1893 / 283 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Nov 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Jn der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ wird die vom Reichs- Eisenbahnamt aufgestellte tabellarishe Uebersicht der Be- triebs-Ergebnisse deutsher Eisenbahnen für den Monat Oktober d. J., auf welhe vorgestern an dieser Stelle auszüglih hingewiesen worden ift, veröffentlicht.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich sächsishe Staats-Minister Dr. Freiherr von Groß ist hier angekommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Senator der freien Hansestadt Bremen Dr. Marcus ist von Berlin abgereist.

Der Kaiserlih und Königlich österreihish-ungarishe Bot- schafter am hiesigen Allerhöchsten Hose von Szöogyény- Marich ist vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

S. M. Kreuzer „Bussard“, Commandant Corvetten- Capitän Flichtenhöfer, ist am 25. November in Auckland (auf Neu-Seeland) angekommen.

Bayern.

Die Dauer der Sizungen des gegenwärtig versammelten Landtags ist durh eine Verordnung! Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Negenten bis zum 31. Januar des nächsten Jahres verlängert worden.

Sachsen.

Jn der Sigzung der Zweiten Kammer vom Donnerstag nahm bei der allgemeinen Vorberathung des Staatshaus- halts und des Finanzgeseßes für die Jahre 1894 und 1895 der Finanz-Minister von Thümmel das Wort zu einem allgemeinen Exposé, worin er sich über die neuen Reichssteuern wie folgt äußerte:

Bei der Auswahl unter den sih bietenden verschiedenen Wegen für Beschaffung der erforderlihen Mittel zur Durchführung der in Ausficht genommenen Reichs-Finanzreform erschien die Beschreitung des Gebietes der directen Steuern theils aus politischen, theils aus praktishen Gründen ausgeschlossen. Denn ganz abgesehen von den erheblihen Schwierigkeiten, welhe unter den innerhalb des Reichs obwaltenden verschiedenen Verhältnissen der bei ciner directen Steuer unerläßlihen Einheitlichkeit der Veranlagung entgegenstehen, würde damit das Reich in dasjenige Gebiet der Besteuerung übergreifen, auf welches jeßt die Einzelstaaten in der großen Hauptsache allein ange- wiesen sind und an dessen aus\cchließliher Benußung sie cin besonderes Interesse haben. Eine Concurrenz des Reichs auf diesem Gebiete würde es zudem den Einzelstaaten für die Zukunft unmöglich machen, ibr System der directen Steuern für ihre eigenen Zwecke ihren Be- dürfnissen und den besonderen Landesverhältnissen entsprechend zu ordnen. Aus gleichen Gründen mußte die Erbschafts\teuer außer Betracht gelassen werden, zumal es auch an der für sie nothwendigen Grundlage eines einheitliten Erbrechts für das Deutsche Reich fehlt. Es blieb daher für die Beschaffung der Mittel für die Mebrbedürfnisse des Reichs nur das Gebiet der indirecten Steuern übrig. Nachdem eine höhere Heranziehung des Branntweins und des Biers, welches leßtere an sih das geeignetste Object zur Erzielung höherer Einnahmen in großem Umfange für das Reich sein würde, infolge der bekannten Vorgänge im Sommer dieses Jahres ver- lossen worden war, konnte das Augenmerk nur auf die Erhöhung der Neichs-Stempelabgaben beziehentlich der Börsensteuer, auf die Ein- führung einiger neuen Stempelabgaben und einer als Ergänzung der bestehenden Getränksteuern zu betrahtenden Reichs-Weinfsteuer, [owie auf die stärkere Heranziehung des Tabaks gerichtet werden.

In erster Linie war auf eine wesentlidze Erhöhung der Börfsen- steuer zurückzukommen. Von der beliebigen Ausdehnbarkeit dieser Steuer mat man si vielfach eine irrthümlihe Vorstellung. Es wird dabei auch oft übersehen, daß die Steuer im Schlußeffect nicht von der Börse und den dabei unmittelbar Betheiligten, sondern von dem Publikum l Tragen l. Day die Dovrfensteuer, und zwar nit nur die in der Besteuerung der Kauf- und Anschaffungsgeschäfte be- ftebende Börsensieuer im engeren Sinne, sondern auh die Be- steuerung der Werthpapiere eine wesentlihe Erhöhung verträgt, ist von den Regierungen der Bundesstaaten vollständig anerkannt worden. Es ist daher in dem Entwurf, welcher sich auf die Neuregelung der Reihs-Stempelabgaben bezieht, hinsihilich der Kauf- und Anschaffungsgeschäfte, sowie der inländischen Werthpapiere durch- gängig die Verdoppelung und hinsichtliÞ der ausländishen Werth- papiere sogar die Verdreifachung der jeßigen Säße in Aussicht ge- nommen. Außerdem enthält der Entwurf eine wesentlihe Erhöhung der Steuer auf Lotterieloose und die Einführung einer Stempelabgabe auf Quittungen, Checks und Giroanweisungen. Als unthunlich hat ih erwiesen, den vielfach geäußerten und an sich als durchaus be- rechtigt anzuerkennenden Wünschen zu entsyrehen, die reinen Differenzgeshäfte höher zu besteuern als diejenigen Zeit- geschäfte, welhe auf eine effective Lieferung gerichtet sind, weil eine Unterscheidung der beiden Arten von Geschäften niht ausführbar is und der mit in Frage gekommene Weg der Erhebung einer Nachsteuer für die nicht zu wirklicher Lieferung führenden Zeitgeshäfte der Undurchführbarkeit der Controlen halber sih als niht gangbar erweist. Auch gegen die von ver- schiedenen Seiten vorgeshlagene Einführung einer. Emissionssteuer haben sih bei eingehender Erwägung wesfentlihe Bedenken ergeben. Schon jeßt werden die hierbet in Frage kommenden, von in- ländisen Emissionsstellen begebenen Wertbpapiere von der Reichs- Stempelsteuer getroffen, welche für dieselben die Wirkung einer Emissionésteuer hat. Es würde daher die Einführung einer Emissionésteuer unter Beibehaltung der jeßigen . Stempel- abgabe zu einer Doppelbesteuerung führen, während der verfolgte Zweck sich viel einfaher und leiter durch die Erhöhung der be- itehenden Tarifsäße erreihen läßt. Dieser Vorschlag gewährt nohch den nit zu unterschätenden Vortheil, daß dadurch auch diejenigen auéländischen Werthpapiere in gleihem Maße getroffen werden, welche niht durch eine inländishe Emissionéstelle, sondern im Wege tes Verkehrs auf den deutshen Markt gelangen, und die daber von einer Emissionssteuer nicht berührt werden würden. Hierzu kommt noch, daß eine Emissionssteuer nach mäßigen Säyen der MNeichékasse keine erhebliche Einnahme bringen, eine hohe Emissionésteuer aber das Bedenken gegen ih haben würde, daß sie die soliden fremdländishen Werthe fern- halten, das Eindringen der fragwürdigen Papiere aber nicht hindern würde. Auch eine Gotirungésteuer für die an der Börse zur Curs- ootirung zugelassenen Sffecten, welche als Ersaß für eine Emissions- teuer an si geeignet sein würde, it in Erwägung gezogen worden. Man hat fic aber sagen müssen, daß die nothwendige Vorausseßung ciner solhen Steuer bas Bestehen einheitlicher fester Börsenordnungen auf geseßliher Grundlage bildet, woran es zur Zeit in Deutschland noch feblt.

Die Weinfsteuer soll im wesentlichen die besseren Weine und ¿war nach dem Werthe treffen. Sie stellt sich danach als die Be- fteverung eines dem Genusse ber besser situirten Klassen der Bevölke- rung dienenden Getränkes dar und erscheint gegenüber der Besteue- rung ves Biers und des Branntweins als durhaus gerechtfertigt. Der Ertrag der Reihs-Stempelabgaben und ter in Vorschlag zu

bringenden Weinsteuer reihen, ungeahtet der nah den betreffenden Entwürfen im Falle der Annahme durch den Reichstag zu erwarten- den Mehreinnahmen, doch bei weitem nicht aus, dem Reich auch nur annähernd das erforderlihe Mehr an Mitteln zuzuführen.

Es hat sich deshalb hierzu noch eine wesentlich stärkere Heran- ziehung des Tabacks als nothwendig ergeben. Durch die jetzige, in den Zöllen auf aus dem Auslande eingeführte Nohtabacke und Tabad- fabrikate und tin der Steuer auf im Inlande erbauten Tabak be- stehende Besteuerung nah dem Gewicht wird dieses Object noch keineswegs in folher Weise \teuerlih ausgenußt, wie dies an fih wohl geschehen kann und in der Mehrzahl der europäishen Staaten fowie in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, theils im Wege des Monopols, theils im Wege der Fabrikatsteuer, theils auf anderem Wege thatsächlih geschieht. Eine Vermehrung der Einnahmen des Reichs aus dem Taba liegt daher nahe, und theoretisch betrachtet stehen einer folhen Maßregel um* so weniger Bedenken entgegen, als sie nit nothwendige Lebensbedürfnisse, fondern einen Luxusartikel trifft, welcher sich zwar bei einem großen Theile der Bevölkerung einer be- sonderen Beliebtheit erfreut und als gewoöhnlihes Genußmittel ein- gebürgert, dadurch aber immer nicht seinen Charakter als Luxus- genußmittel verloren hat. Für die Vermehrung der Cinnahmen aus dem Tabak bieten sich nach Lage der Verhältnisse * für das Reih im wesentlihen nur die drei Wege: der Erhöhung der jeßigen Gewichtssteuer, des Monopols und der Fabrikat- steuer dar. Durch Erhöhung der Gewichts\teuer lassen sich erhebliche Mehreinnahmen nicht erzielen. Mit Recht wird {hon der jeßigen Gewichts\steuer der Vorwurf gemacht, daß bei ihr Tabak und Tabalk- fabrikate von dem verschiedensten Werthe nah gleichen Säßen ge- troffen, also die werthvolleren und an sich zu einer höheren Besteuerung geeigneten im Verhältnisse zu threm Werthe niedriger besteuert werden, als die geringwerthigeren. Mit jeder Erhöhung der betreffenden Säße würde sih die hierin“ be- gründete Ungleichheit in der fsteuerlichen Belastung nur steigern. Von einer erheblihen Erhöhung, wie sie zur Erreichung eines wesentlichen Mehrertrages nothwendig fein würde, kann daher {Gon aus diesem Grunde nicht die Nede sein. Dazu kommen aber noch die Rücksicht auf den inländishen Tabackbau, welcher bei einem folhen Borgehen {wer geschädigt, nah Befinden fogar zum Erliegen gebraht werden würde. Auf das Monopol war, abgesehen von anderen der Einführung desselben entgegenstehenden Bedenken, \{chon aus dem Grunde nicht zurückzukommen, weil dasfelbe keinerlei Aussiht auf Annahme haben würde. Es blieb daher nur die Fabrikatsteuer übrig, mit deren Hilfe es an sih möglich ift, wesentlich höhere Mehreinnahmen zu erzielen. Wenn nun auch die Regierung die empfindliczen Wirkungen der Einführung derselben für unsere weitverzweigte heimische Tabacksindustrie niht verkannt hat und es deshalb lieber gesehen hätte, wenn die Mehrbedürfnisse des Reichs auf anderem Wege hätten befriedigt werden können, fo mußte sie sich doch der unter den obwaltenden Verhältnissen gebieterish auftretenden Nothwendigkeit fügen, und sie würde es mit der ihr obliegenden Nücksiht auf das allgemeine Wohl nicht haben vereinbaren können, threr}eits die Zustimmung zu dem auf Einführung der Fabrikatsteuer gerihteten Vorschlag zu versagen. Nach Lage der Sache konnte sie ihre Aufgabe nur darin erkennen, bei der Gestaltung der Borlage mitzuwirken und ihrerseits nah Kräften dazu beizutragen, daß dieselbe eine die betheiligten Interessenten thunlichst wenig \{chà- digende Gestalt erlangte. Was in dieser Hinsicht geschehen konnte, ist geshehen und nach der Ueberzeugung der Regierung ist in dem von dem Bundesrathe angenommenen Entwurfe, namentlih auch unter gebührender Rücksihtnahme auf den Fortbestand der Klein- betriebe und der Hausarbeit, die Fabrikatsteuer für alle betheiligten Kreise in eincr so schonenden Weise geregelt worden, wie es bei einer derartigen Steuer überhaupt möglich ist. Da dieser Entwurf auf der Basis ciner reinen Werthsteuer in der Weise auf- gebaut ist, daß die Steuer nah bestimmten Procentsätzen des Facturen- werthes der Fabrikate bei deren Ausgang aus der Fabrik erhoben wird, fo entipriht auh diese neue Steuer, mit deren Einführung übrigens die bisherige Steuer auf den im Inlande erzeugten Taback in Wegfall kommen und der Zoll auf Rohtabak um den Betrag der Inlandsteuer ermäßigt werden soll, weit mehr als die Gewichtssteuer den Principien der Gerechtigkeit und Billigkeit, insofern durch sie eine Gewähr dafür geboten wird, daß die Tabackfabrikate je nah ihrem Werthe verschieden hech durch die Steuer belastet werden.

Baden.

ie gesammten A usgaben, ordentliche wie außerordent- liche, sind für die beiden nächsten Jahre auf 128 356 251 M, veranschlagt, denen ordentlihe und außerordentlihe Ein- nahmen von im ganzen 118737 689 46 gegenüberstehen, sodaß nah dem Budget die Einnahmen hinter den Aus- gaben zurüdbleiben, und zwar um 96185662 4/4 Der ordentlihe Etat insbesondere schließt ab mit einem Voranschlag der Ausgaben von 120773208 /6 und einem Voranschlag der Einnahmen von 117 289608 6, sonach mit einem Mehr der Ausgaben gegen die Einnahmen von 3 483 600 6 für beide Jahre oder von 1 741 800 durh- schnittlich für ein Jahr. Die angekündigte Steuererhöhung beträgt der „Badischen Correspondenz“ zufolge 50 Z auf 100 /6 Einktommensteuer-Anschlag unter Ausshluß der Ein- fTommen bis 9200 /& Hierdurh wird der frühere Steuersaß von 21/5 6 wiederhergestellt.

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Hefsen. ,

Die Feier des Geburtstags Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs wurde, wie die „Darmst. Ztg.“ berichtet, am Freitag Abend in Darmstadt durch einen großen Zapfen- streich eingeleitet. Am Sonnabend früh fand große Reveille stait. Vormittags wurden in den Kirchen Festgottesdienste abgehalten, später war große Parole-Ausgabe und am Abend æestvorstellung im Theater. Die öffentlihen und zahlreiche Privatgebäude trugen reihen Festschmuck.

Oldenburg.

(H) Der von der Staatsregierung dem Landtag vor- gelegte, auf der Grundlage eines neuen, infolge Aufhebung des Erneuerungsfonds der Eisenbahnverwaltung am 1. Januar 1894 einzuführenden Buchungsplans aufgestellte Voranschlag der Eisenbahn-Betriebskasse des Herzogthums Olden- burg §ür die nächste Finanzperiode balancirt in Einnahme und Ausgâbe für 1894 mit 6 813 370 MÆ, für 1895 mit 6 843 740 4 und für 1896 mit 6876520 /# Von den unter den Aus- gaben begriffenen Betriebsüberschüssen sollen nah der Vorlage abgeführt werden: an die Staatskasse jährlih 1 185 000 M, an den Eisenbahn-Baufonds 76 365 46 pro 1894, 62 825 M. pro 1895, 141 250 M. pro 1896.

Neuß ä. L.

—+- Seine Durchlaucht der Fürst hat sih am Sonnabend, einer Einladung des Prinzen Carolath Folge leistend, zu mehrtägigem Aufenthalt nach der Herrschaft Amtiy in Schle- sien begeben.

Oesterreich-Ungarn. Die Kaiserin empfing, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Nachmittag den Aen Nuntius Agliardi, den eng- lischen Botschafter : “e mit Gemahlin , den spanischen

Botschafter Valera mit Gemahlin und den Minister-Präsi- denten Fürsten Windischgrä ß in Privataudienz.

Der ehemalige Finanz - Minister Dr. Steinbach ist zum Senats-Präsidenten des Obersten Gerichtshofes ernannt worden.

Der „Neuen Freien Presse“ zufolge ist die Handelg- convention zwishen Desterreih-Ungarn und Bu[- garien, welche mit Ende dicses Jahres abläuft, durch Aus- taush von Erklärungen bis Ende 1894 verlängert worden.

Das Abgeordnetenhaus wählte in seiner vorgestrigen Sitzung den Abg. Abrah amowicz mit 158 von 258 Stimmen zum Zweiten Vice-Präsidenten. Gegen Ende der Sißung richteten Dipa ul i und Genossen an den Finanz-Minister die Anfrage, ob es richtig sei, daß die Ausgabe von Gulden- noten sistirt sci, und wie der Finanz-Minister die dadurch be- wirkte Verminderung der Circulationsmittel zu rechtfertigen und zu saniren gedenke.

Das gestern erschienene ungarische Amtsblatt veröffentlicht eine Kaiserliche Entschließung, derzufolge bei officiellen feicrlihen Anlässen, wie Krönungsacten, O und Schluß Des Reichstags, Empfang der ungarischen Delegation und anstatt der bisher functionirenden Chefs Der Dbeuiten HDofamiex die Ungar gen Banney- herren 1 fungen haben, Q Menunctiationef von Mitgliedern des KatserliGen Hauses ist die ungarische Regierung beizuziehen, und die ecr- folgten Renunciationen fowie alle die Mitglieder des Kaiser: lichen Hauses betreffenden, mit der Thronfolgeordnung vom Jahre 1723 in Verbindung stchenden Aenderungen sind der ungarischen Regierung amtlih mitzutheilen. Bezüglich des inneren Hofstaats resp. der ständigen Vertretung in Ungarn wird die ungarishe Regierung zu weiterer Unterbreitung ermächtigt.

Nationalfesten,

Großbritannien und Jrland.

__ Der Premier-Minister Gladstone leidet an Schlaf- lostgkeit und hat für einige Tage zur Erholung Aufenthalt in Brighton genommen.

Frankreich.

Das Ministerium Dupuy hat am Sonnabend dem Präsidenten Carnot seine Entlassung eingereiht. Ueber die Veranlassung hierzu giebt der Verlauf der vorgestrigen SißungderDêputirtenkammer Aufschluß. Bereits vorBegin der Sitzung verlautete, daß die radicalen Mitglieder des Ministe- riums, der Finanz-Minister Peytral, der Minister der öffent: lichen Arbeiten Viette Und der Handels-Minister Derrier ihre Entlassung eingereiht hätten. Bei Beginn der Sizung, in der die Fortseßung der Berathung der Interpellation Jaure's über die Erklärung des Ministeriums auf der Tagesordnung stand, erklärte Goblet, das Land habe bei den Wahlen seinen Willen klar zu erkennen gegeben; man müsse die Republik in die Wege des geseßlichen und friedlichen Forischrittes leiten. Er tadelte hierauf die Politik der Regierung, die den -Anschauungen des Landes entgegengeseßt sei, und verlangte gewisse Reformen, namentlich die Revision der Verfassung sowie eine Einkommen- \teuer. (Beifall auf der außen Linken) Der Minister Präsident Dupuy erklärte, das Land wolle gegenwärtig weder eine Revision der Verfassung, noch eine Trennung der Kirche vom Staat, noch eine Einkommensteuer. (Beifall im Centrum.) Das Cabinet bleibe dem Geist der Revo- lution treu lehne aber die lociaumchGen Lheorien ab; velhe an Stelle des Jndividuums den Staat seßen und das persönliche Eigenthum durh Beraubung unterdrücken wollen. (Beifall.) Das Cabinet vertheidige die individuelle Freiheit der Arbeit und des Eigenthums und sei bemüht, durch weise Maßregeln die Lage der Arbeiter zu verbessern. Dev Minister berief sih auf die in der ministeriellen Erklärung angekündigten Vorlagen und ersuchte die Kammer, klar aus- zusprechen, ob das Cabinet ihr Vertrauen besiße. (Beifall.) Leyguès bekämpft sodann die socialistishen Theorien. Jo ur- dan (radical) hielt das Programm des Cabinets für unzulänglich. Pelletan Me 90D œ as gang Cabinet oder nur einen Theil desselben vor sich habe. Der Minister-Präsident Dupuy erwiderte: „Das ganze Cabinet steht vor Jhnen. Sie dürfen reden!“ (Lebhafter Beifall, Lärm auf der äußersten Linken. Mehrere Deputirte riefen der Finanz-Minister Peytral habe seine Demission eingereicht.) Pelletan erklärte, da er kein solidarishes Cabinet vor 1h habe, verlasse er die Tribüne. (Lebhafter Beifall links.) Brisson äußerte, die Haliung des Cabinets sei verfassungs: widrig; es sei .unmöglih, die Debatte weiter fortzuseßen. (Beifall.) Darauf zogen dice Urheber der Juterpellation diese zurück, bis das Cabinet sich reconstituirt habe. Unter lebhafter Bewegung wurde die Sißung sodann vertagt.

Nach Schluß der Sißung traten die Minister, mit Aus- nahme von Peytral, Viette und Terrier, zusammen und be: \hlofsen, ihre gemeinsame Demission einzureichen. y

Der Präsident Carnot conferirte vorgestern Abend mit Casimir Périer und Challémel Lacour, Casimir Périer lehnte den Auftrag, die Neubildung des Cabinets zu übernehmen, rundweg ab, indem er seine Weigerung au} Gründe der allgemeinen Politik stüßte. Auf den Wunsch des Präsidenten Carnot kam Casimir Périer gestern noch einmal nach dem Elysée, blieb indessen auf seiner Weigerung bestehen und empfahl dem Präsidenten, an dic Mitwirkung und Ergebenheit Dupuy’'s zu appelliren. Der Präsident Carnot berief infolge dessen gestern Vormittag Dupuy, der jedoch erklärte, daß er die ihm angebotene Mission, ein Cabinet: zU bilden, mit Erfolg nicht erfüllen zu können glaube, und den Auftrag ablehnte. Am Nachmittag wurde Méline in das Elysée berufen.

In dem am Sonnabend vor Beginn der Sißung der Deputirtenkammer abgehaltenen Ministerrath theilte der Minister des Auswärtigen Develle mit, die englische "Regierung habe sich, gestüßt auf die ärztlihen Gutachten, ge- weigert, Cornelius Herz vor dem Gerichtshofe in der Bowstreet erscheinen zùü lassen. Ferner genehmigte der Minister- rath den Geseßentwurf, durch welchen die öffentlichen Kassen ermächtigt werden, auswärtige Fünfcentimes-Stüce bis zum 31. Januar 1894 anzunehmen.

Italien,

Die Ministerkrisis ist noch nicht beendet. Am Sonnabend Vormittag hatte der König, wie „W. T. B.“ meldet, eime Besprechung über die Lage mit dem Präsidenten der parlamen- tarischen Banken-Untersuchungs-Commission Mord ini und empfing sodann Crispi und Ricotti, um mit ihnen über dic Lage zu conferiren. Gestern hatte der König Besprehungen mit dem früheren Präsidenten der Deputirtenkamme! Biancheri und dem Marquis di Rudini.

Der deutsche Botschafter Graf zu Solms hat dem Minister des Auswärtigen Brin a diesem von L E dem Kaiser Wilhelm verliehene Marmorbüste überreicht.

Der Rechnungshof hat unter Vorbehalt das Decret, betreffend die Erhebung der Eingangszölle in Metall: geld, registrirt.

Am Sonnabend ist noh eine Beilage zu dem Bericht der parlamentarischen Untersuchungscommission in der Bankenangelegenheit veröffentliht worden. Diese Beilage verzeichnet die nothleidenden Effecten und Pro- longationen zu Gunsten einiger gewesenen und gegen- wärtigen Deputirten. Die Deputirten erklären durchweg, daß es sh um Privatangelegenheiten handele, und geben eingehende, rehtfertigende Aufschlüsse. Insbesondere gilt dieses von Menotti und Ricciotti Garibaldi in Betreff von noth- leidenden Effecten, von Crispi, dem Unter-Staatssecretär San Giuliano und dem Minister Martini in Betreff von Pro- longationen.

Jn einer vorgestern abgehaltenen Conferenz der Bureaus des Senats wurde die Ernennung einer Commission von 5 Mitgliedern beschlossen, die beauftragt wird, in den Be- riht der parlamentarischen Untersuhungscommission in der Bankangelegenheit Einsicht zu nehmen und diejenigen Senatoren, die im Besiß von nothleidenden Effecten wären, zu befragen, um sodann dem Senat geeignete Verfügungen vorzuschlagen. _ Geste Abend 6 Uhr versammelten sich in Nom etwa 100 dem Arbeiterstand angehörige Manifestanten auf dem Monte Citorio und versuchten unter den Rufen: „Nieder mit den Dieben, nieder mit den Missethätern!“ in das Palais der Deputirtenkammer einzudringen. Die Polizei zer- streute die Menge und nahm einige Verhaftungen vor. Die Manifestanten versuchten sodann nohmals, vor dem Telegraphen- amt sich zu sammeln, wurden jedoch abermals auscinander- getrieben.

Spanien.

Jn Madrid eingetroffenen Nachrichten zufolge wäre die spanishe Colonie am Rio Doro durch die Araber bedroht. Es sei Hilfe von Tenecriffa dorthin abgegangen.

Der Marschall Martinez Campos ist laut Meldung des „W. T. B.“ zum Oberbefehlshaber der Truppen in Melilla ernannt worden. Der Marschall wurde gestern Mittag von der Königin empfangen und reiste gestern Abend nach Afrika ab. Die Abendblätter sprechen sich ‘einstimmig sehr beifällig über die Ernennung aus. Der Specialcorrespondent der „Agence Fabra“, Oberst-Lieutenant Leopoldo Alas, wird den Ma1schall begleiten.

Schweiz.

Der Bundesrath hat dem [W, T. B zufolge be- schlossen, der italienishen Regierung vorzuschlagen, die Er- ledigung des Einspruchs gegen die Zahlung der italienishen Zölle in Metallgeld, der sich auf die Bestimmungen des schweizerish-italienishen Handelsvertrages O der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu unter- reiten.

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Türkei. : Anläßlih der Feier der silbernen Hochzeit, welche der deutsche Botschafter in Madrid von Radowißt heute begeht, übersandte der Sultan, wie „W. T. B.“ meldet, dem Bot- schafter seine Glückwünsche, in welchen er auf das herzlichste der langen ausgezeichneten Thätigkeit desselben gedenkt und

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seine wärmste persönliche Theilnahme an der Feier ausspricht.

Rumänien. n Der Prinz und die Prinzessin Ferdinand von Kumänien “sind mit ihrem Sohn am Sonnabend in Bukarest eingetroffen. Am Bahnhof fand ein feierlicher Empfang statt.

Bulgarien.

Der Sonderzug mit der Leiche des Grafen Hartenau, auf dem sih auch die Prinzen Heinrich und Franz Joseph von Battenberg befanden, ging vorgestern früh von Graz nah Sofia ab. Bei dem Eintreffen auf serbischem Gebiet sprach der ferbishe Minister des Auswärtigen Nicolic dem Minister Grekow und den Prinzen von Battenberg im Namen der serbishen Regierung sein Beileid aus. Bu dem- jelben Zweck hatie der König einen Adjutanten entsandt. Am Bahnhof in Belgrad waren Deputationen der Skupschtina und der Stadt Belgrad, sowie eine Militär- deputation anwesend, welche leßtere dem Conduct bis zur bulgarischen Grenze das Geleit gab. Dort wurde der Zug von Deputationen des Hofes, des Ministerraths und der Sobranje empfangen. Auf der Strecke von Zaribrod nah Sofia waren große Menschenmassen angesammelt. Die auf den Höhen von Slivniya aufgefahrene Batterie begrüßte den Zug mit 21 Kanonenschüssen; in Slivnißa wurden Kränze auf den Sarg niedergelegt. Am Bahnhof in Sofia waren der Prinz Ferdinand von Sachsen - Coburg mit seinem Hofstaat, die Minister und das diplomatische Corps anwesend. Die Ankunft des Zuges wurde durch Kanonenschüsse angekündigt. Nach herzliher Begrüßung der Prinzen Heinrih und Franz Joseph von Battenberg zog sih der Prinz Ferdinand mit den Prinzen Wo und Franz Joseph in den Salon zurü. Als der Sarg vom Wagen gehoben war, hielt Stambulow eine Ansprache, die alle Anwesenden tief rührte. Der Leichen- zug seßte sich sodann unter großem Andrang der Be- völkerung in Bewegung. Ganz Bulgarien war vertreten : jeder District, jede Stadt, jede Corporation hatte Kränze gesandt. Hinter dem Sarge schritt der Prinz Ferdinand mit den Prinzen von Battenberg, dann die übrigen Trauergäste. Der Sarg wurde vorläufig in einer als Mausoleum gewählten kleinen Kirche beigeseßt.

Montenegro.

Ein von der Pforte nah Gussinje entsandter Specia l- Commissar, der beauftragt ist, die Individuen ausfindig zu machen, die im vergangenen Monat einen montenegrinischen Commissar angegriffen hatten, wird, wie „W. T. B. aus Cetinje meldet, nach daselbst eingetroffenen Nachrichten von den Albanesen zurückgehalten.

Dänemark. Jm Folkethin g brachte, wie „W. T. B.“ berichtet, vorgestern der Vorstand der moderaten Linken eine Reihe agrarfreun d- licher Vorlagen ein, darunter eine solhe wegen Errichtung ciner Staats-Hypothekenbank, worin bestimmt wird, daß alle be-

stehenden Creditvereine eingehen und die Verpflichtungen der- selben bis zum Betrage von 15 Millionen vom Staate garantirt werden sollen; ferner eine andere Vorlage wegen Errichtung einer Negierungscommission zur Erwägung der Frage der Beschaffung von Grund- stücken für Landarbeiter. Der Führer der moderaten Linken Boysen sprah sich für den Anshluß an den neu- gebildeten politishen Agrarierverein aus, weil dieser die An- sprüche, die Lebensbedürfnisse mit Zöllen zu belasten, zurü- gewiesen habe, und erklärte, er werde Zollreformvorlagen ein- bringen, falls die Regierung solhe nit vorlegen sollte.

Amerika.

Wie die „Times“ aus Philadelphia meldet, hat die Regierung der Vereinigten Staaten, da sie den Admiral Mell o in keiner Weise als kriegführende Macht an- erkennt, beschlossen, bezüglih der Bildung einer Flotte für den Präsidenten Peixoto in den Vereinigten Staaten nicht zu interveniren.

Vei einem in Boston abgehaltenen Bankett von Anhängern der republikanischen Partei erklärte Mac Kinley, daß jede Tarifherabsezung auch eine Herabsezung der Löhne im Ge- folge haben werde. „Mac Kinley fügte dem „W. T. B.“ zu- folge hinzu, er sei überzeugt, daß die überwiegende Neigung des Landes den protectionistishen Tarif begünstige. Das Verdict des Landes im vergangenen Jahre sei nicht gegen das protectionistishe System gerichtet gewesen. Wenn die an der Macht befindlihe Partei die Abstimmung in diesem Sinne auslege, thue sie dies auf ihr eigenes Risiko.

n Paris eingetroffenen Nachrichten aus Montevideo zufolge wären daselbst die Truppen consignirt worden, da man bei den legislativen Wahlen Unruhen befürchte.

Asien.

Die „Politische Correspondenz“ meldet: Nah St. Peters- burger Nachrichten beabsichtige der Schah von Persien, im uni 1894 cine Reise nah Europa zu unternehmen, und werde sich zunächst nah St. Petersburg, dann nach Berlin, Paris und London begeben, von wo er über Wien nah Persien zurückzukehren gedenke.

Afrika.

Die Brüsseler Abendblätter vom Sonnabend verzeichnen unter aller Reserve das Gerücht, die Expedition auf dem oberen Nil, die früher unter dem Befehl des verstorbenen van Kerkhove gestanden, habe einen Theil ihres Bestandes in den Kämpfen mit den Arabern auf dem Rückwege nah dem Congo verloren. S

Dem „Reuter shen Bureau“ wird aus Buluwayo vom 20. d. M. gemeldet, die Verfolgung Lobengula'’s scheine schwieriger, als man vermuthet habe. Man müße eine Proviant- colonne zur Unterstügung der auf der Verfolgung befindlichen Truppen nachsenden. Z _ Eine Mittheilung der „Agence Havas“ besagt: mit Nüct- iht auf die Unruhen, die in gewissen Theilen Madagascars herrschen, habe die französishe Regierung beschlossen, die er- forderlichen Maßregeln zu ergreifen, um unbedingt die Ein- fuhr von Waffen und von Munition auf der Insel zu verhindern. Der Commandant der französischen Flotten-

station habe die nothwendigen Jnstructionen erhalten.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die vorgestrige Sizung befindet si

der Zweiten Beilage. 6. Sigung vom Moæag, 27. November, 1 Uhr.

__ Der Sißung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi,- die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Hollmann und Dr. Graf von Posadowsky, der Königlich preußishe Finanz-Minister Dr. Miquel und der Königlich preußische Kriegs-Minister Bronsart von Schellendorff.

Eingegangen ist eine Nachweisung der Geschäfts- und Nech- nungsergebnisse der Jnvaliditäts- und Altersversicherung ur 1892: L __ Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1894/95, in Verbindung mit der ersten Berathung des Anleihegeseßes und der Etats für die Schußgebiete. Das Wort nimmt zunächst der Staatssecretär Dr. Graf von Posadowsky. (Wir werden diese Rede morgen im Wortlaut bringen.) (Schluß des Blattes.)

Die I. Commission des Reichstags für die Geschäfts- ordnung besteht, aus folgenden Abgeordneten: Singer, Vorsißender : von Kosctelski, Stellvertreter des Vorsitzenden: Dr. Braubadß, von Gerlach, Günther, von Kehler, Meister, Dr. Pichler, Dr. Pieschel, Schriftführer; von Polenz, Noeren, Schriftführer ; von Schöning, Traeger, Freiherr von Unrube-Bomst.

: ie 11. Commission des Reichstags für die Petitionen ist aus folgenden Abgeordneten zusammengesetzt: Dr. Kruse, Vorsißender : Schmidt (Warburg), Stellvertreter des Vorsitzenden ; Graf von Bern- storffff (Lauenburg), Broekmann, Casselmann, Fürst Czartoryski, Engels, Culer, Förster (Reuß), Galler, von Herder, Hüpeden, Schriftführer : Jacobsköôtter, Krebs, Dr. Freiherr von Langen, Graf von Oriola, Pauli, Placke, von Reibnitßz, Kettih, Rimpau, Schriftführer ; Schmidt (Sachsen), Schwarze, Schriftführer; von Slaski, Vogtherr, Watten- dorff, Wenzel, de Witt. y

Die 111. Commission des Reichstags für den Reihs- haushalt8-Etat ist noch nit gewählt.

Die IV. Commission des Reichstags für die Rech- nungen über den Reichshaushalt besteht aus folgenden Ab geordneten: Dr. Paasche, Vorsißender; Holy, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. Bachem, Cegielski, Letoha, Schall, Stadthagen, Schriftführer. i: Die V. Commission des Reichstags für die Wahbl- prüfungen besteht aus folgenden Abgeordneten : Spahn, Vorsitzender : Dr. bon Marqguardfen, Stellvertreter des Vorsißenden; Auer, Bafsser- mann, Schriftführer; Brandenburg, Dr. von Muchka, Sriftführer : von der Gröben-Arenstein, von Holleuffer, von Koscielski, Graf von Moltke, Schmieder, Dr. Schneider, Schriftführer; Dr. Stephan (Beuthen), Wellstein, Schriftführer. :

Der Rittergutsbesißer von Bonin auf Wulflagke, Mitglied des Herrenhauses, ist gestorben.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

__ Mit dem „Idomeneus*“ wurde am Freitag Abend der angekün- E Mozart-Cyclus in sehr genußreiher Weise eröffnet. Die Künstler- gestalt des Componisten und fein Genie erschöpft fich zwar niht in seinen dramatishen Werken, aber immerhin bildet ihre zusammen- gefaßte Vorführung auf der Bühne das einfahste und \{önfste Mittel, von seiner wunderbaren Entwicklung zur Meisterschaft eine Borftellung und Zeugniß davon zu geben, wie hon in dem jugendlichen Meister all der Zauber warmer Empfindung und das echte deutshe Gemüth wohnte, das sich in der Turzen Lebenszeit immer reicher, tiefer und fiegreicher in seinen musikalishen Schöpfungen entfaltete. Der „Fdomeneus* ift noch fast völlig unter dem Einfluß der italienishen Schule entstanden, aber er ist das erste groß angelegte Werk, das eignes fünstlerishes Wollen und eine feste zu den Höhen aufstrebende Künstlernatur zur Erscheinung bringt. Die Aufführung der Oper war eine in allem Wesentlichen wohlgelungene. Die große. Titelrolle wurde von Herrn Sylva tadellos und bis zum Schluß ohne jede Ermüdung gesungen; seine Coloraturgewandtheit, die bet der Fülle der Stimme um îo wunder- barer _wirfte, kam hier aufs beste zur Geltung. Der Sänger beherrsht sein Organ in jedem Augenblick und kann so alles Unschône vermeiden; auch die schauspielerische Aufgabe löfte der Sänger anerkennenswerth; im Wesen und in der Bewegung zeigte sich die königliche Nuhe und Würde, die der Gestalt auch in den Momenten der Leidenschaft eigen sein müssen. Von den mitwirkenden Damen fkonnte Fräulein Leisinger als Jlia aufs neue ihre gefühlswarme und edle Stimme in den Dienst ihrer Aufgabe stellen. Den Jdamantes sang und spielte Frau Staudigl mit Auszeihnung; die Fülle, Klarheit und Ausdrucks- fähigkeit ihrer Stimme überwand wieder leiht die großen Anforde- rungen dieser Partie. Fräulein Kopka als Elektra fügte sih willig dem Gesammtspiel ein. Den Oberpriester sang mit gewohnter \{öner Tongestaltung Herr Beg. :

__ Am vorgestrigen zweiten Mozart Abend gelangte das aus den Knabenjahren des Componisten herrührende Singspiel „Bastien und Bastienne“" erneut zur Aufführung. Die einfahe, zarte und nicht unwirksame Musik, die das s\taunenswerthe ursprüngliche Geschick und Gefühl des jungen Mozart für seine Kunst offen- bart, findet au heute mit RNecht noch den Beifall der Hörer. Bei der Sonnabend-Aufführung sang Fräulein Dietrich die Partie der Bastienne, die gewöhnli von Fräulein Weiß wiedergegeben wird, fehr beifallswürdig und mit erfreulicher Hervorkehrung der wirkungsvollen Seiten der Rolle. Herr Philipp als Bastien und Herr Krolop als Colas trugen ihre Partie mit gewohnter künstlerischer Vollendung vor.

Als bedeutenderes Werk des Meisters folgte „Belmon te und Constanze" oder „Die Entführung aus dem Serail“, das auf unserer Königlihen Bühne von jeher heimisch wir und immer in fünstlerish abgerundeter Auf führung dargeboten wurde. In Frau Herzog besißt die Königliche Bühne eine in Gesang und Spiel gleihmäßig vorzügliche Constanze. Der Wohllaut der Stimme und die Sicherheit des Organs ergänzen sch mit der Feinheit der “Charakteristik zu einer wohl unübertrefflihen Leistung. Den Osmin gab fast nicht minder lobenswerth Herr Mödlinger. Das Blondchen wurde von &râulein Dietrich und der Pedrillo mit gewohnter guter Laune von Herrn Lieban gesungen und gespielt; nicht ganz auf der Höbe dieser

Uotftrnaon C S At So@æ G c Gi o M„rY Z Leltstungen skand die des Herrn Sommer als Belmonte.

Concerte.

Die Sing-Akademie feierte, wi (jä fo au gestern, am LTodtenfest - Sonntag das Andenken an die Verstorbenen durch eine Aufführung kir{liher Chorwerke. Es waren zu diefem Zweck Martin Blumner’s Cantate „In Zeit und Ewigkeit" und Mozart'’s „Nequiem“ auserwählt worden. Die Cantate, die von dem Chor der Sing-Akademie bei ernsten Festtagen stets mit besonderer Vorliebe auf- geführt wird, ist allen Verehrern der Sing-Akademie bereits seit längerer Beit befannt. Unter den großen Schönheiten dieser Composition heben wir hier nur das melodisch fesselnde Quartett „Leben wir, fo leben wir dem Herrn“ und die kunstvoll gebaute Schlußfuge bervor. Die Cantate wie das Requiem wurden vom Chor und vom Philharmonischen Orchester wieder mit einer Vollendung ausgeführt, die über jedes Lob erhaben ist. Dem Director, Lerrn Professor Blumner gebührt Dank für die den Zu- höôrern bereitete würdige Feier des T ch die vortrefflichen Leistungen der Solisten, Fräulein Helene Oberbeck (Sopran), Fräulein Martha Rückward (Alt), welhe für ihre erkrankte Collegin Fräulein Schacht eingetreten war, Herr Otto Hintel- mann (Tenor) und Herr Georg Rolle (Bak), trugen sehr wesent- lih zum Gelingen des Ganzen bei :

_ Das Concert des hi î nnten „Pariser &r108*, bestehend aus Frau Berthe Breitner-Ha ft (Violine), Herrn Louis Breitner (Klavier) und £ F. Ronchini (Cello), welches am Freitag im Saal Bechstein stattfand, wurde mit einem Trio von Dvokak (op. 65) eröffnet. Verk, dem es niht an

iginellen Mot jedoch an fefselnden inkten in der thema-

Concert-

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bekannten un gesugre, und beer’s succede alla notte“. Von den f Brahms’\{hen Liedern besonders ü ängerin j metsten fih eignenden M¿dchenTto Gs Trebè A fn BobltRs Nahtigall „Mädche [ied*, 3 Lie ch fo lieblich* und „Nachtigall“. Lieder, wie die genannte Arie nebst der öfter gebörten Arie aus Somtramtig* ; Fot dinftlort +5 db «Semiramts l ewundernswerther Nt; +5 F vot Ds G L Birktuositat und fo reizenden Q ck vor, daß einenrt toNo 5 o Bon do ck Frl F +5 jeden Gesange raufcender Beifall folgte. x) o Nas N 4 ck A s ; ck— t denen „Das BVeilchen*“ von Mozart uni don Schubert Fl ton Ey 7 too eie » Ns S F folgten, fanden dieselbe Aufnahme. ie große Ausdauer der Kraft ihrer Stimme war noch besonders in den reichlichen Zugaben zu H B 21 on o Thota ckpotto wan ck11; trr D bewundern, zu denen die stets bereite un! âllige Künfilerin immer von neuem herausgefordert wurde. ie beiden Flöôtiften Herren 0 F o q m e olen Faris n e 5 zuen}e! und Schmeling fowie der Piamst Herr p L » D . @O Laa Tits. 5D T 2 Georg Liel der die Klavierbegleitung sämmtliche efange @ L S G F S 1 i £ übernommen daîte und noch durch eintge it erfreute, trugen das Zhrtge zum Gelingen des fehr genußreichen

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ar Königlil R Opernhause wird morgen Meyerbeer’ „Afrikanerin' t Damen Sucher, Fiedler, Deppe, den Herren Sylva, Bulß, Mödlinger, Krolop, Sommer, Stammer, Krasa, unter Kapellmeister s Litung gegeben.

Im König en Shauspielbaufe gelangen morgen Del mar’s Schaufpiel „Die Ahbrensbooper* und Gerhart Hauptmanns „Dannele“ zur Aufführung. Fräulein Rofa Poppe wird demnächst auf Wunsch des Herzogs von Sachfen - Meiningen im dortigen Hof“ theater die „Medea“ spielen.

Dem Königlichen Kammersänger Herrn Paul Bulß if von Seiner Königlichen Hoheit dem Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha die große goldene Herzog Ernft-Medaille verliehen worden. Im Deutschen Theater geht am Donnerstag als Scbluß des Goetde-Cyklus „Faust's Tod* in Seene. Wiederholungen des „Talisman“ finden am Dienstag und Sonnabend statt. „Kain

und „Die Mitfchuldigen® kommen am Freitag zur Aufführung, Füx Mittwoch is das Lustspiel „Zwei glückliche Tage“ angesegt.

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