1893 / 287 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

bt Dr. Uhlhorn, General-Major von dem Knesebeck, Landces3- Director Freiherr von S of:Marschall Graf

üdckler; an der linken Seite Seiner Majestät des Kaisers : der Ober-Präfident Dr. von Bennigsen, die General-Majore Hänish, von Alvensleben, von Gottberg, der Jn- tendant des X. Armec-Corps, Wirklihe Geheime Kriegs- rath Gadow, der General-Commissions-Präsident Fastenau, der Eisenbahn - Directions - Präsident Reigzenstein. teben Jhrer Majestät der Kaiserin hatten ihre Pläße: an der rehten Seite Prinz Friedrich von Sachsen-Meiningen, die Hofdame Gräfin Keller, General der Jnfanterie von Hahnke, Ober- Hofmeister Freiherr von Mirbach, General-Major von Plessen, Regie- rungs-Präsident Graf Bismarck, General-Arzt Dr. Gähde; an der linken Seite General-Lieutenant Lenke, die Hof- dame Gräfin Schulenburg, der Ober-Hof-Marschall Graf A. zu Eulenburg, Oberst-Stallmeister Graf Wedel, Hof:Marschall Graf von der Schulenburg. Außer den bereits genannten waren noch folgende Gäste geladen: Landgerichts- Präsident Pleuß, Ober - Präsidial - Nath von Tieschowiß, Stadtdirector Tramm, Provinzial- Steuer - Director, Geheimer inanz - Rath Jaehnigen, Rector der Technischen Hoch- hule, Professor Dr. Kohlrausch, Polizei - Präsident von Brandt, die Königlichen Kammernherren Graf von der Schulen- burg-Wolfsburg, Landrath von Bruennecl, Freiherr von Nosen- berg, Goeg von Olenhusen ‘und von Lepel- Gniy. Zur Tafelmusik war das Trompeter-Corps des Königs-Ulanen- Regiments befohlen. Toaste wurden niht ausgebracht. Um 63/4 Uhr war das Diner beendet. Nachdem in den Neben- sälen der Kaffee cingenommen und die Gäste entlassen waren, begaben Sih Jhre Majestäten nah dem Königlichen Theater. Auf der Fahrt dorthin wurden Allerhöchstdieselben wieder mit lebhaften Zurufen begrüßt. Das Haus war auf allen Plauen Dit Vell; Der erste Rang war auf Befehl Seiner Majestät der Generalität, den Familien der Offiziere der in Hannover garnisonirenden Regimenter und den hoheren Beamten zur Verfügung gestellt. Beim Eintritt des Kaiserlichen Paares in die große Mittelloge erhoben ih sämmtliche Anwesende. Seine Majestät der Kaiser, in der Uniform Seines Ulanen-Regiments, nahmen rechts von Jhrer Majestät der Kaiserin nahe an der Logenbrüstung und im Hintergrunde das Gefolge Plaß. Zur Auffüh- xung tam die Oper „Fra Diavolo“ von Nuber. Nach dem zweiten Act verließen Jhre Majestäten die Loge, um im Foyer den Thee zu . nehmen und Cercle abzuhalten. Nach Beendigung der Vorstellung verabschiedeten Sih Jhre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin durch Verneigen vom Publikum, das Allerhöchstdenselben beim Verlassen der Loge ein dreifahes Hoch darbrahte. Auch vor dem Theater und an der Ständehausstraße wurden Jhren Majestäten von der zahlreih versammelten Menge Huldigungen dargebracht, die sih bis zum Schloß fortseßten.

Heute Vormittag 10Uhr nahmen Seine Majestät der Kaiser auf dem Waterloo-Plaß über die gesammte Garnison Parade ab. Jhre Majestät die Kaiserin besuhten heute Vormittag den Verein zur Verwerthung weibliher Handarbeiten, die Kinder-Heilanjtalt, die Blinden-Anstalt und die Gartenkirche.

Das Antwortschreiben Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich auf die Glückwunsch- Adresse der Berliner Stadtverordneten lautet dem „W. T. B. zufolge:

„Die Stadtverordneten haben ihre freundlihen Wünsche für Mich und die Meinen aus Anlaß Meines Geburtstags in warmen Worten bekundet und Mich dadurch zu besonderem Danke verpflichtet. Wie Ich allen der Entwickelung und Wohlfahrt der Hauptstadt gewidmeten Bestrebungen der Berliner Bürgerschaft immer Mein lebhaftes Interesse zugewandt habe, so werde Jch dieselben au ferner und alle Zeit mit Meiner vollen Theilnahme und Meinen besten Wünschen begleiten.

Frankfurt a. M., den 26. November 1893.

Wt torta, verwittwete Kaiserin und Königin Friedrich.

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Jn der am Donnerstag, 30. November, unter dem Vorsitz des Vice-Präsidenten des Staats-Ministeriums, Staatssecretärs des Innern Pr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsizung des Bundesraths wurde dem Uebereinkommen mit der Schweiz über den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschuß sowie dem Antrage Preußens, betreffend die anderweitige Fesl- seßung des Bezirks der Jnvaliditäts- und Ältersversiherungs- Anstalt Schleswig-Holstein, die Zustimmung ertheilt. Von den Vorlagen, betreffend den Stand der Bauausfüh- rungen 2c. für die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen 2c., und betreffend den Beitritt Großbritanniens zu der Dresdener Sanitäts-Convention, von den Denkschriften über das ostafri- kfanishe und über“ das südwestafrikanishe Schußgebiet und über die Verwendung des „Afrikafonds“, sowie von einer Mittheilung, betreffend die Nachweisung der Geschäfts- ergebnisse der Znvaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalten für 1892, wurde Kenntniß genommen. Endlih wurde über verschiedene Eingaben Beschluß gefaßt.

Der Lier ver Mi zum Bundesrath, Königlich bayerische

Staats-Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel ist

hier angekommen.

Der Regierungs-Assessor von dem Knesebeck in Trier ist der Königlichen Regierung zu Magdeburg zur weiteren dienstlihen Verwendung überwie)en worden.

Der Regierungs-Assessor Sayffaerth zu Neuhaus a. E., Regierungsbezirk Lüneburg, ist von Anfang Januar k. J. ab der Königlichen Regierung zu Schleswig zur dienstlihen Ver- wendung überwiesen worden. - /

Der Regierungs-Assessor von D itfurth zu Cafsel ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Rinteln, Regierungs- bezirk Cassel, zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden.

Bayern.

Die Kammer der Abgeordneten seßte gestern die Generaldebatte über den Militär-Etat fort, wobei der Abg. Bischoff gegen Uebertreibungen und Klagen, der Abg. Erhardt für die Einschränkung der Manöver sprah. Der Abg. von Vollmar besprach in längerer Rede die Verwendung vieler Offiziere im Hofdienst, die Einrichtung der Hartschiere, die Abschließung der Militärs, die Bevorzugung des Adels in bestimmten Regimentern, die vorzeitigen Penstionirungen, die Mangelhastigkeit der Menage, das mangelnde Beschwerde- recht, auch der Offiziere, und schließlich auch die Stellung der Socialdemokraten im Heere. Gegen den auswärtigen Feind, führte der Redner aus, würden die Socialdemokraten die dienstbereitesten Soldaten sein; sollten aber irgendwo Gedanken auftauchen, das Heer zur Aufrèchthaltung und Entwickelung von Klassenherrshaft zu verwenden, so werde der Tag ktommen, wo diejes Werlzeug 1n anem. solwen Falle versagen Und ih das Heer erinnern werde, daß es aus dem Volk hervorgegangen sei. Abg. Schultz (Centr.) beklagte die Ungerechtigkeit bei den Landwehr-Einberufungen. Der Kriegs-Minister Freiherr von Asch betonte die absolute Nothwendigkeit der alljährlichen Manöver. Den Hofdienst leisten auch Offiziere anderer Contingente:; die Hartschier - Garde sei eine Versorgung für Unteroffiziere; alle Souveräne hätten Haustruppen; Den Kastengeist Unter den Oinzieren - bestritt “der Minister. M. bder Duellfrage hielt det. Ministex seine vorgestrigen Ausführungen aufreht. Ausschreitungen kämen hierbei bei dem Offiziercorps am wenigsten vor. Der bayerishe Pensions - Etat werde in absehbarer Zeit die Quote nicht mehr übersteigen; in manchen Jahrgängen sei gleichzeitig der Zugang groß gewesen, daher auch der zeitweise größere Abgang. Die Armee sei auch berufen, die bestehende staatliche innere Ordnung zu erhalten. Er vertraue in dieser Be- ziehung auch vollkommen der Armee. Abg. Wagner (liberal) kündigte einen Antrag an auf authentische Jnterpretation des Artikels 138 der Militär - Strasprozeßordnung, über die Oeffentlichkeit des Verfahrens, anschließend an den Fall Hof- meister. Das Duellwesen sei eine Krankheit, die in gewissen Volks\chichten epidemish geworden sei, und welcher entgegen- zuwirken wäre. Uebrigens sei die Armee ein Bollwerk des Friedens und der inneren Ordnung. Die weitere Berathung wurde sodann auf heute vertagt.

Oldenburg.

(H.) Für Erlassung von Arbeitsordnungen im Berg- werksbetriebe fehlt es im Fürstenthum Birkenfeld an geseßlichen Vorschriften, da die in den 88 134a bis 134 h der Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 enthaltenen Bestimmungen nah § 6 der Gewerbeordnung bez. § 154a der erwähnten Novelle auf die Besißer und Arbeiter von Bergwerken überhaupt keine Anwendung finden. Nachdem nunmehr in Preußen entsprehende Bestimmungen für Bergwerke durch die Novelle zum Berggeseß vom 24. Juni 1892 eingeführt sind, ist es erforderlich erschienen, eine gleiche geseßliche Regelung durch Einführung der erwähnten für Preußen erlassenen Novelle auch für das Fürstenthum Birken- feld herbeizuführen, umsomehr als die dortigen Bergwerke der Aufsicht des Königlichen Ober-Bergamts in Bonn unterliegen. Dementsprechend ist dem Landtag ein Geseßentwurf vorgelegt, der die bezüglichen Aendecungen des Berggeseßes für das Fürstenthum Birkenfeld enthält.

Lübe.

Das der Bürgerschaft vorgelegte Staatsbudget für 1894 seyt die Ausgaben auf 4536 972 4 97 -_Z, die Ein- nahmen dagegen nur auf 4181 119 / 70 Z an. Der Senat \hlägt infolge dessen vor, zur Deckung des Fehlbetrags von 3D5 853 6 27 Z im Jahre 1894 einen in gleichen Raten zusammen mit den Theilbeträgen der Einkommensteuer zu er- hebenden Zuschlag in Höhe von 50 Proc. der Einkommen- steuer zu bewilligen, wobei die Einkommen unter 1200 s außer Acht gelassen werden sollen.

Oesterreich-Ungarn.

Die Kaiserin ist gestern Abend nach Miramar ab- gereist und tritt heute die in Aussicht genommene mehrmonat- liche Secreise an. Der Kaiser geleitete die Kaiserin zum Bahnhofe, wo eine herzlihe Verabschiedung stattfand. Die vor dem Bahnhofe versammelte Volksmenge begrüßte die Majestäten aufs wärmste. f

Im österreichischen Abgeordnetenhause gab gestern bei der Berathung der Landwehrvorlage der Landes- vertheidigungs: Minister Graf Wels ers heimb dem „W.T.B.“ zufolge die Erklärung ab: Desterreih gehöre zu den Staaten, die nur das unumgänglih Nothwendige forderten. Wer heute niht stark sei, werde vergebens kämpfen und alle Freiheit verlieren. Er glaube, wenn die Opposition ‘fühle, daß -von - ihrem Votum - die Wehrhaftigkeit des Reichs abhänge, so werde sie patriotisch genug sein, für die Vorlage zu stimmen. Das Wahlrecht sei bei ciner anderen Gelegenheit zu erörtern, übrigens sei er nicht gegen eine Ausdehnung des Wahlrechts. Die Refolution auf Aufhebung des ehrenräthlihen Verfahrens sei un- annehmbar. Die Duellfrage sei im Reichsrath nicht zu lösen, aber gerade das ehrenräthlihe Verfahren bewirke eine Ver- ringerung der Ehrenhändel. Der Minijter widerlegte eingehend die angeblichen Fälle von Soldatenmißhandlungen. Ungehörig- keiten seien niht ganz zu vermeiden, aber cine Beschwerde bringe stets Remedur. Graf Welsersheimb bat \{ließlich, die nationalen Gegensäße angesihts der Erfordernisse der Wehr- fähigkeit der Monarchie mht zu verschärfen. Das Haus be- schloß in namentlicher Dai pat: mit 170 gegen 61 Stimmen, in die Specialberathung der Vorlage einzutreten. S

Bei der Berathung des Etats des Landesvertheidi- gungs-Ministeriuums im ungarishen Unterhause betonte der Minister T von Fejervary: die Land- wehr habe den möglichen Grad der Ausbildung erreicht, die Jnstitution müsse jedoch immer weiier entwickelt werden. Der Mangel an Offizieren der Landwehr müsse be- hoben werden. Die 1150 fehlenden Offiziere müßten innerhalb sechs Jahren theils im Wege des Avancements, theils durh Ver- seßung aus dem stehenden Heere, theils durch Reserve- Offiziere ergänzt werden. Von einer Germanisirung sei keine Rede; die ungarishe Landwehr sei und bleibe eine ungarische. Zur Beseitigung der Selbstmorde thue die Kriegsverwaltung das ihrige durch Bestrafung der Vexationen und schlechten

Behandlung der Mannschaft. Die weitere Debaite wurde auf heute vertagt.

Nach der „Budapester Correspondenz“ erfolgt die Vor- legung des Geseßentwurfs über das Eherect lanimi dem E in der Sonnabendsißung des Abgeordneten- hauses.

__ Gestern ist, wie die Wiener „Presse“ mittheilt, in Buda- pest die Conferenz der ungarischen Bischöfe zusammen- getreten. Der Fürstprimas Cardinal Vaszary verlas die Antwort des Papstes auf die bischöflihe Denkschrift und Briefe, die sih auf die Ereignisse auf kirchenpolitischem Gebiet bezichen. Die Conferenz ernannte einen Ausshuß unter Vorsitz des Cardinals Schlauch, um den Entwurf einer vom Episkopat herauszugebenden Schrift über die Civilehe zu ver- fassen und morgen vorzulegen.

Großbritannien und JFrland.

: Das Oberhaus hat gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, nach zweieinhalbstündiger Debatte die zweite Lesung der Haft- pflihtbill angenommen. Jm Unterhaus machte der Premier-Minister Gladstone die Mittheilung, daß in dem heutigen Cabinetsrath die Frage zur Erwägung kommen werde, ob die Regierung dem Hause Vorschläge betreffs einer Beschleunigung der Abwikelung der Geschäfte machen solle. Der Antrag auf erste Lesung einer Bill wegen Ermächtigung zur Emission einer Anleihe von 10 Millionen für Oft- indien wurde bis zur nächsten Woche vertagt, weil G oschen den Antrag wegen mangelnder Erklärung über die Zweke der Anleihe beanstandete. Frankreich.

Die ministerielle Krisis ist noch niht beendet. Gestern Nachmittag 2 Uhr begab ‘sih, wie „W. T. B.“ meldet, Spuller in das Elysée, um dem Präsidenten Carnot Be- riht über die von ihm unternommenen Schritte zu erstatten, und dann um. 4 Uhr zu Casimir Périer, Dem e cite, d V de Din eines Cabinets auf Schwierigkeiten stoße, weshalb er ihn bitte, mit dem Präsidenten Carnot. zu conferiren. Nach der in Gegenwart Spuller's stattgehabten Unterredung mit dem Präsidenten Carnot übernahm cs Casimir Périer, die durch Spuller eingeleiteten Vorbesprehungen zur Bil- dung des Cabinets fortzusezen. Wie verlautet, würde Casimir Périer in einem von ihm gebildeten Cabinet das Ministerium des Aeußern, Raynal dasjenige des Fern, BUrdeau dle Finanzen Und Spule das Justizressort übernehmen. :

Die Blätter der radicalen Partei sprechen sich ziemlich abfällig über ein Cabinet Périer aus, das sie als ein Ministerium der Concentration nach rets betrachten.

Der Senat verhandelte gestern über die von der Regic- ruug für 1893 geforderten Nachtragscredite. Der Berichterstatter lenkte die Aufmerksamkeit des Senats auf die Nothwendigkeit der Vermeidung neuer Aus- gaben. Schon jeßt ergebe sih ein Deficit von 80 Mil: lionen, und die Staatsschuld habe den Betrag von 32 Milliarden erreicht. Die Nachtragsforderungen wurden alsdann genehmigt. Die nächste Sizung findet morgen statt In der Deputirtenkammer wurden einige Wahlen, die angefochten waren, für gültig erklärt. Hierauf vertagte sich das Haus ebenfalls bis morgen.

Ftalien.

Sanardelli hatte det „W. T. B. zufolge Uniter- redungen mit Crispi und Nicotera und wird heute dic Verhandlungen mit Saracco und Sonnino fortseßen Crispi reiste gestern Abend in persönlichen Angelegenheiten nach Neapel.

Spanien.

Der Minister des Auswärtigen Moret hat nah einer Meldung des „W. T. B.“ beschlossen, eine besondere Ge- sandtschaft nah Melilla behufs Unterhandlungen zu ent- fenden.

Nach Meldungen aus Melilla vom gestrigen Tage hat Marschall Martinez Campos im Laufe des Vormittags ohne Widerstand die Stellung von Sidi Aguariach beseßt und die Vertheidigungsarbeiten begonnen. Die Truppen bezogen Abends wieder ihr Lager und werden die Arbeiten heute fortseßen. Martinez Campos hatte wiederum einc Zusammenkunft mit dem Bruder des Sultans von Marocco, Araaf, der ihm die Versicherung gab, daß die Spanier nicht angegriffen werden würden.

Belgien.

Der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha traf, von London kommend, gestern Nachmittag 6 Uhr in Brüssel. cin und wurde, wie „W, T. B.“ meldet, auf dem Bahnhof von dem König, dem Grafen von Flandern und dem Prinzen Albert begrüßt. Am Abend war Gala- diner im Königlihen Schloß, zu dem die Gesandten des Deutschen Reichs und Großbritanniens Einladungen erhalten hatten. Heute findet Familiendiner bei dem Grafen von Flandern statt.

Türkei.

Jn den diplomatischen Kreisen in Konstantinopel ist man der „Agence de Constantinople“ zufolge davon überzeugt, daß der Admiral Avelane die türkische Hauptstadt besuchen werde ; der Besuch werde als selbstverständlich angesehen und dürfte Mitte Dezember stattfinden. Der Admiral werde mit denselben Ehrenbezeigungen empfangen werden, wie früher die anderen Admirale.

Amerika.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Philadelphia werde der Ausschuß für Wege und Mittel wahrscheinlih eine Erbschaftssteuer und eine Besteuerung des Rein- gewinns der Actiengesellshaften zur Erhöhung der inneren Einkünfte vorschlagen, um das Deficit scit Juni, im Betrage von 31 Millionen Dollars, und den Ausfall, den die Tarifvorlage herbeiführen werde, zu decken.,

Die hiesige brasilianishe Gesandtschaft hat dem „W. T. B.“ folgende, vom 28. November Abends datirte, officielle Depeshe des Gouverneurs des Staates Pará Lanro Sodré, mitgetheilt: „Die Nachricht, daß der Staat Pará sich den Jusurgenten M habe, ist vollständig falsh. Es ist hier ein Aufstandsversuh gemacht worden, der aber sofort unterdrückt worden ist.“ j

Die gestern aus Paris gemeldete Einnahme von Curitiba durch die Jusurgenten bestätigt sich nicht.

Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß die der Re- gierung treu O Forts die Schiffe der Aufstän- Dischen bombardirten. Das Transportschiff „Madeira“ gerieth in Brand, der „Aquidaban“ wurde stark beschädigt. «In Rom eingetroffenen Nachrichten zufolge hätte dagegen AÆdmiral de Mello mit mehreren seiner Schiffe die Bai von Ri'o de Janeiro verlassen. Bestimmtes über die ein- aeshlagene Richtung sei nicht bekannt; man nehme an, er habe fich nah dem Süden gewendet.

Jn Paris eingetroffenen Nachrichten zufolge hätten die Mufständischen bei Bage im Staate Rio Grande do Sul einen Sieg davongetragen. General Jsidoro und sein Stab seien zu Gefangenen gemacht. Die Zahl der Gefallenen sei beträqhtlih. Der „Times“ wird aus Rio de Janeiro vom 2G. November über Montevideo gemeldet, General Saraiva ftehe mit 6000 Mann irregulärer Cavallerie 80 Meilen nröórdlih von Sao Paolo. Die Regierung hab| die National- garde des Staates Sao Paolo angewiesen, nah Süden auf- zubrechen. Die Nationalgarde habe jedoch den Gehorsam ver- weigert. Darauf habe die Regierung 1200 Mann von Rio entsandt. Fn Rio de Janeiro habe die Regierung alle hervorragenden Punkte befestigen lassen. General Telles, der Commandant von Rio Grande, sei in Rio de Janeiro eingetroffen und habe seine Demission eingereiht. Sein Bruder habe sich noch an demselben Tage Den Jnsurgenten an Bord des „Aquidaban“ angeschlossen. Die Zahl der politishen Gefangenen belaufe sich auf 1500.

Der argentinishe Senat hat nach einer Meldung Des „W. T. B.“ aus Buenos Aires von gestern die P etroleumzölle herabgeseßt. Die Deputirtenkammer Hat die Berathung der chilenishen Protokolle vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die gestrige Sizung befindet sich in Der Ersten Beilage.

10. Sißung vom Freitag, 1. Dezember, 1 Uhr.

Der Sißzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Ca privi sowie die Staatssecretäre Dr. von Boetticher Und Freiherr von Marschall.

: Auf der Tagesordnung steht die erste und event. zweite Berathung des Antrags des Abg. Grafen Hompesch (Centr.) und Genossen, betreffend die Aufhebung des Gesetzes U Der den Orden Der Gtiellshaft Zeu vom 4 Bli 1872. Zur Begründung des Antrags erhält das Wort der

Abg. Graf Hompesch: Früher sei der Antrag von Windthorst 1nD später vom Grafen Ballestrem gestellt worden, aber aus Gründen formaler Natur niht zur Berathung gekommen. Wenn auch mit minderem Geschick, so doch mit nicht geringerer Entschiedenheit ver- trete er jeßt den Antrag. Das Geseß, welches aufgehoben werden soll, rihtet sich gegen die fatholishe Kirche und die Rehte des fkatholishen Volks. Eine cultur- Fämbpferishe Debatte soll niht herbeigeführt werden, der Antrag soll dem Frieden dienen, was nicht ausschließt, daß rücksihtslos alles das gefagt wird, was unumgänglih nothwendig ist. Man glaubt, daß die WFefuitenGegner des Deutschen Neichs seien, und deshalb wollte man sie aus Dem Neich entfernen. Inzwischen ist das Verhältniß zwischen Staat und Kirche ein befriedigendes geworden, und es ift kein Grund mehr vorhanden, Da8 Ausweisungsgesep aufrecht zu erhalten. Daß die Jesuiten friedenstörend und staatsfeindlih sind, ist niht bewiesen; das war nur cin Vorwand. In den Niederlanden bestehen verschiedene Nieder- lassungen der Jesuiten, ohne daß irgendwelhe Vorwürfe gegen die- felben erhoben würden. Das Iesuitengeseß ist das einzige Aus- naHbmegeset. Wäre die Zahl der Jesuiten nur annähernd so arofß wie die der Socialdemokraten, so wäre das Geset längst gefallen. Der preußishe Minister-Präsident Graf zu Eulenburg hat ein Recept angegeben, nah welhem die Socialdemokratie bekämpft werden soll; bier das NRecept und da das Geseß mit seinen nachtheiligen Con- fequenzen! Die Rückkehr der Jesuiten is als ein nationales Unglück dargestellt worden; solche Verdächtigungen sind be- Fslagenswerth, indessen haben sie uns immer mehr auf- merksam gemaht auf die Wichtigkeit des Ordens für die Kirche unD seine Anhänglichkeit an sie. Wir erinnerten uns immer mehr der Protesterklärung, welche die deutschen Bischöfe gegen die AurStreibung der Jesuiten erlassen haben. Manche von diesen Bischöfen find gestorben, manche haben ihre Stellung verlassen ; aber unsere beutigen deutshen Bischöfe, Kardinäle und Erzbishöfe würden beute nicht anders urtheilen als ihre Vorgänger. Der deutsche Episkopat hat erst neuerdings das Geseh als eine JInjurie gegen die fkatholishe Kirhe bezeihnet. Man sollte sich wirklich HDEtlegen, 00 G weamaa Ut, e Gese, weldes BYeillionen deutscher Staatsbürger auf das \{werste verleßt, noch aufrecht zu erhalten. Die Jesuiten und ihre Thätigkeit sind das beste PVftittel, um der zunehmenden Zuchtlosigkeit entgegenzuwirken. Wir wollen nicht, daß das Banner der Socialdemokratie auf unseren Nath- bäufern und unseren öffentlichen Gebäuden aufgepflanzt wird. In Zeiten der Gefahr, wie fie jeßt sind, heißt es: Alle Mann an Bord! Und das Deutsche Neich braucht sih wirklih vor den wenigen Jesuiten nicht zu fürchten.

Abg. Freiherr von Manteuffel (dcons.): Ih habe im Namen meiner politishen Freunde folgende Erklärung abzugeben: Die deutschconservative Partei ist ihrem Programm gemäß stets bereit ge- wefen, die Hand zu bieten zur Beseitigung des sogenannten Cultur- kampfes und zur Förderung des confessionelen Friedens in unferem Vaterlande. Wir haben aber einerseits in dem Geseßz vom 4. Juli 1872 niemals ein eigentlihes Culturkampfgeseßz erbliden können, da in manchen deutshen Staaten ähnliche, auf die Jesuiten bezügliche geseßlihe Bestimmungen bereits seit längerer Zeit zu Mecht bestanden ; andererseits aber würde eine Aufhebung des Ge- feBes unserer Ueberzeugúng nach unter den augenblicklihen Verhältnissen der Erhaltung des confessionellen Friedens nicht förderlih sein, ja in weiten evangelishen Kreisen lebhafte Beunruhigung her- vorrufen. Deshalb wird die große Mehrheit der deutshconservativen Partei, wenn auch einzelne unferer politischen Freunde aus besonderen Gründen eine andere Stellung einnehmen, thr Votum gegen den An- trag des Grafen Abg. Hompesh und Genossen abgeben.

(Schluß des Blattes.)

Die Abgg. Blos (Soc.) und Genossen haben im Reichstag einen Antrag auf Aufhebung des Geseßes über die Impfung mit Schußtßpocken vom 8. April 1874 eingebracht.

Die Abgg. Dr. Boeckel (Rfp.) und Genossen haben im N eichstage in Form eines G arIE den Antrag eingebracht, dem S 31 der Deutschen Reichsverfassung R Od zu geben: „O Hne Genehmigung des Reichstags kann kein Mitglied des]elben während der Sißungêöperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. Die Vollstreckung von Freiheitsstrafen

gegen Reichstags-Ab geordnete wird durch Beginn der

Seffion ohne Sintra liegt seitens der Socialdemokraten (Auer und Genossen) vor.

Aufschub unterbrochen“. Ein ähnlicher

Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts- und Altersversichherung.

Dem Reichstag is eine von dem Reichs-Versicherungsamt auf- gestellte Nachweisung der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der Invaliditäts- und Altersversiherungsanstalten für das Jahr 1892 vorgelegt worden. Hiernach sind in diesem Jahre für 31 Versicherungsanstalten mit: 150 Mitgliedern der Vorstände, 26 Hilfsarbeitern der Vorstände, 799 Bureau-, Kassen- und Kanzlei- beamten, 69 Unterbeamten, 618 Mitgliedern der Ausschüsse, 98 633 Vertrauensmännern, 289 Controlbeamten, 613 Schiedsgerichten, 8293 besonderen Markenverkauféstellen, 4425 mit der Einziehung der Beiträge betrauten Krankenkassen, 2906 in gleiher Weise mitwirkenden Gemeindebehörden und sonstigen von der Landes-Centralbehörde be- zeichneten Stellen, an Entschädigungsbeträgen: a. für Invaliden- renten 713 600,19 , b. für Altersrenten 12318781,21 M, c. Kapitalabfindungen 64,60 4, d. für Kosten des Heil- verfahrens 31835,70 4, zusammen 13 0864281,70 und an laufenden Verwaltungskosten 3 692 801,90 4 bezahlt worden.

Die weiteren Ausgaben an Kosten der Erhebungen vor Ge- währung von Renten, an Schiedsgerichtskfosten, an Kosten der Controle und Nechtshilfe und an sonstigen niht besonders vorgesehenen Aus- gaben beliefen sih auf 908 622,27 4 An den Reservefonds find ab- gert worben / 927079731 %, fo t Im amen an effectiven Ausgaben 26942 593,18 4 nachgewiesen sind, denen

an efectiven Einnahmen die leßteren seßen sich zusammen aus Beiträgen, Zinsen, Miethe und Pacht aus Grundbesitz, ferner aus erstatteten Rentenbeträgen, Strafgeldern und anderen zu- fälligen Einnahmen 92 070 714,75 4. gegenüberstehen. Die Ein- nahmen übersteigen daher die Ausgaben um 65 128 211,57 Der am Schluß des Rechnungsjahres 1891 nachgewiesene Bestand beträgt 73 373 829,31 46, sodaß fich für Ende 1892 als Bestand des Be- triebsfonds der Betrag von 138 502 040,88 4 ergiebt. Mit Ein- {luß der für den Reservefonds nachgewiesenen Bestände von 12 861 441,40 M stellt fich der gesammte Vermögensbestand der Ver- fiherungsanstalten am Schluß des Nechnungsjahres 1892 insgesammt auf 151 363 482,28 Krankenversicherung.

Nach dem Ergebniß der vom Ministerium des Innern ange- stellten Statistik der Arbeiter-Krankenversicherung in Württem berg für das Jahr 1891 waren am 31. Dezember 1891 333 872 Personen gegen Krankheit versichert; nah der mittleren Mitgliederzahl berech- net, war dies im Jahre 1891“ bei 341 830 Personen = 16,75 9/9 der Bevölkerung der Fall ; hiervon gehörten 216762 Personen = 10,629%/6 den reih8geseßlihen Kassen und 125 068 Personen = 6,13 °%/ den landesrecht- lihen Krankenpflegeversiherungen an. 481 reihsgefeßlihe Kassen (19 Gemeinde-Krankenversicherungen mit 14 100 Mitgliedern, 120 Orts- Krankenkassen mit 118 745 Mitgliedern, 243 Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen mit 58 410 Mitgliedern, 1 Baukrankenkasse mit 146 Mitgliedern, 3 Innungskrankenkassen mit 276 Mitgliedern und 95 ein- geschriebene Hilfskassen mit 25 085 Mitgliedern) und 114 landesreht- lihe Krankenpflegeversiherungen waren in Thätigkeit. Die Zahl der Erkrankungsfälle betrug in den reihsgesetzlihen Kassen, soweit sie das ganze Jahr über bestanden, 84431, bei den Krankenpflegeversiherungen 19 500, diejenige der Krankheitstage 1 378 780 beziehung8weise 355 149, sodaß auf 100 Mitalieder 39 bezw. 15,6 Erkrankungsfälle und 636,4 bezw. 284 Krankheitstage kommen; die durchschnittlihe Dauer eines Krankheitsfalls betrug 16,3 bezw. 18,2 Tage. An Beiträgen und Eintrittsgeldern wurden von den reihsgeseßlihen Kassen 3140329 f oder 1449 A für das Mitglied, von den Krankenpflege-Versicherungen 697 010 G oder 557 M für das Mitglied eingenommen und 2929598 A4 oder 13,52 M für das Mitglied bezw. 778916 # oder 6,23 e für das Mitglied an sachlichen Leistungen (Krankengeld, ärztlicher Behandlung, Arznei u. \. w.) ausgegeben; auf einen Krankheitsfall kommen hier- nah 34,70 4 bezw. 39,94 4, auf einen Krankheitstag 2,12 M bezw. 2,19 A Die Verwaltungskosten erforderten bei den Ortskranken- fassen 1,72 M, bei den eingeschriebenen Hilfskassen 1,28 A für das Mitglied. 285 reih8geseßlihe Kassen haben mit einem Ueberschuß, 194 mit einem Deficit abgeschlossen, desgleihen 37 bezw. 76 Kranken- pflegeversicherungen.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Dresden wird dem „Chen. Tgbl.“ geschrieben: Vor einiger Zeit beshwerten sich in einer Versammlung der Lagerhalter von sächsischen socialdemokratishen Consumvereinen erprobte „Genossen“ bitter über die {chlechte Bezahlung und die lange Arbeits- zeit, die man ihnen auferlege. Die Lagerhalter einer Anzahl social- demokratisher Consumvereine in Dresden und Umgebung haben jeßt beschlossen, sich durh eine örtliche Vereinigung von ihren Genossen und Arbeitgebern bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Zur \tän- digen Vertretung ihrer Forderungen wählten sie einen Vertrauëns- mann, an den- Berichte über die Arbeitszeit, Bezahlung u. \. w. in den einzelnen Consumvereinen regelmäßig zu senden sind.

Veber die Ausstände, die im Iahre 1892 in Deutschland statt- gefunden haben, theilt der „Vorwärts" nach Angabe des „Corrb. d. Gewerksh.* Folgendes mit: In 21 Centralorganisationen, die Be- richte einsandten, kamen 73 Strikes vor, die zusammen 507 Wochen dauerten und eine Ausgabe von annähernd 110 000 A erforderten. In den Jahren 1890 und 91 waren die Lohnkämpfe viel umfangreicher. Von den im Îahre 1892 eingeleiteten Aus\tänden werden 53 als Abwehrstrikes bezeichnet; u. a. handelte es sih in 25 Fällen um Lohnkürzung, in 6 Fällen um Verlängerung der Arbeitszeit u. \. w. Von den Abwehrstrikes waren 19 erfolgreih, während 9 theilweise erfolgreih und 24 erfolglos verliefen. Die meisten Lohnkämpfe führten die Schuhmacher, nämlich 14; dann folgen die Handshuhmacher mit 8 und die Drechsler und Brauer mit je 7. Zieht man jedoch die Zahl der dabei betheiligten Personen in Betracht, fo kommen in die erste Linie die Brauer, bei denen 1015 Mann im Lohnkampf standen. Sodann folgen die Schuh- macher mit 417.

Der Congreß der Textilarbeiter in Roubaix (vgl. Nr. 279 d. Bl.) hat, wie der „Vorwärts" berichtet, die Gründung eines Fachblattes für die Textilindustrie, sowie einer internationalen Genossenschaft beschlossen, worüber im nächsten Jahre in Manchester noch verhandelt werden foll. Ferner wurde der Achtstundentag -ange- nommen und die Gründung einer Ausstandskasse ‘im Princip gut- eheißen. ges Aus Paris meldet ein Wolff\ches Telegramm über cinen Be- {luß des Cafsationshofes in der Angelegenheit von Aigues- Mortes. Die wegen der Ausschreitungen gegen italienishe Arbeiter Angeklagten werden vor das Schwurgericht in An goulème verwiesen, da Blättermeldungen zufolge von Geshworenen in Nimes Mangel an Unbefangenheit befürchtet werde.

Land- und Forstwirthschaft.

Der Weinstock und seine Feinde.

__ Von allergrößtem Werth für die Kenntniß des Wein- sttocks und seiner Feinde sind die Ergebnisse einiger in der leßten Zeit erschienenen Arbeiten. Vor allem ist hier auf diejenigen des be- kannten französischen Forschers A. Millardet hinzuweisen, welcher sih schon seit vielen Jahren mit Kreuzungsversuchen und Heranbildung resistenzfähiger Rebenforten beschäftigt. Er zeigt (Extrait des Mém. de la Soc. des sciences physiques et naturelles de Bordeaux, sér. IV tom. II pag. 41 fff.), daß nit nur die Kreuzungen zwischen allen ihm als brauchbar bekannten Rebenarten gelingen, fondern auch, F alle diese Mischlinge fruchtbar sind. Selbst bei Hybriden, welche sich von vier verschiedenen Arten herleiten, ist dies der Fall. Durch die Bastardirung wird zweierlei erzielt: einmal werden dadurch bessere und reiher tragende Sorten gewonnen und dann- vor allen Dingen solche, welche“ sih den gefürhhteten Reben- krantheiten (Reblaus, Peronoépora viticola 2x.) gegenüber aus-

dauernder und weniger empfindlih, ja sogar immun zeigen. Besonders werthvoll für alle diejenigen, welche sich mit der Cultur der Reben beshäftigen, sind die genauen Angaben des Verfassers über den Bau der Rebenblüthe, über das Aufblühen 2c. und vor allem über die specielle Praxis der Bastardirung. Demselben Gegenstand sind weitere Untersuhungen desselben Verfassers gewidmet im Journal d’agriculture pratique 1892, wo in ausführlider und eingehender Weise verschiedene hervorragende Hybriden beschrieben werden, welheMillardet und deGras}et infolge ihrerfortgeseßten Studien erzielt haben. Ferner is noch auf eine Arbeit von Millardet hinzuweisen („Nouvelles recherches sur la résistance eb limmunité phylloxériques, échelle de résistance“ in Journ. d’agriculture pratique 1892), in der die Widerstandsfähigkeit der amerifanishen Rebe gegen Reblaus und Feinde aus dem Pilzreiche aus inneren Gründen erläutert wird. Wir finden in dieser Arbeit eine sehr ausführlihe Tabelle der verschiedenen Arten, Varietäten und Hybriden der Rebe, nah ihrer Widerstandsfähigkeit geordnet. Es kommt hierbei hauptsählich darauf an, ob sich an den Wurzeln mehr oder weniger Nodositäten und Tuberositäten finden und wie schnell infolge der Angriffe der Phylloxera die Zerseßung der Wurzeln vor sh geht. Schon aus der Tabelle erhellt, daß die immunen Arten ein sehr feines zartes Wurzelwerk be- fißen und keine oder fast keine Nodositäten aufweisen ; während die Wurzeln der leiht angreifbaren Arten sich meist diht von denselben beseßt zeigen. Nach der Ansicht des Verfassers sollte man deshalb besonders in warmen .Gegenden nur Arten oder Varietäten cultiviren oder wenigstens als Pfropfunterlage gebrauchen, welche solhe Nodositäten und Tuberositäten der Wurzeln nit besißen; in kälteren Gegenden, welche den Angriffen der Phylloxera ja bedeutend weniger ausgeseßt sind, sind dagegen auch noch solche Formen anzubauen, welhe bis zu einem gewissen Grade durch die Anschwellungen der Wurzeln aus- gezeihnet sind. Sämmtliche Angaben belegt Verfasser mit langen Reiben von beweisenden Versuchen. Auf dem leßten Weinbaucongreß von Montpellier (Juni 1893) wies endlich Millardet nah, daß die Methode der Prüfung der Widerstandsfähigkeit der Nebensorten in sehr vielen Punkten einer Aenderung bedürfe. Man operirte bisher gewöhnlichß in der Weise, daß nebeneinander eine ganze Anzahl von Arten in einem von der Reblaus verseuhten Terrain ge- zogen wurden, und daß man dann diejenigen Arten als immun bezeichnete, welhe eine Reihe von Fahren hindurch #sich als nit befallen zeigten. Es wird nun gezeigt, daß dies Verfahren durchaus niht richtig ist. Denn die Phylloxera befällt eben dann zuerst diejenigen Neben, deren Wurzeln ihr besonders zusagen, und erst wenn diese zum Absterben gebraht sind was vielleicht erst im Verlauf von einigen Jahren erfolgt —, geht sie zu den übrigen über. So hat es sih denn gerade in den leßten Jahren gezeigt, daß eine Anzahl solcher Arten völlig zu Grunde gerichtet wurde, welhe man auf folhe Versuche hin als immun bezeichnet hatte. Von ganz anderen Borausfeßzungen geht Keßler aus (Die Ausbeutung der Neblauskrank- heit in Deutschland und deren Bekämpfung, unter Benutzung von amkt- lihen Schriftstücken beleuhtet; Berlin, Friedländer u. Sohn. 1899), welcher vor allen Dingen fordert, daß man die Lebensweise der Phylloxera genau studiren solle, was bisher nur nothdürftig ges{ehen sei. Es müsse deshalb jedermann freistehen, inficirte Reben zu er- halten und zu untersuhen, da nur hierdurh eine eingehende Kenntniß gefördert werden könne. Er stellt eine Anzahl von Säßen auf, die vielfah mit den herrshenden Ansichten in fchroffem Gegensaß stehen, und welhe er durch An- gaben aus der Literatur über diesen Gegenstand zu stützen jut. Gewiß enthalten die Ansichten des Verfassers sehr viel Richtiges und Beherzigenswerthes; er steht jedoch hinter Millardet dadurch weit zurück, daß er seine Behauptungen fast durchweg nur auf zerstreute und vielfah niht geprüfte Literaturangaben ütt, während der fran- zösische Forscher alle seine Angaben dur jahrelange Versuche felbst geprüft und fo zu einem organischen Ganzen verbunden hat.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Spanien.

Schiffe, welhe vom 21. v. M. ab aus Hamburg abgegangen sind, werden in Puerto Rico und Cuba zu freiem Verkehr zugelaffen. (Bezüglih Cubas vergleihe „R.-Anz.“ Nr. 230 vom 25./9.)

Die gegen Sulina und Ancona angeordneten Quarantänen sind unter den üblichen Bedingungen aufgehoben worden. (Vgl. „R.-Anz.“ Nr. 202 vom 23./8. und Nr. 249 vom 17./10.)

Cholera. ___ Konstantinopel 30. November. _„W. T. B." meldet : Von Sonntag bis Mittwoch sind hier 76 Cholera- Erkrankungen und 18 Todesfälle vorgekommen.

Verkehrs-Anftalten.

Hamburg, 30. November. (W. T. B.) Hamburg-Ameri- kanishe Padetfahrt - Actien - Gesellschaft. Der Post- dampfer „Nugia“ hat, von Hamburg kommend, heute Morgen Scilly passirt.

London, 30. November. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Athenian“ ist gestern auf der Ausreise von Madrid abgegangen. Der Union-Dampfer ,Mexican“" ist gestern auf der Ausreise in Capstadt angekommen.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen als fünfter Abend des „Mozart - Cyklus“ die zweiactige Oper „Die Gärtnerin® und „Così fan tutte“ unter Rapellmeifter Sucher's Leitung gegeben. Jn der leßtgenannten Oper treten die Damen Leisinger, Dietrich, Rothauser, die Herren Philipp, Krolop, Schmidt auf.

Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen Shake- speare’s „Sommernachtstraum“ mit Mendels\sohn's Musik zum 200. Mal zur Aufführung.

Die vier Einacter, die am Sonntag im Lessing-Theater mit Friedrih Mitterwurzer als Gast zum ersten Male gegeben werden, werden in nachstehender Reihenfolge zur Aufführung gelangen: erstens „Mein neuer Hut“, Plauderet in einem Act von Max Bern- stein; zweitens „Das Spiel mit dem Feuer“, Lustspiel in einem Act von August Strindberg; drittens „Nah dem Balle*, Schwank in einem Act nah dem Französishen von A. Fresenius; viertens „Ein \{limmer Handel“, Pos e in einem Act nach Louis Boyer und Charles Nuitter von A. Fresenius.

Wie die Direction des Lessing- Theaters mittheilt, is Herr Director Anton Anno heute früh einem Erkältungsfieber, das zuleßt zu einer völligen Erschöpfung der Herzthätigkeit geführt hat, erlegen. Mitten aus dem rüstigsten Wirken und unermüdliher Thätigkeit heraus hat ihn der Tod abberufen und das Lessing-Theater einer nie ermattenden Arbeitskraft beraubt.

Im Friedrich - Wilhelmstädtishen Theater gelangt, wie bereits mitgetheilt, morgen Offenbah's Operette „Die s{chöne Helena“ zum Benefiz für Sbera Steiner zur Aufführung. Herr Steiner singt den Paris, die übrigen Hauptrollen sind mit den Damen Schmidt, Cornelli, Kluge und den Herren Wellhof, Hanno, Broda, Ernsthaft und Matthias beseßt.

Im Victoria-Theater wird von „Schneewittchen“, ent- sprechend vielen mündlichen und \chriftlihen Aufforderungen, noch eine E Vorstellung, und zwar morgen Nachmittag um 34 Uhr, ftatt- nden.

Eine zum gestrigen Tage einberufen gewesene Versammlung der Actionäre des Schiller-Theaters hat einmüthig die Begründung der „Actiengesellshaft Schiller-Theater“ beschlossen und eine Commission von fieben Mitgliedern mit der Ausarbeitung der Statuten betraut. Morgen Abend sollen die Statuten berathen und angenommen, der Auffichtsrath und der Vorstand gewählt werden.