1893 / 165 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Jul 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Der cteur der 1. Cavallerie-J Jn cilón, Meneral der R vin Krosigk, à la suite des Leib-Garde Husaren Regiments, hat sich mit vierwöhigem Urlaub nach der Provinz Sachsen begeben.

Der neuernannte Kaiserlihe Gesandte für China Frei- herr Schenck zu Schwelnsberg ist in Peking eingetroffen.

Der Regierungs-Assessor von Reiche in Arnsberg ist der Königlichen Regierung zu Lüneburg und der Regierungs- Assessor von der Osten zu Münster der Königlihen Re-

ierung zu Arnsberg zur weiteren dienstlihen Verwendung Überwiesen worden. :

Der Regierungs-Assessor von Doetinhem de Nande zu Usitigen is bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Steinburg zur Hilfeleistung zugetheilt worden.

Vayern.

Bei den gestrigen Wahlen zur bayerishen Ab- geordnetenkammer wurden nach_ einer Meldung des „W. T. B.“ 3 Consexvative, 73 Clerikale, 7 Bauernbündler, 68 Liberale, 1 Mitglied der Volkspartei und 5 Socialdemo- kraten gewählt. Zwei Mandate sind zweifelhaft, werden jedo vorausfichtlih Bauernbündlern zufallen. Fn München wurden 5 Liberale, 3 Clerikale und 1 Socialdemokrat gewählt.

Sachsen.

Seine Majestät der König begab sich, wie das „Dr. J.“ meldet, mit Jhren Königlichen Hoheiten dem Prinzen Georg und dem Prinzen Friedrih August gestern früh nah Döbeln zum Besuche der dortigen Gewerbe- und Jndustrie- ausstellung. Die Ankunft in Döbeln erfolgte um 10 Uhr. Gegen 2 Uhr trat Seine Majestät mit den Prinzen die Rü- reise nah Pillniy an. S0

Seine Hoheit der Erbprinz und Jhre Königliche

oheit die Érbprinzessin von Sachsen-Meiningen,

öchstwelhe seit dem 7. Juli zum Besuh Jhrer Majestäten in vim weilten, haben das Königliche Sommerhoflager vor- gestern Abend wieder. verlassen.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser ist gestern Abend in J\{chl eingetroffen. Auf dem Bahnhofe hatten sih die Erzher oginMarieValerie, viele Würdenträger und eine große Volksmenge eingefunden, die den Kaiser herzlichst c

Bei den Ersaßwahlen für den Tiroler Landtag wurden dem „W. T. B.“ zufolge in den Südtiroler Städte- bezirken die früheren Landtags-Abgeordneten wiedergewählt.

Großbritannien und Jrland.

Jn der gestrigen Sihung des Unterhauses theilte der Parlaments-Secretär des Auswärtigen Sir E. Grey mit, daß der Regierung keine amtlichen Nachrihten über ernste Vor- gänge auf Neu-Fundland zugegangen seien. Der De-

putirte Sexton, der vorgestern von der Sißung ausgeschlossen worden war, wünschte zu wissen, wic er das Verhalten des Vorsißenden gegen ihn zur Sprache bringen könne. Der Sprecher erwiderte, Sexton könne dies durch Anmeldung eines Antrags thun, er (der Sprecher) lehne es ab, sich in die An- gelegenheit zu mischen. Jm weiteren Verlauf der Sißung erklärte

der Parlaments-Secretär der Kolonien Buxton auf eine Anfrage, die colonialen Behörden in Neu-Fundland hätten einen Eingangszoll auf gewisse Vorräthe und Lebensmittel er- hoben, die aus Halifax auf einem britischen A für die Capitäne zweier F anöfsben Schiffe, die sih mit Fischerei am Vertragsufer beschäftigten, sowie für die Hummerfactorei an jenem Ufer eingeführt worden wären. Der französishe Admiral habe an den britischen Flottenofficier geschrieben und die Herausgabe der wegen Nichtzahlung zurückbehaltenen Waaren sowie die Nück- erstattung der unterProtest gezahlten Zölle gefordert. Der Admiral sei mit seiner Forderung an die Regierung von Neu-Fundland verwiesen worden; er sei dann nah St. Johns gegangen und habe dort seine Forderung wiederholt. Diese sei abgelehnt worden, worauf der französishe Admiral cinen formellen Protest gegen den Gouverneur eingereiht habe und sofort “nah St. Pierre absegelt sei. Die englishe Regierung habe von der französishen Regierung noch feine

ittheilung über diesen Zwischenfall erhalten. Bei der sodann fortgeseßten Berathung des 8 9 der Homerule- Bill beantragte der Premier - Minister Gladstone die Streichung der Unterabsäße 3 und 4, sodaß die irischen Vertreter im Reichs-Parlament bei allen Gegenständen stimm- berechtigt bleiben sollen. Der Premier-Minister erklärte, die Regierung habe sih bei diesem Antrage durch eine allgemein im Hause verbreitete Ansicht leiten lassen, nah welcher die irishen Abgeordneten für alle Gegenstände im Reichs-Parla- ment bleiben sollen. Nathbone und Wallace (Nadicale) bekämpften den Antrag Gladstone's energish. Die Debatte wurde s{chließlich vertagt.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer beshloß in ihrer gestrigen Sißung, wie „W. T. B.“ berichtet, nah sehr lebhafter Debatte mit 252 gegen 220 Stimmen, den Gesezentwurf über die Getränkesteuer-Neform von dem Budget zu trennen, und n emigte hierauf leyteres mit 396 gegen 28 Stimmen.

odann wurde der Geseßentwurf über die Colonial- Armee angenommen. Der Deputirte O be nta em, dag die Hälfle dex Militärpflichtigen aus der Jahresklasse 1890 vom 1. Oktober d. J. ab auf sechs Monate beurlaubt und die Reservisten im Jahre 1893 nur zu einer 21tägigen Uebung statt zu einer 28 tägigen einberufen werden sollten. Die hier- durch erzielten Ersparnisse im Betrage von 19 Millionen Francs sollten an die durch die Trockenheit in Nothstand ge- rathenen Landwirthe vertheilt werden. Der Antrag wurde an die Bureaux verwiesen. Wie es heißt, wird der Krieg s- Minister dem von Beauquier eingebrahten Antrage, betreffend die Beurlaubung von Militärpflichtigen, entgegen- treten. Eine Anzahl von Deputirten brachte einen Bed: entwurf über Prägung ciner Nickel-Scheidemünze ein.

Belgien.

Nach einem Telegramm der „Magdeb. Ztg.“ aus Brüssel

ätte in dem vorgestern unter Vorsiß des Königs O inisterrath der Kriegs-Minister den Entwurf einer Reorganisation des belgishen Heeres vorgelegt. Es werde dadurch der persönliche Heeresdienst eingeführt und die Kriegsstärke der belgischen Armee auf 300 000 Mann gebracht.

Beauquier

Serbien.

Die Skupschtina hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, in zweiter Lesung den allgemeinen Zolltarif en bloc angenommen. ie namentlihe Abstimmung erfolgt heute. Die provisorishen Handelsabkommen mit Frankrei ch und England find der Skupschtina zugegangen. N

Der liberale Central-Aus\chuß hat an die in Karlsbad weilenden angeklagten chemaligen Minister Ribara c und Kundovic die Bitte gerichtet, zu der Verhandlung der Anklage vor der Skupschtina zu erscheinen, da auch die übrigen Angeklagten ihr Erscheinen freiwillig zugesagt hätten.

Amerika.

Dem „New-York Herald“ wird aus Valparaiso ge- meldet, daß die Stadt Rio Grande do Sul vorgestern Abend zu Wosser und zu Lande von den Jnsurgenten unter Führung des Generals Saraiva und des Admirals van den Kolk angegriffen worden sei. Ueber den Ausgang des Kampfes liege keine Meldung vor, da die Regierung von

Rio Grande im Besiße der Telegraphenlinien sei und Depeschen .

zur Beförderung niht angenommen würden.

Afrika.

Der „Times“ wird unter dem 12. d. M. aus Sansibar gemeldet, der Sultan habe durch eine Proclamation bekannt gegeben, daß die Verwaltung der Häfen und des Ge- biets von El Benadir provisorisch auf drei Jahre an Jtalien überlassen worden sei.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

5. Sihung vom Donnerstag, 13. Juli, 12 Uhr.

Der Sizung wohnen bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall, der Königlich preußische Kriegs-Minister von Kaltenborn-Stachau, der Königlich preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Ren, der Königlich bayerishe Bevoll- mächtigte zum Bundesrath Ritter vom Haag, der Königlich sächsishe Kriegs - Minister Edler von der Planitß, der Königlih sächsische Bevollmächtigte zum Bundesrath Graf von Hohenthal und der Königlih württembergische Staats- a des Kriegswesens Freiherr Schott von Schotten- tein.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Jnterpellation der Abgg. Dr. Osann und Gen.:

„Der Unterzeichnete erlaubt sich an den Herrn Reichskanzler die Anfrage zu rihten, ob nicht angesihts des bedauerlihen Noth- standes in Betreff von Futter- und Streumitteln, welcher in ver- schiedenen Theilen von Deutschland herrscht, von der geplanten Ab- haltung von Manövern in diesen Landestheilen für das gegen- wärtige Jahr abgesehen werden kann.“

Der Königlich preußische Kriegs - Minister von Kalten - born-Stachau erklärt si bereit, die Juterpellation sofort zu beantworten.

Abg. Dr. Dsann (nl.): Die große Dürre habe dazu ge- führt, daß in einigen Gegenden ein Futtermangel eingetreten sei, der im Laufe des Jahres durh feuchteres Wetter nicht mehr ausgeglihen werden könne. Neben der Selbsthilfe, die überall eiugeireten, habe man aut aus den Mitteln der Einzel- staaten {on helfend eingegriffen. Wenn in den nothleidenden (Sebieten Cavallericmannöver abgehalten würden, so werde die Lage eine noch viel ungünstigere werden. Deshalb habe die hessische Kammer beschlossen, die hessishe Regierung aufzufordern, im Bundes- rathe dafür zu wirken, daß in den nothleidenden Bezirken keine Manöver stattfinden. Die dürftige Aushilfe, welche beschafft werden könne, werde gerade nur auéreihen zur Erhaltung des Viehs den Winter über. Durch die Verschiebung der Manöver könne für das Militär kein folher Nothstand cintreten, daß man deswegen den Nothstand der Landwirthschaft niht zu beahten brauchte. Ebenso gut wie bei dem Drohen der Cholera-Epidemie die Manöver abgesagt worden, könnte das auch im Interesse der Landwirthschaft gesehen. Bei den Manövern werde Futter requirirt ; woher solle dasselbe aber genommen werden, wenn die Piivaten selbst kein Futter für ihr Vieh haben ?

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Königlich preußischer Kriegs- Minister von Kaltenborn-Stachau: Jch will zu dieser weite Kreise beshäftigenden Frage den Standpunkt der preußischen Kriegs- verwaltung darlegen. es das Necht des Kaisers ist, die Manöver anzuordnen, is felbstverständlih. Die Militärver- waltung hat sich mit dieser Futterfrage au beschäftigt. Sie hat angeordnet, daß statt der Streumittel Surrogate: Torfstreu, Holz- spâne 2. verwendet werden; die Zusammenseßung der Fourage- ration foll geändert werden und die arofa Gefrieranstalten in Straßburg und Meß sollen mit Fleis gefüllt werden, zu welchem das Vieh aus den Gegenden bezogen werden \oll, wo Futtermangel herrsht. Es sind Berichte cingefordert worden, ob Anlaß vorliegt, einex anderweitigen Gestaltung, einer Verschiebung der Manöver näher zu treten oder die Manöver ausfallen zu lassen. Das Ergebniß ist aber gewesen, daß für solhe Maßregeln der Zeitpunkt noch nicht ge- kommen ist. Es sollen aber Maßregeln zur Erleichterung der Bevölkerung getroffen werden: Fourage und treu foll von den Proviantämtern beschafft werden; Quartierverpflegung statt der Magazinverpflegung foll angeordnet werden, soweit überhaupt auf geeignete Verpflegung zu rechnen ist ; das Vieh \oll zunächst in den Manövergegenden angekauft werden; wo Wassermangel eintreten sollte, Poll durch Mitführung von Wasserwagen geholfen werden. Fur die Pferde kann natürlich - das Wasser niht mitgeführt werden, aber für die Fußtruppen ist das Wasser: mitfahren {hon öfter durchgeführt worden. Zur Zeit ist garnicht aus- geschlossen, daß die Futter- und Wässerverhältnisse sich bis zum Anfang der Manöver ändern. Daß dies der Fall sein möge, wünsche ih im allgemeinen Interesse.

Auf Antrag des Abg. Dr. Bachem, der von allen Parteien mit Ausnahme der conservativen unterstüßt wird, tritt das Haus in die Besprehung der Jnterpellation ein, in welcher der

Abg. Broekmann (Centr.) das Wort erhält, um im Interesse der Eifelgegenden, die besonders von der Futternoth heimgesucht sind, den Ausfall ter Manöver zu befürworten.

Abg. Dr. von Frege (dcons.) dankt dem Interpellanten für die warme Vertretung der Landwirthschaft und begrüßt sie als Morgenroth einer neuen Aera. Es. handelt sich bei der Frage der Futternoth um fo viele s{chwerwiegende Interessen der kleinen Land- wirthe und der kleinen Städte, die immer mehr unter den Manövern zu leiden haben als die großen Städte; denn die Manöverlasten sind Ehrenlasten, die immer noch mit Freude getragen werden. Bei der O Futtern oth kann ih den Wun{h nicht unterdrücken, daß die heute abgegebene Erklärung des Kriegs-Ministers nicht als definitiv angesehen werden möge. Wir können allerdings jeßt noch nicht übersehen, wie \sich in vier bis s Wochen die Futterverhältnisse gestalten werden. Sollte aber die Fütternoth

andauern, dann glaube ih verpflichtet zu sein, auszusprechen, daß die Maßregeln, welche der Kriegs-Minister vorgeführt hat, nicht E reichend sind. ann Ausnahmemaßregeln nothwendig sein. Die Einführung der Magazinverpflegung wird Us gewünsd. Die Cavallerie-Brigade- Erercitien im Terrain könnten auf den E ercier- phen stattfinden und die Manöver der Fußtruppen könnten be ränkt werden. Vom sächsishen Ministerium ist festgestellt worden, da der Noth- stand in Sachsen in fester Weise abgegrenzt ist ; an anderer Stelle Deutsch». lands is der Nothstand ein großer. nehme an, daß die Er- mittelungen der Sachverständigen des Kriegs-Ministeriums dahin führen werden, die Manöver auf folhe Landestheile zu beshränken, wo die Futternoth nit so erheblih ist. Besonders wird ein Schaden ein- treten für die mittlere und kleinere Landwirthschaft, welhe auf den Anbau von Zwischengewähsen zu Futterzwecken angewiesen ist. Hier muß daran gedacht werden, daß der Viebstand unserer Nation erhalten wird ; denn wenn ein Rückgang der Viehproduction eintritt, so wird das auch für die Militärverwaltung sehr bedenklih sein, namentli im Falle der Mobilmachung. Die Soldaten werden freudig begrüßt von der Jugend, aber wir müssen auch ein warmes Gefühl für die Landwirthe haben, damit sie in ihrem Patriotismus erhalten werden. Denn woher kommen die Abgeórdneten, welhe für die Militärvorlage sind? Vom platten Lande!

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General- Lieutenant Freiherr von NETS! Eine Verschiebung von Exercitien hat z. B. bezüglih der Eifel {on stattgefunden oder is in die Wege geleitet worden. Die Militärbehörden berathen fort- laufend mit den Civilbehörden und werden sich bemühen, den Nothstand nicht durch militärishe Uebungen zu ver- schärfen. Die Dung sieht es für ihre Pflicht an, dafür zu forgen, daß die Truppenübungen der Bevölkerung nicht lästig fallen. Wenn das Streustroh für die Pferde und das Lagerstroh für die Mannschaften von der Militärverwaltung geliefert werden, so kommt dadurch ein Zuwachs von Stroh in die nothleidenden Gegen- den, der nicht zu verachten ist.

Abg. Burger (Centr.) weist darauf hin, daß in Mittel- und Unterfranken, wo der Nothstand sehr bedeutend is, gerade Manöver

stattfinden sollen; er hoffe, daß die bayerishe Militärverwaltung sich:

bemühen werde, die Manöver in besser gestellte Gegenden zu verlegen ; daß bis zum Beginn der Manöver sich die Verhältnisse verbessern sollten, könne er nicht annehmen. Denn selbst, wenn die Witterungs- verhältnisse sich besserten, würden die Manöver das Futtermaterial, welches inzwishen wächst, vernihten. Die Landwirthschaft brauche die Futtermittel dringend nothwendig, deshalb sei es Sache der Reichs. und bayerischen Militärverwaltung, auf die Landwirthschaft Rücksicht zu nehmen.

Abg. Kröber (Süddeutshe Volkspartei) bestätigt, daß die Ab- haltung von Manövern in gewissen Gegenden Bayerns, so in Mittel- franken, den Nothstand erheblih vershärfen würde. Redner is mit dem Abg. Dr. von Frege in dieser Frage vollständig einverstanden, spriht aber die Erwartung aus, daß die Herren (rechts) au den An- trag wegen Aufhebung der Zölle auf Futtermittel annehmen werden.

Abg. Köhler (D. Reformpartet) erklärt, daß die Landwirthe die Lasten der Manöver nicht tragen können, er beruft fich auf eine Zuschrift aus seinem Wahlkreise.

Beyollmächtigter zum Bundesrath, Königlich bayerischer Kriegs- Minister L von Asch zu A\ch erklärt, daß die Sache bezüglich der Berücksihtigung der Nothstandsgegenden bei den Manövern in die Wege geleitet worden is. Bezüglich Unterfrankens ift der voll- ständige Ausfall der Manöver angeregt worden von den landwirth- schaftlihen Vereinen und von den Behörden. Ein Bericht des Genecral-Commandos über diese Frage ist aber noch nit eingelaufen. Jedenfalls wird die Sache aber im Auge behalten werden.

Abg. Dr. Schönlank (Soc.) meint, daß die Maßregeln, welche der preußische Kriegs-Minister vorgeschlagen habe, fehr viel Gekd kosten würden, welches man besser zur Unterstüßung der nothleidenden Landwirthschaft verwenden könne. Das Wasser, welches auf die Manöver- felder nahgefahren wird, wird wohl nicht zu trinken fein. Einzig und allein hilft die Aufhebung der Zölle niht nur auf Futtermittel, sondern auch auf Lebensmittel.

Nach Schluß der Besprechung über die Jnterpellation

Osann geht das Haus zur Berathung der Militärvorlage

über.

S 1 (Friedenspräsenzstärke) wird mit 198 gegen 187 Stimmen angenommen. Dafür stimmen außer den Conservativen, der deutschen Neichspartei und den National- liberalen die Polen, von denen nur einer fehlt, die Antisemiten, von denen die Abgg. Ahlwardt, Liebermann und Leuß fehlen, die freisinnige Vereinigung, vom Centrum die Abgg. Prinz Arenberg und Lender ; dagegen der Abg. Pachnicke.

Dem Reichstag ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags-Etats für das Jahr 1893/94, und im Anschluß daran der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltung des Reichs- heeres zugegangen.

In dem Gesey wird die Ausgabe auf 71 282547 M, nämli auf 23 221 848 4 an fortdauernden und auf 48 060 696 4 an ein aligen Ausgaben festgestellt.

Die fortdauernden Ausgaben seßen sich wie folgt zusammen: Kriegs-Ministerium 2400 , Militär-Kassenwesen 2500, Militär- Intendanturen 1200, Militär-Justizverwaltung 1450, höhere Truppen- befehlshaber 10 368, Ingenieur- und Pionier-Corps 132 150, Geld- verpflegung der Truppen 9 379 291, Naturalverpflegung 4 603 508, Bekleidung und Ausrüstung der Truppen 1 933 355, Garnisonver- waltung und Serviswesen 1973516, Garnisonbauwesen 64 181, Militär-Medizinalwesen 563 322, Verwaltung der Traindepots 900, Ver- pflegung der Ersatz- und Neservemannschaften 79598, Ankauf der Remonte- pferde 192 248, Verwaltung der Nemontedepots 31 695, Reisekosten und Tagegelder 177 706, Militär-Erziehungs- und ien 50 425, Artillerie- und Waffenwesen 308 269, Bau und Unterhaltung der Festungen 5925, Wohnungsgeldzuschüsse 335 525, Unterstüßungen 12475, verschiedene Ausgaben 3650, in Summa 19 706 461 M4, wovon 17 302 201 A auf Preußen, 1701314 A auf Sachsen, 702 946 M. auf Württemberg entfallen. Hierzu kommt die bayerische Quote mit 2515387 #4 und 1 Million Mark zur Verzinsung der Mittel, welche zur Deckung der einmaligen Ausgaben voraussichtlich nöthig werden, also insgesammt betragen die fortdauernden Ausgaben, wie oben angegeben, 23 221 848 M ;

Für Preußen ift die Position von 10368 M für höhere Truppenbefehlshaber für ein halbes Jahr berehnet und sollen 2 Fuß-Artillerie-Inspecteure für die zu errihtenden Stäbe der d. und 6, Fuß-Artillerie-Jnspection neu geschaffen werden. /

Vei den Ingenieur- und Pionier-Corps sind neue Stellen in Aussicht genommen für 3 Commandeure der Pioniere des 1, 15. und 16. Armee-Corps mit je 1 Second-Lieutenant alé Adjutanten, ferner die Errichtung von 3 Pionier-Bataillonen in Königsberg, Straßburg und Mey, was einen Kostenbetrag von 120 744 M ergiebt. ;

Bei der Geldverpflegung der Truppen kommen zunächst als neu in Betracht 5 Negiments-Commandeure, und zwar 3 bei den edo und 2 bei den Eisenbahn-Regimentern.

nfolge der dur die Einführung der 2 jährigen Dienstzeit gebotenen intensiveren Ausbildung der E fenbabnirupven im Eisenbahn- betriebsdienst erweitern sich die Aufgaben und der Umfang der L etricbs- abtheilung der Militärersenbahnen, sodaß es {hon aus disciplinaren Gründen nothwendig wird, dem an der Spitze dieser Abtheilung

stehenden Offizier (Director der Militäreisenbahn) welcher jeyt Stabs-

offizier ist, Rang und Gebührnisse eines Regiments-Commandeurs beizulegen. | 2 l )

Es werden neugebildet: 2 Stäbe für Fuß-Artillerie-In- spectionen, 3 Fuß- Artillerie Regimentsstäbe, 3 Stäbe für Pionier- commandos, 1 Eisenbahn-Regimentsstab, 133 Infanterie - Halb-

eld - Artillerie, ah e : O und 3 Lehrbatterien bei der [d-Artillerie-Schießschule, 5 Fuß-Artillerie-Bataillone, 1 Bataillons- ab und 1 Lehr-Compagnie bei der Fuß-Artillerie-Schießschule ; wie hon oben erwähnt, 3 Pionier-Bataillone, 2 Eisenbahn-Bataillons- täbe, 7 Eisenbahn-Compagnien, 1 e oepaguie Außerdem er- falten Verstärkungen: der Eifenbahn- Brigade tab, 92 Infanterie- Regimenter, 9 Jäger-Bataillone, das Militär-Reitinstitut, die Feld- Artillerie-Schießschule, die uß-Artillerie-Regimentsftäbe, die Versuchs- Compagnie der Artillerie-Pr fungscommission, 16 Pionier-Bataillone, 1 Eisenbahn-Regimentsstab, 3# Cisenbahn-Bataillone, die Luftschiffer- Abtheilung und die Train-Bataillonen. Es werden an neuen Stellen hierdurch nöthig: außer den oben angegebenen 5 Regiments- Commandeuren, 167 Bataillons-Commandeure, 180 Hauptleute und Rittmeister 1. Klasse, 46 Hauptleute und Rittmeister 2. Klasse, 353 Premier-Lieutenants, 619 Second-Lieutenants, 16 Ober-Stabs- ärzte, 8 Stabsärzte, 156 Assistenzärzte, 1 Ober-Roßarzt, 16 Roß- ärzte, 162 Zahlmeister, 144 Büchsenmacher und 17 Waffenmeister.

An Mannschaften kommen neu hinzu: 466 Feldwebel, Wacht- meister und Ober-Feuerwerker, 367 Vice-Feldwebel und Vice-Waht- meister, 139 Portepee-Fähnriche, 2256 Sergeanten, 4683 Unteroffiziere, 6 Stabshautboisten 2c, 165 Hautboisten, 133 Bataillons-Tambours, 6153 Capitulanten, 1404 Gefreite, 40 684 Gemeine einschließlich der Spielleute, 23 Oekonomiehandwerker, 160 Zahlmeister-Aspiranten, 363 Lazareth-Gehilfen. /

Der Bedarf für die Naturalverpflegung wird ange- nommen auf 7582 t Roggen, 3302 t Hafer, 1544 t Heu, 2162 t Stroh. Die betreffenden Ausgaben sind unter Zugrundelegung der Etatsansäge für 1893/94 berechnet.

Beim Garnifonverwaltungswesen kommen als neu hinzu: 16 Kasernen-Inspectoren aus Anlaß des Hinzutritts von Garnison- verstärkungen und deren Unterbringung in vorhandene Kasernenräume, in zu miethenden Privatkasernen und in zu erbauenden Baracken in Berlin, Schöneberg, Königsberg i. Pr., Erfurt, Posen, E Koblenz, Güstrow, Verden, Mainz, Rastatt, Straßburg i. E,, Graudenz und Thorn je 1, und in Mey 2, Ferner 49 Kasernen- wärter.

Beim Garnisonbauwesen is eine Vermehrung um 3 Inten- dantur- und Bauräthe, und 14 Garnison-Bauinspectoren nothwendig, beim Militär - Medizinalwesen um 1 Lzareth-Verwaltungs- inspector und 12 Lazarethinspectoren.

Beim Artillerie- und Waffenwesen kommen neu hinzu 2 Feuerwerks-Hauptleute 1. Klasse und 1 Feuerwerks-Hauptmann 9 Klasse für die zu errihtenden 3 Negimentéstäbe der Fuß-Artillerie. Zur Beschaffung bezw. Anfertigung und Erhaltung der gesammten Munition 2c. sind 319 629 6 ausgeworfen.

Bei Bau und Unterhalt der Festungen sind 3 Wallmeister neu eingestellt. E

Bei dem sächsischen Militärcontingent sollen neu ge- bildet werden 12 Infanterie-Halbbataillone, 1 Abtheilungéstab der fahrenden Feld-Artillerie, 3 fahrende Batterien, 1 Fuß-Artillerie- Compagnie, 2 Pionier - Compagnien, 1 Eisenbahn - Compagnie. Verstärkungen erhalten 12 Infanterie - Regimenter, 3 SJäger- Bataillone, die Militär -Neitanstalt, + Feld-Artillerie-Regiments- stab, das Pionier-Bataillon, 1 Eisenbahn-Compagnie und das Train- Bataillon. Hierfür sind nöthig 13 Bataillons-Commandeure, 15 Hauptleute 1. Klasse, 2 Hauptleute 2. Klasse, 29 Premier- Lieutenants, 48 Second-Lieutenants, 1 Ober-Stabsarzt, 13 AÄssistenz- ärzte, 1 Noßarzt, 13 Zahlmeister, 12 Büchsenmacher, 1 Waffenmeister, 34 Feldwebel, Wachtmeister und Ober-Feuerwerker, 31 Vice-Feld- webel und Vice-Wachtmeister, 9 Portepee-Fähnriche, 236 Sergeanten, 499 Unteroffiziere, ‘12 Hornisten, 12 Bataillons-Tambours, 552 Capi- tulanten, 47 Gefreite, 4850 Gemeine 2c.

Beim württembergischen Militärcontingent sollen neu gebildet werden: 8 Infanterie-Halbbataillone, 1 Feld-Artillerie- Abtheilungéstab mit 3 fahrenden Batterien, und Verstärkungen sollen erhalten: 7 Infanterie-Regimenter, 2 Feld-Artillerie-Regimenter, das M en die Eisenbahn - Compagnie und das Train- Bataillon, wofür erforderlich \ind 8 Bataillons - Commandeure, 7 Hauptleute 1. Klasse, 15 Premier - Lieutenants, 20 Second- Lieutenants, 9 Assistenz-Aerzte, 1 Roßarzt, 8 Zahlmeister, 7 Büchsen- macher, 1 Waffenmeister, 15 Feldwebel, 15 Vice-Feldwebel, 2 Portepee- Fähnriche, 99 Sergeanten, 210 Unteroffiziere, 8 Bataillons-Tambours, l Stabshautboist, 347 Kapitulanten, 1784 Gemeine.

Die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats im Betrage von 48 060 699 4 seyen sih folgendermaßen zu- sammen: Für die Verwaltung des Reichsheeres: Preußen 27 985 034 M, worunter zur Gewährung von Zulagen an Unter- offiziere 2c. bei den Besazungen in Elsaß-Lothringen 29 009 «6 Für die Theuerungs8zulagen für die Garnisonen in Mösrchingen und Forbach 9900 M, zur Beschaffung von Dienstvorschriften 25 000 4, für Bei- hilfe zur Errichtung von Geschäftszimmern bei den neuen Commando- behörden 68200 #Æ, Betriebsmittel des Offiziers-Unterstüßungs- fonds 60560 M, Beschaffung von Turngeräthen 83 050 4, zur Verlängerung der Militäreisenbahn bis Jüterbog als erste Nate 900 000 Bur Erweiterung bezw. Neuherstellung von Magazin- anlagen in Berlin, Insterburg, Königsberg i. Pr., Bromberg, Stettin, Brandenburg a. H., Küstrin, Frankfurt a. O., Jüterbog, Erfurt, Magdeburg, Glogau, Posen, Neisse, Minden, Münster, Köln, Trier, Rendsburg, Verden, Cassel, Darmstadt, Mainz, Nastatt, Danzig- Langfuhr und Graudenz als erjte Nate 873 400 A Für Bekleidung und Ausrüstung der neu aufzustellenden bezw. zu verstärlenden For- mationen 6 028 000 4, zur Errichtung von Baracken, Stallungen, Reitbahnen, Menage-Anstalten, zur Beschaffung von Geräthen für die Truppen, Anlage von Schieß ständen 2c. 12 590 039 (6, zur Errichtung resp. Erweiterung von Garnison-Lazarethen in Jüterbog, Bromberg, JInowraz- law, Erfurt, Posen, Trier, Ehrenbreitenstein, Koblenz, Darmstadt und Graudenz 2c. 704 651.46, zur Beschaffung des Uebungsmaterials für die neue Compagnie des Train-Bataillons nebst Geschirr und Stallsacßen 42 800 M, zum Ankauf von 2546 Dienstpferden für die 51 neuen Batterien und das Militär-Reitinstitut 2953 750 4, für Errichtung eines neuen Remonte-Depots 300 000 (6; die Umzugs- und Transport- kosten sind auf 1919 000 Æ veranschlagt. Zum Neubau eines Cadettenhauses in Naumburg a. S. sind 90 000 „G als erste Nate, für den Neubau einer Unteroffizier-Vorshule in Bartenstein sind 30 000 Æ, zur Beschaffung von Üebungsmaterial, Feldgeräth 2c. für aon sind 384 000 M und für den Erwerb und Ein- rihtung von Pionier-Uebungspläßen in Königsberg i. Pr. sind 400 000 6 eingestellt. Das Preußen 27 985 034 M : ;

Auf Sachsen entfallen an einmaligen Ausgaben im außer- ordentlihen Etat 3 503 973 M, Württemberg 2638616 M; hierzu kommen noch zu Garnisonbauten in Elsaß - Lothringen 9 838 000 H, für Erwerb und Einrichtung von Pionier-Uebungspläten in Straßburg und Met 800 000 4, die auf Bayern entfallende Summe von 4 356 144 4, und endlich der aus Anlaß der Heeres- verstärkung sih ergebende Mehrbedarf an eisernen Vorschüssen im Betrage von 2 728 332 4, sodaß die Summe der einmaligen Aus- ben insgesammt beträgt 48 060 699 M, welcher Betrag durch Anleihe zu decken ist. G

Die E Gu érn denAusgaben im Betrage von 23 221 848 4 sind durch Matricularumlagen zu decken, und entfallen hiervon auf

reußen 14 074 185, Bayern 2 628 562, Sachsen 1 645 586, Württem- êrg 956 773, Baden 778 878, Hessen 466 464, Mecklenburg.Schwerin 271709, Sachsen-Weimar 153 200, MeElenburg Sue 46 031, Oldenburg 166 767, Braunschweig 189 695, achsen - Meiningen 105 158, Sachsen-Altenburg 80 273, Sachsen-Coburg und Gotha 97 021, N 127 770, Schwarzburg - Sondershausen 35 475, Shwarzburg-Rudolstadt 40 339, Waldeck 26 911, Reuß à. L. 29 482, Reuß j. L. 56 288, Schaumburg-Lippe 18 399, oe 60368, Lübeck 3 933, Bremen 84 773, Hamburg 292 469, Elsaß-Lothringen 753 339.

tone, 16 Abtheilungöstäbe der fahrenden Ee Batterien, 1 Abtke !

ergiebt zusammen für

Statiftik und Volkswirthschaft.

Warthe-Regulirung.

Die Immediat-Commissicn zur Beschlußfassung über die Ein- deihung der Warthe Lo wie "M T. B. aus Posen meldet, nah längerer BeratBung, unter Verwerfung aller anderen Entwürfe, das von der Stadt vorgelegte Project unter Vorbehalt einer tehnischen Detailprüfung zur Ausführung zu empfehlen.

Zur Arbeiterbewegung.

In Leipzig bildete die während der Wahlzeit unterbrochene Bewegzing der Leipziger Brauergehilfen am Dienstag Gegenstand der Verhandlung einer Volksversammlung (vgl. Nr. 164 d. Bl.); nach der „Lpz. Ztg.“ hatten sich kaum 150 Personen zu dieser Ver- sammlung eingefunden. Ein endgültiger Beschluß wurde nit gefaßt, die Entscheidung vielmehr einer weiteren Versammlung vorbehalten.

In Apolda is, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, ein Braueraus stand ausgebrochen.

Hier in Berlin hielten die Interessenten der Chofkoladen-, DELLLMWEa Lan Mono Biscuit-, Marzipan-, Pfeffer-

uchen- x. Branche, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, am Dienstag eine gemeinsame Versammlung ab, um zu den Ausnahme- bestimmungen über die Sonntagsruhe und zu den Bestim- mungen der Arbeitszeit für Arbeiterinnen während der Saison Stellung zu nehmen. Nah längerer Besprechung wurde eine Entschließung angenommen, in welcher, wie die „Berliner Bolksztg.“ berichtet, als wünschenswerth bezeihnet wird, daß für Arbeiterinnen 40 Tage vor Ostern und 40 Tage vor Weihnachten eine tägliche Arbeitszeit von 13 Stunden, mit Ausnahme der Sonnabende und Sonntage, stattfindet; daß ferner für Arbeiter eine Sonntagsarbeit von 5 Stunden an den Sonntagen vor den beiden leßtgenannten Festtagen festgeseßt werde.

__In Bud ape st sind die Eisen dreher und Metallgießer mit den Unternehmern in einen Lohnstreit gerathen. Wie der „Vorwärts“ mittheilt, fordern die Arbeiter erhöhten Lohn und Herab- seßung der Arbeitszeit. Der Ausbruch eines Ausstandes wird als wahrscheinlich bezeichnet.

In Paris wurde gestern der National - Congreß der 39 Arbettsbörsen eröffnet. Sämmtliche Arbeitsbörsen waren ver- treten. Der Congreß nahm, wie „W. T. B.* meldet, ein Manifest an, in welchem gegen die Maßregel der Regierung protestirt wird und die Arbeiter aufaeotdeet werden, nicht an der Feier des 14. Juli theilzunehmen.

In Dison nahmen, wie der „Köln. Ztg.“ aus Verviers ge- schrieben wird, sämmtliche ausständigen Weber am Dienstag die Arbeit wieder auf, und zwar zu den in der vorigen Woche von den Arbeitgebern Pn Bedingungen. Auch in Verviers und Gnsival sind Aussichten für eine baldige Beendigung des Ausstandes vorhanden.

Ueber die Lohnbewegung unter den englishen Berg- arbeitern schreibt die Londoner „Allg. Corr.*: In den meisten Zechen von Lancashire und Cheshire wurde den Kohlenberg- leuten am Montag gekündigt. Dje übrigen Kündigungen werden im Laufe dieser Woche erfolgen, Troßdem man einen allgemeinen Strike befürhten muß, sind die Kohlenpreise bis jeßt nicht gestiegen, weil der Kohlenhandel außerordentlich darniederliegt und niemand an eine lange Dauer des Ausstandes glaubt. Aus Derby meldet ein Wolff’shes Telegramm vom heutigen Tage: 25 000 Bergarbeiter wurden benachrichtigt, daß demnächst eine 25procentige Lohnherab- seßung stattfinden werde.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera.

Der Reichskanzler (Reichsamt des Innern) hat unter dem 27. Juni 1893 an die Bundesregierungen und den Statt- halter in Elsaß-Lothringen nachstehendes Rundschreiben, betreffend Maßnahmen ae die Cholera, nebst Anlagen, gerichtet, welches in einer besonderen Beilage zu Nr. 28 der „Ver- öffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts“ publicirt ift. |

„Bei der zunehmenden Ausbreitung der Cholera in Frankreich und deren Fortdauer in Rußland ist die Gefahr nicht ausge\chlossen, H die Seuche im laufenden Jahre wieder nah Deutschland ein- geshleppt wird. Es erscheint deshalb geboten, bereits jeßt alle Vor- bereitungen zu treffen, um erforderlichen Falls ohne Verzug und mit ne den Kampf gegen die Krankheit wieder aufnehmen zu önnen.

Wenngleich die Maßnahmen, welhe ih im Vorjahre mit meinem Schreiben vom 29. August den Bundesregierungen empfohlen habe, sih im allgemeinen bewährt haben, so erschien es mir doch nothwendig, dieselben auf Grund der seitdem gemachten Erfahrungen und im Hinblick anf die Bestimmungen der Dresdener Sanitätsconvention einer Revision dur die Choleracommission unterziehen zu lassen.

Indem ih die „Maßregeln" in der abgeänderten, durch [lateinische Schriftzeichen kenntlich gemahten Fassung zur gefälligen Kenntniß- nahme ergebenst übersende, gestatte ich mir, der in meinem Schreiben vom 29. August v. I. ausgesprochenen, durch die Erfolge A Sommers bestätigten Ueberzeugung, daß die wirksame Bekämpfung der Seuche durch ein überall gleihmäßiges Vorgehen bedingt ift, wiederholt Ausdruck zu geben, unterlasse aber nicht, auch dies- mal hervorzuheben, daß nicht auf formelle, sondern nur auf materielle Uebereinstimmung der “in den einzelnen Bundesstaaten getroffenen Maßnahmen mit den inder Anlage aufgestellten Grundsäßen Werth zu legen ist. Wenn ih hier- bei wie im Vorjahre davon Abstand nehme, im Bundesrath eine Verständigung über die zu treffenden Maßnahmen herbeizuführen, so ist hierfür außer der Dringlichkeit der Angelegenheit die Erwägung bestimmend gewesen, daß eine einheitlihe Regelung der Seuchen- polizei für das Reih dur das im Entwurf vorliegende, vom Bundesrath bereits angenommene Gesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, in Aussicht steht. Da die Ausführungébestimmungen zu diesem Geseß vom Bundes- rath zu beschließen sein werden, ershien es niht zweckmäßig, denselben vorher mit Verhandlungen in der gleihen Richtung zu be- fassen, Uebrigens stimmen die beifolgenden Maßnahmen mit den Grundsäßen jenes Entwurfs vollständig überein; nur ist, entsprechend dem Beschluß des Bundesraths vom 22. d. M. (Bundesraths-

rotokolle § 403), betreffend die Dresdener Sanitätsconvention, dem rbeit der leßteren bei Umarbeitung der Maßnahmen Rechnung etragen, damit die Bestimmungen der Uebereinkunft {on vor der ormellen Natification, soweit thunlih, in Anwendung gebracht werden.

Im einzelnen gestatte ich mir, auf die Ausführungen meines Schreibens vom 29. August v. J. ergebenst Bezug zu nehmen und nur hinsichtlih einiger Abänderungen Folgendes zu bemerken : n

1) Rach Titel T der Anlage 1 zur Dresdener Sanitäts- convention is die Reichsverwaltung verpflichtet, den der Ueber- einkunft beigetretenen Staaten diejenigen Orte des Reichs, an denen sich ein Choleraherd gebildet hat, mitzutheilen. Diese Verpflichtung wird sie nur dann erfüllen können, wenn eine gemein- same Meldestelle besteht, welche von allen in Deutschland vorkommen- den Cholerafällen unverzüglih Kenntniß und dadurch die Möglichkeit erlangt, nah einheitlihen Grundsäßen zu beurtheilen, an welchen Orten Choleraherde als vorhanden anzunchmen sind. Zu einer solchen Stelle eignet si das Kaiserliche Gesundheitsamt. Es ist des- halb in Ziffer 1 der Maßnahmen statt der bisherigen gea en Benachrichtigung des Reihsamts des Innern von jedem Cholera- fall in einer Stadt die telegra gens des Gesundheits- amts von jedem ersten festgestellten Cholerafall in einer Ort- schaft vorgesehen. Die tägliche Gegend Uebermittelung gedrängter E E über weitere holera - Erkrankungs- und Todesfälle hat sich aus den bereits in meinem Schreiben vom 7. September v. J. erörterten

Gründen als dringend

wünschenswerth erwiesen und i j um so i entbehrlichß, wenn das Gesundheitsamt in E e sein so É Bildung von Choleraherden g ein zutreffendes Urtheil zu bilden. Jedoch hat das im vergangenen Jahre aufgestellte Formular für die dem Gesundheitsamt einzusendenden Wochennahweisungen eine wesent- liche Vereinfahung erfahren.

Auf Grund der mir zugehenden Berichte des Gesundheitsamts werde ih die Mittheilung etwaiger Choleraherde an die Vertreter der der Dresdener Sanitätsconvention beigetretenen ausländishen Staaten von hier aus bewirken und zugleih die Bundesregierungen von dem Veranlaßten in Kenntniß seßen. Auch werde ich Sorge tragen, p sämmtlichen Bundesregierungen täglich eine Zufaumenstelling der be dem Gesundheitsamt eingehenden Cholerameldungen aus dem Reich kurzer Hand zugeht.

2) Um voreiligen Beschränkungen des Verkehrs durch die nah Nr. 5 der Maßnahmen zulässige Einführung der Meldepfliht für zureisende Personen vorzubeugen, wird es sih empfehlen, aus\{ließlich die höheren Verwaltungsbehörden zum E bezügliher Anord- nungen zu ermächtigen. Auch - wird die eldepfliht, um un- nöthige Belästigungen zu vermeiden, nur den Ankömmlingen aus solhen von der Cholera ergriffenen Orten oder Bezirken aufzuerlegen

fein, wo si ein Seuchenherd- E hat.

3) Als besonders gefährliche E für die Weiterverbreitung der Cholera haben sich wie bei früheren Gpidemien so auch im Vorjahre die Wasserstraßen geaeigt, Es wird deshalb geboten sein, dem Verkehr auf den Binnenwässern besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Anlage 1V zu Nr. 6 der Maßnahmen ent- hält eine Zusammenstellung derjenigen tebt welhe für die Einrichtung einer gesundheitspolizeilihen Ueberwahung des Binnen- schiffahrts- und Flößereiverkehrs auf Grund der e Erfah- rungen und vorbehaltlih der nah Maßgabe örtliher Verhältnisse etwa gebotenen Aenderungen anempfohlen werden können.

4) Die in Nr. 7 der Maßnahmen ausgesprochene Verpflichtung der Polizeibehörden, die usfuhr bestimmter Waaren aus solchen Orten, an denen sich ein Choleraherd: gebildet hat, zu ver- bieten, beruht auf den Bestimmungen des Titels IT1 der Anlage L der Dresdener Sanitätsconvention, wonach die Beschränkung der S uß- maßregeln aus\chließlich auf verseuhte Bezirke an die Voraussetung ge- knüpft ist, daß die Regierung des verseuchten Landes die erforderlichen An- ordnungen trifft, um die Ausfuhr solcher Gegenstände, welche Träger des Ansteckungsstoffes sein können, aus dem verseuchten Bezirk zu verhüten. Auch is es nur dann unbedenklich, von jedem Einfuhrverbot gegen inländische Choleraorte Abstand zu nehmen (Abs. 2 der Nr. 7 der Maßnahmen), wenn dur entsprehende Vorschriften die Ausfuhr an- steckungsverdähtiger Waaren aus einem verseuchten Ort oder Bezirk, soweit möglich, verhindert wird.

Sollten Einfuhrverbote gegenüber dem Auslande ih als noth- wendig erweisen, so werden dieselben auf die in Titel 1V Ab- theilung T der Anlage T der Dresdener Sanitätsconvention aufge- führten Gegenstände beschränkt bleiben müssen. Jh gehe davon aus, daß solche Einfuhrverbote, wie im vergangenen Jahre, in den einzelnen Bundesstaaten durch landespolizeiliche Verordnung erlassen werden. Zur Herbeiführung thunlihster Einheitlichkeit gegenüber den ausländishen Regierungen darf ich jedo ergebenst ersuchen, vor dem Crlaß von Einfuhrverboten, sofern es fi nicht lediglich um eine Beschränkung des Waarenverkehrs in' V att las handelt, mit mir gefälligst ins Benehmen treten zu wollen.

9) Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit, welche einer s{leunigen Feststellung des Charakters der Krankheit bei zweifelhaften Erkrankungê- fällen für die wirksame Einleitung der Ünterdrückungsmaßnahmen zukommt, is in Abtheilung 11 Litt. B der Maßnahmen cin besonderer Hinweis auf die Einsendung geeigneter Untersuhungsobjecte an die mit der bakteriologischen Untersuhung betrauten Stellen auf- genommen. Die der Anlage VIIL beigegebene „Anweisung zur Ent- nahme und Versendung oleraverdähtiger Untersuchungsobjecte“ enthält nur an zwei Stellen Abänderungen von der mit meinem s vom 4. September v. J. übersandten gleichartigen An- weisung.

6) Die Bestimmungen über die Absonderung colerakranker ‘Per- sonen, sowie über deren Unterbringung in ein Krankenhaus haben eine von dem vorjährigen Wortlaut abweichende, dem Text des 8 13 . des Seuchengeseß-Entwurfs angepaßte Fassung erhalten. bre Durchführung wird selbverständlih nur in Denibitien Bundes- Mac f Betracht kommen können, wo ein Fraufenb dia zulässig ist.

Die Anlage IIl der Maßnahmen, enthaltend. die Grundsäße für die Einrichtung des Eisenbahnverkehrs in Cholerazeiten, werde ih aut mittels besonderen Schreibens binnen kurzem nachzusenden ge-

atten.

Inwieweit es sich empfiehlt, die Maßnahmen in der neuen Fassung ihrem ganzen Umfang nach zur Kentniß der betheiligten Kreise zu bringen oder lediglih die Abänderungen und Ergänzungen im An- {luß an die vorjährigen Bekanntmachungen zu veröffentlichen, erhal ih der gefälligen dortseitigen Erwägung ergebenst anheimstellen. Mi besonderem Dank würde ih es erkennen, wenn d geneigt wäre, im Hinblick auf die vielfah übertriebenen, Handel und Verkehr unnöthigerweise s{hädigenden Maßnahmen, wie sie von ein- zelnen Localbehörden im vorigen Jahre (eiten find, die Behörden dahin mit Weisung zu versehen, daß über die in den Anlagen auf-

eführten Beschränkungen des Personen- und Waarenverkehrs bei der Abwehr und Bekämpfung der Cholera in keinem Falle hinausgegangen werden darf.

Von den dortseits ergehenden Anordnungen zur Bekämpfung der Cholera ersuche ih, wie im Vorjahre, dem Kaiserlihen Gesundheits- amt nah Maßgabe meines Schreibens vom 13. Mai 1885 gefälligst regelmäßig Mittheilung machen zu wollen.“

Rußland. Vom 17. bis 23. Juni gr E sind, wie in den „Veröffentlihungen des Deutschen Kaiserlihen Gesundheitsamts* mit- getheilt wird, nachstehend aufgeführte Cholera- und choleraverdächtige Erkrankungen bezw. Sterbefälle amtlich angezeigt worden. Gouvernement (bezw. Stadt): Podolien vom 28./5. bis 17./6.: erkr. 102, gest. 31, Bessarabien vom 4./6. bis 17./6: 6 bezw. 4, Orel (Stadt) vom 11./6. bis 17./6.: 17 bezw. 8, Orel (font. i. Gouv.) vom 7./6. bis 14./6.: 11 bezw. 2; choleraverdächtige Fälle: Moskau vom 4./6. bis 10 /6.: 1 bezw. 0, Dongebiet vom 2./6. bis 7./6.: 8 bezw. 3, Kubangebiet vom 30./5. bis 1./6.: 1 bezw. 1, Saratow (Stadt) vom 2./6. bis 18./6.: 1 bezw. 0, Saratow (sonst. i. Gouv.) vom 2./6. bis 11./6.: 1 bezw. 0, Orenburg (Stadt) vom 11./6. bis 17./6.: 1 bezw. 0, Orenburg (sonst. i. Gon) vom 4./6. bis 10./6.: 2 bezw. 0.

Asiatische Türkei. In dem Vilajet Bassora ans ufolge dem amtlichen Bulletin Nr. 4 nachstehend aufgeführte Cholera- odes- fälle festgestellt worden: in Schatra und Umgegend am 21. Juni 1 in Amara an demselben Tage 1, in Bassora vom 17. bis einsHließlih 23. Juni 45, in Zobeir am 20. und 22. Juni insgesammt 3, in Abulhas…f i b vom 10. bis 19. Juni 293, in Djiliha vom 14. bis 18. Juni 7, in Schat-el-Arab vom 16. bis 19. Juni 8, in Nasrieh am 19. Juni 6, in El Dephir am 20. Juni 5. Die gohl der im Vilajet bis zum 23. Juni bekannt gewordenen Cholera-

terbefälle betrug 818. Nachrichten bezüglich der von der Seuche er- griffenen Nomadènstämme dieses Vilajets fehlen.

Am 25. Juni kam in den Dardanellen der englishe Dampfer „Titian an, welher Marseille fünf Tage vor er verlassen hatte und während der Durchfahrt unter Quarantäne bleiben sollte. Auf der Reise hatte er einen Cholera- Todesfall gehabt, außerdem wurden zwei Cholerakranke an Bord durch den Sanitätsbeamten festgestellt. Das Schiff wurde deshalb nach Klazomenä geshickt. Daselbst ist bis zum 28. Juni einer der Erkrankten gestorben. Ein zweiter Dampfer R N welcher von Marseille nah Keramel bei Kawala gur st, hatte bei seiner Ankunft in Malta einen Cholera- Todesfall an Bord gehabt.

rabien. In Mekka wurden vom 19. bis eins{l. 22. Juni inégesammt 733 Cholera-Todesfälle festgestellt, am 28. Juni 652

am 29. Juni 955. Die Zahl der am 24. Juni, dem ersten Beiram-