1893 / 251 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Oct 1893 18:00:01 GMT) scan diff

die Arbeiter, sofern sie sih innerhalb des Bannes und Ge- fahrenbereihes des Betriebes bewegen, regelmäßi 8 auch während der Arbeitspausen gegen die aus dem Betriebe entstehenden Unfälle versichert sind.

Dagegen is den Hinterbliebenen eincs Mühlknappen, der feinen Tod durch Ertrinken im Mühlbach p atte, eine Entschädigung niht gewährt worden, da der Unfa 19) niht im örtlihen Bereich der durch den Betrie selbst erzeugten Gefahren ereignet, auch der Verunglückte die Mühle Tit im Betriebsinteresse, um Besorgungen u machen, sondern im eigenen Junteresse zur Be- fiedi ung seines Unterhaltungsbedürfnisses verlassen hatte.

er Entschädigungsanspruch eines Viehwärters ist für begründet vadiet worden, der in der Hausflur des landwirthschaftlichen Hauptgebäudes einen Unfall erlitten hatte, als er sih des Morgens zum Füttern des Viehs in den Stall begeben wollte, da er sih dabei bereits innerhalb des ört- lihen Bereiches der Betriebsstätte befand, und der Gang, bei welhem er verunglückt is, unmittelbar den Zwecken des Betriebes diente.

Der Tod eines landwirthschaftlihen Arbeiters durch Sturz beim Hinaufsteigen zu dem ihm als Schlaf- stelle angewiesenen Heuboden ift áls E A angesehen worden, wesentlich mit Rücksiht darauf, dah es offenbar im Juteresse des landwirthschaftlichen Betriebes lag, wenn die Arbeiter auf dem Gehöfte selbst übernachteten, um die Arbeit möglichst früh beginnen und möglichst lange fort- segen of können.

ls begründet ist auch die Entschädigungsforderung der Ehefrau cines statutarisch versicherten landwirthschaftlichen Unternehmers anerkannt worden, die auf der Landstraße ver- unglückt war, als sie von einer ihr gehörenden Aerstelle, auf der sie Erntearbeiten verrichtet hatte, nah dem Hof urückehrte, da erwiesen war, daß sie auf dem Hof ihre eigentlihe Thätigkeit fortzuseßen beabsichtigte, sie mithin zur Zeit des Unfalls noch als in ihrem land- wirthschaftlichen Betriebe beschäftigt gelten mußte.

Die für ihre Person versicherte Ehefrau eines landwirth- fGagiigen Betriebsunternehmers hatte auf dem Nückwege von einem dem landwirthschaftlichen Betriebe dienenden Gange nach der ungefähr eine Meile entfernten Stadt das Fuhrwerk ihres Oheims benußt und war dabei infolge Scheuens der Pferde verunglückt; ihrem Antrage auf Gewährung einer Entschädigung ist entsprochen worden, da ihre Thätigkeit an sih mit dem land- wirthschaftlihen Betrieb im Zusammenhang stand, und dieser Zusammenhang dadurh noch nicht als durhbrochen angesehen werden konnte, daß die Klägerin ohne besonderen Grund entsprechend der allgemeinen Gewohnheit der ländlihen Bevölkerung die sih ihr bietende Gelegenheit benußt hatte, mit dem Gefährt ihres Oheims zurückzugelangen.

Der Unfall eines Landwirths auf einer zur Ver- werthung des im eigenen landwirthschaftlichen Betriebe erzeugten D unternommenen Fahrt ist als landwirthschaftliher Betriebsunfall angesehen, und es hierbei als unerheblich erklärt worden, ob das betreffende Getreide dem Abnehmer im Tausch oder zum Verkauf gegen Bezahlung hingegeben ‘worden ist, und zu welhem Zweck der Betriebsunternehmer den für sein Getreide erhaltenen Gegen- werth demnächst weiter verwendet hat.

Das Kaiserlihe Gesundheitsamt macht folgende Cholerafälle békannt:

Jn Niederjaathen, Kreis Königsberg N.-M., eine Neu--

S Jn Stetti n wurde bei 2 tödtlih verlaufenen Krankheits- fällen Cholera festgestellt; in Warsow, Kreis Randow, bei 7 (davon 6 tödtlich), in Stepeniß, Kreis Kammin, bei .3 Os 2 tödtlih); in Eggesin, Kreis Ueckermünde, er- rankte ein Kahnschiffer.

Jn Damnagt, Kreis Dannenberg, eine Erkrankung.

Jn Hamburg wurden vom 16. bis 19. Oktober 2 Neu- angen (darunter eine mit tödtlihem Ausgange) ge- meldet.

Die eisenbahn-fahwissenshaftlihen Vorlesungen “B im Winter-Halbjahr 1893/94 in folgender Weise statt- nden :

Jn Berlin werden in den Näumen der Universität Vor- a über preußisches Eisenbahnreht und über den Betrieb der Eisenbahnen gee werden. Das Nähere, namentlich auch bezüglih der Anmeldung zu den Vorlesungen, is aus dem Anshlag in der Universität ersichtlich.

In Breslau werden sih die Vorträge auf die National- ötfonomie der Eisenbahnen, insbesondere das Tarifwesen, auf den Betrieb der Eisenbahnen und auf Technologie erstrecken.

Jn Köln werden Vorlesungen über preußisches Eisen- bahnrecht und über Technologie im Verwaltungsgebäude der Men Eisenbahn - Direction (inkörheinishe) gehalten werden.

Der Staatssecretär des Reichs-Marineamts, Vice-Admiral

Mann und der Director des Marine-Departemcnts im

eichs - Marineamt, Vice-Admiral Köster haben sih nah Wilhelmshaven begeben.

Der Bevollmächligte zum Bundesrath, Großherzoglich medcklenburgishe General - Zoll-Director Oldenburg ist in Berlin angekommen.

S. M. Schulschiff „Stein“, Commandant Capicän zur See von Wietersheim , ist am 18. Oktober von Southampton nah Funchal (Madeira) in See gegangen.

LSilgmatingen, 18. Oliober. _ Zhre Majestät die Königin von Sachsen is zu mehrtägigem Besuch am Fürstlichen Hofe hier eingetroffen.

Vayern.

Die Kammer der Abgeordneten seßte gestern die Débatte über die Futternoth fort. Der Minister-Präsident Meibecr von Crailsheim hielt Schritte Bayerns oder des

eutshen Auswärtigen Amts wegen Aufhebung des öster- reichishen Futterausfuhrverbots für aussihtslos; als interne österreihishe Angelegenheit eigne sich diese Sache

überhaupt nicht zur diplomatishen Jntervention. Be- kanntlih A in Oesterreih selbst eine lebhafte Agitation für die ufhebung des Verbots; wenn aber die österreichische Regierung dem Drängen der eigenen Angehörigen nicht nachgebe, so sei troß der freundlihsten Beziehungen nicht zu erwarten, daß sie Bayern zuliebe nahgeben werde. Der Minister verwies auf die demnächstigen Verhandlungen des ungarischen Abgeordnetenhauses. Jm übrigen sicherte er auch fernerhin jede Berücfsihtigung des landwirthschaftlihen Noth- standes durch die baneriicie Eisenbahnverwaltung zu; die Bewilligung einer Frachtermäßigung für üngemittel solle erwogen werden. Der Finanz - Minister Frei- herr von Riedel erklärte, das demnächst wvorzu- legende Steuernachlaßgesez werde sih auch auf die Pfalz er- strecken; einen gänzlihen Nachlaß der Grundsteuer und ein Hinausrücken des Tilgungsplans für Bodenzinse lehne er grundsäßlih ab. Man werde die Staatshilfe individualisiren müssen, wolle man nicht allen Boden unter den Füßen ver- lieren und zu den von dem Abg. von Vollmar bereits an- gedeuteten Consequenzen gedrängt werden. Das beziehe sih auch auf die Streuabgabe; unentgeltlihe oder zu billige Streu- abgabe würde zur Streuverschwendung führen und unwirthschaft- lih sein. Der Minister verwies dul verschiedene Mißbräuche, zu denen jeßt shon das Entgegenkommen geführt habe. Für das ganze Land denselben Streupreis festzuseßen, lehnte der Minister ab; er nahm ferner die Forstbeamten gegen ver- schiedene Vorwürfe in Schuß; die Bauern hätten sh in den Forsten viekfach aufgeführt, wie sie es in ihren eigenen Wal- dungen nicht gethan haben würden. Vor den Anträgen der Abgg. von Vollmar und Dr. Jäger auf Aufhebung bezw. Suspendirung der Futtermittelzölle warnte der Minister; es kämen dabei nur Hafer und Mais in Betracht; in beidenFällen sei kein Bedürfniß hierzu vorhanden ; die Aufhebung des Maiszolles würde nur den Ee o beeinareión zu gute kommen und könne bei der guten Kartoffelernte und den niedrigen Getreidepreisen nur eine nicht wünschenswerthe Ueberproduction in Brannt- wein herbeiführen. Der kleine augenblicklihe Vortheil einer Zollsuspendirung stehe in keinem Verhältniß zu dem damit geschaffenen Präjudiz. Man würde es später vielleicht bitter ereuen, ein solchesgeschaffen zu haben. Schließlih ver- sprah der Minister, auch künftig die Forstbehörden zu einem shonenden Vorgehen anzuweisen, und versicherte die Land- wirthschaft seines Wohlwollens. Der Justiz-Minister Freiherr von Leonrod erklärte eine allgemeine Amnestie für E frevelstrafen für unzulässig, sicherte aber eine wohlwollende Untersuhung und die Amnestie geeigneter Einzelfälle zu. Heute wird die Debatte fortgeseßt werden.

Hessen.

ZJhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Christian sowie Jhre Hoheit die Prinzessin Victoria zu Schleswig-Holstein haben, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, gestern Nachmittag von Darmstadt die Rückreise nah England angetreten. Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrih von Preußen und der Prinz Waldemar treffen heute Vormittag zu längerem Be- suche in Darmstadt) ein.

Mecklenburg-Strelitz.

Zur Feier des Geburtstags Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs, Höchstwelher sein 74. Lebensjahr vollendete, fand vorgestern um 8 Uhr in Neustreliß eine Morgenmusik des Hautboisten-Corps unter den Fenstern Jhrer O Hoheit der Großherzogin statt, hierauf „Wecken“ der Hautboisten und Spielleute von der Schloßwache um den Markt nach der Kaserne. Um 10 Uhr Vormittags wurde durch den mit der Militärseelsorge beauftragten Pastor Schmidt ein Militärgottesdienst im Exercirhause abgehalten, dem sih die Parole-Ausgabe auf dem Kasernenhofe anschloß. Um 1 Uhr Nachmittags versammelte sih das Offiziercorps der Garnison auf dem Schloßhofe zur Gratulationscour. Die Gebäude hatten Flaggenshmuck angeleg| ._ Jn den Schulen, Vereinen 2c. fanden zur Feier des Tages Festacte statt. Wie in Neustreliß, so wurde den „Meckl. Nachr.“ zufolge auch in den übrigen Städten 2c. des Landes der Geburtstag in her- kömmlicher festliher Weise begangen.

Anhalt.

Jhre Hoheit die Herzogin und Seine Durchlaucht der Prinz Eduard sind gestern Morgen von Ballenstedt nah Sigmaringen abgereist.

Schwarzburg-Sondershausen.

Der Landtag ist auf den 26. d. M. nah Sondershausen

einberufen worden.

Oesterreich-Ungarn.

Der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterrei c- Este ist gestern Abend in Wien eingetroffen. Das Publikum begrüßte dem „W. T. B.“ zufolge den Erzherzog auf die herzlihste Weise.

Das Abgeordnetenhaus überwies in seiner gestrigen Sißung die Vorlage wegen der Prager Ausnahme-

verfügungen einem Sonderausschusse von 24 Mit-

gliedern.

Großbritannien und Frland.

Der Marquis von Salisbury hielt gestern in Orms- kirk eine Rede, worin er dem „W. T. B.“ zufolge hervorhob, es sei nothwendig, daß die Regierung die englische Seemacht auf ihrer Höhe erhalte, und darauf hinwies, daß andere Länder der Entwickelung ihrer Flotten besondere Ausmerksam- keit widmeten, Wenn Jrland durch Homerule eine eigene Flotte erhielté, so würden die irischen Küsten zu überwachen jein, da diese unter gewissen Bedingungen einem Feinde Englands zu landen gestatten könnten.

Frankreich.

Die zwischen dem Präsidenten der Republik Carnot und dem Kaiser von Rußland aus Anlaß des Ein- treffens des russischen Geschwaders in Toulon gewechselten Depeschen sind jeßt veröffentlicht worden.

le S. D meldet; heißt es in dem Telegramm des Präsidenten Carnot: „Es liegt mir am Heren Eurer Majestät zu danken und die aufrichtige Freude auszusprechen, welche ih angesichts dieses neuen Zeugnisses der tiefen Sympathien empfinde, welhe Rußland und Frankrei verbinden.“ Dec Kaiser von Nußland telegra- phirte darauf an den Präsidenten Carnot: „Jn Erwiderung

Jhres liebenswürdigen Telegramms halte p mich für ver- bunden, Jhnen die große Freude auszudrücken, welche ich darüber empfinde, daß unser Geshwader den Besuch hat er- widern können, welchen die tapferen französischen Seeleute in Kronstadt abgestattet haben.“ Als der Kaifer von Rußland die fronzefi@en Kriegsschiffe in Kopenhagen hbe- suchte, sandte der Präsident Carnot folgendes Telegramm: „Ganz Frankreih wird tief bewegt sein über dieses neue Zeichen der Sympathie. Jh mache mich zu seinem Jnterpreten, indem ih Jhnen warmen Dank übermittele.“

Sämmtliche Pariser Blätter constatiren übereinstimmend den großartig erhebenden Charakter des vorgestrigen Tages, den herzlichen, den russishen Gästen bereiteten Empfang, den Enthusiasmus der Menge, der von den russischen Offizieren getheilt worden sei, sowie den friedlihen Charakter der Demonstration.

Ueber den Verlauf des gestrigen Tages liegen die nach- A E telegraphishen Meldungen vor: Am Vormittag tatteten die russischen Offiziere dem Erzbishof von Paris und darauf dem General Saussier Besuche ab. Leßterer äußerte sih dabei dahin, daß, wenn die Armee ihre Gefühle nicht so rauschend kundgeben könne, fie doch nicht weniger herzlich mit allen Franzosen bereit sei, ihre Gäste und Freundezu feiern. Der Admiral Avelane erwiderte mit einigen bewegten Worten. Später gab der russishe Botschafter Baron von Mohrenheim den franzd- sishen Ministern und den russishen Offizieren ein Dejeuner in der Botschaft, wobei der Botschafter auf den Präsidenten Carnot, der Minister-Präsident Dupuy auf den Kaiser und die Kaiserin von Rußland toastete. Nachmittags fand ein Diner ün Märtnëé- Mntsterium falt beim sämmtliche Minister und eine große Anzahl Admirale bei- wohnten. Der Marine-Minister Rieunier trank auf das Wohl des Kaisers und der Kaiserin von Rußland. Jn Erwiderung hierauf brachte Admiral Avelane einen Trink- spruch auf den Präsidenten Carnot, die französishe Armee und Marine sowie auf deren hervorragende Führer aus.

Nach einer Meldung des „Gaulois“ wird das russi\che Mittelmeer-Geshwader einen Theil des Winters in Corsica und Villafranca stationirt bleiben und in der Zwischenzeit Fahrten nach den Küsten Griechenlands und der Türkei unternehmen.

Von der ehemaligen Patrioten liga an der Statue der Stadt „Straßburg“ und an dem Denkmal Gambetta's ange- brachte Schilder mit der Aufschrift „L. D. P. 1870 bis 18. sind auf polizeiliche Anordnung entfernt und durch solche mit der Aufschrift „R. F.“ erseßt worden.

Bei der Familie des Marschalls Mac Mahon treffen fortwährend zahlreihe Beileids-Telegramme aus Frank- reih und dem Auslande ein; darunter befinden sich solche von dem König von Jtalien, dem Grafen von Paris, dem Cardinal-Staatssecretär Rampolla und dem Erzherzog Albrecht von Oesterrei c.

Es wurde beschlossen, daß die Beiseßung des Marschalls im Jnvalidendom in Paris erst Ende des Monats stattfinden soll. Die Leiche wird bis dahin in der Kirche in Montcresson aufbewahrt werden. Die Aufbahrung fand gestern um 5 Uhr statt. Die Leiche ruht in einem dreifachen Sarge, auf welchem der Degen und der Marschallstab nieder- gelegt sind.

Die Blätter beklagen einmüthig den Tod Mac Mahon's. Selbst die politischen Gegner des Marschalls wollen nur des heroishen Soldaten in Afrika und bei iMaginta gedenken.

Rußland.

Den St. Petersburger Lehranstalten ist, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, eine große Anzahl Postkarten mit Grüßen französisher Schüler an ihre russishen Kameraden zugegangen. Jnfolgedessen hat der russishe Unterrichts- Minister ein Telegramm an den französishen Unterrichts- Minister gesandt, worin der Dank der russishen Schüler für die Grüße übermittelt wird. Das Telegramm schloß mit folgenden Worten: „Alle senden heiße Gebete zu Gott, daß ie Gefühle der Freundshaft und Friedensliebe, welche die französische und die russishe Regierung bescelen, tiefe Wurzel fassen möchten in den Herzen der jungen Generation beider Volker.“

Ftalien,

Jn Dronero in Piemont fand gestern ein Bankett statt, woran sämmtliche Minister, zahlreihe Senatoren und Depu- tirte, die Behörden sowie andere hervorragende Personen aus den Provinzen Turin und Cuneo theilnahmen. Der Minister- Präsident Giolitti hielt dabei die bereits früher angekündigte Programmrede, worin er dem „W. T. B.“ zufolge zu- nächst daran erinnerte, wie er seit sieben Jahren erklärt habe, daß Jtalien durch die Art seines Entstehens, sowie durch seine politishe und sfociale Verfassung darauf hin- gewiesen fei, eine freimüthig demokratishe Politik zu be- folgen. Er könne diese seine Ueberzeugung auh heute nur bestätigen. Nach einer Skizzirung der Linien dieser Politik, welche die Regierung einhalten müsse, sprach der Minister- Präsident von der auswärtigen Politik und sagte wört- lih: „Unsere auswärtige, von dem Parlament und dem Lande

Veo Politik beruht auf den Allianzen, die den

Frieden ichern. Wir waren und werden ihnen E nbaft immer treu bleiben. Ein internationaler Zwischenfall, welcher die öffentliche Meinung lebhaft beschäftigte, trug dazu bei, zu beweisen, daß der Wunsh nah Frieden Allen in Europa ge- meinsam ist, weil dieser Zwischenfall infolge der von beiden Seiten geführten Unterhandlungen eine gerchte und billige Lösung gefunden hat. Gegenwärtig macht Jtalien eine Periode wirthschaftlicher, {hmerzliher Depression durch. Das Land muß vor allem aus dieser wirthschaftlichen De- pression emporgehoben werden. Die Hauptuxsache dieser Krise war die schlechte Finanzpolitikl, welhe Ausgaben zU bestreiten unternahm, die die Hilfsquellen des Landes erheblich überstiezen, und welche die ‘erforderlichen Kapitalien durch ungeheure, hauptsählich im Auslande aufgenommene Schulden beschaffte. Das Werk der Discreditirung Jtaliens wurde mächtig gefördert durch das Uebelwollen unserer Feinde im Auslande, wo wir hin- gestellt wurden als ein Volk, das auf dem Wege des Verfalls h befinde und keine Hoffnung habe, fih wieder zu erheben. Der Minister-Präsident wies Tobanh an der Hand der Sta- tistif nah, daß Jtalien seit 1884/85 bis 1892/93 von einem Deficit im Betrage von 250 Millionen heruntergegangen fe! bis zu einem solhen von 14 Millionen; in gleicher Weise sei die zährlihe Ausgabe für Eisenbahnbauten von 2 Millionen auf 29 Millionen herabgegangen. Italiens Credit sel aber gegenwärtig {wer getroffen. Zu den Feen Uebeln fei fast unerwartet das Steigen des Wechse

Regierung eine Neform der Ecbschafts

inzugekommen. Augenblicklih gelte es vor allem, gegen die hig lamität anzukämpfen. Jtalien müsse nit bloß politisch, sondern au finanziell unabhängig sein, und diese finanzielle Unabhängigkeit werde erst erreiht werden, wenn die nationale Sparsamkeit einen großen Theil der im Aus- lande untergebrahten Schuldtitel aufgenommen habe. Dies abe bereits begonnen und sei eine der Ursachen für das Steigen der , Wechsel. Diese wohlthätige aber lang- same Bewegung werde nur unter der Bedingung ihr Ziel erreichen, wenn mit der Aufnahme von Schulden im Auslande ein Ende gemaht werde und der Ad Oas bei Beschaffung seiner Zahlungsmittel möglichst wenig auf den Geldmarkt drüde. Jn Summa: Der Mes müsse auf- hören, den Geldmarkt durh große Ankäufe zu beunruhigen, wenn er alle 4 Monate seine Zahlungen im Auslande zu leisten habe, und es müsse sofort das Budgetgleichgewicht her- gestellt werden, um die Nothwendigkeit neuer Schuld absolut auszuschließen. Die Beschaffung der metallischen Gegenleistung ür 120 bis 150 Millionen fremde Wechsel, die in jedem Halbjahre nöthig sei, übe auf den Geldmarkt einen ge- mwaltigen, von der Speculation leiht auszubeutenden Dru aus. Das einzige Mittel, diesem Drucke zu begegnen, sei, im geeigneten Momente die Zahlung dèr Einfuhrzölle in Gold zu fordern. Durch eine derartige Maßregel würden die böswillig ausgestreuten ene beseitigt, als ob Jtalien seinen aus- wärtigen Verpflichtungen niht ohne Aufnahme neuer Anleihen genügen könne. Die Feststellung des Gleichgewichts im Budget bilde eine unabweislihe, unaufschiebbare Pflicht. Dem rücksihtslosen Kriege gegen den Credit Jtaliens müsse dieses eine kräftige Finanzpolitik genen, Deshalb werde die

teuer und eine progressive Steuer auf Einkommen über 5000 Frs. vorschlagen. Durch diese und andere weniger wichtige Reformen würden 40 Millionen neuer Einnahmen erzielt werden, die zur Fest- stellung des Gleihgewihts genügten. Es müsse aber auh gegen eine zukünftige Vermehrung der Aus- gaben vourgesorat Und einé Verbesserung der per- schiedenen Verwaltungszweige ermögliht werden. Die Total- ausgaben für Landheer und Marine seien von 554 Millionen in 1888/89 auf 342 Millionen in 1892/93 zurückgegangen. Fnnerhalb dieser Ausgabengrenzen müsse das Maximum der militärischen Entwickelung gesichert werden. Der Minister- Präsident besprah hierauf die beabsichtigten inneren Re- formen und sagte über Sizilien: Die Regierung werde den verderblichen, aufheßzerishen Agitationen unter den dortigen Arbeitern gute Maßregeln entgegenseßen, gleichzeitig aber alle Mittel studiren, welche die Lage der Arbeiter ver- bessern könnten. Der Minister s{chloß: Zur Durchführung dieses Programms sei Einigkeit und Wachsamkeit der liberalen Partei nöthig, von der ein mehr conservativer Theil seit einigen Jahren die Tendenz zeige, sih bei den Wahlen mit der kleri- kalen Partei zu verbünden.

Die Rede wurde vielfah von lebhaftem Beifall begleitet, besonders der Schluß.

Wie aus Rom berichtet wird, hat der Admiral Seymour an den britishen Botschafter Lord Vivian die Einladung gerihtet, sich aus Anlaß der Ankunft des britischen Ge- shwaders in Spezia dorthin zu begeben, indem er dem Bot- schafter gleichzeitig den Aviso „Surprise“ zur Verfügung stellte. Wie verlautet, sei es zweifelhaft, ob Lord Vivian der Ein- ladung werde Folge leisten können, da er seit mehreren Tagen stark erkältet sei.

Aus Tarent wird gemeldet, daß sich der Admiràl Seymour, der Admiral Corsi sowie sechzig n e und italienische Marine-Offiziere gestern Vormittag in Begleitung der Notabilitäten der Stadt mittels Sonderzugs nach Policoro begeben haben, wo auf den Besizthümern des Barons Berlingieri eine große Jagd abgehalten wurde.

Belgien.

Die Session der Kammer ist vorgestern eröffnet worden. Nachdem beide Häuser ihre Bureaux ernannt hatten, legte die Regierung cine Vorlage bezüglih Au fstellung der Wahllisten nieder. Der N wurde der „Frkf. Ztg.“ zufolge einstimmig einer Commission von zehn Mit- gliedern überwiesen.

Griechenland.

‘Der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sa hsen- Meiningen sind gestern von Athen nah Triest abgereist.

Dänemark.

Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland mit der Kaiserlichen Familie sind, nah einer Meldung des „W. T. B.“, gestern Vormittag 111/, Ühr an Bord des „Polar- stern“ von Kopenhagen in See gegangen. Zu derselben Zeit trat auch die Prinzessin von Wales mit den Prinzessinnen- Töchtern an Bord der „Osborne“ die Reise an. Bei der Abfahrt der beiden Schiffe wurden Salutshüsse abgegeben.

Amerika.

_Der N Cleveland hat, wie „W. T. B.“ berichtet, erklärt, daß er Washington nicht früher verlassen wurde, als bis die wichtigen Fragen, deren Erledigung dem Congreß ob- liege, weiter gefördert seien als bis jeßt.

_ Nach einer Meldung des „New-York Herald“ aus Monte- video hat sich Admiral Saldanha da Gana mit dem Fort Villegaignon der aufständishen Bewegung angeschlossen. Die übrigen Forts haben infolge dessen das Fort Villegaignon beschossen. Jn London T S S, Nachrichten aus Rio de Janeiro von gestern besa en, daß die Kanonade zwischen den Forts und dem ausfständischen Geschwader an Heftigkeit zu- nehme. Einige der aufständishen Schiffe seien durch das Feuer des Forts Santa Cruz s{hwer be- schädigt. Zwei Geschosse seien vortieitern in die Stadt gefallen und hätten großen Schaden angerichtet. Den Insurgenten fehle es an Lebensmitteln. Jn der Stadt würden die Geschäfte in gewohnter Weise fortgeseßt. Jn Paris ist die Nachricht eingetroffen, daß die dem General Peixoto treu gebliebenen Kriegsschiffe sich zur Abfahrt rüsteten, um gegen die Aufständischen zu kämpfen. Die Behörden von Desterro hätten sich der aufständishen Bewegung angeschlossen.

Ein Decret des Generals Peixoto seßt die Wahlen aum Congreß auf den 30. Oktober an.

: Afrika. „Wie dem „Reuter'shen Bureau“ aus Capstadt von gestern emeldet wird, hat sich der Häuptling Khama mit „Kann am 14. d. M. sechs Meilen von Tati mit der Englishen Colonne vereinigt. Das Wetter im ashonalande ist andauernd günstig. Kein Anzeichen weist

darauf hin, daß die Regenperiode vor der gewöhnlichen Zeit beginnen werde.

Kunst und Wissenschaft.

Am 17. d. M. verstarb hierselb der Landschaftsmaler Louis Spangenberg. Er war der ältere Bruder des ihm vor einigen Jahren in den Tod vorangegangenen Historienmalers Gustav Spangen- berg und im Jahre 1824 in Hamburg geboren. Seine Landschaften charafterisiren \ich durch große, \trenge Auffassung und ernste Stimmung. Das Gebäude der Technischen Hochschule in Charlotten- burg weist von ihm eine Reihe von Wandgemälden berühmter Bau- denkmäler des Alterthums auf. Der Verstorbene war Mitglied der Königlichen Akademie der Künste.

Zur Eclangung von Vor{Hlägen für den bildnerishen Schmuck der Fronten des Theaters in Wiesbaden hat nah einer Mittheilung im „Centr.-Bl. d. Bauv.“ die Theater-Bau- deputation ein Preis8aus\chre iben erlassen. Danach sind bis zum 1. Dezember d. I. Modelle im Maßstabe 1 : 10 einzuliefern, und zwar von dem Giebelfelde, von einer Panthergruppe, einer Figuren- gruppe und einer freistehenden Figur. Den Entwürfen, welche nur einen Theil der genannten Arbeiten zu umfassen brauchen, sind die Honorar- forderungen für die einzelnen Arbeiten beizufügen. Die näheren Angaben und Bedingungen können in der Theaterkanzlei bei dem bauleitenden Techniker Herrn Noth eingeholt werden. Preisrichter sind die Herren Ober-Bürgermeister von Ibelk, Stadtrath Bartling, Baurath Winter, Stadtverordneter, Architekt Willett, Negierungs- und Baurath Eggert, Professor Schilling, Maler Kögler und die Architekten des Hauses, Bauräthe Fellner und Helmer. Die vier besten Entwürfe werden mit Preisen von 800 M bezw. 690, 400 und 200 # ausgezeihnet, womit sie Eigenthum der Stadt Wiesbaden werden. Bezüglich der Ausführung der einzelnen Arbeiten behält sich die Baudeputation vollkommen freie Hand vor.

___— Die Administration des Städel\chen Kunst-Instituts in Frankfurt a. M. veröffentlicht soeben ihren zwölften, die Jahre 1888 bis 1893 umfassenden Bericht. Danach sind in dieser Zeit von den fünf Mitgliedern der Verwaltung vier, nämlich die Herren Appellationégerihts-Rath Dr. Jeanrenaud, - Hermann von Mumm, I. Klein-Hoff und Wilhelm Meßler ausgeschieden und besteht die gegenwärtige Verwaltung nah erfolgter Ergänzung durch Wahl aus den Herren Justiz Nath Dr. jur. Ed. de Bary, Otto von Neufville, Wilhelm Landauer- Donner, Georg von Heyder und Franz von Hoven. Sodann verzeichnet der Bericht die Veränderungen im Beamten- und Lehrer-Personal. Der zweijährigen Leitung der Anstalt durch den im Oktober 1889 berufenen, im Oktober 1891 wieder ausgeschiedenen Director Dr. Henry Thode wird mit Dank und Anerkennung gedacht und hervorgehoben, daß Dr. Thode das Interesse an dem Institut be- sonders dur seine Vorträge lebhaft gefördert und sich dur die von ihm angeregten Vorarbeiten zur Herausgabe eines fritishen Katalogs der Gemäldefammlung ein dauerndes Verdienst erworben habe. Nach seinem Ausscheiden erachtete es die Administration für angemessen, die Verwaltung der Gemäldesammlung wie aller mit ihr in Zusammen- hang stehenden Obliegenheiten von derjenigen der Bibliothek und des Kupferstichcabinets zu trennen resp. eine Gleichstellung der Vorstände dieser Abtheilungen zu schaffen. Demgemäß wurde Herr Dr. phil. Heinrih Weizsäcker vom Königlichen Museum in Berlin als Vorstand der Gemäldegalerie an das Städel’she Kunstinstitut berufen, während andererseits Herr Dr. Pallmann zum Vorstand der Bibliothek und des Kupferstichcabinets ernannt wurde; beiden Herren wurde in diesem Jahre der Directortitel verliehen. Die finanzielle Lage des Instituts hat sih seit dem leßten Bericht infofern verändert, als die Zinserträgnisse leringer geworden sind, andererseits aber sich die die Verwaltung betreffenden Anforderungen nit unerheblich gesteigert haben. Da infolge davon die Mittel für die Verfolgung der eigentlichen fkünstlerishen Ziele nach wie vor äußerst beschränkte find, so legt die Administration unter Hinweis auf den Wunsch des Stifters das fernere Gedeihen und die Entwickelung des Kunstinstituts allen Freunden der Kunst von neuem ans Herz. Um fo willkommener war eine Reihe werthvoller Zuwendungen, welhe den Sammlungen von verschiedenen Privaten zugingen. Eine weitere Vermehrung haben die Sammlungen dadur erfahren, daß sie seit September 1892 in den Besiß eines größeren Vermächtnisses gelangt find. Dieses, aus 33 Gemälden bestehend und von dem früheren Mitadministrator Herrn Moriz Gontard dem Institut {on 1886 überwiesen, war nah ‘seinem in demselben Jahre erfolgten Hinscheiden auf Wunsch des Erblassers noch seiner Wittwe bis zu deren Ableben zur Verfügung belassen worden. Nachdem Gras Wittwe Gontard im August 1892 ihrem Manne in den Tod nachgefolgt ist, sind diese33 Gemälde nunmehr den Sammlungen des Instituts endgültig eingereiht worden. Für die Gemäldesammlung angekauft wurden in dem fünfjährigen Zeitraum 20 Werke älterer und neuerer Meister, darunter solche von N Baldung Grien, Lucas Kranach d. Ae., Correggio, Cavazzola,

laudio Coello, Constant Troyon und Lorenz Alma Tadema. Durch Geschenk und Vermächtniß erhielt die Sammlung eine Vermehrung um 28 Nummern, darunter Werke von Bernhard Strigel, Anton van Dyck, Guido Reni, Carlo Dolci, J. W. Schirmer, E. von Steinle, W. Riefstahl, F. von Lenbach, F. von Uhde. Die Sammlung der Handzeichnungen hat einen Zuwachs von 260 Blättern erhalten, wovon 164 durch Kauf erworben, 96 dem Institut geschenkt oder vermacht wurden. Die Sculpturensammlung wurde durch eine Reihe von Gipsabgüssen und bemalten Stuckreliefs aus der Werkstatt der RNobbia vermehrt; auch dieser Abtheilung wurde eine Reihe von Geschenken zu theil. Die Kupferstihsammlung erhielt ebenfalls enïisprehenden

uwahs, und zwar war man darauf bedacht, niht nur die Bestände älterer Meister zu ergänzen, sondern auch Arbeiten moderner Künstler zu erwerben; diese Abtheilung zählt jeyt über 60000 Blatt. Die Bibliothek is auf ungefähr 75 Bände angewachsen. Das Verzeichniß der Gemäldesammlung wurde im Herbst 1892 in neuer Auflage herausgegeben und zwar, abweichend von der bis- herigen Ausstattung, bereichert durch S nach einigen der ervorragendsten Bilder der Galerie. iese illustrative Beigabe wurde im Atelier der Hofkunstanstalt von Kühl u. Co. in Frank- furt a. M. hergestellt, welhe im Laufe des Sommers 1893 in der Städel’shen Gemäldesammlung weitere photographische Auf- nahmen, circa 120 Blätter in handlihem Format, die im Einzel- verkauf zu haben fein werden, ausführen wird. Durch diefe leßtere Ver- anstaltung hofft die Verwaltung einem seit lange vorhandenen und von Seiten der Besucher häufig geäußerten Wunsche entgegen zu kommen. Neben dem bisherigen Ctr Gemäldekatalog ist weiterhin die Herausgabe eines beschreibenden Verzeichnises der Ge- mäldegalerie auf historish-kritisher Grundlage ins Auge gefaßt worden, eine Arbeit, welche bereits von Dr. Thode in Ot genommen worden war und mit deren endgültiger Ausführung Dr.Weizsäer zur Zeit beschäftigt ist. Im Jahre 1891 wurde die Malschule des Instituts durch den Neubau eines Malsaales und Maler-Ateliers erweitert und dieser Bau im Herbst desfelben Jahres der Benußung übergeben. Was die Lehranstalt betrifft, so wurde mit Ende des Wintersemesters 1892/93 die bisherige Elementar-Zeichenshule aufgehoben und die Schüler dieser Klasse der Kunstgewerbeshule und der städtischen Fortbildungs- schule überwiesen. Von dieser Aufhebung erwartet die Administration eine Ersparniß, die ihr die Möglichkeit bieten foll, die dadur frei werdenden Mittel nah anderer Richtung und ebenfalls im Sinne des Stifters für Kunstbeflissene zu deren Vortheil verwenden zu können. Die Architektenshule bleibt mit ihrem Elémentar- und Atelier- Unterricht unter Leitung des Prof. Sommer unverändert bestehen und hat insofern noh eine \hägenswerthe Erweiterung erfahren, als neben dem Unterricht in Mathematik und Statik, ertheilt von den Herren Mathias und Philipp Knies, auch noch ein Curfus für Aquarell- malerei unter Leitung des Ober-Ingenieurs W. H. Lauter eingerichtet wurde. Die Tages-Zeichen- und Malshule unter Leitung des Prof. Hasselhorst dient nah wie vor als Vorbereitungsunterriht für die eigentliche Nes In Betreff der Bildhauershule is zu berichten, daß Prof. Kaupert im Herbst vorigen Jahres von seiner

25 jährigen Thätigkeit als Lehrer am Städel'shen Kunstinstitut zurüdck- getreten is und pensionirt wurde. An feine Stelle trat einstweilen als Lehrer der Bildhauerkunst der Bildhauer Fr. Hausmann.

Die Administration fand si, wie {ließlich noch zu melden ift, veranlaßt, in der Rotunde des Galeriegebäudes im ersten Stock zu beiden Seiten der Büste des Stifters der Anstalt Marmortafeln an- bringen zu lassen, auf welhen die Namen von Gönnern des Instituts verzeihnet werden, welche diesem besonders hervorragende Zuwendungen gemacht haben.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Eine junge Debütantin, Fräulein Nina Banciu, trat gestern Abend als Luise in Schiller's „Kabale und Liebe“ auf. Jn der Erscheinung und im Spiel gebriht es der Darstellerin nit an Schlichtheit und Mädchenhaftigkeit, auch tritt sie mit ziemlicher Sicherheit auf und spriht klar und deutlih. Es mangelt aber, wie es scheint, dem Organ- an Kraft im großen Affect; gestern Abend wenigstens klang die Stimme in leiven- schaftlihen Momenten etwas nüchtern und flach, und die zärtliche Schwärmerei Luisens schien mehr dem Kopf als dem Herzen zu ent- springen. Gerade in der Rolle der Luise, die in ihrem Gefühl, in ihrer begeisterten Hingebung völlig aufgeht, ergiebt \sich fo ein empfindliher Mangel. Die Darstellerin bot im ganzen in ihrer Verkörperung der Luise eine mehr freundliche als hinreißende Leistung dar. Fräulein Pospischil stimmte ihr starkes Organ wiederholt auf tiefe, dunkle Tone, die mehx ciner Helbin ls vex finnlih berauschenden, intriguirenden Beherrscherin des Fürsten- hofes eigneten. Der Schmerz steht ihr besser als der leidenschaftlihe Zorn; die thränenvershleierte Stimme nimmt dann einen weichen, milden Klang an. Bei der Erzählung ihres Unglücks und ihres Falles vermochte die Darstellerin der Lady Milford wirkli zu rühren. Jn Herrn Stockhausen's Leistung als Ferdinand ist ein merkbarer Fortschritt zu erkennen, er fpielt freier und daher über- zeugender in feiner Leidenschaft. Die übrigen Rollen zeigten gegen früher keine Veränderung in der Beseßung; einen köstlichen Miller, derb und bieder in seiner Grobheit und dann wieder voll rührender Vater- zärtlichkeit, lieferte Herr Kr a ußn eck, der daher stets von neuem an- erkennend erwähnt werden muß; feine kernige Natürlichkeit erfrischt und erfreut den Zuschauer, dem aus seinem ungekünstelten Spiel und aus der einfahen Sprache lebendiger Menschenodem entgegenweht.

__ Central-Theater.

,_ Gestern Abend feierte das Central-Theater unter der neuen Direction feine erste Jubelaufführung mit der fünfzigsten Darstellung der heiteren Gesangsposse „Berliner Vollblut“ von Jean Kren, Musik von Julius Einödshofer. Die junge Bühne, deren Mitglieder in der jeßigen Zusammenseßung größtentheils gute Bekannte aus früherer Zeit find, hat si bereits zahlreiche Freunde er- worben, die es sih nit nehmen ließen, diesem Tag nicht nur dur ihr Erscheinen, sondern auch dur duftige Spenden ein festliches Ge- prâge zu geben. Das trotz seiner übermüthigen Laune do auch ernste Scenen aufweisende, wirtfsame Stück war mit denselben Personen beseßt wie bei der ersten Vorstellung am 31. August d. J. und fand für die Frische der Vorstellung, die bei der langen Reihe der Auf- führungen noch durch \{chärfere Hervorhebung der Pointen in ihrem Eindruck gewonnen zu haben scheint, die lebhafteste Anerkennung. Vor allem glänzte wieder die Gemahlin des Directors, Frau Dora durh den Vortrag des allerliebsten Blumenwalzers, dessen zweite Strophe sie auf allgemeines Verlangen bereitwillig wiederholte, und durch ihren unübertrefflichen Coupletvortrag. Auch die gemeinschaftliÞ mit Herrn Meißner vorgetragene Bajazzi-Parodie wurde sehr beifällig aufgenommen. Neben diesen beiden Künstlern wirkten Herr Helmerding als der dem Sport ergebene Glasermeister Jennerich und Fräulein Dorny als sein in salbungsvollen Reden dem Vater von den verderblichen Verirrungen abrathender Sohn erbeiternd mit. Um die Vorstellung machten sich fonst noch verdient: Fräulein ag als die Besißerin einer Gastwirthschaft und die Herren Schmasow, Worlißsh, Walden und Müller. Herr Director Schulz, der Verfasser und der Kapell- meister erhielten ihren vollen Antheil an dem den Darstellern reih- lich gespendeten Beifall.

: Concerte. :

Am Mittwcch fand im Königlichen Opernhause der zweite Symphonie-Abend der Königlichen Kapelle unter Leitung des Königlichen Kapellmeisters Herrn Weingartner statt. Mendelsfohn's „Hebriden-Ouverture“ machte den Anfang; ihr folgte eine von Tschaikowsky componirte Ouverture FKantaisie „Romeo und Julie“, welche an dieser Stelle zum ersten Male ge- spielt wurde. Das Werk charakterisirt in Tönen die Handlung des Dramas zumeist mit vielem Geschick, nur ist die Schil- derung der Kämpfe zwishen den feindlihen Familien zu überwiegend, fodaß die Scenen der Liebe nur wenig zum musikalishen Ausdruck gelangen. . Der am Schluß bei der Aufbahrung eintretende Choralgesang is von sehr nahhaltiger Wir- fung. Reicher Beifall folgte dieser interessanten Novität sowie auch der beliebten „Akademischen Fest-Ouverture“ von Brahms und der Symphonie „Im Walde“ von Raff, deren poesievoller Inhalt in den drei Theilen „Am Tage“, „Jn der. Dämmerung*“ und „Nacht im Walde“ fo herrlich ausgedrückt ist. Die Ausführung von seiten der Kapelle und ihres Dirigenten war eine in jeder Beziehung vollendete.

Zu gleicher Zeit ließ sich die trefflihe Pianistin Fräulein Felicia Kirchdorffer im Saal Bechstein hören. Sie besißt eine sehr bedeutende technishe Fertigkeit, die mit \hönem, gebildetem Anschlag, perlender Klarheit des Spiels und verständnißvoller Auf- E verbunden ist. Diese Borzüge kamen in mehreren Piòcen kTlassisher und moderner Componisten zur Geltung.

Am Dienstag gab das Sängerpaar Herr Rudolf Gmür (aus der Schweiz) und Frau Amelie Gmür-Harloff (aus Norwegen) im Saal Bechstein hierselbst sein erstes Concert. Die Concert- geber, denen von Rostock, wo sie als Bühnensänger thätig waren, ein r Ruf vorausging, erwiesen sih au im Concertgesang sehr oben8werth, wie aus mehreren Sologesängen und Duetten hervor- ging. Beider Stimmen sind sehr wohltklingend und gut ges{ult ; der Vortrag der Sängerin zeichnete A befonders durch aroße LONS keit aus. Das zahlrei erschienene Publikum spendete reichen Beifall.

Im Königlihen Opernhause wird morgen Wagner's „Lohengrin“ mit den Damen E und Hiedler, den Herren Bulß, Mödlinger, Fränkel unter Kapellmeister Weingartner's Leitung ge- geben. Herr Emil Göße fingt die Titelrolle als Gast.

Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen Shake- speare's „Kaufmann von Venedig“ mit den Damen von Hochenburger und Conrad, den Herren Ludwig, Matkowsky, Keßler, Arndt, Vollmer, Nesper, Purschian, Hartmann, Oberländer, Herßer und Plaschke zur Aufführung. Frau Clara Meyer gastirt als Porzia, Fräulein von Mayburg spielt zum ersten Male die Nerissa , Herr Klein giebt die Rolle des Shylock.

Die weibliche Hauptrolle in dem neuen Schauspiel „Chic" von Alexander Baron von Roberts, das in der Mitte der nächsten Woche im Berliner Theater zur ersten Aufführung gelangt, wird Frau Agnes Sorma übernehmen. l

Das Programm des Concerts, welches die Componistin Mary Clement unter Mitwirkung der Concertfängerinnen Fräulein Luise Müller und Martha Münch, des Kammermusikers Herrn Hasse und des Correpetitors Herrn Dehn am Sonntag, Abends 74 Uhr, im Saal Bechstein veranstaltet, bringt eine ganze Reihe von und Duett-Compositionen der Concertgeberin sowie ferner Instru- mental-Compositionen von W. Kes und Vieuxtemps.

Mannigfaltiges.

Das Königliche Prinz Heinrih-Gymnasium in Shöne- berg (früher West-Gymnasium) ist, wie die „N. Pr. Z.*“

gestern Vormittag 11 Uhr eingeweiht worden. Die Verhandlungen