1912 / 256 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Oct 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Personalveränderungen,

Königlich Sächfische Armee.

Evangelische Militärgeistliche. Durch Allerhöchsten Beschluß. Den 11. Oktober. Schulze, Militäroberpfarrer beim XIX.

(2. K. S.) Armeekorps, Standort Leipzig, auf seinen Antrag unterm 1. November d. I. mit Pension in den Ruhestand verseßt.

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. Den 16. Oktober. Dr. Wolf, Div. Pfarrer bei der 2. Div. Nr. 24, Standort Leipzig, auf seinen Antrag unterm 1. Januae 1913 mit Pension in den Nuhestand verseßt.

Beamte der Militärverwaltung. Durch Verfügung des Kriegsministeriums.

Den 11. Oktober. Wangemann, Unterapotheker der Nes. im Landw. Bezirk 11 Dresden, zum Oberapotheker der Res. befördert. Foert\ch, Oberapotheker der Landw. 1. Aufgebots im Landw. Bezirk E De Hs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots der Ab-

ed bewilligt. n

Den 14. Oktober. Z\che rp, Geheimer Rehnungsrat, Geheimer expedierender Sekretär im Kriegsministerium, auf setnen Antrag unterm 1. Sanuar 1913 mit Pension in den Ruhestand verseßt.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Katasterinspektoren Loy in Allenstein, Maurer in Arnsberg, Heilandt in Merseburg und Boedecker in Frankfurt a. O. den Charakter als Steuerrat zu verleihen sowie der Wahl des bisherigen Leiters der in der Entwicklung begriffenen Realschule in Barth, Oberlehrers Dr. Franz O st E Direktor dieser Anstalt die Allerhöchste Bestätigung zu erteilen.

SeineMajestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Hofapotheker Dr. Johannes Hörmann in Berlin

anläßlich seines Ausscheidens aus dem Dienst den Charakter als Medizinalrat zu verleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht : dem Kaufmann Karl Glaeser in Charlottenburg den Charakter als Kommerzienrat zu verleihen.

Justizministerium.

Dem Amtsgerichtsrat, Geheimen Justizrat Reinking in Hannover, dem Landgerichtsrat Bastian in Altona, den ÄAÄmtsgerichtsräten Kölle in Euskirhen und Herz in Kiel ist die nachgesuchte Dienstentlassung mit Pension erteilt.

Dem Notar Plato in Treuenbrietzen ist der Amtssiß in Schlawe angewiesen worden.

Jn der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht die Rechts- anwälte: Justizrat Müller bei dem Amtsgericht in Schlawe und dem Landgericht in Stolp, Justizrat Hertel bei dem Amtsgericht in Hermsdorf u. K., Dr. Schocke bei dem Land- gericht in Cassel, Dr. Marxheimer und Dr. Hosbach bei dem Landgericht in Frankfurt a. M.

In die Liste der Rehtsanwälte sind eingetragen die Rechts- anwälte: Engels aus Weßlar und Köhrmann aus Cöln bei dem Oberlandesgeriht in Düsseldorf, Dr. Marxheimer und Dr. Hosb ach vom Landgericht in Frankfurt a. M. bei dem Oberlandesgeriht daselbst, Dr. Grühl aus ‘Ohligs bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Düsseldorf, Spie ß aus Koblenz bei dem Amtsgericht und dein Landgericht in Wies- baden und Plaio aus Treuenbrießen bei dem Amtsgericht in Schlawe, der frühere Rechtsanwalt Gideon Hahn bei dem Amts- gericht in Sontra, die Gerichtsassessoren : Dr. Wachs ner bei dem Kammergericht, Dr. Feld, Möhle und Friß Shumann bei dem Landgericht T in Berlin, Dr. Bodenheim bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Cöln, Didtmann bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Düsseldorf, Kaschau bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Wiesbaden, Dr. Haarmann bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Hagen, Wrobel bei dem Amtsgericht in Labiau, Jenri ch bei dem Amtsgericht in Wolmirstedt und der frühere Gerichts- assessor, Regierungsassessor a. D. Dr. Oberwinter bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M.

Der Landgerichtsdirektor Dr. Kauß in Duisburg und der O und Notar, Justizrat Schönborn in Berlin sind gestorben.

Ministerium der geistlichen und Unterricht s- angelegenheiten.

Dem Privatdozenten in der Medizinischen Fakultät der

Universität zu Königsberg Dr. Kurt Goldstein ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Bekanntmachung.

Gemäß 8 46 des Kommunalabgabegeseßes vom 14. Juli 1893 (G.-S. S. 153) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß das im Jahre 1912 kommunalabgabepflichtige Rein- einfommen aus dem Betriebe der Brohltal-Eisenbahn- gesellshaft im Jahre 1911 auf 27750 # festgestellt worden ist.

Cöln, den 23. Oktober 1912.

Der Königliche Eisenbahnkommissar. J. V.: Riesen.

Bekanntmachung.

Für die Turnlehrerprüfung in der Provinz Pommern, welche im Jahre 1913 in Greifswald statt- findet, ist Termin auf den 17. bis 19. März 19183 an- beraumt.

Zur Prüfung werden zugelassen: a. Bewerber, welche bereits die Befähigung zur Erteilung von Schulunterricht vor- \hriftsmäßig erworben haben, b. Studierende.

Meldungen der in einem Lehramt stehenden Bewerber sind durh Vermittlung der vorgeseßten Dienstbehörde, Meldungen anderer Bewerber unmittelbar bei uns bis zum 15. Januar 1913 einzureichen.

Der Meldung sind beizufügen: 1) der Geburtsschein, 92) der Lebenslauf, auf dessen Titelblatt der vollständige

Name, der Geburtsort, das Alter, die Konfession, der Wohn- ort und die Wohnung des Bewerbers anzugeben ist, 3) ein ärztliches Gesutibsalsgeugni® 4) ein Feuguis über die erwor- bene Lehrerbildung und die seitherige Wirksamkeit als Lehrer, 5) ein Zeugnis über die erlangte turnerische e aSh und die sonstige Ausbildung für die Prüfung. Für Studierende tritt an Stelle des unter 4 genannten Zeugnisses ein akademisches Sittenzeugnis.

Die Prüfung wird nach der von uns durch die Amts- blätter der Königlichen Regierung in Stettin, Köslin und Stralsund veröffentlichten Prüfungsordnung für Turnlehrer vom 9. Juli 1900 abgehalten werden.

Im Anschluß an die Turnlehrerprüfung finden auch Schwimmlehrerprüfungen statt, und zwar:

in Greifswald, ungefähr am 1. und 2. August 1913, in Stettin, gegen Mitte August 19183, in Stettin jedoh nur für solhe Bewerber, welhe die Turn- lehrerprüfung in Pommern vorschriftsmäßig bestanden haben.

Diese Prüfungen. werden nah dem Nachtrage vom %. September 1905 zur Prüfungsordnung für Turnlehrer abgehalten werden.

Die Anmeldung zu den Shwimmlehrerprüfungen hat bis zum 1. Juli 1913 unter Oa des Zeugnisses über die bestandene Turnlehrerprüfung bei uns zu erfolgen.

Abdrücke der Prüfungsordnungen werden den Bewerbern auf Antrag zugefertigt werden.

Stettin, den 9. Oktober 1912.

Königliches Provinzialschulkollegium. J. A.: Friedel.

Aichfkamkliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 26. Oktober 1912.

Die vereinigten Aus\{hüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen und Ee Handel und Verkehr, der Aus\{huß für Zoll- und Steuerwe)en sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen hielten heute Sizungen.

Am 24. Oktober starb nah \{chwerer Krankheit im Alter von 47 Jahren der ständige Hilfsarbeiter des Reichsbank- direktoriums, Kaiserlihe Bankdirektor Paul Weinert. Er stand seit 1889 im Reichsbankdienst, war von 1897 an als Kassier bei der Reichshauptbank, dann als Bankvorstand in Pete demnächst als zweiter Vorstandsbeamter der Reichsbankstellen in Frankfurt a. O. und Görliß und seit 1910 im Reichsbankdirektorium tätig. Die Reichsbänk verliert in ihm einen ausgezeichneten Beamten von großer Begabung und musterhafter Pflichttreue und einen allgemein geschäßten und vat Kollegen, dessen allzufrühes Hinscheïden tief beklagt wird.

Laut Meldung des „W.Fe! B.“ sind am 24. d. M. S. M. S. „Seeadle#“ ¿g?arto Amelia (Mozambique), das Geschwader-Begle{ht? S*4,tania mit dem Chef des Kreuzergeshwaders in Tak “ano S. M. Flußkbt. „Vaterland“ in Kiukiang (Yangtse) eingetroffen.

Vayern.

Jn der gestrigen Sißzung der Kammer der Abgeord- neten gab der Ministerpräsident Freiherr von Hertling auf eine sozialdemokratishe Interpellation eine Erklärung ab, in der er laut Bericht des „W. T. B.“ u. a. sagte:

Die bayerische Regierung hat nicht Anlaß genommen, den Bundesratsausshuß für die auswärtigen Angelegen- heiten einzuberufen. Das Haus wird mit mir in der Anschauung übereinstimmen, daß angesihts der Vorgänge auf dem Balkan für die Regierung äußerste Zurückhaltung in der Darlegung der Momente geboten ist, die uns bestimmen, vón einer Anreaung zum Zusammentritt des Bundesratsausschusses abzusehen. Und ich glaube, es liegt im Inter- esse des Reichs, niht minder aber auch im Interesse des Ansehens des bayerishen Landtages, wenn wir hier nit der parlamentarischen Instanz vorgreifen, die für die Besprechung der deutschen auswärtigen Politik an erster Stelle berufen und zuständig ist, nämlih dem Deutschen Reichstag. Die Zweckbestimmung des achten Bundgsrats- ausschusses ist es niht, daß beim Eintritt jeder internationalen Ver- wicklung die Forderung nah dem Zusammentritt des auswäriigen Ausschusses erhoben wird. Nicht nur, daß eine dur nichts ver- anlaßte Beurruhigung der öffentlihen Meinung eintreten müßte, wollte der Nus\{huß in diesem Augenblick \sich versammeln, fondern es würde auch der Anschein entstehen, als gebrehe es der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches an jener unbeirrbaren Einheitlichkeit und Zielbewußtheit, die eines großen und mächtigen Volkes allein würdig ist. Die Regterung hat, und hiermit komme ih zur zweiten Frage der Interpellation, auch keine Schritte zur Einberufung des Reichstages getan. Die Einberufung des Nei ch s- tages steht nah der Reichsverfassung dem Kaiser zu, und das Urteil darüber, ob es den Interessen des Retches angemessen und nüßlich, ob es für unsere auswärtigen Beziehungen erwünscht oder auch nur föôrderlich ist, daß die internationale Lage im Reichstage erörtert werde, kann nur der Reichsleitung zustehen, die allein imstande ist, sämtliche für einen solchen Entschluß in Betracht fommenden Wèomente gegeneinander abzuwägen. Ich möchte aber troßdem den Anlaß- dieser Interpellation benußen, um nah einer anderen Richtung hin einige Worte der Aufklärung zu geben. Ih habe von der Notwendigkeit der Q und Bestimmtheit unserer Auslandepolitik gesprochen. die Reichsleitung die Interessen des Deutschen MNeiches soweit solhe bei der gegenwärtigen Balkankrise in Betracht fommen mit dieser Bestimmtheit wahrt, daß sie im Ver- ein mit den übrigen Großmächten aufrihtig und energisch bemüht ift, den im Orient aufgeflammten Brand auf seinen Herd zu beshränkén und seinem Uebergreifcen auf das Gebiet der wichtigsten Interessen Europas vorzubeugen, dafür haben wir, ih möchte dies betonen, dank der vertraulichen Mitteilungen, die uns über alle Phasen der Ereignisse am Balkan aus Berlin gegenwärtig zugehen, die Bürgschaft der eigenen V: berzeugung. Es gereicht mir zur Sg, 19 ih halte es für meine

fliht, an tieser Stelle ausdrücklih zu erklären, daß weder .für die

aftoren, die pulece öffentliche Meinung, noch für jene, die unser

wirtschaftlihes Leben bestimmend beeinflussen, Anlaß zu jener Unruhe und zu jenem Pessimismus gegeben ist, wie sie bedauerliherwetise in der jüngsten und allerjüngsten Zeit in der Beurteilung der inter- Cas Lage an unseren Börsen und in unserer Presse sich vielfa wahrnehmen ließen. Wir können, metne Herren, das volle Vertrauen haben, daß das Deutsche Neich das Gewicht an Macht und Einfluß, das die wirtschaftliche und politishe Entwicklung von vier Jahrzehnten ibm erworben haben, nicht vergebens in die Wagschale des Friedens legen wird, an dessen Aufrehterhaltung alle Großmächte überein- stimmend das größte Interesse haben.

An die Erklärung {loß sich eine kurze Debatte an.

*durchzog, als die Botschaft aus erufen

Der Abg. Lerno (Zentr.) erklärte namens seiner politischen Freunde, daß sie von den Erklärungen des Ministerpräsidenten bes friedigt seien. Der Abg. Dr. Ca \ s elmann (lib.) führte aus, die Politik des Deutschen Reiches solle nicht ohne die deutshe Volkévertretung gemacht werden. Ob heute ein Bedürfnis zur Einberufung des Neichstags bestehe, sei eine andere Frage. Indessen könne er die Gründe, die der Ministerpräsident für die Nichteinberufung des Aus- {usses für auswärtige Angelegenheiten angeführt habe, als ent- \cheidend niht anerkennen. Wenn dieser Aus\chuß noch eine Bedeu- tung haben folle, so sei gerade im gegenw aen Moment setne Le- rufung am Plate. Der Abg. Beck (kons.) erklärte, daß seine Partei keinen Anlaß habe, in eine längere Besprehung einzutreten. Der Abg. Müller (Soz.) sagte, er sei mit der Beantwortung der Inter- pellation niht ganz einverstanden. Er müsse aber von seiner Forde- rung der Einberufung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Reichstags zur Zeit absehen, weil die Mehrheitsparteien doch unter allen Umständen die Ansicht des Ministerpräsidenten unter-

stüßen. Sachsen-Weimar.

Gestern nahmittag hat im Großherzoglihen Schlosse in Weimar die Taufe Seiner Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs in Gegenwart der hohen Eltern des Täuflings, bres Majestäten des Kaisers, der Kaiserin und des Königs von Sachsen, Jhrer Königlichen Hoheit der Groß- herzogin Marie von Mecklenburg, Jhrer Hoheiten des Herzogs und der Herzogin Johann Albrecht zu Mecklenburg, ‘des Erb- prinzen von Sachsen-Meiningen und anderer Fürstlichkeiten stattgefunden. Der Oberhofprediger D. Spinner taufte den Erbgroßherzog auf die Namen Wilhelm Ernst Carl August Friedrih Georg Johann Albreht mit dem Rufnamen Carl

ugust. Nach der eide war Gratulationsdefiliercour und darauf Galatafel im Weißen Saal, zu der auch die Spißen der Behörden und das Präsidium des Landtags geladen waren. Bei der Tafel brachte Seine Königliche Hoheit der Großherzog Wilhelm Ernst, wie „W. T. B.“ meldet, folgenden Trinkspruch aus:

Meiner Gemahlin und Mir ift es ein Herzensbedürfnis, einem jeden, der an dem heutigen Ereignis Anteil genommen, Unseren innigsten Dank auszusprehen. Eure KaiserliGßen und Königlichen Maiestäten haben geruht, bei Unserem erstgeborenen Sohn Patenstelle zu übernehmen und damit der schon oft gezeigten freundlichen Gesinnung Unserem Hause gegenüber von neuem Ausdruck zu geben. Möge die Anwesenheit des Deutschen Kaiserpaares für Unseren Sohn späterhin ein Ansporn sein, stets sich seiner n als deutsher Fürst bewußt zu sein. Wir Eltern aber werden ihn dazu erziehen, daß er stets seine Pflicht dem großen Vaterlande gegenüber erfüllt. Seine Majestät der König von Sachsen hat ebenfalls geruht, hier zu ersheinen. Wir danken Eurer Majestät auf das herzlihste dafür und werden Uns stets bemühen, die freundschaftlichen Beziehungen zu dem Königlichen Hause Sachsen aufrechtzuerhalten. Wir danken allen lieben Ver- wandten, die so weit hergekommen sind, um dieses Fest mit Uns zu feiern. Wir gedenken Ihrer Majestät der Königin der Niederlande, die auc die Güte gehabt hat, bei Unserem Erben Patenstelle zu über- nehraen, ebenso wie Seiner Hoheit des Herzogs von Meiningen, der dur sein hohes Alter leider verhindert ist, heute hier zu er- scheinen, und bitten Seine Hoheit den Erbprinzen, ihm Unseren herz- lichsten Dank zu übermitteln für die stets bewiesene Teilnahme an Unserem Geshick. Wir begrüßen die Vertreter Unseres Landes und freuen Uns, daß fie Zeugen Unseres Glückes sind. Wir erheben Unsere Gläser und trinken auf das Wohl Unserer Gäste. Ihre Kaiserlichen und Köntglichen Majestäten, der Deutsche Kaiser, tie Kaiserin, der s von Sa(hsen, alle Unsere lieben Verwandten und Fürsilitßen Gäste leben hoch!

Jn Erwiderung auf diesen Trinkspruch hielt Seine Majestät der Kaiser und König, obiger Quelle zufolge, nachstehende Rede:

Gestatten Eure Königlihe Hoheit Mir namens der hier ver- sammelten Gäste den herzlichsten Glückwunsh und, Dank zu gleicher Zeit zu dem heutigen Tage au8zusprehen: den Glückwunsch, daß Weimar einen Erbgroßherzog begrüßen kann, den Dank, daß Wir Paten sein durften. Daß Freude und Jubel Weimar wurde: „Ein Erbgroß- berzog ist da!", fühlen Wir voll mit. Möze der junge Herr, der in dem Lande geboren ist, aus dem die Wartburg grüßt, vorbildlih sein in ritterliher Tugend, wie feine Vorfahren und Ahnen, und sein Shwert. bereit halten für des Reiches Herrlichkeit. Möge er eine Säule unserer evangelishen Kirche sein und möge er, von dem Geiste der großen Dichterzeit Weimars umflossen, au einst ein Schüßer und Förderer der deut’hen Wissenschaft und Dichtung fein. Möge er zur Freude seiner Eltern und zum Segen für sein Land aufwahsen. Wir aber vereinigen alle unsere Gefühle in dem Wunsche: Gott segne Eure Königliche Hoheit, die Frau Großherzogin, den Erbgroßherzog und das Großherzogliche Haus und das weimari)che Land. Ihre Königlihen Hoheiten und der . Erbgroßherzog hurra, hurra, hurra!

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern den Minister des Aeußern Grafen Berchtold in be- sonderer Audienz empfangen, in der der Minister über seine

italienische Reise Bericht erstattete. : Das österreichishe Abgeordnetenhaus seßte in der gestrigen Sißung die erste Lesung des Budgets fort. Nach dem Bericht des „W. T. B." tadelte der Abg. Dr. Kramarcz, daß der deutsh-tshechische Ausgleich durch die jüngsten Sprachenerlasse des Justizministers und durch die Sperrung der Wiener Komensky Schule gestört worden sei. Ein guter ehrliber Ausgleih zwischen den Völkern sei aber notwendig, namentlih m't Rücksicht auf die äußere Lage. Nach den Siegen der Balkanvölker bestehe feine große Hoffnung, daß es möglich sein werde, den Siegern zu entreißen, was fie erobert haben. Glük- licherweise vertrete jeßt die öffentlihe Meinung in Oesterrei eine realpolitishe Auffassung der Dinge. Von Oesterrei hänge heute der europäische Friede ab. Durch eine falsche Politik, namentli jenseits der Leitba, dürften die Lebensinteressen der Mon- arie auf dem Balkan niht verlegt werden. Die Tschechen seien aufrihtig für den Frieden nah außen und nah innen. Der Abg. Fäger erklärte, die Alldeutschen seien unbedingt für den Frieden und wollten nit, daß deutsbes Blut und deutsches Geld für \lawische Interessen zur Erwerbung slawischer Gebiete geopfert werde. -Der Abg. Lewicki bezeihnete es hon mit Rücksicht auf die äußere Lage als notwendig, daß die Grenzvölfer zufriedengestellt würden. Gegen die russishe Agitation in Galizien geschehe seitens der Regterung nichts. Die Ruthenen belasse man weiter unter dem polnischen Johe.

Rußland.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat der Großfürst-Thron- folger nah dem gestern abend erschienenen Bulletin den Tag gut verbraht. Er {lief drei Stunden und zeigte besseren Appetit. Die Temperatur betrug am Tage 38,3 Grad, am Abend 37,9 Grad, der Puls am Tage 128, am Abend 122.

Norwegen.

Die norwegische Regierung hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern ihre Neutralität in dem Kriege zwischen der Türkei und den vier Balkanstaaten erklärt.

Türkei.

Ueber die Erstürmung von Kir kkilisse meldet der Kriegsberichterstatter der in Wien erscheinenden „Reichspost“,

en Berichten, wie „W. T. B.“ mitteilt, in militärischen Kreisen L Hauptstadt Bedeutung beigemessen wird, folgendes:

Der Fall von Kirkkilisse wurde durch einen Nachtangriff. vor- bereitet, der die Bulgaren zu Herren der Stellungen nördlich und nordöstlih der Stadt machte. Die Bulgaren brachten auf diefen Höhen sofort Artillerie in Stellung, und beim Morgengrauen begann das Bombardement der Stadt, die in kurzer Zeit in Brand geschossen war. Gleichzeitig seßte die bulgarishe Infanterie auf der ganzen Front von Demirdsha auf der Straße Mali—Tirnovo—Kirkkilisse über Karakotsh und Nafklica östlich von Petra zum Angriff auf Kirkkilisse an, während eine weitere Kolonne östlih über die Höhen von Junda!a gegen die Straße nach Bunar Hifar vorstieß. In den Wein- dergen im Norden von Kirkkilisse entspannen sich nun zwischen ‘den angreifenden Bulgaren und den Türken furchtbare Nahkämpfe. Die Bulgaren wurden wiederholt zurückgeworfen, seßten jedoch immer wieder von neuem zum Sturm an. Das Gros der Türken hatte bereits im Laufe der Naht den Rückzug auf Bunar E sowie in südliher Richtung angetreten. Um -10 Uhr

ormittags drangen die ersten bulgarishen Truppen durch - die Weingärten nordwestlich von Kirkkilisse in die Stadt, wo sich ein furhtbarer Straßenkampf entspann. Schon nach einer Stunde war der Kampf entschieden, die Bulgaren waren Herren der Stadt. Troß allgemeiner Ershöpfung der Truppen wurde sofort die Verfolgung der Türken aufgenommen, während starke Kolonnen einen Vorstoß über Uesküb auf Bunar Hisar unternahmen, um den Rückzug der türkishen Truppen abzuschneiden. Von großer Bedeutung wird jezt das Vorgehen der durch die Waldzone an der Küste auf. Viza vorrückenden bulgarishen Streitkräfte sein, da durch diese den Türken der Weg nach Konstantinopel vollständig verlegt werden fann. Die türkishe Hauptkraft, die bei Kirkkilisse im Kampf stand, hat den Rückzug auf die zweite Verteidigungsstelung am Ergenefluß angetreten.

Jn türkischen Kreisen wird, dem genannten Telegraphen- bureau zufolge, versichert, daß der Rückzug des rechten türkischen Flügels unter Mahmud Mukhtar Pascha auf ein falshes Manöver des Generals Asis Pascha, der die Kavallerie fkfommandierte, zurückzuführen sei. Nach weiteren Nachrichten aus Konstanti- nopel ist es Mahmud Mukhtar Pascha gelungen, seine Streit- fräfte zu sammeln. Er hat in der Richtung auf Kirkkilisse die Offensive wieder aufgenommen.

Der Kommandant von Adrianopel hat eine strenge Verordnung über den Belagerungszustand der Stadt veröffentlicht. Den Einwohnern isst verboten, große Mengen Lebensmittel zu kaufen. Greise und Kranke und diejenigen, die kein Geld oder Lebensmittel für zwei Monate besißen, sowie verdächtige Personen werden entfernt. Die kriegstüchtige Bevölkerung wird, wenn es erforderlich sein sollte, gezwungen, die Truppen zu unterstüßen. Personen, die beunruhigende Gerüchte verbreiten, sollen erschossen werden.

Vom westlihen Kriegsschauplaß melden amtliche serbishe Berichte, daß Verissovitsch, Voucitrou und Ghilan von den serbischen Truppen eingenommen worden seien, und geben von dem Kampf bei Kumanowo, dessen Bedeutung darin liege, daß Uesfküb von der türkishen Armee nunmehr nur von fle einzigen Stellung verteidigt werden könne, folgende Dar- tellung :

Der Kampf begann in der Nacht vom 23. zum 24. und dauerte den ganzen folgenden Tag bis zum Abend an. Die Stärke der türkischen Truppen wird auf 25 000 Mann geschäßt. Troy des völlig

M testrihenen Gefechtsfeldes ging die serbische Infanterie gegen die

tirfishen Schanzen mit einem Bajonettangriff vor; es kam wiederholt zu einem Handgemenge. Besonders erfolgreichß war der Eingriff der serbischen Artillerie bei Dolni Konjare in den Kampf, der drei zu etner Attacke ausholende türkische Schwadronen vernichtete. Die beiderseitigen Verluste sind groß, die Türken sollen 5000 Mann verloren haben. Der Kronprinz leitete den Kampf in unmittelbarer Nähe der Feuerlinie. Auch der König erschien von Cufarka her mit dem Generalstabs{hef auf dem Gefehtsfelde. Unter anderer Kriegsbeute eroberten die Serben zwölf türkishe Geschüße.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Konstantinopel

vird amtlih bestätigt, daß die Serben Pristina besegt.

haben und die Verbindung zwishen Uesküb und Mitrowißa unterbrochen is. Derselben Meldung zufolge haben die Bulgaren nach einem siegreihen Kampfe gegen die türkische Vestarmee bei Domousova Kotschana eingenommen.

Griechenland.

Der frühere Ministerpräsident Dragumis ist nah einer Meldung der „Agence Havas“ zum Gouverneur von Kreta ernannt worden und bereits dort eingetroffen. Sobald der Gouverneur an Land gegangen war, überreichte ihm das tretishe Exekutivkomitee seine Demission.

Amerika.

Nach einem vom „W. T. B.“ verbreiteten Telegramm uus Mexiko hat der Bundesrichter des ersten Bezirksgerichts inen Gerichtsbefehl erlassen, der den General Felix Diaz der Gerichtsbarkeit des Militärgerichts vorläufig Ciliebt. Der Gerichtshof wird einen Plenarbeshluß fassen, ob Diaz dem Vilitärgeriht wieder übergeben oder von einem Zivilgericht Wbgeurteilt werden soll.

Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Casablanca find der Kaid Triahi und der spanische Schüßling Sicrisu, ver ihm Zuflucht gewährt hatte, gestern durch das Kriegs- gericht zum Tode verurteilt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses er Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

U In der heutigen (86.) Sißzung des Hauses der ' seordneten wurde die Besprehung der Jnter- pee tonen der Nationalliberalen und der Fortschrittlichen 0 Spartei, betreffend die Fleishteuerung, fortgeseßt. M Abg Ströbel (Soz.): Es ist bemerkenswert, daß der lit Ministertish heute absolut leer ist, gerade in dem Augen- u in dem der Vertreter der Mehrheit des Volkes das Wort Bf Eine größere Mißachtung der Minister gegenüber dem E kann gar nicht gedacht werden. Wenn wir endlih s ein gleiches Wahlreht in Preußen hätten, dann würden viele a Ibnen (zur Rechten gewandt) nicht hier sein. Es war auffällig, Bs überbaupt die Nationalliberalen hier vor dieses Haus mit ihrer «verpellation gekommen find. Man mußte sih fragen: was einen Zweck hat dies? Sind die Nationalliberalen aus (Dn daß sie sich einbilden, daß das Dreiklassen- Pen; rgend etwas unternehmen würde, um die Notstandsaktion der dlerung zu fördern? Das konnte man doch wirklich nicht an-

Herrenstoff- und Wes elstublarbeiter der

nehmen, und die Rede, die gestern Abg. Schiffer hier gehalten, hat das Râtsel gelöst. Es bat ih gezeigt, daß die Interpellation nichts anderes war als eine Hilfeaktion zugunsten der Junker. Darüber hat Abg. Shiffer keinen Zweifel gelassen, als er erklärte, er verlange nur Maßnahmen, soweit sie im Rahmen unserer Zoll- [ubel e mögli sind. (Inzwischen ist der Minister für Landwirt- \haft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer er- schienen.) Anders konnte es ja auch Abg. von Heydebrand nicht aus- drücken. Er hat sogar dem Abg. Schiffer seine Anerkennung über dessen verständige Auffassung der Dinge ausgedrückt. Schiffers Rede war ein eigentümlihes Ding. Er fing mit einigen Spigen gegen die Konservativen an, und Abg. von Heydebrand erklärte, die Rede wäre wirkungsvoller gewesen, wenn diese Spißen fortgelafsen worden wären. Aber diese Spitven sollten nur vor dem Volke verhehlen, daß zwischen Nationalliberalen und Konservativen kein Unterschied ist. Man hâtte meinen sollen, daß Abg. Schiffer, als er zugab, p nicht nur Arbeiter, sondern auch andere große ichten des gesamten Volkes ir Mitleidenschaft gezogen seien, dann wenigstens sich auf den Standpunkt des Abg. Wiemer gestellt hätte. Statt dessen aber empfahl er der Regierung, doch um Gottes Willen niht weiter zu gehen. Er erklärte: „wir halten unbedingt fest an vynserer Schußzollgeseßgebung“. Das is kennzeihnend für die Nattonalliberalen und ganz besonders eigentümlich, wenn man dagegen die Artikel der „Nationalzeitung®" liest. Jn diesen steht etwas ganz Anderes. (Zuruf der Nationalliberalen: Das Blatt drückt nicht die Meinung der Partei aus.) Sie s{chütteln ja jedes Blatt ab, das etwas sagt, was Ihnen nicht angenehm ist. Herr von Bethmann Hollweg bet ja den Nationalliberalen und Konser- vativen zugesagt, daß niht beabsichtigt sei, an unserer ZoUgeseß- gebung zu rütteln, sondern daß es sich nur um ganz vorüber- gehende Notstandeaktionen handelt, und daß diese sofort wieder eingestellt würden, wenn der ärgste Notstand beseitigt sei. Auch im Le Maugciey soll keine Aenderung eintreten. e wurde noch erklärt, es handle fich nur um eine ganz anormale Preis- steigerung, und es werde bald besser werden. Dieselbe Erklärung hat die Regierung auch \chon früher bei ähnlicher Gelegenheit ab- gegeben. Aber es ist immer alles beim alten geblieben; im Gegen- teil, die Preise find immer noch gestiegen, und zwar so, daß selbst die Regierung jeßt genrötigt war, in der „Norddeutshen Al- gemeinen Zeitung“ die Teuerung zuzugestehen. Auch diesmal werden die Preise wieder weiter steigen. Die Konservativen, das Zentrum und die Nationalliberalen sind natürlich anderer Meinung. Sie lauben, daß von etner Teuerung keine Rede sein kann, wenn die leischpreise auch nur um einige Pfennige heruntergehen. Troß- dem sind die Preise dann immer noch hoch genug, ganz besonders, wenn man fie in Vergleih stellt mit den Preisen, die im Ausland für Fleish gezahlt werden. Der Ministerpräsident hat ofen ausgesprochen, daß das Volk Opfer bringen müsse für die nationale Wohlfahrt. Diese wird dadurch gewahrt, daß die breiten Volksmassen möglihst gut ernährt werden, aber nit -dadurch, daß einem kleinen Teil besonders günstige Bedingungen geschaffen werden. Die der Landwirtschaft angehörende Bevölkerung beträgt nur etwa 28 9/6 der Gesamtbevölkerung, also nur ein geringer Bruchteil hat ein Interesse an hohen Schweinefleishpreisen. Die Preise für Fleisch und Vieh sind in den leßten Sahren verhältnismäßig hoch gewesen, und wenn auch jeßt ein gewisser Preisabshlag eintritt, wenn das Fleisch um 10 4 billiger wird, fo ist es doch immer noch vtel zu teuer. Das fächsishe Statistishe Landesamt hat selbst zugeben müssen, daß eine erheblihe Ermäßigung der Vieh- und Fleishpreise kaum zu erwarten ist. Die deutiGe Fleisch- und Viehproduktion ist absolut unzulänglich. Wenn man auf die Vermehrung des Fleisch- fonsums seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts hinweist, fo vergißt man, daß sich seitdem die Verhältnisse vollständig um- e baben, daß der Fleischbedarf inzwischen außerordentlich tärker geworden ist. Das ist zurückzuführen auf die Industrialisierung Deutschlands, die ungeheure Vermebrung der Einwohnerzahl der großen Städte. Es ist ein Unfug sondergaleichen, zu behaupten, daß vegetabilische Nahrung autreichend sel. Der Landarbeiter kann ih wohl von Vegetabilien ernähren, der industrielle Arbeiter muß fih von Fleisch, Eiern und Milch ernähren. Der Landbewohner hat ganz andere Verdauungsorgane und Bedürfnisse, wie ein Stadt- bewohner und Industriearbeiter. (Unrube rechts.) Die Herren dort drüben find doch wohl auch nit Vegetarier. Sie haben keine Ursache

7 zu lächeln, Sie zeigen damit, daß es Ihnen nicht ernst ist um

die Sache. Auf jener Seite heißt es: Wir wollen höhere Fleif{ch- preise, damit wir unseren Vorteil haben auf Kosten der großen Massen des Volkes. Neugierig bin ih, wie der Arbeitervertreter Giesberts sih mit der Sache abfinden wird. Es gehört die ganze Unverfrorenheit des Junkertums dazu, den Proletartern das Recht auf den Fleish- fonsum zu bestreiten. Der Pfarrer Paul hat offen erklärt, das Vater- unser sage, daß wir unser täglihes Brot haben sollen, niht aber unser täglihes Fleisch. Von solhen Pastoren gilt das heidnishe Wort: „Sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlißh Wasser“. Man hat den täglichen Fleischverbrauch in Deutscbland pro Kopf auf 90 g berehnet. Das ist viel zu wenig. Ein Erwahsener braucht mindestens 150 g. Nah amtlichen Erhebungen beträgt der Fleish- verbrauch in Arbeiterfamilien aber nur 60 &. Was follen wir davon sagen, wenn ein Minister der Landwirtschaft es gestern aus- gesprochen hat: die Arbeiterfrauen möchten doch mehr Gemüse kochen, dann würden sie viel besser auskommen; aber da heiße es immer : Fleis, Fleisch und immer wieder Fleisch! Das ist die blutigste Verhöhnung der Arbeiter. Woher hat er seine Kenntnis über den Fleishverbrauch in Arbeiterfamilien, hat er vielleicht eine Sclafstelle in einer Arbeiterfamilie innegehabt? Seine Behauptung war mindestens eine Unvorsichtigkeit parlamentarisch auëgedrückt. Ein Herr mit einem Ministergehalt, der 0% cln Millionär ist, sollte fi enteren, so etwas aus8zusprehen. (Zu Haas bei den Sozialdemo- raten; Heiterkeit rechts.) Die Herren beweijen, daß sie desselben Geistes sind wie der Landwirtschastsminister; sie glauben, dem Volke E bieten zu können. Der Altenaer Kreisarzt hat im dortigen reisblatt auf die traurige Zunahme der Skrophulose und Tuberkulose bet der Schuljugend hingewiesen und dies auf die unzweckmäßige Ernährung und die Teuerung, besonders des Fleishes, zurück- geführt. Das ist allerdings ein ganz anderer Sachverständiger als der Landwirtschaftéminister. Es ist zu erwarten, daß die Fleischnot auch in der nächsten Zeit fortbestehen wird.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Gera wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Nachdem die j Firma Lummer-

ah und Namminger, um eine Lohnerhöhung durzusezen, thre Kündiaung eingereiht haben, ist gestern von der Ortsgruppe Gera des Verbandes sächsisch-thüringtscer Webereien sämtlichen Arbkèitern gerung worden. Dreitausend Weber und Weberinnen kommen dabei in Betracht.

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

A. F. Im Anschluß an die im Abgeordnetenhause erfolgte „Aus- e eines bedeutenden Teiles der Erwerbungen der Deutschen innerafrikanishen Forshungsexpedition aus den Jahren 1904—1912, worüber an dieser Stelle in voriger Woche berichtet worden ist, er- stattete Herr Leo Fr obenius in fast zweistündigem Vortrage der Gesellschaft für Anthropologie Bericht über die ethnolo- gishen Ergebnisse seiner beiden leßten Reisen von 1910 bis 1912. Unter Begleitung zahlreicher farbiger Lichtbilder

gab der Redner zunächst eine fesselnde Schilderung der ganz

außerordentliden, auf den Forsher immer wieder als Ueber- rashung wirkenden Verschiedenheit der Bevölkerungen des Sudans, die sfih nur aus Einwanderungen in weit auseinander liegenden Zeit- räumen erklären kann, Einwanderungen, die teils in Mafien, auf Er- oberungézügen, erfolgten, teils ih in mehr friedlicher Art und in fleinerem Umfange auf längere Zeit verteilten. So nur find ebenso die in die Augen springenden, großen Rafsenverschiedenheiten, z. B. die auf Dona KEtFen Weißen und Negern, Berbern und Arabern, Aegyptern und Nubiern mit Niggerblut deutenden „Fulbe“ neben den reinblütigen Pan Nqnegern zu erklären, aroßen . fulturellen Untershiede zwishen den faum be- Tleibeten wilden Stämmen der entlegenen Gegenden und den reich gefleideten, mit allem Luxus des Ortents ausgestatteten Städtern. Die Frage erhebt fi für die Forschung: Hat es eine Urbevölkerung in diesem ausgedehnten Teil Nordafrikas gegeben und welhe Spuren deuten auf eine solche; zu welhen Zeiten und woher, durch welche Bevölkerungen UEPO die vershiedenen Einwanderungen und mit welcher Wirkung auf die Kultur? In Beantwortung dieser Fragen darf zunächst als gesihertes Ergebnis bezeichnet werden, daß die Ein- wanderung, welche dem Zentralsudan den Islam brachte, verhältnismäßig jungen Datums ist. Das ist aus den Aufzeichnungen arabischer Schrift- steller zu entnehmen. Wahrsceinlich entspriht das Jahr 1329 der Eroberung von Ttimbuktu und dem Beginn einer Herrschaft des er- obernden islamitischen Volkes in diesem Teile Nigeriens, die aber nichts weniger als von großer Ausdehnung war und den Süden des Nigerlandes fowie den atlantischen Teil des Sudans ganz unberührt ließ. Hier în diesem überaus volkreichen Gelände im äußersten Westen ist der Eindruck unabweisbar, daß man einer älteren und in vielen Stücken vom Durchschnitt der Sudanvölker stark abweichenden Kultur gegenübersteht. Man hat von diesen Iorubaländern in der Nähe des Atlantishen Ozeans bisher eine völlig irrige Vorstellung gehabt, z. B. nichts davon gewußt, daß es hier eine beträhtlihe Anzahl volkreicher Städte gibt, deren Zahl bis zu 10 000 Einwohnern mit 400 nicht zu hoch ge\chäßt wird. Auch Städte über 100000 Einwohner sind nambaft zu machen, Ibghu wird auf 200 000 Bewohner geschäßt. Straßen in unserem Sinne darf man dort allerdings nicht suchen, die Häuser stehen aber ziemli dit beieinander, tragen überbängende Kuppel- dächer, errihtet über einem flahen Dach, das neben den Lehmwänden durch hohe Säulen gestützt ist. Manche Kunstfertigkeiten {ind ver- hältnismäßig hoch entwickelt, die Weberei sogar bis zur Stufe der Samtweberei. Doch von einer ungleich höheren Kultur in einer fernen Vergangenheit melden viele plastishe Werke, u. a. Porträt- köpfe in Terracotta von feinfter Dur(arbeitung, deren edelste man griehischen Plastiken an die Seite stellen könnte, belehrte nidbt die treue Wiedergabe von Tätowierung, daß die Künstler und ihre Modelle einem von den Griechen sehr versdiedenen Volke angehörten. Nichts- destoweniger ist auch nach anderer Richtung eine gewisse Verwandtschaft mit hbellenisher Kultur augenfällig. Die Geräte des eigenartigen . Kults der Jorubabevölkerungen, der Tempel oder ähnliche Kultstätten nicht kennt, sondern die religiösen Handlungen in dichte Haine ver- legt und 16 scharf gegeneinander charakterisierte Gottheiten verehrt, sind in ihrer Form und Auss{chmückung, heißen sie nun Donnerkeile oder Tanzrasseln, von außerordentlicher Schönheit, und der Vor- tragende hatte nur zu bedauern, daß ihm der englische Gouverneur den Ankauf von mehr folher Stücke, als das religiöse Gefühl des Volkes verleßend, verbot, obgleih die Eingeborenen \ich_ gern gegen gute Zahlung dieser Dinge entäußert hätten. Frobenius hält auf Grund seiner Beobachtungen und Crkundungen dafür, daß die Bevölkerung des atlantischen Sudans, wenn nicht die Nahkommen der nordafrikanishen Urbevölkerung, \o doch der ältesten heute noch nachweisbaren Bevölkerung Nordafrikas darstellt. Ihn dünkt, auch in der Bedeutung, die heute noch dem Amulett hier beigemessen wird, vor allem aber in der bestimmt um- grenzten Götterlehre, eine Anknüpfung an Iberer und Etrusker gegeben, und er deutet eine ägvpti?he Erzählung von Kämpfen, die Namses III. mit einem Volke im Westen des Erdteils geführt, auf diese Bevölkerung. Aehnliche Kriterien wendet Frobenius auf die übrigen, noch deutlich bestimmbaren Bestandteile des nordafrikanishen Völkergemisches an. Die dem Heidentum noch völlig ergebenen Haussaneger hält er für bodenständig. Sie haben im 7. Jahrhundert, vereint und zum Teil vermisht mit anderen Einwanderern, eine Blütezeit afrikanischer Industrie bervorgerufen, mit der verglichen der heute noch bestehende Nest einer Bronze-, Steinshneide- und Glastechnik wie der Keramik, Weberei und Stiterei stark in den Hintergrund tritt. Immerhin sind die Städte Makwa und Bida in Nigerien au heute noch der Beachtung werte íFndustrieorte des Sudans. Auf der Suche nach Zusammenhängen und Erklärungen des ethnographishen Wirrwarrs in Nordafrika, ift es Frobenius auch gelungen, im Zentralsudan die Existenz eines Nupe- reiches nachzuweisen, das heute noch unter anerkannten und auf ihren alten Stammbaum stolzen Fürsten steht, das dem Ansturm des Islams \#. Z. Widerstand geleistet und fich mit Erfolg bebauptet B An seinen Städten Kultur entwicke]nd, während die _Landbewohner noch in tiefster Barbarei leben. Ein Nätsel scheinen eine Menge von kleinen Siedlungen und Dörfern aufzugeben, die fch in Südnigerien und im östlichen Teile des Sudans befinden. Sie bieten zunähst den Eindruck eines Sprach- gewirrs; jedes Dorf, wenn auch nur dur eine Talwelle von dem anderen getrennt, spriht seine eigene Sprache. Sieht man aber näher zu, so finden sich die wihtigsten Vergleihspunkte in völliger Uebereinstimmung : dieselben Lebensformen, derselbe Ahnenkultus, dieselben Bräuche und abergläubishen Vorstellungen. Alles dies gestattet, diese Bevölkerungen nachzuweisen als aus Aethiopien aus- gewandert und als einem Zuge von Ost nach West folgend, der sie wahrscheinlich in langen Zeiträumen in kleinen Trupps der ursprünglichen Heimat entfremdet hat. Von Interesse erscheint au eine andere Spur. Im 6. Jahrhundert, als Aegypten noch eine Provinz von Byzanz war, hat, wie u. a. aus Eigen- und Ortsnamen nachweisbar ist, von dort her eine Einwanderung stattgefunden wie anzunehmen, von landflüchtigen Persern, und es ist recht mögli, zu- sammengehalten mit dem 100 Jahre später nachgewiesenen industriellen Aufschwung der Haussaländer, daß diese Ein- wanderung das Land mit Industrie befruhtete. Was, abgesehen von dem atlantishen Sudan mit seiner mehr stetigen Kultur- entwicklung, an vielen Stellen des Sudans, vor allem in Timbuktu, betremdlih anmutet, is der sih aufdrängende Eindruck beträchtlicher Rückschritte gegen einen in weit zurückliegender Zeit viel höher ent- wickelt gewesenen Kulturzustand. Bezeichnend hierfür ist u. a., daß man unter den elenden Lhmhütten des heutigen Timbuktu steinerne Grundmauern findet und daß mehrfach die Anwendung von Baksteinen nahweisbar ist, u. a. auch zu Gewölbebauten. Die zahlreichen Licht- bilder ließen, soweit sie Marktszenen, Aufzüge, Spiele darstellten, deutlih erkennen, was der Vortragende mit einem luxuriösen Auf- treten der Städter im Vergleich zum Urzustande der Landbewohner des Sudans gemeint batte. In dieser Kleiderpraht, in der grelle Farben, wie Rot und Blau, überwiegen, wiederholen sich die Zeiten mittelalterliher Prunkentfaltung, welhe der nahe Orient heute auh niht mehr kennt. Dem Vortragenden wurde, als er geendet, der lebhafteste Beifall zuteil, und mit allgemeiner Zustimmung durfte der Vorsitzende ihm sagen, daß er in bewundernswerter Art ein ungeheures Gebiet nicht nur räumlich, sondern auch fulturell kraftvoll durh- drungen habe. Erfreulih fei die Aussicht, im künftigen Meinungs- austausch feste Stellung zu den neuen und interessanten Anschauungen des Redners zu gewinnen. y

Verkehrswesen.

Cöln, 25. Oktober. (W. T. B.) Die Königliche Eisenbahn- direktion in Cöln teilt mit: Jnfolge- Verkehrs örung wird mit Genehmigung der Landesaufsihtsbehörde die Annahme von Fracht- gut tn Wagenladungen von den preußish-hessischen Staatsba n- stationen und Privateisenbahnen nach dem linksrheini- \hen Empfangsgebiet, umgrenzt von der Linie Uerdingen— Neuß—Cöln Bonn Euskirhen—Düren—Grevenbroiß—Rheydt— M.-Gladbach— Viersen—Crefeld— Uerdingen, für die Tage vom 26. bis einshließlich 29. Oktober gesperrt.

wie auch die überaus