1912 / 260 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Oct 1912 18:00:01 GMT) scan diff

wird Immer von Schädigungen gesprochen. Wer ist eigentlich der Geschädigte? Der Spareinleger keinesfalls. Dem ist es furchtbar egal, wie die Spareinlagen angelegt werden. Ih habe noch niemanden gesehen, der Geld in die Sparkasse gebraht und sich er- xundigt hat: was macht ihr mit dem Geld? Die Spareinleger wollen ihr Sparkassenbuch und regelmäßig ihre Zinsen haben ; alles andere ist ihnen gleihgültig, Es fkann sich höhstens darum handeln, daß durch die Anlage der Spareinlagen vielleicht etwas niedrigere Gewinne erzielt werden. Ich habe gestern ja {on darauf hingewiesen, daß die Gewinnerzielung durch die Anlage in Inhaberpapieren nur zu Zeiten herabgedrückt wird, daß es viele Zeiten gibt, wo höhere Gewinne dur die Inhaberpapiere erzielt werden. Wenn man die Abschlüsse der Sparkassen auf längere Zeit vergleicht, so wird man finden, daß die viel beklagten Rükgänge der Zinserträge in den Inhaberpapieren durchaus niht so \{hwer sind, wie es immer dargestellt wird. Es gibt soviel Gewinnjahre dabei, wo die Sparkassen den Vorteil gehabt haben, daß diesen Verlust- jahren fast Paroli geboten“ ift.

Ich habe gestern schon darauf hingewiesen, wenn einige über-

ängstlihe Sparkassen, z. B. in der Provinz Hannover, vermeiden wollen, daß sie Schaden dur die Anlage tn Inhaberpapieren haben, daß ih ihnen raten möchte, sich Schazanweisungen zu kaufen. Herr Waldstein allerdings, offenbar weil ihm dieser Rat sehr unbequem war, bezweifelt, daß er durchführbar wäre, und hat gemeint, es wären große Kosten damit verbunden. Das ist beides nicht zu- treffend. Von Schatzanweisungen find ungefähr eine Milliarde aus- gegeben. Sie sind an der Börse jederzeit zu haben, nnd die See- handlung ist imstante, den Sparkassen die Schaßanweisungen zu liefern. Allerdings hat der Abg. Waldslein hinzugefügt, er müsse den Staat warnen, nicht soviel Schaßanweisungen auszugeben, weil dadur der Staat in Verlegenheit kommen könnte, indem er die Schaß- anweisungen zu einer bestimmten Zeit zurückzahlen muß. Das ist durchaus zutreffend. Die Staatsregierung weiß das selbst; sie hat infolgedessen die Zahl der ausgegebenen Schaßanweisungen begrenzt, indem sie si klarmacht, daß zu einem gewissen Fälligkeitstermin fie event. vor die Notwendigkeit gestellt ist, die Schaßanweisungen voll- ständig einzulösen. Bis dahin ist es fast regelmäßtg so gewesen, daß bei der Fälligkeit die Schaßanweisungen von neuem begeben sind, und daß bei der Begebung der neuen Schaßanweisungen die bishertgen Inhaber für Annahme der anderen eine Bonifikation erhielten. Es ist also meistens ein gewisser Vorteil dabei gewesen und nichts ver- loren. Wenn eine Schaßanwetsung umgetausht wird, eine fällige gegen eine neue, werden dafür gar keine Kosten berechnet. Das bishen Arbeit, was den Sparkassenverwaltungen dadurch erwächst, daß ein Umtausch stattfindet, fällt nicht weiter ins Gewicht. Ich mödte allen denjenigen, welche ängstlih sind, raten, daß fie S(at- anweisungen nehmen; sie werden vor allen Kursverlusten bewahrt werden. (Bravo !) __ Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Der” Minister hat ge- sagt, daß die' Hebung der Liquidität der Sparkassen das Hauptziel der Vorlage ist. An anderer Stelle ist jedoch gesagt worden, daß man in erster Linie ein finanzpolitisches Ziel verfolgt, und daß erst in zweiter Linie die Liquidität der Sparkassen in Frage kommt. Die Regierung hat also jeßt einen absoluten Lo Be O, Den Gedanken, daß die Seehandlung die Gelder der Sparkassen auf- nimmt und wie tagliches Geld behandelt, hat der Minister zurück- gewiesen. Aber das wäre doch im Falle der Annahme dieses Gesehes der beste Ausweg. Nach dem Minister sollen jährlih 1 Milliarde Mark Schaßanweisungen auf dem Markte sein. Aber diese befinden sih im Besiße der Banken und sind in großer Anzahl kaum käuflich. Deshalb hat der Rat an die Sparkassen, ihr Geld in Schaß- anweisungen anzulegen, keine praktische Bedeutung.

Auf eine Anfrage des Abg. von Strombeck (Zentr.) erwidert der

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Der Herr Abg. von Strombeck hat duraus recht. Es soll den Gemeinden vollkommen überlassen bleiben, welhen Typ von Staats- papieren sie ihrerseits aussuchen.

/ Berichterstatter Abg. von Kardo t fFi(fretons): Dex Abg. Waldstein hat einen Widerspruch zu konstruieren versucht zwischen den Ausführungen des Finanzministers und dem schriftlichen Bericht. Ich mache daraus aufmerksam, daß die ersten Seiten micht von mir her- rühren, sondern von dem Abg. Klußmann. Dieser hielt sich an die Begründung. In dieser Begründung steht allerdings, daß an erster Stelle finanzpolitische Ziele mit dem Entwurf verfolgt würden. Aber die Staatsregierung hat gar feinen Zweifel darüber gelassen, daß sie auf die Liquidität ein wesentlich größeres Gewicht legt als auf die Hebung des Kurses der Staatspapiere. Das i} in dem Bericht des Abg. Klußmann auch zum Ausdruck gekommen. Ein Widerspruch zwischen dem Bericht und den Ausführungen des Finanzministers be-

steht mcht. Î

8 2 wird unverändert nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen, ebenso § 3 ohne Debatte.

_ Nach § 4 kann der Oberpräsident unter besonderen Ver- hältnissen ausnahmsweise den Sparkassen Erleichterungen von den Auflagen dieses Geseßes gewähren, wenn dies ohne wesent- liche Beeinträchtigung ihrer Liquidität geschehen kann.

Abg. Johanssen (freikons.) befürwortet einen Antrag, wo- nach diese Befugnis in Schleswig-Holstein dem Provinzialrat gegeben werden soll. E l

Lex (fkons.): Es ist anzuerkennen, daß die _Ver- hältnisse Schleswig-Holsteins anders liegen als in anderen Provinzen, insofern als dort 1eBßt nur ein geringer Teil der Einlagen 1n Inhaberpapieren angelegt ist. Wenn man aber die Tendenz des Ge- seßes billigt, dann muß man doh wünschen, daß 1n Schleswig-Holstein mit der Zeit hierin ein Wandel eintritt und die Sparkassen dort einen größeren Prozentsaß in Inhaberpapieren anlegen, um allen Anförde- rungen gerecht zu werden. Wenn man also auch anerkennt, daß die Wirkungen des Gesetzes in Schleswig-Holstein vielleicht schärfer her- vortreten werden als in anderen Provinzen, so kann man aus diejer Tatsache doch nicht die Schlußfolgerung ziehen, die der Antrag ziehen will. Gs ist mt einzusehen, weshalb man an die Stelle des VDber- prâsidenten für Schleswig-Holstein den Provinzialrat seben soll. Ich glaube, das Vertrauen, welches man im allgemeinen den Oberpräsi- denten wird entgegenbringen müssen, daß sie entsprehend den Vor- riften dieses Geseßes die besonderen Verhältnisse der einzelnen Sparkassen prüfen und eine Milderung, wo es notwendig ist, eintreten lassen werden, wird man auch dem jeweiligen Oberxpräsidenten von Schleswig-Holstein entgegenbringen müssen. Das Geaenteil würde acradezu ein von der Gesetzgebung ausgesprochenes Mißtrauen sein. Jch habe überhaupt das Bedenken, ob es nah unserer ganzen staats- rechtlichen Struftur zulässig ist, hier an die Stelle des Oberpräsidenten den Provinzialrat zu seßen. Der Provinzialrat ist dazu berufen, eine ganze Reihe von Gegenständen vorzubereiten und zu beautachten. Nach außen tritt immer der Oberpräsident hervor. Nach dem Antrage roUrde dies geändert werden, dafur gibt es keinen Vorgang in unjerer Geseßgebung. Jch würde der Staatsregierung dankbar sein, wenn sie uns hierüber Auskunft geben wollte. Jch habe dann noch einen anderen Wunsch. In den Kreisen meiner politishen Freunde aus den östlichen

Provinzen scht man auf diesen § 4 ganz besondere Hoffnungen. Die dortigen Sparkassen müssen anders beurteilt und behandelt werden, als die Sparkassen in anderen Landesteilen, da sie unter gewissen Konkurrenzverhältnissen stehen. Wir würden es mit Dank begrüßen, wenn die Zusicherung gegeben werden könnte, daß die besonderen Ver- hältnisse der östlichen Sparkassen von den Oberpräsidenten besonders berücksichtigt werden.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Meine Herren! Der leßten Anregung des Herrn Abg. Winckler fann ih durdaus zustimmen. Sein Wuns wird ih um so leichter erfüllen lasen, als die östlihen Sparkassen erheblich mehr an Reichs8- und Staatspapieren besißen, als der Geseßentwurf verlangt. Ich bin aber bereit, durch eine allgemeine Anweisung an die Ober- präsidenten dafür Sorge zu tragen, daß die besonderen Verhältnisse der cinzelnen Sparkassen in weitest gehendem Maße, namentli in der Uebergangszeit, Berücksichtigung finden.

Eine derartige Anweisung muß aber meines Dafürhaltens generell erlafsen werden und kann nicht einzelne Falle, einzelne Provinzen betreffen, wie dies nah dem Antrage der Herren aus Stleswig der Wunsch zu sein \{eint.

Was die Zuständigkeit des Provinzialrates betrifft, fo stimme ih au darin mit dem Herrn Abg. Windckler überein, daß . es nah der Struktur des Provinzialrates, der eine beschlicßende, begutachtende, beratende, zustimmende Bchörde ist, nicht aber eine Grekutivbehörde ist, vollkommen ausgeschlossen ist, dem Provinzialrat Grekutivbefugnisse zu übertragen. Eine folche Maßnahme würde aus dem Rahmen unserer Behördenorganisation herausfallen, und die Staatsregierung würde garniht in der Lage sein, sich auf einen derartigen Antrag einzulafsen. (Hört, hört !)

Daß für die Provinz Schleswktg - Holstein ein Ausnahmegeseßz nit erlassen werden kann, habe ich vorhin {on angedeutet. Ih muß dringend bitten, den Antrag Johanssen abzulehnen.

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.): Nichk nur in Schleswig? Holstein, sondern auch in der Provinz Hannover verdienen die Spar- fassen eine besondere Berücksichtigung. Aber auch ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, daß nur für eine Provinz Ausnahmen ge]cwaffen werden.

Abg. Reinhard (Zentr.): Wenn ich au anerkenne, daß die

Scleswig-Holsteiner gerade bei diesem Gescß Schulter an Schulter

mit den Hannoveranern gekämpft haben, so bin ih doch nicht in der Lage, für den Antrag zu stimmen. Es ist nicht angängig, für Schles- wig-Holstein allein eine Ausnahme zu machen. Auch andere Pro- vinzen, inébesondere Hannover und auch die, Rheinprovinz, werden von diesem Geseß sehr schwer betroffen. Z 4 gibt nun die Möglichkeit, diese Härten wenigstens eimgermaßen zu beseitigen. Besonders be- irossen j1nd die Sparka}jen in den Grenzbezirken, die aus den anderen Bundes)taaten Einlagen erhalten und dahin Geld ausgeliehen haben. Die ODberpräsidenten sollten angewiesen werden, besonders diesen Bé- zirken alle möglichen Erleichterungen zu gewähren.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Die Fassung des Geseßes ist eine allgemeine, es würde also nicht auégeshlossen sein, auch Erleichterungen gegenüber den Satzungen zu gewähren. Dies würde äber immer nur ausnahmsweise geschehen fönnen und besondere Verhältnisse vorausseßen. Im übrigen habe ich bereits vorbin erklärt, daß ih bereit bin, die Oberpräsidenten anzu- weisen, besondere Verhältnisse der einzelnen Sparkassen in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Abg. von Kärdvrff (freikons.) bittet um eine Erklärung, daß auf Grund dieses Paragraphen die freisfreten Stadte nicht anders bebandelt werden sollen als die in einem Kreise belegenen Städte.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt§ Fch kann diese Erklärung abgeben; es wird auf Grund des § 4 mögli sein, dem Wunsche Nechnung zu tragen.

Abg. Wal dste in (fortischr. Volksp.): Wenn allein der Ober- präsident entscheidet, so können fiskalische Gesichtspunkte der Provinz den Sparkassen gegenüber geltend gemächt werden. Deshalb muß der Bezirksausschuß die Entscheidung über die Ausführung des § 4 haben. Eine Unklarbeit besteht übrigens noch in dem Wortlaut des § 1. & 1 geht davon aus, daß es keine öffentliche Sparkasse gibt, deren Garantiebezirk über die ‘Grenzen eines Stadt- oder Landkreises hin- ausgeht: es gibt aber solhe Sparkassen, und deshalb muß der Wort- laut des § 1 noch geändert werden. Daß § 4 dieser Anomalie ab- helfen könnte, ist mcht richtig.

Abg. Johans sen (freikons.) zieht nach der entgegenkTommenden Erklärung des Ministers seinen Antrag zurüd.

S 4 wird unverändert angenommen, desgleichen ohne Debatte §8 5 und 6. *

8 7 bestimmt in der Kommissionsfassung, daß Sparkassen, die Mindestbeträge unter 25 %, aber nicht unter 15 % in mündelsicheren Papieren anzulegen haben, ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde von thren Jahresüberschüssen zu öffent- lichen, dem gemeinen Nußen dienenden Zwecken des Garantie- verbandes verwenden können: a. ein Drittel, wenn der Sicher- hcitsfonds der Sparkasse 2 bis 5 % der Spareinlagen beträgt, Þ. die gesamten Jahresüberschüsse, wenn der Sicherheilsfonds 5 % oder mehr beträgt.

Sparkassen, die mindestens 25 % ihres Vermögens in mündelsicheren Papieren anzulegen haben, fönnen ohne Ge- nehmigung der Aufsichtsbehörde von ihren Jahresüberschüssen zu den genannten Zwecken verwenden a. die Hälfte, wenn der Sicherheitsfonds 2 bis 5 % der Spareinlagen beträgt, Þ. die gesamten Jahresüberschüsse, wenn der Sicherheitsfonds 5 % oder mehr beträgt.

Der Kompromißantrag der Abgg. Win ckler (kons.), Dr. Schroeder - Cassel (nl.), von Kardorff (freikons.) und Mommsen (fortshr. Volksp.) schlägt die Aenderung vor, daß Sparkassen bei einer Anlage unter 25%, aber nicht unter 20%, in mündelsicheren Papieren für die genannten Zwecke verwenden können: a. ein Viertel der Jahresüberschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 2 bis 5% der Spareinlagen, b. die Hälfte bei einem Sicherheitsfonds von 5 bis 8 %%, c. die gesamten Jahresüberschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 8 oder mehr Prozent.

Der Antrag bestimmt ferner, daß Sparkassen, die mindestens 95 9 des. Vermögens in mündelsicheren Papieren anzulegen haben, in der genannten Weise verwenden können: a. die Hälfte bei einem Sicherheitsfonds von 2 is 59, D Dréêi Viertel bei einem Sicherheitsfonds von 5 bis 8%, c. die ge- samten Jahresüberschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 8 oder mehr Prozent. Endlich bestimmt der Antrag, daß die Verwen- dung der Jahresüberschüsse der Genehmigung der Aufsichts- behörde nur bedarf, wenn die Ueberschüsse zur Deckung von auf geseßlicher Verpflichtung beruhenden Ausgaben des Garantie- verbandes verwendet werden sollen.

Ein Eventualantrag der Abgg. Tourneau (Zentr.)

u. Gen. will für den Fall der Annahme des Antrags Winckler Ö g ¿

in dessen Fassung im ersten Absatz unter þ die gesamten Jahres- überschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 5 oder mehr Prozent verwenden lassen und demgemäß die Nr. c streichen. Jn der= selben Weise soll in dem zweiten Absatz die Nr. b geändert und demgemäß auch dort die Nr. c gestrichen werden. Endlich bestimmt dieser Antrag, daß die Verwendung der Jahres übershüsse der Genehmigung der Aufsichtsbehörde überhaupt nicht bedarf.

Die Abgg. Borchardt (Soz.) u. Gen. beantragen deir Zusaß zu § 7: „Von den zur Verwendung stehenden Beträgen ist in allen Fällen die Hälfte zur- Erhöhung des Zinsfußes der Spareinlagen zu verwenden.“

8 7 enthält endlich in der Kommissionsfassung die Be- stimmung: „Soweit Sparkassensaßungen für die (Garantie- verbände günstigere Vorschriften über die Verwendung der Sparkassenübershüsse enthalten, werden fie durch vorstehende Bestimmungen nicht berührt.“ i h

Ein Antrag der Abgg. Dr. J derhoff (freikonf.) u. Gen. \hlägt hierfür folgende Fassung vor: „Jm übrigen verbleibt es hinsihtlih der Verwendung der Sparkassenüberschüsse bei den bestehenden Bestimmungen, und zwar auch für die vor- bezeichneten Sparkassen, wenn deren Saßungen für die Garantie- verbände günstigere Vorschriften enthalten.“

Abg. Tourneau- (Zentr.): Der §7 ist in der Kommissionsfassung für uns annehmbar, dagegen würde der Antrag Winkler für uns nur annehmbar sein, wenn er nach unferem Antrag geändert würde. Der Abg. Arendt hat gestern den § 7 als ein kleines Trinkgeld bezeichnet ; wir wollen dieses Trinkgeld wenigstens möglichst angemessen gestalten, ohne die Grundlagen der Sparkassen zu gefährden. Wir wollen zwar, daß der Sicherheitsïonds möglichst groß ist, daß aber anderseits den Sparkassen nit übermäßig viel Geld verbleibt, das die Garantie- verbände für ihre Zwecke verwenden können. Die Sparkassen müssen ein Aequivalent dadurh erhalten, daß ohne Genehmigung der Auf- sihtsbehörde ihre Bestände verwendet werden können. Die Garantic- verbände werden selbst entscheiden können, wie es nüßlich ijt, diese Bestände für ihre Zwecke zu verwenden. Mit Nücksicht auf die Haftung der Garantieverbände erscbeint uns ein Sidterheitsfonds von. 5 9/9 vollfommen ausrcichend. Wenn ‘im Großherzogtum Baden ein Reservefonds von 59/9 genügt, so genügt er auch bet uns. Wenn wir den Antrag Borchardt annehmen wollten, so müßte der Zinsfuß in jedem Jahre nah den Erträgnissen erhöht oder vermindert werden : das wäre die Form der Dividende. Der Antrag ist übrigens unvollständig, denn ec müßte auch die Ermäßigung des Zinsfußes vorsehen, wenn feine Uecbershüsse da sind. Darauf werden ich die Antragsteller wohl nicht einlassen. Wir lehnen diesen Anirag also ab.

Minister des Jnnern von Dallwißt:

Meine Herren! Es ist der Staatsregierung nicht leicht geworden, daß sie gerade beim § 7 dem weitergchenden Wunsche, wie er in den Kommissionsbeshlüssen zum Ausdruck gekommen ist, nicht im vollen Umfange stattgeben kann. Aber, meine Herren, es würden bei einer gleidhzeitigen völligen Ausschaltung der Kontrolle der Aufsichtsbehörde und einer unbegrenzten Ausdehnung der Verwendungszwecke, wie sie in den Kommissionsbeshlüssen vorgesehen ist, doch Zustände fich ergeben, die, wie ih glaube, in diesem Haufe als hochbedenkli® und und nicht als haltbar angesehen werden dürften. (Sehr richtig!) Meine Herren, der jetzige Zustand ist der, daß die Kommunen mit Ausnahme von 37 Sparkassen in 3 Provinzen, für die besondere Bestimmungen gelten, ganz allgemein entweder durch die Saßung oder die Bestimmungen des Sparkafsenreglements an die Genehmigung der Aufsihtsbehörden für alle Verwendungs- zwecke gebunden sind, die sie im Auge haben. Diese Genehmigung wird nur erteilt, wenn es sh um gemeinnüßige Auswendungen handelt. Nach dem Vorschlage der Kommission wird zunächst die Verwendung der Sparkassenüberschüsse, die jeßt, wie ih eben erwähnt habe, auf gemeinnüßige Zwecke beschränkt sind, auf alle dem gemeinen Nutzen dienenden Zwecke ausgedehnt, und das, meine Herren, find fo ziemlich alle Ausgaben, die in den Etat einer Gemeinde cingeflellt werden können; ich wüßte momentan wenigstens keine Ausgaben zu nennen, die niht dem gemeinen Nutzen dienen; jedenfalls gehören au alle Ausgaben dazu, die auf Grund ge}eßzliher Verpflichtungen geleistet werden müssen. Die einzige Ausgabe, die mir augenblticklih vorshwebt, ist die der Verwendung für parteipolitishe Zwecke und für Unter nehmungen, die zur Erreihung parteipolitischer Zweckte dienen sollen. Ich ‘nehme an, daß das Haus mit mir darin übereinstimmt, daß folhe Zwee allerdings nicht als dem gemeinen Nuyen dienend bezeichnet werden können. (Sehr rihtig! rets.)

Wenn nun aber die Verwendung durch die Beschlüsse der Kom- mission auf alle Ausgaben autgedehnt worden ist, die in den Etat einer Gemeinde Aufnahme finden können, und gleichzeitig das Er- fordernis ciner Genehmigung, die Kontrolle der Aufsichtsbehörde, fallen gelassen ist, so würde sich folgendes Bild ergeben. Er würde, abgesehen etwa von einzelnen größeren Gemeinden, die nah wie vor die Sparkassenübershüsse zu gemeinnützigen Zweckcn, zu denen sie ursprünglih bestimmt waren, verwenden werden, alle anderen, wenigstens die überwiegende Mehrzahl der mittleren und kleineren Gemeinden, die Sparkassenübershüsse einfah in den Etat einstellen. Meine Herren, daraus würde sich doch aber die Folge ergeben, daß die Sparkassenübershüsse, die aus den Einlagen der minderbemittelten Schichten der Bevölkerung fich ergeben, zu Steuerherabsezungen ver wendet werden, die doch. ganz überwiegend den wohlhabenderen Schichten zugute kommen, da ‘diese infolge der Steueryrogresfion an eine Herabsezung des Steuersolls immerhin ein größeres Interesse haben oder stärker beteiligt find, als die armen Bewohner, die entweder gar nicht oder nur in geringerem Maßstabe zu den städtischen Steuern herangezogen werden. /

Ferner würde die Folge sein, daß die Stadtgemeinden die Spar? kassen nit mehr als das, was sie ursprünglich waren, nämli als gemeinnügige Institute ansehen werden, um der ärmeren Bevölkerung Gelegenheit zu geben, ihre Spareinlagen sicher und cinwandsfrei niederzulegen, sondern daß die Stadtgemeinden sie als städtische Erwerbsinstitute behandeln würden. Das würde aber wiederum die Folge haben, daß das Streben nah Plusmacherei, nah hohen Ueber- \hüfsen, die Oberhand gewinnen würde, und daß das wiederum die Sicherheit und auch die Liquidität ber Sparkassen und der Einnahmen wohl zu beeinträhtigen geeignet sein würde. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, für die Finanzen der Städte würde das nah meinem Dafürhalten auch recht bedenklihe Folgen zeitigen können Es liegt doch auch in den Gemeindeparlamenten das Sirecben vor, mögli hohe Aufwendungen zu machen, ohne die Steuerschraube allzu sehr anzuziehen. Die Magisirate sind bisweilen kaum in der Lage, dem Drängen nach dieser Richtung Widerstand zu bieten, und sie würden, wenn die Notwendigkeit einer \staatlihen Genehmigung gänzli aus- geshaltet werden sollte, um dem Andrängen Widerstand leisten zu

können, dauernde Ausgaben auf unbestimmte, s{chwankentc Einnahmen fundieren. Das kann für die Finanzen einer Gemeinde von geradezu v:.rhängnisvolUler Wirkung sein.

Schließlich kommt aber auhch ter Gesichtspunkt in Betracht, daß wir bisher alljährlich an Sparkafsenübershüssen im ganzen Lande mehr als 20 Millionen Mark für kulturelle, gemeinnüßige, wohltätige Zwecke aufgewendet haben. Diese 20 Millionen würden zum über- wiegenden Teile verschwinden, und es würde damit ein Rückschritt in der kulturellen Entwicklung eintreten können und eintreten müssen, der zu sehr \{werwicgenden Bedenken Anlaß gibt. Um aber den Wünschen, wie fic in der Kommission zur Geltung "gebraht worden find, tunlichst entgegenzukommen, ist die Staatsregierung bereit, zu- nächst dem zuzustimmen, daß niht mehr wie bisher die Verwendungs8- zwecke beschränkt bleiben auf gemeinnützige Aufwendungen, sondern daß sie ausgedehnt werden follen auf alle dem gemeinen Nuyen dienenden Ausgaben, und , daß ferner die staatliche Genehmigung ganz in Fortfall fommen soll für alle bisher zugelassenen Auf- wendungen zu gemeinnüßigen Zwecken, daß sie ferner in Fortfall kommen soll für alle Aufwendungen zu Zwecken, die dem gemeinen Nuwen dienen, soweit sie niht auf gescßliher Grundlage beruhen. Es soll ledigli in den Fällen, wo es sch um Ausgaben handelt für Zwecke, die auf ge\eßliher Grundlage beruhen, die Genehmigung erforderlih sein, um zu verhüten, daß nicht ohne weiteres, und ohne daß cin dringendes Bedürfnis vorliegt, die Einnahmen einfach in dem großen Topf ver- s{winden, und von gemeinnützigen Aufwendungen, auh wo es an- gebraht und notwendig wäre, in Zukunft völlig Abstand genommen wird. Das find Erwägungen, die es in ter Tat geboten erscheinen lassen, in dieser Beschränkung, wie ih fie eben angedeutet habe, und wie se, soweit ih weiß, mit dem Antrage Winkler übereinstimmt, die Genehmigung aufrecht zu erhalten. Bedenken Sie, daß den Stadtgemeinden {hon ein sehr weitgehendès Entgegenkommen erwiesen wird einerseits mit der Aubdehnung der Verwendungszwecke und andererseits mit der Beschränkung der Genehmigung auf einen Bruch- teil der Verwendungszwecke, sür die sie jeßt Sparkassenüberschüsse überhaupt niht verwenden dürfen.

Nun enthält der Antrag des Herrn Abg. Tourneau auch den Wunsch oter die Forderung, taß der Neservefonds, der nah den Anträgen der Abgg. Iderhoff und Genossen auf 80/6 festgeseßt werden foll, auf 59/6 normiert werden möge. Es sollen mithin dann, wenn 5 9/9 des Vermögens als Reservefonds angesammelt sind, alle weiteren Nebershüsse zu beliebigen Zwecken verwendet werden können. Der Reservefonds ist durch das Sparkassenreglement gefordert und gedacht als Puffer, um zu verhüten, daß eine Gemeinde, welche eine Spar- fasse einrihtet, dadur in finanzielle Bedrängnis gerate. Diese Ein- rihtung findet ihre Begründung darin, daß unter Umständen die Sparkassenunternehmen cinen Umfang haben, der zu dem Umfang der betreffenden Gemeinde oder der betreffenden Garantieverbände und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit nicht mehr im Verhältnis - steht. Es können unter Umständen durch Defekte oder dur Verluste, die bei der Sparkasse entstehen, die Finanzen einer Stadtgemeinde nicht nur gestört, sondern geradezu ruiniert werden. Um folche Mißstände ¡u verhüten, muß man eine recht weitgehende Vorsicht obwalten lassen.

Ich darf mir erlauben, Ihnen mitzutetlen, daß, ganz abgesehen von den bekannten Fällen der Stadt Verden in Hannover, die im Fahre 1886 ein so hohes Manko hatte, daß 1908 noch an der Sanierung der Gemeinde gearbeitet wurde, und abgesehen von dem Fall Torgau, der auch vor 1900 lag, seit dem Fahre 1900 in nit weniger als 21 Fällen Sparkassen derartige Verluste erlitten haben, daß die Finanzen der Garantieverbände dadur geradezu ruinös be- cinflußt worden wären, wenn nit glückliherweise zum Teil recht hohe Reservefonds angesammelt gewesen wären. (Hört, hört !),

n einer Kreissparkasse in Westpreußen find 1910 102 5C0 ver- loren gegangen durch Veruntreuungen. Es war mögli, annähernd die Hälfte aus dem Reservefonds zu decken, wodurch der Kreis vor ret unangenehmen Konsequenzen bewahrt blieb. In einer anderen Kreissparkasse in Westpreußen sind in diesem Sahre 30 000 verloren gegangen, in ähnliher Weise in einer städtischen Zparkasse des Kreises Pommern 21 800 alles aus neuerer Zett —, in einer Kreissparkasse in Pommern ebenfalls durch Veruntreuungen 42 000, in Posen in einer Kretsfparkasse 77 000, die aus dem Neserve- fonds voll gedeckt werden konnten, in einer städtischen Sparkasse im Regierungsbezirk Merseburg 1902 31 000, in der slädtishen Spar- fasse Merseburg in demselben Jahre 3840, davon ist mehr als die Hälfte aus dem Reservefonds gedeckt worden; in einer Fleckensparkasse in Hannover 1901 31 000, die aus dem Reservefonds gedeckt werden konnten, in einer Amtssparkasse im Negterungsbezirk Hildesheim 43 000, in der städtischen Sparkasse Dudersladt 32 000 im ganzen 91 Fälle. Ich kann mir wohl ersparen, Ihnen alle einzelnen Daten zu nennen: aber ich möchte auf einen Fall hinweisen, der in diesem Jahre vorgekommen ist. In einer Stadtgemeinde von 1900 Ein- wohnern ift cin Manko hervorgetreten von 220 000 f. Der Neserve- fonds beträgt 50 000, cs werden 150 000 4 in einer winzigen Klein- stadt zu decken sein, die meines Erachtens nur dur) eine allgemeine Hilfsaktion, dur Eintreten des Staats, werden beschafft werden können.

Wenn man derartige Konsequenzen vor Augen hat und überlegt, daß seit 1900 in 21 Fällen durchschnittlih pro Fahr in 2 Fällen derartig betrübende Vorfälle sich ereignet haben, die tatsählich die Finanzen der betreffenden Städte durchaus zu ershüttern geeignet waren, dann, glaube ih, kann man nit leichtfertig von dieser An- sammlung eines ausreichenden Reservefonds absehen. Bisher haben wir an cinem Reservefonds von 10 9/0 festgehalten. Wenn wir jeßt auf 8 9/6 herabgehen, so \heint mir das das Aeußerste zu sein, wa nah dieser Nichtung hin konzediert werden fann angesihts der von

mir angeführten Verhältnisse und der Tatsache, daß, abgesehen von.

Baden, in ganz Deutschland bisher 8 °/o der niedrigste Saß für derartige Fonds is. Bayern hat, soweit ih mi entsinne, 8%, Württemberg 87 9/o, Lothringen 10 9/0, Satfen 10 9/6, Hessen-Nassau 10 9/6 und Oesterrei 10 %/. Es ist also nur Baden, das nach dieser Richtung hin etwas wentger weitgehende Ansprüche stellte. Ob das zum Vorteil der betreffenden Kommunen, Garantieverbände und Sparkassen ist, möchte . ih doch bezweifeln. Alle anderen Staaten haben höhere Säße als die, wie sie hier in dem Antrag der Herren Abgg. Winler und Genossen vor- gesehen find, nämli höhere Säße als 8 /o-

I kaun Sie nur dringend bitten, unker diesen Umständen den Antrag der Herren Abgg. Tourneau und Gen., ter ja von guten Absichten für die Interessen der Städte ‘und der Sparkassen diktiert ist, niht anzunchmen, weil er den tatsächlihen Verhältnissen nach

meiner Ansicht nicht in genügendem Maße Rechnung trägt. (Bravo! rets.)

Abg. Dr. Ider h o ff (freikons.): Die Forderung eines Prozent- satzes von 20 %/o ist durchaus gerechtfertigt. Auch halten wir die vom Gesetz vorgeschriebene Grenze für die Berwendung der Uebershüfse für durchaus richtig. Wir halten deshalb an dem Antrag Winckler fest. Unser Antrag soll nur eine Lücke ausfüllen, die vielleicht bei der Auslegung des Gesetzes entstchen könnte. Es ist in der Tat unter Umständen zu erwarten, daß Gemeinden Ueberschüsse in den Etat ein- tellen, und daß dann diefe dazu dienen, die Kommunalsteuer herab- zusezen. Die Aufsichtsbehörde ee ate” Handhabe haben, hier ordnend eingreifen zu können. Nach dem Wortlaut des Geseßes müßte man annehmen, daß beabsichtigt ist, die Uebers{hüsse nahträglich auf die Einleger zu verteilen. Jch bin gespannt darauf, wie die Antragsteller, die Derartiges wünschen, sih die Sache denken.

Unterstaatssekretär Hol: Es ist hier Bezug genommen auf Verhältnisse der Provinz Hannover, und diese sind in Vergleich mit denen anderer Provinzen gezogen worden. Wir sind \{on in Er- wigtngen darüber eingetreten, die etne einheitlihe Regelung möglich machen.

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.): Wir treten für die Kom- missionsbeshlüsse ein, aber wir haben auch nichts gegen den Abânde- rungsantrag Tourneau, da er eine erheblihe Veränderung niht mit si bringt.

Abg. Mommsen (fortschr. Volksp.): Wir find für den 8&7 in der Fassung des Antrags Winler, soweit es mich und meine Freunde betrifft, die diesem Gesetz freundlih gegenüberstehen. Einen Teil der Veberschüsse für andere Zwecke herauszunehmen, halte ih für bedenklich. Aber in diesem Falle müssen wir erst einmal abwarten, wie die Dinge sih weiter entwickeln werden. Ich werde für den Antrag JFderhof stimmen. Die Abag. Borchardt und Genossen wollen, dat die Uebershüsse der Sparkassen zur Erhöhung des Zinsfußes benußt werden. Dagegen muß ih mich ohne weiteres erklären, denn das würde die Einführung cines s{chwankenden Zinsfußes für die Spar- fassen bedeuten, der auf jeden Fall unzuläjjig ist. Denn die Spar- fassen sind doch niht dazu da, um Leuten, die 50—100 000 auf furze Zeit aufbewahren wollen, zu einem höheren Zinsfuß zu ver- helfen. Für diese Leute hat doch Herr Borchardt und seine Freunde sonst nichts übrig.

Abg. Ne inhard (Zentr.): Für die Provinzen, wo das Spar- fassenreglement gilt, bringt § 7 große Erleichterungen, für die neuen Provinzen, in denen es nicht gilt, dagegen erhebliche Erschwerungen. Die Kommission hat eine Fassung vorgeschlagen, welche den Wünschen der neuen Provinzen einigermaßen entsprach; durch den Antrag Winckler wird dieser Fortschritt leider wieder beseitigt. Wir werden für die Kommissionéfassung, eventuell für den Antrag Tourneau stimmen, aber auch für den eine Verbesserung darstellenden Antrag Jderbhoff. Wir wollen in die bisherige Freiheit der Sparkassen, über ihre Ueberschüsse frei zu verfügen, nicht eingreifen und fönnen unsere Verwunderung darüber niht unterdrücken, daß gerade Herren von der liberalen Partei gegen diese Freiheit auftreten. Der Grundgedanke des Antrages Borchardt hat etwas Bestechendes ; aber {hon der Abg. Mommsen hat völlig zutreffend die dagegen \prehenden Bedenken vor- getragen. Der Antrag ist au prattish nicht durchführbar ; ob sein Grundgedanke irgendwie in cine bessere Form gebracht verden fann, läßt sich nicht übersehen.

Abg. Leiner t (Soz.): Die Schädigung, die durch des Geselz den Sparkassen zugefügt wird, wollen wir nicht rüdckfichtslos auf die Eiuleger legen: wir sehen niht ein, warum die Heraufschraubung des Kurses der Staatspapiere lediglich auf ihre Kosten geschehen foll. Daher unser Antrag. Für diefen ist aber auch noch ein anderer Grund maßgebend gewesen. Indem man die Verwendung der Neber- \hüsse zu Zwecken, „dic dem gemeinen Nußen dienen“, zuläßt, wird der Spielraum für die Garantieverbände erweitert ; können die Ueber- schüsse auch nur teilweise zur Deckung von Wegebau, Schul- und Armenlasten verwendet werden, so wird dadur eine Reduktion der Steuerbelastung ermögliht, und das wollen wir nicht. . Déx Abg. von Kardorff meinte gestern, ih hätte den Sinn des Antrages Winckler überhaupt niht verstanden, die Regierung wolle gerade die Verwendung zu gemeinnüßigen Zwecken, und die vor- ges{riebene Genehmigung des Oberpräsitenten beziehe sich nur auf die Fälle der Verwendung zu Ausgaben, die geseßlich den Garantie- verbänden obliegen. Sehr rihtig; aber in dem Antrage steht do ausdrücklich: „die dem gemeinen Nuten dienen“, das sind ja solche, die der Gemeinde gesetzlich obliegen. Damit wird die Genehmigung für alle diese Ausgaben aus den Ueberschüssen wieder eingeführt, während die Kommission sie gerade aufheben wollte und dies als cin großer Segen bezeichnet wurde. Ich habe den Antrag nur zu gut verstanden. Man will die Freiheit der Garantieverbände wieder ein- schränken, und zwar vou hinten herum. Die gegen den Antrag er- hobenen Einwendungen lassen sich leicht beseitigen, die Cinwendung des Abg. Mommsen dadurch, daß man die Einlagen bis zu einer gewissen Höhe böher verzinst; dann sind die reihen Leute ausgeschlossen. Ünser Antrag würde den Spartrieb fördern, etn Ziel, das doch auch Sie alle wollen. Cine andere Fassung zur dritten Lesung können wir nit beantragen, weil bei der dritten Lesung dazu 30 Mitglieder nôtig sind; wir müssen {on den anderen Parteien überlassen, diese Form zu finden, wenn Sie das Prinzip wollen. Die Veruntreuungen, die den Sparkassen geschadet haben, sind doch nicht die Schuld der Eiuleger, \ondern der Aufsichtsbehörden.

Abg. von Hassell (kons.): Ih verstehe sehr wohl, wenn man bei dieser Gelegenheit für die Garanticverbände zu erreichen sucht, was zu erreichen ist. Es liegt aber auch im Interesse der Garantieverbände, daß die Sparkassen einen starken eservefonds haben. Der Kompromißantrag geht an die Grenze dessen, was wir noch annchmen fönnen. Der Antrag Borchardt ist ließlich felbst dem Interesse der kleinen Sparer entgegen, denn Krankenhäuser usw. werden dann aus den Ueberschüsscn der Sparkassen nicht mehr er- richtet werden.

Abg. Reinhard (Zentr.): Der Abg. Leinert muß wenig praktishe Erfahrungen haben, sonst müßte er wissen, daß fast alle Sparkassen für kleine Einlagen einen höheren Zinsfuß zahlen.

Bei der Abstimmung wird der Antrag Winckler unter Ablehnung der Anträge Tourneau und Borchardt mit dem Antrag Jderhoff angenommen.

Ferner gelangt folgende, von der Kommission vor geschlagene Resolution ohne Debatte zur Annahme : „die Staatsregierung zu ersuchen, eine Uebersicht darüber vor- zulegen, in welchem Umfange die öffentlichen Sparkassen durch Bar- vorrâte oder vorübergehende Belegung der Barbestände bei anderen Sparkassen oder sonstigen Kreditinstituten zurzeit für ihre Liquidität gesorgt haben.“ _ Ferner liegt ein Antrag des Abg. Waldstein (fortshr. Volksp.) vor, die Staatsregierung um Vorlegung eines Geseßentwurfs zu ersuchen, durch den die öffentlichen Sparkassen gegen das Kursrisiko tunlichst sichergestellt werden ene das ihnen der Zwangsbestand an Jnhaberpapieren auf- ürdet.

Der Antragsteller beruft sich zur Begründung dieses Antrags auf seine Ausführungen in der allgemeinen Besprehung und bittet im Interesse der Sicherstellung der Sparkassen um Annahme des Antrags. i

__ Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freikonf.): Meine Freunde erblicken in dem Antrag eine durhaus dankens- weite Anregung und wünschen, daß aus dieser Anregung auch Praktishes für die Sparkassen hervorgehe, aber bisher habe ih keinen gangbaren Weg zur Erreichung des in dem Antrag Vorgeschlagenen erkennen können und auch in den Ausführungen des Antragstellers sichere Mittel vermißt, wie fich in der Praxis die Ausführung des Gedankens gestalten läßt. Es erscheint uns deshalb wünschenswert, diese Aufgabe der Konimission zu über-

weisen, die mit der Vorberatung des Sparkassengesebes betrant war Ob fie freilich zu einem positiven Ergebnis fommen wird, ijt zweifelhaft. :

Abg. Winckler (kons.): Mit dem Vorbehalt, day dur Ueberweisung des Antrags an die Kommission die geschäftliche r- ledigung des Geseßentwurfs selbst hier im Hause nicht beeinträchtigt

‘wird, kann ich mi der Anregung des Abg. von Zedliß ansließen.

Ich glaube allerdings auch faum, daß dabei etwas herausfommen wird. I nehme an, daß die Kommission nah der dritten Beratung des Geseßentwurfs in die Beratung dieses Antrags eintritt. h

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.): Auch id möchte bitten, von der Bebandlung des Antrags, ten i an sih für beahtenswert halte, nit das Schicksal des Gesetzes abhängig zu machen. _

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Für uns ist die Sache von geringem Belang. Wir lehnen das ganze Gesetz ab. |

Abg. Wal dstein (fortshr. Bolkep.): Em Geselz, das die Abs sicht hat, Wunden zu schlagen, hat auch die Aufgabe, für die Heilung Vorsorge zu treffen. _ Abg. Winckler (kons.) beantragt darauf, den Antrag MWaldstein einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern ¿U überweisen. L

Dies wird mit großer Mehrheit beschlossen. 5

Damit ist die zweite Beratung des Sparkassengeseßentwur\s beendet. j

Es folgt die Fnterpellation der Mizerski (Pole) und Genossen:

„Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß die König- lihe Ansiedlungsfommission für Westpreußyen und Posen am 10. d. M. beschlossen hat, verschiedene ländliche Besißungen im Wege der Enteignung zu Ansiedlungs- zwecken zu erwerben? Wie glaubt die Köntgliche Staats- regierung, diese mit dem Artikel 9 der Nerfassungsurkunde für den preußishen Staat und mit dem Artikel 3 der Verfassung des Deutschen Neiches in Widerspruch stehende Maßnahme rechtfertigen zu können 2“

Auf die Frage des Präsidenten erklär! sich der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Frel- herr von Schorlemer bereit, die Jnterpellation joforl zu beantworten.

Zur Begründung der Jnierpellation erhält das Wort

Abg. Korfanty (Pole): In dem Augenblick, wo auf dert Balkan die christliGen Völker, von den Sympathien aller anständigen Elemente der zivilisierten Welt begleitet, mit ihren Bedrängern ab- renen, unternimmt die preußische Negierung einen Schritt, der die echte anderer Nationalitäten mit Füßen tritt. Die preußische Regierung macht zum ersten Male von ihrem sogenannten Recht der Enteignung Gebran. Die Ansicdlungskommission hat am 10. d. M. beschlossen, vier Güter zu enteignen. Der Besitzer des einen Gutes ijt der Nachkomme eines Mannes, der auf dem Schlachtfelde von Königgräß für besondere Tapferkeit zum Leutnant bejördert worden ist. Ein anderes Gultx grhört einer Witwe mit unmündigen Kindern. Im ganzen sind es 1700 ha, und wegen dieser 1700 ha follen die heiligsten Grundsäße jedes geordneten Staatswesens verleßt werden. Zur Besiedlung kommen von jenen 1700 ha nur 827 ha, auf denen ungefähr 75 Bauern angefiedelt werden follen. Seit dem 20. März 1908 hatte die egierung formell dieses Recht zur Verfügung, ohne davon Gebrauch zu machen. Trotz des Drängens der Hafkatisten, dieser Patentpatrioten, scheute sih die Nes gierung bisher, unser Eigentum anzutasten, sih daran zu vergrelsen- Die Kolonisation ist in diesem Falle Hefkuba. Man gibt nur dem Drängen des rasüchtigen Hakatiemus nach, ein Bedürfnis der nt» eignung liegt nicht vor. Die Ansiedlungskommission hat größere Fiäch.n zur Ansiedlung zur Verfüguna gehellt. Die polnishe Be- völkerungéziffer is gesunken. Ein Mangel an Land ist nicht vor- handen. Der Schritt der Regierung ist alfo eine Perhöhnung alles dessen, was bisher unter zivilisierten Völkern als Recht bestanden hat. Die bisherige Polenpolitik war {hon shädlich und aufreizend genug: nahdem man uns jahrzehntelang in Kirhe und Schule und durch die Ansiedlungsnovelle und die Sprachen- verordnungen drangsaliert hat, greift man nun zum Aeußersten. Wir leben unter einer Gewaltherrschaft. Man knechtet unsere Nation. Fept will man fie von Hof und Heimat verjagen. Bei uns werden alle ohne Nückfsicht auf Rang und Stellung drangsaliert. Man ruiniert unferen Wohlstand und sucht unsere Kultur zu vernichten. Im Herrenhause sagte ein Mitglied seinerzeit, man könne nicht in derselben Weise kolonisieren und germanisieren wie früher. Das heißt doch nur, man könne uns nicht mit Feuer und Schwert vernihten, wie es seinerzeit Markgraf Gero gegenüber den slawischen Völkerschaften getan hat. Das Herrenhaus soll ein Gegengewicht sein gegen etwaige shädigende Tendenzen des anderen Hauses. Da ist es doch charafteristis, daß dort cin solcher Ausdruck fallen konnte. Gegen das Polentum geht man vor, weil de Bevölkerung sih nit nur behauptet, sondern auch vorwärts kommt und die größten Opfer nicht scheut, um si als Volk zu behaupten. Als seinerzeit der preußische Kông polnische Teile okfupierte, da hieß es: „Auch ihr habt ein Vaterland, Ihr werdet meiner Monarchie einverleibt, ohne eure Nationalität verleugnen zu müssen. Ihr werdet in meinem Staate cine be- sondere Verfassung erhalten. Eure Neligton wird aufrecht erhalten werden, und euer Eigentum fehrt wieder unter den Schutz des Gesetzes zurück*. Deshalb vergreift man sich wohl jeßt an dem polnischen Eigentum, um den Wert von Königsworten zu bekräftigen. Ferner heißt es: „eure Sprache soll neben der unserigen gebraucht werden, und jeder Pole soll nach scinen Fähigkeiten zu allen Aemtern zu- gelassen werden". Solches versprach der preußische König, der uns zu diesem Staate geschlagen hat. Vergleichen Sie unfere Lage, und dann frage ih jeden: was ist aus den Worten des Königs geworden ? Welche Achtung sollen wir vor einem Staate haben, in dem Kön1gs- worte etnen folhen Wert haben? Die preußishen Minister haben ih nicht gescheut, von der Tribüne dieses Hauses herab , ohne Widerspruch zu finden, unserer Bevölkerung vorzuwerfen , daß sie genügsamer und bodenständiger als die deutsche ist und dadurch die Deutschen verdränge. Fast eine Milliarde Mark hat' der Staat ausgegeben, um unsere Bevölkerung zu drangsalieren, Zieht sie nah der Stadt, sofort erbalten die Deutschen außerordentlihe Mittel, um sh zu behaupten. Ziehen die Polen nach dem Westen, dann wird ein Geschrei erhoben, daß im Westen ein zweites Polen entst.-he. So wird es unserer Be- völkerung unmöglich gemahr, Grund und Boden zu erwerben. Auf der anderen Seite wird der mit uns zusammenlebenden deutschen Bez völferung alles Vorteilhafte geboten. Die ganze Bevölkerung besteht deshalb do zum größten Teil aus Staatsstipendiaten, die felbst aus eigenen Mitteln niht zu unterbalten find. Das ist ein ununter- brochener Bruch der Verfassung. Zu diesen Mitteln müssen wir doch auch beitragen. Wir wissen alle, welche Pression die Viinister und die Regierung angewandt haben, um ihren s{limmen Zweck zu er- reichen. Entgegen den Tatsachen hielten die Negierungsvertreter stundenlangaë Neden über die angebliche Gefährlichkeit der Polen, die ganz besonders während der Zeit cines Krieges zu Tage treten würde: Fürst Bülow hat sich sogar hinter der Krone verschanzt und behauptet, daß es der Wunsch dieser sei, daß dieses Gewaltg: set zustande kommt. So etwas darf do kein Minister tun. Die Krone ist doch verant wortungsfrei. Fürst Bülow hat dann die berühmte Erklärung ab2 gegeben, daß cine Anwendung des Gesetzes wohl kaum erfolgen werde? Die Tatsachen aber stehen zu diefer Behauptung in krafsem Wider spruch. Eine solche Handlungsweise der Regierungsvertreter will ih ntcht qualifizieren. Ein jeder kann sih das Urteil darüber allein bilden. Troßdem beide Häuser des Landtages mit nicht fo große Mehrheit ihre Zustimmung gegeben haben, halten wir das Vorgehen der Königlichen Staatsregierung für ungeseßlich und im Wider» \pruch mit der Verfassung stehend. Deshalb ist au der Beschlufi der Ansiedlungékommisjsion verfassunaswidrig. Die Stagatsgrunds geseze sollen doch ein unershütterlihes Ret datjtellen, sie bedeuten, daß die individuelle Freiheit dur) keine Kammel

Abgg. Dr-