1913 / 9 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

können wir ja über die Denkschrift nicht fassen; vielleiht kommen wir dazu bei der zweiten Lesung des Postetats. Nachdem beide Vorredner in fo außerordentliÞ lebhafter und ein- gehender Weise die Sache besyrohen haben, brauche ich .nur kurz anzudeulen, in welhen Punïten ich mit ihnen einverstanden bin. rien dem Abg. Kuckhoff stimme ich völlig überein in der warmen Anerkennung , die er der Entwicklung - unseres Post- wesens und den Trägern dieser Entwicklung, unseren Postbeamten, gezolt hat. Das deutshe Postwesen kann sich wirkli in der Welt sehen lassen, und wenn man auch über Post- kuriofa oft mit Necht spôttelt, so sind dies cben nur Kuriosa, nicht allgemeine Erfahrungen. Ich möchte aber diese Anerkennung nicht nur unseren Postbeamten spenden, sondern auch dem, der an ihrer Spiße steht, dem Staatssekretär. Ich habe ihm in diesem Hause und in der Prefse einige Vorhaltungen machen müssen, aber das überhebt mich nicht der Verpflichtung, anzuerkennen, daß wir allen Grund haben, mit den Leistungen nicht nur der Postbeanten, sondern auch threr Spiße zufrieden zu sein. Di Besoldungsordnung hat tatsählichÞ Härten geshaffen, das können auch meine politischen Freunde nicht in Abrede stellen, und auch darin stimme ih mit dem Vorredner überein, daß diese Härten, soweit es sich nicht um eine volle Durchbrehung der einmal geschaffenen Ordnung handelt, womöglih beseitigt werden. Wie - weit das möglich ist, wird in der Budgetkommission zu prüfen sein. Ih stimme, was die mittleren Postbeamten und ihre Gehaltzwünsche anlangt, in der Sache mit den Abgg. Kuckhoff und Beck überein. Die ‘300 M-Zulage, die wir gefordert haben, muß endlich den Oberpost- und Obertelegraphenassistenten gegeben werden. Der Staats- sekretär Kraetke wird sih dagegen nicht \träube 1, dazu habe ich sein Herz viel zu gut kennen ‘gelernt. In der Ueberwindung der reis- fiskalischen Oindernisfe werden wir ihn mit allen uns zu Gebote stehenden Kräften unterstüßen. Meine politishen Freunde {sind bereit, nah Möglichkeit und mit aller Entschiedenheit dafür zu sorgen, daß die damaligen Beschlüsse des MNeichstages und seiner Budgetkommission in die Tat umgeseßt „werden. Ich werde in der Budgetkommission das meinige tun, um diese Chrenpflicht dem Staatssekretär in liebens- würdig scharfer Weise vorzuhalten. Auch das, was beide Vorredner über eine Besserstellung der Unterbeamten gesagt haben, kann ih unterschreiben. Die Gehälter der Unterbeamten müssen jeden- falls erhöht werden, wenn au hier gewisse Grenzen gezogen sind. Der Abg. Kuckhoff hat einen Gedanken erörtert, der mir außerordent- lih angenehm oder, um ein Fremdwort zu gebrauchen, sympathisch ist, den Gedanken einer Kinderzulage für die Ünterbeamten. Aber so hübsch diefer Gedanke ist, so kann do metnes Crachtens seine Durch- führung sich niht auf diese Beamten beschränken, sie muß sich auf alle Beamten erstreckden. Ich benußte gern die Gelegenheit, nicht nur die Vertreter des NMNeichspostamtes, fondern die preußischen und anderen deutschen Ministerien darauf hinzuweisen, daß sie denn doc an die MNegelung in der einen oder anderen Weise herantreten müssen. Der Gedanke einer Kinderzulage ift ein ebenso gesunder wie der Gedanke einex Junggesellensteuer. (Zuruf : Staatssekretär !) Ich glaube, der Staats}ekretär würde eine solche Steuer mit «Freuden bezahlen, das bestätigt mir sein freundliches Kopfnicken. Ich glaube, daß dieser Gedanke so oder fo in die Tat umgeseßt werden muß, wenn wir ret ‘bedenklichen Erscheinungen in unserem Volksleben und in unserer Volksentwicklung entgegentreten wollen. Was mein Lieblingskind oder mein Schmerzenökind, die Postagenten, betrifft, so haben diese uns wiederholt ihre Wünsche auch in einer Eingabe unterbreitet. ZIch halte diese Wünsche im allgemeinen grund- jäßlih für berechtigt, ohne mich auf Einzelheiten fest- zulegen. Auf. die Einzelheiten der Beamtenbesoldung gehe ich hier nit ein, das ist Sache der Budgetkommission. Ich stimme dem zu, was der Abg. Beck über die höheren Postbeamten aus- geführt hat. Dies gilt au von den Wünschen der Postassistenten. Bei der jeßigen Regelung der Beamtenordnung sind diese nicht be- sonders gut weggekommen, insbesondere was den Uebergang anlangt. Zu begrüßen ist, daß dur cine {arf umrissene Beamtenordnung klare Verhältnisse geschaffen werden foll-n. Aber die Uebergangsverhältntsse bedinfen ciner besonderen Berücksichtigung. Sie mit Einzelheiten zu behelligen, lie,t mir fern. Wir müssen ja diese Sachen wiederholt besprehen, und der Reichstag hütet sich ja grundsäßlih vor Wiederholungen. Ich unterschreibe das, was der Abg. Bek in bezug auf die Postverwalter, die Vorsteher der Postämter dritter Klasse, gesagt hat. Gerade die Postämter dritter Klasse scheinen mir für die Postassistenten als Endstellen, als gehobene Stellen geboten. Nicht ganz einverstanden bin ih mit einer vermehrten Anstellung von Postgehilfinnen. Ich bin nicht fo unmodern, daß ih mich dagegen sträubte, daß unsere Frauen und Töchter zu Berufen zugelassen werden, die der weiblichen Eigenart entsprechen. Aber die Postgehilfinnen sind doch nur ein unter Umständen nicht besonders wertvoller Ersaß der Männer. Ich kann mir nit denken, daß sie ihre Pflichten so erfüllen können nah ihrer ganzen weiblihen Struktur wie die Männer. Vielleicht täushe ih mich; der Staatssekretär mag das besser wissen; es wäre möglih, daß er als Unverheirateter darüber ein besseres Urteil hat. Aber ich stehe auch in dieser Frage auf dem grundsäßlihen Standpunkt: Wir bekämpfen die Ehesheu und die Gheflucht, wir beklagen, daß so viele Männer nicht in die Lage kommen, einen eigenen Hausstand zu gründen. Ueberlegen wir, daß diese 18 000 Poltgehilfinnen mindestens 10- bis 12-, wenn nit 18 000 Männern die Stelle wegnehmen und sie hindern, einen Haus- stand zu gründen. Wir befinden uns da in etnem circulus vitiosus. Wenn so viel? Frauen sich in Männerberufe begeben, so sind nachher die Männer weniger in der Lage, einen eigenen Hausstand zu gründen. Ich stimme dem sozialdemokratischen Redner darin nicht zu, daß nur fiskalische Gesichtspunkte bestimmend gewesen sind. Der Verdacht liegt ja nahe, aber ih kann ihn nit hegen, ih meine, die Post- verwaltung i} überzeugt, daß die Postgehilfinnen die Männer in diesem Berufe erseßen können. Allerdings tritt einigermaßen cine Verbilligung der Besoldung ein, aber ich möchte auch meinerseits warnen, mit dieser Beschäftigung zuweit zu gehen; es werden dabei Interessen verleßt oder wenigstens bedroht, die auch thre Berechtigung haben. Man kann ja zweifeln, ob die Denkschrift die Erwartungen. derer erfüllt hat, die fie damals beantragt haben; ich gehöre niht zu ihnen, ih richte mich nur nach dem Wortlaut der Resolution und nah dem Wortlaut der Denkschrift, und da entspricht die Denkschrift dem Wortlaut der Ne- folution mit Ausnahme des Wortes „anderweite“. Das Wort „anderweite“ verzeihen Sie dem Schulmeister ti mir in diesem Zusammenhang nicht recht verständlich. Der Reichskanzler foll ver- anlassen, daß dem Reichstag eine Denkschrift über die anderweite Organisation der Postbeamten zugestellt werde. Wenn es sich um anderweite Organisation handelte, um eine neue, dann müßte es nah dem deutschen Stil- und Sprachgesetß heißen „eine anderweite“ ; man fann den bestimmten Artikel niht anwenden für etwas, was noch nicht vorhanden ist; ih habe die Nesolution nur so auffassen können, daß der Neichskanzler veranlaßt wird, eine Denkschrift vorzulegen, in der die Postverwaltung klarlegt, wie sie bei der Organisation der Veamten die beiden angegebenen Grundsäße durchgeführt habe. Danach hat die Postverwaltung der Resolution sachlich entsprochen, da sie nah dem Wunsche des Reichstages an dem Grundsaß festhält, daß Arbeiten, für die eine geringere Qualifikation ausreiht, Be- amten mit niedrigeren Mange übertragen werden. Die Post- verwaltung führt den Nachweis, daß fie diesen Grundsaß befolgt und in Zukunft befolgen werde, sie hat ander- seits abgelehnt, eine Aenderung der Organisation vorzunehmen ; fie hat daraus kein Hehl gemacht und darin stimme ich ihr jahlich bei —, daß ihr die Beamtenordnung, abgesehen von Einzelheiten, ganz zweckmäßig erscheint, und ih möchte warnen, allzuoft Aenderungen von Beamtenordnungen vor- zunehmen. Wenn die jeßigen Po11beamten mit der Beamten- ordnung nicht ganz zufrieden sind, fo ist das zum Teil darauf zurüc{zuführen, daß Unruhe in diesen Organisationen herrsht, die in den legten Jahrzehnten recht bedenklich war. Das kann in keiner Weise bestritten werden. Deshalb bin ih dafür, daß wir uns yor-

läufig mit dieser Organisation formell begnügen und uns nur bemühbén, Härten und Unebenheiten auszugleihen und zu beseitigen. Ein Wort noch über den angeblichen Fiskaliëmus des Reichspostamts! Wenn das Reichspostamt in dieser Denkschrift einen Fisfkalismus sträfliher Art gezeigt hat, so ‘ist der Reichstag mit schuldig, denn er hat immer aus fiskalishen Gründen gewünsht, daß die Arbeiten, für die eine qualifizierte Befähigung nit nötig ist, von Beamten mit niedrigem Rang ausgeführt werden. Das ist aber nicht fitkalish, fondern rein wirischaftlich. (5s isl selbstverständlih, daß man die möglichst geringe Autbildung für möglihst gewöhnliche Arbeiten fordert, und daß man nit zu weit in den Anforderungen der Qualifikation geht bei Arbeiten, die sie niht bedingen. Das ist nicht fiskalisch, sondern wirtschaftlich. Der Fiskalismus soll bei der Postverwaltung niht maßgebend sein, er soll aber auch nit vollkommen von ihr fern gehalten werden, und wir follten uns nicht damit begnügen, die noch so berechtigten Wünsche der Beamten zu vertreten, sondern auch mit dafür sorgen, daß die Kosten so gedeckt werden, daß die Allgemeinheit nicht allzu fehr belastet wid. Diese leßtere Pflicht wird sehr oft vergessen, und es ist nicht gerade angenehm, wenn man daran erinnern muß. Ich halte es aber für meine Pflicht und konnte nicht daran vorübergehen. Gewiß, die Unzufriedenheit der Beamten leugne ich nicht, sie ist vor- handen, und ih gehe noch weiter, sie ist zum Teil bis zu einem ge- wissen Grade niht unberehtigt. Aber cs gibt eine doppelte Un- zufriedenheit, cine begründete Ünzufriedenheit und eine grundfäßliche Unzufriedenheit (Ruf links: Die Agrarier sind grundsäutlih un- zufrieden), eine grundfäßliche Unzufriedenheit, die das Gemeingut aller Menschen, niht nux der Agrarier ist. Meine Herren Sozial- demokraten, was würden Sie ohne diese allgémeine Unzufriedenheit sein? Sie brauchten höchstens einen kleinen Abschnitt in diesem Saal. Und das geben Sie ja zu. (Zroischenrufe bei den Sozial- demokraten) Jh freue mich allemal, wenn Sie bestätigen, was i sage, wodurch mir dann allerdings fraglih wird, ob ich ret habe. Diese Unzufriedenheit ist Gemeingut, und in diesem Hause, wo die Auskese des Volkes vorhanden ist, mögen sich auch nicht wenige Un- zufriedene befinden; ih glaube, die Zahl der weißen Naben hier ift stärker als die der ganz Zufriedenen. Also neben der bere{htigten Un- zufriedenheit gibt es auc eine grundsäßzlihe, die niemals berechtigt ist, und die wir niemals in Zufriedenheit wandeln können, und wenn wir noch soviel für die Herren täten. (Nuf links: Wie die Agrarier !) Ich pflege nur auf die Zwischenrufe einzugehen, die mir passen. Der Hinweis auf die unzufriedenen Agrarter ist auch so neu, daß ih augenblicklich nicht weiß, was ich dazu sagen soll. Meine Freunde haben micy beauftragt, zu erklären, daß wix mit dem sachlihen Inhalt der Denkschrift einverstanden find. Wir meinen aber anderseits, daß Härten noch vorhanden sind, die bescitigt werden müssen, daß Unebenheiten noch bestehen, die der Ausgleichung harren. An diefer Beseitigung und Ausgleihung wollen wir in der Budgets kommiffion mitarbeiten, und es ist unsere ehrlihe Ueberzeugung, wenn wix sagen, wir lassen uns in dem berechtigten Wohlwollen für unsere tüchtigen und kräftigen Postbeamten von keiner anderen Partei in den Schatten stellen. Wir werden die berehtigten, die begründeten Wünsche dieser Beamten zu erfüllen suchen, soweit fie irgend mit den Zwecken der Verwaltung und mit den Gesamtinteressen ver- einbar sind.

Abg. Hub rich (fortschr. Volksp): Ih will mich mehr mit deu Einzelheiten beschäftigen. Gewiß ist es in diesem Hause nicht angenehm, immer zu wiederholen, was schon gesagt ist, die Ursache der Wiederholungen ist aber, daß die Regierung die Mißstände nicht beseitigt, die hier dauernd zur Sprache gebracht werden, sodaß immer daóselbe gesagt werden muß, bis die Mißstände beseitigt sind. Jch sche davon- ab, Ausführungen großzügiger Ärt zu machen. Die Denk- [chrift gipfelt in dem Saße: Die Organisation der Beamten ent- spricht den Bedürfnissen des Dienstes und hat sich bewährt, eine Aenderung ist nicht in Aussicht genommen. Die Resolution des Reichstags jagte -aber geráde das MGegenteil. „Die anderweite“ YVrganisation ist hier gleïhbedeutend mit „cine anderweite“ Organi- fation, sodaß die Postverwaltung unserem Wunsche nicht vollkommen entsprochen hat. Wenn die Auslegung des Abg. Oertel richtig wäre, so hâtte die Postverwaltung noch immer die Pflicht gehabt, den Sinn der MNesolution zu ermitteln und danah zu verfahren. Tatsächlich hat der Reichstag eine Denkschrift über „eine“ anderweite Organisa- tion verlangt; zu einer Denkschrift über die bestehende Organisation lag keinerlei Veranlassung vor. Die Denkschrift entwidelt keinen

neuen Gedanken, ihre Scheu davor geht so weit, daß sie ganze Säße

aus den früheren Denkschriften von 1909 und sogar von 1906 wört- lich abschreibt. Die Denkschrift is carakteristisch nur durch das, was sie weise verschweigt; sie geht auf die eigentlihe Personal- organisation mit keinem Worte ein. Deren Aenderung ist aber un- erläßlich, wenn den so außerordentlih gestiegenen Anforderungen an die Beamtenschaft genügt werden soll. Daß die Personalorganisation von 1900 den dienstlichen Bedürfnissen entspricht, it kein Beweis für ihre Unfehlbarkeit. Wie diese Ordnung auf die Beamten wirkt, welchen Einfluß sie auf ihre soziale Stellung übt, ob sie Unzufrieden- heit erregt hat, darum kümmert sich die Denkschrift nicht: quod non est in actis, non est in mundo. SGdließlih ist doch auch das Personal ein entsprehender Faktor. Dieses Personal ist in der über- wiegendsten Mehrheit der entgegengeseßten Ueberzeugung; danach hat sich die gegenwärtige Personalordnung durchaus nicht bewährt und hat im Gegenteil bei Jung und Alt eine tiefgehende Erbitterung und Er- regung erzeugt. Die Postverwaltung muß davon Kenntnis haben, sie seßt sich eben mit shönem Gleichmut darüber hinweg. Die eigeut- liche Ursache der Unzufriedenheit der mittleren und unteren Post- beamten liegt darin, daß die Postverwaltung scit mehr als 30 Jahren das preußische Gehalts- und das postalische Personalsystem, also zwei nichl zusammenpassende Systeme zum Nachteil der Beamtenschaft ver- foppelt hat. Die Postverwaltung wird sih entschließen müssen, neben dem preußischen Gehaltssystem auch das preußische Organisatiens- \ystem in bezug auf Annahme und Anstellung der Beamten für ihre Beamten zu adoptieren. Die Organisation von 1871 unterschied nur eine niedere und eine böbere Laufbahn; Generalpostmeister Stephan hielt daran mit zärtlicher Liebe bis zu seinem Tode fest. Mittlere Beamtenstellen wurden massenhaft mit Anwärtern der höheren Laufbahn beseßt; hier liegt die erste und wichtigste Ursache für die Ueberfüllung der höheréèn Karriere. Troßdem seit 1898 kein

Anwärter der höheren Laufbahn mehr nah diesem System ange- nommen wird, dauert es nah der Denkschrift bis 1920, che der lekte Anwärter der höheren Laufbahn aus jener Zeit in eine feste Stelle mit 2500 4 Gehalt einrüuckt! Noch shädlicher wirkte dieses System auf diejenigen, die sih der niederen Laufbahn gewidmet hatten, weil bei ihnen {hon mit einigen 20 Jahren jeder Anreiz zum Weiterstreben fortfiel. Entgegen der Behauptung der Denk- chrift stelle ih fest, daß die verschiedenen Resolutionen des Reichs- tages aus den 90er Jahren ganz allgemein und ohne Unterschied die Zu- lassungder Assistenten zuden Sekretärprüfungen verlangten. Die Personal- ordnung von 1900, die von dem früheren Staatssekretär von Podbielski herrührt, die ih selbstdamals in der „Postzeitung“ freudigbegrüßte, nähert sich ‘der preußischen Perfonalordnung nux sehr unvollkommen; sie gestaltete die höhere Laufbahn um und {uf die Möglichkeit einer mittleren Laufbahn. Eine völlige Gleichstellung der mittleren Post- beamten mit den mittleren preußischen Beamten hat auch die neue Besoldungsordnung nicht gebraht. Jn erster Linie entsprechen die Anforderungen für den Eintritt in die Postverwaltung auch jeßt noch nicht denen bei den preußishen Behörden. Die Postverwaltung fordert nur die Reise für Untersekunda, anstatt die von Obersekunda für die preußishen Beamten. In Wirklichkeit besißen aber fast 90 % der Postbeamten das Cinjährigenzeugnis oder fogar eine böbere Bildung. Der frühere Staatssekretär von Podbielski hat dies da- mit begründet, daß die Schulverhältnisse im Deuischen Reiche nicht überall gleich seien und vielleiht ein Mangel an geeigneten Be- werbern eintreten könne. Nun sind aber die Bestimmungen zur Erlangung des Einjährigenzeugnisses im Deutschen Neiche überall dieselben. Außerdem gibt es wohl keinen Beruf mehr, dem es an genügenden Bewerbern fehlt. (G8 liegt also kein Grund vor, für Die E Baaabin eine geringere Vorbildung zu fordern. Der eigent- liche Grund ist aber wohl nur der, um unter Hinweis guf die ge-

ringeren Ansprüche die Gleichstellung mit den preußishen Beamten zurückweisen zu können. Cine Probe dazu bietet ja {hon die Be- gründung der Besoldungsordnung von 1909. Der zweite Beschwerdez punkt ijt die Festseßung der Vorbereitungszeit auf 4, anstatt wie in Preußen auf 3 Jahre. Da die Anwärter keinen Anspruch auf Beschäftigung gegen Entgelt haben, so ist die Vorbereitungszeit der mittleren Postbeamten unter Umständen viel fkostspieliger als die der preußishen. Die längére ‘Vorbereitungszeit hat dann noch den Nachteil, daß die Postbeamten im Dienstalter ein Jahr zurü sind und auf das Höchstgehalt soviel länger warten müssen. Didurh ist das eine Schuljahr doch reihlich genug aufgewogen. Jn Preußen hat man nur eine Prüfung, die zu allen Slellen berechtigt. Die Prüfung nah vierjähriger Ausbildungszeit berechtigt die Post- beamten nur zur Einnahme einer Assistentenstelle. Für die Sekre= tärstelle muß ein neues Examen gemacht werden, und zwar erst nach 10 Jahren. Das i} bei keiner anderen Behörde der Fall. Man benußt dies als Regulierklappe, um einzelne Elemente von der höheren Karriere zurückEhalten zu können. Dann gibt es noch Prüfungen zum Obersekretär und zum Postmeister. Der vierte und wesentlichste Beschwerdepunkt ist, daß die Zahl der Eingangsstellen in keinem Verhältnis zu den Beförderungsstellen steht. Dieses Ver- hältnis hat sih in den leßten Jahren immer ungünstiger gestaltet, indem sechsmal mehr Eingangs- als Beförderungsstellen geschaffen wurden, und ein großer Teil dieser wenigen ist noch auf viele Jahre hinaus mit Bewerbern um höhere Stellen besetzt. Jm Jahre 1918 werden auf die 60000 etatmäßigen Assistentensteleg höchstens 8500 Beförderungsstellen fommen. In Preußen find dg- gegen mehr Beförderungs- als Eingangsstellen ‘vorhanden. Bei keiner Behorde sind auch die Besoldungsverhältnisse der mittleren Beamten so ungünstig wie bei der Post. Die Zahl der Obersekretäre und Sekrétäre ist außerdem viel zu gering, troßdem genügend Anwärter vorhanden sind. Dazu kommt, daß die geprüften Sekretäre noch cine ganze Zeit lang Assijtenten bleiben müssen, ehe sie in eine Sekretär- stelle einrüden können. Jhre Befähigung zum Dienst haben sie doch lange erwiesen. Man will eben auf Kosten der Beamten Ueber- \cbhüsse machen. Darauf läuft überhaupt die ganze Tendenz der Denkschrift hinaus. Jhr A und 0 ist, wie kann der Betrieb dur Ersparnis an Personal verbilligt werden, und das troß der enormen Steigerung der Leistungen und Einführung neuer Geschäftszweige, Die höhere Beamtenschaft ist in Sorge, wie für die jüngeren Be- amten ausreichende Verhältnisse geschaffen werden können. Die Denkschrift malt {on die Umwandlung höherer Stellen in mittlere an die Wand. Damit tritt natürli dann eine \{lechtere Be- zahlung ein. Eine Umwandlung höherer Stellen in mittlere ist an sich ja nicht zu beanstanden. Das liegt in der Neuordnung des Dienstes und den Ausbildungsvorschriften für die höheren Beanmiten. Aber man darf doch die jeßt vorhandene Beamtenschaft niht schädi- gen. Das steht auch im Widerspruh mit dem, was man den Be- treffenden bei ihrer Annahme versprochen bat. Angesichts der höheren Anforderungen müßte man die Beamten böher besolden. Aber die Vestrebungen der Postverwaltung bewegen stch anscheinend in um gekehrter Richtung. Die Tendenz der Postverwaltung geht dahin, den geringer besoldeten Sekretären die Arbeiten der Obersekretäre und den minderbesoldeten Assistenten die Arbeiten der Sekretäre zu übertragen. Die vielleicht am meisten berechtigte Klage der Assistenten ist die, daß die Schwierigkeit und Verantwortlichkeit ihrer Stellung immer mehr wächst und daß die Bedingungen zur Erreichung der Sckretärstellen erschwert werden, ohne daß ihre Stellung an Rang und Gehalt gebessert wird. So hat man den Assistenten fogar den Titel Oberassistent genommen und sie gewissermaßen degradiert. Leider hat die Oeffentlichkeit von der großen Berantwortlichkeit der mittleren Postbeamten keine Kenntnis. Die Postverwaltung stellt viel größere Ansprüche an die Tätigkeit ihrer Beamten als die meisten anderen Verwaltungen, sie zieht aber niht die Konsequenzen daraus hinsichtlich der Besoldung. In der Denkschrift ist u. a. angegeben, daß die Anforderungen an die höheren Beamten gestiegen scien, daß aber die Anforderungen an die mittleren Beamten ständig größer werden, davon sagt die Denkschrift nihts. Jn keiner anderen Ver- waltung wird von den Assistenten eine solche umfassende Schulbildung und Fachbildung gefordert wie in der Postverwaltung. Aber in den anderen Verwaltungen, z. B. in der Eisenbahn- und Zollver- waltung, wird für die Besoldung der Assistenten in ganz anderer Weise gesorgt. Das Mindeste, was verlangt werden muß, ist die Erhöhung der Assistentengehälter, wenn man den Assistenten nicht die Lust und Liebe am Berufe verderben will. Das Wohlwollen der Verwaltung für die Beamten ist dankbar anzuerkennen, aber wir müssen wünschen, daß sie die Hoffnungen vieler [{lecht bezahlten Be- amten, namentlih der Schaffner und Briefträger, endlih erfüllt.

Abg. Freiherr von Gamp-Massaunen (Np.): Wenn man sich die Verhandlungen der Budgetkommission ansieht, so kann man wohl sagen, daß die Denkschrift den Erwartungen der Kommission nit vollständig entspricht, Wir hatten gehofft, es würden nach den Aeußerungen in der Fachpresse und in den Postbeamtenvereinigungen au von seiten der Postverwaltung diese ganzen Verhältnisse in einer Weise beleuhtet werden, daß man endlich einmal ein objektives Urteil über diese Verhältnisse würde fällen können. Jh will der Denkschrift keinetwegs vorwerfen, daß sie uns über nichts aufgeklärt hätte. Im Gegenteil, ich erkenne an, daß manche Punkte richtig beleuchtet und bebandelt sind, aber in ciner so aphoristishen Weise, daß erst ein Studium der ganzen Vorgänge notwendig ist, um das zu verstehen, was die Deénk- christ sagt. Die Landbriefträger haben ein Anfangsgehalt von 1100 6. Hier trifft den MNeichstag eine s{chwere Schuld. Früher haiten die Unterbeamten in den teuereren Gegenden durch die Stellenzulagen eien gewissen Ausgleich. Das yaßte dem Netchstage nicht. Er hat das wiederholt montiert und ge- wünscht, daß alle Beamten einheitliche Gehaltssäße bekommen. Das war für diese Unterbeamten ein sehr s{werer Schlag. Cin Unterbeamter in Dortmund kann unmöglih mit einem Anfangsgehalt von 1100 auskommen. Auch der Wohnungegeldzushußz bietet einen Ausgleich) für diese kolossalen Preisdifferenzen niht, denn nidt nur die Wohnungen, fondern die ganze Lebenshaltung is in den einzelnen Gegenden verschieden teuer. Ich finde es auch nicht ganz rihtig, daß die Landbriefträger s{lechter behandelt werden als die Beamten der Schaffnerklafse. Gerade die Landbriefträger haben einen schr {weren Dienst, fie müssen bei Wind und Wetter 6 bis 8 Stunden Dienst tun und bekommen doch er- heblih weniger als die Schaffner. Eine sehr große Ver- besserung ist den Unterbeamten durh n ns der gehobenen Stellen geboten worden. Was dic Assistenten betrifft, so kann dar- über kein Zweifel fein, daß die frühere Postverwaltung einen großen Fehler in bezug auf die Einberufung der Beamten gemacht hat, und zwar hat sie so viel einberufen, daß sie genôötigt war, die für die mittleren Beamten vorgesehenen Stellen den höheren Beamten zu überweisen. Der, Staatssekretär ist ja jeßt etwas vorsihtiger geworden mit der Einberufung der Anwärter für den höheren Dienst. Die Denkschrift sagt mit Recht , daß die Uebertragung von Arbeiten an Unterbeamte eine Ein- schränkung bei den mittleren Beamten zur Folge haben wird. Der Vorredner wird einräumen müssen, daß jet eine größe Anzahl von Assistenten mit minderwertigen Arbeiten be- \häftigt wird, die sehr wohl von weibliGßem Personal oder von gehobenen Unterbeamten bejorgt werden könnten. Bei der Elsenbahn geschieht dies {on jeßt. Will ih dort eine Depesche aufgeben, ‘so nimmt fie mir der Unterbeamte ab und expediert sie. Wenn nun mit der Zeit eine weitere Einschränkung des mittleren Beamtenpersonals eintritt, dann kommt der Zeitpunkt, wo die Verwaltung etne organifatorishe Aenderung vornehmen muß Wenn es in der Denkschrift heißt, daß die Eigenart der Post- und Telegraphenverwaltung krinen Naum biete, zwischen die Sekretäre und die Assistenten noch eine Beamtenstufe einzuschieben, so ist das doch wohl nit die Art, wie man einen Wunsch des Reichstags erledigt. Jh halte diese Auffassung überhaupt für unrichtig; die Verhältnisse bei der Post bedingen eine solhe Zwischenstufe durchaus. Wenn von den 37000 Postassistenten künftig 12000 als fortfallend bezeichnet

werden, fo könnten 9000 Dberassistenten und Vorstehern von Post- ämtern dritter Klässe ein Gehalt von 4000 1 gegeben werden. Ich will den Postassistenten niht zu nahe treten, aber es ist doch nit in Abrede zu stellen, daß ihre Leistungen sehr verschieden- wertig sind. Bildung und Leistungsfähigkeit sind verschieden. Die Vermehrung der Zahl der gebobenen Unterbeamten um 6000 auf 24 000 würde eine ganz wesentliche Verbesserung der Chancen der Unterbeamten darstellen. Alles in allem hat die Denkschrift große Enttäuschung_ gebraht. Auch wir müssen wünschen, daß diese lange \{hwebenden ¿Fragen endlich zum Abschluß kommen, und zwar gesetz- lich, wenn auch die Ausführung bis dahin hinausgeschoben werden muß, daß die Verminderung der Affsistentenstellen erfolgt ist. Die Postverwaltung hält leider an der Idee einer eigenen Karriere fest im Gegensaß zu anderen Verwaltungen, die, wte die Eisenbahn- und die Steuerverwaltung, nie daran gedacht haben. Ganz besondere Bedenken müssen die Bedingungen für den Bildungsgang zur höheren Karriere erwecken. Man täuscht ih sehr, wenn man annimmt, die Postassessoren würden \päter ebenso bewertet werden wie die Megierungsassessoren. Die Eisenbahnassessoren wie die Steuerassessoren werden lange Jahre in mittleren Beamten- stellen belassen; das will die Pojtverwaltung für ihte / Post- assessoren in Zukunft nicht mehr. Sie macht sich damit von diesen bewährten Vorbildern los. Große Bedeutung hat die Frage der Fürsorge für unsere gedienten Unteroffiziere; diesên gibt man Steine stati Brot, wenn man ihnen den Zivilverforgungs hein in die Hand drüdckt, aber nicht Sorge trägt, taß fie auch eine Zivilstelle finden. Welche Arbeit is gaufzuwenden, welche Hoffnungen werden getäuscht, wie lange müssen die Leute warten, bis sie eine zusagende Stelle finden! Wie fehr würde das Fortkommen der Militäranwärter sich bessern, wenn man ihnen gewisse Stellen in der Postverwaltung allein überließe! Jeßt müssen fie sich für alle möglichen Berufszweige vorbereiten.

Auch die penfionierten Offiziere sollten in der Postverwaltung in größerem Maße Unterkunft finden. Die Postverwaltung hat daran überhaupt nicht gedacht, soust hätte fie längst auf Vermehrung der 132 Stellen dringen müssen, welche den Offizieren in den alten Provinzen vorbehalten sind. (Zuruf cines Kommissars.) Das ist ja sehr erfreulich zu hören, daß die Poflverwaltung dazu bereit ist, wenn fich genügend Bewerber melden; nur müßten dann die Gehaltsverhältnisse auch entsprechend verbessert werden. In einer eihe von Detailfragen kann ih dem Vorredner zustimmen. Auch ich halte die vierjährige Ausbildungszeit für viel zu lang. Die Postdamen werden nur zwei Monate lang ausgebildet. Schon 2 Jahre, allerböchstens aber 3 Jahre sind völlig genügend. Viele Beamte befinden sih auch an Orten, wo sie die Vorbereitungs- und BVildungsmittel für die Cramina gar nicht zur Verfügung haben. Ich hoffe, daß die Kommission eine Lösung bringen wird, die die freud- lose Zukunft namentlich der Assistenten wenigstens etwas er- leuhtet. Der ganze Reichstag wird alles tun, um dieses Ziel zu

erreichen.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke :

Meine Herren! Nachdem die Vertreter der einzelnen Parteicn sich zu der Denkschrift geäußert haben, möchte ih zunächst meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß fast alle ihre Wertshäßung der Postbeamten bekundet und #ch über die Wahrnehmung des Dienstes anerkennend ausgesprochen haben. Das entspriht vollständig meiner Auffassung, und ih freue mich darüber, daß den braven Beamten

au) vom Neichstag dies hier öffentlih zuerkannt wird.

Sodann möchte ich den Herren Rednern für die zurüchaltende Kritik danken, die sie betreffs der Denkschrift hier geübt haben. Ich behalte mir vor und glaube, daß das auch den Wünschen des hohen Hauses entspricht —, auf die einzelnen Anregungen, Urteile und Angriffe in der Kommission des näheren einzugehen. Nur gegen einzelne Aeußerungen muß ih mich gleich wenden, und zwar gegen Aeußerungen, die der Herr Abgeordnete für Heidelberg tn seiner temperamentvolleèn Art möchte ih sagen hier getan hat.

Wenn er von Mißständen spricht, die obwalten, wenn er sagt, daß die Beamten zu ihrem Necht kommen müssen, so kann ih weder anerkennen, daß Mißstände bestehen, noch, daß nicht alle Beamte zu ihrem Nechte kämen. Was insbesondere das Avancement der Assistenten betrifft, so möhte ih den Herren sagen, daß die etats- mäßige Anstellung als Assistent im Dur(schnitt nah 51 Jahren nach der Assistentenprüfung erfolgt, in einem Lebensalter von 26 bis 27 Jahren, die Beförderung zum etatsmäßigen Sekretär jeßt durhshnittlich 2 Jabre §8 Monate nah dem Examen, also in einem Alter von 31 bis 33 Jahren. Ich kann diese Art der Be- förderung nit als ungünstig ansehen und kann am allerwenigsten zu- geben, daß hier Mißstände obwalten. (Sehr richtig! rechts.) Wenn die Herren ganz ehrlich die Verhältnisse bei der Post mit denen in anderen Berufen vergleichen, und wenn Sie in Betracht ziehen, welche Anforderungen wir im Vergleih zu anderen Berufen an die Shul- bildung der Anwärter stellen, dann werden Sie zugeben müssen, daß die Beamten bei uns nicht ungünstig stehen, und daß es falsch ift,

ivenn immer gefagt wird, die Karriere sei \{lecht.

Ih möchte noch hinzufügen, daß die Weiterbeförderung zum Obersekretär gegenwärtig 54 Jahre nach der Anstellung als Sekretär erfolgt, also in einem Alter von 38 bis 40 Jahren. Das kann do auch nur als eine gute Beförderung angesehen werden. Die Beförderungs8zeiten sind günstiger, als sie früher ‘bei der Eleven- gruppe waren, an die viel größere Anforderungen bezüglih der Schul- bildung gestellt wurden.

Ich muß ferner die Kritik der Verwaltung seitens des Herrn Abgeordneten für Oberbarnim als eine ganz unzulässige bezeichnen, und zwar muß ih mi besonders dagegen verwahren, wenn er aus- spricht, es läge Methode darin, die Beamten als mit weniger Bildung ausgestattet darzustellen, àls es in Wirklichkeit wäre, und daß man mit Behagen und mit Wollust in der Denkschrift hervorhebe, wie gering die Anforderungen an die Bildung der Zivilanwärter vor dem Jahre 1900 gewesen seien. Es ist in der Denkschrift nichts anderes angegeben, als was der Wahrheit entspricht, und die Reichs- postverwaltung hält sich für verpflihtet, wenn der Neichstag Denk- riften fordert, in diesen Denkschriften klar und wahr den Sachver- halt anzugeben. (Sehr richtig! rechts.) Es wäre ganz ungerecht- fertigt, wollte man irgend etwas vershleiern: Es ist nichts zu ver- s{hleiern. Daber protestiere ih gegen eine solche Art der Kritik, daß die Verwaltung mit Behagen und mit Wollust derartige Schilde- Tungen gibt. (Bravo! rets.) :

Wenn ferner der Herr Abg. Hubrich si darüber beklagte, daß sich die Denkschrift niht genügend mit den Wünschen der Be- amtèn beschäftige und diesen Wünschen niht Rehnung trage und einige andere Herren haben das au gesagt, \o geschieht das aus dem einfachen Grunde, weil diese Wünsche nicht erfüllbar find. Wir haben dies kTlargelegt. Wie vorsichtig man in dem Urteil über folche Wünsche setn muß, das wird Ihnen ja der Herr Abgeordnete für Oberbarnkim, der diesen Verhältnissen näher steht, bestätigen können.

Er hat Ihnen foecben selbst gesagt, in dem ersten Freudenraush wäre die Jubelhymne auf die Reform von 1900 losgelassen, und er sei

felbst der Verfasser. Ja, er ist ‘der Nedakteur der „Verbandszeitung“ gewesen. Der Herr Abgeordnete hat im weiteren zwei Vorwürfe erhoben.

Gs wird der Verwaltung gesagt: du hast es ja den Anwärtern der früheren Karriere, alfo den vor 1900 eingetretenen durch Auferlegung cines schweren Examens unmöglich gemacht, in diese bessere Stellung hineinzukommen. Wenn Sie nun einmal lesen, wie die Beamten selbst urteilen, so finden Sie im Jahre 1897, also bevor wir diese Reform vorgenommen haben, in der Verbandszeitung folgendes :

Als ungefährlichster und zielsicherster Weg bleibt nur die Aus- lese der Tüchtigsten dur das Sieb eines angemessenen {weren Cxamens. (Hört! hört! rechts.) Dieses darf in bezug auf Schwierigkeit keineswegs hinter der jeßigen Sekretäryrüfung zurüc- stehen, eher könnte es ausgedehnt werden auf die Grundsätze der Staatêsrehts-, Verwaltungs- und der Volkswirtschaftslehre.

So ist 1897 geschrieben.

Nun hat der Herr Abgeordnete für Oberbarnim gesagt, es wäre der erste Rausch gewesen, in dem die Jubelhymne angestimmt worden sei, man hätte aber bald erkannt, daß die Verhältnisse do nicht so günstige wären. Ja, meine Herren, ih muß Jhnen noch etwas vor- lesen. Im Jahre 1903, nachdem nun drei Jahre nah der Jubel, bymne vergangen waren, {reibt dieselbe Berbandszeitung :

Die Zulassung zur Sekretärprüfung ist von Anfang an ein Haupt- punkt unserer Verbandsbestrebungen gewesen. Nach der Bedeutung, welche gerade der Erreichung dieses Zieles von allen Seiten bei- gemessen worden ist, hätte man annehmen dürfen, daß von dem heißersehnten und nun endlich glücklich erstrittenen Nechte, die Se- kretärprüfung abzulegen, von wenigen begründeten Ausnahmen ab- gesehen, alle Assistenten und Postverwalter Gebrauch machen würden. Diese Erwartung hat ih jedo nicht erfüllt, denn nur ein fehr geringer Bruchteil der Kollegen ist an das Examen über- haupt herangegangen, viele, schr viele davon sind vor den An- strengungen und Mühen, welche mit der Borbereitung zur Prüfung

verbunden sind, zurüdckgeschreckt, als fe bei der Arbeit gewahr |

wurden, wie weitschihtig das zu bewältigende Material ist. Wenige nur haben Mut und Ausdauer genug besessen, sich dem Examen zu unterziehen. .. Die meisten baben sich vor der Ablegung der Prü- fung unter allerlei Ausflüchten vor sh und anderen cinfach getrückt. Die Gründe, die man zu hören bekommt, wenn man diesem oder jenem Kollegen die Ablegung der Sekretärprüfung empfiehlt, find fast immer dieselben.“ Es heißt: ih bin zu alt, es hat für mich keinen Zweck mehr . .. Bei gewissenhafter Selbstprüfung wird so mancher doch wohl bekennen müssen, daß alles dies keine stichhaltigen Gründe, sondern nur Ausreden sind, mit denen er seine Nachlässigkeit und Bequemlichkeit zu ents{huldigen sucht.

Ja, meine Herren, wenn Sie nun in der Verbandszeitung, also in der Zeitung der großen Organisation der Assistenten, dies lesen und dann hören, daß hier der Vorwurf erhoben wird, die Verwaltung nuße das Examen aus, um die Beamten dur(fallen zu lassen, und das Examen set viel zu \{wer, dann muß man doch wirkli den Kopf shütteln und sagen: wo kommt der Mut her, so etwas zu behaupten ?

Nun ist gesagt worden, das sei im Jubelrausch ges{Gehen. Ja, meine Herren, ih möchte damit schließen, daß im Jahre 1904, also vier Jahre nah dem Jubelrausch, als auf Wunsch der Assistenten den älteren Assistenten der Titel Oberassisffent wieder beigelegt wurde, dasselbe Blatt, das Verband8organ, ih weiß nicht, ob ter Ver- fasser der Jubelhymne vielleicht au dieser Erklärung nahesteht geschrieben hat :

In sinniger Weise hat uns der Herr Staats\ekretär des Neichs- postamts die restlose Erfüllung aller unserer berechtigten Wünsche auf dem Gebtete des Titelwesens als Präsent auf den, Wethnachts tisch gelegt.

Also das war die Titelsache

Die Negelung der Titelfrage bildet für uns Assistenten das Schlußstück in dem 1900 begonnenen Neubau des Per- sonalwesens; und jeßt, da wir das gesamte Werk überschauen können, drängt es uns, mit dem {huldigen Danke gegen die Bauherren auszusprechen, daß er nicht allein in der Außenfassade, fondern au an Wohnlichkeit unser altes abgebrochenes Gebäude bet weitem überflügelt und uns Bewegungsfreiheit, Luft und Licht in ausreihendem Maße gewährt.

(Hört! hört! rets.)

Meine Herren, die Ansichten können ja sehr verschieden sein. Ich habe Ihnen das auch nur zu dem Zwecke vorgelesen, damit die Herren sehen, wie die Ansichten auch in den Kreisen, die beteiligt find, wechseln, und wie man bei Organisationen und Reformen sehr vorsichtig fein muß. Einzelne der Herren Abgeordneten haben das ja auch selbst {hon bekundet. Man darf solhe Reformen nicht etwa vor- nehmen, indem man sagt: sie entsprechen den augenblicklihen Wünschen, und diese Wünsche müssen erfüllt werden. Wenn lediglih dadur Zufriedenheit erreiht werden kann, daß man alle Wünsche erfüllt, ohne Rücksicht darauf, ob man sie für gut oder niht gut hält, dann ist es sehr leiht, Zustimmung zu erzielen; aber der Chef einer Ver- waltung ist verpflichtet, niht bloß seiner Verwaltung, sondern auch diesem hohen Hause gegenüber -offen zu bekennen, was er für fals hält, ohne Nücksiht darauf, ob das allen Wünschen der Beamten ent- spricht oder nicht. ;

Damit möchte ih {ließen und möchte nir vorbehalten, auf die einzelnen Punkte in der Kommission noch weiter einzugehen. (Bei- fall rets.) è

Abg. Dr. Wer ner- Gießen (wirtsch. Vag.): Die- Stimmung der Postbeamten über die Politik der Neichsposlverwaltung ist keincs- wegs so, wie es nach deù Worten des Staatssekretärs den Anschein hat. Wenn auch der Inhalt der: Denkschrift - zweifellos eine demo- kratisierende Tendenz hat, so muß doch gesagt werden, daß in den Kreilen der mittleren und Unterbeamten und -auch unter den oberen Beamten ketne Freude über den Jnhalt der Denkschrift herrs{cht. Der Staatssekretär ist vielleiht doch nicht im der- Lage; über die Wünsche der Béamten fo ünterrichtek zu werden, wie das: den Volks- vertretern möglich ist. Die Denkschrift sagt uns, daß die Beamten eni\prechend thren Fähigkeiten beshäftigt werden, sie gibt aber keinen Aufschluß darüber, .ob die Beamten ihren Fähigkeiten entsprechend bezahlt werden. Die Denkschrift zeigt, daß die Kunst des Sparens iu der Reichspostverwaltung in vollendeter Weise ausgebildet ist. Die höheren Beamten haben |chon seit Jahren eine Besserung ihrer sozialen Stellung erstrebt. Sie haben dem Neichspostamt eine Denkschrift übermittelt, die ihre Forderungen enthält. Diesen Forderungen gegenüber verhält fich die Postverwaltung aber nicht sympathish. Nach der Denkschrift soll die Oberpostpraktikantenklasse vom Jahre 1920 ab ausgestorben sein, und die Stellen der Post:

und Telegrapheninspektoren sollen in folhe der mittleren Be- amten umgewandelt werden. Dadurch werden dic Obersekretäre der Elevenklasse {wer benachteiligt. Vielleicht wäre es doch an- gebracht, daß man diesen Beamten etnen Teil der bezeihneten Stellen vorbebält oder wenigstens den Titel Postinspektor beläßt. Im neuen Etat sind zu wenig Sekretär- und Obersekrelärstellen. Die Postämter dritter Klasse haben si in den vergangenen Jahrzehnten fo sehr entwickelt, daß es angebracht scheint, die Stellung der Post- verwalter zu bessern. Vielleiht würde man den Postverwalteru einen Titel geben, der demjenigen der Eisenbabngütererpeditionsvorsteber entspricht. Die Resolution dcr Budgetkommisñon bedroht die Assistenten in ihrer Eristenz. Die Oberaîsistenteuitelle ift weggefallen. Die aufstrebende Postunterbeamtenschaft ückt nach oben. Dazu tommt diè Konkurrenz der Frauen. Heute werden za. 20 000 Frauen in der Postverwaltung beschäftigt. Die Militäranwärter müssen zurückgedrängt werden, weil nicht genügend Stellen vorhanden find. Diese Frage ist ein Problem unteres Militärstaates und damit des Staatsganzen. Es wird kaum einem einfallen, 12 Jahre zu dienen, wenn er nicht Aussicht hat auf eine entsprehende Staats-

stellung. Bei den Postämtern dritter Klasse sollen in Zukunft Frauen in größerem UÜtnfange in den mittleren Beamtenstellen beschäftigt werden. Dadurch würden die weiblißen Beamten auch Vorgesegte der Unterbeamten werden, was zu unerträglichen Zuständen führen kann. Man sollte auch in der Postverwaltung bessere Beförderungéverhältnisse cinführen, wie dies bei der preußischen Cilenbahnverwaltung der Fall ift. Die großen Uebershüfse der Post verwaltung find nur dadurch möglich, daß die Beamten das heraus- geholt haben, was herauszuholen war. Die Tatsache, daß die Post- verwaltung den Wünschen des Reichstags nah einer anderen Organi- sation nicht genügend Nehnung trägt, wirft ein bedenk- lihes Licht auf die Postverwaltung und auf den Bundesrat. Wenn das so weiter geht, wird tas Vertrauen der Beamten nicht nur zur Postverwaltung, sondern au zum Neichstag \{winden. Auch im Znteresse des Friedens zwischen den etnzelnen Beamtenklassen ist es notwendig, daß die Wünsche der Beamten befriedigt werden. Eine große Hârte besteht darin, daß die unverheirateten Televhonistinnen etnen größeren Wohnungsgeldzushuß bekommen als die gehobenen Unterbeamten. „Man follte doch diese Härten nah Möglichkeit beseitigen. Die Sozialdemokraten haben gut reden. Mit der Ablehnung des Etats wird nichts erreiht. Von {nen Worten

| haben die Beamten nichts zu essen. Man sollte den alten preußischen

Grundsaß durchzuführen suchen: „Jedem das Seine.“

ad, O inde ck (Glf.): Die Stellung des Neichstages zu den Postbeamten ist von jeher einc wohlwollende und entgegentommende gewesen. Namens der Elsaß - Lothringer kann ich erklären, daß wir wünschen, daß die Gehälter der mittleren und unteren Postbeamten [o geregelt werden, wie es der Reichstag wiederholt verlangt hat. Vie BVesoldtungsordnung von 1909 hat nur dazu beigetragen, die Un- zufriedenheit der Postbeamten zu vermehren. Die MNeichspost- verwaltung ist über die Wünsche des Neichstages leihten Hérzens hinweggegangen. Der Bundesrat hat nur die kurze- Antwort gehabt, daß den Beschlüssen des Reichstages feine Folge zu geben sei. Wir wurden es niht billigen, wenn lediglich aus Sparsamkeits- rüctsichten eine vermehrte Einstellung weiblichen Personals er- solate. Dies Vermehrung des Personals im ganzen hat mit der großartigen Entwicklung unserer Volkswirts{haft und unseres Wesltverkehrs nicht gleihen Schritt gehalten. Unsere Postbeamten haben in treuer Pflichterfüllung den alten Ruhm der deutschen Post- verwaltung aufrecht erhalten. Sie dürfen erwarten, daß ste auch an dem finanziellen Segen des Reiches teilnehmen. Wir hoffen, daß die Kommission den Wünschen der Beamten hinsichtlich einer Revision der Befoldungsordnung von 1909 Rechnung trägt.

Abg. Werner - Hersfeld (D. Rfp.): Der Abg. Dr. Ocrtel warnte vor Wiederholungen. Der MNeichstag muß #sch in dieser Frage wiederholen, weil seine alljährlihen Nesolutionen niemals die Zustimmung des Bundesrates finden. Alle Redner haben Organisationéfehler in der Postverwaltung zugegeben und daß eine gewisse Erregung und Unzufriedenheit herrscht.

| Nicht nur dic Unterbeamten sind unzufricden; die höheren beshweren

sich darüber, daß der Affessorizmus in der deutschen Postverwaltung immer mehr Boden gewinnt. Die höberen Beamten baben bei der Gehaltsaufbesserung höhere Gehaltébezüge erhalten, aber diese sind wiederum wettgemaht durch die Verschlechterung der Beförderung. Die höheren Beamten befinden sich vielfa in Stellungen, in denen ne nit sein follten. Auch die Postassistenten befinden sich in einer fehr s{lechten Lage. Früher hatten sie die Möglichkeit, in Beförderungsstellen zu kommen. Ich habe nun eine kurze Anfrage an den Neichékanzler gerichtet, ob ihm bekannt sei, daß in den Kreisen der Zivilpostbeamten eine große Bewegung vorhanden sei und die Besorgnis, daß ihnen die Militär- anwarter vorgezogen werden könnten. IH habe darauf die \criftliche Antwort erhalten, es sei der Postverwaltung bekannt, daß eine folhè Bewegung bestehe. Es sei aber eine Aenderung der Personalordnung weder in der einen noch in der anderen Richtung beabsichtigt. Diese Antwort trifft nicht den Kernpunkt der Sache. Ich wollte wissen, ob die Militäranwärter gegenüber den Zivilanwärtern begünstigt werden sollen oder niht. Nun ift ja den Assistenten die Sekretär= laufbahn eröffnet worden, aber 85 °% dieser pflichttreuen Beamten tónnen überhaupt. niht Sekretäre werden. Mit den gehobenen Ünter- beamten hat man sehr günstige Erfahrungen gemaht. Man sollte dieses Institut noch weiter ausbauen. Hoffentlih fördern die Kom- missionsberatungen Erfreuliches für die Postbeamten zu Tage.

Y —.

Abg. Hubrich (forts{r. Volksy.): Der Staatssekre n. mir gegenuber wiederum auf cinen Aufsaß aus der

l 1 L destens ein halbes Dußend Mal hat er getan, und dex VDentf l Zl N zahlreih in der S zu etner anderen Auffassung gelangen als nach ciner langjährigen I recht, weil sih die Verhältnisse ge-

Postzeitung“ berufen, der nach der Personalordnung von

Icienen ift. Mindefste bereité nkshrift von 1909 hat er den Aufsaß im Wort-

laut einverleibt. Jh vermisse aber insofern die Parität, als der

Staatssekretär die gegenteiligen Stimmen, die

T eutschen Postzeitung“ sich haben vernehmen lassen, niht erwähnt.

Nein theoretisch kann man doch schr leiht über eine Maßnahme

Praxis. Die Erscheinung der Beamtenschaft hat sich seitdem voll-

ständig gewandelt, und mit N

wandelt haben. Der Wandel der Erscheinungen ist allerdings erst in

neuerer Zeit so scharf in die Erscheinung getreten, entsprechend ge» wissen Maßnahmen Der Verwal una, welche die Beamten ganz bez Jonders Ntußig machen mußten. Wenn dér Staatssekretär meine Kritik ‘als unzulässig bezeichnet, so betone ih mit aller Entschiedèn- hell, daß es mcht setne Sache ist, darüber zu entscheiden, was hier im Meichstage zulässig und was unzulässig ist; das ist Sache des Präsidenten, der ketnen Anlaß gefunden hat, dieje Kritif zu rugètit. Auch durch die allerschärfsten Angriffe seitens des Staatssekretärs werde ich mi nicht irre machen lassen in meinem Bemühen, für did Befsserstellung der: Postbeamtenschaft einzutreten.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Nur wentge Worte! Ich muß es nach wie vorx als unzulässig bezeichnen (nanu! links) jawohl, meine Herren —, daß ein Abgeordneter die Verwaltung hier öffentlich verdächtigt, sie gebrauche unerlaubie Mittel, um etwas Falsches vorzuspiegeln. Solche Unterstellung ist niht zulässig. (Lebhafter Widerspruch links.) Wohin soll das führen, wenn ein Abgeordneter hier sagt: die Ver- waltung bringt mit Behagen und Wollust Ungünstlges für die Beamtenschaft zum Ausdru. Das ist nit zulässig. (Lebhafter Widerspru und Zurufe links.) Ja, da gehen die Ansichten aus- einander. Wenn am Sitze des Präsidenten gehört worden wäre, daß es sih darum handelte, so wäre es wohl au nicht für zulässig gehalten worden.

Im weiteren muß ih rihtigstellen, daß niht ih heute zuerst von

ner Jubelhymne in der Verbandszeitung gesprochen habe, \ondera

2 E S i At A T E

res