1912 / 265 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Nov 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Der in Balmain-Sydney aus Holz neu erbaute Schoner „Triton“ von 71,02 Registertons Nettoraumgehalt hat ur den Uebergang in das ausschließliche Eigentum der West- Karolinen-Gesellschaft m. b. H. in Hamburg das Recht zur Führung der deutschen Flagge erlangt.

Dem Schiffe, für welhes die Eigentümerin La als Heimatshafen angegeben hat, ist von dem Kaiserlichen General- fonjulat in Sydney unter dem 17. September 1912 ein Flag gen- zeugnis erteilt worden.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: infolge der von der Stadtvoerordnetenversammlung zu Krotoschin getroffenen Wahl den bisherigen Gerichtsafsessor Dr. Hasenjaeger in Stargard i. Pomm. als Bürgermeister der Stadt Krotoschin für die geseßlihe Amtsdauer von zwölf Jahren zu bestätigen. ;

Ministerium der geistlihen und Unterrichts- angelegenheiten.

Dem Frauenarzt Dr. med. Alfred Pinkuß in Charlotten- burg ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem Domänenpächter Schwer dtfeger ju Taarninghof im Regierungsbezirk Schleswig ist der Charakter als König- licher Oberamtmann verliehen worden.

Dem Tierarzt Dr. Hausmann zu Cöln ist die kom- missarishe Verwaltung der Kreistierarztstelle zu Lüdenscheid übertragen worden.

Ministerium des Jnnern.

Der Kreisassistenzarzt Dr. Gaehtgens aus Gelsenkirchen ist zum Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreis- arztbezirks Kreis Löbau beauftragt worden.

Finanzministerium.

Um den Gemeinden den Bezug von Abdrucken solcher Karten und Risse, die den Regierungen (der Direktion) von den Generalkommissionen oder von der Ansiedlungskommission zur Uebernahme in das Kataster zugehen, zu erleichtern, find bei rechtzeitiger, durch Vermittlung der General- bezw. An- siedlungsfommission erfolgenden Bestellung die tarismäßigen Gebühren für den ungefärbten Abdruck einer Ge- markungsurkarte auf drei Mark und für den ungefärbten Abdruck eines R isses auf zwei Mark zu ermäßigen.

Die Königliche Regierung (Direktion) wolle dur Bekannt- machung in den Amtsblättern Sorge tragen, daß diese Gebührenermäßigung zur Kenntnis der Gemeinden gelange.

Berlin, den 28. Oktober 1912. Der Finanzminister. J. V.: Michaelis.

An sämtliche Königliche Regierungen und an die Königliche LUSLaR für die Verwaltung der direkten Steuern in erlin.

Auf Anregung des Herrn Statthalters in Elsaß-Lothringen habe ih mich unter der Bedingung, daß die Gegenseitigkeit für die Preußischen und die Reichsanleihen einschließlih der Schuld- buchforderungen gewahrt bleibt, damit einverstanden erklärt, daß den Schuldverschreibungen und Landesschuldbuch- forderungen Elsaß-Lothringens bei ihrer Annahme als Sicherheit für gestundete Reichsabgaben in Preußen die gleiche Behandlung gewährt wird wie den preußischen Staats\schuldverschreibungen und Staatsschuldbuchforderungen. Die elsaß-lothringischen Landesschuldverschreibungen einschließlich der Buchschulden sind daher den Schuldverschreibungen des preußischen Staates mit der im § 11 Nr. 1 erster Absatz der O vorgesehenen Wirkung gleich zu stellen.

Berlin, den 29. Oktober 1912. Der Finanzminister. J. V.: Michaelis.

An die Herren Präsidenten der sämtlichen Oberzolldirektionen (nah Erfurt Abschrift zur gefälligen Kenntnisnahme).

Angekommen: ___ Seuté Exzellenz der Staatsminister und Minister für Land- wirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer aus der Rheinprovinz.

Niczfkamüilicßes.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 6. November 1912.

Seine Majestät der Kaiser und König empfingen, wie „W. T. B.“ meldet, gestern abend im Neuen Palais bei Potsdam den italienishen Minister des Aeußern Marquis di San Giuliano, der ein eigenhändiges Schreiben Seiner Majestät des Königs Viktor Emanuel überreichte.

Neues Palais bei Potsdam, 6. November. Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich, die, wie „W. T. B.“ meldet, heute vormittag auf dem Schlesischen Bahnhof in Berlin eingetroffen waren, find im Neuen Palais angekommen.

Der hiesige türkishe Botschafter hat, wie gemeldet, vor- gestern dem Auswärtigen Amt das Ersuchen seiner Regierung mitgeteilt, auf Einstellung der Feindseligkeiten hinzuwirken und damit den Frieden vorzubereiten. Darauf ist der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ zufolge geantwortet worden, die deutsche

Regierung würde bereit sein, den Wunsch an die Regierungen der gegen die Türkei Krieg führenden Staaten weiterzugeben, wenn auch die anderen Großmächte hierzu geneigt seien. Aller- dings stände es bei den Regierungen der Kriegführenden, ob sie auf den Wunsch eingehen wollten oder nicht. j

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr, für Justizwesen und für Rechnungswesen hielten heute eine Sißung.

Im amtlichen Teile der heutigen Ausgabe des „Reichs- und Staatsanzeigers“ ist die Mitteilung der Kaiserlich ottomanishen Regierung über Kriegskonterbande enthalten. Jnwieweit die dort aufgeführten Gegenstände nach völkerrehtlihen Grundsäßen als absolute oder als relative Kriegskonterbande behandelt werden dürfen, unterliegt zurzeit noch der Prüfung durch die berufenen Organe der Kaiserlichen Regierung.

Oesterreich-Ungarn.

Der türkische Botschafter hat vorgestern abend dem Minister des Aeußern Grafen Berchtold das Ansuchen der Türkei um Vermittlung überreicht. Wie „W. T. B.“ meldet, er- hielt der Botschafter den Bescheid, daß die österreichisch- ungarische Regierung mit den übrigen Großmächten sich ins Einvernehmen seßen müsse. Erst wenn dies geschehen sei, werde eine Antwort erfolgen.

—* Die O esterreihishe Delegation wählte in der

gestrigen Sißung den Grafen von Merveldt zum Präsi- denten und den Abg. Dobernig zum Vizepräsidenten. Graf von Merveldt gedachte in seiner Eröffnungsrede der voll- o veränderten Verhältnisse im nahen Osten und sprach en Wunsch aus, daß die Schrecken des Krieges nell ein Ende finden und aus den blutgetränkten Gefilden und rauchenden Trümmern, die der Krieg zurückläßt, unter den Segnungen des Friedens und der geseßlihen Ordnung blühende Stätten europäischer Kultur sich erheben möchten. Der Präsident {loß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten der Oesterreichishen Delegation trat gestern nachmittag zu seiner ersten Sißung usammen. Laut Meldung des „W. T. B.“ ergriff der Minister des Aeußern Graf Berchtol d das Wort zu folgenden Ausführungen über die politische Lage:

In der kurzen Spanne Zeit, die uns von der leßten Delegations- tagung trennt, find im internationalen Leben Ereignisse eingetreten, denen eine weittragende Bedeutung zugemessen werden muß. Bevor ih mich mit diesen Ereignissen eingehender beschäftige, möchte ich eines ‘Vorkommnisses gedenken, das für uns mit Nücksicht auf unser Bündnisverhältnis besondere Wichtigkeit besißt. Durch den Friedens{luß von Lausanne ist nach einjähriger Dauer der Waffen- gang it, shen-Italien und der Türkei zum Abf{luß gebracht worden und unser VéVündeter in den unbestrittenen Besiß eines ausgedehnten Gebiëtes“ an! ier nordafrifanishen Küste gelangt. Wir haben das unsrige dazu beigetragen, um den Friedens\{chluß zu erleihtern, und

nmittelbar nah demsilben die Souveränität Italiens über

ibyen anécfannt. Jh möchte mit dem Ausdruck aufrichtiger Genugtuung erwähnen, daß unser Verbündeter auf diese Weise zu dem von ihm seit Jahrzehnten angestrebten Ziel gelangt ist und ein weites Feld gefunden hat, die Bobe Kaltur des Heimatlandes auf fremden Boden zu verpflanzen. Die Beschleuniaung des Auëgleichs zwischen den Kriegführenden hat zwar den Ausbruh des Brandes auf dem Balkan nicht hintanhalten können, aber immerhin verhindert, daß die ohnedies ernste Lage noch weiter verwickelt wird. Auch von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir daher das Zustandekommen des Friedené vertrages von Lausanne willkommen heißen. Gelegentlich meiner fürzlihen Anwesenheit in Italien konnte ih mich überzeugen, daß unsere Haltung hinsihtlih des vom Königreich mit der Türket ge- führten Krieges nicht nur seitens der Regierung, sondern auch von der Be- völkerung vollauf gewürtigt wird. Die \sympathishe Aufnahme, die mir im verbündeten Königreich zuteil wurde, möchte ich nicht in leßter Linie auch auf diesen Umstand zurückführen, Der warme Widerhall aber, den diese Stimmung bei uns gefunden hat, kann als Bürgschaft für eine neue Festigung des Bündnisverhältnisses, mithin auch des Dreibundes, dienen.

Sehr ernst hat \sich die Lage im nahen Orient gestaltet, wo \ämtlihe Balkanstaaten zu den Waffen gegriffen haben. Es ist Ihnen bekannt, daß es sich die Diplomatie der Großmächte auf Anregung des Ministerpräsidenten Poincaré seit dem Ausbruche der Feindseligkeiten angelegen sein läßt, durch wedhselseitige Fühlungnabme die Möglichkeit anzubahnen, ia einem ge- gebenen Zeitpunkte vermittelnd aufzutreten u:d dadurch die Greuel des Krieges s i abzukürzen. Wir ktaben im engsten Einvernehmen mit unseren Verbündeten und in reger Fühlung mit Rußland und England an diesem Gedankenaustaush teilgenommen und befinden uns au derzeit in Verbindung mit den Mächten, überzevgt, auf diesem Wege dem auch bei uns allgemein gehegten Wunsch zu dienen, daß der Brand tunlihst bald gelöscht werde. Der bisherige Verlauf des Krieges hat den Balkanstaaten große Erfolae gebradt, Erfolge, unter deren Einfluß fie ihr selbst- gewähltes Ziel wesentlich verrückt haben. Während ursprünglich die Einführung von administrativea MNeformen, die die Lebens- und Etxisten;bedingungen der Staummesgenossen im oëmanishen Neiche verbessern jollten, die Forderung der Balkanstaaten gebildet hatte und als solche auch in den Kriegsmanifeften zum Aus- druck gekommen war, sind gegenwärtig tie Bestrebungen der Ver- bündeten viel weitergehender Natur und mit dem Prinzipe der Integrität der Türkei niht mehr vereinbar. Für unsere Politik, die von keinen Ausbreitungsabsichten beeinflußt wird, kann nur die Sorge maßgebend sein, das Bedinfnis nah Erhaltung des Friedens mit der obersten uns auferlegten Pflicht zu vereinigen : die Interessen der Moi archie vor jeder Einbuße zu \{hüßgen. Wir haben durh unsere bis- berige B gegenüber den Kriegsereignissen eine Zurü- haltung und Mäßigung bewiesen, die allen Ortes gewürdigt worden ist. Wir gedenken auch weiterhin auf diesem Wege zu verharren im Bewußtsein der uns innewohnenden Kraft, die die volle Sicherheit bietet, daß wir unserer Stimme Geltung ver- schaffen können. Jch zweifle nicht daran, daß dies uns möglih sein wird, ohne mit den berehtigten Ansprüchen anderer in Widerstreit zu ge'aten. Wir sind bereit, der dur die Siege der Balkanstaaten ge- \chaffenen neuen Frage in weitgehender Weise Nehrung zu tragen und fo die Grundlagen zu einem dauernden, freundschaftlichen Einver- nebmen zu diesen zu shaffen. Andererseits aber haben wir auch das Hecht, zu verlangen, daß die legitimen Interessen der Monarchie durch eine Neuregelung der Dinge keinen Schaden erleiden. Die rubige und maß- volle Haltung des uns eng befreundeten Königreids Numänien war für den Verlauf der Ereignisse von nicht zu unte! {ägender Bedeutung, und wir hoffen, daß seine auf der geographischen Lage beruhenden, namhaften Interessen entsprehende Berücksichtigung finden werden. Ich bin bemüht gewesen, Ihnen, soweit dies mir unter den gegebenen Umstänten möglih war, ein übersichtlihes Bild der augenblicklichen Laçe zu geben, und möchte nur noch die Bitte an Sie rihten, das Vertrauen, das Sie mir bei früheren Anlässen geschenkt haben, in

diesem ernsten Moment dadurch zum Autdruck zu bringen, daß Si si mit meinen knapp bemesscnen Ausführungen begnügen und davon absehen wollen, auf deren Erörterung im einzelnen zu bestehen, die bei dem heiflen Charakter der in Schwebe befindlichen Verhandlungen meine Aufgabe nicht zu erleichtern geeignet wäre.

Die Ausführungen des Ministers wurden wiederholt vonÿ

lebhaftem Beifall unterbrohen und ihrer ganzen Tendenz nah sehr sympathisch aufgenommen.

Jn der gestrigen Eröffnungsfißun Delegation wurde Graf August Zihy zum Präsidenten gewählt, der eine mit begeisterten Eljenrufen auf den König aufgenommene Eröffnungsrede hielt. ie „W. T. B.“ meldet, io die Sißzung ruhig infolge der Abwesenheit der Opposition, die, da die Eingänge des Parlaments durch die Gendarmerie beseßt waren, beschlossen hatte, auf die ihr zur Verfügung gestellten Galeriesiße zu verzihten und der Sißung vollkommen fern zu bleiben. Die Opposition wird ferner ein Manifest an die Nation. richten, in dem sie gegen die Ungeseß- lihkeit der Delegation Einspruch erhebt.

Im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten der Ungarischen Delegation hielt der Minister des Aeußern Graf Berchtold gleichfalls sein Exposé, das auch hier mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde. Der Aus\{huß beschloß hierauf, am Freitag in die Beratung des Budgets des Ministeriums des Aeußern einzutreten.

Aus Anlaß des heutigen Empfanges der Dele- gationen beantwortete der Kaiser Franz Joseph die Huldigungsansprachen der Präsidenten laut Meldung des „W. T. B.“, wie folgt:

__ Mit aufrichtiger Befriedigung und wärmstem Danke nehme ih die Versicherung Ihrer treuen Ergebenheit entgegen. Seit dem Zusammentritt der legten Delegationen find ernste friegerishe Verwicklungen auf der Balkanhalbinsel aus- gebrochen, die eine erhöhte Wachsamkeit gebieten. Im Hin- blick darauf, daß bedeutende Interessen der Monarchie dur den Krieg berührt werden können, erscheint die baldige Wiederkehr Ler politisher und kommerzieller Verhältnisse im nahen rient dringend wünschenswert. Meine Regierung wird bereit fein,

im Einverständnis mit den verbündeten Kabinetten im geeigneten |

einer auf die Wiederherstellung des Friedens abzielenden Aktion der Großmächte teilzunehmen. In der leßten Delegationss\ession wurden mit einer dankenswerten Opferfreudigkeit für Heer und Marine außerordentlihe Kredite bewilligt, durch welche die Schlagfertigkeit unserer Wehrmacht eine erfreulihe Stärkung erfahren hat. Das laufende Erfordernis meiner Kriegsverwaltung bewegt sich in normalen Grenzen. Nur zur Lösung der Unkteroffiziersfrage, die eine notwendige Ergänzung des durh das neue Wehrsystem bedingten organifatorishen Ausbaues der Armee und Flotte darstellt, wurde ein Mehrbetrag angesprochen. Die Verhältnisse in Bosnien und Herzegowina find dank der loyalen und patriotishen Haltung der Bevölkerung in einer ruhigen Entwicklung begriffen. Ein reichhaltiges eaGeciithes Arbeitsprogramm wird dem Landtage Gelegenheit geben, den fulturellen und wirts{aftlihen Fortschritt beider Länder zu fördern. äIch bin überzeugt, das Sie an die Prüfung der Ihnen zugehenden Vorlagen mit bewährter Einsicht und wit pflihtgetreuem Eifer berantreten werden. Ih wünsche Ihren Arbeiten einen gedeihlichen Erfolg und heiße Sie hberzlich willklommen.

Zeitpunkt an

Großbritannien und Frland.

Jm Unterhause standen gestern mehrere den Balkan- krieg betreffende Anfragen auf der Tagesordnung.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ fragte zunächst der Abg. King den Staatssekretär Grey, ob er gehört habe, daß die Balkan- verbündeten bereit seien, mit der Türkei über den Frieden zu ver- handeln, aber nit geneigt seien, G eng mit den Großmächter anzunehmen, weiter ob mit Rücksicht auf thre Stege das Necht dec Balkanverbündeten, der Türkei Friedensbedingungen vorzu- schreiben, vollkommen anerkannt werden würde. Sir Edward Grey erwiderte: Ih habe eine Andeutung über das, was King im Sinne hat, von den Balkanstaaten nicht empfangen. Soviel ih weiß, will bisher mit Rücksicht auf das Ergebnis des Krieges niemand den Balkanstaaten das Recht streitig machen, die Bedingungen aufzustellen, unter denen sie zum Friedens\{lusse bereit sind. Und ich glaube nicht, daß die Groß- mächte langsamer gewefen sind oder langsamer sein werden, als irgend i ra ihce eigenen Anshauungen dem Gang der Ereignisse anzu- passen.

Der Abg. Morrell fragte, ob bereits irgend ein Vorschlag irgend einer der Großmächte, die in der Lage seien, eine Vermittlung anzvbieten, vorläge, um die kriegführenden Parteien zu versöhnen, wie das z. B. seitens Amerikas beim Abschluß des russish-japanishen Krieges der Fall gewesen sei. Ferner fragte der Abg. David Mason, ob die Pforte ihren Botschaftern telegraphiert habe, fie möchten die Großmächte davon unterrichten, der Türkei werde jede Aktion, die auf Einstellung der Feindseligkeiten abziele, willflommen sein. Sir Edward Grey erwiderte: Es ist natürlih wahr, daß die Pforte die Mächte angerufen hat, aber ich möchte betonen, daß, obwohl diese Mächte zurzeit ihre Meinungen austauschen, es für die Mächte eine sehr heifle Angelegenheit ist, zwischen zwei Kriegführenden zu vermitteln, wenn sie es nicht auf Ansuchen beider Parteien tun.

In Beantwortung weiterer Anfragen erklärte der Staatssekretär Grey: Die soeben veröffentlihte Meldung, daß die britische Ne- gierung der bulgarischen etne Warnung irgendwelcher Art erteilt habe, ist durchaus unzutreffend. Was ferner die Bewegungen und Absichten der britishen Schiffe anbetrifft, so sind es diejenigen, die Asquith gestern angegeben hat. Die Bestimmung der Schiffe ist, wie ih glaube, genau dieselbe, wie die der Schiffe, welche die anderen Nationen abgesandt haben oder absenden werden, um das Leben ihrer Landsleute zu s{büßen. Ueber die Aussendung der Schiffe haben ih die Mächte verständigt gemäß den Ansichten, die die Konstantinopeler Botschafter einschließlich des englifhen zum Ausdruck gebracht haben. Soviel ich weiß, ist die Lage in Konstantinopel so wie gestern. Sie kann dahin auf.efaßt werden, daß Besorgnis vor künftigen Ent- wicklungen besteht, wenn der Krieg a den Toren Konstantinopel8 nähert. Bisher ist es in der Stadt selbst zu keinerlei Unzuträglich-

keiten gekommen. Frankreidth.

Die „Agence Havas“ veröffentlicht unter dem gestrigen Datum folgende Note:

Der türkische Botschafter bat dem Ministerpräsfidenten Poincaré beute abend das amtlihe Ersuchen der Türkei um Vermiitlung über- reiht. Es lautet: „Die ottomanische Negierung bittet die Großmächte um thre Kollektivmediation zur unverzüglihen Beendigung der Feindselig- keiten und Festseßung der Friedensbedingungen.“ Poincaré machte den Botschafter darauf aufmerksam, daß das Vermittlungsersuben jeden Gedanken an einen Druck auf die Kriegführenden auS\{chlö}se, und fügte hinzu, daß die Mächte in ein Vermittlungsvecfahren nur ein= treten könnten, wenn alle Kriegführenden einwilligten. Der Minister- prâsident hat allen Mächten obne Ausnahme unverzüglich mitteilen lassen, daß Frankrei geneigt wäre, sih mit ihnen über das neue Er- suchen der Türkei ins Einvernehmen zu feßen.

Der Ministerpräsident Poincaré gab gestern vormittag im Ministerrat Kenntnis von der Antwort Oesterrei c- Ungarns, Deutschlands und Jtaliens auf die legte von Frankreich, England und Rußland gemachte Mitteilung. Die Antwort hält, obiger Quelle zufolge, die Verbindung mit allen Mächten aufrecht und läßt die Möglichkeit offen für Unter- redungen unter befriedigenden Bedingungen.

der Ungarischen

Das Parlament isst gestern wiedereröffnet worden. Die Deputiertenkammer und der Senat hielten furze Sißungen zur Festsezung der Tagesordnung ab.

Rußland.

Die russishe Regierung hat, wie „W. T. B.“ meldet, auf das Ansuchen der Türkei die Antwort gegeben, sie sei bereit, mit den anderen Großmächten zusammen zu vermitteln unter der Bedingung, daß die Mächte plein pouvoir erhielten.

Das Befinden des Großfürsten-Thronfolgers bessert sich obiger Quelle zufolge. Sein Appetit wächst und seine Kräfte nehmen andauernd zu. Gestern früh betrug seine Temperatur 37, am Tage 37,1, Abends 37,3, Puls früh 112, am Tage 116, Abends 118.

Schweiz.

Einige Kantone hatten beim Bundesrat angefragt, ob das Motn proprio vom 9. Oftober 1911 über Anklagen von Geistlihen bei weltlihen Gerichten im Gebiete der Eidgenossenschaft Geltung habe und ob nicht eventuell ein Eingreifen des Bundesrats beim Heiligen Stuhl in Betracht zu ziehen gei. Wie „W. T. B.“ meldet, stellt der Bundes- rat nunmehr in seiner Antwort auf Grund juristischer Gut- achten fest, daß das Motu proprio in der S weiz feine Geltung beanspruhen könne, und lehnt auch ein Ein- greifen ab.

Türkei.

Der Direktor des Rechnungswesens im Kriegsministerium General A h med Tew zi ist zum interimistischen Kriegsminister ernannt worden. j

Der Kriegsberichterstatter der „Reichspost“ meldet aus dem Hauptquartier der bulgarishen Ostarmee vom 5. November :

In den leßten Tagen ist eine Teilung des großen Hauptquartiers vorgenommen worden. Stara Zagora lag \{lteßlich nur mehr in bezug auf die Operationen gegen Adrianopel und die Leitung des Nahshub- dienstes günstta, für die Leitung der Operationen der Feldarmee jedoch zu weit ab vom Schauplay der entscheidenden KriegEoperationen. Daher wurde eine Teilung in der Art vorgenommen, daß nur das sozusagen repräsentative Königliche Hauptquartier noch auf bulgarischem Boden verblieb, während das eigentliche militärishe Hauptquartier mit dem Generalissimus General Sawow und dem Chef des General- stabes Fitshew auf Kirkkilisse vorgeschoben wurde. Nach dem Fall Adrianopels soll dann auch die Verlegung des Königlichen Haupt- quartters erfolgen. N

Die Verfolgungsoperationen der Hauptarmee gegen die türkische Feldarmee werden A der enormen N isenb in der dreti- tägigen Schlacht fortge]eßt. Der Angriff erfolgte, entsprechend der Gruppierung der bulgarishen Hauptarmee in der Schblacht von Lüle Burgas— Visa, in zwei Hauptrihtungen. Eine südlihe Armee- gruppe drängte in west-östliher Richtung über Tschorlu nach, während ein zweiter Vorstoß aus Norden über Saraj und Strandicha erfolgte. Die südlihe Gruppe hat die türkischen Nachhutstellungen binter dem Beazköjderefluß bei Karishtiran und Gekerler sowie binter dem Érgenefluß durch «gleichzeitigen Frontalangriff und Um- gehung des linfen Flügels über T\chengerler-Müselimköj über den Haufen gerannt und die Türken in Verwirrung hinter T\chorlu ge- worfen. Das ungestüme Nachdrängen der Bulgaren {eint neuerlich vermehrte Verwirrung unter den türkischen Massen hervorgerufen zu haben, denn troy der großen Gefahr, durch die bulgarische Nord- gruppe in der rechten Flanke umgangen und abgeschnitten zu werden, haben starke türfishe Kräfte hinter dem Ts{orlu neuerdings Stellung genommen, wo sie von den Bulgaren aus den Richtungen Gefkerler, Karahasanköj und Müselimköj angegriffen und nah heftigem Kampfe mit großen Verlusten zurückgeworfen wurden. _

Die bulgarische Nordgruppe ist mit starken Kräften im Vorgehen über Saraj begriffen und hat mit dem linken Flügel, etwa 13 Divi- en De Höhe von Stranza erreicht. - Die weitere Offensive dieses

ulgarishen Flügels wird nun mit s{chwächeren Kräften in füdlicher Richtung auf T)cherkesköj und Jenitzköj erfolgen. Der Hauptteil geht ohne Nücksidt auf die südli stehenden türkischen Streitkräfte direkt über Strandsha gegen den Raum zwischen dem Derkosfee und Tschataldsha vor, während die südlihe Armeegruppe der Bulgaren den Hauptstoß entlang der Bahn und über Fenar- fadiköj frontal gegen Tschataldsha führt. Die allgemeine Ab- fiht bei diesem Vorgehen ist, die nit abgeschnittene» Teile des türkischen Heeres durch \ckcharfes Nachdrängen noch vor der Tschataldscha- stellung zur Schlacht zu zwingen und gleichzeitig mit den geschlagenen türfishen Truppen in die Stellung einzudringen. Erst wenn dies nit gelingt, soll der normale Angriff unter Mitwirkung s{werer Artillerie Plat greifen. Die unaufhaltsame Offensive der bulgarischen Armee wäre troß der außerordentlihen Leistungen der Truppen niht möglich, wenn nicht der Verpflegun(s- und Nachschub- dienst tatsächlich tadellos wäre. Die Trophäen aus den leßten siegreichen Kämpfen sind außerordentlich zahlrei. Die erbeuteten Schnellfeuerbatterien werden, soweit Munition vorhanden ist, zur Ver- stärkung der mit altem Material auëgerüsteten Reservedivisionen verwendet.

Wie „W. T. B.“ meldet, ist nah einer aus den amtlichen Kreisen des bulgarischen Hauptquartiers stammenden Nachricht die Nahhut der Türken aus mehreren Stellungen zwischen Tschorlu und Saraj nah äußerst heftigem Widerstand auf Tschataldscha zurückgeworfen worden, wobei die Türken größere Verluste erlitten haben sollen als bei Lüle Burgas.

Die Pforte erklärt, obiger Quelle zufolge, offiziell, daß der

Rückzug der Ostarmee nicht vollständig beendet worden sei. Die ganze Armee befinde sich noch nicht innerhalb der Tschataldscha-Linie. _ Einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad zufolge sind die serbishen Truppen bis fünfzig Kilometer nördlich von Saloniki vorgerückt. Die westlihe Kolonne soll vor Monastir eingetroffen sein. ;

Die griechishen Verluste in der Schlacht von Jenidje betragen: sehs Offiziere und 154 Soldaten tot, 33 Offiziere und 737 Soldaten verwundet. Die Verluste des Feindes sind sehr groß. i i : /

Wie türkishe Blätter melden, sind die Griechen in dem Gefecht in der Gegend von Banica und Florina von den Res Truppen, die Banica beseßten, zurückgeworfen worden.

Der britische Kreuzer „Weymouth“ ist gestern als erstes fremdes Kriegsschiff im Bosporus eingetroffen.

Serbien. Gestern abend hat in Belgrad unter dem Vorsiß des Ministerpräsidenten Pasitsh eine mehrstündige Sißung des Ministerrats stattgefunden.

Amerika.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ ist der Demokrat Wilson zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt worden.

Nach Berechnung des republikanischen Blattes „Evening Sun“ hat Wilson von den 531 Stimmen des Wahlmänner- kollegiums 303 Stimmen auf sih vereinigt; die zur Wahl nötige Zahl betrug 266 Stimmen.

Einer im Generalkonsulat von Nicaragua in Berlin Cngeina lien Staatsdepesche zufolge sind zum Präsidenten der Republik A dolfo Diaz und zum Vizepräsidenten Fern ando Solorzano gewählt worden. Das Land ist ruhig. Der Kriegszustand ist wieder aufgehoben worden.

Parlameutarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befindet sih in der Ersten Beilage.

Bei der gestrigen Reichstagsersaßwahl im Wahl- kreise Berlin T sind nah dem vom „W. T. B.“ ver- breiteten vorläufigen amtlihen Wahlergebnis 9505 gültige Stimmen abgegeben worden. Davon erhielten der Stadt- älteste Dr. Kaempf (fortshr. Volksp.) 4888, der Stadtver- ordnete Düwell (Soz.) 3840, der Rechtsanwalt Ulri ch (kons.) 587 und der Schriftsteller Erzberger (Zentr.) 174 Stimmen; zersplittert waren 16 Stimmen. Gewählt ist Dr. Kaempf.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus“ Mainz wird der „Köln. Ztg.“ berichtet: In der Lohn- bewegung bei den Rüsselsheimer Opelwerken ist eine Eini- gung herbeigeführt worden. Zugestanden wurden in der Hauptsache verkürzte Arbeitszeit, die Erhöhung der Stundenlöhne jeßt und noch- mals im April und die Neuregelung der Akkordarbeiten.

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i. d. Zweiten Beilage.)

Jagd.

Morgen, Donnerstag, den 7. d. M., findet Königliche Parforcejagd statt. Stelldichein: Mittags 1 Uhr an der Plaßtgrenze, auf dem Wege von Groß Glienicke nah Döberiß.

Kunst und Wissenschaft.

Die Kommission, die in St. Petersburg über die Lite- raturkonvention berät, hat „W. T. B.“ „ifatae den deutschen Vorschlag, betreffend Festseßung einiger Vergünstigungen bei der Tranésfkription von Musikwerken, der Nachbildung von Klischees, der Veberseßung einiger Werke usw., als unannehmbar befunden. Der deutshe Vorschlag, den Konventionsentwurf einer Konferenz von Ver- tretern beider Regierungen zu unterbreiten, wurde angenommen. Hin- ichtlich des Abkommens mit Belgien und Dänemark wurde be- \{lofsen, als Muster den Wortlaut der russish-französishen Konvention vorzuschlagen, wobei Dänemark aufgefordert werden soll, einen Sonder- E über die Benußung von photographischen Aufnahmen einzufügen.

Literatur. Die Fleishversorgung des Deutschen Reiches.

Eine Untersuchung der Ursachen und Wirkungen der Fleischteuerung "

und der Mittel zur Abhilfe. Von Dr. Jof. Bergfried Ron Pro- fessor der Volkswirtschaftélehre an der Universität Zürich (Verlag von Ferd. Enke in Stuttgart; 7 #4). Die auf breiter wissenschaft- liher Grundlage beruhende und mit zahlreichen statistischen Tabellen versehene Darstellung beginnt mit einem kurzen Nachwets der „lange andauernden, bedeutenden und allgemeinen Pre'ssteigerung des Sc{hlachtviehs in Deutschland“, um dann dem Problem der Na- frage ausfübrliher nahzugehen. Der Verfasser macht drei Gründe für die erhöhte Nachfrage nach Fleisch in Deutschland geltend: die andauernde Zunahme der Bevölkerung, den durch eine Umbildung der Ernährung bedingten höheren Bedarf des einzelnen und die jene erst ermöglichende Erhöhung der Einkommenbezüge der breiten Massen der Bevölkerung. Fn dem folgenden Abschnitt werden die Entwick- lung der Fleisherzeugung in Deu!shland und die Möglichkeiten ihrer Steigerung untersucht. Der Verfasser kommt hierbei zu dem Er- gebnis, daß in Deutschland die M- hrzahl der Bevölkerung, die Minder- bemittelten, nicht genügend Fleisch verzehren könne, um sich das notwendige Eiweiß zuzuführen, wie denn überhaupt weite Kreise infolge der hohen Preise und eines zu ge- ringen Einkommens unter einer ungenügenden Allgemeinernährung litten. Was die Möglichkeit einer Steigerung der heimischen leis{produktion anlangt, so ist diese unter den gegenwärtigen Verhältnissen nah Ansicht des Verfassers nur beschränkt. Eine vermehrte Futterbeshafung allein sei imstande, die Viebzucht erheblih zu steigern. Die Futtergewinnung im Inland könne nun allerdings erhöht werden. Einen erheblichen Fortschritt werde man dadurch aber bei dem gegenwärtigen Landwirtschafts- betrieb nit erreihen, da ja auch die Zahl der Fleishverbraucher stetig anwahse. Man könne von der heimischen Fleis{hproduktton im besten Falle hoffen, daß die Spannung zwishen Bedarf und Erzeugung nicht noch größer werde, als sie heute ist. In den folgenden Abschnitten behandelt der Verfasser sodann die Vieh- und Fleisceinfuhr, die Organisation der Fleishversorgung (Vieh- handel und Fleischergewerbe), um dann als Schlußergebnts seiner Unter- suchungen diejenigen Maß nahmen- aufzuführen, die seiner Ansicht nah geeignet und notwendig wären, dem Fleischmangel Deutschlands abzuhelfen. Professor Eßlen glaubt, daß man dies Ziel nur auf zwei Wegen erreichen könne. Entweder mit Hilfe des Auslands durch eine freie Einfuhr von Vieh und Fleis oder aus etgener Kraft dur eine stark gcsteigerte Futtermittelêrzeugung im Inland, die allerdings eine grundlegende Umgestaltung des heimischen Landwirtschaftsbetriebes zur Vorausseßung haben würde. Der Anbau von Brotgetreide müßte eben zugunsten desjenigen von Futtergewächsen eingeschränkt und die infolge davon notwendige Cinfuhr von Brotgetreide dur eine allmählihe Beseitigung der Getreidezölle erleihtert werden.

Bauwesen.

Die Micaeliskirche in Hamburg, die am 3 Oktober

d. I. in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Königs nah ihrem Wiederaufbau feierlid eingeweiht wurde, hat ein wechsel- volles Geschick gehabt. Die Kirche war in den Jahren 1649 bis 1661 von Corbinus erbaut worden und hatte im Jahre. 1668 durch Peter Marquardt einen Turm erhalten. Im Jahre 1750 wurde sie infolge Blitzschlags vollständig zerstört, sodaß man die bis auf unsere Tage erhalten gebliebene, von Sonnin erbaute Kirhe und den in den ahren 1777 bis 1786 angefügten großen St. Michaelisturm als vollständigen Neubau ansehen mußte. Am 3. Juli 1906 war dieser Sonninsche Bau dur einen Brand, der bei Ausbesserungsarbeiten im hölzernen Turmhelm entstanden war, bis auf die Grundmauern und das Mauerwerk vern'chtet worden. Der Hamburgische Senat und die Bürgerschaft beschlossen noch am selben Tage den Wiederaufbau dieses Wahrzeichens der Hansestadt, für den eine völlige E als Bedingung gestellt wurde. Die Architekten Sa er, Geisler und Meerwein fowie der Ingenieur ennide legten im FJahre 1907 einen lan im Sonninshen Sinne und einen Kostenanschlag

ür den Wiederaufbau vor, der mit 3529 000 4 abs{chloß, während die Kosten für die innere Ausstattung auf 416 000 #4 ermittelt und

aus freiwillig gesammelten Beiträgen gedeckt wurden. Die vier ge- nannten Baumeister wurden mit der Ausführung betraut, mit der im Februar 1908 begonnen wurde. Es war ein eigenartiges Zusammen- treffen, daß die Weihe der neuerstandenen Kirche genau 150 Jahre nah derjenigen des Sonninschen Baues erfolgen fovnte. Ueber das neue Gotteshaus werden im „Zentralblatt der Bauverwaltung“ (Nr. 87 und 88) ausführliße Mitteilungen gemacht, denen die folgenden Angaben entnommen sind. Turm und Dach, die im alten Bau aus Holz waren, wurden in Eisen und Beton feuersidher hergestellt; außerdem wurde no&, um von der Kirche Schornsteine und Feuerstellen fernzubalten, eine Fernheizung angelegt, deren Feuerstelle mit dem am Pfarrhaus neu errihteten Gemeinde- haus verbunden ist. Diese Heizung versorat außer der Kirche die Konfirmandensäle im Erdgeschoß , einen 400 Pläße fassenden Ge- meindesaal nebst Vereinésaal im Obergeshoß und die benachbarten Pfarrhäuser. Von der Masse des verwandten Baumaterials gibt die Tatsache einen Begriff, daß allein für die Eisenkonstruktion des Turmes 575000 kg Eiscn gebraucht wurden. Durch den Abbruch der alten Kirchenhäuser an der Englishen Planke wurde ein 20 m breiter Play vor der Kirhe gewonnen, der die Aufführung eines großen, neuen, reich geschmüdckten Hauptportals zu- ließ, das nah einem Modell des Bildhauers A. Vogel in Berlin hber- estellt wurde. Ueber gekuppelten dorishen Portalsäulen entwidelt ch in gefälligem Abshluß an den Halbkreisbogen die Bekrönung, deren Hauptfigur die mächtige Gestalt des Erzengels Michael, in Kupfer getrieben, bildet. Zur Linken fkauert eine besorgte Mutter, die ibre Kinder \chüßt, zur Rechten ein Mann, der seinen Sohn zum Kampf gegen das Böse anspornt. Ueber dem Schlußstein sind Adam und Cva als Träger des Ursprungs von Gut und Böse dargestellt. Die Türfelder zeigen die Versuhang Christi und den Kampf in Gethsemane; darüber ist in der Mitte das Hamburger Wappen angebraht. Das große Türoberliht wirkt bild- artig und ist als Einblick in eine Kuppelhalle gedaht. Das Portal ist aus Sandstein. Das Innere der Kirche ist der jeßigen Form tes Gottesdienstes angepaßt, außerdem ist durch neue Treppen und Aus- gänge der Feuer- und Verkehrssicherbeit Rechnung getragen. Gewölbe- \{chmuck, Chorwände, Kanzel und Orgelprospekt wurden na Mo- dellen des Professors Lessing, der Altar nach einem solchen des Professors Varnesi ausgeführt. Während der alte Altar aus Holz war, ist der neue aus Marmor und Bronze gebiltet. Das frühere Oelgemälde über dem Altartisch soll durch ein Bronze- relief erseßt werden; an Stelle des früheren Tishbeinihen Altar- gemäldes wird ein Glasmosaikbild treten, das Hermann Schaper aus- führen sollte; nah seinem inzwishen eingetretenen Tode ift seine Vollendung dem Maler Pfannstiel und die Ausführung in Glass mosaik der Firma Puhl und Wagner anvertraut worden. Die große Orgel ist von der Dr. von Godeffroyshen Testamentêverwaltung ge- schenkt und von der Firma Walcker u. Co. ausgeführt. Sufer der großen Orgel is ncch eine kleine in der Mitte der nördlihen Empore aufgestellt. Zur inneren Verkleidung ist vielfah Marmor verwendet. Die Gesamtzahl der Sigpläße beträgt ohne die auf der Orgelempore 2000, von ihnen find 803 unten und 650 auf den Emvporen angebraht. Die Beleuchtung und die Kraft für das Uhrwerk, Läutewerk und die Orgel werden elektris geliefert. Die zehn Turmglocken sind von Fr. Schilling Söhne in Apolda ge- gossen. Sie sind erheblich größer als ehemals und auf die Töne f a, c, d, e, f abgestimmt. Die größte Glocke wiegt 10 230 kg bei 950 m Dur@messer. Die neue Uhr liegt mit ihren Zifferblättern von 8 m D»r(messer 75 m hoh. Die von I. und A. Ungerer in Straßburg hergestellte Uhr bat ein Gehwerk, ein Vollschlag-, Halbschlag-, Viertelschlag- und Betglockenwerk und ist elektrish geregelt. Wie Hildesheim in den atziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts den hohragenden Giebel seines Knochenhaueramtéhauses in alter Form und Venedig seinen Markusturm wiedererstehen sah, kann sich jeßt Hamburg seines alten Wahrzeihens wieder freuen. Es handelte si dabei für Hamburg nicht so sehr um eine Befriedigung eines firhlihen Bedürfnisses als um die Wiederbeschaffung der alten Repräsentationskirhe, mit deren Ueberliceferung alle großen Begeben- heiten der Stadt, insbesondere die von 1813/14 und der späteren großen Kriege auf das engste verknüpft find. Dazu kommt die große Beliebtheit der Kirhe für große Konzertveranstaltungen, von denen bereits seit 1786 berichtet wird. Die beiden neuen Orgeln, die zusammen 16 000 Pfeifen haben, werden au thnen trefflih dienen. Neben dem neuen Pastorat ist eine Ehrenhalle er- richtet, die künftig ein Denkmal für den Baumeister der frühcren Kirhe Ernst Georg Sonnin aufnehmen soll.

Land- und Forstwirtschaft.

Der Saatenstand in Preußen zuAnfangNovember 1912. Auf Grund von 4279 rechtzeitig bei dem Königlichen Statistiscen Landtesamt eingegengenen Berichten landwirtschaftliher Vertraucn8- männer über den Stand der Saaten in Preußen am Anfang des Monats November wird in der „Stat. Korr.“ folgendes mitgeteilt:

Auch in dem soeben abgelaufenen Berihtsmonate war die Witterung kaum besser als in den beiden Vormonaten, im ganzen eher noch ungünstiger. War sie vorher {hon kühl und regneri]ch, so brachte der Oktober bereits wirkliche Kälte; nur einige {chöne und trofene Herbsitage im zweiten Drittel des Monats kamen vor. Während mehrerer Nächte im ersten und ebenso im leßten Driitel herrschte scharfer Frost, der hier und da tags darauf den Erdboden voch nit auftauen ließ. Nach den darüber mitgeteilten Beob- achtungen zeigte das Thermometer in den Provinzen Ost- und West- preußen sowie im Regierungsbezirk Köslin bis C. an, und auch im übrigen Staatsgebiet war die Temperatur nit viel gelinder; aus den südwestlichen Landesteilen sind vielfah C. gemeldet worden. Dagegen waren die legten Tage des Monats sehr mild (+ 15° C.), aber regnerisch._

Da schon seit Anfang August die Nieders&läge mit kurzen Unter- brechungen anhielten, ging die Räumung der Felder nur fehr langsam vonstatten; sie konnte bis zur Abgabe der Berichte bei weitem nicht zu Ende geführt werden. Hauptsächl: ch Nüben aller Art, viel- fah au Kartoffeln, die neben der stark auftretenden Fäulnis nun auch durch den Frost geschädigt sind, harren noch des Auë nehmens. Am rückständigsten sind hierbei die nordöstlichen Landesteile geblieben. Ferner waren auch Grummet von Klee und Wiesen sowie Neste von Hafer noch nicht geborgen und verdarben größtenteils.

Hiernah mußte sich die Bestellung der Aecker zur Winterung erheblih verzögern. Während man in den westlichen Landesteilen mit der Roggeneinsaat vielfach fertig war, kann dies von den östlichen, besonders den nordöstlichen, feineswegs gesagt werden ; hier lag nicht selten noch ziemlih etn Drittel unfertig. Beträchtlicher ist aber die Weizeneinsaat im Rückstande, die in manchen nordöstlichen Gegenden kaum zur Hälfte, in den westlichen jedoh bis auf etwa ein Viertel erledigt war. Manhes zur Winterfrucht bestimmte Feld wird wohl bis zum Frühjahr liegen bleiben müssen.

Ueber den Stand der Wintersaaten ist noch nicht viel Gutes zu berichten. Soweit die Felder €ingesät waren, brauchte das Korn allein zum Keimen 3 bis 4 Wochen Zeit, weil der Boden zu fehr ausgekühlt war. Aber auch nah dem Auflaufen wurde dur die niedrige Temperatur, besonders durch die Fröste, das Wadlhstum zu sehr unterdrückt. Von einer Bestockung der jungen Den foll auch beim Roggen kaum etwas zu bemerken sein. ie vorstehenden Mitteilungen lassen {hon erkennen, daß eine Begutachtung des Weizens diesmal nur zu einem geringen Teile stattfinden konnte, da die Saat noch nicht aufgegangen war, während für den Roggen jeder Bericht eine Begutachtungsziffer enthält. Für den Weizen wie für den Roggen ergab sich wenn Begut- ahtungsziffer 1 Dr qut 2 ut 3 „inittel (durchichnittlich)“, 4 „gering“ und 5 „sehr gering“ bedeutet im Staatsdurch\chnitte die Note 3,0. Zu dem Spelze liegen Bemerkungen nit vor; er wird in pereuPen sehr wenig gebaut. Unter den Landesteilen mit ständigem Spelz- bau baben- die Hohenzollernshen Lande und die Rheinprovinz den be-

| deutendsten Anteil. Die Ziffern für den Spelz berechneten fi auf 2,9.