Seine Majestät der König haben Allergnädigst gerußt:
den Obermilitärintendanturrat Lißmann von der Jntendantur des II1. Armeekorps zum Geheimen Kriegsrat und Militärintendanten,
den Militärintendanturrat Balthasar von der Intendantur des V. Armeekorps zum Obermilitärintendanturrat und
den Militärintendanturassessor Schneider, Vorstand der Intendantur der 20. Division, zum Militärintendanturrat,
die evangelischen Divisionspfarrer Pickert und Müller, beauftragt mit Wahrnehmung der Militäroberpfarrergeschäfte beim XX. Armeekorps in Allenstein und beim XX1. Armee- korps in Saarbrücken, E B
ferner den fatholishen Divisionspfarrer Dr. Poertner, beauftragt mit Wahrnehmung der Militäroberpfarrergeschäfte beim I. und XX. Armeekorps, zu Militäroberpfarrern zu ernennen fowie 5: L i S
dem Geheimen Kanzleisekretär, Geheimen Kanzleiinspektor Baer beim Kriegsministeriuum bei seinem Ausscheiden aus dem Dienste mit Pension den Charakter als Kanzleirat zu verleihen. i
Auf den Bericht vom 26. Oktober d. J. will Jch der Stadt Oberhausen im Regierungsbezirk Düsseldorf auf Grund des Geseßes vom 11. Juni 1874 (Geseßsamml. S. 221) das Recht verleihen, das zur Erweiterung des städtishen Westfriedhofs erforderliche, auf der zurück- folgenden Karte mit roter Farbe angelegte Grundeigentum, bestehend aus den Parzellen Oberhausen Flur 2 Nr. 36, 39, 91/42, 168/73, 174/74, 175/77 und aus einem Teile der Par- zelle Nr. 163/42, im Wege der Enteignung zu erwerben.
Neues Palais, den 30. Oktober 1912.
WilhelmR. von Trott zu Solz. von Dallwißgt.
An den Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegen- heiten und den Minister des Jnnern.
Justizministerium. Der Rechtsanwalt Dr. Peßold in Gudensberg ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerihts zu Cassel mit Anweisung seines Amtssißes in Gudensberg ernannt worden.
Ministerium der geistlichen und Unterrichts- angelegenheiten.
Dem Privatdozenten in der medizinischen Fakultät der Friedrih Wilhelms - Univerfität zu Berlin Dr. Richard Cassirer ist das Prädikat Professor beigelegt worden.
Kriegs8ministerium.
Dem Geheimen Kriegsrat und Militärintendanten Liß mann ist die Militärintendantenstelle des XVI. Armecekorps über- tragen: die Militäroberpfarrer, Konsistorialräte Pickert und Mül ler sind den Gener lortimandes des XX. und XXI. Armee- orps, der fatholishe Militäroberpfarrer Dr. Poertner ist den Generalkommandos des I. und XX. Armeekorps mit dem- Amtssig in Allenstein zugeteilt, der piere Hilfslehrer Dr. Dg more am Kadettenhause in Köslin ist zum Ober- lehrer des Kadettenkorps und der Obermilitärintendantursekretär Büstorff von der Jntendantur des XIV. Armeekorps is zum Geheimen expedierenden Sekretär und Kalkulator im Kriegs- ministerium ernannt worden.
Ministerium des Jnnern.
Der Kreisassistenzarzt Dr. Pachnio aus Stralsund ist zum Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreis- arztbezirks Kreis Westerburg beauftragt worden.
Finanzministerium. Das Katasteramt Nassau im Regierungsbezirk Wies- baden ist zu besegen.
Betäanutmachuna.
Diejenigen in Berlin und im Regierungsbezirk Potsdam wohnhaften jungen Leute, welche die Berechtigung zum einjährig - freiwilligen Militärdienst nachsuchen wollen, haben sich in der Zeit vom zurückgelegten 17. Lebens- jahre bis zum 1. Februar ihres ersten Militärpflichtjahres, d. i. des Kalenderjahres, in welchem jie das 20. Lebensjahr vollenden, bei der unterzeihneten Kommission schriftlih zu melden.
Der Meldung find die im § 89 der Deutschen Wehr- ordnung aufgeführten Atteste in Urschrift beizufügen.
Für diejenigen Bewerber, welche den Nachweis der wissen- schaftlichen Befähigung durch Ablegung einer Prüfung er- bringen wollen, finden alljährlih zwei Prüfungen statt, die eine im Frühjahr, die andere im Herbst. :
Das Gesuch um Zulassung zur nächsten Frühjahrsprüfung muß unter- Beifügung der im § 89 der Wehrordnung be- zeichneten Schriftstücke und einer amtlih bescheinigten Photo- graphie sowie mit der Angabe, in welchen- zwei fremden Sprachen der Bewerber geprüft werden will (es bleibt die Wahl zwischen dem Lateinischen, Griechischen, Französischen und Englischen, an Stelle des Englischen darf das Russische treten), spätestens bis zum 1. Februar k. J. eingereiht werden. — Außerdem ist in dem Gesuche um Zulassung zur Prüfung an- zugeben, ob, wie oft und wo sich der Bewerber bereits einer Prüfung vor einer Prüfungskommission für Einjährig-Frei- willige unterzogen hat.
Berlin NW. 40, den 12. November 1912.
Heidestraße 1. Königliche Prüfungskommission für Einjährig-Freiwillige. Der Vorsigende. Siber, Prâfident.
BekTaunntmaächung. Die Aufnabmeprüfungen bei den Königlichen Lebrerinn en-
Die Bewerberinnen haben \sich 3 Wochen vorber bei dem Herrn Seminardirektor zu melden und folgende Schriftstücke beizubringen: 1) ein Zoe über sittlihe Unbescholtenbeit,
2) ein Zeugnis über den bisher erhaltenen Unterricht,
3) einen Geburts- und Taufschcin,
4) ein amtsärztlihes Gesundheitszeugnis,
5) einen Impf- und Wiederimpfungsshein,
6) einen selbständig abgefaßten Lebenélauf. i
Zur Aufnahme i} das zurückgelegte seckŒzehnte Lebentjahr er- forderlich. : : :
In der Prüfung sind im allgemeinen die in den Regierungs- amtsblättern und im amtlihen Schulblatt der Provinz Posen für 1905 und 1906 näher bezeihneten Kenntnisse und Fertigkeiten nach- zuweisen.
Posen, den 10. November 1912.
Königliches Provinzialschulkollegium. Daniels.
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 35 der Preußischen Geseßsammlung enthält unter
Nr. 11 237 die Verordnung, betreffend Einführung einzelner Teile des Gesetzes, betreffend die öffentlichen Feuerversiherungs- anstalten, vom 25. Juli 1910 (Geseßsamml. S. 241) in den Hohenzollernshen Landen. Vom 21. Oftober 1912.
Berlin W. 9, den 14. November 1912.
Königliches Geseßsammlungsamt. Krüer.
Abgereist: Seine Exzellenz der Präsident des Reichsbankdirektoriums, Wirkliche Geheime Rat Havenstein in Dienstangelegenheiten nah Dortmund.
Nichkamíliches. Deutsches Reich.
Preußem Berlin, 15. November 1912.
Jn der am 14. d. M. unter dem Vorsiß des Staats- ministers, Staatssekretärs des Jnnern Dr. Delbrück abge- haltenen Plenarsißung des Bundesrats wurde dem Antrag der Ausschüsse, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Warenverzeichnisses zum Zolltarif, die Zustimmung er- teilt. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen der Ent- wurf einer Bekanntmachung, betreffend Lohnbücher für die Kleider- und Wäschekonfektion, die am 2. Juni 1911 in Washington unterzeichnete Revidierte Pariser Uebereinkunft zum Schuße des gewerblichen Eigentums und der Entwurf eines Geseßes zur Ausführung der Uebereinkunft, der Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Zinkhütten, sowie die Entwürfe von Geseßen, betreffend die Feststellung je eines Nachtrags zum Reichshaushaltsetat und zum Haushaltsetat der Schußgebiete für das Rechnungsjahr 1912. Demnächst wurde über die geschäftliche Behandlung ver- schiedener Eingazen Beschluß gefaßt. _ / :
Der Bund&srat versammelte sich heute wieder zu einer Plenarfizung.
Mecklenburg-Schwerin.
Im Landtage beantragten nah einer Meldung des „W. T. B.“ mehrere Mitglieder der Ritterschaft in einem Diktamen die Ablehnung des neuen Verfassungs- entwurfes der Regierung, da nur eine Fortentwicklung der jeßigen Verfassung, nicht eine Zerstörung derselben in ihrer Grundlage als richtig anzuerkennen sei. Sie erbitten die Her- ausgabe einer abgeänderten Verfassungsvorlage, die dem Mangel der bestehenden Verfassung abhelfen kann, ohne Bruch mit der Geschichte und dem Rechte des Landes. Die Ritterschaft beriet darauf als Stand für sich und nahm den Antrag des Diktamens mit achtzehn gegen sechzehn Stimmen an. Die Landschaft dagegen lehnte den Antrag durch Standes- beshluß ab. Hiermit ist vorläufig der Verfassungsentwurf ak- gelehnt, ohne daß es zu einer Kommittenberatung kommt.
Oldenburg.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog vollendet morgen sein 60. Lebensjahr.
Oefterreich-Ungarn.
Der Heeresausschuß der Oesterreichischen Dele- gation hat gestern das Heeresordinarium angenommen.
Nach dem Bericht des ,„W. T. B.* stellte der KriegEminister mit allem Nacdruck fest, daß die Zurückthaltung der dreijährigen Mannschaften bis zur Einrückung der neu ausgebildeten „Refruten in ibre in BVeênien und in Dalmatien stationierten Regimenter dem Webrgeseße entsprete, und selbstverständlih keine außergewöhnliche militäriîihe Maßnabme fei, die mit der gegenwärtig ernsten Lage in Zusammenhang gebracht werden könnte. Bisher habe Oesterreih- Ungarn gar keine militärishen Vorkehrungen getroffen. Der Minister betonte, daß in Oesterreih-Ungarn allseits Friedensliebe vorhanden fei, daß aber unter allen Umständen, wenn wirklich ernste Momerte eintreten follten, der gute traditionelle Geist und das Pflichtbewußtsein in der öfter- reichishen Armee sih betätigen werden. Bei dem Geist, der alle Offiziere und die gesamten Mannschaften beseele, könne, wann immer ernste Augenblicke einträten, das gesamte Reih beruhigt auf die Armee bliden. Die Schlußworte des Ministers wurden mit lebhaftem Bei- fall und Hântdeklaishen aufgenommen. — Der „Abg. Hruban (t\chedis-fatholish-national) betonte, solange die Balkanstaaten für ibre Fréibeit gegen den gemeinsamen Feind kämpften, könnten sie der Sympathie der Tschechen sicher sein, aber gegen berehtigte Lebensinteressen der Monar@ie könnten und wollten sich die Tshecen nit stellen. — Der Abg. Graf Czerny erklärte, die Monarchie könne eine Aufteilung Albaniens und einen serbischen Kriegéhafen uiht zugeben. Oesterreich- Ungarn wolle gewiß Serbien vom Meere nicht abs{neiden. Der Minister des Aeußern sei vielmehr auf dem besten Wege, Serbien die Möglichkeit zu geben, zum Meere zu- gelangen. Er verfolge die richtige Absicht, Serbien zum Freunde zu maten und eine Handelépolitik einzuleiten, die Serbien in ein dauerndes
seminaren in Lissa und Hohensalza finden im Jahre 1913 am 14. März statt.
Freuntsafttverbältnis zur Monarchie bringe. Mit der biéberigen südslavis{en Politik müsse jedoch gebrochen werden. Der Redner
stellte fest, daß és in Oesterreich keine Kriegspartei gebe und alle maßgebenden Stellen eine friedlibe Löfur.g berbeiwünsckten. Hoffent- lih werte der alte österreihische Gedanke wieder erwachzn. — Der Rumäne JIsopeétcui betonte, das rumänische Volk würde, wenn zu den Waffen gerufen werde, in den Krieg ziehen, ohne nah dem
| Grunde des Krieges zu fragen.
— Der bosnishe Ausschuß der österreichischen Delegation hat in der gestrigen Sißung die bosnischen Kredite angenommen. s i e
Im Laufe der Debatte erklärte der gemeinsame Finanzminister Bilinski, daß die politishen Verhältnisse in Bosnien vollständig normal seien. Die Bevölkerung zeige sih ausnamélos loyal ur: kaisertreu Der Minister besprach im einzelnen das Eitsenbabn- programm und behandelte besonders die Linie Bugojno—Arzano, die im ersten Jahre des Bauprogramms gebaut werden foll. Diese Linie sei bestimmt, ohne Rücksicht darauf, wie si die politischen Ver- bôltnifse einmal gestalten würden, für den Durchgangsverkehr aus Serbien eine Verbindung mit ten österreihischen Häfen zu s{chafen. Der Minister \sprach die Hoffnung aus, daß Serbien, wenn es einmal zu geregelten Verbältnissen gekommen, ohne Rüdsicht auf politische Bestrebungen die 40 km lange Strecke von Uzice bis Var- diste bauen werde, wodur der Zutritt zu ten österreihischen Häfen Metkowitsh oder Spalato geschaffen würde. Der Redner glaubt, daß die ôsterreihish-ungarishe Monarchie verpflichtet sei, diesen Durch- gangsverkehr ohne Rücksicht auf die Gestaltung der politischen Ver- bältnisse zu fördern. Die Auéführung des Gisenbabnprogramms soll 270 Méillionen Kronen erfordern, wovon 180 Millionen auf- die Monarchie, 90 Milltonen auf Bosnien entfallen.
— Der Heeresaus\chuß des österreihischen Ab- geordnetenhauses hat gestern die Beratungen über das Heeres budget begonnen.
Der Abg. Graf Clam -Martinic erhob, wie „W. T. B.“ meldet, im Laufe der Debatte dagegen Einspruch, daß von einem Teil der Presse in einem Tone geschrieben werde, der in diesem Augen- blick nicht am Plate fei. Die Betonung von Sympathien für die Südslaven dürfe nicht so weit gchen, daß sich die Sympathien mit den Lebensinteressen der Monarchie kreuzten. Die Pflicht eines jeden Politikers sei es, die ihm nahestehenden Kreise und die ihm nake- stehende Presse auf diese große Gefahr aufmerksam zu machen. Die osterreichishe Armee habe nie danach gefragt, ob ein Krieg volkêtümlidy sei oder niht. Die Armee werde, wenn, was Gott verbüten möge, es zum Kriege komme, mit demselben Pflichteifer und mit derselben Begeisterung zu Felde ziehen, wie sie dies immer getan hakte.
Großbritannien und Jrland.
Der deutsche Botschafter Fürst Lihnowsky ift gestern vom Staatssekretär Grey im Auswärtigen Amt empfangen worden. / :
— Vei der Eröffnung der gestrigen Sißung des Unter- hauses herrschte in dem dichtbeseßten Hause große Aufregung, doh wurden die gewöhnlichen Geschäfte ohne Zwischenfall ab- gewickelt. Bevor es zur Debatte über den Antrag der Ne- gierung fam, die Annahme des Amendements Banbury für ungültig zu erklären, ergriff der Sprecher das Wort und sagte laut Meldung des „W. T. B.“: : :
Das Haus könne keine Wiederholung der gestrigen Auftritte wünschen. Augenfscheinlich habe der Vorshlag des Premierministers bet der Opposition starke Erregung hervorgerufen und er glaube, daß, wenn dem Haus Gelegenheit gegeben würde, die Umstände in Erwägung zu ziehen, eine andere Lösung der Schwierigkeit gefunden werden Tônne, die dem früheren Brauch mehr entsprehe und keinen neuen \haffe. Er \chlage deshalb vor, daß man sich mehr Zeit zur Ueberlegung lassen solle, da seiner Ansicht nach etwas mebr Ueberlegung eine Lösung der Schwierigkeit herbeiführen könne, die für beide Seiten dis Haul]es annehmbar wäre.
Der Premierminister A squith erklärte, er sei sicher, daß es’ das Bestreben jedes Mitgliedes sei, daß kein Bruch in der Fortdauer der Ueberlieferungen stattfinden solle, denen das Gaus seine große Autorität unter den Volksvertretungen ver- danke. Er begrüßte im Naraen der Regierung den Vorschlag des Sprechers und beantragte die Vertagung auf Montag. Der Abg. Bonar Law sprach seine vollkommene Ueberein- stimmung mit den Bemerkungen des Premierministers aus und sagte, die Haltung des Sprechers habe das Ansehen, das er bei dem Hause genieße, noch erhöht. Das Haus vertagte sich sodann auf Montag.
Frankrei.
Unter dem Vorsiß des Ministerpräsidenten Poincaré hat gestern ein Ministerrat stattgefunden, der sih mit der aus- wärtigen Lage beschäftigte.
— Der Senat hat gestern die Kommission zur Be- ratung des von der Kammer angenommenen Geseßentwurfs einer Wahlreform ernannt. Wie „W. T. B.“ meldet, sind in die Kommission fünfzehn Gegner und drei Anhänger der Verhältniswahl gewählt worden. Unter den ersteren befinden sih aber verschiedene, die einem Kompromiß nicht abgeneigt wären. Die Abstimmung in den Senatsabteilungen ergab 140 Stimmen gegen und 100 Stimmen für den Entwurf der Kammer. Zum Präsidenten der Kommission wurde Clemenceau
gewählt. Rußland.
Die Besserung im Befinden des Thronfolgers hat laut Meldung des „W. T. B.“ in den leßten Tagen weitere Fortschritte gemaht. Angesichts des normalen Verlaufs der Aufsaugung“ des Blutergusses sowie des befriedigenden Allge- meinbefindens des Thronfolgers werden Bulletins nur noch bei auffallenden Veränderungen im Befinden des Kranken aus- gegeben werden.
__— Die Session des Reichsrats ist gestern wieder aufgenommen worden.
Spanien.
Der König hat den Präsidenten des Ministerrats Grafen Romanones, wie „W. T. B.“ meldet, mit der Uebernahme des Vorfißes in dem gegenwärtigen Kabinett beauftragt.
. Der neue Ministerpräsident Graf Romanones leistete gestern abend im Königlichen Palais den Eid. Die anderen Minister haben ihre Portefeuilles behalten, mit Ausnahme des Arbeitsministers, der noch feinen Entschluß gefaßt hat. Garcia Prieto hat erklärt, das Ministerium des Aeußern nur bis zur Unterzeihnung des französisch-spanishen Marokko- vertrages behalten zu wollen. Moret hat eingewilligt, die Präsidentschaft der Kammer zu übernehmen.
… — Das französisch-\panische Marokkoabkommen it gestern paraphiert worden.
— Nach den Erhebungen der Madrider Sicherheits- behörde hat eine anarchistishe Gruppe vor 5 Jahren den Plan gefaßt, alle leitenden Politiker, die in Spanien die Gesellschafts- ordnung verteidigten, aus der Welt zu schaffen. Auf der Liste der Opfer stand seit August vorigen Jahres auch Canalejas. Einige Mitglieder dieser Anarchistengruppe hätten jedoh die Ermordung Canalejas’ verhindern wollen und- sowohl ihn per- jönlih wie auch die spanische Botschaft in Paris durch anonyme Briefe vor dem geplanten Anschlage gewarnt.
Türkei.
Nach einer Meldung der „Agence Havas“ wird amtlich bestätigt, daß sich Kiamil Pascha wegen Abschlusses eines Waffenstillstandes und Einleitung der Friedens- perhandlungen direkt an den König der Bulgaren ge-
dt hat.
Mend, s der Kriegsberichterstatter der „Reichspost“ aus dem bulgarishen Hauptquartier vom gestrigen Tage meldet, hat das türtishe Armeekommando dorthin einen Parlamentär mit dem Ersuhen um Abschluß eines Waffenstillstandes entsandt. Eine endgültige Antwort ist darauf noch nicht erteilt worden. Der Korrespondent erfährt laut Meldung des „W. T. B.“ von einer unterrichteten Persönlichkeit, daß Bulgarien die türkischen Vorschläge wohl prüfen, _sh aber hier- durh in der militärishen Aktion nicht hindern lassen werde. Nach Forcierung der Tschataldscha-Stellungen werde ohne Zögern der Vormarsh na Konstantinopel durchgeführt und der Einzug daselbst ähnlih dem deutschen Vorgehen in Paris im Jahre 1871 bewerkstelligt werden. Die Armee be- stehe auf dieser Krönung ihres Werkes. Die bulgarische geeresleitung ist aber darauf bedacht, vor Bewilligung des Maffenstillstandes eine Lage zu schaffen, die der Türkei keine Aussichten mehr läßt und die militärishe Aktion volllommen ab- ließt, damit die Hauptmasse der bulgarischen Streitkräfte für eine etwaige Verwendung in anderer Richtung frei werde.
— Das „Reutershe Bureau“ meldet aus Sofia, Privat- nachrichten zufolge sei es den Bulgaren gelungen, das Zentrum der türkischen Tschataldschalinie zu durch- hrechen und Kademköj zu beseßen.
Nach einer amtlichen Meldung aus Konstantinopel tele-
graphierte der Kommandant des türkischen Kreuzers „Hamidije“ .
untéèrm 18. d. M. :
Durch ein wohlgelungenes Feuer auf etroa 7500 bis 9500 m entfernte feindlihe Streitkräfte, deren Stärke auf etne Division ge- [hät wurde und die bei Dejirmentepe und Djerabtsciftlikteve in der Gegend von Dragonköj nördlich ven Bogados an der Küße des Marmarameeres konzentriert waren, wurde der Feind hinter die Höhen ¡urúckgedrängt und erlitt große Verluste.
— Nach einer Meldung aus Prilep haben gestern abend die ersten Zusammenstöße bei Monastir zwischen serbisher Kavallerie und türkishen Truppen stattgefunden. Die Türken wurden nah kurzem Kampfe gezwungen, sich zu ergeben. — Die Griechen haben gestern nah achtstündigem Kampfe die Stadt Metsovon eingenommen und auf dem Fort die Flagge der griechishen Flotte gehißt.
— Während der vorgestrigen Nacht hat eine heftige Veshießung Skutaris stattgefunden. „W. T. B.“ berichtet, daß es der montenegrinischen Artillerie gelungen sei, die Batterien auf dem Tarabosch und vor Skutari zum Schweigen zu bringen. Jm Gebiete der Stadt seien starke Beschädigungen angerichtet worden. Einzelne Werke auf dem Tarabosch sollen gänzlich zerstört und ihre Besaßung zerstreut worden sein.
Wie das Wiener K. K. Telegraphen-Korrespondenz-
Fureau meldet, scheint es, daß die türkishe Regierung infolge
der lezten Versuche des Komitees, wieder zur Macht zu ge- langen, strenge Maßregeln gegen die Jungtürken trifft, Der zweite Kammerherr des Sultans Tewfik Bey, der adâchtig ist, die Schritte der Jungtürken beim Sultan be- instigt zu haben, wurde abgesezt. Dem früheren Minister dihawid und dem Direktor des „Tanin“ Dschahid, gegen die Haftbefehle erlassen worden waren, gelang es, über Konstanza nah Europa zu fliehen.
Bulgarien.
_ Die Vertreter der Großmächte haben gestern nah ner Meldung der „Agence Bulgare“ einzeln dem Minister- sidenten Geschow folgende Mitteilung gemacht:
Da die ottomanishe Regierung sih an die Großmächte gewandt è um ihre Vermittlung gebeten hat, sind wir beauftragt, Eure Mnellenz zu fragen, ob Bulgarien geneigt ist, diese Vermittlung an- memen, und im bejahenden Falle uns nah den Bedingungen, denen ? Annahme unterliegen würde, zu erkundigen.
Der Ministerpräsident Ges ow antwortete, die Regierung irde das Ersuchen der Türkei dem Hauptquartier zur Prüfung ierbreiten und fich mit den verbündeten Kabinetten ins Ein- ‘rnehmen seßen. :
…_ — Der Präsident der Sobranje Danew hat im gestrigen “initerrat über seine Mission berichtet.
Serbien.
_ Der österreichish-ungarische Gesandte von Ugron hat wie e übrigen diplomatischen Vertreter der Großmächte bei der ‘ishen Regierung angefragt, ob sie die Vermittlu ng der Toßmächte in der Frage des Friedens\chlusses mit er Türkei annehmen würde. Wie 2 L D meldel, ïmrte in Vertretung des Ministers des Aeußern der Wiener dische Gesandte Jovanovic, daß er das serbische Armee- mmando und die serbishe Regierung von dem Schritt in tenntnis segen und daß die Antwort im Einvernehmen mit n verbündeten ‘Balkanstaaten erfolgen werde.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sißzung des Hauses tr Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (96.) Sißung des Hauses der Ab- ‘ordneten, welcher der Minister der öffentlhen Arbeiten n Breitenbach und der Minister für Landwirtschaft, ‘mäanen und Forsten Dr. Freiherr von Sch orlemer bei- nten, wurden zunächst die zur zweiten Lesung des Ent- fs eines Wassergeseßes gestellten 20 Anträge, die das ‘tzeihnis der Wasserläufe erster Ordnung erweitern wollen, ! Vorschlag des Abg. von Brandenstein (kons.) an die “nmission zurückoerwiesen, worauf das Haus die zweite Be- Ung des genannten Geseßentwurfs fortseßte.
5 80 trifft Bestimmungen über die Fälle, in denen ohne Whädigung die Verleihung von Rechten an Wasserläufen rh Beschluß der Verleihungsbehörden auf Antrag der “erpolizei wieder zurückgenommen werden kann. Auf us der Komniission ist an die Spitze der Fall gestellt orden :
„„¿ „Wenn die Verleihung auf Grund v-n Nachweisungen, die in „entlichen Punkten unrichtia sind, ‘erteilt ist und dargetan wird, 8 deren Unichtigkeit tem Unternchmer bekannt war, und wenn eur die Verleibung überwiegende Nacteile oder Gefahren für das * entlihe Wohl herbcigeführt sind; dem gutgläubigen Erwerber d dessen Nalhfolger gegenüber greift diese Vorschrift niht Plat“.
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Abg. B üchte mann (forishr. Volksp.) beantragt, diesen Paf}us zu streichen.
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.): Ih bin der Meinung, daß dieser Teil des Paragraphen fo bestehen bleiben muß, wie thn die Kommission beschlossen hat. Es kommt doch in erster Linie nit darauf an, den Täter zu bestrafen, sondern darauf, die Verleihung rücgängig zu machen.
Abg. Lippmann (fortshr. Volksp.): Dieser Teil des Para- graphen ift überflüssig und auch tireft \chädlich. Denn nah ihm werden alle Beteiligten durch die Entziehung bestraft, ob fie \{uldig sind oder niht. Der Schuldige muß natürlich bestraft werden. Aber dazu reichen die Bestimmungen des Strafgeseßbuchs aus. Dieser von der Kommission zugefügte Abschnitt bebt zivilrehtlihe Bestimmungen wieder auf und muß gelegentlich auch Unschuldige treffen.
Abg. Dr. von Kries (kons.): Diese Bestimmung muß aufrect erhalten werden. Jemand, der si dur betrügerise Angaben bei der Verleihung in den Besiß einer Konzession gebraht hat, muß diese wieder verlieren. Eine Bestrafung nah dem öffentlichen Recht kann bäufig gar nicht eintreten. Der Betrug erfordert immer, daß ein Geschädigter da ist. Aber es kann auch die Allgemeinheit ges{ädigt werden, und dieser Schaden läßt sid nicht immer so klar darlegen. Der Absay will ja auch nicht, daß die gutgläubigen Erwerber ge- iroffen werden; dadurch ift do die gefürhtete Schädigung von Un- schuldigen ausge\s{lofen.
Abg. E cker - Winsen (nl.): Ic bin für den Antrag Büchtemann. Bei der Seltenheit der Fälle \i-d besondere Ausnahmebestimmungen nicht erforderli, und das Neichsstrafgeseßbuch genügt hier vollkommen. Es handelt si dabei vielfa um großartige Anlagen, den Bau von Arbeiterkolonien und ähnlihe Einrichtungen. Diese könnten, wenn eine Entschädigung nicht eintritt, bei Rückgängigmachung der Ver- leihung ihre Grundlage verlieren. :
Geheimer Oberjustizrat Greiff: Diese Bestimmung war in der Regierungsvorlage nit enthalten. Es muß abgewartet werden, ob ein Bedürfnis für diese neue Bestimmung vorhanden ist. Ein foldher ge wird ja wohl nur außerordentli selten vorkommen. Deshalb önnte man ein Bedürfnis für unnötig halten. Nach der Auffassung der Staatsregierung liegt jedoch der Wert darin, daß sie ab- \chreckend wirkt.
Abg. Dinslage (Zentr.) spricht sich namens eines Teils des Zentrums fär den Antraa Büchtemann aus.
Abg. Freiherr von Evnatten: Es ist bier zur Emvfeblung der Streichung auch von „armen“ Aktionären gesprochen tworden. Diese Aktionäre follen gefälligst etwas besser aufpassen, wenn fie ihre Verleihung behalten wollen.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Wir haben die Verleihung als eine Einschränkung des Eigentums an den Strömen angesehen. Die SS 79—81 der Vorlage baben wir mit Freuden begrüßt. Es ift daran sehr wenig auëzusezen, obwohl wir gewünscht hätten, die Negierung wäre bi-r noch viel weiter gegangen. Zum § 80 müssen wir wünschen, daß dem Fiskus nicht nur das Net zugestanden, sondern die Pflicht auferlegt wird, in den angeführten Fällen die Verleihung zurückzunehmen, und wir beantragen eine entsprechende Abänderung des Eingangs des § 80.
Abg. Dr. Bell (Zentr.): Der neue Antrag der Soztaldemo- fraten geht mir do zu weit. Manchen Bedenken fann man bier M turch eine Korrektur des § 79 bei der dritten Lesung ab- elfen.
Abg. Dr. von Woyna (frzikons.): In Uebereinstimmung mit dem Abg Bell wollen wir für jeßt an dem Kommissionsbeshluß zu S 80 festhalten. :
Die Anträge werden abgelehnt, und §8 Kommissionsfassung angenommen.
(Schluß des Blattes.)
80 wird in der
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn- gesellschaft haben, dem „Berl. Tagebl.* zufolge, der Direktion neue Forderungen eingereiht, und zwar fordern die im Straßen- bab nerverband, Sektion des Deutschen Tranéportarbeiterverbandes, organisierten Angestellten folgendes: Anfargélohn monatlih 110 A, im zweiten Dienstjahr 115 A, steigend von Jahr zu Jahr um 2,50 #4 bis zum Höchstlohn von 150 4. (Jeßt beträgt der Anfangélohn 105 Æ und na 18 Jahren 140 4.) Für die Fahrer wird eine einheit- lihe Fahrzulage von 89 Pfennig für den Tag gefordert. Für das Erfatz- personal wird die Gewährung von drei freien Tagen im Monat bei Fortbezug des Lohnes verlangt. Die Lohnforderungen der Freien Vereinigung der Straßenbahner unterscheiden sich von denen des Verbandes haupt\ächlih dadur, daß sie sih den bicberizen Lohn- stufen mehr anpassen. Auch die Freie Vereinigung verlangt einen in fünfzehn Jahren erreihbaren Höchstlohn von 150 4 unter Fortfall der jeßt üblihen Weihnahtsvergütung. Die Arbeiter und Hand- werker der Betriebswerkstätten der Straßenbahn haben der Direktion gleihfalls Forderungen unterbreitet.
(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)
Wohlfahrtsþpflege.
Die vom Deutschen Verein gegen den Mißbrauch g-istiger Ge- tränke einberufene 1V. Trinfkerfürsorgekonferenz wurde in Gegenwart zahlreiher Vertreter von Reichsämtern, bundesstaatlichen Regierungen, von Provinzial-, Kirhen- und Sculbehörden, Stadt- verwaltungen, Landesversicherungéanstalten, Berufsgenossenschaften, Krankenkassen und fozialen Vereinen am Donnerêtag um 9 Uhr vom Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat, Senatéêpräsidenten D. Dr. Dr. von Strauß und Torney im großen Sitzungssaal des Landeëhauses der Provinz Brandenburg eröffnet. In ilen einleitenden Worten wies der Vorsißende auf das erfreulihe Wachstum des von ihm seit 10 Jahren geleiteten, nuninehr bald 30 Jahre bestehenden deutshen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke hin. Unter die neu von dcm Verein aufgenommenen Arbeiten gehöre insbesondere die der organisierten Trinkerfürsorze, deren Geschäfts- führung die Geschäftéstelle des Vereins übernommen habe; 178 Trinker- fürsorgestellen scien im Laufe der leßten Jahre entstanden, von denen die größte Anzahl unter der Leitung der Bezirksvereine gegen ten Mißbrauch geistiger Getränke steht.
Sodann spra der Generalsefretär des deutschen Vercins gegen den Mißbrauh geistiger Getränke Professor G onser über den Stand der Fürsorgebewegung in der Gegenwart und führte etwa aus: Der Gedanke ter organisierten Trinkerfürsorge hat ih im Laufe der leßten Jahre kräftig durchgeseßt. Die Zahl der Trinker- fürsorgestellen is von Jahr zu Jahr ü errashend gewachsen. Im Jahre 1909, zur Zeit der ersten Trinkerfürsorgekonferenz, bestanden etwa 40 Trinkerfürsorgestellen ; beute ist die Zabl auf 178 gestiegen. Die in der Arbeit der Trinkerfürsorge Stehenden überzeugen fich mehr und mebr von der Zweckmäßigkeit der Anlehnung deè Trinkerfürsorge- arbeit an die Bezirksvereine des Deutschen Vereins gegen den Miß- brauch geistiger Getränke. Bei der Aufnahme der Trinker- fürsorgearbeit haben \sch manherlei Bedenken geltend ge- macht. Sind diese Bedenken “dur die praktishe Arbeit bestätigt oder sind sie beseitigt worden? Liegt überhaupt soviel Not vor, daß die Schaffung von besonderen Trinkerfürsorgestellen notwendig is? Die Frage muß auf Grund der gesammelten Er- fahrungen unbedingt bejaht werden. Einer Trinkerfürsorgestelle in einer mittleren Stadt wurden z. B. in kurzer Zeit über 5500 Fälle von Trunksucht bekannt. Werden die Trinker und deren Angehörige in die Trinkerfürsorgestelle fommen und sih Nat und Hilfe erbitten ? Die Erfahrung lehrt, daß alle Trinkerfürsorgestellen, \obald sie das
öffentlihe Vertrauen gewonnen haben, von den Alkobolkranken und deren Familien gern aufgesucht werden. Werden die Subjekte der Arbeit, die amtlihen Stellen, die Fürsorger, die Helfer und Helferinnen für die Arbeit gewonnen werden ? Auch hier lehrt die Erfahrung, daß die Bereitwilligkeit zur Mit- arbeit in steigendem Maße \ich einstellt, insbesondere bei Kreis- und Stadtbehörden, Landesversicherungeanstalten, Kranken- kassen, Berufsgenossenshaften, Aerzten und Frauen. Werden genügend Geldmittel zur Verfügurg stehen, um die Arbeiten auszuführen? Ueberall, wo praktische Arbeit geleistet wird, finden s die notwendigen Mittel. Besonders erfreulich ist, daß immer mehr Mittel, auch aus öffentlihen Kassen, für die Arbeit der Trinkerfürsorge bewilligt werden. Werden dur die Arbeit der Trinkerfürsorgestellen Erfolge erzielt ? Mit großer Freude kann festgestellt werden, daß in 119 Fürsorge- stellen, über die fstatistis&es Material vorliegt, nicht weniger als 26700 von dem gewaltigen Heer der Alkobolkranken in Fürsorge genommen werden fonnten. Von diesen 26 700 Trunk- süchtigen kennen heute 3302 = 11,39% als geheilt, 4628 = 17,3 9/6 als gebessert betrahtet werden, Zahlen, die binsi@tlih der kurzen Zeit des Bestehens der Trinkerfürsorgestellen ein überras(ender Erfolg genannt werden müfsen. — Aufgabe der Zukunft wird es sein: Die Organisation der Trinkerfürsorge auszubauen, die Bewegung zu vertiefen und in noch weitere Kreise zu tragen ; die wifsenshaftlißhe Bearbeitung der gewonnenen Tatsacben na einheitlihen Gesihtéepunkten in Angriff zu nehmen: den Aus- tausch der praktishen Erfahrungen dur Schaffung eines eigenen Organs, der „Blätter für praktische Trinkerfürsorge“, zu ermöglichen. Ein ausführlicher Prospekt über diese demnätst erscheinenden Blätter ist von der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins g. d. M. 0. G., Berlin W. 15, kostenlos zu erbalten. — Die Trinkerfürsorgebewegung ist ein vorzüglihes Mittel, das öffentli®e Gewissen der Alkobolnot gegenüber aufzurütteln und alle beteiligten Stellen zu energischer Be- tâampfung des Alkoboliëmus aufzurufen, der alten Erfahrung gemäß daß Vorbeugen besser ist als Heilen.
Im weiteren Verlauf der ersten Sizung \prach Frau Gerfken- Leitgebel-Berlin über die Mitarbeit der Frau an der Trinkerfürsorge. Sie wies darauf hin, daß man unter den 400 000 Alkohbolkranken, die Deuts{bland keute beberbergt, etwa 40 000 Frauen zähle. Das allein gäbe der Frau \{on das Necht und die Pflicht, in der Trinkerfürforge mitzuarbeiten. Die Erfahrung habe aber gelehrt, daß weiblicher Einfluß auch den männlichen Trinker oft zu beilen, zu festigen vermöge. Eine gründliche Kenntnis von Ursae und Wirkung des Alkoholismus, von den Mitteln zur Hilfe, eine warme, nimmermüde Menschenliebe, das unerläßliße Vorbild begeisterter, lebenslängliher, völliger Enthaltsamfkeit — —- das be- fähige nit nur den Mann zur Trinkerfürsorge. Krankenpflege und Erziehung seien ja von altersber erfolgreiche Wirkungsgebiete der Frau. Vor allem sei die weitgehende Fürsorge für die oft belasteten, stets gefährdeten Kinder aus solchen Familien ein weites Arbeitsgebie für die Frau. Groß sei die Zahl der einsamen unverbeirateten, ver- witweten, finderlosen Frauen, deren mütterlihe Liebe bier Lit und Wärme verbreiten, gesunde, tütige und frobe Menschen heranziehen könnte. Der Dr. med. F. H. Greeff in Stuttgart sprach über das Thema: Aerztlihe Wissenschaft und Prarts in thren Be - ziehungen zur Trinkerfürsorge. Die ärztliße Wissenschaft kenne zablreihe Krankheiten, die mit dem Alkoboliëmus in direktem oder indirektem Zusammenhang stehen. Svymptomatisße Mittek nüßten, ebenso wie bei anderen Krankkbeiten, rur wenig, und dann hôdbstens vorübergehend. Es sei bei ter Trunksuet also eine fausale Therapie anzustreben. Diese sei gle! der Fürforçe für Alfobolfranke. Die führende Stellung auf dem Gebiet der Trinkerfürsorae gebühre dem Arzt. Unter seiner Leitung follten die vershiedenen Maßnabmen zur Heilung und Fürsorge des Trinkers getroffen werden. Als therapeutisches Hilfemittel bei der Trinker- behandlung seien Hypnose und Suggestion mehr, als es bisber der Fall war, bei uns zu verwerten. Au sollten mögltichst viele Trinker- beilstätten geschaffen werden, jedo dürfe die einzelne Heilstätte nur wenige Kranke aufnehmen. Der Leiter einer Fürsorgetelle sei am besten ein Arzt. — A. Kohn, Geschäftsführer der Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handeltleute und Apotheker in Berlin, sprach über die Krankenkassen als berufene Organe der Trinkerfürsorge. Von den Trägern der Arbeiter- versiherung hätten die Krankenkassen die engste Verbindung mit den Versicherten, ganz besonders mit den arbeitsunfäbigen Kranken, und so bâtten die Kassenverwaltungen die Möglich- keit, auf die Kranken und ihre Angebörigen einzuwirken, sie zu belehren und, wenn nötig, die Ueberweisung an cine geeignete Krankenanstalt zu bewerkstilligen. Bereits jeßt wirkten verschiedene Krankenkassen durch Veranstaltung bvgieniser Vortragskurse, durch Verteilung von Merkblättern und volkêtümlih geschriebene Broscbüren belehrend und vorbeugend und überwiesen Patienten an Fürsorge- stellen. In weit größerem Maße könne und werte das der Fall sein, wenn das 2. Buch der Reißéversiherungsordnung (Krankenversice- rung) in Kraft getreten sei und die Krankenkassen das Ret erlangt haben würden, Mittel für allgemeine Zwecke der Krankbeitéverbütung zu verwenden. Die Krankenkassen könnten geeignete Kranke auf die Trinkerfürsorgestellen und diese, wie dies vereinzelt bereits mit Erfolg geshebe, auf die geeigneten Patienten aufmerksam machen. Die Tätiag- keit der Krankenkassen könne jedoch nur dann rechtzeitig einsegen, wenn die Kassenärzte möglist rasch darauf aufmerkîam maten, daf die vorliegende Erkrankung auf Alkoholmißbrauch zurückzufübren fei
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let. Auch im Interesse einer möglihst umfangreichen Trinkerfürsorge sei die Zentralisation der Krankenkassen zu erstreben, nit nur weil da- dur deren Leistungsfähigkeit erhöht werde, sondern au weil dur sie die Möglichkeit gegeben sci, die Kranken besser im Auge zu bekbalten. Je nachhaltiger und umfaßender fich die Trinkerfürscrge gestalte, um so utehr würden auch die Interessen der Krankenkassen gefördert; die Krankenkassen hätten deshalb alle Veranlassung, die Arbeiten der Trinkerfürsorgestellen tatkräftig zu unterstützen.
Dr. Max Moser in Freiburg i. B. sprach über die Ge- winnung von Personen und Geldmitteln für die Arbeit an pet Pastor Deißner - Stralsund erzählte aus der praktischen
rbeit.
Kunst und Wissenschaft.
In der ägyptischen Abteilung im hiesigen Neuen Mus:um befindet sich als Leihgabe cine merkwürdige Amulettafel. Es ist ein Brett von 40 cm Länge . und 24 cm Breite, auf dem in vier Reihen 60 Amulette abgebildet sind, ¿zum Teil als Flachreliefe eingeshnitten und mit Blattgold belegt, zum Teil aus Halbedelsteinen gefertigt und in das Holz eingelegt. Mit Ueberrashung gewahrt der Beschauer dieser Tafel, daß sich unter den auf ihr abgebildeten Amuletten vielfad Gebrauchsgegenstände, wie Sandalen, Spiegel, Gefäße und Waffen befinden, Sachen also, bei denen man sich nicht leiht vorstellen fann, daß ibnen die Kraft, magishen Sch{uß zu gewähren, beigemessen sein sollte: vor allem ist das au der Fall binsichtlich der unter den Amuletten befindlichßen Nachbildungen einer Königshaube und verschiedener Zevter. Die Lösung des Rätsels findet sih darin, daß alle diese Gegenstände ursprünglich) die Grabausrüstung eines Königs bildeten, die ihm ins Grab beigegeben sein wird, damit er auch im Ienseits als König auftreten könre. Als dann in der Zeit zwisGen dem alten und dem mittleren Reih (um 2300 v. Chr.), in der das Königtum zu völliger Bedeutungslosigkeit herab- gesunken war, die ursprünglih für den König verfaßten Totenterte dem allgemeinen Gebrau zugänglih wurden, dann als Folge die!es Vorganges nicht nur der tote König, fondern auch jeder andere Ver- storbene dem Totengott und König der Unterwelt Osiris gleichgesctzt wurde, ist der Besiy einer königlichen Grabausstattung in der Theorie jedem Sterblihen zugänglich geworden. In der Praris war das freilich auch für die reisten Privatleute nicht turchführbar, und fo begnügte man sich damit, dem Toten alle jenen Kostbarkciten im Bilde mitzugeben. Im mittleren Reiche malte man sie auf die Innenseite der Särge, später bildete man fie