungerecht, wenn einer Provinz geholfen werden solle, dies zu thun auf Kosten und unter Benachtheiligung anderer Provinzen. de im Westen gäbe es Landstriche, welche ebenso und noch mehr zu leiden hätten als der Osten, namentlich seitdem in diesem Frühjahr ein so großer Futtermangel eingetreten. Die Mühlenindustrie fei ebenso {wer getroffen dur die Staffeltarife, noch mehr aber, wie Redner ausführlih darzulegen suht, die Malzindustrie. Lediglih für die österreihishen Malz- industriellen seien die preußishen Staffeltarife von Vortheil. Redner empfiehlt {ließlich. die Annahme seines Antrages, dagegen die Ableh- nung des Antrages Schoeller, der die tot lichen Verhältnisse gänz- lih verkenne. Wenn man der Landwirthschast des Ostens helfen wolle, so möge man doch den Identitäts-Nachweis aufheben.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Jch befinde mi heute in einer ganz ungewöhn- lien Lage. Der Minister der öffentlihen Arbeiten soll sich ver- antworten wegen einer Tarifermäßigung, Jn meiner bisherigen Praxis habe ich sehr oft das Gegentheil erlebt. Jch erinnere mich kaum eines Falles wie des heutigen, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten sih wegen einer Tarifermäßigung verantworten soll, die im wesentlichen auf die Anregung beider Häuser des Landtags zurück- zuführen ift.

Meine Herren, es ift auch ein eigenthümlihes Zusammentreffen, daß an demselben Tage, - an dem- der Antrag auf Beseitigung der Staffeltarife für Getreide und Mühlenfabrikate und Malz auf der Tagesordnung dieses hohen Hauses steht, ein neuer Staffeltarif mit sehr erheblichen Ermäßigungen wiederum für eine ganze Reihe land- wirthschaftlicher Erzeugnisse, und zwar wesentlich auf Andrängen der- jenigen Landestheile, welche die eifrigsten Gegner der heute hier ver- handelten Staffeltarife sind, eingeführt wird. (Hört! hört!)

Meine Herren, die anormalen Witterungsverhältnifse haben nicht nur die Erträge an Futtermitteln in weiten Strichen des Landes fast vernichtet oder doch sehr verringert, sondern haben leider auch das Wachsthum der Brotfrüchte und des Hafers in manchen Landestheilen so beeinträchtigt, daß eine ungünstige Ernte zu erwarten is, während andererseits" glückliherweise auch wieder in weiten Strichen des Landes ein guter Ertrag erwartet werden kann.

Meine Herren, . angesichts dieser thatsählihen Umstände, den Staffeltarif, das wirksamste Ausgleihsmittel zwishen Mangel und Ueberfluß, aufzuheben, {eint mir doch mindestens bedenklih. Von den Gegnern der Staffeltarife werden dieselben meist als Nothstandstarife be- zeichnet, meines Erachtens fälschlich. Es ift allerdings richtig, daß die beshleunigte Einführung dieses Tarifs auf acute Nothstände zurück- zuführen ist. Aber, meine Herren, wie ih vorhin {on hervorgehoben habe, ist das Abgeordnetenhaus sowohl wie das Herrenhaus, wie feine Beschlüsse vom Jahre 1889 und 1890 beweisen, von der Auf- fassung ausgegangen, daß es als eine wirthschaftlich und finanziell aus guten Gründen wohl erwägungswerthe Maßregel aufzu- fassen sei, die Tarife für Getreide und Mübhlenfabrikate mit wachsender Entfernung erheblich zu ermäßigen, also Staffeltarife für diese Artikel einzuführen. Beide Häuser des Landtags haben durch ihre Beschlüsse die Staatsregierung aufgefordert, dahin gehende Unter- suchungen anzustellen. Diese Untersuhungen sind in umfassender und eingehender Weise angestellt worden; sie haben die Staatsregierung zu der Ueberzeugung geführt, daß die Einführung des Staffeltarifs sowohl wirthschaftlih wie finanziell eine rihtige Maßregel, insbesondere eine rihtige Maßregel in Anbetracht der besonderen Verhältnisse sei, unter denen si in unserem Lande Production und Bedarf der Brot- früchte bewegt. Meine Herren, der gewöhnlihe Weg, auf dem die Sache weiter gefördert worden wäre, wäre ja der gewesen, daß die Staatsregierung nun mit den ihr zur Seite gestellten Beiräthen, den Bezirkseisenbahnräthen und dem Landeseisenbahnrath, und demnächst auch der Aufforderung beider Häuser des Landtags entsprechend, in diesen die Sache erörtert hätte. Allein der Staatsregierung blieb zur Betretung dieses, wie Sie ja wissen, etwas weitläufigen Weges kein Naum. Die acuten Verhältnisse des Landes nöthigten die Staats- regierung, thatkräftig einzugreifen und das Mittel anzuwenden, welches sich im Moment als das wirksamste darbot : die Ermäßigung der Tarife für Getreide, Hülsenfrüchte, Mühlenfabrikate u. \. w., um den zu befürchtenden Nothständen und den zu befürhtenden Schwierigkeiten in der Ernährung der Bevölkerung entgegenzutreten.

Meine Herren, der Herr Antragsteller hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß die Einführung der Staffeltarife an \si{ch eine von finanziellen Erwägungen in der Staatseisenbabn- verwaltung unabhängige Maßregel sei. Die Staatseisenbahnverwaltung oder, sage ih besser, die Staatsregierung hat die Staffeltarife nicht eingeführt, um erhöhte Einnahmen vermittels derselben zu erzielen, und die Staatsregierung wird die Staffeltarife auch nicht aufrecht er- halten, um die eingetretenen erhöhten Einnahmen zu conferviren, wenn sie zu der Ueberzeugung gelangt, daß der wirthschaftlihe Einfluß ein überwiegend {ädliher ist. Zu dieser Ueberzeugung is indessen die Staatsregierung, um dies gleih vorweg zu sagen, bezüglich des Ge- treides niht gekommen. (Bravo! rets.)

Sie ist bisher auch noch nit zu der Ueberzeugung bezügli der Müßlenfabrikate und des Malzes gekommen ; sie verkennt aber nicht, daß die Verhältnisse bezüglich der Mühlenfabrikate und bezüglich des Malzes anders liegen als bei Getreide. Sie hat dies {hon seit einiger Zeit empfunden und is ihrerseits bereits in die Erörterung eingetreten, welhe wirtbschaftlihen Folgen es haben würde, wenn man die Mühlenfabrikate und das Malz tarifarisch in ein anderes Verhält- niß zu den betreffenden RNohproducten bringt. Diese Ermittelungen sind z. Z. noch nicht in dem Maße abgeschlossen, daß die Staats- regierung zu einem Entschlusse hätte kommen können; sie werden aber rechtzeitig abgeschlossen werden, um, wenn es nöthig ist, noch vor dem 1. Oktober und das wäre meines Erachtens der früheste Termin eine Aenderung eintreten lassen zu können.

Meine Herren, das Bestreben der nördlichen und östlihen Provinzen unseres Landes nach einer. umfassenden und unter günstigen Bedingungen fh vollziehenden Betheiligung an der Deckung des Bedarfs an Brot- früchten in den übrigen Provinzen ist ein ebenso altes wie nach meiner Anficht vollständig gerechtfertigtes. Meine Herren, es ist dies Ver- langen naturgemäß ein dringenderes und auch wohl ein berechtigteres geworden mit dem Sinken der Erträge aus der Landwirthschaft vor- zugsweise in den östlihen und nördlichen Provinzen; es ift aber ins- besondere zu einem dringenden geworden, feitdem es diefen Provinzen nicht mehr möglich ift aus Gründen, die hier im Hause so oft erörtert worden sind, daß ih darauf verzichten kann, fie zu wiederholen, nicht mehr möglich ge- worden ist, ihren Ueberfluß andasAusland abzuführen. (Sehr richtig! rechts.) Sie sind angewiesen, thren Ueberschuß an Körnen im Inlande zu ver- werthen. Nun hat ja bisher diese Verwerthung im Inlande auch stattgefunden und wie gesagt stattfinden müssen; abers sie hat s\tatt- gefunden unter sehr ungünstigen Bedingungen. (Sehr richtig! rechts.) Die östlihen und nördlihen Provinzen sind, da die Eisenbahn- verwaltung ihnen nit die Mittel bot, das Getreide auf weite Ent- fernungen zu verfrahten, angewiesen, sich entweder direct oder durch Combination mit dem Eisenbahnwege des Wasserweges zu bedienen. Der Wasserweg hat aber insbesondere für diese Transporte doch seine großen Mängel und Nachtheile. Jch will von den natürlichen absehen, daß in einem großen Theil des Jahres der Wasserweg überhaupt nicht gangbar ist; ich will auch davon absehen, daß der Wasserweg keine constanten Frachten gewährt und einzelne Producenten vor den anderen je nach ihrer geographischen Lage begünstigt. Wie der Herr Abg. Eckels mit Recht hervorgehoben hat, muß der Wasserweg, wenn er benuybar sein soll, zu halbwegs annehmbaren Bedingungen günstig liegen zum Erzeugungspunkt und günstig liegen zum Absagpunkt.

(Fortseßung und Schluß in der Dritten Beilage.)

auf kurze Entfernungen.

zum Deutschen Reichs-An

Me 153.

Dritte Beilage

Berlin, Donnerstag, den 29. Juni

zeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1893.

——— C C E C

Haus der Abgeordneten. Rede des Ministers der öffentlichen Arbeiten Thielen. (Fortseßung aus der Zweiten Beilage.)

Das erstere trifft namentlich in den östlihen Pro- vinzen nur für einen verhältnißmäßig geringen Theil der Landwirthschaft zu. Aber, meine Herren, der Wasserweg hat ferner für die Landwirthschaft des *Ostens und Nordens den großen Nachtheil, daß die Beförderungszeit eine zu lange ift, daß namentlih in den Zeiten, wo die Conjuncturen häufiger wehseln und das ift ja in den leßten Jahren meist die Regel gewesen sich garnicht übersehen läßt, welcher Preis in dem Momente, in welhem das Getreide im Westen und Süden auf dem Markt erscheint, dort gezahlt wird. „Und, meine Herren, das sich hieraus ergebende Risiko der Conjunctur is unzweifelhaft immer dem Landwirth auf die Debetseite geschrieben worden. Er hat das Risiko \tets bezahlen müssen. Aber weit {limmer noch ist der ständige Verlust der dadurch entsteht, daß das Getreide welches aus dem westpreußishen oder pommerschen Gute nach dem Wittener Markte oder der Hammer Mühle gebracht werden foll, durch die Hände von wenigstens 4 bis 5 Mittelspersonen passiren muß. Die Provisionen, die sich daraus berechnen, sind so erheblich, daß es kein Wunder ist, wenn die Nente der Güter im Norden und Osten erheblih ges{mälert wird. Meine Herren, die Staatsregierung konnte sih unmöglich der Ueberzeugung ver- {chließen, daß in der Beziehung eine Aenderung der ungünstigen Lage der östlichen und nördlichen Landwirthschaft eintreten mußte. Als das nächste und wirksamste Mittel ergab sich eine Ermäßigung der Eisenbahntarife. Noch niemals aber i} eine Aenderung der Eisenbahntarife vollzogen worden, ohne daß sich daraus eine Verschiebung der Productions- ‘verhältnisse der einzelnen betroffenen Zweige ergeben hätte. Das ift naturgemäß; ob sich die Tarife erhöhen, ob sie sh ermäßigen, es ent- steht jedesmal eine Verschiebung. Die Verschiebung wird mehr oder minder fühlbar, je nahdem die Ermäßigung oder Erhöhung mehr oder minder durchs{chlagend ift. Wenn man sih auf den Standpunkt stellen wollte, den Herr Eckels einnimmt, dann müßten wir unsre Eisenbahn- tarife überhaupt vollständig versteinern ; dann träte eine Stagnation unserer ganzen Tarife wie auch unserer wirthschaftlihen Entwickelung ein; das können Sie aber alle nicht wünschen. Wir müssen dem wirthschaftlichen Bedürfniß auch in unserer Tarifentwickelung folgen. Meine Herren, die Staatseisenbahnverwaltung is #ich der {weren Verantwortung durchaus bewußt, die mit der Ver- \staatlihung der Eisenbahnen auf ihre Schultern gelegt worden ist. Meine Herren, diese Verantwortung wird ihr auch nur theilweise erleihtert dur die Beiräthe, die ihr zur Seite gestellt sind. Ich will das Verdienst diefer Beiräthe durchaus nicht verkleinern ; sie sind für „die Staatseisenbahnverwaltung durhaus unentbehrlich und in hohem Grade nüßlih. Aber, meine Herren, die Staatseisenbahn- verwaltung muß sih doch stets vor Augen halten, daß diese Beiräthe zusammengeseßt sind aus Interessenten, Und daß die Gutachten, die sie bekommt, Interessentengutahten sind, daß aber das ab- \cchließende Urtheil, sagen wir mal eines Bezirks-Eisenbahnraths oder des Landes-Eisenbahnraths, wenn es heißt: es ist mit 17 gegen 16 Stimmen beschlossen worden, sich für diesen oder gegen diesen Antrag auszusprechen, an und für sich keinen großen Werth hat. Die Staats- eisenbahnverwaltung kann fih unmöglich dabei beruhigen : der Landes- Eisenbahnrath hat mit 17 gegen 16 Stimmen oder wie das Stimmen- verhältniß sein möge, dieses oder jenes beshlossen, sondern sie muß die Gründe, die ihr in außerordentlih dankenswerther Weise das wiederhole ih durch die Beiräthe gegeben werden, gegen einander nah ihrer Bedeutung abwägen. Und, meine Herren, das ist mit vollem Bewußtsein der Verantwortung und nah sehr eingehender Prüfung der Verhältnisse auch in diesem Falle geschehen.

Wenn die Staatsregierung nun zu der Ueberzeugung kam : es muß für das Getreide etwas gesehen, es muß etwas geschehen, um die weiten Entfernungen zwischen den in erster Linie landwirth- \chaftlich producirenden und den in erster Linie consumirenden Landes- theilen zu verringern, fo boten sih dafür zwei Wege. Der einfachste und anscheinend nächstliegende war ja der: man hätte den bisherigen Kilometertarif wirksam herabgeseßt, sagen wir einmal vom Special- tarif T wären wir gegangen auf den Specialtarif 111. Dieser Wunsch ist der Staatsregierung von verschiedenen Seiten nahe gelegt worden, er hätte ja auch für einen Theil der Interessenten unbedingte Vor- theile gehabt; ih erwähne z. B., daß dieser Weg für die Interessen unserer Seestädte das Wünschenswerthe gewesen wäre. Aber, meine Herren, der Weg hat andererseits fo erhebliche Bedenken gegen sich, daß die Staatsregierung davon abstehen mußte.

Wenn die Staatsregierung auch keine finanziellen Vortheile ge- sucht hat, so war doch das finanzielle Risiko von 10 Millionen Mark, was sih herausrehnete, wenn man die Kilometertarife ermäßigte, ein sehr shwerwiegendes Bedenken, namentlih in der gegenwärtigen Zeit, und zwar um so s{chwerer wiegend, als mit Bestimmtheit angenommen werden mußte, daß der größere Theil dieser 10 Millionen Mark unwiederbringlih verloren sein würde, und, meine Herren, dieser

unwiederbringlihe Verlust hätte nebenbei noch nah meiner Ueber-

zeugung auch wirthschaftlich größere Nachtheile als Vortheile mit

ih gebracht, er wäre in erster Linie dem fo sehr gefürchteten aus-

ländishen Getreide zu gute gekommen. Das ausländische Getreide, das russishe, das galizishe Getreide, geht bei uns fast nur Das ausländishe Getreide hätte also die Vortheile von dieser Ermäßigung genossen, es hätten aber

.auh die Transporte iuländishen Getreides 2. auf mittlere und’

kleinere Entfernungen Vortheile genossen, deren sie wirthschaftlich niht bedurften, und es wären \{ließlich alle diejenigen wirthschaft- lichen Verschiebungen eingetreten und noch in vershärftem Maße ein- getreten, die Sie jeßt dem Staffeltarif vorrehnen ; denn das Getreide und die Mühlenfabrikate und das Malz wären bei der Kilometer- ærmäßigung auf den Specialtarif [11 noch billiger nah Mittel-,

West- und Süddeutschland hingefahren worden, als es jeßt mit dem Staffeltarif der Fall ist. /

Meine Herren, dieser Weg war mithin für die Staats3eisenbahn- verwaltung zur Erreichung des angestrebten Zweckes ungangbar. Dahingegen bot der Staffeltarif die günstigsten Aussichten zur Er- reichung des vorgesteckten Ziels. Jrgendwelhe in Gewicht fallende finanzielle Opfer konnte man selbst bei der vorsichtigsten Berechnung niht in Aussicht stellen. Es hat sich ja nun auch erwiesen, daß, weit davon entfernt, der Staatseisenbahnverwaltung Opfer aufzuerlegen, vielmehr im Gegentheil der Staffeltarif sehr günstig für die Eisenbahn- verwaltung gewirkt hat. Der Staffeltarif hat ferner den Vortheil, daß er seine Begünstigung nur da wirksam zeigt, wo sie wirklich Noth thut, niht aber zugleih- au die Nebenwirkung hat, auch für andere Transportentfernungen und für das ausländische Getreide vortheilhaft einzuwirken.

Dann kamen ferner diejenigen Erwägungen hinzu, die der Herr Abg. Eckels als theoretische bezeihnet hat. Er hat damit ganz recht; auch diefe theoretischen Erwägungen haben wesentlih dazu beigetragen, den Staffeltarif zur Einführung zu bringen. Der Staffeltarif das ist die Tarifirung zu sinkenden Säßen mit wacsender Ent- fernung ist an und für \sih wirthschaftlih und finanziell gerecht- fertigt; denn er steht im richtigen Verhältniß zu den Selbstkosten. Dies näher darzulegen, bedarf es wohl kaum; es if fofort ein- leuhtend, daß weit billiger ein Wagen auf 1000 km gefahren werden kann als 100 Wagen auf 10 km. Ich will in dieser Be- ziehung nur hervorheben, daß man, um 100 Wagen auf 10 km fahren zu können, da der Wagen 2 bis 3 Tage ausbleibt, für diese Leistung 200 bis 300 Wagen vorhalten muß ; wenn ih einen Wagen auf 1000 km fahre, so erfordert die Umlaufszeit 10 bis 12 Tage, ih habe daher nur 10 bis 12 Wagen nothwendig. Dieser Unterschied des Vorhaltens von 10 bis 12 gegen 200 bis 300 Wagen ist \o einleuhtend, auch für jeden Laien im Tarifwesen, daß cine weitere ziffermäßige Entwickelung der Vor- theile daraus wohl überflüssig ist. Es unterliegt aber au gar keiner Frage, daß die Kosten, die durch den Transport und die Expedition bei diesem einen Wagen auf 1000 km entstehen, sehr viel geringer sind, als bei den 100 Wagen auf 10 km. Ein großer Theil der Selbstkosten des Güterverkehrs ist überhaupt von der Transport- länge unabhängig; er entsteht bei einem Kilometer ebensogut wie bei 1000 km. Der Frachtbrief, der geschrieben wird für 1000 km, die ganzen Crpeditionskosten sind dieselben wie für 10 kni; aber auch die Rangirungskosten, die Betriebskosten nehmen erheblich ab mit der steigenden Entfernung.

Die Staffeltarife sind daher, rein fiscalisch betrachtet, für die Staatseisenbahnverwaltung entschieden die rihtigeren; sie sind es aber auch wirthshaftlich, denn sie ermöglichen, oder ich will lieber sagen, sie erleibtern der Eisenbahnverwaltung die Aufgabe, den Ausgleich der Güter zwischen den Orten des Angebots und der Nachfrage au für weitere Entfernungen und zu Frachtsäßen zu befördern, welche mit dem Werthe des Gutes in einem annehmbarem Verhältnisse stehen.

Von diesem Standpunkt ausgehend, ist die Staatseisenbahnver- waltung in neuerer Zeit überall da, wo sie neue Tarife machen mußte, auch stets bemüht gewesen, in erster Linie zu untersuchen, ob es nicht ohne zu arge Beeinträchtigung wirthschaftliher Interessen, ohne zu scharfe Verschiebungen hervorzurufen, mögli sei, Staffeltarife für die betreffenden Relationen einzuführen.

Es bestehen schon eine ganze Reihe von Staffeltarifen bei den Staatseisenbahnen. Schon der Specialtarif 111 ist ein Staffeltarif, wenn auch ein sehr milder; es bestehen Eisenerz-, Düngemittel-, Roh- \toff- u. st. w. Tarife mit Staffel. Aus dem langen Verzeichniß bereits bestehender Staffeltarife will ih nur noch den bereits seit Jahren be- stehenden Staffeltarif für Getreide aller Arten und für Mühlen- fabrikate, Hülsenfrüchte, ODelsamen für den Eisenbahndirektions- bezirk Bromberg hervorheben, der das ofstpreußishe, westpreußische und posenshe Getreide und Mehl nah Berlin bringt; derselbe besteht seit einer Reihe von Jahren und hat, so viel der Eisenbahnverwaltung bekannt ist, nur auf das vortheilhafteste gewirkt. Sind die Aus- führungen des Herrn Abg. Ekels richtig, so müßte dieser Tarif eben- sogut aufgehoben werden, wie der allgemeine Staffeltarif für Getreide. Denn was dem Einen ret ist, das ist dem Andern billig. (Sehr wahr!) Warum soll der Landwirth in der Provinz Branden- burg es sich gefallen lassen, daß das posenshe und oft- und westpreußishe Getreide ihm Konkurrenz macht ; warum follen es sih die Berliner Mühlen gefallen lassen, daß die Posener und Brom- berger Mühlen ihnen ihre Producte auf den Hals \{icken? (Sehr richtig!) Ist das richtig, was der Herr Abg. Eckels ausführt, so müssen wir zum 1. Oftober auch für Berlin wieder Getreide und Mehl im Specialtarif T führen. (Sehr richtig!)

Dann besteht für Holz ebenfalls ein Staffeltarif. Meine Herren, Sie werden \ich erinnern, daß in den beiden Häusern des Landtags hon lange der Antrag gestellt is, auch für Holz neue Staffeltarife mit stärker wirkender Staffel einzuführen. (Zuruf.) In Schlesien hätten Sie ebenfalls Vortheil hiervon. Es besteht für Steine ein Staffeltarif, für Eisen, für Holzzeugmassen, für bearbeitete Steine, gebrannten Kalk, Wegebaumaterial, für Kohlen und für Düngemittel und für weiß Gott was alles auch noch. (Heiterkeit.) Es liegen mir hier 28 Staffeltarife vor, die zur Zeit {on innerhalb der Staats- eisenbahnverwaltung gelten; die würden wir dann bei der Gelegenheit au aufheben müssen. (Sehr richtig!)

Aber, meine Herren, wir sind nicht allein weise; unsere Nachbarn sind ebenso und zum theil {on länger weise gewesen als wir. Alle unsere Nachbarn haben Staffeltarife und die für unser Getreide in Betracht kommenden erst recht. Die Russen find fogar so weit gegangen, Mehl noch billiger zu fahren als Getreide; Belgien hat Staffeltarife für Getreide und Mehl, ebenso ODesterreih-Ungarn und Fcrankreih. Meine Herren, das sind gerade diejenigen, welhe uns, bezüglih der Getreide auf allen unseren Grenzen flankirend, Konkurrenz machen. Heben wir unseren Staffel- tarif auf die ganze Nachbarschaft freut \sich darüber, und die Interessenten der Wasserwege natürli erst recht.

Und, meine Herren, was die Wasserwege betrifft gerade die- jenigen Herren, die von jeher und au heute noch gegen die Staffel- tarife anfkämpfen, sind es, die in erster Linie als Kanalisten zu bezeichnen sind (Heiterkeit), die für den Dortmund-Ems-Kanal, den Mittelland-, den Weser-, den Rhein-Dortmund-Kanal, die Fortsezung des Main-Kanals, die Vertiefung aller Ströme auf das lebhafteste eintreten. e F

Meine Herren, haben Sie si einmal vorgestellt, welhes dann die Wirkungen sein möchten, „wenn diese Wasserstraßen in Betrieb sein werden ? (Sehr gut!) Wir transportiren mit den Staffeltarifen immer noch mehrfach theurer, wie das die Wasserstraße thut —, dann können Sie sih überhaupt nicht mehr wehren gegen das inländische und gegen das ausländishe Getreide; dann kommt es zu ganz anderen Preisen noch ins Land hinein, als es mit unseren dagegen immerhin noch sehr uns{chuldigen Staffeltarifen der Fall ist.

Meine Herren, ih habe ftets erklärt, ich bin kein Gegner der Kanäle; im Gegentheil, ih halte jede Verbesserung der Verkehrswege für eine große Errungenschaft des Landes ; aber man darf ih doch nicht darüber im Unklaren befinden, daß die Fertigstellung der Kanäle, in erster Linie des Mittellandkanals, zu Verschiebungen in den wirth- schaftlihen Productionsverhältnifsen führen wird, die wir heutzutage noch gar niht übersehen können, die aber in ihrer Schlußbilanz, davon bin ich überzeugt, für das Land ersprießlih sein werden. (Sehr richtig !)

Meine Herren, aus diesen, ih erkenne an, theoretishen Gründen und aus den prafktishen Gründen, die ich mir anzuführen gestattet habe, fam dfe Staatsregierung zu dem Entschluß, am 1. Sep- tember 1891 die Staffeltarife einzuführen, allerdings genöthigt zunächst durch acute Nothstände. ,„ Versuchsweise“, hat bie Staatsregierung gesagt. Auf dem Standpunkt steht die Staats- regierung auch noch; sie würde den Versußh als gescheitert ansehen, wenn ihr der Nachweis geführt würde, die Staffeltarife wirken wirthschaftlich überwiegend ungünstig. Allein die praktische Erfahrung, die wir in den zwei Jahren gemacht haben, hat uns bezüglich des Getreides meiner Ueberzeugung nah das Gegentheil be- wiesen.

Meine Herren, als wir am 1. September 1891 dié Staffeltarife einführten, wurde dieser Entschluß der Staatsregierung von allen Seiten ich erinnere mich nicht, ein abweihendes Urtheil gehört oder in der Presse gelesen zu haben freudig begrüßt; man sagte: die Staatsregierung hat richtig gehandelt. Nachdem die acuten Noth- stände beseitigt waren, hat man allerdings in einem großen Theil des Landes erwartet, es würde nun auch der Staffeltarif beseitigt werden, und dahin gehende Anträge sind in großer Zahl gestellt worden. Die Staatsregierung mußte fi sagen, daß, um den Versuch zu richtigen Ergebnissen zu führen, das Jahr vom l. September 1891 bis dabin 1892 nicht geeignet wäre. Das wird wohl von jedem, mag er Gegner oder Freund der Staffeltarife sein, zugestanden werden. Es war ein Jahr des Mangels, und die Verfrachtung an Brotfrüchten, theilweise auch an Mehl, eine beschränkte, infolgetessen konnte man von den Staffel- tarifen nicht den Gebrauch machen, den man in normalen Zeiten würde gemaht haben. Auf das Jahr des Mangels folgte 1892/93, ein Jahr des Ueberflusses. Wir lernten also sofort die Kehrseite des Versuches kennen. Die Ernte des Jahres 1892 im Inlande wäre im stande gewesen, den gesammten Bedarf des Landes zu decken, obne daß ein Korn vom Auslande nöthig gewesen wäre. Wir wären ja in einer glücklihen Lage gewesen, wenn es uns allein so gegangen wäre, allein den anderen, wenigstens denc großen Theile der in erster Linie_als wettbewerbend in Betracht kommenden Ländern war es gerade so ergangen; insbesondere hatte Amerika eine ganz außerordentli reihe Ernte. „Dazu kam noch, daß, was wir im Herbste 1891 noch niht wußten, was wir aber nachher constatiren konnten, troß des Mangels noch große Vorräthe in den Lägern vorhanden waren, ins- besondere in den Transitlägern des Westens. Da lagen aufgespeichert vor der Ernte 1892 noch folche bedeutende Massen, daß diese allein geeignet waren, einen fühlbaren Druck auf den Preis auszuüben, au wenn gar kein Getreide aus dem Ausland oder aus dem Often dazu gekommen wäre. (Hört! hört! rechts.) Wir konnten uns unter diesen Umständen wirklih nicht entshließen, den eben eingeführten Staffel« tarif für Getreide wieder aufzuheben.

Der Staffeltarif hat aber auch den gebegten Erwartungen ent- sprochhen. Die Statistik zeigt, daß der Staffeltarif die Beförderung auf weite Strecken erbheblih vermehrt hat, selbs in dem ungünstigen Jahre 1891, noch viel mehr aber vermehrt hat in dem naturgemäß günstigen Jahre ‘1892/93.

Bekanntlich tritt der Staffeltarif im Inlande ers von 200 km, vom Auslande erst von 240 km von der Grenze ab in Wirksamkeit. Es ist Getreide über 200 km verfrahtet worden vor der Einführung des Staffeltarifs, 10% der Gesammttransportmenge. Die Vers- frahtung über 200 km stieg im Jahre 1891/92 auf 13,4 im Jahre 1892/93 auf 20 %.

Meine Herren, ich möchte hier einshalten: die Staatseisen=- bahnverwaltung hat es für ihre Pflicht erahtet, auf das sorg- fältigste der ganzen Bewegung der Artikel des Staffeltarifs zu folgen; wir haben unsere Güterexrpeditionen, Betriebsdirectionen und Directionen mit dieser Angelegenheit in den beiden Jahren reihlih gedrangsalt; aber wir können sagen, daß wir über den Gang der Bewegung vollständig und klar unterrichtet sind, und daß wir über jeglihe wirthschaftlihe Verschiebung Ihnen Aufklärung zu geben im stande sind.

Was nun die Mühlenfabrikate anbetrifft, fo betrug die Beförderung über 200 km früher 17 9/%, 1891/92 20 % und 1892/93 23 %. Sie ersehen aus dieser Nebeneinanderstellung, daß die Befürchtungen, die man gehegt hat, die Angriffe, die daraus gegen die Staffeltarife zu entnehmen waren, doch wenigstens bezüglich dex Müblenfabrikate übertrieben sind; die Zunahme für die Mühlenfabrikate ist garnicht in dem Maße erfolgt, wie die Herren Antragsteller glauben. Es ist das auch aus dea natürlichen Verbältnissen durchaus zu erklären, Von.