1893 / 153 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 Jun 1893 18:00:01 GMT) scan diff

den Mühlenfabrikaten blieben überdies 94 9% der Gesammtmenge innerhalb 600 km.

Meine Herren, ih bitte um die Erlaubniß, Jhnen noch einige Ziffern mittheilen zu dürfen. Die neun Monate September bis ein- {ließli Mai des Jahres 1890/91 das ist das legte Jahr vor Einführung des Staffeltarifs und die derselben Monate von 1892/93 ergeben folgende Vergleihsziffern. In dieser Zeit ist ‘die von Stationen der preußischen Staatsbahnen beförderte Getreidemenge gestiegen von 2314000 t auf 2535000 t, das giebt ein Plus von 220000 t oder 9/69/. Diese Steigerung ent- fällt aber mehr als ganz auf die Staffeltarife; denn sie beträgt für den Staffeltarif nicht die Differenz, die überhaupt in Frage ist, von von 220 000 t, sondern 237 000 t, und das Plus 17000 t be- dingt also eine Abnahme der Transporte unterhalb 200 km. Die Einnahmen des Staats haben sihch troß der sehr erheblichen Tarifermäßigungen beträchtlih gesteigert, und zwar von 11 169 000 M auf 14 562 000 (4, d. h. um 3 393 000 A Ich nehme an, daß sie bis zum 1. September d. I. auf etwa 5 Millionen Mark steigen werden. Auch hier entfällt die Steigerung lediglih auf den Transport auf weitere Entfernungen, indem für dieselbe eine Mehreinnahme nicht von 3 393 000 M, fondern von 3499 000 M zu verzeihnen gewesen sind, sodaß also au hier die kürzeren Strecken eine erhebliche Ab- nahme zeigen. Bei den Mühlenfabrikaten hat die Beförderungsmenge des Jahres 1892 gegen die des Jahres also des Jahres ohne Staffel- tarife, abgenommen, 1890/91 hatte noch 611 245 t dagegen 1892/93 nur 605 374 t. Obwohl also eine Minderbeförderung von 5891 t vorliegt, sind doch die Einnahmen infolge der zurügelegten weiteren Wege gestiegen. Diese betrugen 1890/91 3 443 312 M und 1892/93 3730099 4, also ein Plus von 286 787 M. Die Mehreinnahmen entfallen aus\{chli-ßlich auf Entfernungen über 900 km, indem fie hier 335 555 4 betragen, sodaß auch hier {fich die Erscheinung zeigt, daß die kürzeren Entfernungen abgenommen E dun sollte man glauben nach dem Antrage des Herrn Abg. Eels und namentlich nah den Angaben, die noch in sch? verstärktem Maße in verschiedenen Petitionen gemacht sind, diese Mehrtransporte kämen alle entweder aus den östlichen und nördlichen Provinzen oder aus dem Auslande. Dem is aber nicht so. An diesen Mehrverfendungen haben fich nicht bloß die östlihen und nördlichen Provinzen betheiligt, ob- glei dieselben naturgemäß den Hauptantheil haben, sondern auch die mittleren und westlihen Provinzen. Es hat der Mehrversand betragen von den Stationen des Directionsbezirks Altona 10 855 t, Erfurt 9149 G Frankfurt a. M. 7416 t, Hannover 3676 t, Magdeburg 19 002 b, Directionsbezirk Berlin 40 696 t, Directionsbezirk Bromberg 73 823 U den Wwenantheil aber hat die Provinz Schlesien mit 80 097 b. Von dem Transportplus von 202 000 t, welches auf die fünf östlichen Provinzen fällt, sind gegangen nach preußischen Häfen 65 000 t; das sind also hauptsächlih Königsberg, Danzig und Stettin. Nach Berlin 44 000 t, nah dem Königreih Sachsen 76 000 t. Ich bemerke dabei, daß lediglich das österreihishe Getreide dort verdrängt worden ist. Nach Westdeutshland sind im ganzen von diesem Plus 8900 t gegangen, also eine ganz minimale Zahl (Hört, hört!); nach Süd- deutschland 6500 t; also auch keine Menge, die eine große Wirkung ausüben fann. (Heiterkeit.) Uebrigens zeigt sich, daß au ein erheb- lies Bedürfniß vorhanden gewesen ist, aus dem Westen und aus Süddeutschland Artikel der Staffeltarife nah anderen Gegenden zu verfrahten. Beispielsweise sind die Hafer- und Gersteverfendungen aus Südwest- und Mitteldeutshland erheblih gestiegen. Wenn der

Staffeltarif nicht gewesen wäre, hätten die großen Transporte, die

us der Rheinprovinz, aus Westfalen, Hannover und Bayern versandt

Cd A “idt stattfinden können. (Hört, hört!) Daß der Staffel- tarif in dieser Beziehung gut gewirkt hat, zeigt ih au andrerseits in dem Nachlaß des Versandes vom See- und Flußgebiet, der bei den Elb-, Weser- und Emshäfen ein Minus von 64000 t aufweist.

Auch der Versand von preußischen Flußhäfen hat ein Minus von 90 000 + erfahren. Daraus ergiebt sich, daß allerdings für die Ge- treidehändler im Westen eine gewisse Berechtigung zur Klage vorliegt ; ihnen is wirklich ein Gewinn entgangen, aber diesem Verlust steht der weitaus überwiegende Gewinn unserer einheimischen Landwirthschaft gegenüber. Die Provinzen Sachsen, Hannover, Westfalen, Schleswig- Holstein haben sämmtlih stärkeren Bahnversand sowohl nah der Rheinprovinz als auch nach anderen Provinzen.

An Mühlenfabrikaten is der Versand der östlichen Provinzen gestiegen um im ganzen 73 000 t; von diesen 73 000 t haben be- fommen Berlin 8400, das Königreih Sachsen 7500, Westdeutshland 9500, Süddeutschland 6400 t. Im übrigen stellt sich der Mehlversand der Provinz Sachsen auf 8000, der Provinz Hannover auf ebenfalls 8000 t, der Mehlversand von Westfalen auf etwas über 8000 ti Berlin hat einen Mehrversand nach dem Königreih Sachfen von 500, nach Hessen - Nassau von 3C0 und nah Süddeutschland

von 4300 t.

Ich komme nun auf die einzelnen Einwendungen, die gegen den Staffeltarif vorliegen. Da ist nun der erste und, wie ih sagen muß, wenn er berechtigt wäre, au \{chwerwiegendste Vorwurf der, daß eine Bevorzugung des Auslandes durch die Staffeltarife gegeben sei. Meine Herren, eine solche liegt niht vor. Richtig ist, daß ter Staffel- tarif, wie die Dinge liegen, von der Einbruchsstation aus dem ausländishem Getreide nicht verwehrt wird und auch niht wohl ver- webrt werden kann; unrichtig ist, was vielfah behauptet worden, daß für das auéländishe Getreide dieselbe Expeditionsgebühr nachgelassen wünde.

Unrichtig is, daß den ausländishen Erzeugnissen durch den Staffeltarif eine wesentliße Erleichterung geboten würde. Das ausländishe Getreide geht im wesentlichen auf kürzere Ent- fernungen als 240 km. Es ist das auch ganz natürlich: das russishe Getreide geht in der Hauptsache nah Danzig und Königsberg, soweit es niht benußt wird zum Consum inner- halb der nähsten Grenzdistricte; das österreichish-ungarishe Getreide geht in der Hauptsache nah Schlesien. Das Getreide, welches wir auf weitere Entfernungen vom Auslande her bekommen, kommt fast aus\{ließlich auf dem Wasserwege zu uns. In der Zeit vor Ein- führung der Staffeltarife sind im Durchschnitt der sechs Jahre, von 1886 bis 1891, jährli auf den Wasserstraßen von ausländischen Pläßen eingeführt 1164500 t; dagegen is der Eisenbahn- versand 144000 t jährlich gewefen. (Hört! hört!) Ueber die trockene Grenze sind also 144000 t gegangen! Diese Mengen

benachbarten Provinzen geblieben, und zwar auf Entfernungen, die noch niht zum Staffeltarif renen, in erster Linie in Schlesien.

Auf Entfernungen über 240 km sind im Durchschnitt der ge- nannten sechs Jahre gelaufen 44 000 t. Hierunter befinden {ih jedo 25000 t Gerste (hört! hört!)), welhe das Inland zu Brauzwecken gebraucht hat und, wie ih mir gestatten werde dem- nächst nahzuweisen, auch heute gebrauchen muß. Die überbleibenden 19 000 t bestehen überwiegend aus Hülsenfrüchten, während Speise- getreide auf weitere Entfernungen vom Auslande in das Königreich Preußen in sehr geringem Maße eingeführt ift.

Unter der Herrschaft des Staffeltarifs is in den freien Verkehr der preußishen Provinzen Getreide aller Art aus Rußland eingeführt in dem halben Jahre vom 1. Oktober bis zum 1. April 1892/93 so weit reichen die Zahlen 11911 t. Das ergiebt gegen das vorhergehende halbe Jahr ein Minus von 10000 t. Davon sind gegangen nah der Provinz Preußen 898, nah Pommern 20, nach Hannover 10, nah Posen 2440, nah S{hlesien 7732, nah Branden- burg 706, nah Sachsen 90, nach Westfalen garnihts, Rheinland ebenfalls nichts und nach Hessen-Nassau 20 t. Darin \tecken aber alle Artikel, welche der Staffeltarif umfaßt. Darin \teckt also außer den Brotfrüchten die Gerste, der Hafer, der Mais und namentlich die Hülsenfrüchte.

Nun werde ich mir gestatten, Ihnen mitzutheilen, was denn aus

Nußland an Weizen und Noggen eingegangen is während dieses halben Jahres: im ganzen 219 t Roggen und 102 t Weizen. Davon ist nihts gegangen nah Pommern, nihts nah Hannover, 20 t nah Posen, 30 und 81 nach Schlesien, nihts nach Brandenburg, nichts nah Sachsen, nichts nach Westfalen, nichts nach Rheinland, nichts nah Hessen-Nafsau. (Hört! hört !) Meine Herren, ich glaube, daß es niht angezeigt scin würde, hier im preußishen Abgeordnetenhause au noch bezüglich der \üd- deutshen Verhältnisse Mittheilungen zu machen. Ich behalte mir vor, das an einem anderen Orte zu thun. Die Haupt- masse geht also, wie Sie sehen, auf ganz kurze Entfernungen. Getreidepreis und -zoll haben feine Einwirkung auf den Transportweg. Bei amerikanishem Getreide ist ja das an und für sich klar; beim russishen Getreide bleiben die Seewege unter allen Umständen die billigsten. Der beste Beweis dafür ist, daß in der langen Zeit des Bestehens des sogenannten Bromberger Staffeltarifs nah Berlin das russishe Getreide niht etwa mit der Eisenbahn gekommen ist; das russische Getreide ist nah wie vor dur die Oder und die Spree ge- gangen. Wenn schon für diese Entfernung der Wasserweg der bevor- zugte ist, meine Herren, so - ist das für Mannheim, Köln, Hamm, Frankfurt u. \. w. noch in viel höherem Maße der Fall.

Die Lage Oesterreichs für den Staffeltarif ist ja natürli ungleih günstiger wie Nußlands, weil die hauptsächlich in Betraht kommenden Landestheile von Oesterreih-Ungarn uns erheblich „näher liegen; aber auch die Transporte österreihisch-ungarisher Provenienz sind keineswegs erheblih, sie betrugen in den 9 Monaten vom 1. Oktober 1891 bis 1. Juli 1892 im ganzen (die Einfuhr nah Schlesien ausgenommen) an Weizen 436, Roggen 1181, Hafer 9693, Gerste 44 205 t.

Gbenso hat die Einfuhr von ausländishem Mehl über die See- häfen wie auf dem trockenen Wege irgendwelhe hervorragende Be- deutung nicht erlangt.

Der zweite Vorwurf, der den Staffeltarifen gemacht wird, bestebt * darin, baß man sagt: die Staffeltarife über- \{hwemmen uns im Westen, in Mitteldeutshland, mit östlichem und nördlihem Getreide. Es ist die Behauptung hieran geknüpft worden, daß infolge dieses vermehrten Angebots der Druck auf die Getreidepreise so stark geworden sei, daß die westliche Landwirthschaft und die westlihe Müllerei niht mehr bestehen kann. j /

Was die Ueberschwemmung anbetrifst, so habe ich vorhin mir bereits auszuführen gestattet, daß die Transportmengen des Staffel- tarifs gegen die des Seewegs und der großen Ströme kaum ins Ge- wih{fallen können. j

Was nun den Preisdruck anbetrifft ja, meine Herren, ich glaube, da is der Staffeltarif auch der unschuldigste Factor von den verschiedenen Factoren (sehr richtig ! rechts), die mitgewirkt haben, um dieses Ergebniß hervorzubringen.

Meine Herren, ih erinnere daran, daß wir in die Ernte 1892 mit colossalen Vorräthen eingetreten sind, daß die Ernte überall eine vorzüglihe gewesen is fast überall, an Brotfrüchten wenigstens, allerdings nicht an Hafer, daß ferner Amerika eine ganz colossale Ernte gemaht hat. Es ist mir neulich noch aus sahverständigem Munde ih übernehme aber keine Garantie dafür gesagt worden, daß die Vorräthe, die zur Ver- frahtung nah Europa theils s{chwimmend, theils chon consignirt sind, genau den ganzen Betrag unferer 1892 er Ernte ausmachen. Daß diese Massen, die doch naturgemäß einen colossalen Einfluß auf den Preisstant ausüben müssen, die geringen Mengen, die der Staffeltarif ins Land gebraht hat, weit übersteigen, das, meine Herren, glaube ih, bedarf kaum einer weiteren Auseinandersezung. Es hat ja überhaupt kaum jemals eine Untersuchung zu genauen ziffermäßigen Ergebnissen geführt, die darauf gerichtet war: welchen Einflüssen is der Preisstand der Brot- fruht im gegebenen Falle zuzuschreiben? Es wirken dabei so viele Momente mit (sehr richtig !), die sh jeder ziffermäßigen Darstellung entziehen, daß man kaum im stande ist, ein abstractes Bild zu geben. Ich gebe zu, daß moralisch die Staffeltarife und die Angebote infolge der Staffeltarife, in erster Linie aber die Folgen des überall vor- handenen Ueberflusses jeder hat seinen Ueberfluß auf irgend eine Weise los werden wollen und hat natürlich auh den Weg des Staffeltarifs gesucht —, daß also dieser, ih möchte sagen, moralishe Druck, der infolge der Angebote auf dem Wege des Staffeltarifs erfolgt ift, mitgewirkt hat, die Getreide- preise zu drücken. Aber, meine Herren, sehen Sie si einmal die Curstabellen an, ob sich nicht da und dort in der Vergangenheit noch viel niedrigere Preise finden, wo von Staffeltarifen noch garnicht die Nede gewesen is, Sie werden, wovor uns Gott behüten möge, in dem Falle, daß unsere Ernte in diesem Jahre nicht günstig ausfällt, {on erleben, wie rasch an der Berliner Börse und an den fonstigen Börsen die Getreidepreise wieder anschwellen. Für diejenigen Herren,

die das interessirt, habe ih hier eine graphische Darstellung über die Bewegung der Preise auf den Märkten Köln, Magdeburg, Berlin, Posen, Danzig ; daraus werden Sie ersehen, daß die Preisedes Jahres 1886 die niedrigsten gewesen sind, niedriger als des Jahres 1892/93, obwohl

mehr wirksame Momente für den Preisdruck obgewaltet haben als im Jahre 1886.

Meine Herren, es is dann ferner namentlich in Petitionen gesagt worden: ein Beweis dafür, daß die Staffeltarife ungünstig wirken, liege auch darin, daß das inländishe den Westen über- \{chwemmende Getreide auf den Kölner Markte billiger verkauft werde, als das ausländishe Getreide. Das is richtig, aber das liegt niht an den niedrigeren Frachtkosten die find höher als die der ausländishen Waare —, sondern es liegt daran, daß die Qualität des östlihen Getreides und namentlich des Roggens, der hier wesentli in Betracht kommt, vielfa zurücksteht hinter der ausländischen Waare, daß namentlih der Klebergehalt und die Trockenheit des östlichen und nördlichen Getreides gegenüber dem russishen z. B. zu wünschen übrig läßt.

Meine Herren, ih komme jeßt auf den dritten Geschädigten, den Getreidehandel, und da muß ih von vornherein anerkennen, daß dessen Klagen wohl am chesten berechtigt sind. Unter den Getreidehändlern, die sih beklagen, stehen obenan unsere Seehandelspläße, Königsberg, Danzig und Stettin; alle drei betraten als älteste und festeste Grundlage ihres Handels den Getreidehandel. Der Getreidehandel ist seit Aenderung der Zollverhältnisse mit Rußland für diese Plätze, namentlich aber für Königsberg und Danzig, sehr erheblich eingeschränkt, und es ist anzuerkennen, daß infolge des Staffeltarifs eine weitere Einschränkung nicht ausgeschlossen ist; vor der Hand ist aber eine folhe Einschränkung noch niht wahrzunehmen. Was Danzig und Königsberg stets bleiben wird, ist der russishe Transit und die sehr erheblice Körnerproduction in der unmittelbaren Umgebung. Königsberg und Danzig werden daher durch den Staffeltarif meiner Ueberzeugung nah auch auf die Dauer einen wesentlihen Rückgang nicht zu erleiden haben. Allein der Handel und die Rhederei Königs- bergs und Danzigs in Getreide und Mühlenfabrikaten hängen nicht blos von den Frachten ab, sondern sind im wesentlichen auch von den Conjuncturen beeinflußt, und es wird ein Wechsel in der Beziehung sich stets geltend machen.

Der zweite geshädigte Händler ist der Getreidehändler an den Flüssen. Dieser hat im wesentlihen bis jeßt das ausländische unF das auf dem Wasserwege eingegangene inländishe Getreide gehandelt und spedirt. Ihm erwächst nun eine Concurrenz dadur, daß seine bisherigen Abnehmer directe Angebote von östlißen Producenten und Händlern erhalten.

Es werden sich daraus allerdings für eine gewisse Uebergangs- periode Verschiebungen ergeben. Allein, meine Herren, fo sehr ich diese Verschiebungen beklage, so muß ih doch sfagen, daß sie gegen- über den Vortheilen, welhe der Production in dem Consum aus den Tarifen erwachsen, meines Erachtens nicht so {wer ins Gewicht fallen können, daß man sich entschließen könnte, die Staffeltarife wieder aufzuheben.

Meine Herren, damit wäre ih bezüglich dessen, was ih zur RNecht- fertigung des Staffeltarifs, soweit er. sich auf Getreide bezieht, in Er- widerung der Ausführungen des Herrn Antragstellers zur Zeit anführen möchte, am Ende. Jch komme nun zu den Mühlenfabrikaten. Gegen die Einbeziehung der Mühlenfabrikate in den Staffeltarif haben si weitaus die meisten und auch weitaus die kräftigsten Beschwerden ge- richtet.

K Meine Herren, Getreide und Mehl ift seit undenklichen Zeiten gleich tarifirt ; das hat nicht der Staffeltarif erfunden, sondern das hat er fo vor- gefunden. Es ist weitaus auf den meisten deutshen Bahnen von Anfang an der Tarif so gestaltet gewesen, es ist aber seit dem Reformtarif in ganz Deutschland Getreide und Mehl gleich tarifirt. Jh habe mir vorhin {on die Bemerkung erlaubt, daß das auch in Nachbarländern der Fall ist, daß sogar Rußland sein Mehl erheblich billiger tarifirt als sein Getreide. Die Erwägungen, die dazu geführt haben, abweichend von dem sonstigen Tarifgrundsay, das veredelte Product höher zu tarifiren als das Rohproduct, Mehl und Getreide gleich zu tarifiren, sind nicht eisenbahnfiscalischer, sondern lediglich wirthshaftliher Natur. Diese Erwägungen beruhen darauf, daß es sih im allgemeinen empfiehlt, den Veredelungsprozeß am Erzeugungsorte zu begünstigen. Es sind infolgedessen auch nicht bloß die Ausnahmen für Mehl und Getreide gemacht worden, sondern ebenso für Kohle und Kokes, für Erze und Noh- eisen, für Kalk und Kalkstein und noch für eine ganze Reihe anderer Producte. Für Mehl und Getreide lagen aber noh ganz befondere Gründe vor, die Veredelung am Erzeugungsort zu begünstigen. Diese Gründe liegen darin, daß zumeist diejenigen Landestheile, in denen diè Landwirth- schaft überwiegt, arm an sonstigen Industrien sind. Die Mühlenindustrie ift in weiten Strichen unseres Landes fast die einzige große Industrie, die wir haben. Es war daher meines Erachtens wirthschaftlih durchaus richtig, die Veredelung hier durch die Gleichstellung des Veredelungsproducts mit den Rohproducten im Tarif zu begünstigen.

Es war ferner in Betracht zu ziehen, daß die Abfallstoffe der Mühlenindustrie im wesentlihen wieder Consumstoffe der Landwirth- chaft sind, daß in denjenigen Landestheilen, die großen Körnerbau haben, auch naturgemäß die Viehhaltung groß ist, und daß die Land- wirthshaft dieser Landestheile die Abfallstoffe, Kleie und Futtermehl, für ihre Viehhaltung durchaus nothwendig hat, und daß auch aus diesem Grunde gleiche Vergünstigungen

für den Veredelungéprozeß am Erzeugungsort geboten sind.

Unter diesen Umständen war es ganz unvermeidlich, wenn niht große, kaum zu verantwortende Verschiebungen innerhalb der Mühlenindustrie und innerhalb der Landwiktthschaft eintreten sollten, daß die Mühlenfabrikate von dem Staffeltarif nicht aus- geshlossen wurden. Es wäre geradezu vernihtend gewesen für unfere östlihe und nördlihe Mühlenindustrie und in hohem Maße gefährlih und bedenklih gewesen für unsere östliche Land- wirthschaft, wenn wir die Mühlenfabrikate im Special-

tarif 1 gelassen und die Rohstoffe in den Staffeltarif gefeßt hätten.

Unsere östlichen und nördlihen Mühlen hätten ihren Betrieb aufgeben müssen. Die Staatsregierung glaubte daher, unter diesen Umständen es durchaus nit verantworten zu können, die Mühlenfabrikate im Special- tarif zu lassen, sondern es für wirthschaftlih berechtigt erachten zu müssen, das alte gleihe Verhältniß für Mühlenfäbrikate und Getreide aufrecht zu erhalten, um so mehr, da es sih um einen Versuch handelte. : M [t Meine Herren, die \tatistishen Beobachtungen, die wir angestel haben, - haben nun allerdings zu der Ueberzeugung geführt, daß die Wirkung der Staffeltarife für die Mühlenfabrikate in (6 wisser Hinsicht eine schärfere gewesen is. Es liegt das niht an den Tarifen an sich, sondern an den sonstigen

sind aber zum überwiegenden Theil, nämlich mit 100 000 t, in den

in diesem Jahre, soweit ih mir darüber ein Urtheil zumessen kann,

Verhältnissen. Meine Herren, ih will hier auch glei erklären,

daß die Staatsregierung daraufhin, und ehe die Anregung durh den Antrag Eckels kam, die Vorermittelung hat eintreten lassen, in welhem Umfange die Verschiebungen eingetreten find, und auf welchem Wege sie zu beseitigen sind. Jch bemerke ferner, ih stehe auch heute noch auf dem Standpunkt: die Mübhlenfabrikate wieder in Specialtarif 1 zurückzuverseßen, halte ich für unmögli, fo lange das Getreide im Staffeltarif is. Dahin- gegen will ih es als eine ofene Frage hingestellt sein lassen, ob irgend ein anderes Verhältniß gefunden werden kann, welches ein rihtigeres Verhältniß gestattet. Herr Graf Strach- wiß suppeditirt mir {hon ein Verhältniß und das ift ein sehr naheliegendes, das haben wir auch \{chon erwogen —, das ist das Nendement-Verhältniß; ob man das zu 60 oder 70 nimmt, ist eine Frage, die man sich überlegen kann. Gewiß, das ist sehr nabeliegend, und das wird auch, wenn man ih überhaupt zu einer Aufgabe des gegenwärtigen Princips der Gleichhaltung ent- \chließt, zunächst in Betraht kommen. Es würde daraus allerdings zunächst eine Abmilderung der Wettbewerbêverhältnisse für die mittleren, westlihen und südlihen Mühlen eintreten. (Zuruf.) Wenn die oberschlesischen Mühlen zur Zeit im Wettbewerb gegen die Posener Mühlen ungünstiger stehen, so ist das ein Ausnahmezustand. Derselbe beruht darin, daß sie ausnahmsweise nicht österreichischen Noggen, fondern Roggen von Posen verarbeiten müssen, weil österreihisher Roggen nicht preiswerth zu haben ist, daß infolge dessen die Posener Mühlen einmal ausnahmsweise einen Vorsprung haben ; der reguläre Zustand ist das aber niht, am allerwenigsten ist der Staffeltarif hieran betheiligt.

Also bezüglich der Mühlenfabrikate behandle ih die Frage als eine ofene. Jch glaube mit Rücksicht darauf au mi enthalten zu dürfen, Ihnen bezüglih der Mühlenfabrikate aus dem sehr ein- gehenden Zahlenmaterial, das mir hier vorliegt, noch weitere Zahlen anzuführen.

Ich gehe über zum dritten Gegenstand, das ist das Malz. Das Malz theilt insofern dasselbe Schicksal wie Mehl, als Malz und Gerste auch früher denselben Tarif hatten. Nun war die Staats- regierung anfänglih bedenklih, diese Gleichstellung beizubehalten aus mancherlei Gründen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, den au der Herr Abg. Eckels in erster Linie hervorgehoben hat, nämlich der Befürchtung, daß die ausländishe Concurrenz den Hauptvortheil aus diesem Tarif ziehen würde. Auh der Umstand erregt Bedenken, daß Malz in weit geringerem Maße den Wasserweg benußt, als dies bei den übrigen Artikeln des Staffel- ta De S U Malz is einmal nicht geeignet für den Wasserweg, es leidet in seiner subtilen Quakität zu fehr dur den Wassertransport, und sucht daher, wenn es irgend kann, den Eisen- bahnweg auf. Aus diesen Gründen hat also anfangs die Staatteisen- bahnverwaltung Bedenken getragen, Malz in den Staffeltarif ein- zuführen. Es kamen nun von den verschiedensten Seiten, auch, wie der Herr Abg. Eckels ausgeführt hat, von den Seiten, die heute gegen die Beibehaltung der Staffeltarife für Malz sind, also z. B. von den Mälzereien an der Saale und fonst aus Thüringen und auch - aus Schleswig, die dringendsten Petitionen, man möchte doch um Gottes- willen das Malz wieder glei\stellen mit Gerste, sie müßten sonst zu Grunde gehen, und den Nußen hätte in leßterem Falle auch wieder das Aus- land das Ausland wird nämlich bei all und jeder Gelegenheit als Popanz, ob mit Recht oder Unrecht, lasse ih dahingestellt, vorgeführt. Wir frugen den Landes-Eisenbahnrath, und zwar nicht bloß den Ausschuß, sondern auch das Plenum, und der sagte: die Leute haben ganz ret, ihr müßt das Malz wieder in dasfelbe Verhältniß bringen wie die Gerste. Das ist der Grund gewesen, warum wir uns ent- \chlofsen, zum 1. Januar 1893 das Malz in den Staffeltarif ver- suhsweise aufzunehmen.

Mittlerweile hatte sich nach den angestellten Ermittelungen auch

wirklih ergeben, daß in Westfalen und am Rhein billiger Malz producirt, als aus der Saalegegend und aus Schlesien bezogen werden kann. Nun war aber die Mälzerei in Schlesien und an der Saale, im Oderbruch und im Posenschen eine alte, große Industrie, während die anderen erst den Betrieb im großen anfangen wollten auf Grund des Staffeltarifs; die bisherigen Mälzereien waren ziemli un- bedeutend. Kurzum, die Staatsregierung ents{hloß \ich, das Malz auch in den Tarif hineinzuseßen. Bisher is von dem sogenannten Consumenten keine Rede gewesen, obwohl derselbe ja gewissermaßen auch eine Berechtigung hat, in diesen Fragen mitzureden, zumal die Wohlthaten, die der Staffeltarif für den Consumenten mit si bringt, klar auf der Hand liegen. Diese Wohlthat tritt am schärfsten hervor beim Malz. Der Staffeltarif für Malz erleichtert nämlich, ein gutes, der Geshmadcksrihtung des Consumenten ent- \prechendes Bier zu brauen, die vorzüglihen Malzproducte Schlesiens, des Oderbruchs, der Saalegegend und namentlich Mährens und Böhmens auch dem Westen Deutschlands zukommen zu lassen, während die Producte, die dort bisher ich will niemandein zu nahe treten niht den Nuhm hatten, will ih sagen, wie diese. Au möchte ih bemerken, daß, ob der Staffeltarif besteht oder aufgehoben wird, für eine ganze Anzahl von Brauereien dies Qualitätsmalz überhaupt gar- nicht zu entbehren ist. Für gewisse Arten yon Bier, die beispielsweise hier in Berlin und auch wohl anderswo gebraut werden, wird immer zur Herstellung der vom Consumenten gewünschten Qualität mährisches oder böhmishes Malz vorgezogen werden. Denn dem Malz geht es, wenn au nicht ganz so, aber do einigermaßen wie den Weintrauben : es nimmt einen gewissen Geschmack von seinem Boden, auf dem es erzeugt ist, an. Es können daher bestimmte Qualitäts-Biere nur von Malz aus gewissen Gegenden gebraut werden. Das Alltagsbier ver- langt diese subtilen Unterscheidungen allerdings nicht.

Nun, meine Herren, ih bin mir stets darüber klar gewesen, daß au diese Frage des Malzes im eminentesten Sinne des Wortes eine Versuchsfrage i}, daß die Frage der Beibehaltung des Malzes in feiner gegenwärtigen Tariflage eine ofene ist und als sfolhe behandelt werden muß. Die VBorermittelungen dazu sind wie Sie vielleiht aus meinen Mittheilungen entnehmen können ziemlich umfassende gewesen für die Staatseisenbahnver- waltung, und wir müssen uns auch in dieser Beziehung die Ent- scheidung vorbehalten. Das möchte ih aber doch sagen: mag die Entscheidung ausfallen, wie sie will vor dem 1. Oktober können etwaige Aenderungen " nit eintreten. Wir würden anderen Falls in die bestehenden Vertragsverhältnisse in einshneidender \{chädlicher Weise eingreifen.

Also, meine Herren um noch einmal zu recapituliren —, der Standpunkt der Staatéregierung ist folgender :

Die Ermäßigung der Tarifsäße mit wachsender Entfernung beruht auf einer wirthshaftlich und finanziell rihtigen Grundlage, denn sie ist proportional den Selbstkosten ;

der Staffeltarif eignet sih insbesondere für die landwirths{aft- lichen Producte, denn er ist ein wirksames Ausgleichsmittel zwischen Mangel und Ueberfluß au für weite Entfernungen ;

die geographische Gestaltung unseres Landes und das Ueberwiegen der landwirthschaftlihen Production in den östlihen und nördlichen Provinzen, der Industrie in den mittleren und westlichen Provinzen gewährt den Staffeltarifen für Getreide eine besondere Bedeutung und Berechtigung ;

der Staffeltarif erleihtert den Wettbewerb der inländishen Pro- duction gegen die ausländische ;

der Staffeltarif is für den Consumenten unbestreitbar nüßlich, für die fiscalischen Interessen vortheilhaft.

Die Staatsregierung erachtet daher, so lange der Beweis des Gegentheils nicht erbracht ift, die Beibehaltung des Staffeltarifs für Getreide, Hafer, Hülsenfrüchte u. #. w. vom wirthshaftlihen und finanziellen Standpunkt für nüßlih und gerechtfertigt.

Die Gleichstellung von Mehl und Getreide, von Malz und Gerste beruht auf althergebrahten wirthschaftlichen Grundsäßen. Die Auf- hebung derselben würde einen Eingriff in die Productionsbedingungen der betreffenden Betriebe darstellen. Die Staatsregierung hat indessen Veranlassung genommen, die Frage nohmals zur Erörterung zu ziehen, ob ohne zu {were Schädigung berechtigter Interessen eine Erhöhung der Säße für Mehl und Malz unter Beibehaltung des Staffelsystems vorgenommen werden kann.

Meine Herren, das sind diejenigen Bemerkungen, die ich auf die Ausführungen des Herrn Antragstellers zu machen habe. (Lebhafter Beifall.)

Nachdem der Minister scine Rede beendet hat, wird die

Rednerliste bekannt gegeben. Gemeldet sind 24 Redner für und 15 gegen den Antrag Eels.

Abg. Schoeller (freicon\.): Neben den Landwirthen erheben namentlih die Mühlenbesißzer Einspruch gegen die Staffeltarife, Der Einspruch wird aber in erster Reihe von den Mühlen erhoben, welche ausländishes Getreide vermahlen und an den Wasserstraßen liegen. Diese haben denn auch über die gute Ernte von 1892 geklagt. 2 1ch die Malzindustrie wird durch die Staffeltarife in ganzen Landebetrieben gehindert, das in ihnen erzeugte Getreide zu vermälzen. Wir im Osten legen entschieden Verwahrung ein, daß uns die Ausübung der Beredelungsgewerbe für landwirthschaftlihe Producte beeinträchtigt oder verkümmert werde. Von principieller Bedeutung is die Frage aber für die Landwirthschaft. Die östliche Landwirthschaft brauchte diesen Stoaffeltarif, gegen welchen die Bewegung von den gesegneten mittleren und westlichen Provinzen des Landes getragen wird. Ein Preisdruck wird dur die Staffeltarife im Westen fast garnicht oder nur in geringem Maße bewirkt. Der Preis für das Getreide im Westen bildet sich in Rotterdam und Amsterdam. Alle wirth- schaftlihen Fortschritte haben fortdauernd das Verhältniß zu Ungunsten des Ostens und zu Gunsten des Westens ver- s{oben. Im Osten geht die Steuerkraft zurück, die Verschuldung wächst, die Bevölkerung nimmt sogar ab, die Auswanderung zu; die östlihen Provinzen sind blutleer. Unterbindet man ihnen die Ver- kehrsadern noch mehr, wie es mit dem Antrage Etels r würde, so wäre ihr Ruin unausbleiblih. “Es stellen 1 vier einzelne Interessentengruppen betrübender Weise einem erleihterten Austausch der Producte entgegen. Wir aber hoffen, daß die dankenswerthe Haltung der Regiernng fest bleiben wird, und daß sie niht neue Verkehrs- N wird errichten wollen. Jch bitte daher um Annahme meines Antrags.

Nach 31/2 Uhr wird die weitere Berathung auf Freita g, 11 Uhr, vertagt.

Literatur.

Geshidckte.

Fürstlihe Besuche in Görlig. Festshrift zur Ent- hüllung des Reiter-Standbildes Seiner Majestät des Hochseligen Kaisers und Königs Wilhelm 1. am 18. Mai 1893 in Görliß. Im Auftrage des Magistrats der Stadt Görliß verfaßt von Gymnasial-Oberlehrer Dr. Jeht, Secretär der „Oberlausißer Gesellschaft der Wissenschaften“. Görliß, Commissionsverlag von P. W. Sattig. Die Geschichte der Stadt Görliß ist etwa 700 Jahre alt, und Görlitz hat als be- deutende Handelsstadt, als bevölkertste und reichste der „Sechsstädte“ während dieser Zeit eine \olche Rolle gespielt, daß man ih nit wundern kann, in seinen Mauern des öfteren Hohe und Allerhöchste Personen weilend zu finden. Was der Verfasser in den Archiven seiner Heimathsstadt über solche Besuhe nah eingehenden und mühsamen Forschungen ermitteln konnte, hat er in dieser p rift in streng wissenschaftliher Weise verzeihnet. Zwei sagenhafte Berichte über die Anwesenheit Fürstliher Personen im 13. Fahrhun- dert werden als Erfindungen erwiesen. Sodann wird das Verweilen böhmischer Herrscher (bis 1253) sowie der asfanishen Landesherren (bis 1319) in Görliß besprohen. Ganz neu ist der Beweis, daß in den ersten beiden Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die Herren von Camenz die Stadt Görliß besaßen. Weiter wird der Aufenkhalt Heinrichs von Jauer (1319 bis 1329), Johann!s von Böhmen, Kaiser Karl's IV. (1348, 1364, 1367, 1371, 1374, 1377), des Hans von Görlitz, des Königs Wenzel (1408), Sigismund's, Albreht's (1438), Ladislaus 1. (1454), Georg Podjebrad's behandelt. Darauf wird urkundlich erwiesen, daß troß gegentheiliger chronikalisher Nachrihten Matthias Corvinus (1469—1490) nie in Görliß war, ebenso wenig Ladislaus 11. und Ludwig ; dagegen konnte über die Anwesenheit Ferdinand's 1. im Jahre 1538 ein genauerer Bericht gegeben werden. Der folgende Herrscher Maximilian (1564—1576) war zweimal als Kronprinz in Görlitz, Nudolf 11. im Jahre 1577, Matthias 1611, Ferdinand 11. 1617, Friedrih von der Pfalz 1620. Von den nun folgenden sächsischen Kurfürsten besuhten Johann Georg 1. (1623—1650) des öfteren die Stadt, Johann Georg 11. 1665, Johann Georg 111. 1680. August der Starke (1694—1733) und sein Sohn FriedriÞh August Ik. (1733—1763) hielten sch deshalb öfter îin der Neissestadt auf, weil sie wegen ihres polnishen Königreißs Häufig von Dresden na ia reisen mußten; hingegen haben ihre Nach- folger ALIA Christian und Friedrich August 111. sie nie betreten. Schon bevor Görliß preußisch wurde, sah es au vershiedene Male Hohenzollern in seinen Mauern: zuerst 1562 den Markgrafen Ko von Cüstrin, dann 1577 den Kurfürsten Joahim Friedrich als turprinzen, weiter den Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf, welcher vom September 1620 bis Ende Februar 1621 Görliß als Hauptquartier gegen die andringenden Kursachsen besetzt hielt. Be- sonders oft war Friedrich der Große in der Neissestadt (1745, Ende November und niht weniger als siebenmal in den Zeiten des siebenjährigen Krieges), sodann Friedrich Wilbelm I1. 1791, B Wilhelm 111. 1813 und als Landesherr 1835; Friedrich Wilhelm 1V. achtmal, und zwar war fein Aufenthalt im Jahre 1844 für die Stadtgeshichte überaus wichtig. Kaiser Wilhelm 1. beehrte Görliß fünfmal vor dem Regierungsantritt und sech8smal während feiner glorreichßen Regierungszeit mit seiner Gegenwart, Kaiser Friedrih als Kronprinz einmal, Seine Majestät der Katser Wilhelm 11. einmal als Prinz Wilhelm am 14. Sep- tember 1882 und jeßt zu der Enthüllungsfeier am 18. Mai 1893. Die

Festschrift beschränkt sih übrigens nit nur darauf, von der Anwesenheit

gekrönter Häupter in der Neissestadt zu berihten, sondern Ke giebt a Aufschlüsse über die Durchreise anderer Fürstlicher Per on. seit 1375 gerade Görliß in den Nathsre nungen eine fehr genaue Geschichtsquelle besipt, fo kann die Festschrift ferner auch mancherlei Aufschlüsse über die Verhältnisse dynastisher Familien der Nachbar- länder geben; z. B. finden r darin dankenswerthe Nachrichten über die s{lesishen Piasten, welche zum theil die bis jeßt bekannten orshungen ergänzen. Das Werk ist der Bedeutung des Festtages, zu dem es bestimmt war, entsprechend E hergestellt. Der Ober- Bürgermeister Reichert hatte die Ehre, ein besonders reich auêgestattetes Eremplar Seiner Majestät dem Kaiser im Namen des Görlißer Magistrats am 18. Mai zu überreichen.

Dr. David Müllers Leitfaden zur Geschichte des deutschen Volkes. Achte, , vollständig umgearbeitete Auflage, be- forgt von Professor Dr. Friedrich Junge, Director des Real- gymnasiums zu Magdeburg. Mit sechs geschichtlihen Karten und einem Dreikaiserbilde. X1. und 184 S. gr. 8°. Berlin 1893, Franz Vahlen, geb. „6 2.50. Diese neur Auflagé “ist mit den Bildern der drei Kaiser geziert. Die „fauberen Karten veranschaulihen die Wir- kung, weldhe die Weltereignisse auf die Staatsgebiete gehabt haben. Nahezu an 100 000 Exemplare werden mit dieser Auflage des Buches verbreitet sein: eine seltene Empfehlung.

Rechts- und Staatswissenschaft.

Kr. Lehrbuh des Handel srechts mit Einschluß des See-, Wewsel- und Versiherungsrechts von Konrad Cosadck, Professor der Rechte an der Universität Freiburg i. B. Zweite vollständig umgearbeitete Auflage. Stuttgart 1893. Ferdinand Gnke. Der im Jahre 1888 als ein Theil der verbreiteten juristischen Handbibliothek des Ferd. Enkeshen Verlags erschienenen ersten Auflage ist bereits die zweite Auflage gefolgt, was ein gutes Zeugniß für die Verbreitung und damit Anerkennung is. Während die erste Auflage das Wechselreht und das Versicherungsrecht nit mit aufge- nommen hatte, sind diese Gebiete wie dies au Gareis gethan jeßt zur Vervollständigung des Lehrbuchs eingearbeitet, was dem Werk noch weitere Verbreitung sihern wird. Es is gerügt worden, daß das Seerecht niht in einem Sonderabschnitt behandelt, sondern in das System eingefügt sei. Die vom Verfasser gethätigte systematische Verarbeitung hat gute Gründe, welhe im Vorwort S. VILl ent- wickelt sind; es ist damit für das Studium aber auch ein guter Erfolg gesichert, indem nicht, wie das 5. Buch des Handels- geleßes ungelesen bleibt, auch das Seereht im Lehrbu übershlagen wird. Uebrigens ift eine \törende Zerstückelung dadur vermieden, daß die §§ 32—143 den „allgemein seerehtlihen Lehren“ gewidmet sind. Von besonderer Bedeutung sind die Bei- spiele, welhe zweckmäßig vorgeführt werden, z. B. S. 203 Sc{hluß- note, S. 347 Ultimoliquidation, O S. 217. Der Versuch, statt „Ortsgebrauh“ „Ortssitte“ (z. B. S. 71) anzuführen, kann niht befürwortet werden. Wenn \ich im Gegensaß zum Handelsgebrauch als Gewohnheitsrehtsfaß das Wort „Geschäfts- gebrauh“ bereits im Verkehr und in den Gerichten eingebürgert hat, so sollte das Wort au in den Lehrbüchern nicht bei Seite eshoben werden. Feste Begriffe werden gesichert, wenn die gleichen Be- jeihnungen gewählt werden. Erfreulich is, daß der Verfasser die zweite Auflage durch Aufnahme des Wechselrechts und des Ver- siherungsrechts erweitert hat. Das Werk kann dem Kaufmann und dem Juristen empfohlen werden.

Kr. Die Entscheidungen des Reichsgerichts und des bayerishen Obersten Landesgerichts zur Civilprozeß- ordnung. Nach der Reihenfolge der Paragraphen geordnet. Von Dr. M. Scherer, Rechtsanwalt beim Reichsgericht in Leipzig. Leipzig 1893, Noßberg’s{he Hofbuchhandlung. Lieferung 3, 4, umfassend Bogen 13 bis 24, S. 193 bis 384, bringt die Entscheidungen zu 231 bis 426 in kurzen, sicher gefaßten Säßen mit genauer Orts- angabe des vollständigen Abdrucks. Die Arbeit bildet eine fleißige Ergänzung zu allen Commwentaren der Civilprozeßordnung.

Gesetze, Verordnungen x.

Kr. Gesetz, betreffend die Beseßung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen in der Verwaltung mit Militäranwärtern, vom 21. Juli 1892, erläutert von W. Maraun, Bürgermeister a. D. u. \. w. Berlin, 1893. Liebel’sche Buchhandlung. 4. 0,50. Das Gesetz ist mit zweckmäßigen, den Anforderungen eines Militäranwärters entsprehenden Anmerkungen und einem ABC-Register versehen und somit empfehlenswerth.

4A Militärisches.

_ Im Juni-Heft der von Oberst-Lieutenant Shnackenburg ge- leiteten „Jahrbücher für die deutshe Armee und Marine“ (Verlag von A. Bath, Berlin) wird die Veröffentlihung der Arbeit über die Belagerung von Hildesheim während des dreißigjährigen Krieges 1633 bis 1634 von Oberst Freiherr von Bothmer beendet. Ueber den Pferdeverbrauch der Cavallerie im Feldzuge von 1806 handelt eine zweite Arbeit, die ihre Angaben auf die Werke von Foucart über diefen Gegenstand ügt und zu dem Ergebniß kommt, daß die Reiterei Napoleon's in rund anderthalb Monaten nahezu ihren vollen Urfprungsbestand an Pferden verbrauht hatte, ein Um- stand, "der wohl zu beachten sei, wenn er au niht zu der in einer jüngst in Paris erschienenen Broschüre „Equitation et instruction équestre des cavaleries européennes“ par Naej ausgesprodenen übertriebenen Ns führen dürfe, daß bei einem zukünftigen europäischen Kriege nah Niederwerfung -der Cavallerie des einen aron Heerlagers durch die gegnerishe von einer Cavallerie-Verwendung in größerem Stile wegen Mangels an Ersaß niht mehr die Rede sein könne. Darauf folgt ein Aufsaß des Hauptmanns Petermann über die Schlachtenthätigkeit der Cavallerie bei Custozza, wona der von dem Verfasser gezogene Schluß berechtigt erscheint, daß troy der dur Verbesserung der Schußwaffen zu Ungunsten der Cavallerie veränderten Umstände die überraschend auftretende Reiterei bei rationeller Führun für die Zukunft doch noch eine erfolgversprechende Verwendung au dem Schlachtfelde zu erwarten hat. Üeber Aufklärungs- und Siche- rungsdienst ftellt Major Graf von Haslingen auf Grund der Feld- dienst-Ordnung für das preußische Heer vergleihende Betrachtungen der im französischen und russischen Heere für diesen Dienst bestehenden Vorschriften und ihrer Wirkungen an. In Beantwortung der Frage: „Wie is es mit dem Chauvinismus in Dänemark?“ suht Haupt- mann Lesser vom Königlich dänischen Generalstabe nahzuweisen, daß die Organisation der dänishen Armee auf Vertheidigung und nicht auf Eroberung hinweise. Dem ersten Band des bedeutsamen Werks „Der Volkskrieg an der Loire im Herbst 1870“ von Friß Hönig hat Oberst Spohr eine ebenso eingehende wie interessante und anerkennende Besprehung gewidmet. Mit einer Umschau auf en A NaR Gebiet von Schott und der wie gewöhnlih reichhaltigen Umschau in der Militär-Literatur {ließt das Heft ab.

Eintheilung und Standorte des deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine, berichtigt bis zum 1. April 1893. Verlag von A. Bath, Berlin 1893. Preis 1 A Dieses leine Heft, das seine Brauchbarkeit und Unentbehrli(hkeit seit vielen Jahren bewiesen hat, liegt nun im 27. argang vor. Es agr außer der Eintheilung des gesammten deutschen Heeres und seiner auch die Namen der Truppenbefehlshaber bis einschließlich der Bataillons - Commandeure bei den Fußtruppen und dem Train, der etatsmäßigen Stabsoffiziere bei der Cavallerie, der Abtheilungs- Commandeure bei der Feld-Artillerie, die Gouvernements und Com- mandanturen mit den Namen der Gouverneure, Commandanten, Generalstabsoffiziere, Plaßmajore u. \. w., die Artillerie - Depot« Inspectionen, die Inspection der Gewehr- und Munitions- abriken mit den Namen der Directoren, die Landwehr-Bezirks-Eintheilung, die Militär-Lehrshmieden und die Corps-Bekleidungsämter. Von der E Marine sind nah einem Ueberblick über die Organisation sämmtliche Flagg- und Stabsoffiziere des Sceoffiziercorps, die Schiffe und Fahrzeuge mit den Namen der Commandanten und ersten Offiziere S um Schluß folgt eine Uebersicht über die Stärke des stehenden Heeres an Bataillonen, Escadrons und Batterien. Ein Ver- zeihniß der Regimenter und selbständigen Bataillone des stehenden

tandorte in bequemer und agi ris Anordnung,

Heeres mit Angabe der Armee-Corps, zu dem sie gehören, erleichtert den Gebrauch des Hefts. : : i E