1913 / 25 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

I. Die cetatsmäßig angestellten Departementstierärzte erhalten den Rang der Räte vierter Klasse und sind den tehnishen Mitgliedern der Regierungen (D. V. c. der Kabinettsorder, betreffend eine Ab- änderung in der bisherigen Organisation der Provinzialbehörden, vom 31. Dezember 1825 Geseßsamml. 1826 S. 5 —) mit dem Amts- titel „Negierungs- und Veterinärrat“ zuzuzählen.

Aelteren Megierungs- und WVeterinärräten, die sich in ihrer Stellung bewährt haben, will Ih auf Antrag als Auszeichnung den Charakter als „Geheimer Vetertinärrat“ verleihen.

II. Die etatsmäßigen Kreistierärzte (Bezirkstierärzte in den Hohenzollernschen Landen) erbalten den Nang der Näte fünfter Klasse. Als Auszeihnung kann für einen Teil der Kreistierärzte, jedo nicht über die Hälfte der im Staatshaushaltsetat vorgeschenen Stellenzahl, sofern fie mindestens ein zwölfjähriges Dienstalter seit der Anstellung als Kreistierarzt erreiht haben, die Verleihung des Charakters als «Veterinärrat“ beantragt werden.

Neues Palais, den 15. Januar 1913.

Wilhelm. Freiherr von Sch orlemer. von Dallwiß. Lenßte.

An den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, den Minister des Jnnern und den Finanzminister.

Auf Jhren Bericht vom 29. Dezember 1912 will Jch der Staatseisenbahnverwaltung für die von ihr aus- zuführende Verlegung der Hauptbahn Frose—Gatersleben auf die Südseite des Kohlenfeldes der Grube Concordia beî Nachterstedt das Enteignungsrecht zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung des dazu erforderlichen Grund- eigentums im preußischen Staatsgebiet nah Maßgabe der geseßlichen Bestimmungen hiermit verleihen. Der vorgelegte Plan folgt anbei zurü.

Neues Palais, den 6. Januar 1913.

Wilhelm R. von Breitenbach. Sydow.

An den Minister der öffentlichen Arbeiten und den Minister für Handel und Gewerbe.

__ Der Königliche Hof legt heute für Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit den Erzherzog Rainer von Dester- reich, Königlichen Prinzen von Ungarn, die Trauer auf eine Woche bis einschließlih den 3. Februar an. Berlin, den 28. Január 1913. Der Oberzeremonienmeister. Graf A. Eulenburg.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Die Berginspektoren Lossen bei dem Steinkohlenbergwerk König bei Saarbrücken und Nöhrig bei dem Steinkohlen- bergwerk Königin Luise O. S. sind zu Bergwerksdirektoren dieser Werke ernannt worden.

Der Berginspektor Schwan tke von der Königsgrube O. S. ist an die Bergwerksdirektion zu Zabrze verseßt worden.

Ministerium der geisilihen und Unterrichts- angelegenheiten.

Jm Anschluß an meinen Runderlaß vom 13. Februar v. Jahres. f t E U T Nf. 16147 U T.

Zwischen der Königlich Preußischen Regierung und

dem Senat der Freien und Hansestadt Lübe ist eine Vereinbarung mit nachstehendem Fnhalte abgeschlossen worden : ; Die Versezungs- und Abgangszeugnisse der Ernestinenschule in Lübeck sind als ‘gleihwertig mit den entsprehenden VBer- fezungs- und Schlußzeugnissen solcher Lyzeen in Preußen anzusehen, in welhen die Klassen der Oberstufe in getrennten Jahreskursen unterrichtet werden. Ferner sind die Versetungszeugnisse des mit der erwähnten Schule verbundenen Höheren Lehrerinnenseminars sowie die Zeug- nisse der an dieser Anstalt bestandenen Wissenschaft- lichen Abschlußprüfung und Lehramtsprüfung als gleihwertig mit den entsprehenden Verseßzungs-, Reife- und Lehramts- zeugnissen der Oberlyzeen in Preußen anzuerkennen. Außerdem gelten die Zeugnisse über das Bestehen der in Lübe Ostern 1912 abgehaltenen und Ostern 1913 zum leßten Male abzu- haltenden Prüfung für Volks\chullehrerinnèn als gleihwertig mit den in Preußen erworbenen Zeugnissen über die Befähigung zur Anstellung als Volksschullehrerin.

Demgegenüber sind die betreffenden Zeugnisse der Lyzeen und Oberlyzeen in Preußen sowie die in Preußen von den dafür besonders eingesetzten Prüfungskommissionen über die bestandene Reifeprüfung des Oberlyzeums und Lehramtsprüfung und die in Preußen ausgestellten Zeugnisse über die bestandene Volks\chullehrerinnenprüfung, und zwar die leßteren ohne Be- \{chränkung auf die Prüfungsjahre 1912 und 1913, als gleich- wertig im Gebiete der Freien und Hansestadt Lübeck anzusehen.

Berlin, den 13, Januar 1913.

Der Minister der geisilihen und Unterrichtsangelegenheiten. V. von Chappuis.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Der Kreistierarzt Nitschke in Blumenthal Kreistierarztstelle in Strehlen verseßt worden.

it indie

Evangelischer Oberkirchenrat.

Zum Pfarrer der deutschen evangelisch-lutherischen Ge- meinde in Hull (England) ist der Pastor Georg Struck- meier aus Frankfurt a. M. berufen worden.

Nichlamfkliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 29. Januar 19183. Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller entgegen.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sißung zusammen.

Das Staatsministerium hat beschlossen, den von dem Domkapitel in Limburg zum Kapitularvikar gewählten Dom- dekan Hilpisch zur Ausübung der ihm als Kapitularvikar zu- stehenden bischöflichen Rechte und Verrichtungen zuzulafsen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Aus- {uß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sißungen.

Ueber die Ergebnisse der Beratungen der Straf- rechtsfommission ist folgendes mitzuteilen.

Jn der Vorschrift über die Begünstigung 280 VE.) ist zum Ausdruck gebracht, daß die Strafe ‘auch dann eintritt, wenn der Begünstigte bei Begehung der Vortat nicht shuld- haft gehandelt hatte. Die Strafe soll, wie im geltenden Recht, nach Art und Maß nicht schwerer sein dürfen als die auf das Vordelikt angedrohte; falls dieses mit Einshließung bedroht ift, fo kann wegen der Begünstigung an Stelle von Gefängnis auch auf Einschließung erkannt werden, und ebenso soll, falls die Vortat nur auf Antrag verfolgbar ift, auch die Verfolgung der Begünstigung von dem Antrag abhängig sein. Auch bei der Hehlerei (8 281) soll ein niht s{huldhaftes Handeln des Vortäters dem Hehler nicht zugute kömmen. Neben dem Mit- wirken zum Absatz der Sachen ist auch das Abseßzen selbst unter Strafe gestellt. Ju. subjektiver Hinsicht wird die Absicht, sih einen Vermögensvorteil zu verschaffen, erfordert. Jn der Strafdrohung ist Geldstrafe nur bei mildernden Umständen zugelassen. Fm Abs. 2 des § 281 (gewerbs- und gewohnheits- mäßige Hehlerei) ift auf die erhöhte Mindeststrafe für besonders schwere Fälle verzichtet.

Bei Beratung des 26. Abschnitts (Urkun denfälschung ), der hinter den Abschnitt 11 (Gefährdung der Rechtspflege) eingestellt werden foll, hat die Kommission beschlossen, in den 8 12 des Allgemeinen Teils eine Definition des Begriffs „Urkunde“ aufzunehmen. Urkunde imSinne des Geseßes ist danach jeder Gegenstand, der dazu bestimmt ist, durch Schriftzeichen oder ihnen durch Verkehrsfitte oder Vereinbarung gleichgestellte Zeichen eine rechtlich erheblihe Tatsache zu beweisen. Was den Tat- bestand der Urkundenfälschung 282) betrifft, so wird in Rück- fehr zum geltenden Rechte im Abs. 1 erfordert, daß der Täter nicht nur eine Urkunde fälschlich anfertigt oder verfälscht, sondern von ihr auh zum Zwecke der Täuschung Gebrauch macht. Als Strafe ist Gefängnis, bei mildernden Umständen Geldstrafe bis zu fünftausend Mark angedroht. Im Abs. 3 des §8 282, der die Urkundenfälschung in gewinnsüchtiger Absicht oder in der Ah- sicht der Schädigung eines anderen behandelt, ist die Straf- drohung dahin geändert, daß Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis, und nur für besonders schwere Fälle Zuchthaus bis zu zehn Jahren angedroht wird. Der § 2883 (Fälshung von Ausweis - papieren) ist umgestaltet, soweit er das Gehrauch- machen von falschen „Papieren betrifft; hier soll, während der wiss@#Hihes Ha®Ldeln perlangte, der

Vorentwurf l einfache Vorsaß mit Einschluß des dolus eventualis genügen. Neben Gefängnis foll, falls die im Allgemeinen Teile be-

stimmten besonderen Voraussezungen vorliegen, auf Unter- bringung in einem Arbeitshaus erkannt werden können. Die Bestimmungen gegen die Fälshung und den Mißbrauch amtliher Zeichen (8 284) sollen in den 10. Abschnitt (Münzverbrehen und Münzvergehen) ein- gestellt werden. Der Strafshuß umfaßt amtlihe Zoll-, Steuer- oder Stempelzeichen und Post- und Telegraphenwert- zeichen des Jn- und Auslandes. Im Abs. 1 ift bei mildernden Umständen auh Geldstrafe bis zu fünftausend Mark und für besonders schwere Fälle Zuchthaus bis zu fünf Jahren zugelassen. Für die Strafbarkeit der Wieder- verwendung der amtlichen Zeichen 284 Abs. 2) soll vorsäglihes Handeln ausreichen. Jm 8 284 Abs. 83 sind die Worte „oder einem anderen überläßt“ gestrichen. Bei der mittelbaren Falschbeurkundung (§8 285) ist die Straf- drohung auf Gefängnis oder Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erhöht und die im Abs. 2 enthaltene Verweisung auf S 282 Abs. 3 dadurch erseßt worden, daß für besonders schwere Fälle Zuchthaus bis zu fünf Jahren vorgesehen ist. Jm § 286 (Ausstellung undGebrauch unrichtiger Gesundheits zeugnisse) ist der Kreis der Täter des Abs. 1 auf Zahn- ärzte und Tierärzte erweitert. Bei der Urkundenunterdrückung (S 287) ist als Objekt eine Urkunde erfordert, die einem an- deren gehört oder über die einem anderen ein Verfügungsrecht zusteht. Einbezogen ist das Beiseiteschaffen von Urkunden. Die Geldstrafe ist auf fünftausend Mark erhöht. ‘— Für die Straf- barkeit der Grenzverrückung 288) soll statt der Absicht der bloße Vorsaßtz, einen anderen zu schädigen, genügen.

Im 27. Abschnitte, der die Sachbeschädigung und Vermögensbeschädigung betrifft, ist in den Tatbestand des 8 289 (einfache Sachbeschädigung) auch der Fall ein- bezogen, daß jemand eine fremde Sache auf andere Weise als durch Zerstören oder Beschädigen unbrauhbar macht. Die Sltrafdrohung i} unter Beseitigung der Strafdrohung für besonders {were Fälle auf Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erhöht. Die Vorschriften über den Strafantrag sind mit der Ein- schränkung beibehalten, daß der Antrag nur zurückgenommen werden kann, wenn die Tat gegen einen Angehörigen begangen ist. Die Bestimmung über die gemeinschädlihe Sach- beshädigung 290), die selbständig gestaltet worden ist, richtet sih wieder, wie im geltenden Rechte, auch gegen den Eigentümer der Sache. Als Strafe ist ohne Hervorhebung von besonders s\{chweren Fällen Gefängnis oder Geldstrafe bis zu zehntausend Mark angedroht. Die Fassung der Vermögensbeschädigung 291) ist der Betrugs- vorschrift angepaßt. Das vom Vorentwurfe verwendete Merk- mal der Böswilligkeit ist durch „Absicht, einem anderen Nach- teil zuzufügen“, ersezt. Einbezogen is der Fall, daß jemand in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzu- fügen, eine fremde Sache einem anderen dauernd ent- ieht. Mit Rücksicht auf diese Erweiterung “ist be- Vnbes zum Ausdru gebracht, daß die Vorschrist nur Plat greift, soweit niht in anderen Vorschriften (Diebstahl, Unter- \chlagung) eine s{werere Strafe angedroht ist. Die Straf- drohung ist auf Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu zweitausend Mark herabgeseßt. Die Be- stimmungen über den Sktrafantrag entsprehen denen

bei der Sachbeschädigung. Der Tatbestand der Vol[{. streckun gsvereitlung 293) ist im Abs. 1 dahin um- gestaltet, daß mit Strafe bedroht wird der Schuldner, der eg unternimmt, die Befriedigung eines Gläubigers dadur wissentlich zu vereiteln, daß er bei drohender Zwangsvollstreckung Vermögensbestandteile veräußert, beiseite {haft oder eine Neuerung gegenüber dem Vorentwurf beschädigt. m Abs. 2 wird der Dritte unter Strafe gestellt, der die Handlung mit Einwilligung oder zugunsten eines Schuldners vornimmt Die Vorschriften über den Strafantrag sind auch hier wie bej der Sachbeschädigung gestaltet. Neu aufgenommen ist hinter S 293 eine Strafvorschrift gegen das Abhalten vom Bieten. Durch sie wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark bedroht, wer einen anderen Geschenke oder ' andere Vorteile anbietet verspriht oder gewährt, um ihn davon abzuhalten, bei einer nah den Vorschriften über die Zwangs- vollstreckung oder Zwangsversteigerung stattfindenden Versteige- rung mitzubieten oder weiterzubieten. Jn besonders leichten Fällen soll hier von Strafe abgesehen werden können. Die Strafdrohung für Rechtsvereitelung 294) ist wie im geltenden Rechte grundsäßlich nur gegen den Eigentümer gerichtet, ihm steht wie im § 293 der mit seiner Einwilligung oder zu seinen Gunsten hantelnde Dritte gleih. Jn Erweiterung des Vorentwurfs wird auch die nur teilweise Zerstörung bedroht und der Strafschug gegen Zerstörung auf unbeweglihe Sachen ausgegedehnt. O wird nur vorsäßliches (nicht absichtliches) Handeln erfordert.

Wegen Jagdwilderei (8 295) soll bestraft werden, wer vorsäßlih ein fremdes Jagdausübungsrecht dadurch ver- leßt, daß er an Orten, an denen er zu jagen nit berechtigt ist, oder auf Wild, auf das er nicht jagen darf, jagt oder daß er sonstige in dem aus\chließlihen Än- eignungsrecht des Berechtigten liegende Befugnisse ausübt. Jst dem Täter eine beschränkte Jagdausübung in dem Jagdbezirke gestattet oder hat er die Tat gegen einen Angehörigen begangen, so soll die Verfolgung nur auf Antrag eintreten, dessen Zurü- nahme freisteht. Die Strafdrohung ist auf Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu zweitausend Mark erhöht, bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßigem Wildern, das stets ohne Antrag zu verfolgen ist, auf Gefängnis nicht unter drei Monaten. In entsprechender Weise ist die Fischwilderei (S 296) als die vorsäglihe Verleßung eines fremden Fischereirechts ausgestaltet, die dadur * erfolgt, daß jemand unberechtigt fisht. Als Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark, bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Tat Gefängnis bis zu zwei Zahren angedroht. Für den Strafantrag gelten die entsprechen- den Vorschriften wie bei der Jagdwilderei. Die obligatorische Einziehung der Jagdgeräte, Hunde und Fischereigeräte 298 Abs. 1) ist grundsäßlih beibehalten. Sie soll aber unter- bleiben Tönnen, wenn die Folgen der Tat unbedeutend sind und der verbrecherische Wille gering und nah den Umständen entschuldbar ist; unzulässig foll die Einziehung sein, wenn die rechtswidrige Benußung der Sache nahweislih ohne Schuld des Eigentümers erfolgte. Im §8 297, der die Küstenf ischerei betrifft, ist der Kreis der Täter auf Deutsche erweitert, die von einem ausländischen Schiffe aus fischen. Als Regelstrase ist Geldstrafe bis zu zweitausend Mark, für besonders \{chwere Fälle Gefängnis bis zu sechs Mo- naten vorgesehen. Neu beschlossen ist die Bestrafung der fahrlässigen Begehung, die mit Geldstrafe bis zu ein- lausend Mark bedroht ist. Die Einziehung der in dem Fahr- zeug oder seinem Zubehör enthaltenen Fische 298 Abs. 2) ist stets obligatorisch, die Einziehung der Fischereigeräte nur bei vorfäßlichem Handeln, bei Fahrlässigkeit dagegen fakultativ.

Jm 28. Abschnitt (G lücks\spiel und Wucher) ist bei der Vorschrift über das gewerbsmäßige Glücks\piel 299) die Einbeziehung der Personen, die aus der Förderung des Glüs- spiels ein Gewerbe machen, beseitigt. Die Strafdrohung ist auf Gefängnis, bei mildernden Umständen auf Geldstrafe bis zu fünf- tausend Mark erhöht; ist der Täter ein Ausländer, so kann er nach Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Neichsgebiet aus- gewiesen werden. Jm §8 300 ist auh das unbefugte öffent- lihe Halten von Glücksspielen bedroht. Ferner ist hier die Strafdrohung erstreckt auf Personen, die das Glücks- spiel gewerbsmäßia dadurch fördern, daß sie öffentliche Räume dazu zur Verfügung stellen oder zur Verheimlichung des Glücksspiels mitwirken. Jm §8 301 werden die Aus- spielungen wie im geltenden Rechte nur getroffen, wenn sie bewegliche oder unbewegliche Sachen zum Gegenstande haben. Die Geldstrafe ist auf fünftausend Mark erhöht worden.

Den Unterschied zwischen Kredit- und Sachwucher hat die Kommission beibehalten. Beim Kreditwucher 302) ist der wirtschaftliche Zweck der Rechtsgeschäfte, die neben den Dar- lehns- und Stundungsgeschäften getroffen werden sollen, dadur gekennzeichnet, daß sie der Befriedigung eines Geldbedürfnisses des Schuldners dienen. Der Maßstab des „üblichen Zins- fußes“ ist für die Beurteilung des auffälligen Mißverhältnisses von Leistung zu Gegenleistung als entbehrlih angesehen. Wegen Nachwuchers (Abf. 2) soll nur bestraft werden, wer schon beim Erwerbe der Wucherforderung Kenntnis von dem Sachverhalt gehabt hat. Bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßigem Handeln ist der Strafrahmen unter Streihung der besonders schweren Fälle auf Zuchthaus bis zu flinf Jahren, bei mildernden Um- ständen auf Gefängnis nicht unter drei Monaten erweitert. Dieselbe Strafe ist beim Sachwucher 303) vorgesehen ; die Vorschrift des Abs. 2 ist dem Abs. 2 des § 302 angepaßt. Jn gleicher Weise ist im § 304 (Verleitung Minderjähriger zu Schulden) der Abs. 2 geändert. Der Höchstbetrag der wahl- weise angedrohten Geldstrafe ist im--§ 304 auf zweitausend Mark herabgeseßt.

Die Kommission hat sodann zu einer Reihe von Fragen Stellung genommen, deren Erledigung einstweilen zurückgestellt war. Der Tatbestand der Nötigung (8 240) ist dahin aus- gestaltet, daß unter Strafe gestellt wird, wer vorsäßlich einen anderen durh Gewalt oder durch Drohung mit einem rechtswidrigen d. h. dem Rechte zuwiderlaufenden Ver- halten zu einer Handlung, Duldung - oder Unter- lassung nôötigt, zu der dieser niht rechtlich ver- pflichtet ist. Ebenso ist der Tatbestand der Bedrohung (8 241), die entsprehend dem Vorentwurf als Friedensstörung gestaltet ist, auf Drohungen mit Gewalt oder mit einem anderen, dem Rechte zuwiderlaufenden Verhalten abgestellt worden. Die gleichen Zwangsmittel: Gewalt und Bedrohung mit einem dem Rechte zuwiderlaufenden Verhalten sind in den Tatbestand der Hinderung Wahlberechtigter (8 119) aufgenommen, der zugleih auf den Fall erweitert ist, dab jemand einen andern wegen der Art der Ausübung des Wahl-

ets oder wegen der Nichtausübung des Wahlrechts in wirt- schaftlihen Verruf erklärt. Die Rommiffios e weiter er- örtert, ob und in welchem Umfange bei Vermögensdelikten die Unterbringung in einem Arbeitshaus unter den im Allgemeinen Teile bestimmten Voraussezungen angeordnet werden kann. Sie hat diese Frage unter dem Vorbehalte, daß sich in der zweiten Lesung für eine zweckentsprehende Aus- gestaltung des Arbeitshauses eine geeignete Grundlage ergeben werde, vorläufig dahin entschieden, daß die Unterbringung beim Diebstahl 269), bei der Er- pressung (S 275), beim Delrua (S 270), bel Der Hehlerei (S 281) und beim gewerbsmäßigen Glüks- spiel (S 299) zugelassen werden soll. Shließ- lich hat sh die Kommission mit der Frage befaßt, ob die Kon kursdelikte in das allgemeine Strafgesezbuch einzu- arbeiten seien. Sie hat sich in Uebereinstimmung mit dem Porentwurf —'dahin \chlüssig gemacht, von der Einarbeitung Ab- sand zu nehmen. Maßgebend war besonders die Erwägung, daß ¡wischen den Strafvorschriften der Konkursordnung und dem son- tigen Jnhalte dieses Geseßes ein enger Zusammenhang bestehe und daß eine gründliche Umarbeitung der Strafbestimmungen daher nur möglich sei, wenn man gleichzeitig zu bedeutsamen geseß- geberischen Fragen des allgemeinen Konkursrehts Stellung nehme eine Aufgabe, die außerhalb des Gebiets der Straf- rechtsreform liege.

Laut Meldung des. „V. D. B.“ sind am 25. d. M.

. M. S. „Hansa“ in Las Palmas (Kanarische Inseln), M. S. „Victoria Louise“ in St. Thomas (Westindien) V, S. „Panther“ in Monrovia, am 26. d, M

. S. „Eber“ in Duala, S. M. S. „Lu hs“ in Menado

é S. M. Tpdbt. „S 90“ in Tschingkiang ein-

(N N

S

Oesterreich-Ungarn.

Jm österreichishen Abgeordnetenhause hielt der Präsident Sylvester gestern einen Nachruf für den ver- storbenen Erzherzog Rainer, in dem er, wie „W. T. B.“ meldet, ausführte:

Der Erzherzog Nainer habe als Präsident des ständigen NReichs- ats und als erster konstitutioneller Ministerpräsident an der Wiege xer Verfassung gestanden. Er habe stets ein vorurteiltloses Verständnis mnd ein reges Interesse für die Forderungen des demokratischen Zeit- alters bekundet und dieselbe Hingebung, die er bei der Leitung der Staatsgeshäfte gezeigt, weiterhin der Erfüllung seiner hohen militärischen Funktionen gewidmet. Bei seiner Betätigung auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft, zu denen ihn feine vornehmen Neigungen führten, als Kurator der ÜÄkademte der Wissenschaften und in zahl- reihen Chrenstellen, die cr niht nur dem Namen nach versah, habe {h Erzherzog Nainer als hochherziger Förderer und als überzeugter Anhänger aller bildungsfreundlihen Bestrebungen erwiesen. Seiner Herzensgüte habe die im Verein mit sei"er erlauhten Lebensgefährtin inablâssig geübte Fürsorge für die Armen und Bedrängten ent- prochen. Der Hingang dieses wahrhaft hochsinnigen Prinzen von fo hlihtem Gehaben und eht mens{liher Gesinnung erfülle ganz Desterreih mit tiefem Schmerz. i

Darauf wurde zum Zeichen der Trauer die gehoben und die nächste Sizgung auf 12 Uhr beraumt. : s

Zm Einlaufe befindet sich eine Jnterpellation des Christlih-Sozialen Jerzabek, in der unter Hinweis auf die peitungsmeldungen über Grausamkeiten, die von Truppen kr verbündeten Balkanstaaten verübt worden sein sollen, der iinisterpräsident gefragt wird, ob er geneigt sei, hierüber ein- ehende Erkundigungen einzuziehen und im Falle der Nichtigkeit hr Meldungen dahin zu wirken, daß das österreichisch-ungarische luswärtige Amt sowohl im Namen des Ansehens Europas (ls auch als Vertreter des Staates, der ein Protektorat über je Tatholische Bevölkerung Albaniens ausübt, bei den krieg- sihrenden Mächten nachdrücklihst die ernstesten Vorstellungen ingegen erhebe. /

Sißung auf- Mittags an-

Großbritannien und Frland. __ Wie das „Reutershe Bureau“ erfährt, traten die Ver- eter der verbün deten Balkanstaaten gestern nach- httag zusammen und konferierten über drei Stunden. Während eser Konferenz entwarfen und unterzeichneten sie eine Note, de von dem ältesten der Bevollmächtigten Novakowitsch, sobald er

S jür angebracht hält, Reschid Pascha überreicht werden soll.

__— Im Unterhaus standen gestern Anfragen, betreffend ieGrausamfkeiten, die die Verbündeten in Mazedonien verübt \iben sollen, auf der Tagesordnung.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Staatssekretär tes Auswärtigen Amts Grey in Beantwortuna der Anfragen, er \1de scinen Auéführungen vom 16. und 21. d. M. nur hinzuzufügen, 3 der bulgarishe Ministerpräsident erklärt habe, die bulgarischen zulâren Truppen hätten ketne Ausschreitungen begangen; etwaige vrausamfteiten bulgarischer Banden seien im direkten Gegenfaß zu den “ortnungen des Hauptquartiers geschehen. Der Abg. Walter Putnneß fragte, ob die britishen Konsuln die Angelegenheit nicht ersuchen könnten, oder ob sie tatsählich Gefangene wären, wie es i französishe und der deutshe Konsul in Kawalla gewesen sein len. Grey erwiderte, man könne niht erwarten, daß die britischen A während. eines Krieges in der Lage seien, alle Vorgänge zu erwachen.

_Zu den Anfragen, die eine Veröffentlichung aller Konsularberihte gend wünschen, erklärte Grey, daß man ihm im vorigen Jahre würfe gemacht habe, weil er sich geweigeit hätte, Nachrichten "r türkishe Ausschreitungen in Mazedonien während des itolienisch- lischen Krieges zu veröffentlihen. Man behauptete, er nähme die pitfen in Schutz; er beobachte jedoch jeßt genau das gletche Verhalten. # Berichte enthielten Nachrichten, von denen einige be- fudet \hienen, andere jedo Gerüchte seien. Alles sei unauflöslih ‘einander vermischt. Er habe geglaubt, es sei das Beste, Nach- Ven, die begründet \chtenen, derjenigen Regierung vorzulegen, die ft oder indirekt in der Lage sei, diese Gebiete zu beauffichtigen. # würde nicht im öffentlihen Interesse liegen, gegenwärtig welter gehen. Falls die britishe Regierung es doch täte, würde sie L er das hinaus gehen, was andere Regierungen in dieser

e latin.

, Der Abg. Guinneß fragte Grey weiterhin, ob er bei den Ne- ungen Griehenlands und Bulgariens darauf dringen wolle, daß h Schuldigen bestraft würden, falls die Angaben über Gewalttätig- ven der Griechen und Bulgaren bei der Beseßung von Kawalla sich wahr erweisen sóllten. Grey erwiderte, es sei dem Fragesteller s bekannt, was hinsichtlih dieser und anderer Meldungen în worden sei. Er wolle hinzufügen, daß in dem einzigen ile, in dem die empfangenen Mitteilungen die Namen von [gulären enthalten hätten, die Gewalttätigkeiten verübt haben “en, etne weitere Mitteilung an die in Frage kommende Regierung "htet worden set. Der britische Gesandte sei angewiesen worden, | Namen seiner Negterung die Hoffnung auszusprechen daß diejenigen, p Ausschreitungen nahgewiesen würden, nah Recht und Geseß ndelt werden.

Frankreich.

Jm Ministerrat ist gestern nah einer Meldung des „W. T. B.“ ein Amnestieprojekt in großen fit ae nommen worden, das in sehr weitem Umfange auf solche Personen Anwendung finden soll, die wegen politischer und Preßdelikte, wegen Verstöße gegen das Versammlungsgesegz und wegen Streikvergehen verurteilt worden sind. Gs

Die Deputiertenkammer beriet gestern über den Budgetposten „Pulver und Salpeter“.

Der frühere Unterstaatssekretär André Lefèvre, der in einer Pulverfabrik und an Bord von Kriegs\chiffen eine lange Unter- suchung durchgeführt hatte, wies, obiger Quelle zufolge, darauf hin daß das franzósishe Pulver troy der Kritik das Pulver des Sieges für die Balkanstaaten geworden sei. Die Katastrophen in der fran- zösischen Marine, namentlich auf dem Panzerkreuzer „LUberté", seien seiner Ansicht nah nicht notwendig dem Pulver zuzuschreiben. Das Nitroglycerinpulver verderbe viel {neller, als das B- Pulver. Er glaube an den Sieg der Nitrozellulose, auf jeden Fall gebe es gegen- wärtig kein rauhloses Pulver, das nicht bei der Berührung mit Wasser der Selbstentzündung au®geseßt sei. Lefèvre {loß mit der Bemerkung, er habe gegen die unter den Seeleuten und in thren Familien verbreitete Unruhe auftreten und das Vertrauen des Landes wieder befestigen wollen.

In der republikanish-\ozialistischen Gruppe der Kammer gab der frühere Kriegsminister Millerand Aufklärungen über die Wiedereinstellung Du Paty de Clams. Die Gruppe sprah im Einvernehmen mit Millerand die Ueber- zeugung aus, daß es wünschenswert sei, diese Angelegenheit in der Kammer zur Sprache zu bringen, und beauftragte den Abgeordneten Violette, am nächsten Freitag darüber eine An- frage an den Kriegsminister Etienne zu richten.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten offiziösen Mel- dung wird die neue marokkanishe Anleihe ungefähr 150 Millionen betragen, wovon 35 Millionen für die Liqui- dierung der Schuld des Machsen, 46 Millionen für die Ende März zur Submission gelangenden Hafenbauten von Casa- blanca und der Rest für den Bau von Straßen, Spitälern, Schulen und Baulichkeiten für die verschiedenen Dienstzweige der Generalresidentshaft verwendet werden sollen. Der An- leiheentwurf wird in kurzem dem Parlament vorgelegt werden.

Spanien. ___ Der frühere Ministerpräsident Moret ist, einer Meldung Des „U T. B.“ zufolge, gestern abend gestorben. Der König, die Minister und viele hervorragende Persönlichkeiten haben der Familie des Verstorbenen Beileidsbesuche ab-

gestattet. Türkei.

__ Der Entwurf der Antwortnote gestern ins Französische überseßt worden.

- Das Kabinett ist nunmehr vollständig, abgesehen von dem Präsidium des Staatsrats, das dem ehemaligen Groß- westr Kutschuk Said angeboten worden ist. Die Verhandlungen mit dem früheren Großwesir Hakki Pascha, um ihn zum Ein- tritt in das Kabinett zu bewegen, werden fortgesezt. Wie „W. T. B.“ meldet, soll Hakki Pascha sich bereit erklärt haben, irgend ein Portefeuille anzunehmen, falls einige Minister wechseln und sein allgemeines politishes Programm angenommen wird. Dieses Programm würde eine versöhnlichere Politik gegenüber einzelnen Nationalitäten sowie allgemeine Reformen, insbesondere eine Umgestaltung der Verwaltung in west- europäischem Geiste, in fich schließen.

der Pforte ist

Serbien.

Der König hat, wie „W. T. B.“ meldet, einen Ukas unterzeichnet, durch den auf Antrag des Armeeoberkommandos zahlreihe Offiziere, die sich vor dem Feinde ausgezeichnet haben, außer der Reihe befördert werden; der Kronprinz Alexander wird zum Obersten, der Prinz Paul zum Re- serveleutnant der Garde ernannt.

Amerika. Ñ Die gestern bei der gesebgebenden Körperschaft des Staates New York eingebrachte Bill über die Börsenreformen verlangt nah Meldungen des „W. T. B.“ die Jnkorporation der ¿Fondsbörsen des Staates und die Kontrolle des staatlichen Bantkinspektors.

Asien.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ haben die Truppen von Batang gemeutert. Die Chinesen haben bei Litang eine Niederlage erlitten. Der General Tschu, der von Litang gegen Norden vorrückte, wurde gefangen genommen und getötet. Das Gebiet von Litang ist in den Händen der Tibetaner. Die Truppen haben ein Winterquartier in Tatsienlu

bezogen.

Für die Mandschurei ist das Amt eines Ober- fommandierenden der Streitkräfte und das eines Nesidenten geschaffen worden, der in wichtigen diplomatischen Fragen selbständig entscheiden und mit den Vertretern des Aus-

landes verkehren soll.

: Afrika.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Saffi hat die Schüßlingsfrage abermals einen Zwist zwischen den französischen und spanischen Behörden verursacht. Ein unter spanischem Schuß stehender marokkanischer Jude hatte einen französishen Wachtvosten mit dem Stock bedroht und war von einem französishen Gendarm fest- genommen und vor den spanischen Konsul geführt worden, der gegen dieses Vorgehen Einspruch erhob und den Verhafteten freiließ. Einige Tage später wurde der Jude im Auftrage des französischen Plaßzkommandanten auf der Straße verhaftet.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Reichs- tags befindet sih in der Ersten Beilage. î i

Auf der Tagesordnung der heutigen (100.) Sigung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichsjustiz- amis Dr. Lis co beiwohnte, stand die folgende Jnterpellation der Abgeordneten Brandys u. Gen. :

_ Die preußische Staatsregierung hat die Enteignung pol- nischer Gutsbesitzer für die Zwecke der Ansiedlungskommission in Angriff ibt Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um dieser mit dem Geiste der Neichsverfassung und mit der Netch8geseßgebung unvereinbaren, in politischer wie sozialer Be- ziehung die Bevölkerung aufs tiefste erregenden Maßnahme ent-

gegenzutreten ?

Auf die Frage des Präsidenten, ob und wann die S pellation beantwortet werden würde, nahm der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco das Wort. Seine Rede wird morgen im Wortlaut mitgeteilt werden.

(Schluß des Blattes.)

Die heutige (120.) Sißzung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Dr. Freiherr von Schorlemer, beiwohnte, er- öffnete der Präsident Dr. Graf von Schwerin mit der Mikt- teilung, daß das Präsidium im Auftrage des Hauses Seiner Majestät dem Kaiser und König gelenentlih der Defiliercour die Glückwünsche des Hauses zum Geburtstage ausgesprochen und Seine Majestät fie huldvollst entgegengenommen habe.

_ Dann wurde die zweite Beratung des ‘Etats der Ge- stütverwaltung bei den Einnahmen aus den Lan d- gestüten fortgeseßt. ;

Abg. B urchard - Austinehlen (kon\.): Ostpreußen ist von allen Provinzen am meisten an den Remonten interessiert, und zwar sind es besonders die kleinen Besißer, die ch mit der Aufzuht befassen. Nun haben \ch in den leßten Jahren in s\teigendem aße die Klagen der ostpreußifchen Pferdezühter über die Nichtbeahtung ihrer berechtigten Wünsche von seiten der Heeresverwaltung ver- mehrt. Gerade die Heeresverwaltung hätte doch das größte Interesse daran, die ostpreußishe Pferdezucht auf der Höhe zu er- halten und sie niht zu verkürzen. Ostpreußen allein könnte eigentlich die ganze deutsche Armee mit dem erforderlihen Pferde- material versehen; statt dessen sehen wir, daß die Zahl der an- gekauften Nemonten keine Zunahme erfährt. Die Heeresverwaltung zahlt so geringe Preise, daß dies Verstimmung in den Kreisen der oflpreußishen Pferdezühter hervorrufen muß. Wir Ostpreußen find immer bescheidene Leute gewesen, aber man kann es den dortigen Pferdezüchtern viht verdenken, daß sie sih neuerdings in einer Ne- folution gegen das Verfahren der Heeresverwaltung und der Remonte- tommission gewendet und ausgesprochen haben, daß es so nicht weiter gehen könne, wenn die ostpreußische Pferdezucht nicht zugrunde gehen solle. In der Tat, der jeßige Zustand ist auf die Dauer unkhaltbar. (Präsident Dr. Graf von Schwerin bittet um Ruhe, er könne den Redner nicht verstehen.) Wir haben die Pferdezulßt von unseren Vorfahren überkommen, und unsere Lage ist immer \{chwieriger geworden: Beschränkung na allen Richtungen, während der Fiskus geringe Preise zahlt. Die \chwierige Lage der ostpreußischen Züchter hat {on 1888 der damalige Kronprinz und jeßige Kaiser Wilhelm anerkannt. Wir haben uns unter das kaudiniscke Joch der Körordnung gebeugt und unsere Interessen vor dem all- gemeinen Interesse zurücktreten lassen in der Hoffnung, dur Grhöhung der Memontepreise dafür einen Ausgleih zu erhalten. Darin sind wir getäuscht, gründlich getäuscht worden. Die geringen Preise für die Nemonten find um fo verwunderlicher, als die Futter- kosten ganz erheblich gestiegen sind. Der Kriegsminister hat sein be- sonderes Interesse für die Pferdezucht betont, aber ih muß fagen, daß es doch nur ein platonisches Interesse ist. Demgegenüber müssen wir sagen: Gott {chüße uns vor unseren Freunden. Die Einführung der Kör- ordnung hat die Pferdezucht in Ostpreußen ganz außerordentli ge- schädigt. Wir müssen daher jede Verantwortung ablehnen, wenn die Pferdezucht in Ostpreußen, die für unsere Armee von größter Be- deutung ist, infolge der Körordnung zurückgeht. L

Hierauf nimmt der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer das Wort, dessen Nede morgen im Wortlaut wiedergegeben: werden wird.

(Schluß des Blattes.)

Koloniales.

Das Januarheft vom Jahrgang 1913 der „Kolonialen FAundschau“, Monatsschrift für die Interessen unserer Schußgebiete und ihrer Bewohner (Herausgeber: Ernst Vohsen, Schriftleiter: Professor D. Westermann, Verlag von DietriÞß Reimer, Berlin, Bezugspreis für ein Jahr, 12 Hefte, 10 4), eröffnet ein Aufsaß über „deutshe Missionspflihten“. Es wird darin hingewiesen auf die jeßt allgemein anerkannte große fkulturelle Bedeutung der Missions- arbeit sowohl für unsere Kolonien als auch für die weltpolitishe und besonders für die kulturpolitishe Stellung unter den Völkern Osft- asiens. England und Amerika verdanken ihre kulturpolitishe Vor machtstellung im fernen Osten vornehmlich ihren Missionen, die eben deshalb f\ich einer wirkliß großartigen Unterstüßung in ihren Heimatländern erfreuen und dadur in den Stand gesetzt werden, das Feld ihrer Tätigkeit durch Errichtung von Hochshulen, Hospitälern usw. immer mehr auszudehnen. Es kann, sagt der Verfasser, niht geleugnet werden, daß die Mission eines der besten, am sichersten und am billigsten arbeitenden Mittel ift, um den niederen Rassen soziale Fürsorge und Hebung angedeihen zu lassen und um Verständnis und Wertshäßung deutschen Wesens unter Kulturvölkern zu verbreiten. Jeder Weitblickende sollte fie deshalb wegen dieser threr nationalkulturellen Wtrkungen unterstüßen, au wenn er die religiösen Ziele der Mission niht zu den seinen machen kann. Fn demselben Heft führt der Wirklihe Geheime Legationéerat von König seine Abhandlung über die Eingeborenenshulen in den deutschen Kolonien Afrikas und der Südsee zu Ende; M. Plazikowêki ver- öffentlicht einen mit Abbildungen versehenen Aufsaß über Abessintien : O. Iöhlinger gibt einen finanziellen und wirtschaftlichen Nückblick auf Deutschlands Kolontalwirtschaft im Jahre 1912. i

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Infolge der ernsten Lage im deutschen Holzgewerbe (vgl. Nr. 16 d. Bl) hat si, wie hiesige Blätter melden, der Staats- minister Dr. #Freiherr von Berlepsch, der im Jahre 1908 {hon einmal mit Erfolg im Holzgewerbe als Vermittler und Schiedsrichter wirkte, den Arbettgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in der Holz- industrie als unparteiisher Vermittler zur Verfügung gestellt. Beide Parteicn haben daraufhin beschlossen, unter seinem Vorsiß er- neut zu verhandeln. Am 3. Februar foll die erste allgemeine Aus- sprache stattfinden.

Von dem Arbeitgeberverbande für Binnenschiffahrt geht dem ,W. T. B.“ folgender Bericht zu: Die gestern in Berlin fortgeseßte Beratung zwishen dem Arbeitgeberverband für Binnen- \hiffahrt, demDeutshenTransportarbeiterverbande sowte dem Zentralverband der Maschinisten und Heizer ist ergebnislos verlaufen. (Vgl. Nr. 308 v. I. d. Bl.) Von seiten des Arbeitgeber- verbandes war das Angebot gemacht worden, im Latife des Jahres 1913 einwandfrei von beiden Gruppen ermittelte Unterlagen über die tatsächlihen Arbeitszeiten der Schiffsmannschaften zu beschaffen, die so gewonnenen Ergebnisse der Reichsregierung zu unterbreiten und die Bitte daran zu knüpfen, an der Hand dieser Angaben, den Verhält- nissen der einzelnen Stromgebiete entsprechend, - eine geseßliche Regelung der Nachtruhe für die Elbe, Oder und die märkischen Wasserstraßen in die Wege zu leiten. Die Organisationen der Arbeitnehmer erhoben dagegen den Anspruch, daß diese Regelung von Jahre 1914. ab selbständig ohne allgemeine gefeßlihe Vorschriften stattfinden folle. Diese Forderung mußte der Arbeitgeber- verband ablehnen, da dadur die diesem Verbande angehörenden Betriebe einseitig belastet werden, während alle außerhalb des Verbandes stehenden Betriebe, die den sehr überwiegenden Teil der Binnenschiffahrt auf den genannten Wasserstraßen ausmachen, von dieser Belastung nicht betroffen werden würden. Der Arbeitgeber-

verband hatte, wie {hon früher berihtet wurde, eine allgemeine Lohn--