1893 / 281 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Nov 1893 18:00:01 GMT) scan diff

erwartet haben. Sie haben uns über eine \{chwierige Periode der europäischen Handelspolitik hinweggeholfen (sehr richtig); sie haben uns den Markt erhalten und haben auf längere Zeit hinaus die Grundlage geshaffen einer gedeihlichen Entwiklung unserer Ausfuhr.

Der Herr Vorredner hat eigentli, ohne es zu wollen, unserer Handelspolitik ein sehr günstiges Zeugniß ausgestellt, Er hat hier im November 1893 eine lange handelspolitishe Rede gehalten, ohne mit einem Wort des ersten Februar 1892 zu gedenken: fo glatt sind wir dank der Handelsverträge über diese kritishe Periode hinüber gekommen.

Der Herr Vorredner sagt nun: ja, wir hätten die Sache ganz anders anfangen sollen, wir hätten fo thun sollen, als ob wir absolut gar kein Interesse daran hätten, ob der andere Staat höhere oder niedere Dividende hätte. Das mag ja bei diplomatischen Verhand- [Tungen recht gut sein, aber bei Verhandlungen handelspolitischer Natur, wo alles in der Statistik ofen zu Tage liegt, würde ih fürhten, daß dieses diplomatishe Kunststück. niht verfängt. Die Sachlage war doch die, daß wir bis zum Jahre 1892 die Autonomie unseres Zolltarifs aufrecht erhielten und damit recht gute Geschäfte machten, weil die anderen Staaten die Freundlichkeit hatten, ihre Zölle im Wege von Tarifverträgen auf das niedere Tarifniveau her- abzudrücken, dessen wir zur Erhaltung eines blühenden Erports bedurften. Aber diese Auslandszölle, die wir den Tarifverträgen Frankreihs vor allen Dingen verdanken, waren Früchte von einem Baum, der uns nicht gehörte, den wir nicht gepflanzt und zu dessen Kosten wir nichts beigetragen hatten, und als über Nacht der Baum gefällt wurde, war es mit den Früchten dahin, ohne daß wir ein Wort dazu zu sagen hatten. Die Tarifverträge waren abgelaufen, die niederen Auslandszólle für uns waren ver- s{chwunden, und an ihre Stelle traten die hohen Schußzölle, welche die anderen Staaten {on längst vorher vorbereitet hatten (Sehr richtig! rechts), um einigermaßen das nachzuholen, was die anderen Staaten vorher gethan hatten. Ja, meine Herren, haben wir denn unsere Zölle nicht au erhöht? (Sehr richtig! links.) In den ahtziger Sahren gab es zwei Gruppen von Staaten: die einen erniedrigten die Zölle durch Tarifverträge, und die anderen dazu gehörten wir erhöhten die Zölle und genossen währenddem die niederen Tarifsäße des Auslands. Das ist ein ganz idealer Zustand, er hat nur einen Fehler, daß er unmögli lange dauern kann. Und als am 1. Februar 1892 die Tarifverträge zu Ende waren, deren Shähße uns unent- geltlih in den Schooß gefallen waren, da war überhaupt garnicht die Frage, welhe neuen Absatzgebiete wollen wir jeßt der Industrie schaffen? Die Frage war damals ganz bescheiden die: welche Maß- regeln haben wir zu treffen, um den großen Schaden abzuwenden, der zweifellos unsere Ausfuhr-Industrie getroffen haben würde, wenn wir nihts gethan hätten ? Das war eben der Unterschied zwischen unserer Lage und der der anderen Staaten : wir verloren am 1. Februar den Vor- theil jener Tarifverträge, und die anderen Staaten, wie die Schweiz, Numänien, Spanien, gewannen am 1. Februar wieder freie Hand; sie waren nicht verpflichtet, uns weiterhin diefe billigen Tarifsäte zu ge- währen, für die wir nie etwas geleistet hatten. ee Nun bildet doch das nothwendige Correlat einer tadelnden Kritik id will niht fagen der Nachweis, aber doch die Glaubhaft-

machung, daß, wenn ein anderer Weg beschritten worden wäre, die Dinge dann besser ständen. Mit diesem Nachweis fleht und fällt doch

die ganze Opposition gegen die Handelsverträge, und ih habe nicht gefunden, daß der Herr Vorredner diesen Nachweis au nur versucht hat. Man spriht von dem großen Fehler, den fwir begangen haben ; aber man zeigt uns den Weg nicht, wie die Dinge besser zu machen wären. Ich habe auf die Frage, die ih s{chon wiederholt gestellt habe, noch keine Antwort: welhen Schuß hatten Sie am 1. Februar 1892 für unsere Ausfuhr-Industrie? Ich gebe vollkommen zu, daß die Ausfuhr in zweiter Reihe kommt, in erster Reihe kommt der Schuß des inländishen Marktes, und es war ein großes Ver- dienst der Zoll-Neform von 1879, daß dieser Gedanke zur Geltung ge- braht wurde. Aber auch die deutsche Arbeit für die Ausfuhr ist nationale Arbeit, und ein System in Deutschland ist unhaltbar, bei dem dieser Theil unserer nationalen Arbeit des Schutzes verlustig ginge. Welchen Schuß hatten Sie für die Ausfuhr? Diese Frage ist um so bedeut- samer, als Sie ja sonst das Eingreifen des Staates für alle Pro- duftivnézweige verlangen, ja fogar neuerdings das Ansinnen an den Staat gestellt wird, daß man der Landwirthschaft einen gewissen Minimalpreis für ihre Produkte garantirt. Der Herr Vorredner hat auf diese Frage weiter nichts zu sagen gewußt, als wir hätten uns in eine Kampfposition stellen sollen, mit anderen Worten, wir hätten unsere Zölle auch erböhen sfollen, und die Folge wäre gewesen, daß die anderen Staaten dann wiederum ibre Zölle erhöhen würden. Das ie Politik, die an die Stelle des Systems der Meistbegünstigung System der Meistbeschädigung seßt, eine Handelspolitik, die sub- Stetigkeit die Unstetigkeit, und die {ließlich in der inter-

ge gipfelt: Wer hälts am längsten aus? (Sehr

das Deutschland gewesen wäre, ih hoffe es, ih glaube er es ist niht gewiß; aber das Eine ist mir sicher, daß, wenn itif, die der Herr Abgeordnete Graf von Limburg-Stirum 3 Jahre im Gange gewesen wäre, daß

svertrag, und wenn er noch viel s{chlechter wäre wie

n wäre. (Widerspruh rets.) Ja, meine ie Klagen der Industrie über verminderten Absay. 3 der Industrielle, der heute sich darüber be- der Schweiz niht mehr- den alten Vertrags- ösfishen Vertrags, fondern einen höheren der befriedigt wäre, wenn er heute

jen Sie einmal nach Frankreih, man frage Industriellen, der bis voriges Jahr ein

der Schweiz hatte, ob der nun zufrieden ist

dort eingeführt is. Er wird sagen: „ihr gemaht; ihr habt den Schweizer Markt euch verloren“. Wenn das System, das der Limburg-Stirum empfießlt, nämlich, die

nd dann, wenn der Andere die Zölle wieder erhöht, ung eintreten zu lassen, wenn das System \o varum bezieht sich der Herr Vorredner niht auf Lie wir mit anderen Staaten lange Jahre hindurch gemacht haben, zum Beispiel mit Oesterreich- Warvym bezieht sih der

vortrefflih die Ersahrunger

Ls H fta 1879 bis 18827

Cy wf T n oro 204 L/ 4L B

Herr Vorredner nit auf unsere handelspolitishen Beziehungen zu Nuß- land? Mit diesem Staat ist das System, das er empfiehlt, seit mehr als 50 Jahren in Uebung gewesen, kein Federstrih hat die volle Autonomie der beiderseitigen Zolltarife lancirt, und ich glaube nit, daß die Industrie von den Früchten dieses Systems außerordentlich befriedigt gewesen ift.

Nun, meine Herren, komme ih auf die wihtigste Frage, nämlich auf die Frage der Rückwirkung dieser Verträge auf die Landwirth- chaft. Ich bin nicht gesonnen, meine Herren, diese Frage leiht zu nehmen und sie etwa damit beantworten zu wollen, daß ih sage: wenn die Industrie Vortheil hat, so hat indirekt auch die Landwirth- haft Vortheil. Ich bin. der Ansicht, daß in der That der Vortheil, den wir für unsere Industrie durch die Handelsverträge erworben haben, zu theuer erkauft wäre, wenn, wie dies jeßt behauptet wird, die Landwirthschaft davon einen {weren Schaden erlitten hätte. Jch bin der Ansicht, daß eine wohlhabende und kauffräftige Landwirthschaft eine der wichtigsten Grundlagen, vielleiht die wichtigste Grundlage des wirthschaftlihen Gedeihens eines Staates ist, und daß die Er- haltung eines kaufkräftigen seßhaften Bauernstandes, wie überhaupt eines gesunden Mittelstandes eine dèr wichtig- sten und vornehmsten Aufgaben staatlicher Fürsorge in unserer Zeit bildet. (Sehr richtig!)

Die verbündeten Regierungen sind entschlossen, alles das zu thun, was auf dem Boden der heutigen Wirthschaftsordnung geschehen kann.

Es befindet sich die Landwirthschaft zweifellos in einer kritischen und s{chwierigen Lage, welche au dann bestehen bleibt, wenn man all die Uebertreibungen abzieht, die heute draußen im Lande umlaufen. Aber, meine Herren, wenn eine verständige Agrarpolitik gegenwärtig nothwendig ist und auf Jahrzehnte hinaus reihen Stoff zur Heilung der vorhandenen Schäden finden wird, so wird man doch wohl über die Frage, welche praktischen Ziele dabei anzustreben sind und welche Wege zur Erreichung dieses Zieles gegangen werden müssen, verschiede- ner Ansicht sein. Man wird insbesondere die Frage diékutiren können, ob wirkli, wie man heute der Landwirthschaft einredet, der Schwer- punkt der Agrarfrage auf dem Zollgebiete liegt und nicht vielmehr auf anderen Gebieten ih erwähne nur das Rechtsgebiet. Ja, meine Herren, dem Verlangen, was an die verbündeten Regierungen gestellt wird, daß wir alles das, was in Bolksversammlungen beschlossen und in Programmpunkten niedergelegt wird, nun für den Inbegriff landwirth- \chaftliher Weisheit halten sollen, weil es von praktischen Landwirthen ausgeht, können die verbündeten Regierungen unmöglich nahkommen, und auch mit der Pression, die man zur Zeit ausübt, daß man jeden, der gegen das, was der Bund der Landwirthe verkündet, Widerspruch er- hebt, als einen Freihändler oder als einen gemeingefährlihen Bureau- fraten bezeichnet (Heiterkeit links), wird man irgend einen Erfolg bei den verbündeten Regierungen nit haben, um so weniger als in dem, was draußen an positiven Projecten zur Heilung der landwirthschaft- lien Schäden vorgeschlagen wird, doch gar viele Dinge enthalten sind, die etwas mehr grünen Tuchs dringend bedürftig sind. Ich sage ganz ofen, daß ih in der Bewegung, wie sie heute im Gange ist in der Aufbauschung der Frage: Conventionalzoll oder autonomer Zoll, in der Art und Weise, wie die Höhe der Getreidezölle als der aus- \{chliecßliche Gradmesser der staatlichen Fürsorge für die Landwirthschaft betrachtet wird, in dieser ganzen Agitation irgend einen U aren Kent [ur Die SoroderuUna landwirth [Master Snteressen ntl erblidäen tann: (Sebr richtig! links.) Im Gegentheil, ich bin der Ueberzeugung, daß man auf diese Weise die Landwirthschaft von dem fruchtbaren Boden nöthiger Reformen ablenkt und auf einen Irrweg führt, auf dem sie unerreihbarem Ziele nacstrebt. (Sehr wahr! links.) Wenn es gelänge, in weiteren Kreisen der landwirthschaftlichen Be- völkerung der Ueberzeugung Raum zu verschaffen, daß es in der Hand der Regierung liegt, den landwirthshaftlihen Producten einen gewissen Minimalpreis zu garantiren (Widerspruch rechts), das ist ver- langt worden und wird heute vielfa verlangt, ich sage nicht, daß Sie das anstreben, aber die Wirkung der Agitation ift es zweifellos (Wider- spruch rechts), daß in weiten Kreisen der landwirthschaftlihen Bevölke- rung die Ueberzeugung besteht, daß der Staat die Pflicht habe, diesen Minimalpreis zu garantiren, und daß die Landwirthschaft ein Necht habe, das zu verlangen, und daß es nur der Unfähigkeit und Unkenntniß der Regierung zuzuschreiben sei, wenn heute die Getreidepreise eine unerwünshte Niedrigkeit erreiht haben. Das wird heute überall draußen im Lande verkündigt. Das ist der sicherste Weg, bei den Land- wirthen Erwartungen und Hoffnungen, Wünsche und Begehrlichkeiten zu erwecken, denen die Enttäuschung nothwendig folgen muß. (Sehr wahr! links. Widerspruch rechts.) Ja, meine Herren, Sie werden doch nicht in Abrede stellen wollen, däß heute im Lande eine große Agitation im Gange ist, welche der Regierung zumuthet,- dafür zu sorgen, daß die Preise der landwirthschaftlißGen Produkte nicht unter eine gewisse Minimalgrenze sinken. (Widerspruch rechts.) Meine Herren, ih nehme dankbar davon Notiz, daß diese Bestrebungen in diesem hohen Hause keine Unterstüßung finden; aber es bleibt doch richtig, was ih sage, daß draußen eine Agitation in diesem Sinne im Gange is. (Widerspru rets.) Aber, meine Herren, die Argu- mentation, die ih hieran knüpfe, bleibt nihtédestoweniger richtig : wenn der Staat überhaupt in der Lage wäre, der Landwirthschaft eine Ga- rantie zu geben gegen außergewsöhnlichen Preisdruck, so müßte dieselbe Garantie auch jedem anderen Productionszweige gewährt werden (Sehr wahr! links), in allererster Reihe den Arbeitern für ihre Prodnkte (Sehr richtig! links), daß der Arbeitslohn nicht untex ein gewisses Maß sinkt. Und damit, meine Herren, kommen wir doch auf einen Boden, der außerhalb unserer Privatwirth\schaft liegt, und ih fürhte, wenn dieser Weg weiter beschritten wird, so werden die- jenigen, die heute schieben, eines Tages die Geschobenen sein und man wird in großer Verlegenheit sein, die Geister wieder los zu werden, die man gerufen hat. (Sehr gut! links.)

Aber wir haben es hier ja niht ex professo0 mit Agrarpolitik zu thun; die entscheidende Frage, die der Herr Vorredner angeregt hat, ift die: welche Wirkung haben die Handelsverträge auf den Inlandéspreis des Getreides? und da springt zunächst die totale Front- veränderung in die Augen, welche die Anhänger der Getreidezölle vor- genommen haben. Zur Zeit der Einführung und Erhöhung der Ge- treidezölle waren die Anhänger derselben geneigt, die Wirkungen der- selben auf den Jnlandspreis des Getreides vollklommen zu beabreden, und heute, wo die Ermäßigung der Getreidezölle in Frage steht, wird die Wirkung terselben außerordentlich übertrieben. Noch im SJahre

1887, als die Zölle für die beiden wichtigsten Getreidesorten von 3 auf 5 ÆM erhöht wurden, war es die allgemeine Anschauung

der Anhänger dieser Maßregel, daß im Angesicht der großen Preis. schwankungen durch die Ernten auch ein 5 Æ-Zoll irgend einen Einfluß auf den Inlandspreis des Getreides niht ausüben könne. Man bekämpfte auf das entshiedenste als freihändlerish die Lehre daß hohe Getreidezölle auch hohe Inlandspreise des Getreides bedingen, und es war Herr Freiherr von Mirbach selbst, der hier den Grund- saß anführte: das Ausland zahlt den Getreidezoll, d. h. das Ausland ist, wenn Deutschland Getreidezölle einführt oder erhöht, gezwungen, um den entsprehenden Betrag seinen Getreidepreis zu erniedrigen, In dieser Belastung des Auslandes sah man eine Compensation für die Steuerbelastung der Landwirthschaft und man glaubte, daß es die eigentlihe und wichtigste Aufgabe des Getreidezolles sei, die speculative Einführung vom Auslande abzuhalten und dem inländischen Getreide den inländishen Markt zu sichern. Und jeßt \oll von alledem dag Gegentheil wahr sein, jeßt wird überall der entgegengeseßte Grundsaß verkündet, daß nämlich das Inland den Getreidezoll trage. Es wird überall die Behauptung aufgestellt, daß in Folge der Handelsverträge, in Folge der Herabseßun des 5 M-Zolls auf 3,50 4 die Landwirth, schaft cinen s{chweren Schaden erlitten habe. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit.) Das heißt also, daß der Preis der landwirthschaft- lihen Producte in Folge der Zollermäßigung gesunken sei. Damit ist also der Grundsaß, daß das Ausland den Getreidezoll trage, auf- gegeben und nun der entgegengesetzte, früher bekämpfte Grundsatz ein- geführt, daß das Inland den Getreidezoll trage. Ja, meine Herren, ih habe felbst seiner Zeit mit Ihnen von Ihren Bänken aus den Grundsaß, daß höhere Getreidezölle höhere Inlandspreise bedingen, bekämpft, und ih bedauere, daß Sie heute diesen Grundsaß adoptirt haben. Denn einmal erachte ih ihn für falsch und dann geben Sie doch den Gegnern der Getreidezölle und der Schutzzölle überhaupt dadurch eine sehr sharfe Waffe in die Hand, die man, wenn erst eine andere Conjunctur eintritt, auch gegen die Getreidezölle und die Schutzzölle überhaupt anwenden wird. (Sehr richtig ! links.)

Ich maße mir nicht an, in der Frage: welhe Wirkung haben die Getreidezölle auf den Inlandspreis des Getreides, mehr zu wissen als irgend jemand anders; die Frage ist sehr schwierig, ja, sie ist dur eine allgemeine Formel überhaupt niht zu lösen. Das haben wir aber gesehen, daß bei s{lechten Inlandsernten und bei steigender Nachfrage nah ausländishem Getreide und steigenden Preisen die Ge- treidezölle voll und ganz im Preise des Getreides zur Erscheinung kommen, umgekehrt bei sehr reihliher Fnlandsernte das Ausland aller- dings gezwungen ist, den Getreidezoll theilweise oder ganz auf si zu nehmen; in diesen Perioden wird eine Erhöhung des Getreidezolls keine Erhöhung des Getreidepreises im Inland, und eine Ermäßigung auch keine Ermäßigung des Getreidepreises zur Folge haben. In einer solchen Periode sind wir jeßt, und ih halte deshalb das ganze Bestreben, in diesem Augenblick durch eine Erhöhung des Getreidezolls cine Erhöhung des Inlandpreises des Getreides herbeizuführen, für absolut unfruhtbar. Wir haben aus den Erfahrungen der beiden leßten Jahre interessantes Material, um uns über diese Frage Auf- flärung zu verschaffen. Wir hatten im Jahre 1891 eine sehr {lechte Ernte, infolge dessen eine enorm gestiegene Einfuhr und außerordent- lih hohe Preise, und wenn ih mir bezüglih des Erntejahres 1891/92, also vom 1. Juli des ersteren bis zum 30. Juni des leßteren, die Gesammtmenge der beiden wichtigsten Brotfrüchte bilde, die uns zur Verfügung stand, dadurch, daß ih die statistish nachgewiesene Ernte- menge nehme, dazu die Einfuhr addire und die Ausfuhr subtrahire, so ergiebt si, daß in dem Erntejahre 1891/92 die ausländische Einfuhr beim Noggen 13%, beim Weizen 30% betrug. Wir waren also in jenem Jahre gezwungen, nahezu ein Drittel unseres Weizens vom Ausland einzuführen, und wir mußten die höchsten Preise dafür zahlen. Wir sind in jenem Jahre förmlih mit ausländishem Getreide überschwermnmt worden, aber nicht mit billigem, sondern mit theurem, und kein Ausländer war fo bos- haft, uns billiges Getreide zu liefern, da er es theuer verkaufen konnte. (Heiterkeit links.) Das direct entgegengeseßte Bild zeigt das folgende Erntejahr. Wenn ih mir hier die Gesammtmenge auf die gleiche Weise bilde, so ergiebt sih, daß infolge der außerordentli reichen Ernte des Jahres 1892 in diesem Jahre beim Noggen die aus- ländische Einfuhr nur 2 9/6-und beim Weizen 18 9% betrug. Wir hatten also in dem vergangenen Erntejahre beim Noggen den Zustand er- reiht, den Sie als den idealen, erstreben8werthen hinstellen: wir haben im wesentlihen den Roggen im Lande selbs gebaut, dessen wir bedurften, und troßdem sind die Preise von Tag zu Tag gefallen, Daraus, meine Herren, ergiebt sich zweierlei: erstens, daß in dieser Zeit auch der 3 Mark 50-Zoll seine Schuldigkeit, die speculative Ein- fuhr aus dem Auslande abzuhalten und dem inläadishen Getreide den inländishen Markt zu erhalten, voll und ganz ausgeübt hat. Die Einfuhr dieses Jahres war die geringste überhaupt seit Einführung der Getreidezölle. Es ergiebt #sch ferner, daß, wenn wir in dieser Zeit \tatl des 3 Mark 50-Zolles einen 5 Mark-Zoll gehabt hätten, die Preise nicht wesentlich anders wären, als sie waren. Es wird niemand glauben, daß, wenn etwa die 2 %/Noggen oder gar der Bruchtheil, der auf die rumänishe Einfuhr kommt, statt zu 3 50 zu 5 K eingeführt worden wären, im Inland ein höherer Preis gezahlt worden wäre; und was den Weizen betrifft, so ist allgemein bekannt, daß die jeßige Weizenbaisse nicht sowohl von den großen Vorräthen im Inland wie im Ausland, wie daher rührt, daß in den Vereinigten Staaten infolge der finanziellen Krisis Weizen {ließlich um jeden Preis verkauft wird. Man wird mir nun einwenden: diese Argumentation beweist zu viel, sie beweist, daß der 5 Mark-Getreidezoll nicht 00D) genug Ut, „bewent aber nt, bag es ria wal, ihn auf 3 M 50 zu ermäßigen. Ja, meine Herren, ih erwidere darauf: wenn die Mißernte eines einzigen Jahres im stande ist, den Getreidepreis so zu steigern, daß nah dem Urtheil bewährter Vertreter der Landwirthschaft ih weise auf den Grafen von Kaniß hin der Getreidezoll überhaupt vorübergehend unhaltbar war, und wenn im folgenden Jahre die gute Ernte eines einzigen Jahres im stande ist, den Preis so zu drücken, daß cin 5 Mark-Zoll niht im stande ist, den Preis des Getreides auf eineë für die Landwirthschaft erwünschten Höhe zu halten, so ist die logishe Consequenz, daf, wenn man überhaupt an dem Grundsay eines stabilen Ge- treidezolls feyhalten will, man bei Bemessung desselben weder die cine Conjunctur nech die andere zu Grunde legen kann, sondern die mittlere Linie normaler Verhältnisse ziehen muß, Wer das nicht thut, kommt mit eiserner Nothwendigkeit zu dem System, das früher für das verderblichste gehalten wurde, nämlich zu dem System beweglicher Zölle. Wenn wir heute tabula rasa hätten und der Herr Vorredner mit seinen agrarischen und politischen Freunden

dazu berufen wäre, der Stimmung gerecht zu werden, die heute in land- wirthschaftlichen Kreisen herrscht, glaubt man denn, daß dann die Land- wirthschaft sih mit 5 Mark-Zöllen abspeisen lassen würde ? (Heiterkeit.) Die ganze Welt würde lahen über den Versuch, die heutige Preis- conjunctur umzuändern mit einer Differenz von 1,50 A Es ist eine logishe Consequenz, die die Herren draußen im Lande ziehen, deren Zuschriften ih gelesen habe, in denen sie 3 4, 10 #4, 12 4 ver- langen. Ob es überhaupt möglich ift, bei der jeßigen Preisconjunctur irgend eine Zollhöhe zu finden, die einen erheblihen Einfluß auf die Getreidepreise im Inlande hat, weiß ih nicht; aber das eine weiß ih sier, daß, wenn es der agrarishen Welle jemals gelänge, den Getreidezoll auf die Höhe zu bringen, die in der heutigen Preislage der Landwirthschaft bessere Preise erzielen würde, kein Jahr ins Land gehen würde, ohne daß eine andere Welle diese ganzen Getreidezölle wieder wegshwemmte; und dann kämen wir zu dem Zustand, den ih politis, social und von dem Gesichts- punkt der Landwirthschaft aus für den {limmsten erahte, daß näm- lih die Getreidezölle nie zur Nuhe kämen, daß heute bei steigendem Preis die Getreidezölle verschwinden und im nächsten Jahre bei sinkendem Getreidepreis die höheren Getreidezölle wieder eintreten. Das wäre ein Modus, aus dem nur ein Factor im Lande Vortheil zôge, und das ist die Börse, für die Sie sonst eine große Sympathie mit Recht nicht an den Tag legen. Der Börse wäre dur diesen Zustand ein weiterer speculativer Factor in die Hand gegeben, deren sie nah meinem Dafürhalten {hon genug hat, um bei den landwirthshaftlihen Interessen mitzuwirken. Jch komme also zu dem Conclusum, daß der Landwirthschaft ein mächtiger Schutzoll noth thut, der, wenn er in Zeiten außergewöhnlihen Drucks außer stande ist, die Preise auf der Höhe zu halten, die die Landwirthschaft wünscht, do bei normalen Zeiten der Landwirthschaft eine erheb- lihe Avance gegenüber dem Auslande gewährt, die \peculative Aus- fuhr hindert, dafür sorgt, daß dem inländischen Getreide in erster Reihe der inländishe Markt erhalten bleibt ob, meine Herren, der Getreidezoll von 3,90 oder 9 4 dieser Aufgabe gerecht wird, darüber fann man streiten, aber eine gewaltige Uebertreibung ist es und bleibt es, wenn man heute der Welt verkündet, daß die Frage des 5 oder 34 Mark- Zolles eine Eristenzfrage für die deutsche Landwirthschaft fei so {limm steht es für die Landwirthschaft niht; und wenn Reformen nöthig find, so liegen sie auf anderen Gebieten, aber niht auf dem Gebiet der Zollpolitik.

Meine Herren, ih komme nun auf cine Frage, die der Herr Vor- redner gleichfalls erwähnt hat, nämlich auf die Währungsfrage, und bemerke dabei, daß das Mißtrauen, was der Herr Vorredner den Zeitungen entgegenbringt, ihn doch nicht vor einem Irrthum beschützt hat. Er hat nâmlich auch Rumänien zu denjenigen Ländern gezählt, wo ein Goldagio besteht. Das is nicht der Fall: Rumänien hat die reine Goldwährung (Heiterkeit links), und der einzige Unterschied zwishen der Währung in Rumänien und der deutschen Währung besteht darin, daß wir in Deutschland noch die Silberthaler haben als legale Währung, während in Rus- mänien die reine Goldwährung durchgeführt ist. Jch glaube aber kaum, daß ein rumänisher Deputirter daraus Anlaß nehmen wird, etwa den Vertrag anzugreifen deswegen, weil wir eventuell in Silber zahlen könnten, was gewiß niht geschehen wird.

Die Valutafrage ist ja sicher für die wirthschaftlihen Beziehungen unter den verschiedenen Ländern von großer Bedeutung, und man kann über diese Frage nicht in der souveränen Weise hinweggehen, daß man sagt : Wir in Deutschland haben eine gute Metallwährung ; was draußen geschieht, ist uns gleihgültig. Das wäre falsch; es genügt, darauf hinzuweisen, welchen directen Einfluß die Währungswirren in den Vereinigten Staaten auf unsere Auétfuhr dorthin gehabt haben, und auf die directe Wirkung der Einstellung der Silber- prägung in Indien auf den ganzen internationalen Weltmarkt, um zu sehen, daß das tua res agitur do auc anderwärts in Geltung ist. Von diesem Gesichtspunkt der wirthschaftlihen Beziehungen der Länder untereinander kann ih nur fagen, daß der gegenwärtige Zustand ein sehr erfreulicher nicht ist. Wir haben draußen in der Welt eine ganze Musterkarte der verschiedenartigsten Währungen, und die Ge- lehrten streiten si vielfach darüber, ob die Währung in dem einen Land in diese oder in die andere Kategorie fällt.

Jch bin daher der Ansicht, daß alle Regierungen, auch diejenigen der Staaten, wo eine feste Metallwährung besteht, allen Anlaß haben, die weitere Entwicklung der Frage, wie sie hervorgehen wird aus der Aufhebung der Sherman-Bill und aus der Einstellung der Silber- prägung in Indien, mit voller Aufmerksamkeit und mit vollem Interesse zu betrahten. Aber das, was der Herr Vorredner über die Währungéfrage gesagt hat, angewandt auf den speciellen Fall unserer Handelsverträge, {eint mir doch eigentlih nur eine Variation des alten Gedankens zu sein: „wir wollen keine Tarifverträge haben“.

Der Herr Vorredner hat auf die Währungsverhältnisse in Desterreih-Ungarn und in Jtalien hingewiesen, man spricht fort- während von der Negelung der Valuta, und ih habe gelesen, daß Deutschland überhaupt keine Handelsverträge hätte ließen sollen, bevor niht die anderen Staaten ihre Valuta geregelt hätten. Der Herr Vorredner verwehselt hier zwei ganz heterogene Begriffe, nämlich die Regelung der Valuta eines Staats im Sinne des Ueber- gangs von einer unterwerthigen Valuta zu einer vollwerthigen, also von Silber oder Papier zu Gold und die Fähigkeit des betreffenden Staats, die einmal geregelte Valuta au aufrecht zu erhalten. Uebex den ersten Punkt kann ih mi verständigen, aber über den zweiten unmöglich.

Wenn heute zwei Staaten zusammen einen Handelsvertrag shließen, und beide Staaten \ih gegenseitig versprechen, die reine Goldwährung einzuführen und aufrecht zu erhalten, so bietet das noh leine Garantie, daß nicht ein, zwei Jahre \päter der cine der Staaten gezwungen ist, zum Zwangscurs überzugehen. So lange es überhaupt Factoren giebt, welche die Kaufkraft, die Productions- kraft, den Credit eines Staats beeinflussen , fo lange wird auch niemals verhindert werden können, daß ein Staat, auch wenn er seine Valuta aufs beste geregelt hat, eines Tages vor dem Gold- agio stehen kann. “Das is der;Fall beispielsweise in Italien. Italien hat seine Valuta geregelt; es hat genau dieselbe Währung wie die anderen Staaten des Lateinischen Münzbundes. Was wir heute in Italien sehen, ist, daß das Land vorübergehend außer stande ist, die Valuta zu halten infolge von finanziellen und anderen Schwierigkeiten. Ich glaube aber, daß, dank der großen Nessourcen des Landes und dank der einmüthigen Energie, welche die Negierung und alle Parteien

des Landes zeigen, den bestehenden Schäden abzuhelfen, dieses Gold- agio sih bald mindern oder ganz verschwinden wird.

Der Herr Vorredner hat den verbündeten Regierungen au aus der Einführung der Goldzahlung für die italienischen Zölle einen Vorwurf gemacht; er sagt, daß die italienische Negierung damit mit einem Schlage die Zölle um 14 bis 15% erhöht habe. Das ist an sih rihtig; der Herr Vorredner hat aber vollkommen übersehen, daß das vorhergegangene Sinken der Valuta bis auf 15% unter Pari für uns eine Ermäßigung der Zölle in gleihem Betrage bedeutete. Es wird also jeßt annähernd der Zustand wieder hergestellt, der vorher vorhanden war. Meine Herren, ob die italienische Regierung dazu berechtigt war, das is eine Frage, auf die ih mich nicht einlassen will; ich fann nur nohmals der Zuversicht Ausdruck geben, daß es Italien bald gelingen wird, über die momentane Krisis hinüber zu kommen.

Was nun Oesterreich-Ungarn betrifft, so liegt die Sache insofern anders, als Oesterreih-Ungarn zur Zeit noch die Papiervaluta hat ; aber au in Oesterreih-Ungarn wird die Valuta insofern geregelt, als die Gesetze zur Einführung der reinen Goldvaluta bereits erlassen sind, und Oesterreich-Ungarn sich zur Zeit in einem Uebergangszustand befindet. Auch dort ist anzunehmen, daß das Goldagio nur vorüber- gehend sein wird.

Den Ausführungen des Herrn Vorredners fehlt es aber infofern an Schlüssigkeit, als er dieses Sinken der Valuta in Oesterreich- Ungarn und Italien als einen besonderen Beshwerdepunkt gegenüber unserer Handelsvertragbpolitik betrachtet hat. Er müsse, wenn das richtig wäre, doh den Beweis liefern, daß, wenn wir mit Oesterreich- Ungarn und Jtalien keinen Handelsvertrag geschlossen hätten, dann die Lage für uns günstiger wäre. Wenn das Sinken der österreihisch- ungarischen und italienischen Valuta unsere Handelsbeziehungen beein- trächtigt, fo geschieht es (doch niht nur angesichts eines Handels- vertrags, fondern erst recht, wenn wir keinen Handelsvertrag ge[{chlofsen haben.

Die ganze Ausführung des Herrn Vorredners leidet an dem Mangel, daß er sagt|: weil hier ein Factor geblieben ist, der nicht stabil ist, hätte man auch die Zölle nicht stabilisiren sollen. Ich sage umgekehrt: je mehr die Ordnung und Stabilität unserer wirthschaft- lichen Beziehungen zum Auslande bedroht und beeinträchtigt wird durch Factoren, die sich ihrer Natur nach der staatlichen Einwirkung entziehen, um fo verständiger, um so richtiger und um so nothwendiger war es, daß wir im Wege der Handelsverträge da Ordnung geschaft haben, wo der Staat Ordnung schaffen kann, auf dem Gebiet der Zölle. Es wird dem Herrn Vorredner gewiß {wer fallen, den Be- weis zu liefern, daß, wenn diese Handelsverträge nicht beständen, die Valutaschwankungen der anderen Staaten für uns irgendwie weniger beshwerlih wären, als sie es heute sind.

Sóviel, meine Herren, über die Valutafrage. Ich komme nun ganz kurz noch auf einige Bemerkungen des Herrn Vorredners, die speciell gegen den spanishen und gegen den rumänischen Vertrag gerihtet waren. Daß der spanische Vertrag im Lande mit Wider- spruch aufgenommen worden ist, begreife ih vollständig, und ih kann sagen, daß die verbündeten Regierungen erst nah sehr ernster Er- wägung zu dem Entschlusse gekommen sind, einen Vertrag abzu- schließen, bei dem das früher wichtigste Ausfuhrobject, nämlich der deutsche Sprit, nicht zu feinem Recht gekommen ist. Wir standen hier vor einer abfoluten Weigerung der spanischen Regierung, die unterstüßt ist von der Gesammtheit der öffentlihen Meinung. Und fschließlich lag die Frage für die verbündeten Regierungen so: wenn wir auch den niederen Zoll, der früher bestand für unseren deutschen Sprit in Spanien, wiedererhalten hätten, würde in Spanien noch ein lucrativer Markt für diesen Artikel bestehen? Und das war mindestens sehr zweifelhaft. Es war daher eine rationelle Handels- politik, daß die verbündeten Regierungen niht, um einen Export- artikel von höchst zweifelhaftem Werth zu halten, Exportartikel von zweifellosem Werth preisgegeben haben. Es wird hier Aufgabe fein, in der Commission zu prüfen, ob die spanishe Regierung uns ge- nügende Aequivalente für die Preisgabe dieses Erportartikels ge- währt hat.

Was Numänien betrifft, so hat der Herr Vorredner zunächst auf die steigenden Einfuhrzahlen von rumänishem Getreide hingewiesen. JIch kann niht in Abrede stellen, daß unsere Statistik in der That seit vorigem Jahre erheblich größere Einfuhrzahlen von rumänishem Getreide aufweist. Aber bei sorgfältiger Prüfung würde der Herr Vorredner gefunden haben, daß das weserntlih an einer Verbesserung der Statistik liegt, her- rührend aus der Einführung von Ursprungsattesten. Daß große Mengen von rumänishem Getreide über niederländische und belgische Häfen zu uns hereinkommen, haben wir längst gewußt. Es war aber nicht möglich, dieselben statistisch zu fassen, und siewaren deshalb früher einfach als Getreide, eingeführt aus Belgien und aus Holland, verzollt. Erst seit der Einführung von Ursprungs8zeugnissen im vorigen Jahre, die nothwendig geworden war dur die Differenzirung Rußlands, kommt das rumänische Getreide, welhes über belgishe und niederländische Häfen zu uns eingeführt wird, zur statistishen Kenntniß. Wenn Sie die Probe darauf machen wollen, so bitte ich Sie, die neueste Statistik der Einfuhrzahlen zu vergleihen aus Belgien und Holland. Da sind überall, wo im Jahre 1891 Hunderttausende von Doppel- centnern als eingeführt verzeichnet waren, jeßt nur noch 11, oder 12, oder 20 Tausend Doppelcentner verzeihnet (Hört! hört! links), ein Beweis dafür, daß jeßt die Einfuhrstatistik über rumänisches Getreide correcter ist als früher, und zugleih, daß unsere Ursprungszeugnisse durchaus gut und pünktlich fungiren.

Der Herr Vorredner hat dann eine Rehnung aufgemacht, wie viel wir an Getreidezöllen alljährlich einbüßen dadur, daß wir Numänien den Conventionalzoll gewähren. Ich war niht im stande, die Nehnung im Augenblick zu controliren. Jh weiß nur das Eine, daß, wenn der Herr Vorredner jeßt einen Verlust von zwei bis drei Millionen herausrechnet, wenn es nah s\einem[Willen geht und wir das rumänische Getreide gar niht mehr bereinlassen, wir au über- haupt gar keine Einnahme aus Zöllen für rumänishes Getreide haben würden. (Heiterkeit.) ;

Was die Statistik über unsere Ausfuhr nach Rumänien betrifft, so ist zweifellos, daß unsere deutsche Ausfuhrstatistik nah Rumänien nicht erschöpfend ist, und zwar aus einem ähnlichen Grunde, nämlich weil sehr große Mengen Waaren über Holland, Belgien und Oesterreich gehen, und es unmöglih ist, dieselbe als Ausfubr nach Numänien statistisch zu fassen. Nach allen Berichten, die i erbalten habe, unterliegt es keinem Zweifel, daß bezügli unserer Ausfubr nah

| aus Numänien, dann kommt es aus Amerika.

Rumänien die rumänische Statistik rihtiger ist als die unsrige, und daß unsere Ausfuhr nah Rumänien zur Zeit trotz der erhöhten Zölle mehr als 100 Millionen Mark beträgt.

Der Herr Vorredner hat darauf hingewiesen, daß der rumänis{he Zolltarif höher sei als der frühere. Auch hier antworte ih mit der Frage: haben wir in Deutschland unsere Zölle denn gegenüber den rumänischen Producten niht auch erhöht? Jch habe neulih einmal in der Zeitung ein sehr interessantes Programm gelesen; das lautet so: Die wichtige Handelspolitik für Deutschland ist: Deutsch- land muß seine Zölle erhöhen und die Regierung muß dafür sorgen, daß die anderen Staaten ihre Zölle erniedrigen. (Heiterkeit.) Ich bin weit entfernt, den Herrn Vorredner der geistigen Theilnahme an diesem Programm zu bezichtigen, aber ih muß doch sagen: einige Anklänge an „dieses Programm habe ih in seinen Ausführungen doch au gefunden. Er findet es ganz natürlich, daß wir in Deutschland mit unserer hochentwickelten Industrie hobe Schutzölle haben; er kann“ es“ aber ‘der Negierung nicht verzeihen, daß sie es geduldet hat, daß Rumänien seine Zölle erhöht hat, ein Land, das bis vor kurzem noch ein reiner Ackerbaustaat war und erst jeßt dank feiner! politishen und wirthschaftlichen Entwickelung anfängt, eine Industrie zu erhalten. Ja, meine Herren, Deutschland selbst Schut- ¡oll treibend und nah außen hin Freihandel predigend, ih fürchte, wir würden damit einen großen Eindruck niht machen. (Heiterkeit.)

Als wir mit Rumänien den ersten Vertrag im Jahre 1877 ge- {lossen hatten, da hatten wir feinen Zoll auf Getreide: die Zoll- freiheit für Cerealien war sogar gebunden gegenüber Oesterreich- Ungarn. Als wir den Zollvertrag mit Rumänien \{lossen im Jahre 1886, da hatten wir einen Getreidezoll von 3 4; und als wir jeßt in Vertragéverhandlungen mit Rumänien eintraten, hatten wir einen Getreidezoll von 5 A Ist es da Wunder zu nehmen, daß nun auch Rumänien seinerseits seine Zölle erhöht? Wir waren son einmal in derselben Lage wie jeßt. Das war 1886, als Rumänien einen Schußtzolltarif \sch geschaffen hatte. Damals weigerte sih Oesterreich - Ungarn, auf der Grundlage

* dieses neuen Tarifs einen Vertrag mit Numänien zu \{hließen. Wir sind einen anderen Weg gegangen. Wir haben mit Rumänien eine Zusatz-Convention geschlossen und haben uns theilweise diesen höheren Zöllen gefügt, und es wäre vielleiht für den Herrn Vorredner

interessant, nun zu sehen, wie sih die handelépolitiscen Verhältnisse zwischen Desterreih-Ungarn und Numänten seitdem entwidckelt haben ; er würde darin ein ziemlich genaues Bild finden von dem, wie unsere Beziehungen mit Rumänien si gestalten würden, wenn die Bundes- regierungen so gehandelt hätten, wie er es beute wünscht.

Er spriht von der Verwerfung dieses Vertrages. Das ist ein großes Wort. Die Verwerfung dieses Vertrages bedeutet, daß am 1. Januar die 5 Æ - Zölle gegen Numänien wieder in Kraft treten das ist zweifellos eine {were Schädigung Rumäniens; denn das Land würde gezwungen werden, für sein Korn andere Absaygebiete zu finden, und würde wahrscheinlich auf dem Weltmarkt geringere Preise dafür bekommen als jeßt, und für uns würde es bedeuten die Gefährdung unseres Marktes in Rumänien. Wenn wir Rumänien die Meist- begünstigung versagen und uns weigern, seine Producte aufzunehmen, so wird Rumänien seine eigenen Wege gehen und gegen uns die Zölle erheben, die cs für rihtig erahtet, und sehr bald wird der tertius gaudens sid) einfinden, der sich da niederläßt, wo wir früher ge- wesen sind.

Wer es weiß, wie hart heutzutage ter Concurrenzkampf im Aus- lande ift, wer Kenntniß davon hat, welhe Anstrengungen und Opfer es unserer Industrie kostet, neue Märkte sich zu erobern und ge» wonnene Märkte zu halten, und wer nur annähernd weiß, wie sehr auch das Interesse unserer jährlih steigenden Arbeiterbevölkerung ver- knüpft ist mit der Erhaltung einer blühenden Erportindustrie, der wird sich eiues gewissen Erstaunens darüber nicht erwehren können, daß fo leihthin ein Markt von über 100 Millionen Mark preisgegeben werden soll, nicht um einen Vortheil für die Landwirthschaft zu er- zielen, denn wenn das rumänische Getreide niht mehr bei uns ein- gelassen wird, so wird das Getreide aus anderen Kanälen in dems- selben Maße zufließen (Heiterkeit); ‘also die Bilanz dessen, was der Herr Vorredner uns vorschlägt, ist: die Landwirthschaft bekommt nichts, die Industrie verliert das, was sie hat, und das Ganze nennt man dann Schuß der nationalen Arbeit. (Heiterkeit)

Ja, meine Herren, ih bin mit meinen Bemerkungen zu Ende und freue mi, daß wir in der Commission ins Detail eingehen und dort alle die Angriffe gegen die Handelspolitik der verbündeten Regierungen näher beleuhten können. Ich will dem Herrn Vor- redner - gern das Zugeständniß machen, daß er an fubjectiver Kritik unserer Handeléverträge das Aeußerste und Möglichste geleistet bat, aber er hat objectiv nihts vorgebracht an fa{lihen Argumenten, was die These erschüttern könnte, die ih wiederholt in diesem hohen Hause aufgestellt habe, daß die Handelsverträge ein nütliches und ein wohlthätiges Werk gewesen sind, und der Reihstag sich wohlverdient gemacht hat um die Nation dadur, daß er die Handelsverträge genehmigt hat. (Bravo!)

Abg. Nickert (fr. Ver.): Die Conservativen wollen eine Coms

‘missionsberathung, obgleih wir die Verträge doch nur annebmen oder

ablehnen können. JIch wünsche, daß die Bedenken Schritt für Schritt widerlegt werden; aber erst müssen wir im Plenum bier dem Volke zeigen, wa3 die Mitglieder der conservativen Partei vorbringen. Wenn man den Leuten vorredet, daß der vers{huldete Gutsbesitzer das în Gold geborgte Geld in Silber zurückzahlt und dabei 25% spart, dann verstehen die Leute das und find nicht uneigennügig genug, um .}o etwas zurückzuweisen; Fe denken nit daran, daß dazu den Arbeitern ihr Lohn um B % verkürzt werde. Früher spraWß man von einer statistishen Gebühr und davon, daß der entsciedenste Agrarier nicht von 3 & Zoll sprehen könne, und jeßt soll 5 ein besceidener Zoll sein. Man eht ja jeßt nod weiter, und dennoch könnten die Agrarier zufrieden fein, daß die Regierung den ganz unbegründeten Zoll von 3,50 „& auf zehn Jahre festgelegt hat. Die beute vorliegenden Verträge find nur die Consequenz der Verträge von 1892, deshalb müßten anch die+ jenigen dafür stimmen, die 1892 gegen die damaligen Verträge ge stimmt haben. Die Landwirtbschaft hat jeßt damit garnichts medr zu thun. Das Unglück is geschehen. Kommt das Getreide nit Hat dena der Aka. Freiberr von Manteuffel mit einer Anzahl seiner Genoffen nit mit uns für die Verträge gestimmt, deren Fortsctung jeßt vorliegt? Man \priht von dem Ausfall an Einnabmen aus den Getreidezöllen und wünscht die Aufrochterdaltung des Differential gegen Rußland, während der Abg. Graf Kaniß no& vor Larzer : einen solchen Differentialzoll für etwas sehr Bedenklicdes erklärte, D Ausfälle haben wir immer; wenn Rumänien und Rußland abge» {lossen würden, würde das Getreide von anderer Seite komme : denn ein Siebdentel des Brotgetreides kommt von außen. Wert bie Herren vom Bunde der Landwirtde wenigstens dafür sergen weilte