1893 / 253 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Oct 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Wie innig die Be ungen Seiner Majestät des Kaisers und Königs zu Seiner Majestät dem König Albert von Sachsen sind, geht am besten aus dem beim ersten Besuch des Kaisers an der Festtafel im Residenz-Schloß g Lon am 7. Sep- tember 1889 gehaltenen Kaiserlihen Trinkspruh hervor, aus dem die nachstehenden Worte hier in das Gedächtniß zurück- gerufen werden mögen : :

„Es is} eine große Schuld, die Jh abzutragen habe. Viele Jahre haben Eure Majestät mit unwandelbarer Treue und Gnade für Mich gesorgt und Sih um Mich be- kümmert. Wie Eurer Majestät es wohl bekannt ist, hat dereinst Mein verstorbener Herr Vater Mich Eurer Majestät besonders ans Herz gelegt mit der Bitte, Sie möchten be Mich sorgen, wenn Bin einmal etwas Menschliches träfe.

Eure Majestät haben diese Bitte in hohherziger Weise erfüllt, und Jch habe schon lange Jahre Meines Lebens einen innigen Freund und väterlichen Berather an Eurer Majestät gefunden. Jch bin hocherfreut, hier Meinen warmen Dank zum Ausdruck zu bringen.“

Gefühle des Dankes sind es auh, von denen Seine Mazestät der Kaiser und König und mit Allerhöchstdemselben das ganze deutshe Volk an dem Jubeltage des Königs von Sachsen beseelt sind, und mit diesen Gefühlen vereimgt sich der Segenswunsch, daß es Seiner Majestät noch lange ver- gönnt jein möge, mit kräftiger Hand die Zügel der Regierung Über sein Land zu führen, dem ganzen deutschen Heere ein Vorbild militärisher Tugend und Tapferkeit zu sein und als treuer Bundesgenosse mitzuwirken an der inneren Festigung und gedeihlihen Entwickelung des deutshen Vaterlandes.

Der Ausschuß dcs Bundesraths für Justizwesen hielt heute eine Sißung.

Die Commission für die zweite Lesung des Ent- wurfs eines Bürgerlichen Geseßbuhs für das Deutsche Reich erledigte in den Sizungen vom 16. bis 18. Oktober zunächst die in der leßten Sizung nicht zu Ende

eführte Berathung des Antrages: für die Abtretung der M bypothe? nicht, mit dem Entwurf (§8 1112 Abs. 1), eine gerichtlih oder notariell beglaubigte Abtretungserklärung, sondern nur eine schriftlihe Abtretungserklärung zu er- fordern. Die Mehrheit entschied sih für die Annahme des Antrages. Daneben soll aber vorgeschrieben werden, daß der bisherige Gläubiger auf seine Kosten dem neuen Gläubiger, wenn dieser.es verlangt, eine öffentlih beglaubigte "Urkunde über die Abtretungserklärung auszustellen hat. Die Aufnahme einer besonderen Vorschrift, daß der Eigenthümer des belasteten Grundstücks dem neuen Gläubiger gegenüber, solange dieser niht in das Grundbuch eingetragen sei, nur gegen Aus- händigung einer öffentlich beglaubigten Urkunde über die Ab- tretungserklärung zur Leistung verpflichtet sei, hielt man im Hin- blick auf die allgemeinen Vorschriften der §8 1096, 1108, 1119 des Entwurfs und des § 39 der Grundbuchordnung nicht für erforderlih. Zu einer ausführlichen Erörterung gab weiter ein Antrag Anlaß, die Blancoabtretung der Briefhypothek zu- zulassen. Die Mehrheit lehnte jedoch den Antrag ab. Die auf die Uebergabe des Hypothekenbriefs im Wege der Zwangs- vollstreckung und auf die Abtretung von Forderungen rück- ständiger Zinsen u. st. w. sich beziehenden Bestimmungen des §8 1112 Abs. 2, 3 wurden sahlich nicht beanstandet. Auch der § 1113, welcher die Ueberweisung der Brief- hypothek im Wege der Zwangsvollstreckung regelt, fand seinem sahlihen Jnhalte nah Zustimmung ; man war jedo einver- standen, daß die ata in die Civilprozeßordnung zu ver- weisen sei. Die Vorschriften des § 1114 über die Legitimation des nicht in das Grundbuh als Gläubiger eingetragenen Be- fißers des Hypothekenbriefs gelangten im wesentlichen nah dem Entwurf zur Annahme; doch soll mit Rücksicht auf den U ä 1112 gefaßten Beschluß, daß zur Abtretung der riefhypothek Schriftlichkeit der Abtretungserklärung ge-

uügt, zum e des Gläubigers gegen die damit für

ihn verbundenen Gefahren des Diebstahls und der Fälschung im § 1114 bestimmt werden, daß die Legitimation des Be- sißers eines Hypothekenbriefs nah Maßgabe des § 1114 nur durch eine zusammenhängende, auf den eingetragenen Gläubiger zurücführende Reihe von öffentlih beglaubigten Ab- tretungserklärungen hergestellt werde. Ergänzt wurde der § 1114 ferner durch den Zusaß, daß im Falle einer kraft Gesehes erfolgten Uebertragung der Briefhypothek die in einer offentlich be- glaubigten Urkunde enthaltene Anerkennungserklärung des bis- herigen Gläubigers der Abtretungserklärung gleichsteht. Die Vorschriften des § 1115 über die Boiaualebüngen der Ein- tragung einer nach den 88 1112, 1114 erfolgten Uebertragung in das Grundbuch wrurden in die Grundbuchordnung verwiesen. Gegen den sahchlihen Jnhalt des § 1116, welcher die Frage entscheidet, inwieweit Vermerke auf dem Hypothekenbriefe die Berufung auf den öffentlichen Glauben des Grundbuhs ausschließen, erhob fich fkein Widerspruch. Auch der Grundsay des Entwurfs, daß, wenn Buch und Brief sich inhaltlih niht decken, das Buch entscheidet (vergl. die Motive zu § 1116), wurde gebilligt. Man war jedoch der Ansicht, daß die Vorschrift des § 31 der Grundbuchordnung, nah welcher die niht auf einer Be- willigung des Gläubigers beruhende Eintragung einer Vor- merkung in das Grundbuch auch Hypothekenbriefs erfolgen soll, einer Aenderung bedürfen werde; dieselbe würde dahin zu gehen haben, daß die ENEragnng eines Widerspruhs gegen die Ueber- tragung der Forderung auf den Besißer des Hypo- thekenbriefs und die Eintragung eines Veräußerungs- verbots der in den ZZ 101, 102 (des Entwurfs 11) bezeich- neten Art gegen den Besizer des Hypothekenbriefs sowie die Eintragung einer Vormerkung gegen denselben nur dann an- geordnet werden ot wenn der Hypothekenbrief vorgelegt wird. Die besonderen Vorschriften der 88 1117 bis 1121 über die Geltendmachung der Nechte des Gläubigers aus einer Briefhypothek wurden mit einigen nicht erheblihen Aenderungen nach dem Entwurf ange- nommen. Der von der Kündigung des Gläubigers handelnde 1118 erhielt den Aas daß auf die Kündigung des Eigenthümers die Vorschriften des § 350 (des Entwurfs 11) über den Schuß des gutgläubigen persönlichen Schuldners gegenüber dem Cessionar mit der Maßgabe entsprechende Me finden follen, daß der Kenntniß von der Abtretung die Eintragung des Ueberganges der Hypothek auf den neuen Gläubiger gleihsteht. Auch

ohne Vorlegung des

die Vorshriften des § 1122 über Bildung von Theilhypothekenbriefen wurden unter Ablehnung eines Antrages, welcher die Theilung von der Zustimmung des Eigenthümers des Grundstücks abhängig machen wollte sahlich genehmigt. Zugleich wurde beschlossen, in einer Anmerkung zum Ausdruck zu_ bringen, es werde voraus- geseht, daß die Vorschrift im § 61 Abs. 2 der Grundbuch- ordnung, wonach die Bildung des Theilhypothekenbricefs auf dem Stammhypothekenbriefe vermerkt werden muß, durch eine Ordnungsvorschrift erseßt werde. Die von dem Aufgebot des Hypothekenbriefs und der Briefhypothek han- delnden 88 1123, 1124 fanden ebenfalls im wesentlichen Zu- stimmung. . i

Zu einer lebhaften Erörterung führten verschiedene An- träge, welche bezweckten, abweichend von dem Entwurf auch die Bestellung einer Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Jnhaber zuzulassen und näher zu regeln. Man war darüber einver- standen, daß die Vorschriften des Bürgerlihen Geseß- buhs die Möglichkeit gewähren müßten, in der von der Praxis unter Anwendung des Art. 301 des Handels- geseßbbuchs bisher für zulässig erachteten Weise Theil- hypotheken (sog. Partial-Obligationen) durch Jndossament zu übertragen und mit Rücksicht darauf bei der Begründung der Hypothek zur Wahrnehmung der Jnteressen des Hypotheken- \huldners und der Besißer der Partial-Obligationen einen Vertreter (sog. Treuhänder) mit Wirkung auch gegen die Rechtsnachfolger zu bestellen. Die Redactionscommission wurde beauftragt, zu prüfen, ob und inwieweit der Entwurf nach diesen Richtungen bedürfe. Dagegen gingen die Ansichten darüber ausetnander, ob ein Bedürfnik vorliege, daneben die Bestellung einer Hypothek für die Forderung aus ciner Schuldverschreibun auf den Jnhaber zuzulassen und im Bürgerlichen Gesezbud zu regeln. Man oaudiate sih dahin, zunächst in die Be- rathung der einzelnen Anträge einzutreten und die definitive Beschlußfassung über den Gegenstand bis nah der Erledigung der Specialberathung auszuseßen. Die Specialberathung wurde nicht zu Ende geführt.

Aus den von sämmtlichen Königlichen Provinzial-Schul- collegien erstatteten Berichten hat der Unterrichls-Minister die Ueberzeugung gewonnen, daß die Einrichtung der öffent- lihen Prüfungen an höheren Schulen zum Schluß des Schuljahres in den Augen des Publikums deli überall das Interesse verloren hat, das ihr in früheren Zeiten entgegen- somit der Hauptzweck der Ein- rihtung, die Vermittelung des Zusammenhangs zwischen Schule und Familie, niht mehr erreiht wird und die Prüfung vielfah zu einer leeren Schaustelung zu werden droht, so sind die Königlichen Provinzial-Schulcollegien ermäch- tigt worden, die Prüfungen mit Schluß Hdieses Schuljahres an allen den höheren Schulen aufzuheben, an denen nicht, wie dies an manchen nichtstaatlihen Anstalten nah den vor- liegenden Berichten der Fall ist, die Beibehaltung der alten Einrichtung ausdrücklih gewünscht wird. Die Directoren und Lehrercollegien aller der Anstalten, an denen die öffentlichen Prü- füngen beseitigt werden, haben um so eifriger dafür Sorge zu tragen, daß die öffentlichen Feierlichkeiten an den hergebrachten Festtagen der Schule ein möglichst lebhaftes Jnteresse für das Publikum gewinnen und der Förderung engerer Beziehungen zwischen Schule und Elternhaus in noch höherem Maße als bisher dienstbar gemacht werden.

gebraht wurde. Da

Das Kaiserlihe Gesundheitsamt macht folgende Cholerafälle bekannt:

Jn Nixdorf, Kreis Teltow, erkrankte eine Frau, nach- dem sie die Wäsche ihres von Havelberg zurückgekehrten, an Diarrhöe leidenden Ehemannes gewaschen hatte, an Cholera. Jn Zerpenschleuse, Kreis Nieder-Barnim, eine Erkrankung mit tódtlichem Ausgange. Jn Havelberg 3 Erkrankungen.

Jn Stettin wurde bei 6 zwischen dem 15. und 19. Dk tober Erkrankten (davon 5 bereits gestorben) Cholera nach- gewiesen; von den früher gemeldeten Krankheitsfällen sind zwei todtlih verlaufen. Jn Warsow, Kreis Randow, 3 Neu- erkrankungen, davon 2 mit tödtlihem Ausgange.

Jn Hadersleben, Regierungsbezirk Schleswig, wurde bei zwei Matrosen des s{hwedischen Dampfers „Hjalmar“ (vergl. Nr. 241/242 des „Reichs-Anzeigers“) Cholera festgestellt. Fn Tönning, Kreis Eiderstedt, eine tödtlih“ verlaufene Er- krankung.

Durch Allerhöchste Cabinetsordre vom 15. Oktober d. J. ist die Verseßung S. M. Aviso's „Greif“ von der Marine- O der Nordsee zur Marinestation der Ostsee genehmigt worden.

Der General - Jnspecteur der Qn Artillerie, General- Lieutenant Edler von der Pla nit I]. ist vom Urlaub hierher zurückgekehrt.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich lippishe

Cabinets-Minister von Wolffgramm ist hier eingetroffen.

Sigmaringen, 21. Oktober. Gestern sind Jhre König- lichen Hoheiten der Graf von Flandern und der Prinz Albert von Belgien hier eingetroffen. Heute feiert Jhre Königliche Hoheit die ee von Hohenzollern im Kreise zahlreiher Mitglieder und Verwandten des Fürsten- hauses die Vollendung des Cn Lebensjahres in voller geistiger Frishe und bestem Wohlbefinden. Die Stadt ist festlih beflaggt, überall zeigt sich die regste Theilnahme.

Bayern.

Die Kammer der Abgeordneten beendete gestern die Debatte über die Futternoth. Gegenüber dem Abg. Schädler nahm der Minister des Jnnern Freiherr von Feilißsch wieder- holt den Regierungs-Präsidenten der Pfalz gegen die Verdächh- tigung tendenziöser Zusammenseßung der dortigen Nothstands- commission in Schuß. Der Abg. Grillenberger antwortete in langer Rede auf die Ausführungen verschiedener Centrumsredner, insbesondere ves Abg. Keßler, indem er u. a. bemerkte, im Hause rühme sih das Centrum immer der Arbeiterversicherungs- geseßzè, draußen im Lande schiebe man diese Gesehe in

hin einer Ergänzung,

demagogischer Weise den Socialisten in die Shuhe. Schließ- lih wurden mit Rücksicht auf die Zusicherungen der Rec rung sämmtliche Anträge der Liberalen und des Centrums zurückgezogen und lediglih der Antrag des Abg. Dr. Jäger angenommen, der die Regierung ersuht, auf die Auf- hebung des österreihishen Futterausfuhrverbots hinzuwirken und im Bundesrath für die Suspension der Zölle für Futter- mittel einzutreten, sofern solhe von Gemeinden oder landwirth- schaftlihen Vereinen in Wagenladungen direct zur unmitte[- baren Vertheilung an bedürftige Landwirthe bezogen würden.

Sachsen.

Bei den vorgestern vorgenommenen Wahlen zur Zweiten Kammer sind 17 Conservative, 6 Nationalliberale, 2 Fort: schrittler, 2 Anhänger der Reformpartei und 5 Social- demokraten gewählt worden, während im 7. städtishen Wahl- kreis (Meißen 2c.) eine Stichwahl zwishen einem Conservativen und einem Anhänger der Reformpartei stattzufinden hat. Ver- gleiht man dieses Ergebniß mit der Vertretung, welche die in Frage kommenden Wahlkreise bisher im Landtag auf- uweisen hatten, so haben die Conservativen vier und die Fort- {hrittler drei Sige eingebüßt, während die Nationalliberalen, die Anhänger der Reformpartei und die Socialdemokraten je zwei Sihe gewonnen haben. Leßtere gewannen die Siße Dresden (Antonstadt) und den 37. ländlihen Wahlkreis (Hartenstein). Dazu kommen noch je ein Siß, den die Conser- vativen und die Socialdemokraten in den neubegründeten Wahlkreisen Leipzig 4 und 5 erworben haben.

Sachsen-Coburg-Gotha. Seine Königliche Hoheit der Herzog ist gestern von seiner Reise nah Dresden und Hummelshain wieder in Cobur eingetroffen. :

Oesfterreich-Ungarn.

Wie das „Fremdenblatt“ meldet, wird die Nachricht von der angeblih bevorstchenden Abberufung des öster- reihisch-ungarishen Botschafters in Konstantinopel in Wiener kompetenten Kreisen als unbegründet bezeichnet,

Gegenüber der Nachricht, das a Mittelmeer- Geschwader werde in der nächsten Zeit die montenegrinischen Häfen, speciell denjenigen von Antivari besuchen, macht die „Politische Correspondenz“ darauf aufmerksam, daß nah dem Berliner Vertrage die Seepolizei in den Gewässern von Montenegro Oesterreich-Ungarn übertragen sei und fremde Kriegsschiffe in den montéenegrinishen Häfeit nicht ankern dürften. Hierdurch sei der Nachricht von vornherein der Boden entzogen.

Das Abgeordnetenhaus hat gestern den Ausschußantrag angenommen, die Regierung zu Erhebungen über den Nothstand in einigen Gegenden Böhmens und zur Einbringung entsprechen- der Vorlagen aufzufordern; auh der Antrag des Abg. Tausche, zur Linderung des böhmischen Nothstandes sofort einen ent- \prechenden Betrag als unverzinsliches Darlehn in das Budget einzustellen, wurde angenommen. Der Handels - Minister Marquis de Bacquehem legte einen Geseßentwurf über die Unterstüzung der Handelsmarine vor. Auf der Tagesordnung der-Sißung vom Montag steht die erste Lesung der Wahl|- reformvorlage.

Im Finanzausschuß des ungarischen Unter- hauses erklärte der Minister-Präsident Dr. Wekerle auf eine Anfrage des Abg. Falk, er habe auf dem ausländischen Markt kein Silber verkauft, er sei auh nicht in der Lage, solches zu verkaufen, einen etwaigen Uebershuß an Berg- werkssilber ausgenommen.

Frankreich.

Der gestern im Elysée abgehaltene Ministerrath bc shäftigte sh dem „W. T. B.“ zufolge mit den Anordnungen für die Leichenfeier des Marschalls Mac Mahon. Der Sarg soll in der Madeleinekirhe aufgestellt werden, von dort wird sih der Leichenzug nah dem Jnvalidendom bewegen, Im Namen der Regierung wird der Minister-Präsident Dupuy, im Namen der Armee der Kriegs-Minister Lo izill on sprechen. Da die Leichenfeier am Sonntag stattfindet, ist die Gala-Vor- stellung in der Großen Oper von Sonnabend auf Montag, die JUumination von Sonntag auf Montag und das Reitfe! auf den Dienstag verlegt worden.

Die Herzogin von Magenta hat an den Präsidenten Carnot ein Telegramm gerichtet, worin sie für die dem ver- storbenen Marschall gegebenen Beweise der Sympathie und für die ihm erwiesenen öffentlihen Ehrenbezeugungen den Dank ausspriht. Von der Kaiserin Eugenie ist ein mit Comtesse Pierrefond unterzeichnetes Telegramm an die Familie des Marschalls Mac Mahon eingetroffen, worin sie ihren Gefühlen lebhafter Sympathie sowie der Theilnahme an dem Schmerz der Familie Ausdruck giebt.

Wie die „Nat. Ztg.“ erfährt, hat das dur den Vot- schafter Grafen Münster der Herzogin von Magenta über: mittelte Beileids-Telegramm Seiner Majestät des Kaisers einen vorzüglichen Eindruck gemacht. Der „Matin“ erklärt es für cine der Kundgebungen, die gleichzeitig den Kundgeber und den berühmten Todten ehrten, und meint, es sei nicht zweifelhaft, daß die De De Get des Kaisers inmitten der gegenwärtigen ZU- stände das Gefühl der Beruhigung bestätigen werde, das sowohl in den Wünschen der französischen Nation als des Kaiser® von Rußland liege.

Die russishen Offiziere machten gestern eine Rund- fahrt durch Paris und wurden überall mit großer Ve- geisterung begrüßt. Jm YJardin des Plantes wurde ein Dejeuner eingenommen, bei dem der Präsident des Gemeinderaths Humbert den Vorsiß führte. Doaste wurden dabei niht ausgebraht. Am Abend fand ein Ba im Stadthause statt, der einen glänzenden Verlauf nahm. Wegen des Todes des Maschalls Mac Mahon he- theiligten sich die russischen Offi iere niht am Tanze. Als sie um Mitternacht den Ball verließen, wurden sie von der Menge lebhaft begrüßt. ; :

ie die heutigen Blätter mittheilen, gab gestern ein Jn dividuum in dem Augenblick, als die russischen Offiziere von dem Ball im Hôtel de Ville nah dem Cercle militaie zurückkehrten, auf die Menge an der Place de C einen Revolvershuß ab. Niemand wurde verleßt. 4 A den man in Haft nahm, heißt Willis und bezeine sih als xevolutionären Socialisten : man glaubt, daß er ge! te estört sei. A ls cu n Toulon wurde gestern an Bord des „Hohe“ ie M russishen Seeleute ein Bankett zu 600 Gedecken veranstalie!.

Rußland.

Der Kaiser und die Kaiserliche Familie sind na einer Meldung des „W. T. B.“ aus St. Petersburg ilees Abend in Gatsch ina eingetroffen.

Ftalien,

Die „Tribuna“ schreibt, die von der Londoner „Times“ geäußerte Annahme, daß die von dem Minister - Präsidenten Giolitti angefündigte pr N sive Steuer auf das persón- lihe Einkommen der italienishen Bürger auch die aus- wärtigen Jnhaber von italienisher Rente treffen fönnte, beruhe auf cinem Irrthum. Die neue Steuer werde nur das reine Effectiv-Einkommen der italienishen Bürger treffen. Die Zinsen der vom Staate contrahirten Schulden würden der Steuer nicht unterliegen.

Gestern Vormittag hat das britishe Geschwader Tarent verlassen. e T. B Sie herrschte schon in den ersten Morgenstunden auf dem Schiffahrtskanal eine lebhafte Bewegung. Die Truppen hatten am Kanal Auf- Mas genommen, die Musikcorps spielten während der Vor- überfahrt des britishen Geshwaders. Als sich leßteres in Bewegung seßte, wurden Salutschüsse mit den italienischen Kriegsschiffen gewechselt. Eine zahlreihe Menschenmenge, in Booten und auf den Terrassen der Häuser, begrüßte durh Zurufe und Tüchershwenken die Abfahrenden aufs Lebhafteste, während die britishen Offiziere die Grüße in militärisher Weise erwiderten. Die Menge begab si später nah dem Corso „Victor Emanuel“, wo Ke bis gegen 121/23 Uhr verblieb und den Plaß erst verließ, als das Geschwader außer Sicht gelangte.

Schweiz.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ sind die Handels? vertrags-Verhandlungen mit Schweden und Nor- wegen wegen der aus den inneren Verhältnissen Schwedens und Norwegens sih ergebenden Schwierigkeiten zur Zeit ein- gestellt worden.

Ueber die Münzconferenz in Paris verlautet, daß die Nationalisirung der Silberscheidemünzen niht nur Jtaliens, sondern auch aller anderen Staaten, welche der lateinischen Münzconvention angehören, wahrscheinlich sei.

Amerika.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Philadelphia hätten die Demokraten dem Cabinet ein Transactions- project zu Gunsten des Staatsschaßes unterbreitet, wonach monatlich bis zum Jahre 1895 41/4 Millionen Unzen Silber angekauft und Obligationen zur Erhöhung der Goldreserve des Staatsschaßes ausgegeben werden sollten. Ein späteres Telegramm der „Times“ meldet, das Cabinet habe das Pro- ject zurückgewiesen.

Wie der New-Yorker Correspondent der „Daily News“ von gut unterrichteter Seite vernimmt, werde der Präsident Cleveland, falls der Senat niht die Abschaffung der Sherman-Acte annehme, dieses Gesez durch eine Botschaft an den Congreß aufheben mit der Erklärung, daß der Staats- haß die ihm durch das Geseß erwachsenden Ausgaben nicht decken könne.

Das Repräsentantenhaus hat eine Resolution angenommen, wonach die Zölle für Gütec, die auf der Weltausstellung in Chicago ausgestellt gewesen sind, bis zu einem Betrage von 50 Proc. ermäßigt werden sollen.

Afrika.

__ Das „Reuter she Bureau“ meldet aus Kapstadt von gestern: Eine officielle Depesche der Chartered Company von Fort Victoria berichte, daß die Streitkräfte der Company einen lebhaften Zusammenstoß mit den Matabeles gehabt hätten. Die Colonne von Fort Victoria habe den Feind am 16. Oktober auf Mont Jndiama zurückgeshlagen, während gleichzeitig die Colonne von Fort Salibury den Feind unweit derselben Gegend geschlagen habe. Beide Colonnen rückten jeßt vereint auf Buluwayo, die Residenz Loben- gula’s, vor. Auch die Colonne von Fort Charter habe an dem Kampfe thätigen Antheil genommen. Der Verlust der Ma- tabeles werde auf etwa 100 Todte geschäßt. Auf Seiten der Compagnie-Truppen habe der Capitän Campbell eine Ver- wundung am Bein erlitten, die eine Amputation nöthig ge- macht habe.

Wie die „Pall Mall Gazette“ meldet, wören in den leßten Tagen bei den Mitgliedern der Transvaal-Regie- rung êensie Meinungsverschiedenheiten zu Tage getreten über den Vorschlag, ciner FranölUGen (Gesellschaft ein Monopol für den Handel mit D ea zu bewilligen. Mehrere auswärtige Konsuln hätten lebhaft gegen diese Verleßung des Artikels über die meistbegünstigten Nationen protestirt. Alle Mitglieder des Volksraad, die gegenwärtig in Pretoria anwesend sind, hätten einen formellen Protest gegen diesen Plan der Regierung Überreicht.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Ueber den Ausstand der Grubenarbeiter in Eng- land liegen auch heute neue Nachrihten von Belang nit vor. Die Londoner „A. C.“ schreibt:

Lancashire ist jeßt der Mittelpunkt der Unruhen, die eine Folge des langen erbitterten Ausstandes der Grubenarbeiter sind. Eine mit Knütteln bewaffnete Menge überwältigte am Donnerstag die wenig zahlreihe Schußmannschaft, die bei der Sutton Nea, Dee tationirt war. Die Zehe war in kürzer Zeit im vollen Besiß der [ufrührer. Steine, Eisenstücke, alles Greifbare wurde in die Schächte hinuntergeshleudert; fast wäre selbst ein Arbeiter in die Tiefe hinab- gestürzt worden. Nach dem Eintreffen von Polizeiverstärkungen gelang es, die Ruhestörer zu Paaren zu treiben und die Zeche in Besitz zu nehmen.

Im Norden Frankreichs führt der Ausstand der Bergarbeiter jezt gleihfals häufig zu Ausscrei- tungen. Aus Lens berichtet ein Wolffshes Telegramm : Vor dem Hause eines Grubenarbeiters, welcher die Arbeit wieder aufgenommen hatte, explodirte in der vergangenen Nacht eine Dynamitpatrone, wodurch einiger Materialshaden angerichtet wurde. Vier andere Dynamit- patronen mit erloshenem Zünder wurden an verschiedenen Stellen gefunden. Jn dem ganzen Kohlenbassin verlief die Nacht zum Freitag unruhig. : P ;

In Straßburg i. E. dauert, wie aus ciner Mittheilung im „Vorwärts“ hervorgeht, der Ausstand der Sattler in der Milit är- effectenfabrik von Jansen (vergl. Nr. 249 d. Bl.) fort; vier Sattler segen ihre Arbeit fort.

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Siaoc Derlin sind bet den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 8. Oktober bis incl. 14. Oktober cr. zur Anmeldung gekommen : 742 GEbeschließungen, 1039 Lebendgeborene, 19 V biaeborene, 603 Sterbefälle.

Kunft und Wissenschaft.

Um die wichtigen Aufgaben der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte zu fördern, hatte, wie wir seinerzeit berihteten, das preußische Ministerium der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten Verordnungen erlassen ; in gleiher Weise hatten die Regierungen Württembergs und Anhalts zu der Gesellshaft Stellung genommen. Aus dem soeben erschienenen neuesten Hefte der Mittheilungen der Gesellschaft geht hervor, daß auch die Regierungen von Bayern, Elsaß-Lothringen und Sachsen eine Förderung der Bestrebungen der Gesellschaft zugesagt, bezw. bereits bethätigt haben.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Makßregelnu.

Spanien.

Die Königlich spanishe Regierung hat gegen Herkünfte von Messina, welche diesen Hafen nah dem 2. d. M. verlassen haben, Quarantäne angeordnet. Die Häfen, welche von Messina nicht weiter als 165 km entfernt sind, a o O

ortugal. __ Durch Verfügung des Lortagieifwèn Ministeriums des Innern sind der Hafen von Antwerpen seit dem 16. d. M. und alle Häfen an der Themse unterhalb von London feit dem 8. d. M. für cholera- verdächtig erflärt worden. : Bulgarien.

Zufolge Beschlusses des bulgarischen Gesundheitsraths ist die für Reisende und Provenienzen von der oberen Donau angeordnete achttägige Quarantäne auf fünf Tage herabgeseßt worden. (Vergl. „R.-Anz.“ Nr. 207 vom 29. R A Eine gleiche Quarantäne findet für Waaren in Harmanly statt. Vom 2. d. M. ab unterliegen Segel-, Schlepp- und andere Boote, welche in den bulgarischen Donauhäfen eintreffen, um Waaren aufzunehmen, unkt einer dreitägigen Quarantäne, bevor sie laden dürfen.

/ n Brasilien.

Die brasilianische Regierung hat unter dem 23. v. M. die Häfen Grimsby und Hull für choleraverfeucht und alle übrigen Häfen Groß- britanniens, sowie die spanishen, italienishen und fran- zösischen Häfen des Mittelländishen Meeres, sowohl des Festlandes wie der Inseln in Euroya und Afrika, und den Hafen von Tanger am Atlantischen Ocean für choleraverdächtig erklärt. Schiffe, welche seit dem 3. v. M. von Grimsby und Hull, seit dem 11. v. M. von den übrigen Häfen Großbritanniens und seit dem 14. v. M. von den anderen oben erwähnten Häfen abgegangen sind, haben fich zunächst bei ihrer Ankunft in den brasilianishen Gewässern auf der Ilha Grande der vorschriftsmäßigen sanitären Behandlung zu unterziehen.

Auswanderer, welhe Spanien seit dem 23. v. M. verlassen haben, werden in Brasilien bis auf weiteres niht zugelassen. (Vgl. „N.-Anz.“ Nr. 231 vom 26. September.)

: Cholera.

Wien, 20. Oktober. Der Gerichtsbezirk Stanislau in Galizien, in welhem 149 Erkrankungen an Cholera, darunter in den leßten 10 Tagen 60 Erkrankungsfälle, vorkamen, ist, laut Mel- dung des „W. T. B.", im Sinne der Dresdener Conferenzbeschlüsse als Choleraherd erklärt worden.

Rom, 20. Oktober. In den leßten 24 Stunden is, dem „W. T. B.“ zufolge, in Nom 1 Todesfall an Cholera vorgekommen ; aus Livorno werden 3 Erkrankungen und 1 Todesfall und aus Palermo 3 Erkrankungen gemeldet.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

an der Nuhr und in Oberswlesien.

An der Ruhr sind am 19, d. M. gestellt 11 231, niht rechtzeitig gestellt 49 Wagen ; am 20. d. M. sind gestellt 11 217 Wagen, nit rechtzeitig gestellt 196 Wagen.

“In Oberschlesien find am 19. d. M. gestellt 4245, nicht recht- zeitig gestellt 324 Wagen. L _Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlihen Amtsgericht l Berlin standen am 20. Oktober die nachverzeihneten Grundstücke zur Versteigerung: Wienerstr 47, zur Tischlermeister Ad. Scheurr* schen Konkursmasse gehörig; Nußzungswerth 5400 4; Mindestgebot 700 M; für das Meistgebot von 85 000 # wurde der Banquier W. Hirte zu Berlin Ersteher. Brunnen str. 29c, dem Kaufmann Eduard

Troplowißt gehöriz; Fläche 15,20 a; Mindestgebot 700 4; für

das Meistgebot von 156 500 4A wurde der Architekt Krengel, Gneisenaustr. 3, Ersteher. :

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 20. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Havel“ ist am 18. Oktober Vormittags in New-York angekommen. Der Schnelldampfer „Aller“ hat am 18. Oktober Nachmittags die Reise von Southampton nah New- York fortgeseßt. Der RNeichs-Postdampfer „Braunschweig“ hat am 18, Oktober Nachmittags die Reise von Antwerpen nach Corunna fortgeseßt. Der Postdampfer „Dresden“ ist am 18. Oktober Nachmittaas von Baltimore nach der Weser abgegmen, Dex ostdampfer „Weser“ ist am 18. Oktober Nachmittags von New-York nah Neapel abgegangen. Der Dampfer „Laugthon“ ift am 18. Oktober Vormittags in New-York angekommen. Der Neichs-Postdampfer „Bayern ist am 19. Oktober Morgens in Singapore angekommen. Der Post- dampfer „Leipzig“ ist am 19. Oktober Vormittags in Antwerpen angekommen. Der Schnelldampfer „Spree“ ist am 19. Oktober Nachmittags auf der Weser angekommen. :

Der ecste Dampfer der neuen Noland-Linie des Norddeutschen Lloyd „Roland * traf heute Mittag, direct von Baltimore kommend, in dem hiesigen Freihafen ein. |

amburg, 20. Oktober. (W. T. B.) Hamburg-Ameri- kanishe Palketfahrt - Actien - Gesellschaft. Der Post- dampfer „,Dania“ if in New-York eingetroffen.

London, 20. Oktober. (W. T. B.) Der Ca stle-Dampfer „Doune Castle“ hat gestern auf der Ausreise die Canarischen Inseln passirt, Der Uniondampfer „Afrikan“" ist gestern auf der Heimreise von den Canarischen Inseln abgegangen.

Theater und Musik.

Königlihes Schauspielhaus.

In der Nolle der Porzia in Shakespeare’s „Kaufmann von Venedig“ trat Frau Clara Meyer, das Ehrenmitglied der Königlichen Bühne, gestern Abend als Gast wieder auf. Die an- muthige Künstlerin s{hied vor mehreren Jahren, wie man damals glaubte, für immer von der Königlichen Bühne als Porzia, und als Eon kehrt sie wieder. Diese dichterishe Gestalt entspriht dem ünstlerishen Vermögen Clara Meyer's, ihrem Wesen und ihrer Erscheinung in besonders hohem Grade. Liebenswürdigkeit, Grazie, aae Schelmerei, herzinnige Empfindung treten in dem Spiel der Künstlerin klar und eindringlich zu Tage. Der maßvolle Gebrauch der Stimme hat ihr den weihen Wohllaut bewahrt, der bei großer Krafkanstrengung gefährdet wird. Wie großer Beliebtheit sich die Künstlerin stets erfreute, bewies der raushende Beifall, der ihr erstes Erscheinen begrüßte. Als Gast genoß sie das Vorrecht, au nach den Actschlüssen vor der Gardine zu erscheinen; ein duften-

Hermann

der Blüthenregen fiel auf die Bühne nieder, so reich und fostbar, wie selten bei ähnlichen Gelegenheiten. —. Neu beseßt war gestern Abend nur die Partie der Nerissa, und zwar durch Fräulein von Mayburg; heiter und unbefangen, mit ewinnender Einfachheit und natürliher Keckheit s{herzte und neckte

e; gleichzeitig aber brate sie die rührende Ergebenheit gegen ihre

kluge Herrin im Blick und in der Bewegung wahrhaft zum Ausdruck. Die übrigen Darsteller haben sich in ihren Rollen {hon oft als tüchtig bewährt; ihre Zahl ist im „Kaufmann von Venedig“ fo groß, daß man nicht jeder Einzelleistung wieder anerkennende Worte zollen fann. Es sei genug, zu bestätigen, daß auch geftern Abend jeder an seinem E warund sein/vollesKönnen für eine gute Gesammtvorstellung einseßte. n wie hohem Maße die decorative Einrichtung, die Jnfcenirung

den Eindruck der Dichtung verstärkt, konnte man gestern aufs neue be- obachten. Es war nicht mehr die Neuheit, die wirkte, sondern die eigenartige Stimmung, die sihch jedesmal von dem jcenishen Bilde [oëlóst und das Gemüth ergreift. Der Sonnenuntergang an der Adria mit der hinter lihtem Gewölk aufsteigenden Mondscheibe beim Beginn des Spiels trifft sehx gut den-Ton der Sehnsucht und Weh- muth, auf den die Vorgänge auf der Bühne anfangs abgestimmt find; die enge Gasse, in der über den blutigen Schuldschein verhandelt wird und wo nur die obersten Hausspißen vom Glanze der einfallenden Sonne getroffen werden, mat einen drückenden und schaurigen Eindruck; die feterlihe Pracht des Dogenpalastes gebot Ghrfurht und die vom Mondschein durchströmten heiteren Gärten Belmontes lagen wie in süßem Zauber gebettet, in den sie die Seelen versenken sollten. Die Pracht der Scene versuchte so, dem Glanz der Dichtung möglichst vollkommen sih anzupassen. Dem s{chönen Ge- 4 der ganzen Aufführung entsprach der reiche, warme Beifall der

Zuschauer.

Concerte.

_ Händel’s Oratorium „Samson“ wurde, nahdem es sieben Jahre lang geruht hatte, gestern von dem Chor der Sing-Akademie wieder aufgeführt. Als biblishes Oratorium componirt, gehört es doch zu den dramatisch gedahten Werken und zugleich zu den groß- artigsten Schöpfungen des Meisters. Die Chöre „Es werde Licht“, „Zum glanzerfüllten Sternenzelt", der sechs\timmige Chor: „Hör, Jakob’s Gott !*, der Doppelchor „Ehret in seiner Herrlichkeit", der tiefergreifende Klagegesang der Israeliten „Ihr Thränen fließet“ mit dem folgenden „Trauermarsch“ des Orchesters, sowie der Schlußchor des erts „Laut stimme ein“ sind von überwältigender Wirkung, die allerdings bei der gestrigen Aufführung dur die Kraft und Klangfülle der Stimmen dieses Chors sowie dur eine wahrhaft begeisterte Hingabe für das Werk noch gehoben wurde. Auch die Solisten die Herren Dierich (Tenor), Betz (Baß), Kuhlo (Tenor) und die Damen Stephan (Alt), L E (Sopran) und Haberlandt (Sopran) trugen im Verein mit dem O Orchester znm Gelingen der Aufführung des Orato- riums sehr wesentlich bei. Der einsihtsvollen, stets feurig belebten Dén a Herrn Professors Blumner sei hier noch besonders erwähnt. :

An demselben Abend n sich die Altistin Fräulein Clara von Senfft und die Violinistin Fräulein Olga von Zerdahelyi im Saal Bechstein hören. Die Sängerin besißt eine sehr tiefe, vollflingende Stimme und eine verständnißvolle Vortragsweise, die in Arien von Händel und Gluck fowie in mehreren Liedern von Schu- mann und anderen vortrefflich zur Geltung kam. Die Violinistin hat, von einem etwas herben und spröden Ton abgesehen, viel technische Fertigkeit und erntete gleih der Sängerin reichen Beifall von Seiten des zahlreih erschienenen Publikums.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Mozart's „Zauberflöte“ mit den Damen Leisinger, Herzog, Dietrih, Kopka, Nothauser, Lammert, Weiß, ngss Deppe, den Herren Sommer, Mödlinger, Krolop, Lieban, Bey, Fränkel, Philipp, Krasa, Krüger unter Kapellmeister Weingartner’s Leitung gegeben. Am Montag ge- langt Flotow’'s „Martha“ mit den Damen Dietrih, Rothauser, den Herren Beß, Schmidt, Krasa zur Aufführung. Herr Emil Göße singt den Lyonel als Gast, Musikdirector Wegener dirigirt.

Im Königlihen Schauspielhause werden morgen „Die OQuizows“ mit den Damen von Hochenburger, Poppe, Seebach, Conrad, Abih, den Herren Ludwig, Nesper, fe Gan Vollmer, Keßler, Arndt, Eichholz, Oberländer, Kahle, Plaschke, Link, Siegrist, Hartmann gegeben. Am Montag findet eine Wiederholung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ mit der Musik von Mendelssohn statt. Frau Clara Meyer tritt am Dienstag als „Maria Stuart“ auf.

Im Deutschen Theater ist der Wochen-Spielplan folgender- maßen festgestellt: Sonntag: „Der Talisman", Montag: „Der

farrer von Kirchfeld", Dienstag: „Man sagt!“, Mittwoh: „Der Zalisman", Donnerstag: „Man sagt!“, Sen : Goethe-Cyfklus, 1. Abend: „Stella“, „Die Mitschuldigen“, Sonnebend: „Man sagt !* __ Im Berliner Theater is die erste Aufführung des neuen Schauspiels „Chic“ von Alexander Baron von Roberts, mit Frau Sorma in der Hauptrolle, auf Mittwoch angeseßt worden. Am Freitag G Abonnements-Vorstellung) findet die erste Wiederholung von „Chic“ tatt, Morgen Abend spielt Agnes Sorma die Titelrolle in AAS „Nora“. Für Montag ist das Lustspiel „Die Journalisten“, für morgen Nachmittag und für Dienstag Ohnet's „Hütten- besißer“ angeseßt. Am Donnerstag geht „Der Kaufmann von Venedig“ in Scene und am Sonnabend findet eine Wiederholung von „Hamlet“ statt. Der Billetverkauf für die erste Aufführnng von „Chic“ beginnt am Montag an der Vormittagskasse des Theaters.

Im Lessing-Theater seßt sih der Spielplan der neuen Woche wieder aus|schließlich aus Aufführungen des Lustspiels ,Mauer- blümchen“ zusammen. Morgen gelangt das Stück am Stadt-Theater in Frankfurt am Main zur ersten Aufführung.

Im Friedrich -Wilhelmstädtishen Theater wird bis einshließlih nächsten Freitag „Freund Felix“ gegeben.

Im Victoria-T heater findet am Dienstag die letzte Aufführung von „Frau Venus“ statt. Vom Mittwoh bis Freitag bleibt das Theater wegen der Vorbereitungen zu den „Sieben Raben“ ges{lossen, deren erste Aufführung am näcbften Sonnabend stattfindet. räulein Walden, vom Theater Unter den Linden, debütirt an diesem Tage in der Nolle des „Liebseelchen“.

Morgen findet im Theater Unter den Linden die zwel'e Nachmittagsvorstellung der Weinberger’schen Operette „Lachende Erben“ bei halben Preisen pa

Im Concerthause us am Montag unter Mitwirkung der Concertsängerin Frau Böhm, des Concetiiigett Herrn Robert (vom Großherzoglichen Theater in Weimar), des Professors Bohm, der Herren Carnier, Smit, Herrmann (Dirigent des Ver- bandes deuticher Zither-Vereine), der Cornet à Piston-Virtuosen Herren Steffens und Werner und des Mohr'shen Gesangvereins (Dirigent Herr Schmidt) ein Virtuosen-Concert statt. :

Der Pen sionsanstalt der Genossenshaft Deutscher Bühneu-Angehö riger ist, wie wir der „Nat.-Ztg.“ E durch lettwillige Verfügung der kürzlich in Honnef verstorbenen Wittwe des Theater-Agenten, Commissions-Raths R oe der ein Legat von 40 000 s zugewiesen worden.

Das französishe Ministerium hat, wie „W. T. B.“ aus Paris berichtet, in dem gestern abgehaltenen Ministerrath beschlossen, daß die Beisezung des Componisten Charles Gounod auf Staats- kosten erfolgen soll. |

Mannigfaltiges, Ÿ

In Gegenwart Jhrer Majestäten des Kaisers und de Kaiserin ist heute Vormittag die unter dem Protectorat Jhi

Majestät erbaute Immanuelkirhe in der Prenzlauer Allee feierli eingeweiht worden. Der Alexanderplat, die Prenzlauerstraße und die