1913 / 20 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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R öch&bling (Duisburg) der Landw. Kav. 2. Aufgebots, Trappe (VI Berlin) der Landw. Feldart. 1. Aufgebots, Vogt (Brandenburg a. Ÿ ) der Lantw. Feldart. 2. Aufgebots, diesem mit der Exlaubnis zum Tragen der Armeeuniform, Scholz (Kosel), Schmidt (Elberfeld), Reimerdes (Schroda) der Landw. Feldart. 2. Auf- gebots, Chelius (Meschede) der Landw. Pioniere 2. Aufgebots; den Lts. ter Ref. : Wiebe (Iohannes) (Meiningen) des Inf. Negts. Prinz Friedrich der Niederlande (2. Westfäl.) Nr. 15, diesem bebufs weiterer Verwendung im Beurlaubtenstande für Zwecke der Militär- seelsorge, Hempel (1 Hamburg) des Inf. Regts. von Manstein (Schleswig.) Nr. 84, Augustin (1 Berlin) des 1. Masur. Inf. Negts. Nr. 146, N a Can (Halle a. S.) des Drag. Regts. von Wedel (Pomm.) Nr. 11, Kuenzer (Freiburg) des Kurmüärk. Drag. Regts. Nr. 14 Behrens (1 Hamburg) des Leibdrag. Regts. (2. Großherzogl. Heff.) Nr. 24, Tewes (V1 Berlin) des Feldart. Negts. General- Feldmnarshall Graf Waldersee (Schleswig.) Nr. 9, Leuschner (Striegau) des 2. Posen. Feldart. Regts. Nr. 56, Külpmann (11 Altona) des Fußart. Negts. General-Feldzeugmeister (Branden- burg.) Nr. 3, Balzer (Braunsberg) des Oftpreuß. Trainbats. Nr. 1; den Lt3.: Michels (Bernburg) des 2. Aufgebots des Gardefüf. Landw. Negts., Taube (Aschersleben), Arndt (Barmen), Zimmer - mann (Bremerhaven), Ridder (1 Cöln), Voigt (Dessau), Groß- mann (Duisburg), Bicher oux (Elberfeld), P ohl (Hagen), Albrecht (Lörrach), Kimmsler (11 Mülhausen i. E.), Klukowski (Ratibor), Sehrwald (Weimar), Wiehr (Woldenberg) der Landw. Inf. 2. Aufgebots, Smolla (1 Breslau), Horn (1 Cassel), v. Loewen- stein zu Loewenstein (Marburg), Gellhaus (Münster), Fischer (Saarbrücken), V olland (Wiesbaden) der Landw. Feldart. 2. Auf- gebots, Nathsfeld (Sondershausen) der Gardelandw. Pioniere 2. Aufgebo!s, Küster (I Hamburg) der Landw. Pioniere 2 Auf- gebots, Seelemann (1V Berlin) der Landw. 1. Aufgebots der Eisenbahnbrig,, Krüger (Justus) (11 Altona) der Landw. 2. Auf- gebots der Eisenbahnbrig.,, Nemy (Bonn) des Gardelandw. Trains 2. Aufgebots, Koch (Halle a. S.) des Landw. Trains 2. Aufgebots. Der (I Berlin) Lt, d. Nes. des 5. Rhein. Inf. Regts. Nr. 65, behufs Streichung in den Listen aus jedem Militärverhältnis entlassen.

Im Sanitätskorps. Verseßt: Dr. Tissot dit Sanfin, Oberstabs- und Regts. Arzt des Feltart. Regts. General-Feldmarschall Graf Waldersee (Schleswig ) Nr. 9, zum 3. Lothring. Feldart. Negt. 69, Dr. Schwab, Stabs- und Bats. Arzt des 11. Bats. 7. Rhein. Inf. Negts. Nr. 69, zum 117. Bat. Inf. Regts. von Horn (3. Rhein.) Nr. 29. i

Der Abschied mit der geseßlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen ihrer bisherigen Uniform bewilligt: den Oberstabs- und Negts. Aerzten: Dr. Schnee des Inf. Regts. von Horn (3. Rhein.) Nr. 29, unter Verleihung des Charakters als Gen. Oberarzt, Dr. S pan gen - berg des 5. Lothcing. Feldart. Regts. Nr. 69; Wollenberg, Stabs- und Bats. Arzt des 11. Bats. Deuts Ordens-Inf. Negts. Nr. 152, mit der Aussicht auf Anstellung im Zirildienst.

Der Abschied mit der geseßlihen Pension aus dem aktiven Heere bewilligt : den Stabsärzten: Dr. Hufnagel, Bats. Arzt des [1T. Bats. Inf. Negts. von Horn (3. Rhein.) Nr. 29, Qr. Berger beim Be- zirkskommando 1 Hamburg; den Oberärzten: Dr. Heß beim Kadetten- hause in Oranienstein, Dr. Schmidt beim Feldart. Regt. Prinz- Regent Lutlpold von Bayern (Magdeburg.) Nr. 4, Dr. Sauer beim Kadettenbause in Köslin; Dr. Gutzeit, Assist. Arzt beim Berg. Feldart. Negt. Nr. 59, zugleich sind dieselben bei den Sanitäts- offizieren der Lantw., und zwar erstere zwet des 2. und letztere vier des 1. Aufgebots angestellt. f / E

Der Abschied mit der Erlaubnis zum Tragen ihrer bisherigen Uniform bewilligt: Dr. Hetnemann, Oberstabsarzt der Mes. (1 Cafsel); den Stabsärzten der Res. : Dr. Elgn owskt (Allenstein), Dr. Israel (Aschersleben), Dr. Mans holt (Aurich), Dr. Lemcke, D Gee D Heller, Dr: Mosheim, Profe Dr, Pit, Dr. Paetsh, Dr. Rauhut, Dr. Vogel (|riß), Dr. Roeder (V Berlin), Dr. Schiller (1 Breslau), Schlote, Dr. Büttner (Celle), Dr. Kopp (Crefeld), Dr. Umpfenbacch (Erfurt), Dr. RNothschil d (Frankfurt a. M.), Weidner (Frankfurt a. O.), Dr. Hesse (T Hamburg), Dr. Pollnow (1 Königsberg); den Stabs- ärzten der Landw. 1, Aufgebo!s: Dr. Zander (Albert) (V Berlin), Dr. Sunkel (Bkelefeld), Dr. Lengemann (l Bremen), Dr. Ohren (Crefeld), Dr. Buschbeck (Görliß), Dr. Mäkler (Wies- baden); den Stabsärzten der Landw. 2. Aufgebots: Dr. Liesau (I Bremen), Dr. Kilkow ski (Graudenz), Dr. Flügge (Hildes- heim), Dr. Danne (Stade). j B

Der Abschied bewilligt: den Stabsärzten : D Fier (V Berlin), Dr. Jonas (Düsseldorf) ter Nes., Dr. Schedtler (Arolsen), Dr. Nu se (Hagen) der Landw. 2. Aufgebots; den Dber- ärzten: Sée (1 Mülhausen i. E.) der Res, Dr. Tihy (V Berlin), Dr. Kaiser (Offenburg) der Landw. 1. Aufgebots, Dr. Leus8mann (I1 Braunschwe!g), Dr. Numpler (Colmar), Dr: Paul (Halle a. S.), Dr. Wagner (1 Hamburg), Dr. Peters (Schleswig), Dr. Vollmer (Sondershausen) der Landwehr 2. Aufgebots.

Im Veterinärkorps. Der Abschied mit der geseßlichen Pension bewilligt: Freise, Oberveterinär beim Jägerregt. zu Pferde Nr. 4.

Der Abschied bewilligt: Ku (Bruchsal), Hartmann (Il Cassel), Stabsvetertnäre der Landw. 1. Aufgebots, Hoppe (Osnabrück), Ober- bveterinär der Landw. 1. Ausgebots, Stehn (Celle), Oberveterinär der Landw. 2. Aufgebots. :

Katholische Militärgeistliche.

Staudt, bisher Miilitärhilfsgeistlicher, zum kathol. Div. Pfarrer, unter Belassung bei der 42. Div. in Saarburg, ernannt. j

Beamte der Militärjustizverwaltung. Durch Verfügung des Kriegsministeriums.

Den 30. Dezember. Verseßt zum 1. April 1913: die Kriegs- gerihtssekretäre Westphal von der Kommandantur Berlin zum Gouvernement Berlin, Markow von der 2. Div. zur Kommandantur Berlin, Obersberger von der 1. zur 2. Div.

Beamte der Militärverwaltung.

Im aktiven Heere. Durch Allerhöchste Bestallung.

Den 23. Dezember. Breisig, Stürmer, Herold, Klein, Bauräâtg, mit Wahrnehmung von Intend. und Bauratstellen bei den Intendanturen des V., XVI., XX. und XXI. Armeekorps beauftragt, zu Intend. und Bauräten, Tretau, Betriebsleiter bei der Art. Werkstatt in Danzig, zum Betriebtdirektor 11. Klasse, ernannt.

Durch Allerhöchchstes Patent.

Den 7. Januar. Schmidt (Ludwig), Geheimer erpedierender Sekretär und Kalkulator, Fröhlich, Geheimer Negistrator im Kriegs- ministerium, der Charakter als Rehnungsrat, Bergemann, Ge- heimer Registrator im Kriegsministerium, beschäftigt im Militär- kabinctt, der Charakter als Hofrat, verliehen.

Durch Verfügung des Kriegsmintsteriuns.

Den 12. Dezember. Versegt zum 1. April 1913: Laube, Obers- militärbaufekretär in Frankfurt a. M., nah Löten, Mauer, Militär- bausekretär in Mainz (11), nah Spandau (11), Alker, Militärbau- sekretär in Mey (11), nah Rendsburg. : ; |

Den 13. Dezember. Noß mann, Militärbauregistrator in Rents- burg, zum 1. April 1913 nah Kolberg verseßt.

Den 23. Dezember. Bald, Militärintend. Nat von der Intend. des IX. Armeekorps, zum 1. April 1913 zu der Intend. des Garde- korps versegt. i

Den 27. Dezember. Kleist, Dr. Mayer, Dr. Prieß, Ober- apotheker der Res., zu Stabsapothekern bei den Garn. Lazaretten Posen, Karlsruhe und Koblenz ernannt. A

Den 28. Dezember. Krieg, Baurat, Vorstand des Militär- bauamts Bromberg, Voß, Aa oth Von Oberzahlmstr. vom I. Bat. Mecklenburg. Gren. Negts. Nr. 89; Grune, Garn. Verwalt. Insp. in Brandenburg a. H., auf ihren Antrag mit Pension in den Nuhestand verseßt.

Den 29. Dezember. Waldow, Stabsapotheker beim Garn. E Königsberg, auf seinen Antrag mit Pension in den Nuhestand verseßt. e : E Den 31. Dezember. Kleinhanns, Militärbaumeister, Betriebs-

assist. bei der Gewehrfabrik Erfurt, zum Betriebsleiter ernannt.

Den 2. Januar. Ernannt: Brüßow, Obermilitärintend. Sekretär von der Intend. der militärischen Institute, zum Geheimen expedierenden Sekretär und Kalkulator, Winger, Militärintend. Negistrator von der Intend. des XI. Armeekorps, zum Geheimen Registrator, im Kriegsministerium.

Kaiserlihe Shußtruppen.

Berlin, 21. Januar. Dr. Lott, Oberstabsarzt in der Schuß- truppe für Deuts Ostafrika, der Abschied mit der gefeglichen Ben und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Untform ewilligt.

Deutscher Reichstag. 95. Sißung vom 22. Januar 1913, Nachmittags 1 Uhr. (Berit von „Wolffs Telegraphishem Bureau".)

Auf der Tagesordnung steht die Fortseßung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Fe st - stellung des RNeichshaushaltsetats für das Rechnungs-

“jahr 1913, und zwar „Etat für das Reichsamt des Jnnern““.

Zunächst erfolgt die Abstimmung über die bei der zweiten Beratung des Etats des Reichsamts des JZnnern für 1912 gestellten und noch nicht erledigten 54 Resolutionen. Von diesen Resolutionen werden 39 angenommen, 15 ah- gelehnt. j Zur Annahme gelangen u. a. sämtliche auf den Ausbau des Koalitionsrehts und den Abschluß von Tarifverträgen gerichteten und von den verschiedenen Parteien beantragten Resolutionen. Abgelehnt wird ein Teil der von den Sozial- demokraten eingebrachten Resolutionen, u. a. auf geseßliche Fest- legung des achtstündigen Normalarbeitstages, wofür nur die Sozialdemokraten und die Polen stimmen, ebenso die Re- solutionen auf erhöhten Arbeitershuß in der Großeisenindustrie, betreffend den geseßlichen Bauarbeitershuß, die Abschaffung der Gesindeordnung, Regelung des Arbeitsvertrages der land- und forstwirtschaftlihen Arbeiter und die entsprechenden von den Polen beantragten Resolutionen. Ueber die Resolution der Polen, den Reichskanzler zu ersuchen, daß mit Rücksicht auf die häufiger wiederkehrende Dürre Beihilfen an Private gegeben werden, die Proben und Versuche mit künst- liher Bewässerung (künstlihem Regen) anstellen, muß durh Auszählung abgestimmt werden. Für die Resolution

‘stimmen die Sozialdemokraten, die Deutschkonservativen, die

Wirtschaftlihe Vereinigung, die Antisemiten und die Polen. Das Ergebnis ist die Annahme der Resolution mit 171 gegen 153 Stimmen. : i l

Hierauf wird zur Abstimmung über die zum Gehalt des Staatssekretärs* beim Etat für 1913 eingébrahten Nesolutionen geschritten. Die Resolution Werner-Gießen auf Verbot der gewerblichen Schaustellungen der Angehörigen fremder Rassen wird abgelehnt, ebenso die Resolution Werner- Gießen, von Liebert, Kuckhoff gegen Verwenduug nichtdeutscher Geschäftsbezeihnungen im Deutschen Reih und die Resolution derselben Antragsteller, betreffend Errichtung eines Reichsamts für deutshe Sprache. Angenommen wird die Resolution Werner-von Liebert auf Verbot der Naturverschandlung durch Plakate und Bretterreklame. Zum Teil angenommen, zum Teil abgelehnt wird die Resolution Werner-Gießen zum Schuß des gewerbetreibenden Mittelstandes; abgelehnt wird u. a. davon die Forderung auf zeitgemäße Ausdehnung des gewerb lichen Befähigungsnachweises, auf Aufhebung des S 100g der Gewerbeordnung, auf Einführung der Staffelumsaßsteuer für Großmühlen. S / :

Ueber die Resolution der Deutschkonservativen _(Arnstadt und Gen.), betreffend das Bo De E postenstehens, wird aer ad e E m t. Das Haus lehnt mit 282 gegen 52 Stimmen bei 5 Stimm- enthaltungen die Resolution ab. E i

Darauf wird die Beratung des Ordinariums der Aus- gaben für das Reichsamt des FJnnern bei ben All- Cen Jod orie Als Bêeitkag Ub Die Dee E 4E B Oa C Lo, Wie n Vorjahre, 12500 6 ausgeworfen worden.

Abg. Schulz - Erfurt (Soz.): Auch wir sind, wie die Frei- konservativen, feine Lobredner der Zentralstelle, aber aus anderen (Gründen. Wir sehen in ihr ein Hilfsorgan der Negierung zur Be- kämpfung der Sozialdemokratie. Wir haben also keine Ursache, den Titel zu bewilligen. Die Volkswohlfahrt ist eigentlich eine freie Ver- einigung. Aber sie ist inzwischen zu einer Negierungseinrichtung ge- worden. Die Regierung kann durchseßen, was sie will, sie kann aber auch in kritischen Fällen den Kopf aus der Schlinge ziehen. Eine wirklich freie Tätigkeit zur sozialen Besserung übt die Zentralstelle nicht aus, das besorgen die freien Arbeitergewerkschaften und die sozialistische Partei. Deshalb hält man diese von der Stelle fern und bekämpft sie, Für solche Zwecke können wir natürlich keine Staatsmittel bewilligen. Im Vordergrunde der Tätigkeit der Zentralstelle steht jeßt die sogenannte Jugendpflege. Aber sie nahm diese erst auf, als die Sozialdemokratie damit vorangegangen war. Früher war die Jugendpflege in bürgerlichen Kreisen hochstens eine Art sportliche Betätigung. Der „Neichsbote“ gibt selbst zu, daß die bürgerliche Jugendbewegung allein eine Folge der Angst vor der Sozialdemokratie gewesen ist. Bei der Sammlung aller Sozialisten- feinde steht die Zentralstelle an der Spiße. Man wirft uns vor, wir wollen die Jugend zu Sozialdemokraten erziehen und damit die Wehr- haftigkeit untergraben. Allerdings wollen wir die Kinder nicht zu Soldaten machen wie die Jugendwehren. Das halten wir für unpäda- gogish. Auch wollen wir sie nicht zu Politikern erziehen. Zur Politik gehört die robuste Natur eines Erwachsenen. Wir wollen unsern Kindern die Frische der Jugend so lange wie möglich erhalten. Der Abg. Oertel ist auch nicht der Meinung, daß die politische Erkenntnis der jungen Leute plößlih erwacht. Aber mit dem Eintritt der Vollendung des 18. Lebensjahres dürfen sie sich mit politischen Dingen beschäftigen. Es gibt Leute, bei denen die politische (rkenntnis über- haupt nicht erwacht, ebenso gibt es solche, bei denen sle früher er- wacht. Die wirtschaftlihe Not der Arbeiter weckt ein politisches Berständnis schon bei den jungen Arbeitern, die früher in den Lebens- kampf eintreten müssen und dadurch zum Nachdenken getrieben werden. Deshalb ist die Begrenzung auf das 18. Lebensjahr falsch. Aber wir Sozialdemokraten achten bestehende Geseße und sorgen dafür, daß unsere Jugendlichen niht Gefahr laufen, angezeigt und bestraft zu werden. Jn unseren Versammlungen für Jugendliche wird nicht Politik getrieben, sondern über Literatur usw. vorgetragen. Aller- dings wird auch über Politik gesprochen, aber über politisch{e Tat- sachen berichten ist doch nicht Politik treiben. Wir müssen uns dagegen wenden, daß unsere nichtpolitishe Jugeudbewegung \chikaniert wird, nicht nur dur das Vereinsgeseß, sondern auch durch veraltete Polizei- verordnungen. Hält ein Lehrer einen Vortrag über Goethe usw., so wird die Versammlung aufgelöst. Ausflüge werden polizeilich über- wacht, ob nicht auf ihnen Politik getrieben wird. Unsere proletarische Jugendbewegung wird unterdrückt, die bürgerliche gehätschelt. Kein

Nichter oder Schußmann kümmert sih unm die politische Betätigung der bürgerlichen Jugendvereine. Ist es keine Politik, wenn Kinder son auf der Schulbank gegen die Sozialdemokratie scharf gema werden, wenn der Jungdeutschlandbund systematisch die Kriegsyer- herrlihung betreibt? Von hier bis zum Chauvinismus i\ nux ein kleiner Schritt. Ein Generalgewaltiger des Bundes soll neulich qs. sagt haben: Wenn es nur endlich losginge! Mit dem Generalfe|. marschall von der Golß wird in der Bewegung geradezu Göbßendienst getrieben. Man fann fi denken, wie seine Ansprachen auf die Jugend wirken. Die jungen Leute machen {on Krieg im Frieden und bringen mit ihren Flinten die Leute in Gefahr. Ist das feine Politik, dan ist es erst ret keine auf unserer Seite, da wir die jungen Leute sitt- lich fördern. Hoffentlich trägt der Abg. Oertel dazu bei, denen das Handwerk zu legen, die systematish zum Kriege beßen. Die Versuche uns den proletarischen Nachwuchs abzutreiben, haben keinen Erfolg gehabt. Der größte" Teil unserer Wähler ist dur unseren Unter: richt hindurhgegangen. Gerade die Herren rehfs und 1m Zentrun scheuen sih nicht, in die Arbeiterfamilien den Unfrieden hineinzy- tragen, indem sie die Ziele der Eltern als Teufelswerk hinstellen. Glauben Sie, daß Jhre politischen Ansichten besser als die unserigen sind, so ist das Jhr gutes Necht. Unser gutes MNecht und unsere Pflicht ist es, zu wünschen, daß unser Nachwuchs dereinst in unsere Fußtapfen eintrete, das heißt, wenn er reif geworden ist, daß er noch besser und entschiedener fozialdemokratisch werde, als wir es sind. Sie haben kein Recht, das natürlihe Menschenrecht sozialdemokratischer Väter und Mütter zu vergewaltigen. Deshalb lehnen wir die Forderung ah.

Vizepräsident Dr. Paa sche teilt mit, daß bei der Abstimmung über die Resolutionen fünf zum Etat für 1913 beantragte Nesolutionen übersehen worden sind. Die Abstimmung über diese wird zu Beginn der morgigen Sißung stattfinden.

Abg. Prinz zu Schönaich-Carolath (nl.): Die Zentral. stelle für Volkswohlfahrt kann doch nichts für den bebhauvteten Miß, brauch des Reichsveretn8geseßes. Chauvinisten gibt es in allen Parteien und in allen Läadern ; auch dafür kann die Zentralstelle nit ver. antwortlih gemacht werden. Ein Generalfeldmarschall existiert, sovie!

ih weiß, niht in der Zentralstelle und ist nicht sein M tglied, |

sein Auftreten ist also wiederum die Zentralstelle nicht berantwortlid), Daß die bürgerlihe Gefellshaft sih ebenfalls zusammwens\{ließt und sich ihrer Pflichten bewußt Patriotismus in die Herzen der Iugerd pflanzt, kann die Sozialdemokratie doch nicht wundern. Damit rüstet fih die bürgerliche Gesellschaft zu dem ihr aufgezwungenen Kampf gegen di2 Sozialdemokratie. Die Sosldateuspielerei der Jugend wird auh von manchen bürgerlichen Kreisen getadelt : daß milltärisher Sinn in der Jugend gepflegt wird, ist selbitverständlich, aber die Nachäfferei militärischen Wesens wird auch von uns ver. urteilt. Für dle Jugend sollte v‘el mehr gesehen. Wir wollen unsere Jugend für Sittlichkeit und Vaterlands!iebe erziehen. Jh muß unsere Jugendwehr und Jugendpflege gegen die Sozialdemokraten verteidigen, die von ihnen vorgebrachten angeblihen Polizeishikanen kann ich nicht nahprüfeo. Die Zentralstelle füc Volkswohlfabrt umfaßt die verschiedensten Kreise und hat \ch große Verdienste erworben; es ist in dieser gerade in bezug auf soziale Fragen großes Verständniz vorhanden. Daß sie auf dem Boden des gegenwä: tigen Staates \t:ht, ist do kein Wunder. Die Sozialdemokraten verlangen, daß wir mit geistigen Waffen kämpfen. Das tut die Zentralstelle. Sie muß reicher ausgestattet werden, wenn sie ihre Tätigkeit voll und ganz er- füllen foll. Ich möchte also im Gegensaß zu dem fozialdemokratis ten Nedner den Staatssekretär bitten, seine Tasche mehr aufzuknövfen. Die Finanzen des Reiches sind ja jeßt günstiger als früher. Wir hatten früher die Museumsführung, tie mußte abe? aufgegeben werden wegen Mangel an Geld. Möge der Staatssek1etär seine Bemühungen in dieser Nichtung, die wir aufs wärmste unterstützen, mit dem bis- herigen Nachdruck fortseßen. Z

Abg. Dr. Pieper (Zentr.): Die Angriffe des Abg. Schulz auf die Tätigkeit der Zentralstelle für Volkswohlfahrt entbehrten völlig eines genügenden Anlasses. Er hat sich denn auch auf die Jugend- bewegung zurückziehen müssen, wobei er die Behauptung aufstellt, daß die Zentralstelle der sozialdemokratischen Jugendpflegebestrebung feind- li entgegentrete und damit Politik treibe. Die Leitung der Zentralstelle hat, das kann ich aus persönlicher Erfahrung bezeugen, Besseres zu tun, als die Sozialdemokratie zu bekämpfen. Der Sozial- demokrat Dr. Frank-Mannheim hat übrigens seinerzeit den Ausspruch getan, daß er die Neutralität in der Jugenderziehung für einen Traum halte und nicht einmal für einen {önen ; nach Dr. Frank hat die Iugendbewegung die Erziehung der jugendlichen Proletarier zum Klafsen- kampf zum Zweck. Aehnlihe Aussprüche sind auf den Parteitagen der äußersten Linken zahlreich getan worden. Jst aber diese proletarishe Jagendbewegung nur cine Nekrutens{ule für den Klassen- kampf, so haben die Sozialdemokraten kein Necht mehr, den bürge:- lihen Parteien in dieser Beziehung Vorwürfe zu machen. Wir werden für die Positton mit Freuden stimmen.

Unterstaatsfekretär im Reichsamt des Innern Nichter: D Zentralstelle für Volkswohlfahrt ist keine Staats-, sondern eine private Anstalt, in deren Beirat Mitglieder aller Parteien mitwirken, jeden- falls aller bürgerlichen Parteien. Sie arbeitet völlig unabhängig und beschäftigt fih hauptsählich mit literarischen Arbeiten. Wenn tine derselben der sozialdemokratishen Partei nicht gefallen hat, so ist das kein Grund, ihr die Subvention zu entziehen, weder für die Megierunz noch für die Parlamente.

Abg. Brucckhoff (fortshr. Volk: p.): Wir bewilligen den Titel ebenfalls und haben auch gegen eine Erhößung der Subvention nichts einzuwenden. Wir stehen auf dem Standpunkte des Prinzen Carolath. Die Angriffe des Abg. Sulz gegen unsere Politif auf dem Schulgebiete fordern aber zum Widerspruch heraus. Die Pro- bleme, um die es si hier handelt, können niht nah parteipolitischen Grundsäßen bchandelt werden. Das große Problem der Fürsorge für die shulentlassene Jugend beschäftigt die bürgerlichen Parteien wie die Sozialdemokratie. Der Abg. Schulz protestiert dagegen, daß die bürgerlichen Parteien der Sozialdemokratie die Jugend abspenstig machen wollen; ja, was bezweckt denn die Sozialdemokratie mit ihrer Jugendbewegung? Bedauert habe auch ih, daß der „Jungdeutshlandbund“ eine Art militärischer Organisation erhalten hat, die namentlich die Lehrerschaft diesem Bunde bereits zu entfremden beginnt; die Lehrer wollen es sich mit Recht nicht gefallen lassen, daß, wenn irgend ein Referveleutnaut®intanzt, er tas erste Wort haben soll. Den Verwaltungsbeamten kann man es dod) auh nicht übelnehmen, wenn sie für die nationale Erziehung der Jugend eintreten. Wenn ein Fortbildungésculleiter außerhalb des Lehrplans belehrend auf die ihm unterstellte Jugend einwirken will, macht die sozialdemokratishe Presse sehr häufig ohne weiteres dagegen Front, in der Vermutung, daß er lediglich die Sozial- demokratie damit bekämpfen wolle. Gegen die Behauptung, alle jeßigen Anhänger der Sozialdemokratie seien dur die Schule des Hurrapatriotismus gegangen und seien dadurch Sozial- demokraten geworden, muß ich mit aller Entschiedenheit protestieren. Unsere Bestrebungen in der Jugendpflege werden nicht bon der Furcht vor der Sozialdemokratie dikiiert. Aber, wenn die bürgerlichen Parteten Tage von großer nationaler Bedeutung feiern, fetert dies andere Feste, wenn wir feicrn, was uns erhaben dünkt, dann stebt die Sozialdemokratie dabei und spöttelt. Die Sozialdemokratie schafft dadur zwei Nationen. Diesen Luxus können wir uns nit leisten. Wir arbeiten der Sozialdemokratie entgegen, weil wir die nationale Einheit des Volkes erhalten wollen. E

Vizepräsident P aa f che: Ih möchte doch die folgenden Redner bitten, niht so sehr auf die Jugendpflege einzugehen, fondern bei dem vorliegenden Thema zu bleiben. ; / :

Abg. Davidsohn (Soz.): Jh kann nicht begreifen, wie Mee meinen Parteifreund Schulz mißverstehen konnte. Ec L N um gutes Wetter gebeten. Ec hat sih nur darauf beschränkt, i bürgerlihen Parteien zu bewegen, thre eigenen Bestrebungen L subventionieren. Die 130 000 & der Zentralstelle fließen zum gran Teil aus Neichs- und Staatsmitteln. Nur einige Privatleute ge f ein paar Kröten dazu. Die Herren treiben aber einseitige Jugend-

pflege. Man will alle Schuld von der Zentralstelle abwälzen. Man brauht aber aur die Liste der verschiedenen Jastitutionen und Körperschaften anzusehen, die von der Zentralstelle gebildet worden sind. Dort findet man immer nur Herren, deren Stellung egenüber den einzelnen Problemen von vornherein feststeht. Da sind doch unparteiishe Dickussionen ausgeschlossen. Diese einseitige Zusammensetzung hat selbft der Abg Müller - Meiningen gerügt. Wenn man Achtung vor der Autorität verlangt, dann muß man auch solche vor den Eltern verlangen. Durch die heutige Er- ziehung in der Schule wird aber ein Zwiespalt zwischen Eltern uad Kindern geschaffen. Wir drängen uns niht zur Mitarbeit in der Zentralstelle. Aber wenn sie wuklich unparteiis{ch vorgehen will, dann verlangt es wenigstens der Anstand, das auh die Sozial- demokratie gefragt wird, ob sie niht einige Posten besezen will. Die Parteipolitifk wollen wir niht in die Shule und die Iugend- bewegung hineintragen. Das tun aber die bürgerlihen Parteien. Es. müßten doch wenigstens die Reicbstagsabgeordneten stets in der Lage sein, die literarischen Erzeugrisse der Zentral- stelle einsehen zu können. Die Zentralstelle, die vom Reich fub- ventioniert wird, versorgt nicht cinmal dfe Neichstagsbibliothek mit allen ihren Schriften. Es wäre da erwünscht, wenn das Haus etnen Ueberblick bekfäme über die Publikation all der Organifationen, die das Nelch unterstützt. :

Viz präsident D o v e: Diese Dinge bitte ih do beim Etat des Reichstags vorzubringen.

Abg. Davids ohn (Soz., fortfahrend): Wie einseitig die Zentrale arbeitet und zu welen falschen Schlüssen sie dabei kommt, zeigt die Enquete über die Liebltngslektüre der Fortbildungs\{Gü!er. Es waren da Bücher über die Königin Luise, den Krieg von 1870

T:

und andere ähnlihe Dinge genannt. Man will zwar alle Kräfte

heranziehen, aber unter „alle“ versteht man alle mit Ausnahme der

Sozialdemokratie.

Direktor im Neichsamt des Innern Lewald: Es ist der Bibliothek des Reichstags eine vollständige Sammlung der Schriften der Zentralstelle auf Anregung der Budgctkommission vom Reichsamt des Innern übersandt worden.

Abg. Dr. Bell (Zentr.): Es ist sehr erfreulich, daß in dieser Frage alle bürgerlihen Parteien einig find. Anderseits ist es fals, daß die Zentrasstelle für Volkswohlfahrt politishe Zwette verfolge. Jhr gehören Mitglieder verschiedener Parteien an, stehen aber sämtlich auf dem Boden der heutigen Staatsordnung. Mit Leuten, d'e auf diesem Boden nicht stehen, wie den Sozialdemokraten, kann die Zentral- stelle allerdings richt zusammenarbeiten. Der Schwerpunkt ist auf die Jugendfürsorge gelegt worden : dazu trat aber noch die Fürsorge für die Arbeitslosen. Von sozialdemokratischer Seite, au auf einem Partei- tage, int offen zugegeben worden, daß das Ziel sei, in die prole- tarishe Jugend den revolutionären Geist zu pflanzen. Ihre Iugend- organisation dient also politishen Zwecken. Die fozialdemoktratische Jugendorganisation besteht rubig fort und dient dem Klassenkampf, also Parteizwecken. Die verschtedenen Arbeiter, die der Volkswohl- fahrt dienen, tun das nicht, ebensowenig die Zentralstelle für Volks- wohlfahrt. Den Sozialdemokraten liegt au nichts daran, diese Zentralstelle irgendwie zu verbefern, sie üt ibnen vielmebr bödst un- bequem. Die Zentralstelle hat auch Literaten, Künstler usw. zu- gezogen, namentlih in der Frage der Bekämpfung des Schmugtes in Wort und Bild. Gerade die Bekämpfung der Zentralstelle durch die Sozialdemokratie sollte die Negierung veranlassen, den Etatstitel im nächsten Jahre zu erhöhen.

Abg. Schu l z - Erfurt (Soz.): Der Präsident wird ungeduldig,

ih kann ihm das nachfühlen, aber diese Frage ist mindestens fo wichtig wie die Neblautfrage. Wir haben gar nichts dagegen, daß sich irgendwelhe Organisationen bilden, die uns bekämpfen. Wir wenden uns nur dagegen, daß eine private Gesellschaft mit Reichs- mitteln unterstüßt wird, die einseitig g°’gen eine Partei vorgeht, die dasselbe Reht hat wie jede andere Partei. Der Abg. Kuckhof {eint von dem, was er auf dem Seminar ge- lernt hat, niht mehr viel zu wissen. Er kennt nit die Kaiserlichen Erlasse, wonah im Geschihtsunterriht und im übrigen Unterricht ia erster Linie die Sozialdemokratie bekämpft werden foll. Man darf nicht Politik und politische Bildung verwechseln. Wenn irgendwo gegen die pädagogischen Grundsäße verstoßen wird, so geschieht es auf der reten Seite, nicht durch uns. D'e Herren cheinen alles, was die Sozialdemokratie tut, für Politik zu halten, aber was die Jünglingsvereine usw. treiben, nicht. Der Abg. Bell ist do wohl in seinem Privatberufe Nehtsanwalt, und da begreife ih nit, wie er als Necbtsanwalt si bier binstellt . (Vize- präsident D ove bittet den Nedner, nicht die Privatverhältnisse eines Abgeordneten in die Debatte zu ziehen.) Er mußte wissen, daß es bei uns Sozialdemokraten Jugendorganisationen leider nicht mehr gibt. Unsere Jugendvereine sind uns überall in Preußen abgetrieben, sie sind aufgelöst worden. Diesen Zustand frasser Ungerechtigkeit müssen wir vor der Oeffentlichkeit feststellen. Abg. Peu s (Soz.): Der Reichstag hat vor zwei Jahren eine Resolution angenommen, die de Förderung der inneren Kolonisation betraf, um vorübergehend Arkeitslosen bei der Kultivierung der Oed- ländereien und Moore Beschäftigung zu verschaffen. Die Bestrebungen des Vereins, der \ich diese Förderung zum Ztele gesetzt hat, berühren au uns zum großen Teil durchaus sympathisch; der über leine Tätigkeit erstattete Bericht ergibt, daß er in der kurzen Zeit feiner bisherigen Wirksamkeit auch praktis {on annehmbare Erfolge, insbesondere für Berlin und Charlottenburg, erzielt hat: die von ihm angelegte Ansiedlungsstätte mat einen ansprehenden Eindruck. Ein Erfolg ;t sich also, wie dieses Beispiel zeigt, erzielen. Natürlich darf pie Kolontfation nur erfolgen in möglichster Nähe von Industriestätten. Au die Gewerkschaften haben an der Sache immerhin ein Interesse. Vie anzesiedelten Arbeiter müssen in Genossenschaften zusammengefaßt werden. Jch kann nur wünschen, daß der hier gemachte Versuch all- gemeinere Beachtung findet.

Damit schließt die Diskussion.

Persönlich bemerkt der

Abg. Prinz S{önaich-Carolath (nl.): Dex Vorwurf, den der Abg. Davidfohn gegen die Zusammenseßung des Beirats der ventralstelle erboben hat, trifft jedenfalls auf mich nit zu.

Der Titel wird bewilligt.

_ Unter den „allgemeinen Fonds“ befindet sih ferner die Velast ung des Reiches aus den auf Grund der Neichs- versiherungsordnun g zu gewährenden Leistungen 2120000 M, mehr gegen das Vorjahr 748 000 A. Hierzu hat die Budgetkommission folgende Nesolution beschlossen :

„„ „Die verbündeten Negierungen zu ersuchen, neue Berehnungen über die Belastung des Reiches und der Versicherten aus der Vinterbliebenenverforgung aufstellen zu lassen. Bei dieser Bereh- nung sind dke bis 1913 gemachten Erfahrungen über Hâufigkeit der entenbewillignng, die Höhe der ersparten Beitragserstattung und

er Erträge aus der zur Durchführung der Hinterbliebenenversorgung herbeigeführten Beitragserhöhung mit zu b:rücksihtigen. Sollte ergeben, daß aus der Summe, die bei Schaffung der Versiche-

tung als Belastung des Neiches angenommen ist, und den Erträgen, le den Versicherungsträgern durch Wegfall der Beitragserstattung erspart werden, und aus der Erhöhung der Beiträge für die Hinter- liebenenversorgung zufließt, höhere Nenten gewährt werden onnen, als in der Reichsversiherungsordnung vorgesehen O dann em Reichstage s{leunigst eine Vorlage zugehen zu lassen, durch welche die Nenten fo weit erhöht werden, wie fie aus den verfügbaren Ütteln gezahlt werden können.“ j S wh Referent Abg. Graf West ar p (dkons.) gibt zu diesem Beschlusse bitt einige Erläuterungen. Die Vertreter des Neichsamts des Innern vid en allerdings dem Verlangen nach Aufstellung einer neuen Rechnung u ‘pprodhen, der bisher verflossene einjährige Zeitraum sei dazu bea I Die Kommission habe aber in ihrer Mehrheit die erha ragte Resolution angenommen, sie wolle also etwaige _Mehr- Ÿ ale in erster Linie für die Nelifktenversorgung, nicht für die ‘rabsezung der Grenze für die Altersrente verwandt wissen.

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Fürst Bismarck hat einmal alle Anträge der Sozialdemokratie als phantastish bezeichnet. Derselben Meinung waren au die bürgerlichen Parteien bei Verabschiedung der Neichsversiherungsordnung. Man erklärte, faß die Annahme unserer Anträge bezüglich der Hinterbliebenenfür orge ungezählte Milliarden kosten würde. Die Behauptung über die Milliardenkosten waren natürli sehr phantastisch. Aber man nahm dies nur als Vorwand, um unsere Anträge ablehnen zu können. Man kann sofort sehen, wie weit die Wirklichkeit hinter diesen Phantastereien zurück- blieb, wenn man die 1 950 000 4 betrachtet, die als Reichszushuß in den Etat eingeseßt sind. Auch die Meinung, daß durch die Ein- führung dieser Versicherung die Beiträge sehr erhöht werden müßten, hat fi als unrihtig berausgestellt. Nun ist die Rente, die die Witwen und Waisen auf Grund der alten Berechaung erhalten, fo gering, daß eine Aufbesserung dringend nötig ist. Das hat man jeßt auch in der Kommission eingesehen. Sie verlangt deshalb eine neue Berechnung, um festzustellen, ob nit die Möglichkeit einer Er- höhung vorliegt. Das wird ficher der Fall sein. Denn die Vor- aus]eßBung, von der die Mathematiker bei der ersten Feststellung ausgingen, hat sich s\{chon bald als unrihtig erwiesen. Die Resolution der Kommission über diesen Punkt beweist allein, wie recht wir mit unseren damaligen Anträgen hatten. Die Ansprüche für die Hinterbliebenenversicherung müßten eigentli 94 Millionen betragen, statt dessen find nur 1 950 000 4 vorgesehen. Daraus ersieht man, wie sehr das Erheben der Ansprüche zurück- gegangen ist. Wie die Verhältnisse heute liegen, können die Witwen- und Waisenrenten erheblich gesteigert werden. (Der Nedner sucht dies auf Grund eines umfangreichen Zahlenmaterials zu beweisen.) Unsere Anträge sind keineswegs phantaîtish, aber Sie haben eben niht mehr geben wollen. Auch die Waisenrenten müssen auf einer ganz anderen Basis aufgebaut werden, als es beute der Fall ist. Ich bitte die Negierung, uns mitzuteilen, wie viele Witwen- und Waifenrenti: n 1912 bewilligt worden sind. Jedenfalls follte man diese ganze Frage dauernd im Auge behalten.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Die Aus- führungen des Vorredners gehen darauf hinaus, daß die Wirklichkeit hinter den Zahlen weit zurückgeblieben ist, die bei den Beratungen des Geseßes als maßgebend hingestellt wurden, daß die Leistungen viel zu gering seien, und daß mehr geleistet werden könne. Ich glaube, daß dicse Ausführungen nicht zutreffend sind. Ich will nun zunächst mitteilen, wieviel Renten in dem ersten Fahre 1912 gegeben worden sind. Es sind im ersten Vierteljahr 92 Witwenrenten gegeben worden ; dicse sind auf 1800 im letzten Vierteljahr gestiegen. Waisenrenten wurden bewilligt im ersten Vierteljahr 558, im leßten 5500. Witwengelder wurden im ersten Vierteljahre in 144 Fällen gegeben, im leßten Vierteljahr in 1500. Auch hier bestätigt sih augenfällig der Saß, daß bet einer \solhen neuen Versicherung die Anmeldungen im Anfange bei weitem niht in dem erwarteten Tempo eingehen, sondern daß sie sich erst ganz allaählih steigern. Diese Steige- rungen werden zweifellos auch fernerhin anhalten, namentli wenn man erwägt, daß für ein volles Jahr nahhträgli}4 noch NMenten gefordert werden können. Diese Erscheinung hat \sich auch bei den Invalidenrenten gezeigt. Im Jahre 1892 wucden [7 284 Menten gefordert, im folgenden (Von 95.000, im ¿weitfolgenden 47 000, und jeßt beträgt der DurWschnitt der leßten fünf Jahre 115000. Au bei der Hinterbliebenen- versicherung haben wir auf eine sehr erheblihe Steigerung noch zu rechnen. Jedenfalls wäre es sehr gefährlih, wenn man nach dem Vorschlage des Abg. Molkenbuhr die Erfahrungen dieses ersten Jahres der Hinterbltebenenversicherung zugrunde legen wollte, um die Leistungen neu zu bemessen. Der Vorredner hat daun in längeren Ausführungen dargelegt, daß nach den erhöhten Einnahmen der Ver- ficherungsanstalten sehr viel höhere Leistungen für den vorliegenden Zweck gemacht werden könnten. Er beredhnet den Betrag, der tat- sächlich zur Verfügung stände, auf 4 1 auf den Kopf der Ver- sicherten auf Grund der Reichsversicherung. Die Folgerung wäre natürlich unanfehtbar, wenn die Vorausseßung richtig wäre. Der Vorredner kann sich aber aus der Bilanz über- zeugen, daß diese 4 für die Ötnterbliebenenversicherung eben nicht “zur Verfügung stehen, Ine Ur LTE M. Die übrigen 2,26 können für Leistungen der Hinterbliebenen- vêérsicherung nicht verwendet werden, weil sie zur Deckung anderer Leistungen notwendig sind, insbefondere für Heilfürsorge usw. Bei den gegenwärtigen Beiträgen kann deshalb auf eine Erhöhung der Hinterbliebenenbezüge nicht eingegangen werden.

Abg. Gothein (fortshr. Volksp.): Es ist sehr mißlich, bier im Plenum ausführliße Berechnungen aufzustellen, die man nicht nachprüfen kann. Solche Berechnungen gehören in Abhandlungen. Ih möchte dem Abg. Molkenbuhr empfehlen, in Zukunft seine Berechnungen in irgend einer Schrift niederzulegen, und zwar so rechtzeitig, daß das Plenum dazu Stellung nehmen kann. Ih habe vor der Mathematik als Wissenschaft eine große Hochachtung. Wenn troßdem hier so verschiedene Ergebnisse zutage gefördert werden, so werden vorausfihtlich die Unterlagen nit einwandfrei sein. Die seitens des Vertreters des Neich?amts des Innern in der Budgetkommission egebenen Zahlen sfahen wesentliß anders aus als die ausführlichen Berechnungen des Abg. Molkenbuhr. Aber auch die Berechnungen des Reichsamts sind zweifel: haft, da sie sich auf die Berufsstatistik von 18892 stüßen. Seit- dem haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert. Dazu tritt der sehr erhebliche Rückgang der Geburtenziffer. Es ist also durhaus in der Ordnung, in eine neue Prüfung der Verhältnisse einzutreten, aber niht \{chon nah einem Jahre : es muß mindestens noch das näâchstfolgende Jahr hinzugezogen werden. Gehen die Er- gebnisse au dieses Jahr dahin, daß die Möglichkeit einer Steigerung der Nenten sih ergibt, so soll man auch damit vorgehen, selbst: verständlih mit der gebotenen Vorsicht. Die jeßigen Nenten sind tatsächlih fo gering, taß sie auf allen Seiten bei den Interessenten die allergrößte Enttäushung hervorgerufen haben. Die Angriffe des Professors Bernhard auf die gesamte Neichssozialversiherung foll man niht allzu tragisch nehmen. Gewiß kann eine solche Gesetzgebung auch zum Mißbrauch und zur Schwächung der Charakterstärke dieses oder jenes Arbeiters führen, aber diese Ausnahmen darf man niht verallgemeinern. Die Ausführungen der Bernhardshen Schrift sind zum Teil bereits widerlegt.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Jnnern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Ich möchte mir nur einige kurze Aus- führungen gestatten im Anschluß an das, was der Herr Abg. Gothein zuleßt über die Bernhardsche Schrift gesagt hat. Auch meiner Aufmerksamkeit is die Schrift niht entgangen. Auch ih halte ihre Folgerungen niht für begründet und jedenfalls für unzureihend begründet mit dem Material, das in der Bernhardshen Ss{hrift enthalten ist. Es ist rihtig, daß die Ausführungen zum Teil \{on widerlegt sind unter anderem auch durch einen Vortrag, den der Präsident des NReichs- versiherungsamts Kaufmann gehalten hat. Ein anderer Teil der Bernhardschen Ausführungen ist zum Gegerstand etner cingehenden Kritik gemaht worden in einer Arbeit des Geheimrats Würmeling aus meinem Amt, die ih Ihrer Lektüre nur empfehlen kann. Und endli ist ja au neulich seitens des Herrn Abg. Pieper ein Antrag angekündigt oder bereits gestellt, der von mir verlangt, daß die Frage der Wirkung unserer sozialpolitishen Geseßgebung auf allen in Be- tracht kommenden Gebieten eingehend studiert werden möchte.

Nun, meine Herren, ih habe neulich aus einem anderen Anlaß {hon über die Mängel gesprochen, die in der Art der Ent- wicklung unserer sozialpolitishen Gesetzgebung ja zweifellos

liegen. Ich habe auf der anderen Seite aber auh die Vors-

würfe zurückgewiesen, daß wir stillgestanden seien, und daß die nament- lih dem Schuß von Leben und Gesundheit der Arbeiter dienenden Bestimmungen nicht hinreihend entwickelt wären. Meine Herren, ih werde demnächst alle auf diesem Gebtet zurzeit geltenden respektive neuer:zn Bestimmungen zusammenfassend veröffentlihen, und zwar nihcht bloß die Bundesratsverordnungen, sondern auch die Grundzüg?, von denen ih damals gesprohen habe, die zur Anleitung für die Polizeibehörden und füc die Gewerbeaufsihtsbeamten usw. dienen sollen, und {ch werde versuchen, den Wünschen des Antrags Pieper, Spahn in der Weise zu entsprechen, daß im Anshluß an dieses Material eine eingehende Darstellung und Wür- digung der Ergebnisse unserer sozialpolitishen Geseg- gebung ausgearbeitet wird. Es ist das natürli eine Arbeit, die ih nicht binnen weniger Monate bewältigen kann. Ich bin aber der Meinung, daß es #ch hier um etne Aufgabe handelt, die wohl der Mühe und der Zeit wert ist, die sie erfordern wird. (Beifall im Zentrum.)

Der Herr Abg. Gothein und die anderen Herren, die im Lauf

der Debatte über meinen Etat über diese Frage gesprochen haben, wollen also aus diesen Ausführungen entnehmen, daß ih meinerseits bereit und ents{hlossen bin, diese Frage nicht so liegen zu lassen, sondern durch eine besondere Arbeit zu durhforschen und zu klären. (Bravo !) _ Abg. Giesberts (Zentr.): Der Vertreter des Reichsamts des Znnern meinte, die Berehnungea des Abg. Molkenbuhr seien richtig, aber ob ihre Vorausseßungen rihtig seien, wäre doch eine andere Frage. Der Ministerialdirektor Caspar hat auf die Grfahrungen bei der Invalidenversicherung hingewiesen; aber damals war die ganze Geseggebung etwas Neues, während heute die Arbeiterschaft weit mehr unterrichtet ist. Wir stimmen der Kommissionsresolution zu, nicht weil wir die Berechnungen des Abg. Molkenbuhr als richtig hinnehmen, \ondern um threr Tendenz willen. Wir hatten neue statistishe Erhebungen be- antragt, das ist in der Kommission aber abgelehnt worden. Wir werden den Antrag erneut einbringen. Eine folche Statistik brauht niht allgemein durchgeführt zu werden : für die hier in Betracht tommenden Volkskreise fann es doch nicht so \chwierig sein, ne Sterblichkeitstabellen zu beschaffen. Das Vorgehen des Professors Bernhard darf nicht untershägt werden; ér E Rur einer in einer großen Gruppe von Scharfinachern, die gegen unsere Sozialgeseßgebung im Inlande und Auslande Sturm laufen, Bernhard ist sogar ersucht worden, in dem Kursus für staatswissenschaftlihe Fortbildung einen Vortrag über die Wir- fungen der deutschen Sozialgeseßgebung zu halten ! Für das Bern- hardshe Buch ist au eine ganz arae Reklame gemacht worden. Wir müssen alles dranfeßen, diese \harfmacherishe Richtung - zurück- zuwerfen.

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Der Ministerialdirektor Caspar

hat bestritten, daß für die Erhöhung der Hinterbliebenenrente das Geld vorhanden sei. Unter den Posten, für die die 2,26 4 nah seinen Darlegungen verwendet werden, führte er au die Erhöhung der JIn- validenrente auf für solche, die Kinder unter 15 Jahren haben. Da übersieht er, daß für diese Fälle eine besondere weitere Bei- tragserhöhung in dem Gesetz beschlossen worden ist. Und das Heils verfahren ist ja dur die Reichsversicherungsordnung eingeschränkt worden. ___ Abg. Becker- Arnsberg (Zentr.): Für den Neichêtag ist es im Augenblicke ganz unmöglih, die MRechuungen des _Abg. Molkenbuhr nachzuprüfen. Auf die Broschüre des Professors Bernhard werde ih beim Etat des MNReichsversicherungsamts noch näher zurückfommen. Sie ist abgetan {on durch ihre folofsalen Uebertreibungen; na ihren Behauptungen müßte man die NVeberzeugung gewinnen, daß die übergroße Mehrzahl aller versicherten Arbeiter Simulanten und Rentenjäger seien. Die Arbeiter|ekretäre follen dana schuld daran sein, daß die Renten \o kolossal gestiegen sind. Professor Bernhard hat ja in diese Dinge nit den völligen Einblick; ich glaube nicht, daß er den Mut auf- bringen würde, einem Krüppel die Einlegung des Rekurses wegen dessen völliger Aussichtslosigkeit zu widerraten, wie es die Arbeiter sekretäre leider nur zu oft tun müssen. Die Tendenzschrift des Pro- fessors Bernhard beruht auf einem Vortrag, den er in dem Verein der Eifenhüttenleute in Düsseldorf gehalten Dat; S Ul bedauerlich, daß Arbeitgeber der Shwerindustrie ihr zustimmen, aber erfreulich, daß auch zahlreiche Arbeitgeber sie rundweg verurteilen.

Der Titel wird bewilligt, die Resolution der Kommission angenommen.

Um 63/4 Uhr wird die Fortseßung der Etatsberatung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. Präsident Ka em pf kündigt, um den Abschluß der Beratung des Etats des Reichsamts des Jnnern bis Sonnabend zu ermöglichen, für morgen eine Abendsißzung an. so

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 116. Sißung vom 22. Januar 1913, Vormittags 11 Uhr. Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“)

Veber den Beginn der Sigzung is in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus seßt die zweite Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1913, und zwar die beim ersten Titel der dauernden Ausgaben des Etats für die landwirtshaftlihe Verwaltung, „Gehalt “des Ministers“, üblihe allgemeine Be-

sprechung fort.

Abg. Johans sen (freikons.): Auf dem Gebiete der Mauk- und Klauenfeuie bestehen die mannigfachen Beschwerden der land- wirtschaftlichen Bevölkerung über unnütze und überflüssige Belästigung bei Ausführung der Ueberwahung und Absperrung usw. noch fort. Cine Folge der Seuchen sind auch die ungeheuren Preis\{hwankungen, die den Biebzüchtern das Leben noh weiter ers{weren, denn nur bei stetigen Preisen ist ein rationeller Betrieb möglih. Die Behauptung, daß die steigende Rentabilität des Körnerbaues die Viehzucht be- einträchtige, trifft niht zu: übertrieben ist aub, was man gegen die „viehlosen“ Wirtschaften, speziell auf den Domänen, vorgebracht hat. Wenn man vollends behauptet, der Großgrundbesiy verzichte auf die Viehwirtschaft, fo trifft das gerade Gegenteil zu. Die Preise für den landwirtschaftlichÞh genußten Grund und Boden sind vorwiegend in der Nähe der größeren Städte auf eine unverhältnis8mäßige Höhe getrieben worden, wozu auch die Terrainspekulation beigetragen hat ; ih nehme in diesem Punkte Bezug auf das, was unserseits bei dem Antrage Arendt zur Frage des Realkredits gesagt worden ift. Ich {ließe mit dem Rufe: Vivat, crescat. floreat die deutsche Landwirtschaft!

Abg. Dr. Pach n i ck e (fortshr. Volksy.): Die Maul- und Klauen- seuhe allein kann die Fleishteuerung und den daraus entstandenen Notstand nit erklären. Eins der Gegenmittel wäre die Zollherab- seßung; leider aber haben sich die Herren Deuts(konservativen im Reichstage und die Konservativen hier dagegen erklärt. Wir find hier also wieder einmal die Negierungspartei und Sie (rechts) die Opposition. Etn gewisser Preisrückgang ist durch die Erleichterung der ausländischen Fleischeinfuhr tatsählih erzielt worden. Troßdem stellen sih die Herren dieser do so geringfügigen Einfuhrerleihterung