1912 / 273 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Nov 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Verleihung nicht gebindert werden dürfe. Der Negierungsentwurf hat aus diesen Erwägungen heraus, daß die Verleihung von Gerecht- samen nur mit äußerster Vorsicht erfolgen dürfe, nur die eigentlichen Wassernußungsrehte im Sinne gehabt, also die Einleitung. von Wasser, die Ableitung von Wasser und den Stau. Die Kommission hat geglaubt, weiter gehen zu sollen; sie hat eine größere Zahl von Gerechtsamen der Verleihung unterwerfen wollen, sich im Lauf der Verhandlungen aber davon überzeugen lassen, daß es zweckmäßig wäre, einen Teil der Gerechtsame in die Vorschriften über die Zwangsrechte zu verweisen. Immerhin sind nah der Fassung des Entwurfs, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist, als zu ver- leihende Gegenstände die Häfen, die Anlagestellen und die Bade- anstalten geblteben. Es freut mich und ih habe es als ein Ent- gegenkommen gegenüber der Auffaffung der Regierung angesehen —, daß der Antrag von Kries auf Nr. 751 der Drucksachen vorsah, daß die Badeanstalten gestrichen und unter die Zwangsrechte verseßt, auch die Anlegestellen von nicht erheblicer- Verkehrsbedeutung von der Liste gestrichen werden sollten. Wenn ih recht verstanden habe, ift dieser Antrag aber soeben zurückgezogen worden. Es bestchen dann also die Bedenken der Regierung bezüglich des Kommissionsbeschlusses, soweit er über den Regierungsentwurf hinausgeht, in voller Stärke fort. Ich glaube, mich enthalten zu sollen, hier diese Bedenken heute noch einmal des näheren darzutun. Sie beruhen eben auf der grundlegenden Erwägung, daß die Verleihung von Geredtsamen nur insoweit erfolgen darf, als allgemeine Interessen keine Schädigung erfahren.

Meine Herren, wenn Sie den Bedenken, die ih bier nochmals zur Geltung gebracht habe, Rehnung tragen sollten, so würde der Wert Ihrer Arbeit nah Auffassung der Regierung keine Minderung

erfahren. Jch wünshte daher, daß das Plenum dieses hohen Hauses sih mit diesen Fragen, auf deren Erledigung in ihrem Sinn die Staatsregierung Wert legt, recht eingehend befassen möge.

Abg; vou Brandenstein (konf.) s{lägt zur Geschästs- ordnung - vor, naddem der Minister über die ganze ¿Frage Der ZU- ständigkeit der Verleihungsbehörden gesprochen habe, mit der Be- ratung- des § 46 die der §8 49 und 71, die sih auf denselben Gegenstand beziehen, zu verbinden. ;

Abg. G e x - Winsen (nl.) erhebt dagegen Bedenken und will die einzeluen Paragraphen für sich behandelt wisten, schlägt aber, nachdem die Abgg. Dr. von Woyna (freikons.) und Lippmann (fortschr. Volkspartei) sich dem Vorschlag des Abg. von Brandenstein ange- {lossen haben, seinerseits vor, dann auch den § 60 mit zur Debatte zu jtellen. : C A E

Abg. von Branden stein (kon}.) bemerkt, daß für den F 49 au das Verzeichnis der Wasserläufe erster Ordnung in Frage komme, weil ‘in - ciesem diejenigen Wasserläufe mit einem Stern versehen seien, auf welche sih das Vetorecht des § 49 beziehe. r bie i bei seinem früher gemachten Vorschlag, dieses Verzeichnis sondern am Schluß der ganzen Beratung zu erledigen.

Das Haus is damit einverstanden, es werden die SS 46, 49, 60 und 71 gemeinsam zur Debatte gestellt.

Berichterstatter Abg. Bitta (Zentr.) erläutert den Gang der Kommissionsverhandlungen und bebt - hervor, daß die Kommisjion dabon ausgegangen sei, daß au das Landeswajseramt- eine voll- fommen unabbängige Behörde {ein und eine Beschleunigung Ter Arbeiten ermöglichen werde. Allerdings habe man gemeint, daß auc das Oberverwaltungsgeriht \{chleunig arbeiten könne, weuún es nur über Rechtsfragen zu urteilen habe, aber wenn dies der Fall sein solle, fo gehe ein großer Teil der Bedeutung des Ober- verwaltungsgerihts verloren, da es sich bier weniger um Rechtéfragen als um wassertechnisde und” wirts{aftlide Fragen handele. Gerade mit Hilfe des Landeswasseramts werde si die Einheitlichkeit der Nechtsprehung und die Fortbildung des Wasserrets erreichen lassen. Drei Instanzen seien um so weniger notwendig, als es- fih nur darum hbaudle, ob und wie eine Verleihung zu erfolgen habe, und ob das private oder öffentliche Interesse überwiege.

Abg: Lippmann (fortshr. Volksp.): Wir stehen hier vor dem aroßen gesetzgeberishen Fortschriti, die volle Ausnußzung unjerer Wasserkrafi und. die volle Ausnußung- der Benußzungémöglichkeiten unserer Wasserläufe zu erreichen. Ällerdings werden Nechtégrundsäte des Cigentums beseitigt zugunsten des großen Grundsaßes, daß das öffentliche Interesse und der wasserwirtscaftlihe Vorteil überall durchgesezt werden. soll.- Das is ein großes Ziel, aber anderseits ist es eine große Umwälzung der Rechtsverhältnifje. Es gilt hier, den guten neuen Boden zu schaffen, obne das gute Alte zu verleßen, es gilt was das ganze Gefeß beherrs{cht einen Ausgleich zu schaffen zwischen den Interessen, die neu gefördert werden sollen, und den alten- Interessen, die möglicit geschüßt werden sollen. Von allen Parteien ist bei Anerkennung aller Vorzüge des Gefeßes, besonders des Vorzugs der Freiheit der wirtschaftlichen Auffassung, die das Gesetz beherrscht, hon bei der ersten Lesung bekundet worden, daß dafür gesorgt werden muß, daß- das heutige Net an den Wasfjer- läufen ges{chüßt wird, und. daß insbesondere diese voll- fommene Verfügung über alles Eigentum und alle Rechte an Wasserläufen, die durch Verleihung eingeführt wird, in Hände gelegt wird, denen das Volk und diejenigen, in deren Rechte eingegriffen werden foll, volles Vertrauen {enken tönnen. Selbstverständlih kann davon teine Rede sein, daß die Ministerial- instanz niht--das Vertrauen verdiene; aber nach dem unser ganzes Rechtsleben bebherrshenden Grundsaß soll über eine Enteignung, ckn Aufgeben eines Privatrehts zugunsten des offentlichen Vorteils eine unabhängige richterliche Instanz befinden. Alle Parteien wollen diesen Rechtsgrundsatz nicht verlassen und wollen deshalb, daß über die Ver- leibung eine richterlihe Instanz befindet. Bei diesem Vorhaben ist die Kommission tro des Strebens der Ministerialinstanzen geblieben, und nur über die Wege dazu ergeben- sich Differenzen. Die etne Partei in der Kommission wollte als diele Zentralinstanz das Landes- wasseramt schaffen, die andere Partei war für das Dberverwaltungs- gericht. Es fragt sich nun also nux, welcher von beiden Wegen den größéren Vorteil bietet. Auf dem einen Wege kommen drei Instanzen in Frage, der Bezirksaus\{uß, ein provinziell zu gestaltender Strom- ausschuß und das Oberverwaltungsgeriht. Man könnte meinen, daß gerade für den Schu des Cigentums drei Instanzen größere Sicherheit gewähren, aber sachlich richtiger ist es do, nur zwei Instanzen zu schaffen. Der Stromaus\{huß und das Oberverwaltungsgericht waren als fo- genannte Revisionsinstanzen gedacht. Wer im Nechtsleben steht, weiß, daß: eine Nevisionsinstanz nur ein Verlegenheitêproduït ist, der weiß aber auch, daß die Revisionsinstanz oft vor falschen Entscheidungen Halt machen muß. Eine solche Instanz, die sih der vollen Prüfung der tatsächlihen Gründe zu enthalten hat, ist aber hier von Schaden. Es find 12- Stromausshüsse vorgesehen, deren Rechtsprechung: eine leßte Instanz bilden. joll ; deren Rechtsprehung wird ja „immer lokal becinflußt sein und kann deshalb feine einbeitlide fein. Lassen wir- nur zwei Instanzen zu, dann wird niht nur das Verfahren gekützt, fondern- das Landeswasjeramt kann als einheitliche Instanz die großen-Grundsäße herausarbeiten, nach denen fih später die nachgeord- neten Instanzen. richten können. Wir kommen so ras zu einer ein- beitlichen Rehtsprechung. Deshalb balte ih es für das Richtige, wenn man am Bezirksaus\chuß und am Landeswasseramt festhält. Außerdem halte ih die Zusammenjegung des Landeêwasseramts für eine glüdlihe. Es fißen in ihm unabbängige Richter, Verwaltungsbeamte und eine An- zahl. sahkundiger Lalen. Dadurch, daß nur Richter im Hauptamt darin sind, find Kautelen genug geschaffen. Und wenn noch dazu Laten mit ibrer wirtschaftlichen Erfahrung treten, so werden wir ficher an diesem Landeswasseramt unjere Freude erleben. Meine Freunde

_—

daß es ohne die nötigen Kautelen nicht über private Rechisansprüche verfügen darf. Wir halten es sogar für unerläßlih, day das Ministerium im Rahmen seiner Sachr'erständigkeit beteiligt wird. Aber es soll nur zu entscheiden haben, ob die betreffende Verleihung mit dem Zweck unserer Ströme und unjerer öffentlihen Interessen im Widerspruch steht. Meine Freunde f?:chen deshalb auf dem Boden der Kommissionébeschlüsse zweiter Lesung. _Nur so ift ein gesunder Ausgleih mögli zwischen dem allgemeiren öffentlihen Interesse und dem Privatinteresje, das gerade dur eir selbständiges Gericht geschüßt werden soll. i

Abg. Dr. von Kries (kons.): Man kann über die Beteiligung der Laien in den einzelnen Instanzbehöcden verschiedener Ansicht: sein. Das Wesen und die Wichtigkeit des Laienelements liegt vor allem darin, daß die Laien den Beamten am grünen Tisch praëtische Kennt- nisse und die lokalen Wünsche vermitteln. Diese vermittelnde Tätigkeit trägt natürlih dazu bei, das Vertrauen des Volkes zur richtigen Anwendung der Gesege und zur ritigen Behandlung der verschiedenen Interessen zu stärken. Eine richtige Selbstverwaltung muß so fonstituiert sein, daß die praktische Kenntnis von den Laien geleistet wird, ohne daß auf der anderen Seite diese Laien den ein- zelnen Verhältnissen persönlich so nahe stehen, daß fie jenen Fragen nicht objektiv genug näher treten Tonnen. Nach den von uns bei der ersten Lejung gestellten Anträgen war nicht nur in der ersten, sondern auc in der zweiten Instanz die Mehr- heit des Laienelements gewährleistet, Wir verschlossen uns der Auf- fassung nicht, daß es im Wassergeseiz Nechtsfragen gibt, die unabhänaig sind von den praktischen Bedürfnissen und Verhältnissen, und welche einbeitlih gestaltet und beurteilt werden müssen. . Zur Prüfung und Entscheidung dieser Rechtsfragen, welche die überwiegenden Interessen des öffentlichen Wohls berührten, sollte das Oberverwaltungsgerit berufen sein. Ebenso wie bei dem Zweckverband8gefeß kommt es au beim Wassergeseß auf einheitliße Regelung an. Die Regierung hat dur ihre Kommissare Verwahrüng gegen das Oberverwaltungsgericht eingelegt. Die Regierung hat | gesagt, daß wir im Interesse des Gejeyes auf das Oberverwaltnngsgericht verzichten und eine andere Instanz wählen müßten. Diese andere Instanz ist das Wasferamt. Ic habe. eine viel höhere Achtung vom Wert der Revisionsinstanz als der Abg. Lippmann. Die Revisionsinstanz soll die einheitliche Handhabung der fundamentalen RNechtêgrundiaße in allen Instanzen gewährleisten. Das Für und Wider bezüglich des Landeswajjeramtes muß hier im Plenum nochmals erörtert werden, hon deêwegen, weil wir hier bisher die Ansicht der entscheidenden Minister nit gehört haben, fondern nur diejenige ibrer Kommissare. Es sind ja gewiß ganz ausgezeidnete Leute, und sie haben auch ganz Ausgezeicnetes geleistet. Aber es sind doch nur. Menschen. Gegen das Ober- verwaltunggeriht wird von der Regierung zunächst die Ueberlastung des Oberverwaltungêsgerichts ins Feld geführt, weiter die unerträglihe Ver- langsamung des Verfahrens und der Mißstand, daß man hier jeßt wiederum drei Instanzen einführen wolle, während gleichzeitig die Ver- waltungsreorganisation dahin geritet fei, durchaus mit zwei Instanzen auszufommen. Wenn auch tatsächlich neben den vraktiswen nur wenig cigentlihe Rechtsfragen in Betracht kommen, }v sind diese doh gerade von überwiegender allgemeiner Bedeutung, handelt es sih doch um die Nechtsfragen des öffentlichen Wohls und des allgemeinen Interesses. Die große Mehrzahl der Sa@en würde auß beim Oberverwaltkungs- geriht ohne nennenswerte Mehrbelastung und Zeitaufwand entschieden werdén können. Auch gegen die befürhtete Verlangsamung der Recht- sprehung batte die Kommission entsprebende Kautelen vorgesehen. Auch die Interessenten sind“ in ihrer Mehrheit für das Ober- verwaltungsgeriht, obaleih- sie die Vorzüge des Wasseramtes au nicht verkennen. Das Landeswa}jeramt wird auf die Dauer zur un- erträglichen Uniformierung fämtkicher Entscheidungen führen. Ich bitte, unsere Abänderungsanträge anzunehmen.

Minister des ‘Jnnern Dr. von DalIllw.i b:

Der Herr Vorredner hat feine schr interefjanten Ausführungen damit begonnen, daß cs notwendig sei, cine so wichtige neue Insli- tution, wie die Verleihung im Wasßjergesez es ist, mit den ent- sprechenden Rechtskautelen zu umgeben. Ich möchte hinzufügen, daß es au unbedingt notwendig ist, solchße neuen Institutionen fo vor- zusehen, daß fie niht an formalen Schwierigkeiten scheitern, daß man in der Praxis auch in einer dem praktischen Bedürfnis entsprehenden Weise davon Gebrauh machen kann.

Dazu gehört vor allem, daß die Zeitdauer, die. durch das Ver- leihungsverfahren in Anspru gencmmen wird, keine übertrieben lange, keine so lange ist, daß sie die Unternehmer, die von diesem JInstitut Gebrau zu machen wünschen, von- vornherein von ihrem Vorhaben abschreckt. Im Interesse der Vereinfahung und der Beschleunigung des Verfahrens muß daher bei Verleihungsanträgen, deren Eilbedürftigkeit die Kommission ja selbst durch den von ibr zu 8 60 beschlossenen Zusaß ausdrücklich anerkannt hat, unbedingt an der, Beschränkung auf zwei Instanzen festgehalten werden. (Sehr richtig! links.)

Wenn nun aber das Oberverwaltungsgeriht als dritte Instanz eingeführt wird, so ift es. ganz unvermeidlich, daß das Verfahren nicht nur fompliziert, sondern auch beträhtlich verlanásamt wird. Denn bei der notorischen Ueberbürdung des Oberverwaltungegerihts muß unbedingt regelmäßig, ja bei jeder Entscheidung eine sehr erhebliche Verzögerung eintreten; und diese Verhältnisse werden sich fast unerträg- lich gestalten in den Fällen, in denen durch Zurückverweisung an frübere Instänzen noch mehr als drei Entscheidungen mit dem dadur bedingten Zeitaufwand erforderlich werdea würden.

Dagegen hilft au der von dem Herrn Vorredner zitierte § 72 Abs. 2. nicht, nach welchem die Möglichkeit gegeben - ist, {on vor definitiver. Entseidung den beantragten Gebrau eines Wafserlaufs gegen entsprehende Sicherstellung zu gestatten. Denn es werden nur in den seltensten Fällen Unternehmer bereit sein, kostspielige- Ein- rihtungen zu treffen, solange sie nicht ficher sind, daß ihnen auch das Necht, das sie beanspruchen, dauernd verliehen wird.

Aber, meine Herren, au im Interesse des Oberverwaltungs- gerihts selbst und seiner Nehtsprehung scheint mir die Neubelastung desfelben mit dieser umfangreichen, ihm bisher fernlicgenden Materie angesihts seiner jeßt hon bestehendeuUeberbürdung abjolut un- durhführbar zu sein; es würde dies auch in einem grellen

Gegensaß sichen. zu dem Ersuchen - welches dieses hohe Haus im vorigen Jahre bei Beratung des Hilfsrichtergeseßzes an die Staatsregierung gerihtet hat, daß. für tunlicst baldige Entlastung des Oberverwaltungsgerihts Sorge getragen werden möge.

Meine Herren, die Annahme, daß, da es sich. um eine Revisions- Flage handle, nur ein geringer Bruchteil der Verleihungsfälle bis ans Oberverwaltungsgericht gelangen werde, it irrtümlich. Denn ganz sicher würde bei der großen Anzabl von Interesjenten, die in jedem Beleihungsfalle vorhanden sind, und bei der Höhe und finanziellen Bedeutung der in Frage {tehenden Interessen fih in jedem einzelnen Falle mindestens ein Interessent finden, der. gewillt sein wird, die Sache dur alle Instanzen durchzutreiten. Dem würde au dadur nit abgeholfen sein, daß die Begründung der Revision beschränkt ist auf die Fälle der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung der Bestimmungen des Wassergeseßes. Wenn der Herr

wollen ja das Ministerium gar nicht ausscalten. Sie wollen nur,

Vorredner der Ansicht war, daß die Zurückweisung derartiger unbe-

gründeter Revisionsklagen das Oberverwaltungsgericht niht sehr be- lästigen würde, so will ih zugeben, daß es dadurch nickt in dem gleichen Maße in Anspruh genommen werden dürfte, als wenn begründete Nevisionsanträge gestellt werden; aber eine sehr erheblihe Mehrbelastung liegt bei der großen Anzahl von Klagen, die an das Oberverwaltungtgeriht kommen werden, auch denn unzweifelhaft vor ; und ebenso eine entsprechende Verlangsamung des Verfahrens.

Nun würde ja noch in Frage kommen tönnen, ob eine Abhilfe durch Bildung neuer Senate bein Oberverwaltungêsgericht geschaffen werden könnte; aber auch dieser Ausweg ist nicht gangbar, weil, wie hier im vorigen Jahre. bei Beratung des Hilfsricßtergesetes dargeleat und auc in diesem hohen Hause anerkannt worden ist, cine Bildung neuer Senate iin Interesse der Einheitlihkeit der Neht- sprechung beim Oberverwaltungsgeriht nit mögli fein wird. Ganz besonders {wer fällt gegen das Oberverwaltungsgeriht als dritte Instanz ins Gewicht, daß es, wie der Herr Vorredner schon angedeutet hat, seiner ganzen Struktur nach nit für derartige Fälle geeignet ist. Es handelt si hierbei nit um streitige Rechtsfragen. Denn die Geltendmachung der Entshädigungsausprüche ist dur) das Gese dem ordentlichen Rechtswege vorbehalten, und au nicht um die Anwendung bestehender Rehtênormen, vielmehr handelt es si hier in den vor- liegenden Fällen um die Konstituierung neuer Rechte unter Anußs- gleihung fonfurrierender Interessen nah den Gesichtspunkten “der Zweckmäßigkeit und der Billigkeit (Abg. Lippmann: Sehr richtig!) urd unter. tunlister Berücksichtigung der Forderungen, die. aus Gründen des öffentlichen Wohls zu stellen sind. Nun hat der Herr Vorredner geglaubt, daß die Gründe des öffentligen Wobls als Relbtsfragen anzusehen seien. Dieser Auffassung kann ih nit bei treten, denn die Bedeutung des Begriffs des sfentlihen Wohls ist in jedem einzelnen Falle nach den tatsälihen Verhältnissen ver- schieden. Es ist au im Enteignungsverfahren stets anerkannt worden, daß der Begriff des öffentlihen Wohls zu denjenigen gehöre, die durch die Tatsachen besiimmt werden, ritbin zu den Tatfragen. Es handelt si also in all diesen Fällen nicht um Akte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern um Verwaltungsakte, dié ihrem Wescn nach nicht in der Form des Verwaltungsftreitverfaßrens entschicden werden können, sondern für welche das Verfahren vor Bes(lußbehörden das gegebene ift.

Wenn nun gesagt worden ist, daß das Oberverwaltungsgerit als Nevisionsinstanz über matertelle Fragen nit werde. zu entscheiden haben, so ist das insofern nit zutreffend, als. bei spruhreifen Sachen das Revisionegeriht in seiner Revisionsentsheidung auch über - die materielle Frage mit zu entscheiden hat. Es gebörcn aber zu derartigen Entscheidungen meines Dafürhaltens zweifellos niht nur recht- lie, sondern au technishe und twasserwirtsGaftlice Kennt- nisse und Erfahrungen, und über diese wasserwirischaftlißen Kennt- nisse und Erfahrungen verfügt das Oberverwaltungsgericht nit, Das wird ganz wesentlich zutreffen bei den in- der Mehrzahl ter Fälle schr wißtigen Entscheidungen über diejenigen Maßnahmen, die zur Verhütung befürchteter Schädigungen anzuordnen sein werden. Dem würde. nur dadur abgeholfen werden können, daß auch Lien den betreffenden Senaten des OberverwaltungsgeriŸts- hinzugefügt würden, daß sie mithin für WasßserrehtssaWen anders gestaliet würden wie die sonstigen Senate des Gerichts. Ich glaube aber, taß das ernstlich nit in Frage kommen fann, denn wenn das Ansehen, die Vertrauens- stellung, deren sich das Okterverwaltungégericht mit Recht erfreut, aufrecht erhalten werden soll, ist es notwendig, daß ihm der Charakter als. eines Verwaltungsgerihts, den es bisher gehabt hai und hat, auch künftig erbalten bleibt. Aus allen diesen Gründen kann ih die Zu- stimmung der Königlichen Staatsregierung zu dem Antrage Nr. 692 niht in Aussicht stellen und muß Sie bitten, ihn abzulebnen.

Abg. Dr. von Woy na (freifonf.): Die gegenwärtige Fasiung des § 46 ‘war Gégenstand lebhafter Verhandlungen. _ Hieran im gegenwärtigen Stadium zu ändern, find meine politischen Freunde nicht geneigt. Ih möchte taher den Minister der öffentlichen Arbeiten bitten, uñs in diesem Punkte entgegenzukommen. Was wir verlangt haben, ist vechältnismäßig bescheiden. Der Minister kann aud, nahdem von. uns das Vetoreht fo weit ausgestaltet worden ist, seine Zustimmung geben, Bei_ der ersten Lesung der Kommisfion war Neigung für das Oberverwaltungegericht vor- handen. Aber die Abfassung d-8 Wassergeseßzes hat die Sachlage so verschoben, daß die Mehrheit ‘für das Landeswasseramt cintrat. Es ist ja Tatsache in Preußen, daß, wenn der Fiskus in Frage kommt, aller Argwohn, alles Mißtrauen, aller Verdacht zur Sprache kommt. Es ist ‘dech. cigentümlich, daß der. Fisfüs, der so berunter- gesetzt zu werden pflegt, do derselbe Staat ist, der das, was cr eben niht aus den fisfalishen Nußungen und Rechten einnimmt, _auf- bringen muß aus der Steuerkasse sciner Mitglieder, Das Ober- verwaltungfgeriht ist beiseite gelassen worden, niht weil es un- geeignet ist, sondern weil es feiner Konstruktion nach nur immér die Rethtsläge prüfen kann. Dieser Mangel bat sh ja au beim Zweckverbaud. geltend gemacht. Auch das Vetorecht ijt Gegenitand sehr Tanger Verhandlungen gewesen. Die Kommission hat fich auf die jeßige Fassung gecinigt. Auch auf die künstlichen Wasßserstraßen das Berleihungérecht auézudehnen, geht ‘nicht an. Der Eigentümer solher Wajfserläufe muß volle Verfügungsfreiheit behalten. So wäre ja das Schleppmonuopol unmöglich. Die Schaffung des Lañdeswasser- amts liegt, im Interesse der Landwirtschaft. Db die Konstiruftion, die ihm die Kommission gegeben hat, ideal ift, will ih dabingestellt leut lasten. Ih bin kein Freund von Laien in der Nehtsprechung. Aber wenn die anderen großen Parteien bier Laien haben wollen, so sind wir - bereit, darauf einzugehen. Als erste. Instarz gilt der. Be« zirtgausschuß. Dieser muß aber auf jeden Fall eine Zusammenseßung erhalten, die der Bedeutung seiner neucn Aufgabe enispriht. Schweren Herzens lind meine Freunde dâhin gekommen. von den Kreisausschüfsen, die die „Regierungsvorlage vorsieht, abzusehen. Daß die Sache: an die Bezirksausfchüsse verwiesen worden ift, ist nah- unserer Meinung F Abdrängung der Bevölkerung von ihrer natürlichen Obrigkeit, “lber da nur zwei Instanzen geschasfen werden sollten,, fo gaben wir na. (s jedo în Zukunft vermieten werden, daß. dèr Kreis- aus[Guß einen derartigen taubens{lagähnlichen Charäfter -beibebält. Der Sañg der Verhandlungen berechtigt zu ter Annahme, taß das E zu stande kommt. Das ist auch für die jeßige Nahrungs- mittelnot mit Freuden zu begrüßen, da ja durch dieses Gesetz“ die MYETE Kolonisation erst möglich wird. Die Regierung wird nächstens Vorschläge machen, um die Vedländereien "und die Mookflächen riuußbar ¿zu machen. Das werden aber alles nur, balbe Maßregeln sein, wenn wir nicht vorher. dieses Wassèrgeseß verabschiedet baben.

Ì 7 o Rtnf . 7 e o : Le:

„Abg. E ex - Winsen (nl.): Wir wünschen eine gleiGmäßige Behandlung der Wasserläufe erster Ordnung, gleichviel ob sie natür- liche oder künstliche sind, und haben einen entsprehenden Antrag ge- stellt. Die großen Schiffabrtékanäle find ja doch nicht dem Staat als Cigentum angewiesen ; der Staat übt aüf. ißnên wohl Hoheits- rehte aus, aber beigetragen zu ibren Kosten haben doch au fôm- munale und andere Verbände. Unsere Resolution gründet fich darauf, daß zwischen der Verleibung im Sinne der Gewerbeordnung und der- Legen eus SRNE des Wasßiergeseßes ‘ein großer Unterschied besteht, indem die Verleihung auf Grund des § 46 cin Recht au gegenüber

- . - r

¿icheidung zu berufen, ist nach unserer Auffassung irrtümli ; wir ¿ten dann 12 koordinierte Beschwerdeinstanzen, dié ganz verschieden ‘denselben Fragen entscheiden könnten. Daß die Uébertragung dieser „aftionen auf das Oberverwaltungégeriht S wäre mit “langer Hinausschiebung der Entscheidung, halten wir für auêëgemacßt. Landeswasseramt - aber- -in der Ausgejtaltung und. mit dem Ver- ren, wie es die Kommission vors{lâgt, wird allen berechtigten An- erungen Rechnung tragen und kommt dem praktischen Bedürfnis aus entgegen. Ein Zusammenhang mit der Ministerialinstanz 5 aher unter allen Umständen erhalten bleiben, und dazu dient der 49, insbesondere dessen Absatz 4.

Nbg. Styczynski (Pole): Den Antrag von Kries zu_§ 49 „n wir als eine Verslechterung der Kommissionsbeschlüsse ab. ir stimmen überhaupt gegen den. ganzen Absatz 4, weil _wir mit der izndigkeit des Ministers die s{limmsten Erfährungen gemacht «en, weil nur zu oft- nicht die Interessen der Allgemeinheit, sondern des Unternehmers das Uebergewiht baben. Cbenso stimmen wir „n den Antrag von Brandenstein ; niht die Stromausschüfse bilden lêcklihe Lösung der Frage der Beschwerteinstanz, sondern das vasseramt, das uns auch unparteiisch ersckeint. Herold (Zentr.): Das Landeswasseramt ift allerdings

¿vaten gibt. Die provinziellen Stromauss{üsse zur endgültigen

e nee Behörde. Da. aber zwölf Stromausschüfse gebildet werden len, so wird die Zahl der neuen Behörden noch wesentlih erhöht den. Die Stromausschüsse sollen für alle Tatîachen höchster

¿hof sein, nach meiner Meinung aber als leßte Instanz absolut rignet. Wir müssen dafür eine dur&aus unabbängige Instanz die vollständig unabbäugig ist von_ Interefientergruppen, 2 wählen. Auch die Beamten der Stromaus|{hüsse würden zt unabhängig fein. Deshalb muß ih mich eutschieden «egen aussprehen, daß Stromauésschüste eingeseßt werden. Herr 1 Krics hat nun das Bedenken gegen das Landeswasseramt esprochen, daß eine Zentralbehörde für die ganze preußiiche narizie die Rechtsvrehung zu _ sehr-- uniformieren würde. s meine allerdings, daß bei den Entscheidungen der leßten Instanz 2: gewisse Gleichmäßigkeit in der Nebtsprechung eintreten muß. ; der Entscheidung der Stromausschüsse würde sih die Necht- ung in den verschiedenen Provinzen vollständig verschieden alten. Es ist fritijiert worden, daß auch die Laien des Landes- feramts auf Lebenszcit angestellt werden sollen. Würden diese n von den Inttressentengruppen gewählt, so würde ihre obbängigkeit- in Frage gestellt sein. Sie würden auch von der ‘erung abhängig sein, wenn es in deren Hand läge, sie wieder zu innen oder nit. Den Einwand, daß dieje Leute keine Laien mehr fen, wenn sie auf Lbenszeit ernannt werden, verstebe ih nicht. ¿l man auf sie das Disziplinarrecht anwenden, um fie mit den anten aleidzustellen, so habe ih nichts dagegen. Ih alaube, ¿ diz Behördenorganisation, wie fie die Kommission vorgeschlagen i tas relafiv Beste ist. Jch bitte, sämtlihe Anträge abzulehnen Kommilssionsbeshlüfte anzunehmen. ba. Freiherr von Maltzahn (kons.): Zunächst habe ich nens meiner Freunde zu erklären, daß wir dem Antrag des Abg. 1: Kries auf Einfügung eines fünften Absaßes- beitreten. Wenn die : Landeswasseramt auf Lebenszeit ernannt würden, was.würden

t

Tai 164+ n noch für Laien sein? Sie würden mit der Zeit ihre Sach- verlieren, weil sie. mit den örtlichen Bedürfnissen der vélferung niht- mebr. in genügendem Zusammenhang. bleiben, und n würden diefe Laien Richter sein, die weder NRechts- noch 6fenntnis- haben. Jch mache auch darauf aufmerksam, daß seglih diese Laien durch das Oberverwaltungsgeriht nur n diéziplinarish ‘ihres Amtes für verlustig erklart werden nim, wenn fie eine Freiheitsitrafe von mehr als. zwei Dauer erlitten bätien, Wie - anders dagegen Éönnten

m im Stromaus\huß wirken. Wir wünschen, die Strom- éshije an die bestehenden Provinzialräte anzus{ließen. Dann erden auc nit zwelf neue Behörden gebildet, sondern es würden ¡mölf bestebendê Behörden in ibrer Befugnis ausgebildet werden, ar in einer Weise, daß cine Mehrbelastung beim Oberver- [tungêgeriht als letzter Instanz niht eintreten wird. Ich halte im Weg durchaus für gangbar und um so mehr für notwendig, f die Laien, die hier in Berlin an der Zentralstelle sien, unmög- Ï mit den örtlichen Verhältnissen. in_ Ostpreußen oder in der bcinprovinz oder sonsiwo vertraut sein können. Unter Laien ver- æ ih aud nur felde Männer, die von einem Wahlkörper ge- hlt werden; wir haben. uns aber_ in der Kommission ver- ens bemübt, einen Wahlkörper fo auszugestalten, daß - er n Interessen gere{cht werden und unabhängig sein. fanu. tfentlih gewinnen wir auch die Nationalliberalen für unseren Vor- ag, wenn wir zu einer zweckmäßigen Ausgestaltung der Provinzial- i: fommen fönnen. Eine Ueberlastung des Oberverwaltungsgerihts m sehr wohl vermieden werden, denn es soll nur in den Fragen ein, die diesen Geseßentwurf betreffen. Durch die Zweck- 1t das Oberverwaltungêgeriht auch noch-nicht übermäßig in genommen worden. Für die genügenden technischen Kennt- |? des Oberverwaltungsgerihts fann durch die Heranziehung von verständigen gesorgt werden. Jch sehe -also keine übermäßigen Swierigteiten und feinen Grund, von dem Oberverwaltungsgeridht jugehen. Wenn wir das Oberverwaltungsgericht überhaupt nicht mehr

en wollen, dann dürfen wir überhaupt feine Geseße mehr machen, üssen wir die Gesezgebungsmaschine etwas einstellen. Lediglich 1 Grunde, weil das Oberverwaltungsgeriht überlastet werden ute, Gesetze, die zweckmäßig sind, nicht zu machen, geht- doch- nit - Venn das Oberverwaltungsgeriht seinen Arbeiten niht mehr t werden fann, dann müssen wir neue Senate bilden. Jeden- müssen wir die Gesetzesauslegungen, die beim Wassergeseß vor- men, unter die Nehtskontrolle des Oberverwaltung2gerichts itellen. die Bedingungen, unter denen eime Verleihung erfolgen fann,

N L

Uen wir eine einheitliche Nechtsauffassung herstellen. Innere funde gegen das Oberverwaltungsgeri(t liegen zweifellos

es ist gerade das Geriht, das vom Volke mit em Vertrauen angesehen wird, und tas Vol wird verstehen, wenn wir in diesem Falle ledigli aus eren Gründen das. Oberverwaltungêgericht beiseite schieben und h cine neue Zentralbebörde in Berlin érfeßen wollten. # Zentrum hat ursprünglih auch dem Gedanken des Ober- mraltung8gerichts freudig Folge gegeben, und erst der Widerspruch ! egierung bat es umgestoßen. Wasserwirt schaftliche Verbände, ! Magistrat der Stadt Breslau und viele andere Behörden haben ) für das Oberverwaltungsgeriht auêgesprechen. Der Antrag der tonalliberalen scheint mir ein solcher Eingriff. in das Recht an den Msserlàufen zu sein, daß wir ihn ablehnen werden. Unser Antrag | 549 Abs, 4 geht von der Erwägung aus, daß die Nechtswirkungen Verleihung so weitgehend find, daß den Behörden darin gewisse *Qranfungen auferlegt werden müssen. Ich bin kein Freund des êitgehenden Vetorehts, und wenn wir den Ministern das Vetoreht den, so Ffönnen wir auch das Verleibungsrecht selbst den nistern geben. Bei der Kommissionsfassung muß man beachten, 8 eine ganz erhebliche Verzögerung des Verlei ungséverfahrens8 Un gebergen liegt. Das ist keine Vereinfahung des Verfahrens, in cs baben drei Behörden- darüber zu verhandeln: die Verleißungs-

L de, die Wasserpolizei und die Minister. Nuch unserem Antrage s Verfahren viel einfacher, sodaß eine Verzögerung nicht eintritt. § 49 in Verbindung mit dem § 71 entspriht nicht den An- ‘erungen des praktishen Bedürfnisses. Es wäre besser, wenn an [t obersten Spiße das Oberverwaltungsgeriht stände. Das liegt © im Interesse der Rechtssicherbeit. Wir müssen daraus sehen, 6 pes Nechtébewußtsein dem Volke erhalten bleibt. _ : ; Wg. Dr. Nöchlin g (ul.): Die fünstlihen Wasserstraßen, die "n Staat gebören, sind nicht dazu da, Einnahmeqguelien dem-Staat gy elaffen. Sie jollen dem Verkehr dienen. Deshalb baben wir ‘9% veantragt, bei den dem Staate gehörenden fünstlihen Waßer- afen die Befugnis des Staates auf Einspruch auszuschalten. F? müssen ebenso behandelt werden. Den Antrag Kries bitten wir ulebnen. Bezüglich der Schaffung des Landeswasseramts bitten t es “bei den Kommissionsbeshlüssen zu lassen. Das Ober-

¿Or 4

er 5 L

verwaltungëgeriht is unserer Meinung nach- auch viel-zu überlastet, als daß es si noch dieser großen Aufgabe unterziehen könnte.

Inzwischen ist von den Abgg. Borchardt (Soz.) u. Gen. noch der A ntrag eingegangen, im §8 71 den Zusaß zu machen :

_ „Die Entscheidung auf die Beschwerde ergeht auf Grund. einer

öffentlien mündlichen Verhandlung.“

Abg. Dr. Lieb knecht (Soz.): Jh-bin kein begeisterter Ver-

chrer dieses Wasseramtes. Ich begrüße jedo die Zuziehung des Laienelementes mit Freuden. Da aber dieje Laien nur im Nebenamte in diesem Amte tätig sein sollen, so_ ist immerhin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sie aus Perfonenkreisen. entnommen werden, die zwar in ihrer ricterlihen Stellung, aber nicht in. threr Privat- stellung unabhängig jind. Das Oberverwaltungsgeriht ift zwar überlastet, aber dies wäre schließlich- kein Grund, daß man ihm nicht auc) diese Aufgabe zuwiese. Es muß sih. mit so viel Dingen befassen, daß es si auch“ in diese Frage bald einarbeiten würde. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die große Begeisterung auf der rechten Seite dieses Hauses ihren guten Grund hat. Man bof, daß das Oberverwaltungêgeriht den Wünschen dèr Rechten willfährig gegénüberstchen wird. Merkwürdig ist, daß Freiherr von Malhahn plößlich . hier Register gezogen. hat, die..man sonst nicht auf dieser Seite des Hauses zu ziehen pflegt. Sie müjjen die Grund- lagen ihrer Gristenz beseitigen, wenn fie-beseitigen. wollen, was das preußische. Volt nicht veritebi. Die Herren von der Rechten haben feine Ahnung von dem Volk, sie wissen nux etwas..von den oberen Zehntausend. Bei dem S 71 handelt. es sih-um ein großes Stück nationalen CEigentums. Die ganze Oeffentlichkeit hat ein großes FJateresse daran, was. an diesem Stü nationalen Eigentums geschieht. Es ist nicht gut, wenn derartige Entscheidungen über so wichtige Fragen im dunklen Kämmer- lein getroffen werden. Wir müßen fordern, daß die Gntscheidungen auf Grund einer éffentlihen mündlichen Verhandlung ergehen. Des- halb ist unser Antrag, den wir zum 71 gestellt haben, durhaus zweckmäßig. Wir stehen auf dem Standpunkt, das daß gesamte Wasßer- recht dem öffentlihen Woble dienstbar gemacht wird. _ “Abg. Freiherr von CEynatten (Zentr.) - triit den Aus- führungen des Abg. Freiherrn von Maltzahn entgegen. Die Strom- ausschüfse- ständen auf ganz verschiedenen Grundlagen und bâtten ganz versœiedene Ansichten. Ihre Entscheidungen würden geradezu einen Rechtswirrwarr erzeugen. Das Oberverwaltungsgeriht, wenn es auc über. Tatsachen zu entscheiden gehabt bätte, wäre auch. dem Zentrum. recht gewesen, - nit aber in dex von den Konservativen gewollten. Cinschränftung.

Abg. Lippmann (fortshr. Volksy.): Der zuleßt eingebrahte Antrag. Borchardt, wonach im Landeswasseramt öffentlich_ und münd- li verhandelt werden soll, gehört an eine andere Stelle, wo. von dem Verfabren und- der Zusammenseßung des Landeäwasseramts dic Nede ift. Der konservative Antrag läuft {ließli darauf hinaus, daß in allen diesen Dingen in der Provinzialinstanz entshieden werden sol, und das wollen wir nicht. Der Abg. von Maluahn hat - schr

launige Ausführungen über die Laien im Landeswasseramt gemacht ; nach kurzer Zeit seien es leine Laien mehr. Nun, die Laien im Strom- aus\{uß werden immerzu Laien bleiben.

Abg. Freiherr von Maltzahn (konj.): Ein Zwiespalt in meinen Ausführungen ist gar niht vorhanden, denn die Voraus- seßzungen sind verschieden. Beim Landeswasseramt werden die Laien ernannt, beim Stromausshuß gewählt. Man hai auf das Volë hingewiesen, das si wundern werde. Das. Volk wird sich wundern, wenn bier nachher diese ehrwürdigen alten Meergreise sißen.

8 46 wird unverändert angenommen, nachdem die Aniräge Ecker-Winsen dazu für jezt zurückgezogen worden find.

8 49 Absatz 1 wird mit dem Antrage von Brandenstein angenommen. Absaz 2 bleibt nah Ablehnung des. Antrages Eer - Winsen unverändert. Zu Absaß 4 wird der Antrag Ecter-Winsen, betreffend -die Umgestaltung des leßten. Saßes, und der Antrag von Kries und mit diesen beiden Aenderungen Absatz 4 und § 49 im ganzen angenommen. :

S 60 wird unverändert angenommen.

Der Antrag-von Brandenstein zu § 71 wird gegen die Stimmen der Konservativen und vereinzelter Freikonservativen abgelehnt, ebenso dér Anirag Borchardt.

8 71 gelangt in der Konimissionsfassung mit großer Mehr- heit zur Annahme.

Nach § 47 darf die Verleihung nur aus. den in diesem Gesetz bezeichneten Gründen versagt werden. Sie kann dauernd oder auf Zeit erteilt werden; wird die Verleihung auf- Zeit erteilt, jo kann der Unternehmer die Verlängerung der Ver- leihung unter den durh die Zeitverhältnisse gebotenen Ab- änderungen beanspruchen, soweit nicht überwiegende Rücksichten des öffentlihen Wohls oder andere Rücksichten von überwiegender wirtschaftliher Bedeutung entgegenstehen. Zusaß der Kommission.)

Abg. Dr. Röchling (nl.) befürwortet einen Antrag Ecker- Winsen, die Worte: „unter den dur die Zeitverhältnisse gebotenen Abänderungen“ zu streichen, weil durch diese einé Unklarheit in das Gefeß binetngebracht werde.

Abg. Dr. Wagner - Breslau (freikonf.) beantragt, dieseWorte durch die Worte zu erseßen : „mit den inzwischen erforderli gewordenen Veränderungen“, und bemerkt: Meine politisden Freunde balten es nit für wohl’ getan, dem Wunsche des Vorredners entsprehend jene Worte ganz zu. streihen. Sie sind aber mit ihm der Ansicht, daß sie anfechtbar sind. Um ihm entaegenzukommen, {lagen sie eine andere Fassung vor, welche den unbestimmten Begriff „Zeitverhältnisje" durh die Worte „inzwischen erforderlich gewordene Veränderungen“ erseit. Der Vorredner wird doch wohl selbst ‘nicht wollen, daß Zustände, wie fe vielleicht vor 40 Jahren am Plaße waren, auch jeßt noch genau jo erhalten bleiben. :

8 47 wird mit dem Antrage Wagner angenommen.

Nach 8 54 der Kommissionsbeschlüsse ‘darf ein Entgelt für die Benußung der Wasserläufe dem Unternehmer nicht auf- erlegt werden.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Nah der Vorlage waren Ge- bühren vorgesehen. Der Widerstreit der Interessen in der Kommission hat {ließlich zur Statuierung der Unentgeltlihkeit geführt. Damit wér- den den großen industriellen Unternehmungen Privilegien und Vorrechte gegeben, während an anderer Stelle dem Mittelstande, nämlich" der SFlößerei, Gebühren auferlegt werden. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, auf diesen Widerspruch hinzuweisen.

Zu S 65 wird auf Antrag Ecker- Winsen, den Abg. Lieber (nl.) begründet, folgender Zusaß angenommen:

„In den Fällen des §& 53 (Befugnis des Eigentümers' eines fremden Grundstücks, zu verlangen, daß- der Unternehmer das Grundstück gegen Entschädigung erwirbt, wenn es durch Benußung des Wasserlaufs unbrauchbar wird) ist auf Antrag des' Unter- nehmers die Entscheidung über die erhobenen Ansprüche cinem späteren Verfahren vorzubebalten, falls sich nit bestimmt vor- aussehen läßt, daß die geseßlihen Vorausseßungen vorliegen.“

Nach §8 79 kann die Verleihung wegen überwiegender Nach- teile oder Gefahren für das öffentliche Wohl jederzeit zurück- genommen oder beschränkt werden.

Ein Antrag Borchardt will auch den „dur die Ausübung des Klagerechts Betroffenen das Recht auf einen entsprechenden Antrag geben. Der Antrag wird von dem Aba. Dr. Liebknecht befürwortet, von dem Ahg. Lipp- mann bekämpft und vom Hause abgelehnt.

Nach 4 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Wassergeseges auf Freitag, 12 Uhr.

Der leßte Saß ift

Statistik und Volkswirtschaft.

Die M sglichkeit sozialen Aufftiegs für den deutschen Arbeiter.

Bi3her war es vielfa in der Literatur und zum Teil au in

der Wirts@aftswissenschaft üblich, die Lage des deutschen Arbeiters als

sehr ungünstig zu schildern und insbefondere die Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs für thn zu verneinen. Die Arbeiter sollen dana außer- stande sein, ibren Anteil an der Kultur zu erhöhen; die Nachkommen- schaft des Arbeiters soll an den Stand des Vaters gekettet fein. Wenn eine fole Ansicht in der bürgerlißen Wirtschaftswissenschaft vertreten worden ist, kann man fich ni{cht darüber wundern, daß die Sozialdemokratie sich_ diese ¿zu eigen gema®t hat. Man brau(t nur an das „Eberne Lohngeschß“ von Lafsale oder an die Scilderung, die Kautsky in seinen „Erläuterungen zum Erfurter Programm“ gibt, zu denken. Dieser sagt, taß- es dem Proletarier, wenn es ibm au. gelinge, durch Sparsamkeit etwas zu erübrigen, do unmögli sei, dadur fh oder seine Kinder aus der proletarishen Existenz emvorzubeben. Jede Aussiht soll nah Kautsky „für den einzelnen Prolétarier vershwunden s\cin, sich auf eigene Faust, dur eigene Kraft aus dem Sumpfe herautzuarbciten, in den ibn die heutige Produktionsweise stößt. Er kann feine: Erhebung nur erreiden dur die Erhebung der ganzen Klase, ter er angehört“. Es ift erfreulid, daß hervorragende Männer der neueren Wirtichafts- wissenschaft Ehrenberg, Julius Wolf, Pohle u. a. diesen Be- bauptungen fritisch entgegengetreten find. In legter Zeit bat Professor

_—

Dr. Richard Ehrenberg ih wieder mit der Frage der Entwicklung

und der Entwicklungsfaktoren des Arbeiterstandes in einer umfang- reihen Untersuhung über „Kruvpsche Arbeiterfamilien“ befaßt, deren Ergebnisse in der vom Verlag nationaler Schriften heraus- gegebenen Wothenschrift „Die Arbeiterbewegung“ mitgeteilt find.“ Ebrenberg und sein Schüler Racine haben Ermittlungen bei 682 Arbeitern angestellt, die mindestens 20 Jahre in der Kruppshen Guk- stablfabrik in Essen tätig gewesen sind. Von 198 Familicn haben die Väter bereits bei Krupp gearbeitet. Da die Söhne von diefen Familien meist auch bei Krupp beschäftigt \ind, war es möglich, die Leben®- verbältnifse von drei Generationen von Arbeitern zu untersuchen, die auf denselben Werken gearbeitet baben, also unter verhäitnismäßig gleichen Bedingungen lebten. Die Etmittlungen baben ein ganz anderes Bild von der Entwicklung des Arbeiterstandes gegeben, als es die Wiri- \hafswisenschaft bisher vielfa bot. Die wirtsha}tliche Lage der Arbeiter war, bevor sie in Krupps Werk eintraten, meist recht ungünstig. Die erste Generaticn fam entweder aus selbständigen Berufen her : Landwirte, Handwerker, oder es waren kleine Beamte oder gelernte, zumeist aber ungelernte Arbeiter. Da sie meist erst srät bei Krupp eintraten, hatten sie nit die Möglichkeit, selbst in eine wesentli höhere foziale Stuf emporzusteigen. Sie konnten aber wenigstens ihren Kindern ei Ausbildung ermöglichen. So haben fie denn dur ihre Stcetigkeit dazu beigetragen, daß ihre Kinder unter günstigeren Lebensbedi arbeiten fonnten, als sie es selbst vermochten. Die dritte Generation

T

va

Cd gn

gar hat si außerordentli gut entwidelt. Man fann die Zablen, die in der Untersuchung hicrsür angegeben werden, nur mit freudiger Ueberras{ung lesen: j Beruf Maännkice in Meibliche bu} L a T A U Zoito ets der dritten Generatica Vauptlixie Ó S T U A J U Gelehrte Berufe . . 3,3 3,8 2,2 Handelsstand . . - 4,2 4,8 39 Techniker und Zeichner . 13,8 10,9 6,0 Bureaubeamte. . . « TEE 9,6 13,9 Volksschullehrer . « » 3,8 1,0 0,9 Gelernte Arbeiter. . 46,2 49,3 T Angelernte Arbeiter . . 7,0 6,2 125 Ungelernte Arbeiter . 10,8 13,9 22,9 109,0 160,0 100,0.

Man ebt also, daß eiwa 39/9 der Enkel jener Arbeiter, die in den 5er Sabren des vorigen Jakbrhundetts in das Werk. Alfred Krupys eintraten, bereits in gelehrten Berufen tätig find. Es ift ziemli ritig, wenn Kautsky sagt: „Hoffnungelos ist heute der Versuch des Proletariers, seinen Sohn studieren zu lafsen.* Ein derartig \œneller sozialer Aufstieg kann aub von keinem vernünftigen Wirtscafiékritiker verlangt werden. Man hebt aber, daß schr wohl der Arbeiter daran mitarbeiten fann, daß wenigstens der Enkel in erheblih böhére foziale Schidten embporsteigt.

AuH die weiteren Ergebnisse diescr Tabelle sind erfreulic. 10 bis 1309/6 der dritten Generation sind bereits Techniker und Zeichner. Dies wird wobl der am ebesten e Aufstieg sein, der au in- sofern von: der Firma Krupp unter ttüß als fie in erheblichem Umfang das Studium von gelernten Arbeitern auf Fachs{ulen durch Gewährung von Beihilfen begünstigt. Auch-die Bureaubeamten sind in der dritten Generation sehr stark vertreten. Etfrzulih ift, daß besonders in der mänulichen Hauptlinie die ungelernten Arbeiter ganz vers&windend vorhanden sind. Hierin scheint der wichtigste Beweis für die soziale Fortentwiälung zu liegen.

Wenigergut hat si die weibliche Seitenlinie entwidelt, die die Töchter der ersten und der zweiten Generation umfaßt. Man darf wohl annehmen, daß deren Ehemänner vielfah nicht bei Krupp beschäftigt sind, sodaß bier wiederum ein Beispiel för die Wirkung der Ständigkei sozialen Entwiclungsfaktors zu seben ist.

Man darf. nun feineêwcas annehmen, daß sämtliche Fälle, die Ghrenberg anführt, ein günstiges Bild geben. Leider muß er auch über eine Anzahl von Familien berichten, in denen ein sozialer Ab- stiea, bisweilen fogar eine Degeneration cintrat. Dies wird vielfa versGuldet durch persönlidbe Untüchtigkeit, oft auch dur Krankheiten. Zuweilen kommt der Arbeiter auch dur ungehöriges Benehmen gegen einen Vorgesetzten in eine weniger günstige Lage. In manchen Familien läßt sh geradezu ein Verbrauhen der Kräfte wahrnehmen. Es iît aber doch erfreulich, daß in der übergroßen Mehrzahl der Fälle eine

5

bemérkfenêwerte Energie in den Familien festzustellen ist, sodaß die Lebenslinte des Gesamtbildes. eine aufwärtsfteigende Tendenz hat.

Die Zabl der Kinder hat keineswegs ein unübersteigbares Hindernis für die Foctentwicklung der Familien gegeben. In den meisten Fällen war es mögli, daß die Söbne wenigstens ir Lehrjahr in der Fabrik durhmachen konnten. Bei manchen Familien find die ersten Kinder nur angelernt wordén; sje baben aber dur ihr treues Zusammenhalten den jüngeren Söhnen ein Lebhrjabr ermögliht. Die große Kinderzabl bat nur in seltenen Fällen dazu geführt, die Arbeiter zu einer wirf- lien vroletarishen Existenz zu verurteilen. In den meisten Fällen bat fie nur einen Druck auf die Sparmöglichkeit ausgeübt. Wenn aller- dings die Kinder erwadbsen waren und ihren Verdienst an den Vater ablieferten, dann gestaltete sih die Lage dicser Familien wieder ganz erbebli- Fcsser.

Einen wesentliden Einfluß auf die gute Entwicklung haben jedenfalls au die Wohlfahrtseinrihtungen der Firma ausgeübt, be- sonders insoweit, als- sie die Ständigkeit: der Arbeiterschaft erhöhten. Der Einfluß der Konjunktur auf die Verdiensthöbe ift geaen früher wesentli geringer geworden. So starke Schwankungen, wte sie in den 70 er Jahren des vorigen Jahrhunderts eintraten, sind heute ‘nit mehr mögli. Dies geht mit Deutlichkeit aus den Kurvenzeihnungen über die Verdiensiveränderung für die gesamte Kruvpsche Arbeiter- saft, für die einzelnen Arbeiterfamilien und die verschiedenen sozialen Bertldgrupyen hervor, die in dem. Ehrenbergschen Buche geboten werden.

Es ist zu begrüßen, daß Ebrenberg neben den fonfligen Entwicklungs8- faktoren: der Produktionsweise, dem Angebot von Arbeitskräften, der wirtschaftlihen Organisation, der staatlichen Sozialpolilif, der wirt? schaftlichen Konjunktur usw. besonders das eine Motnent betont hat, das gewöhnlich in der Betrahtung8weise der Sozialdemokratie und auch der metsten Wirtshaftswissenshafiler in den Hintergrund tritt : das persön- lie Moment. im Leben des Arbeiters. Chrenberg und Racine sagen in ibrer Untersuhung sehr richtig, daß es die persönlichen Eigen» schaften des. einzelnen Arbeiters find, die innerhalb aller in der Außen= welt liegenden auf- und abwärtsführenden Entwicklungsfaftoren den Ausschlag geben. “Ob ein Arbeiter einer tüchtigen Familie ans