1913 / 15 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Hägy wird auch wissen, daß Wetterlé zwar seine Vor- tragsreise in Paris aufgehoben hat, er wird aber auch wissen, daß er auch ähnlihe Vorträge in 50 Städten in Frankceih halten will. Der Abg. Dr. Hägy schüttelt mit dem Kopf, aber in den Blättern hat dtese Ankündigung gestanden. Das ist vielleicht nah französisher Art übertrieben. Man muß aber immer damit renen, daß er dies doch tut. Mir kommt es nur an auf das, was er getan hat, und daß er jeßt über deutsche Ver- hältnisse in Frankreich gesprochen hat. Schon das genügt, um die herbe Kritik zu begründen. Ich weiß nicht, wie er das mit der Aufgabe, der Stellung und der Würde eines deutschen Abgeordneten vereinigen kann. Wenn gesagt wird, daß die Angelegenheit Wetterlé nichts mit der elsaß-lothringisheu Verfassung zu tun habe, so bemerke ih demgegen- über, daß nach einer Zeitungsmeldung gestern der Abg. Wettterlé in den Verfassungsaus\chuß- des elsaß-lothringischen Landtages gewählt worden ist. Ich rate dem Abg. Dr. Hägy, seinen Freund Wetterl& dem- nächst einmal zum Frühstück einzuladen und ihm zu sagen: Wenn Du, lieber Freund, Vorträge in Frankreich halten willst, dann fage das, was ih )Dr. Hägy) hier im Neichstage ge!agt habe. Jansdvesondere betone den Satz, daß die Elsässcr keinen deutsch-französishen Krieg mehr wünschen, sondern alles tun wollen, um die Möylichkeit cines folchen Krieges zu bescitigen. Wenn dem Abg. Dr. Hägy dies gelingt, dann ist er meiner Hochachtung für die ganze Zeit feiner parlamentarischen Tätigkeit sicher. Jch verjitehe nicht, wie der Abg. Dr. Weill als Mit- glied des Deutschen Reichstages das hiesige Bureau einer franzö- fischen Zeitung leiten kann, das auf dem Standpunkt des Herrn Jaurès stcht. Vielleiht wird der Abg. Weill sih dazu äußern. Die Privatbeschäftigung eines. Reichstagsabgeordueten geht uns ja uichts an, aber in der jeßigen Zeit das Bureau einer französichen Zeitung zu leiten, das erfordert ein hoh:s Maß von Takt, politischer Klugheit und vaterländishec Gesinnung, das ih dem Abg. Dr. Weill von Herzen wünsche. Was nun den Etat des NReichsamts des Innern betrifft, so hat. der Staatssekretär seinen Etat wiederum geschickt ver- teidigt. Er hat gesagt, daß die Regierung ents{lossen sei, an der be- währten Wirtschastspolitik festzuhalten. Dagegen haben wir nichts einzu- wenden. Aber wir bedauern die Maßnahmen zur Förderung dcr Etnfuhr {remden Fleishes und zur Herabseßung der Fleischzölle, welhe Maß- nahmen mit einer gesunden Wirtschaftspolitik unvereinbar sind. Hier ist die erste Bresche gelegt in die Mauer des Zollshußes, die wir aufrecht erhalten müssen. Der Staatssekretär hat. bei den Vor- bereitungen des Zolltarifs gesagt, daß man an der Arbeit sei, statistische Erhebungen zu veranstalten. Es tut mir leid, daß er nicht mehr sagen konnte. Jch wünsche, daß durh diese Vorbereitungen wieder eine Gemeinschaft zwischen Industrie und Landwirtschaft hec- gestellt werden möge. Ohne eine solhe kommt weder die Industrie noch die Landwirtschaft vorwärts. Diese Gemeinschaft muß aber be- ruhen auf der Gemeinsamfkeit der beiderseitigen Jnteressen. Wir haben die Industrie in allen beträchtlichen Forderungen unterstüßt, obwohl wir oft im Stich gelassen worden sind. Ich wünsche nur dem Staatssekretär, daß er eiwas größere Eutschiezenheit zeigen möge, als wir zuweilen an ihm beobachtet haben. Ich bedauere, daß der Staatssekretär seinerzeit die amerikanischen Unfreundlichkeiten nicht mit größerer Gnergie beantwortet hat. Bezüg- lih der sozialpolitischen Gesetzgebung bemerke ih, daß aller Arbeiter- {uy den Arbeitern nichts nüßzt, wenn die Arbeiter von ihrer Arbeits- stätte gctrieben werden. Deshalb stehen unsere Forderungen betreffs des Streikpostenverbots mit der Sozialpolitik in innerer Berührung Wir wollen die Arbeitswilligen nach Möglichkeit {ütßen, daß sie niht von ihrer Arbeitsstätte getrieben werden, damit ihnen die Möglichkeit bleibt, für #\ch unddie JIhrigen zu arbeiten. Es ift uns nicht darum zu tun, die Koalitionsfretiheit zu beeinträchtigen, wir wollen nur den Koalitionszwang cinshränken. Wir würden gegen den Terrorismus der Arbeitgeber, soweit er faßbar ist, ebenso auf- treten wie gegen den der Arbeiter. Der Abg. Hoch hat uns beschuldigt, wir hätten nie“ etwas: für den Schuß der Ar- beiter getan,“ wir ständen vollkommen auf der Seite der Arbeitgeber. Das kann der Abg. Hoch nicht aufrecht erhalten. Der Staatsfekretär hat unsere Resolution über das Streikpostenverbot mit freundlichen Worten abgelehnt, da in diesem Hause keine Mehrbeit zu erlangen wäre, denn das Zentrum und die Nationalliberalen hatten fh dagegen ausgesprochen. Ich gebe aber die Hoffnung nit auf, daß diese Parteien sich doch noch vielleiht cines Besseren belehren lassen. Aber au die Herren Fortschrittler haben vielleicht die Güte, auf das Votum des deutschen Handelstages etwas mehr zu hören. Das sind Sachkenner, und zwar größere als der Abg. Dr. Müller-Meiningen. Jch möchte den Herren gerade den deutschen Handelstag zur besonderen Beachtung empfehlen. Der Abg. Dr. Müller weiß ja, welche hochverdienten Herren an der Spiße stehen. Der Staatssekretär möge sih das überlegen, denn vielleicht wird seine Behauptung, daß 1m Neichstag keine Mehrheit für unsere Resolution vorhanden sei, demnächst nicht mehr zutreffend sein. Wenn auch keine Mehrheit dafür vorhanden zu sein scheint, hätte die Ne- gierung troßdem die Pflicht, mit einer Vorlage an das Haus heran- zutreten. Ver Staatssekretär sagt * weiter, eine juristt\{ch formulierte Fassung des Begriffes Streikpostenstehen fei \{chwierig. Ja, dem Juristen it alles s{chwierig, das wissen wir alle. Den Begriff zu formulieren, würde vielleiht für cinen Neichs- tagsabgeordneten zu s{chwierig sein, aber nicht für den Staats- sekretär des Innern und für die ihm nachgeordneten sehr be- fähigten fenntnisreihen und fleißigen Näte. Nach dem Staats- sekretär würde das Verbot des Streitpostenstehens ein un- taugl'ches Mittel zur Bekämpfung der Uebel fein, deren Vor- handensein der Staatssekretär mit uns anerkennt. Das Verbot des Streikpostenstehens soll nah unserer Meinung nur der Unufang fein das haben wir nie geleugnet —, um einen besseren Schulz der Arbeitswilligen gegen den Koalitionszwang herbeizuführen. Der Staats- fekretär sagt, eine Besserung könne nur durch eine systematische Aende- rung des Strafgeseßbuches herbeigeführt werden. So lange können wir aber niht warten, denn 1917 soll der früheste Termin der Fertigstellung desselben sein, nah anderen Nachrichten sogar 1922. Die Klagen werden immer lebhafter werden und die Auffassung wird immer mehr im Volke durchdringen, daß die Negierung nicht die Macht hat, der Sozialdemokratie entgegenzutreten. Der Staatssekretär hat ih auf das Nußhrrevier berufen. Damit hat er sih auf cin gefährliches Gebiet begeben. Er hat gesagt, die Vorgänge häiten den Beweis geliefert, daß eine Verschärfung der Geseßgebung nicht nötig sei. Am Schlusse sagte er aber, gerade aus dem Nuhrrevter sind uns die größten Klagen zugeganaen, ganze Säcke von Depeschen sind uns auf den Schreih- tis geflogen. Daraus kann man nur den Sch{luß ziehen, daß eine scharfe Durchführung der Gejeße nötig ist. Wir wollen das Gesetz so formulieren, daß eine laxe Handhabung ausaeshlossen ist. Meine politischen Freunde haben die Ausführungen des Staatssekretärs besonders bedauert, weil fie uns leider den unverwishbaren (Eindruck machen, daß der Staatsfekretär und der Reichskanzler in dem un- vermecidlihen Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht den erforderlichen Mut haben. Die väterlihen Ermahnungen des Staatssekretärs an die Sozialdemokraten verfangen niht. Das - haben Sie an dem Lachen der Herren bemerkt. Die *Mittelstandspolitik ist auch ein Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie. Dhne Miitelstandspolitik find die schärfsten Abwehrmaßreaeln wert- los. Der Abg. Hoch hat uns vorgeworfen, wir hätten den Handwerkern nur Versprehungen gemacht. Mehr als An- träge einbringen und Neden halten können Sie auh nicht. Sie . versprehen ja, daß der Himmel - auf die Erde fomme. Das ist doch auch vorläufig“ unausführbar. Dem Abg. Dr. Werner schließe ih mich in einen Klagen über die Lage der kleinen und mittleren Mühlen an und füge ‘hinzu, daß sich auch die kleinen und mittleren Brauereien infolge der Gesehßz- gebung von 1909 in einer ähnlihen Lage befinden. Es liegt feineswegs im Gang der Entwicklung, daß die Großbetriebe die kleinen tôten, sondern die Riesenmacht des Kapitals ist es, und dieser muß zu Leibe“ acgangen werden. Wir können unsere Staatsordnung nicht aufrechterhalten, wenn wir niht den Mut und die Kraft haben, eine zielbewußte Mittelstandspolitik zu treiben. Ih möchtè ten Staatssekretak bitten, wenn es nötig

ist, in dieser Hinsicht au die goldene Rücksichtslosigkeit anzuwenden, denn sonst sind wir dem Nuin nahe. Sonjst treiben wir Hinein in das uferlose Meer des sozialistishen Zukunftsstaates. Das abzuwehren ist unsere erste Pflicht und diejenige des Staatssekretärs.

Persönlich bemerkt der

Abg. Ir l (Zentr.), daß er nicht gesagt habe, er werde für dic Resolution der Konservativen stimmen.

Abg. Dr. Weill (Soz.) bemerkt persönli, daß er Berliner Korrespondent der „Humanité“ sei, und daß sich diese Tätigkeit mit sciner parlamentarischen verctnen lasse, da gerade die ,„Humanitc*“ für die Verständigung der beiden großen Nationen eintreten würde.

Abg. Dr. Hag y (Elsässer): Der Abg. Dr. Oertel hat mir den Vorwurf gemacht, 1h habe gesagt, daß Wetterlé in seinem Blatte mitgeteilt habe, ex würde noch weitere Vorträge in Frankreich halten. Ich habe dergleichen nicht finden können, im Gegenteil sagte mein Freund Wetterlé, er habe wegen dringender Arbeiten eine große Reihe von Vorträgen nicht halten können, diese würden aber vielleicht von anderer Seite gehalten werden, die dieselben politishen Grund- säße bätte wie er.

Abg. Graf WestarpÞp (dkonf.) stellt im Nahmen ciner persön- lihen Bemerkung fest, daß er während seiner Tätigkeit als Polizei- prâfident niemals Spitel benutzt habe, um auf unrechtmäßige Weise in den Besitz von Nachrichten zu gelangen, und daß et niemals solhe verwertet habe.

Darauf vertagt sih das Haus.

Schluß nach 61/, Uhr. Nächste Sizung Freitag 1 Uhr pünktlich (Abstimmung über Resolutionen ; kleine Anfragen und Fortsezung der heutigen Beratung).

Berichtigung: In dem gestrigen Bericht über die Nede des Abg. von Gräfe (dkon).) muß es heißen: „Den gestern vom Abg. Quarck vorgebrachten „Wunsch der Bäckergesell-en nah Beseitigung oder erheblicher Beschränkung der Nachtarbeit unterstüße ih n i ch t.“

Preußzischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 112. Sißung vom 16. Januar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung von Petitionen.

Eine Petition des Neichsverbandes deutsher Zoll- aufseher, Assistenten und Sekretäre wünscht eine Teuerung8zulage, die Einreihung der Zollaufsehec in die Besoldungéklasse 10 a, ein höheres Wohnungszeld, eine gleihmäßige Aufnahmeprüfung, Stellen- zulagen, Erhöhung des Kleitergeldes, Abschaffung der geheimen Personalakten, Wschung der Strafen nah bestimmter Zeit, Ver- besserung der Verpflegung beim Schiffsbegleitungsdienst, Einrichtung von Wohlfahrtsanstalten, Verbesserung der Zolldiensträume.

Die Budgetkommission, Berichterstatter Schmedding (Zentr.), beantragt, die leßten drei Wünsche der Regierung als Peaterial zu überweisen, über die übrigen zur Tagesordnung über- zugehen. (In derselben Petition findet ch auch noch der Wunsch nah Abschaffung der Arréeststrafen ausgesprochen; dieser Teil. der Petition ist bereits in einer früheren Sitzung des Hauses der NRe- gierung zur Berücksichtigung überwiesen worden.)

Eine Petition des Bundes der Militäranwärter und Invaliden derx unteren Beamten Deutschlands wünscht Anstellung der Unterbeamten auf Lebenszeit, Erreichung des Höchst« gehalts in 15 Jahren, Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses, Schaffüng gehobener Unterbeamtenstellen und Abänderung des § 2 des Befoldung8geseßes.

ierzu beantragt die Budgetkommission durch den Berichterstatter Abg. Wallcnborn (Zentr.) Uebergang zur Tages- ordnung.

Es sprechen über diese Petitionen und die dazu gestellten An- trâge zunächst die Abgg. Göbel (Zentr.), Ströbel (Soz.) und Woll- kowski (fonf.), über deren Aus{ührungen {hon in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist.

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.): Ueber so wichtige Fragen follte die Budgetkommission in Zukunft \{chriftlilhen Bericht erstatten. Der Vorredner ist ja als Zollbeamter sachverständig für die Lage der Zollauffeher. Aber mcin Freund Heine hat {hon im vorigen Jahre diese {Frage in dem gleichen Sinne behandelt, und danach Ffann ich mich heute nur dem Borredner anschließen. Die Folgen des Fortfalls der Stellenzulagen haben sich, wie mein Freund Friedberg hon bei der Etatsberatung ausführte, seinerzeit bei der Besoldungs8ordnung noch nicht übersehen lassen, machen sich aber jeßt sebr bemerkbar. Jch fraz,te damals die Negierung, ob es wirklih erreiht würde, daß jeder Unter- beamte mindestens eine Aufbesserung von 200 /6 erhalten würde. Das wurde von allen Nessortministern bekräftigt. Aber durch das sväter gemachte Geselz über den Wohnungs zeldzushuß wurde dieser Erfolg zum großen Teil wieder beseitigt. Jch habe damals am stärkîten das Gesetz über den Wohnungsgeldzushuß bekämpft und auf die Wirkung der VDcklassierung der Orte für die Unterbeamten hingewiesen. Bei der Besoldungs8ordnung selbst waren aber diese Wirkungen des späteren Wohnunagsgeldaeseßes nicht bekannt. (Widerspruh des Abg. Ströbel.) Daß Herr Ströbek sic damals {on vorausgesehen: hätte, davon ist mir nichts bekannt. Tatsächlich habea die Sozialdemokraten in der ersten Kommissionslesung keine Anträge zur Besoldungs- ordnung gestellt. Und sind denn Herrn Ströbel die ftaats- rehtlihen Bestimmungen der Verfassung nihcht bekannt, daß zu einem Gesey auch die Zustimmung des Herrenhauses und der Krone erforderli it? Wir haben damals immer mit dem Unannehmbar des Finanzministers zu kämpfen gehabt. Es ist sehr billig, zu fagen: wir haben Anträge gestellt, und wenn das Haus diesen zugestimmt hätte, würde die Befoldungs8ordnung besser. geworden sein. Wir mußten überall auf der mittleren Linte bleiben und haben, als die Befoldungsordnung vom Herrenhaus zurüc- kam, mit sehr s{werem Herzen durch Kompromiß manche Anträge fallen lassen müssen, nur um die Aufbesserung für die Unter- beamten durchzubringen. Nur durh dieses Kompromiß wurde die Befsserstellung der Unterbeamten erreiht. Die Sozialdemokratcn lehnen ja den ganzen ‘Etat ab, das ist eine sehr bequeme Art. (Zwischenruf des Abg. Hoffmann.) Das sind ja alles billige Iedens- arten, lassen Sie sich doch zum preußischen Finanzminister machen. Das Mantelgesetz hindert uns jetzt, denn danach dürfen dauernde Zulagen nur dur Geseg gegeben werden. Eine Durchbrehung der Besoldungsordnung würde durchaus nicht unbedenklich sein, weil wir die sämtlichen Besoldungsfragen, und zwar nicht nur für die Unter- beamten, von A bis Z wieder aufrollen würden. Wir müssen auch bedenken, daß noch andere Crwerbsstände da sind, deren Interessen wir berüdcksichtigen müssen. Wir wollen nur die offenbaren Fehler be- seitigen, wie bei den Eifenbahnassistenten. Es wäre aber wohl denkbar, den Unterbeamten prozentuale Zulagen zu geben, ohne die Besoldungs- ordnung zu ändern. Für die Teuerung8zulagen liegt ein einstimmiger Beschluß des Hauses vor, und das ist eine Probe auf das Erempel des Herrn Ströbel, daß wir nur zuzustimmen brauchten, damit etwas er- reiht würde. Der Finanzminister lehnt aber die Teuerungszulagen ab, weil er fürchtet, daß fie zu einer fésten Besoldung übergehen würden. Dieses Bedenken ließe sch nach dem Vorschlag meines Freundes eriedberg dadurch hinwegräumen, daß “die Teuerungszulagen nur auf bestimmte Zeit, vielleicht sechs oder zwölf Monate, und daß sie nicht allen Beamten, fondern vielleicht nur den verheirateten Beamten und mit Abstufung nah der Zahl der Kinder gegeben würden. Im Namen aller meiner Freunde bitte ih den Finanzminister, in dieser Weise feine Bedenken zurückzustellen Das würde Zufrieden- heit in das Land bringen. Das Fortbestehen der geheimen Personalakten, ist auf die Dauer unerträglich. Der Beamte kann un- rihtige Bemerkungen in de Perfonalakten nicht widerlegen,

fennt. Es ist arch nicht nôtig, daß nd{ find: sie * günstig, [9 ani es dem Beamten gesagt werden; sind sie“ ungünstig, so ist es geradezu eine Pflicht, dem Beamten * davon Kenntnis zu geben, damit er sich mehr anstrengen kann. Ich unter- stüße auch den Wunsch auf Löschung der Strafen aus den Akten nah bestimmter Zeit. Beim Militär wird die Disziplinarstrafe {on nah drei Jahren gelös{cht. In den Personalakten der Beamten \{leppt sich aber auch die kleinste Strafe jahrelang hindur. Nicht einverstanden bin ih mit dem Antrage der Kommission auf Ueber: gang zur Tagesordnung bezüglich der Anstellung der Unter- beamten auf Lebenszeit, Es muß einmal die Zeit kommen, wo der Unterbeamte vor der Kündigung ges{hüßt ist. Wenn von der Kündigung nur in den seltensten Fällen Gebrauch gemacht wird, fo ist es um fo unbedenklicher, die Kündigung ganz zu beseitigen. Die mittleren und oberen Beamten werden alle auf Lebenszeit an- estellt und können nur auf dem Disziplinarwege entfernt werden, Nach fünf oder zehn Jahren sollte den Unterbeamten die Anstellung auf Lebenszeit gewährt werden. Wir stimmen dem Antrag des Zentrums auf Ueberweisung zur Berückfichtigung bezüglich des Wunsches nah Teuerungszulagen und nah Abschaffung der geheimen Personalakten zu, und gehen über den Antrag Waldstein axf Ueber- weisung zur Crwägung bezüglih der Forderung der Löschung der Strafen nach bestimmter Zeit und der Anstellung auf Lebenszeit nod) hinaus und beantragen unserseits auch hierfür die Ueberweisung zur Berücksichtigung.

Abg. Dr. Varenhorst (freikons.): Die Sozialdemokcatie ist in keiner Weise legitimiert, anderen Parteien- Vorwürfe zu. mahen. Ich kann auch nur bedauern, daß die Budget- fommission sih gegen die Petitionen ablehnend verhalten hat, und \chlieze mich den weitergehenden Anträgen an. Die andersartige Behandlung der Unterbeamten gegenüber den mittleren und höheren bezügli der Anstellung auf Lebenszeit kann do) dem Beamtencharakter der Unterbeamten überhaupt nur shädlich fein. Die Zollaufseher können tatsächlih mit ihrem Kleidergeld niht ausfommen, das Mindestmaß wären doch wenigstens 120 6. Der Dienst der Zollbeamten ist sehr s{chwer. Was für Arbeit haben sie z. B. bei Einführung des Zolltarifes zu leisten. Dazu kommt dann noch die Mehrbelastung dur die Steuergesetze der Finanzreform. Bei Würdi- gung diefer Tatsache sollte man den Wünschen der Beamten doch möglibst entgegenkommen. :

Abg. Wald stein (fortshr. Volksp.): Der Beschluß der Kom- mission über die Teuerungszuschläge aus Anlaß der Petition der Zoll- beamten steht doch direkt im Widerspruch mit früher gefaßten Beschlüssen in gleicher Angelegenheit. Stände nicht das Ende der Session bevor, dann wäre die Zurückverweisung der Petition an die Kommission am Platze, Die Punkte der Petition, betr. Verpflegung beim Schiffsbegleitungs- dienst, Einrichtung von Wohlfahrtsanstalten und Verbesserung der Zolldiensträume, habe ih beantragt, der Regierung niht als Material, sondern zur Erwägung zu überweisen. Selbslverständlich werden alle weitergehenden Anträge meine und meiner Freunde Unterstüßung finden. Der Forderung der Unterbeamten betreffs lebens- länglicher Anstellung kann ih mich - voll und ganz anshlicßen. Die Beschwerden und Wünsche der Zollaufseher find bisher von der Negierung nicht freundlich geprüft worden. Bei ihnen zeigt ih gerade am auffallendsten die Unzulänglichkeit der Gehalts- und Wohnungêégeldzushüsse. Diese Beamten haben allmählich eine Minderung ihrer Stellung erfahren. Sie waren früher eine Zwischenstufe zwishen Mittel- und Unterbeamten, jeßt hat man sie zu Unterbeamten gemaht. Dazu haben fie einen sehr \chwierigen Dienst, dessen Anforderungen noch immer steigen. Der Dienst mancher mittleren Beamten ist dagegen viel leichter. Schon aus diesem Grunde wäre eine Aufbesserung nötig. Dazu kommt dann noch der ganz unzulängliche Wohnungsögeldzuschuß, der am s{wersten in folhen Zentren wie Altona wirkt. Das Haus rolirde die nötigen Summen sofort bewilligen. Nun wird immer gesagt, die Befoldungsordnung dürfe nicht durchbrohen werden. Jett zeigt sih aber, daß fie tatsahlich niht ausreihte. Deshalb muß man sie eben da durhbrechen, wo es nötig ist. Berechtigt ist felbst- verständlich auch die Forderung auf Erhöhung des Kleidergeldes, ebenso wie auf Gewährung von Stellenzulagen und auf Abschaffung der geheimen Personalakten. Durch letztere ist {hon viel Unheil an gerichtet worden. Ganz besonders |chwierig und mit Gefahren ver- bunden ist der Dienst der Zollbeamten auf den Schiffen. Herr Ströbel wollte angeblich den Beamten belfen. Aber ih glaube kaum, daß er seine Absicht erreicht hat. Wenn von einem ennen um die Gunst der Beamten gesprochen wird, fo gehört Herr Ströbcl zu den. besten Rennern, der kaum einzuholen is. Aber auch in diescni Falle lehen der Sozialdemokratie die Partciinteressen am höchsten.

Abg. Stros ser (kons.): Jh will keine Wahlrede halten. Daß die Sozialdemokratie bei jeder Gelegenheit, wo es sich um Beamten oder Arbeiterfragen handelt, jede Partei an Beamtenfreundlichkeit und Zusicherung 1hres warmen Herzens zu übertreffen sucht, das find wir gewohnt. Diesen Rekord wird ihr kein Mensch streitig machen. Die Regierung könnte die Gehälter auf das höcbste Maß shraubcn, die Sozialdemokratie würde doch verlangen, daß sie noch höber fein sollen. Die Sozialdemokratie wirft den anderen Parteien, scibst der Fortschrittlihen Volkspartei, die unglaublihsten Dinge vor. Auch da hat sie den Nekord, ih möchte sagen, fogar an Schimpf- worten gebrohen. Der Abg. Ströbel spra z. B. von der Ber- räterei des Zentrums, von Prellerei der Wähler des Zentrums und verbesserte auf Zuruf diesen Ausdruck sogar in Betrügen. Gröbere Worte kann man kaum den anderen Parteten zurufen. Daß immer die anderen Parteien, mit Ausnahme von der seinigen, die reinen Volksverräter sind, darüber wundern wir uns niht mehr. Sie werden den Beauten tatsählich doch niht weismachen, daß gerade die Sozialdemokratie für die Beamten das Beste will. Wir haben unser beamtenfreundlihes Herz niht erst jeßt zu entdecken brauchen. Wir haben für die Beamten gekämpft, lange bevor Sie in diesem Hause waren, nur mit anderen, mit blankeren Waffen, als Sie es tun. Wle - viel MReden find Pier: für die Beamten gehalten worden, und das

nicht

Wenn ex fe diese Akten geheim

sollte alles Heuchelei sein, bloß weil es Ihnen vor der Wahl nicht gefällt, weil Sie nun cinmal den Nekord aufstellen und den Vogel abschießen wollen? Sie betreiben den Beamtenfang auf ganz eigentümlihe Weise. Der Abg. Liebknecht, oder ein anderer von Jhnen, hat gesagt, die Unter- beamten wären Proletarier zweiter Klasse. Ich bin fest überzeugt, daß von all den Beamten, jedenfalls mit verschwindenden Ausnahmen, dagegen protestiert werden wird, daß ihnen gegenüber ein folher Ausdruck gebraucht worden ist. Sie wollen keine Proletarier und ganz besonders nicht s\solche zweiter Klasse sein. Ich frage die Herren von der Sozialdemokratie: Wo bleibt denn Ihr warmes Herz, das Sie angeblich für die Unterbeamten haben wollen, wo bleibt es den christlih organisierten und nichtorganisierten Arbeitern gegenüber? Wo bleibt es, wenn Sie diese Arbeiter aus den Stellungen bringen, wie es in letzter Zeit vielfach geshehen ist? Sie dulden keine nichtorganisierten Arbeiter, Ste verlangen, daß man fie aus ihren Stellen entläßt. Aber wie steht es denn mit der Theorie und Praxis in den eigenen Betrieben ? Auch hier sieht es doch sehr betrübend aus. Ste find doch sonst 10 empfindlih. Ich habe hier einen Auszug von dem „Reichsarbeiter- blatt“, in dem es heißt, daß nicht weniger als 4009/4 von den Lager- arbeitern der Konsumvereine nah der Statistik eine Arbeitszeit von 60 bis 70 Stunden in der Woche hatten, das sind 10,8 Stunden pro Tag. Ueber 16 9/9 hatten cine Arbeitszeit von 70 bis 80 Stunden pro Woche, annähernd 79/ der Arbeiter 80 bis 90 Stunden oder 14 Stun- den pro Tag, endlich 20 Arbeiter hatten eine Arbeit von 16 Stunden pro Tag. Es gibt noch cine ganze Neibe von Betrieben, in die: man hineingeleuhtet hat und die dasselbe Ergebnis gezeitigt hatten. Was würden Sie wohl für Töne anschlagen, wenn unsere Be- amten eine derartige Arbeitszeit hätten? Nun hat sich der Abg, Ströbel darüber ecreifert, daß die Beamten kein Recht hatten, und exr sagte, “es set unerhört, daß: ein; Beamter nicht Sozialdemokrat sein daf. Diese Frage haben wir hier

{on so oft erörtert, und es wäre überflüssig, darauf noch näher ein- zugehen. Das „Berliner Tageblatt“, das doh für Sie (zu den Sozial- demokraten) unanfechtbar sein dürfte denn es wird niemals etwas g?gen die Sozialdemokratie shreiben —, hat kürzlich die Vereidigung der fozialdemokratishen Abgeordneten des württembergishen Landtags ge- \childert, wie der Eid durhch einen Händedruck in die Hand des Prä- sidenten bekräftigt worden set und wie in der Eidesformel stehe, daß der Schwörende die Verfassung heilig halten und uner schütterlich das Wohl des Königs und des Vaterlandes wahrnehmen werde. Aber ih weiß ganz genau, daß die oberen und mittleren Beamten dem König keinen Treueid \{chwören würden, wenn sie Sozialdemokraten wären. Was die Petition betrifft, so stehe ih im allgemeinen auf dem Standpunkt des Abg. von Wollkowski. Besonders die Teuerungszulage halte ich für dringend notwendig, auch bezügli der Gewährung eines höheren Wohnungsgeldzuschusses und der Erhöhung des Kleidergeldes \{chlicße ih mich vollständig den Ausführungen des Herrn Wollkowski an. Ich freue mich auch, wenn alle geheimen Personalakten abgeschafft werden würden. Auch mit der Löschung der Strafen nah bestimmter Zeit, wie es beim Militär geschieht, bin ih vollständig einverstanden. Was das Wohnungsgeld anbelangt, so halte ich die Deklassierung der Städte für bedauer- lih. Daß man eine Stadt wie Breslau deklassiert hat, kann ich nicht verstehen. Jm allgemeinen werden wir, soweit es die Besoldungs- ordnung zuläßt, den billigen Ansprüchen der Beamten gerecht zu werden versuchen.

Abg. Bart \cher (Zentr.): Es wäre Mißbrauch der Geschäfts- lage des Hauses, wenn ich auf alle Angriffe des Herrn Ströbel antworten wollte. Er machte auf den angeblihen Widerspruch aufmerksam, daß unser Freund Kuckhoff im Reichstage vor cinigen Tagen für die Unterbeamten eine Gehaltserhöhung unter Abänderung des bestehenden Besoldungégeseßes gefordert hab», während wir hier grundsäßliÞh an der Besoldungsordnung festhalten. Die Sozialdemokratie betrahtet alles duk die Brille des Klassen- hasses und Klassenkampfes. Sic hat eben kein Verständnis für cin starkes Preußen mit dem König an der Spitze ,- kein Ver- ständnis für die Gesellshaftsordnung, kein Verständnis für dic himmlische und irdische Autorität. Die Besoldungsordnun; in Preußen ist nach langen, mühsamcen Beratungen dur cín Kompromiß sämtliher bürgerlichen Parteicn verabschiedet worden, und die Loyalität - erfordert es, dieses Kom- promiß nicht schon nah wenigen Jahren über den Haufen zu werfen. Im Neiche liegt die Sache anders, dort ist die Besoldungs8ordnung dur Mehrheitsbes{luß zustande gekommen, die einzelnen Parteten des Reichstags haben also freie Hand zur Abänderung der Be- foldungsordnung. So ist es verständlih, daß das Zentrum im Neichs- tag eine Erhöhung der Beamtengehälter mit Nücksiht auf die wirt- schaftlihen Verhältnisse fordert. Die Besoldungsordnung in Preußen war nur möglih durch Anziehen der Steuerschraube, diejenige in: eich nur infolge der Neichsfinanzreform. Diejenigen, welche die Finanzreform mit einer maßlosen Heße in Grund und Boden ver- urxteilen, erweisen also den Beamten den allershlehtesten Dienst. Die Erschließung neuer Steuerquellen war erst erforderlich, um die Gehaltéerhöhungen durchseßzen zu können. Der Abg. Ströbel behauptet, der Abg. Kuckhoff habe für die Unterbeamten Mindest- gehälter von 1200 bis 1800 1 gefordert. Der Abg. Kuckhoff hätte sich allerdings genauer ausdrücken können. Er hat gesagt, daß er für die mittleren und Unterbeamten Gehälter von 1200 bis 1800 (6 wünsche, und er meinte damit, Mindestgehälter von 1200 (6 für die Unterbeamten und 1800 / für die mittleren Beamten. Die Unter- beamten haben jeßt im Reich wie in Preußen ein Anfangsgehalt von [100 Æ. Der Abg. Kuckhoff fordert 1200 /6, und wir wünschen hier auch ohne Durchbrechung der Besoldungsordnung den Unterbeamten etwa 100 4 dur Teuerungszulagen zu geben. Ich bedauere außerordentlich, daß die Negterung nicht dem cinstimmigen Beschluß des Hauses gefolgt ist, sondern die odiôse Form der Unterstüßungen gewähren will. Der Abg. Ströbel hat mich auch persönlih vorgenommen. Ich tönnte mir daraus eigentlich eine Ehre machen, denn es würde be- weisen, daß meine damaligen Hiebe bei der Sozialdemokratie gesessen haben. Ob ih in den nächsten Landtag wiederkommen werde, darüber braucht sih die Sozialdemokratie den Kopf niht zu zerbrechen. Ich habe seinerzeit festgestellt, daß bei der ersten Lesung der Be- soldungskommission von den Sozialdemokraten kein einziger Antrag zugunsten der Unterbeamten gestellt wurde. Diese Fest- stellungen waren den Sozialdemokraten damals sehr unangenehm. Die Sozialdemokraten sind doch sonst nicht so zurückhaltend in der Stellung von Anträgen, ja, sie überschwemmen uns sogar da- mit. Der Abg. Ströbel beklagt sich über den Terrorismus gegen die Beamten bei den Wahlen ; die Sozialdemokraten sind die leßten, die sih darüber beschweren dürfen. Der Abg. Ströbel beklagt es ferner, daß die Sozialdemokraten hier keinen Beamten haben tönnten, weil die Beamten nicht Sozialdemokraten sein dürften. Wie kommt es denn aber, ' daß die fozialdemokratishe Fraktion hier auch keinen Arbeiter unter sich hat? Wir haben Arbeiter in unjeren Neiben, z. B. den Eisenbahnarbeiter Beier und den praktischen Bergmann Sauermann, und namentlich dem ersteren sind {hon wesent- lie Verbesserungen für die Eisenbahnarbeiter zu verdanken. Wir sollen gegen unsere Beamtenfreundlichkeit dadurch verstoßen haben, daß wir seinerzeit in der Kommission nit mehr gefordert hätten. Aber wir sind Männer der praktishen Politik. Für uns ist Politik nicht die Kunst, zu übertrumpfen. Der Abg. Ströbel sollte lieber seine Partei veranlassen, den Etat niht immer ab- zulehnen. Wenn die übrigen Parteien ebenso handeln würden, dann würde für die Beamten kein Pfennig da sein. Der Abg. Ströbel wies da auf die Minderheit der Sozialdemokraten in dicsem Hause hin, deshalb habe erx keine Verantwortung. So einfa liegen die Auf- gaben eines Volksvertreters doch nicht. Dieser hat eine sehr große Verantwortung. Er ist zunächst seinen Wählern gegenüber ver- pflihtet, dann scinem Gewissen und nicht zu allcrleßt dem Aller- böchsten. Wenn Herr Ströbel mit seinen Freunden einmal die Mehrheit haben sollte, dann müßten sie au einen Etat verabschieden. Ich hoffe nicht, daß dieser Zeitpunkt einmal kommt. Dann würde etn großer Wirrwarr entstehen, aus dem es keinen Weg mehr heraus- gibt. Wie arbeitet übrigens . die Sozialdemokratie, wo sie in den Kommunen die Mehrheit hat? Sind denn da die Wähler mit ihrem Handeln zufrieden 2 An die Regierung richte ih die Bitte, gegenüber diesem Buhlen der Sozialdemokratie um die Gunst der Unterbeamten uicht die Hände in den Schoß zu legen. Sie müßte deshalb mehr Nück- sicht auf die Wünsche der Mehrheit dieses Hauses nehmen. Unzufrieden- heit ist noch immer der beste Nährvater der Sozialdemokratie gewesen. Unser Beanitenstand ist noch in seiner Wurzel gesund, und das Liebes- werben der Sozialdemokratie findet keinen Anklang. Ich bitte aber die Negierung dringend, ihren Widerstand aufzugeben, und si mit den Leuerungszulagen einverstanden zu erklaren.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Persönlich bemerkt

Abg. Borchardt (Soz.): Der Abg. Bartschher hat meinen Zwischenruf mißverstanden. Ich wollte damit nur andeuten , daß ih die Verantwortlichkeit eines Abgeordneten seinen Wählern gegen- über für fo selbstverständlich halte, daß man sie niht zu erwähnen braucht.

Abg. S tröbel (Soz.): Der Abg. Wollkowski hat gemeint, ich hätte von den Wünschen der Beamten nicht gesproben. Unsere Stellungnahme ist aber so klar, daß ih darüber kein Wort zu ver- lieren brauchte. Er hat angezweifelt, ob ih meine Rede selbst ge- macht habe. Bei seiner Rede kann ein solher Zweifel nicht ent- stehen. Der Abg. Bartscher meint, ih hätte ihm eine Ghre erwiesen und mich mit ihm beschäftigt. Ich wollte ihm nur viele Unwahr- haftigkeiten nahweisen. Ob es eine Ehre ist, moralisch fo gestäupt èu- werden, lasse ih dahingestellt.

Abg. Hoffmann (Soz.): Der Abg. Bartscher hat gemeint, mein Zuruj, er komme nicht wieder, sei hämish gewesen. Jch wollte nur mein Bedauern darüber ausdrücken, daß er vielleiht nicht wieder lommt, da ex uns so s{hönes Agitationsmaterial gibt.

Abg. Ströbel: Die Nedner sämtlicher Partcien haben sich lebhaft gegen wzih gewandt. Dann machte man mir dur den Schlußantrag f: Erwiderung - unmöglih. Das Motiv dazu war Angst. Durch diese Schlußmacherei wird bewiesen, daß man eine Feh1stellung von Tatsachen nicht vertragen kann.

Abg. Bartscher: Der Abg. Ströbel meinte ges{chmackvoll, er habe mir eine Reibe von Unwahrhaftigkeiten nachgewiesen. Dies ist ihm in keinem einzigen Falle gelungen.

_ Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die vorzeitige Schlußmacherei ist nur so zu erklären, weil Sie besorgen, daß Sie gehörig zugedeckt werden würden.

Nach weiteren unerheblichen Bemerkungen wird ein An- trag des Abg. Bartscher, der die Petition, betr. die Teuerungs- zulagen, der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen wissen will, und ein anderer Antrag Bartscher, wonach bezüglich des Wunsches der Abschaffung der geheimen Personalakten ebenso verfahren werden foll, angenommen. Dann findet der Antrag des Abg. Dr. Schroeder (nl.) auf Ueberweisung der Petition um Streichung der Strafen nach bestimmter Zeit an die Re- gierung zur Berücksichtigung Annahme. Der Antrag des Abg. Waldstein, die übrigen Punkte. der Regierung nicht als Material, sondern zur Erwägung zu überweisen, wird ebenfalls an- genommen. Ueber die Petition des Bundes der Militäranwärter wird auf Antrag der Kommission zur Tagesordnung über- gegangen. Nur bezüglih ¿es Punktes der Anstellung der Unterbeamten auf Lebenszeit wird der Antrag des Abg. Dr. Schroeder angenommen, der ihn dêr Regierung zur Berück- sichtigung überwiesen wissen will.

Dann folgt die Fortsetzung der Besprechung der Jnter- pellation der Abgg. Fritsch (nl.) und Gen.:

„Gedenkt die Staatsregierung Maßnahmen zu treffen, dur die der gegenwärtigen Kredttnot des ländlichen Grundbesitzes abgeholfen wird?“

in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgg. Dr. Arendt (freikons.) und Gen. :

„die Negierung zu ersuchen, eine Untersuhung herbeizuführen, auf welchem Wege durch Maßnahmen der Gesetzgebung den Notständen des städtischen Realkxredits cin Ende ge- macht werden kann?“ i k

(Die Interpellation ist bercits in der Sitzung vom 13. Dezember vorigen Jahres von dem Abg. Fritsch begründet und von dem Landwirtschaftsminister Dr. Freiherrn von Schorlemer beantwortet, der Antrag ist von dem Antragsteller begründet worden: in der Debatte haben fodann die Abgg. Klocke (Z:ntr.) und Neimer- Görlitz (fonf.) gesprochen.)

Abg. Dr. Wendlandt (nl.): Um den Notständen des städtischen Realkredits ein Ende zu machen, ist beantragt worden, eine Enquetekommission einzusezgen. Wir würden dafür eintreten, wenn der Landtag nicht vor seinem Ende stände. Troßdem muß aber alles geschehen, daß diese Frage uiht aus den Augen verloren geht. Und die Regierung muß darauf bedacht sein, auch für die Städte öffentlich - rehtlihe Anstalten einzurihten, die ähnlich wie die Landschaften für die Landwirtschaft forgen. So muß in erster Linie der‘ Frage der unkündbaren Amortisations=- hypothef nähergetreten werden. Zu der s{chwierigen Lage des städtischen Realkredits hat auch die Besteuerung nah dem gemeinen Wert viel beigetragen. Wie diese wirkt, dafür ist ein Beispiel die Beschwerde, die gerade aus den Kreisen der städtischen Gärtnereien kommt. Die Wertzuwachs\teuer wird von allen Seiten des Hauscs bekämpft. Ich war, weil ih ihre Schädlichkeit erkannte, gleich von Hause aus dagegen. Ich hoffe, daß die Regierung aus diefer einmütigen Haltung ersieht, wie sehr sie ihr Augenmerk darauf richten muß, diese Steuer wieder abzuschaffen. Besonders stark werden die Gärtner durch die bedeutende Höhe der Grundsteuer belastet. Sie werden durch sie von Haus und Hof gedrängt. Das ist eine erwiesene Tatsache, die. auch einwandsfrei in einer Versammlung in Cöln am Nhein festgestellt wurde. Es ist erforderli, daß die Sparkassen zur Befriedigung des Neal- kÉredites herangezogen werden. Auch bei den Bautechnikern macht sich der Mangel an Nealkredit fühlbar. Große Schwierigkeiten bereitet den Bauunternehmern die Beschaffung der zweiten Hypothek. Das ist ein Punkt, der mir vor allem beachtenswert erscheint. Es muß Pflicht einer fürsorgenden Staatsregierung fein, hier Abhilfe zu \haffen, damit nicht Tausende jährlih in das Lager der Unzufriedenen hinübergchen.

Um 41/4 Uhr wird die weitere Beratung auf Freitag, 11 Uhr, vertagt (außerdem Gese über den Ausbau von Wasserkräften an der Oberweser ; Moorschußgeseß; Petitionen und Anträge).

Statistik und Volkswirtschaft,

Braustoffverbrauch und Biererzeugung in den Brauereien der norddeutschen Brausteuergemeinschaft sowie Cinfuhr von übergangsabgabepflichtigem Bier.

Direktivbezirke anderes

| Malz | Bieren | dz | dz

MWeizen- malz

__Im #8. Viertel des Rechnungsjahres 1912 find in den Brauereien Pee oan von dem anderen

Malze sind verwendet worden zur Herstellung von

\ ober gärigen [u ntergärigen|

Steuerpflichtiges Gesamt- gewicht der verwendeten Braustoffe

| hergestellt worden :

| E E T E icn iei ee dei E n | Zuter- ober- | | gäriges |

stoffe |

Bieren

Bier dz Wt dz

un ter- gäriges Bier

5 604 [ 869

38 981 20 828 263 554

go rr

Ostpreußen . Westpreußen Brandenburg ommern , 20:00 116 Doe a B F884 | 689 SPlEn | 97 rov. Sachsen . 90 72 943 : chle8wig-Holstein . l Î 51 301 A E 58 625 20 alen. d 164 459 3 792 Hessen-Nafsau . . 82 725 466 Ea

780 l L

| ) ) ) J

S0 31 83

186 367 29 989

13289 “|

173 414 41 311 98 280 21 754 1185 323 277 066 124 485 24288 58 527 12 699 464 764 98 965 373 629 73 481 2CDIe 51 890 307 289 60431 792 001 [66 D556 83 020 189 135

D D 1778 18959 786 250 346 || D 998 22640 f 445 111104 095 O87 94 070 1 448 69 755 985 49 971 533 D6 542 f 1 288 160 667 2 065 82 299 263 156 378 2 760

24.159 O 42 2436 32912 5 301

170 620 789 436

Königreich Sehen 9.690 072828 64 450 Königreich Sachsen 39 [59 861 | 5 058 B E 48679 | t Mecklenburg „. 16 230 583 hungen 92136 1 662 Oldenburg . . 6978 248 Braunschweig . 16 739 (616 A J J 16397 | 347 Ub 4 | 4206 | 296 Bee | 18523 | 835 QaAMbUa N 204087)

1100 576 160 960

59 0(L 015 8053 780 218 940

S5 699 458 824 D O0 86 844 79 091 921 004 69 756

112 441

1008 078 18 506 596 127 154 803 1 191 92:49 48 625 | 33 484 15647 || 163 6 164 904/74 730 14 616

6730 96 2 465 16 125 391 6.134 T6 090} [06 3106

3910 68 3613 17 688 993 9 014 20 985 f} 468 14 424

Im Brausteuergebiete .. l 474 730

[399 113 22 745 708 688 7 072 707

Dazu im 1. und 2. Viertel E

Zusammen im 1. bis: 8. Viertel 1912 56 309 -| 5.304 446 *) Einsclicßlih nahträgliher Berichtigungen.

46 418 3 829 716

3954 409

1

Gegen Entrichtung der Uebergangsabgabe

3 550 872 79803 1.2952 808 | 18 728-100 3919 156

|

4949 985 |

102548 13661 496 | 25 800 807 5 426 693,

wurden in das Brausteuergebiet eingeführt aus:

A Bayern Zeitraum t

Württemberg Baden Elsaß-Lothringen

Luxemburg

Hektoliter Vier.

Im 1. bis 0, Viertel 1912. „4 | Berlin, den 16. Januar 1913.

e

19 28(

i 52 075 j

Kaiserliches Statistisßzes Amt.

Delbrü.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Nah den „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts*, Nr. 3 vom 15. Januar 19153) Pest.

Rußland. In dem 12 Werst von Merw (transkaspishes Gebiet) gelegenen Dorfe Ts\chuiruk sind vom 9. a E E v. I. 29 tödlih verlaufene Fälle von Lungenpest aufgetreten; dic Seuche ist durch einen Shmuggler aus Persien einges{hleppt worden.

Von den in der Meierei Popowski im 2. Donkreis bis zum 21. Dezember an Beulenpest erkrankten 20 Personen waren bis zum 27. Dezember 12 gestorben. 7

Laut einer am 24. Dezember veröffentlilen Bekanntmachung sind der Kreis Merw und die Meierei Popowski für vest- verseuht, das Chanat Buchara und das Samarkandgebiet [ane das Gebiet des donischen Heeres fär pestbedroht erklärt

rden. |

Aegypten. Vom 21. bis 27. Dezember v. F. erkrankten 4 (und starben 2) Personen, davon 2 (1) in Minieh, je 1 (—) in Tala und Chebin el Kom und (1) in Baliana.

Zufolge Mitteilung in dem amtlichen „Bulletin quarantonairo“ Nr. l siad vom 1. Januar bis 31. Dezember 1912 in Aegypten 984 Personen an der Pest erkrankt und 441 (im Vorjahre 1041) daran gestorben, während 456 gebeilt find. Von den Pesttodesfällen kamen u. a. 98 auf die Provinz Keneh, 64 auf die Provinz Ass iut,

5) auf die Provinz Fayum, 50 auf die Provinz G irgeh, 155 auf 10 andere Provinzen, ferner 16 auf Alexandrien, 4 auf Kairo, o auf Port Said.

Niederländisch Indien. Vom 4. bis 17. Dezember v. F. wurden auf Java gemeldet: Aus dem Bezirke Malang 171 Er- krankungen (und 172 Todesfälle), aus Kediri 72 (51), aus Paree 41 (39), aus Soerabaja 8 (6), aus Toeloengagoeng 5 (4) und aus Madiocn 1!1 Todesfälle. Für die Zeit Lom 20. November bis Dezember sind nachträglich 2 Fälle aus Paree und 1 aus Toeloengagoeng mitgeteilt worden. __ Zufolge anderweitiger Mitteilung wurden vom 15. September bis 16. November v. J. in Malang insgesamt 388 Erkrankungen (und 374 Todesfälle), in Kediri 195 (189), in Madioen 29 (29) und vom 29. September bis 16. November in der Stadt Soera- baja 19 (19) festgestellt. Angeblich wurden nur Eingeborene und und Chinesen, einstweilen aber keine Europäer von der Seuche ergriffen.

Philippinen. In Manila wurden vom 21. bis 30. No- ns e J. 5 neue Pestfälle, von welchen 4 tödlich verlaufen sind, gemeldet.

Brasilien. Jn Pernambuco im Oktober v. J. 2 Todesfälle,

Cholera.

__ Türkei. Nach den amtlichen Ausweisen Nr. 6 und Nr. 7 sind in Konstantinopel vom 17. bis 23. und vom 24. bis 30. De- zember 270 4 158 Personen an der Cholera erkrankt und 141 —- 4 gestorben. Die Gesamtzahl der Choleraerkrankungen (und -Todesfälle) in Konstantinovel vom 5. November bis 30. Dezember wird amtlich

auf 2542 (1146) b&iffett,