1893 / 291 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Aufschwung in der thematischen Durchführung; der regelmäßige, übliche Periodenbau wirkt etwas ermüdend. Viel freier gestaltet und selbständiger in der Erfindung is das Trio für Klavier, Violine und Cello, das beste Werk unter den vor- geführten dieses Abends, zu denen noch eine kleine _Improvifato für Streichquartett und eine Romanze für Klavier gehörten. An der Ausführung der Compositionen betheiligten sich die V itglieder der Königlichen Kapelle, Herren Gent, Jäger, Thronicker und Philipsen. Der Pianist Herr Papen didck, der ih eines sehr Élangvollen Blüthner's{hen Flügels bediente, batte sih den genannten Herren ançeshlossen. Die musterhafte Präcision und die geschmack- volle Vortragsweise aller Betheiligten scien hier noch besonders lobend erwähnt. 2

Zu gleicher Zeit fand im Saal B echstein der zweite Lieder- Abend des e Lillian Sanderfson statt. Die Stimme klang an diesem Abend weniger fris und reizvoll als sonst, woran wohl eine leihte Indisposition {huld war; jedoch glänzte die Künst- lerin, wie immer, durch ihre feinschattirende, belebte und graziöse Art des Vortrags, die in den beliebten Weihnahtéliedern von Cor- nelius und in Ledern von Bungert besonders zur Geltung kam. Ver Begleiter, Herr Pianist Brüning, erfreute außerdem noch durch einige Soli und erntete gleih der Concertgeberin reichlihen Beifall.

Im Königlichen Opernhause beginnt morgen der Nichard Wagner-Cyklus mit der Oper „Der fliegende Holländer" unter Kapell- rtéler Dr. Mus Leitung und Mitwirkung der Damen Pierson, Lammert und der Herren Beß? Stammer, Sommer, Lieban.

Im Königlihen Schauspielhause werden morgen Axel Delmars Schauspiel „Die Ahrenshooper“ und die Lustsx iele „Eingeschlossen* (Frau Schramm) und „Militärfcomm“ gegeben.

Seine Majestät der Kaiser erschien heute Vormittag im Ber - liner Theater, um der Generalprobe des neuen Wichert’shen Schau- spiels „Aus eigenem Recht“ beizuwohnen. Der Kaifer, in Allerhölstdessen Begleitung sih der Chef des Civilcabinets, Wirklihe Geheime Nath Dr. von Lucanus, der Ober-Hofmarschall Graf zu Gulenburg, der Haus- marschall Freiherr von Lyncker sowie die Flügel-Adjutanten Oberst- Lieutenant von Hülsen und Major Graf von Moltke befanden, wurde vom Director Ludwig Barnay am Eingange des Hauses begrüßt und nahm im Parquet Plat, worauf die Generalprobe ihren Anfang nahm: Bei der morgen stattfindenden ersten Aufführung des Wichert’schen Schauspiels werden die Hauptrollen von den Herren Susïe (Kurfürst Friedri Wilbelm), Kraußneck (Schöppenmeister Rohde), Nollet, Stochausen, Stahl, Formes und Jelenka, sowie den Damen Hilde- brand und Sauer dargestellt. | i

Die Actiengesellshaft „Schiller-Theater*“ hat ih gestern Abend nah Durchberathung der von dem Comité vorgelegten Sta- tuten constituirt und einen Aufsichtsrath gewählt. Die Namen der Mitglieder des letzteren follen, sobald von allen Gewählten tie Zu- stimmung eingegangen ift, veröffentliht werden. : L

Nobert Freund, der Züricher Klaviervirtuose, hat für sein erstes hiesiges, morgen Abend 8 Uhr in der Singakademie statt- findendes Concert ein Programm zusammengestellt, wonah er drei große Werke mit Begleitung des Philharmonischen Orchesters zum Vortrag bringen wird, und zwar Brahms? D-moll-Goncert Schu- manns A-moll-Concert und die Ungarische Phantasie von Liszt. 0 Am Freitag Abend 8 Uhr wird die Sängerin Fräulein Marie Wosltereck aus Hannover sich zum ersten Mal in Berlin (in der Sing-Akademie), gemeinshaftlich mit der Pianistin Fräulein Margarethe Eußert, hören lassen. Für das an demselben Abend 773 Uhr stattfindende Concert derx Violin-Virtuosin Fräulein Irene von Brennerberg im Saal Bechstein at Der Baritonist Herr August Hensel seine Mitwirkung Zugesaat, Die Anmeldungsfrist für Musikstudirende zu den drei Klaviervorträgen von Anton Rubinstein im Saal Bechstein (15., 16., 17. De- zember, Mittags 12} Uhr) ist mit dem heutigen Tage abgelaufen ; für Künstler, Musik-Professoren und Lehrer können Anmeldungen noch bis

reitag an die Concert-Direction Hermann Wolf, Berlin W., Am arl8bad 19 L., und zwar riftli gerihtet werden.

Mannigfaltiges.

Der Minister des Innern hat dem Verein für Pferderennen und Pferdeausftellungen in Preußen zu Königsberg i. Pr. die Erlaub- niß ertheilt, bei der im Frühjahr nächsten Jahres daselbst stattfinden- den Pferdeausstellung eine öffentlihe Verloof ung von Wagen, Pferden 2c. zu veranstalten und die Loose, 150 000 Stück zu je 1 , im ganzen Bereich der Monarchie zu vertreiben.

Für die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 hat sich in einer constituirenden Sißung am 1. d. M. auch die Gruppe V „Thon-, Porzellan-, Chamotte-, Cement-, Kunststein-, Gips-, Marmor- und Glas-Industrie" gebildet. Vorsißender des Gruppen-Vorstandes ist Herr C. H. Herm. Schmidt; zu den Mitgliedern gehört Dr. A. Heinicke, Director der Königlichen Porzellan-Manufactur.

Der neubegründete Verein für gesundheitsgemäße Er- ziehung der Jugend, der bereits etwa 200 Mitglieder zählt, hielt gestern Abend im Bürgersaale des Rathhauses unter zahlreiher Be- theiligung von Herren und Damen seine erste öffentlihe Sitzung ab. Der Vorsitende Director Professor Dr. Schwalbe, beleuchtete zunächst die Bestrebungen des Vereins, der aus der innerhalb des Berliner Lehrervereins bestehenden Abtheilung für Schul- bygiene heraus angeregt ist. Der Verein bezweckt die Förderung einer gefundheitsgemäßen Erziehung unserer Jugend in Schule und Haus während des ganzen Alters der Entwicklung. Diesen Zweck will man erreihen dur Mitwirkung an der Verbesserung der hygienischen Zu- stände in der Familie, wie in allen Bildungs- und GSrziehungsanstalten, durch Förderung der Hygiene des Kindes und der Schuleals Wissenschaft, vor allem durch geeignete Verbreitung von Kenntnissen über die gesundheits- gemäße Erziehung der Jugend, zu welchera Zweck größere, für jeder- mann berechnete Versammlungen veranstaltet, öffentlihe Lehr- und Unterrichtscurse eingerihtet und in der Presse, in &Flugblättern und Broschüren darauf bezügliße Fragen erörtert werden sollen. Den hygienishen Unterriht gedenkt man u directem An: {luß an den übrigen Unterricht anzustreben. Die Jugend selbst will man gewöhnen, darüber nachzudenken, was ihr dienlich ist. In einem zweiten Vortrage beleuhtete Professor Dr. Angerstein Schäden und Mängel in der Erziehung der Jugend und verbreitete fich über die Nothwendigkeit einer mehr gesundheitsgemäßen Jugenderziehung. Vertheilt wurde eine Einladung zum Abonnement auf die demnächst erscheinende Zeitschrift „Menschenfreund", welhe den Grundsäßen des Vereins weiteste Verbreitung geben soll.

Der Provinzial-Aus\chuß für innere Mission hielt heute im Hause des Christlichen Vereins junger Männer seine Haupt- versammlung ab, ‘der im Auftrage des Consistoriums Präsident Schmidt, fowie der Ober - Consistorial - Rath Weiß, General- Superintendent Dryander u. a. beiwohnten. Den Vorsitz führte Superintendent Peßholß - Potsdam. Dem vorgelegten Bericht zufolge bestehen in der Provinz zwei Krippen, 124 Kleinkinder\schulen, 265 Kindergottesdienste in 66 von 73 Diöcesen, 11 Waisenhäuser, 5 Erziehungsvereine, 43 Jünglingsvereine, 45 Her- bergen zur Heimath, 79 Maädchenvereine, zwei Mägdeherbergen und Bildungsanstalten, 22 Männervereine : Familienabende und christliche Volköfeste wurden in 53 Diöcesen veranstaltet, Kranken-, Siechen- und Armenpflege wird in 121 Häusern geübt; in 44 von diesen wirken 130 Schwestern. In 54 Diöcesen find, und zwar an 92 Orten, 98 Gemeindepflegen mit 171 Schwestern ein- gerichtet, Armen- und Krankenvereine bestehen 140 an 105 Orten und 97 Diöcesen. Genossenschaften für Krankenpflege im Kriege sind zwei gebildet, 11 Vereine betreiben Fürsorge für entlassene Gefangene : ein Verein mit 700 Mitgliedern wirkt gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die Magdalenensache wird in drei Anstalten betrieben. Aus vier Disöcesen liegen Berihte über die Gründung von acht Maiffeisen’shen Kassen vor; von 1049 Parochien besißen, 782 Volksbibliothekea; christlißhe Blätter werden o n Der Provinz verbreitet, darunter das „Berliner Evangelishe Sonn-

tagsblatt“ in 42000 Exemplaren. Die Colportage christlicher Schriften, die sih über 42 Diöcesen erstreckt, wird von 36 Leitern dirigirt. Der Ausbildung von Hilfskräften der inneren Mission widmen fih eine Männer- und sieben Frauenanstalten. Besondere Aufmerksamkeit hat der Aus\{huß der Fürsorge für die wandernde Bevölkerung gewidmet. Die Hauptversammlung beschäftigte \sih im übrigen mit der Fürsorge für Fabrikarbeiter und mit der Frage der weiblichen Arbeitercolonten. :

Die Dichterin Wilhelmine Hensel, die, wie seiner Zeit ge- meldet, am 11. September d. J. ihren 91. Geburtstag gefeiert hat, ein Pathenkind der Königin Luise, ist am 4. d. M. an den Folgen der Influenza in Charlottenburg gestorben. Im Jahre 1802 zu Linum als die Tochter des dortigen Predigers Hensel geboren, hat die Verstorbene 25 Jahre hindurch în fegensreicher und vielfah anerkannter Thâtigkeit das Wlisabeth - Stift in Pankow geleitet. Bei ihrem Ausscheiden aus dieser Stellung wurde thr vom Hochseligen Kaiser Wilhelm T. der Luisen-Orden verliehen. Ihre poectishen Schöpfungen sind dur Hermann Kletke weiteren Kreisen bekannt geworden, während eine Sammlung ihrer Gedichte von Profeffor Schlüter herausgegeben wurde.

London, 6s. Dezember. Gestern Nachmittag fand, wie „W. T. B.“ berichtet, ein mit der Beshlagnahme von Mobiliar in einem Zimmer eines in Hampstead, der nördlichen Vorstadt Londons, belegenen Hauses beauftragter Beamter zahlreiche Flaschen, die nach dem Central-Polizeibureau gebracht wurden, und fodann eine 24 Pfund Dynamit enthaltende Kiste, die gleichfalls an die Polizei abgeliefert wurde. Die Flaschen enthieltea nach Aussage der Polizeibeamten Nitro- glycerin. Dem „H. T. B.“ zufolge wäre der Miether des Zimmers, ein Holländer Namens Snyder, Mitglied einer über ganz England und Nord-Amerika verbreiteten anarcistischen Gesellschaft, während ein Telegramm des „W. T. B.“ von heute früh berichtet, daß er der Vertreter einer amerikanischen Gesellschaft für die patentirte Herstellung von Sprengstoffen fei. Das vorgéfundene Dynamit und der Inhalt

dec Flaschen wären nur Waarenproben gewesen.

Kopenhagen, 5. Dezember. Der Museums-Director un Advocat des Höchsten Gerichtshofes Klubien ist, laut Meldung de eW. T. B.", heute Vormittag im Gerichtslecal plöylich gestorben.

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New-York, 5. Dezember. An der Pacificküste wüthet, nah Meldung des „W. T. B.“, ein orkanartiger Sturm, welcher hbe- deutenden Schaden anrihtet. Jn Kalifornien werden die Ausstellungs- arbeiten dur kolossalen Schneefall unterbrochen.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

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München, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten nahm den Militär-Etat für 1893/94 mit allen Stimmen gegen die der Socialisten und der Mit- glieder des Bauernbundes an.

Stuttgart, 6. Dezember. (W. T. B.) Der Minister des Jnnern von Schmid ist an einer Unterleibsentzündung {wer erkrankt.

Konstanz, 6. Dezember. (W. T. B.) Das Befinden des zur Kur in der Heilanstalt Kreuzlingen sih aufhaltenden vormaligen österreichish-ungarischen Botschafters in Berlin Grafen Széchényi i}! sehr gut: derselbe beabsihtigt, am 12. d. M. Konstanz zu verlassen und nah Ungarn zurück- zukehren.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 6. Dezember, gefeßt vom

8 Uhr Morgens.

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n Ober -Negisseur Kapellmeister Dr. Muck. Schauspielhaus. 152. Vorstellung. } Vaterländischhes Schauspiel in 1 Aufzug von Axel Delmar.

Zum 1. Male: Drameustoff.

Dirigent: : l von Fedor von Zobeltit.

i; Teylaff. Anfang 7 Uhr. Die Ahrens-

In Scene gesetzt vom Ober-

, Schauspiel in 1 Act j Anfang 74 Uhr. Freitag und folg. Tage: Die Dragoner.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4a/5).

Donnerstag, Anfang 74 Uhr: Ax. Kammermusik - Abeud voi Carl Halir, Carl Markees, Ad. Mükler, H. Deczert, unter gütiger Mitwirkung des Klavier- virtuosen Herrn Bernhard Stavenhagen.

Stationen. Wetter.

in 9 Celfius |

Temperatur | 50 C. =4R.i

red. in Millim. =

Bar. auf 0Gr.! u. d. Meere

\bededt 5\wolfkig bedeckt 2|Nebel bedeckt bedeckt

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Belmullet. . 756 Aberdeen .. | 751 Christiansund 745 Kopenhagen. | 768 Stockholm . 10 aparanda . 763 E l S Gork, Queens- E. (00 Cherbourg . | 768 E 767 E s 766 Hamburg . . | 768 ckwinemünde 768 Neufahrwafser 767 1/bededi!) A C07 \ 2/bedeckt2) S T0 N 2 bedeckt Münster .. | 768 I 1Nebel Karlsruhe . . | 769 2|bededckt 0 Wiesbaden . | 769 still |bedeckt München . . | 768 4ibedeckt?) | —6 Ghemnig .. | 770 1/Schnee4) | —2 Werlin .. ¿ | 789 2/Nebels) 0 L 769 1|bedeckt | —1 Breslau... | 768 W 2 'bedeckt | —2 Fle d’Airx . 768 | 3\bedeckt 3 Triest A 102 7\wolfenlos E

1) Gestern Schnee. 2?) Nachts Schnee. ?) Hoch-

nebel. 4) Nebel. 5) Gestern Regen. Uebersfiht der Witterung.

Eine breite Zone hohen Luftdrucks lagert über Mittel-Europa, ein tiefes Minimum nördlich von Schottland, welches auf den Hebriden Weststurm, an der Südküfte von Norwegen stürmishe südliche Winde bervorruft. In Deutschland is das Wetter rubig, vorwiegend trübe, durchschnittlich ohne er- beblihe Wärmeänderung: ftellenweise ist etwas Niederschlag gefallen. Da die Dcpression im Nord- westen wahrsheinlich ihren Einfluß südostwärts aus- breiten wird, so dürfte trübe, wärmere Witterung mit auffrishenden Südwestwinden znnächst für das nördliche Deutschland zu erwarten sein.

Deutsche Seewarte. Theater - Anzeigen. Königliche Schauspiele. Donnerétag: Opern-

haus. 2956. Vorstellung. Wagner - Cyclus. 1. Abend. Der fliegende Holländer. Nomantische

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Regisseur Max Grube. Eingeschloffen. Lustspiel in 1 Aufzug von Karl Niemann. In Scene gesetzt vom Ober-Regisseur Max Grube. Militär- fromm. Genrebild in 1 Aufzug von Gustav von Moser und Tilo von Trotha. Jn Scene gesetzt vom Ober-Negisseur. Max Grube. Anfang 7 Uhr. Freitag: Opernhaus. 257. Vorstellung. Waguer- Cyclus. 2. Abend. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg. Romantische Oper in 3 Acten von Richard Wagner. Ballet von Emil Graeb. In Scene geseßt vom Ober - Regisseur Tetlaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. An- fang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 153. Vorstellung. Zum 1. Male: Die kluge Käthe. Lustspiel in 4 Aufzügen von Hans Olden. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Mar Grube. Anfang 7 Ubr.

Deutsches Theater. Donnerstag: Kain. Die Mitschuldigenu. Anfang 7 Uhr.

éxreitag: Der Pfarrer von Kirchfeld. Sonnabend: Der Talisman.

Die Tageskafse ift von 10—1 Uhr geöffnet.

Berliner Theater. Donnerstag: Zum 1. Male: Anus eigenem Recht. Abends 7 Uhr.

¿Freitag: 15. Abonnements - Vorstellung. Graf Waldemar. (Marie Pospischil, Elise Sauer, Ludw. Barnay, Ferdin. Suske.)

Sonnabend: Aus eigenem Recht.

Cessing-Theater. Donnerstag: Mein neuer Hut. Das Spiel mit dem Feuer. Nach dem Balle. Ein schlimmer Handel. (In allen Stücken Friedrich Mitterwurzer als Gast.) Anfang 7 Uhr.

éFreitag: 4. Duse : Abend. Male: Froufrou.

Vorverkauf für den vierten bis siebenten Duse- Abend an der Tageskasse.

Zum 1.

Friedrich - Wilhelmftüdtishes Theater. Chaufsseestrafie 25. Donnerstag: Der Bettelstudent. Operette in 3 Acten von F. Zell und Richard Genée. Musik von Carl Millócker. Negie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr. Freitag: Der Bettelstudent. In Vorbereitung: Der Lieutenant zur See, Operette in 3 Acten. Musik von Louis Roth.

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- burg. Donnerstag: Zum 15. Male: Die Dragoner. Schwank in 3 Acten von Bossu und Delavigne. Jn

Vorleßte Woche.

Donnerstag: 71. Ensemble-Gastspiei des Residenz- Theaters. Direction: Sigmund Lautenburg. Zum 91. Male: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Mar Halbe. Jn Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. Anfang 74 Uhr. Freitag und folg. Tage: Jugend. Victoria-Theater. Belie - Alliancestraße 7/8. Donnerêtag, mit vollständig neuer Ausftattung an Decorationen, Costumen und NRequisiten: Zum 39, Male: Die fiebeu Raben. Nomantisches Zaubermärchhen mit Gesang und großem Ballet. Apfang 75 Uhr.

Freitag: Die fieben Naben. N :

Sonnabend, Nachmittags 33 Uhr: Kinder - Vor- stellung. Der Struwelpeter. Märchenposse mit Gesang in 4 Bildern.

E Bedeutend ermäßigte Preise. “Fg

Theater Unter den Linden. Donnerstag: Zum 10. Male: Der Mikado. Burleske Operette in 2 Acten ¿von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. (Nanki Pooh: Ilka von Palmay.) Hierauf: Pierxo - Gavotte. Ballet- Divertissement. Grand pas de deux, getanzt von der Prima Ballerina Sgra. Elia und dem Primo Ballerino Sar. Poggiolefi. Anfang 74 Uhr.

Freitag: Der Mikado.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Vorstellung zu halben Kafßsenpreisen. Die Gondoliere u. Ballet.

Adolph Ernst-Theater. Donnerstag: Zum 80. Male: Charley’s Tante. Schwank in 3 Acten bon Brandon Thomas. Hierauf : Die Bajazzi. Parodiftishe Posse mit Gesang in 1 Act von Ed. Jacobson und Benno Jacobson. Jn Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7# Ubr. E

&reibag: Charley’s Taute. Die Bajazzi.

Central-Theater. Direction : Richard Schulz.

Alte Jacobstraße Nr. 30.

Donnerêtag: Z. 29. Male: Die eiserne Jung- fran. Posse mit Gesang in 3 Acten von Charles e Musik von Louis Varney. Anfang T4 Le.

‘Freitag: Die eiserne Jungfrau.

Tageskasse: Vormittags von 10 bis 2 Uhr. Abend- kasse von 64 Uhr ab.

Concerte.

Sing-Akademie. Donnerstag, Anfang 8 Uhr: Concert des Violinvirtuosen Nobert Freund mit dem Berliner Philharmonischeu Orchester

Concert-Haus, Leipzigerstraße 48 Donnerstag: Karl Mevder - Concert. Gesellschafts-Abend. Anfang 7 Uhr.

Circus Renz (Carlstraße). Donnerstag, Abends 74 Uhr: Gala-Vorstellung.

l. a: Grand Quadrille de la haute equitation, geritten von 6 Damen und 6 Herren. Die Spring- pferde „Parthenia® und „Paria", geritten von Frl. Dceana Renz und Frau Nenz-Stark. 6 Rappen und Caroussel von 30 Pferden, vorgeführt von Herrn N. Renz. Mr. Rodgers mit seinen neu erfundenen Luftapparaten. Der unnahabmlihe Clown-Imitator Mr. Ybbs. Jones und Robinson, Clowns am Barren. 2.

Zum Schluß der Borstellung: Huldigungsgruß an Berlin. “E Großes Paradeschaustück mit Festspielen, Aufzügen, Solo- und Ensembletänzen von §80 Damen, arrangirt

vom Director Franz Nenz.

Gewöhnliche Preife.

Billet-Vorverkauf an der Circuskasse und beim Invalidendank, Markgrafenstraße 51a.

Freitag: Große Vorstellung.

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Familien-Nachrichten.

Geboren: Cin Sohn: Hrn. James Alexander Frhrn. Speck von Sternburg (Lüßschena). Hrn. Landrichter Dr. Dittrich (Beuthen O.-S.) Hrn. Pastor Melz (Parhwit). Eine Tochter: Hrn. Professor Dr. M. Dennstedt (Hamburg- Leh Hrn. Fr. von Stülpnagel (Lind- )orst).

Gestorben: Verw. Fr. Superintendent , Probst Sophie Schmidt (Zossen). Hr. Unter-Staats- secretär a. D. Friedrih Ludwig Theodor Müller (Verlin). Verw. Fr. Schloßhauptmann Helene von Blücher, geb. von Nantzau (Kuppentin). Hr. Großh. mecklenb. - chwerinscher Ceremonien- meister Leopold von Vieregge (Steinhausen). Or. Oberlehrer Rudolf Kaluza (Breslau). Verw. Fr. Pastor Anna Ucberschaer , geb. Mo- fewius (Breslau). Hr. Postdirector a. D. Wil- helm Noeßler (Görlitz).

Redacteur: Dr. H. Kleè, Dixector. Berlin: —————— Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen

Oper in 3 Acten von Richard Wagner. In Scene

Scene gesezt von Sigmund Lautenburg. Vorher:

(Dirigent: F. Mauustaedt).

(einschließli Börsen-Beilage).

fundirte Einkommen höher zu

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und K

A2 291.

Deutscher Reichstag.

13. Sißung vom Dienstag, 5. Dezember, 1 Uhr.

Zur ersten Berathung steht der Geseßentwurf wegen Abänderung des Geseßes, betreffend die Erhebung von Reichs-Stempelabgaben.

Der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel leitete die Berathung mit einer Rede ein, über deren ersten Theil in der Nummer vom Dienstag bereits kurz berichtet wurde. Nachstehend geben wir diese Rede vollständig, dem Wortlaut nach, wieder: /

Meine Herren! Wenn ih gleich zu Beginn der Berathung der Steuergefeße das Wort erbeten habe, fo geschah dies deshalb, weil die bayerishe Regierung das größte Gewicht auf die Annahme dieser Entwürfe legt, und weil ih selbst niht weiß, ob es mir möglich ift, in den nächsten Tagen noch in diesem Hause darüber zu sprehen. Fch werde mich bei der Erörterung selbstverständlih an den Gegenstand der heutigen Tagesordnung zu halten haben. Allein, meine Herren, es wird nicht mögli sein, den Entwurf über die Stempelabgaben so loszulöfen, daß nicht auch wenigstens die allen Entwürfen gemeinsamen Motive zur Besprechung gelangen. Wer vor der Frage fteht, ob und wie weit er dem Stempelgesetßzentwurf seine Stimme geben könne und wolle, der wird ih vor allem vergegen- wärtigen müssen, wie denn die Finanzverhältnisse des Neis und der Einzelstaaten beschaffen sind, und er wird sich namentlich ein Bild darüber machen müssen, ob dieser Bedarf vom Neich selbst oder von den Einzelstaaten oder von beiden gemeinsam zu deen ist; dann, ob die Deckungsfrage, wenn man si für ein Eintreten des Reichs ent- scheidet, im Wege der directen oder indirecten Neichs\teuern erfolgen soll; und endli im leßten Fall, ob es angezeigt sei, einen größeren Rahmcn für die Deckung des Bedarfs aufzustellen, und welche Stellung das heute zur Berathung stehende Gesetz in diesem Nahmen einnehmen soll.

Meine Herren, die Mehrzahl diefer Fragen wurde ja bereits bei der Berathung des Reichshaushaltsgesezes mehr oder weniger gestreift, allein ich kann doch nicht darauf verzihten, auf einige dieser Fragen, namentlich soweit sie im Zusammenhange mit dem Gegenstand der heutigen . Tagesordnung stehen, zurüzukommen, und wenn ih etwa in meinem Eifer zur Wiederholung einiger von dem Negierungstis{ch aus bereits deutlih auêgesprochenen Säße gelange, so bitte i, dies mit dem Sprichwort: „doppelt genäht hält besser" zu ents{huldigen.

Meine Herren, die Finanzverhältnisse des Reichs und der Einzel- staaten bedürfen der ernstesten Aufmerksamkeit. Ueber die dem hohen Hause von dem Herrn Staatésecretär des NReichs-Schaßzamts neulich bekannt gegebenen Ziffern wird auch der gewandteste Nechenkünstler nicht hinwegkommen. Es ist Thatsache, daß die Matrikularbeiträge, sofern von Seiten des Reichs nicht Vorsorge getroffen wird, die Summe der Ueberweisungen um 534 Millionen übersteigen, und daß hierzu noh die Rückstände von 10 Millionen für die Deeresverwaltung fommen.

Es ist ferner Thatsache, meine Herren, daß die Ausgaben des Reichs für den Pensionsfonds, für die Schuldenzinfen und für die Zuschüsse an die Alters- und Invaliditätsversicherung in den nächsten Jahren steigen müssen, und zwar beträchtlich steigen müssen.

Es ist endlich Thatsache, daß die Einzelstaaten ich glaube nit zu irren, wenn ich sage: alle zusammen {hon jeßt sih in großer Ver- legenheit befinden und nah außerordentlichen Mitteln suhen müssen, um die infolge der Erhöhung der Matrikularbeiträge und dic durch den Wegfall der Ueberweisung entstandenen Lücken auszufüllen. Die nah dem Etats- entwurf von 1894/95 z. B. von Bayern einschließlih der Aequivalente aufzubringenden Matrikularbeiträge übersteigen die Ueberweisungen um [21/5 Millionen (hört! hört! rechts), und hiervon sind zur Zeit circa 9 bis 6 Millionen ungedeckt, wiewohl wir auf die Einstellung einer Quote für Tilgung unserer größten und wichtigsten Staatsschulden verzihtet haben, und wiewohl wir den Antheil an Ueberweisungen in den Etat in einer Höhe aufgenommen haben, die nach den Erfahrungen des laufenden Jahres wohl kaum erreiht werden wird.

Meine Herren, das Beruhigungsmittel, daß auch die Einnahmen des Neichs in den nächsten Jahren steigen, hat der Herr Reichs-Schatz- secretär neulich zur Genüge beleuhtet. Ich möchte nur bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß das Reich außerdem noch mit circa 2 Milliarden Schulden belastet is, zu deren Tilgung Mittel bisher niht vorhanden waren. Angesichts dieser Thatsachen wird die Noth- wendigkeit der Beschaffung neuer Mittel für das Neich wohl ernstlich niht bestritten werden können.

Man hat zu diesem Zweck auf die Einführung einer Reichs- Einkommensteuer verwiesen. Gegen diese Maßregel muß ih mich vom Standpunkt der bayerischen Regierung mit der nämlichen Ent- shiedenheit aussprechen, wie das jüngst von Seiten des Königlich preußischen Herrn Staats-Ministers der Finanzen geschehen ist. Es geht nicht an, daß man eine Reichs-Einkommensteuer neben dem Fort- bestand der Landes\teuersysteme einführt. Man müßte vielmehr, wenn man Ungerechtigkeiten , Unzuträglichkeiten und Ungleichheiten ver- meiden will, dazu greifen, daß man unter Aufhebung sämmtlicher Landesgeseze über die directen Steuern cin nah einheitliher Scha- blone aufgestelltes Reichs-Cinkommensteuergeseß machte (sehr rihtig!), welches selbstverständlih auch von den Einzelstaaten aus eigener Com- petenz nit mehr geändert werden könnte. Das wäre aber ein fo tiefer Eingriff in die Selbständigkeit der Einzelstaaten, daß fich niht bloß die Regierungen, sondern auch die Bevölke- rungen mit allen Mitteln dagegen wehren werden. (Sehr wahr!) Die Vielgestaltigkcit der Verhältnisse der Einzelstaaten Deutschlands und das particulare Bedürfniß, den heimatlihen Verhältnissen jedèrzeit im Geseßgebungswege felbst Rechnung tragen zu können, erheischt die

weitestgehende Autonomie der Einzelstaaten auf dem Gebiet der

directen Steuergeseßgebung. Hinzu kommt noch etwas. Bei der Ein- kommenbesteuerung spielt auch die Frage, wie weit das sogenannte belasten sei, eine widtige

Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 6. Dezember

Rolle, denn es handelt sih dabei nah meiner Meinung um eine Frage der Gerechtigkeit. Diese Frage kann aber auch außerhalb des Einkommensteuergeseßes gelöst werden und ist zum theil au in den Einzelstaaten neben den Einkommensteuergesetzen gelöst oder wenigstens geregelt worden. Das Reich müßte daher, um eine wahre Gleichheit zu erreihen, auch auf die Gebiete der Abgaben u. \. w. übergreifen, und es müßte sih endlich zur Sicherheit des Vollzugs eines so wichtigen Gesehes, wie das über die RNeichs-Einkommensteuer, auch in die Verwaltung der Steuer selbst mischen. Mit vollem Recht hat deshalb der Königlich preußische Finanz-Minister neulich aus- gerufen: Was bleibt denn da noch übrig von der Selbständigkeit der Einzelstaaten, nachdem das Reich ja ohnehin das Gebiet der indirecten Steuern wenigstens der Hauptsache nah an sich genommen hat ?

Nach der Entwicklung der Dinge ist es natürli, daß das Reich zur Deckung seiner Bedürfnisse sih auf den durch die Reichsverfassung bereits angebahnten Weg der indirecten Steuern begiebt, während den Einzelstaaten das Recht der directen Besteuerung möglich\t intact erhalten wird. Die verbündeten Regierungen haben auch bei den ihnen unterbreiteten Vorlagen, getreu diesem Sat, den ersteren Weg ein- geschlagen, und sie waren bemüht, die Vorlagen fo zu gestalten, daß die dadur herbeigeführten Belastungen möglichst wenig fühlbar sind. Die Regierungen - haben es vermieden, unentbehrlihe Lebensmittel zur Besteuerung heranzuziehen, und sie waren ferner gleichzeitig auf inöglihste Schonung der zur Zeit in mißlicher Lage befindlichen Land- wirthschaft bedacht.

Ungereht ist der Vorwurf, daß wir mit dieser Steuervorlage den wirthshaftlih Shwächeren ernstlih bedrücken und zahlreiche Existenzen zu Grunde rihten. (Na, na! links.) Meine Herren, daß ein der- artiger Vorwurf“ gegen die in dem Stempelgeseßentwurf vorgesehene Besteuerung des Verkehrs mit dem mobilen Kapital nicht gefunden werden kann, wird wohl jedermann zugeben. Dagegen wurden nament- lih Bedenken vom Standpunkt des kleinen Mannes aus gegen die Quittungsfteuer erhoben. (Sehr richtig! links.) Ja, meine Herren, diese Bedenken mögen ja bestehen, aber bei der Geringfügigkeit des Satzes und im Hinblick auf die vorgeschlagenen Ausnahmen kann do ernstlih von einem stark fühlbaren Steuerdruck durch den Quittungs- stempel nicht die Nede fein. Wenn neulih der Éleine Gewerbtreibende ins Feld geführt wurde und dabei behauptet wurde, daß derselbe seine Nehnungen vorher mit dem Stempel verschen und also für seine cigenen Rechnungen gewissermaßen den Stempel bezahlen würde, fo trifft das doch wirklich nit zu. Der Aussteller der Rechnungen ist nach dem Entwurfe überhaupt nicht zur Anwendung des Stempels verpflichtet; er hat aber auc gar kein Interesse, daß der Act, der die Stempelpflichtigkeit begründet, die Quittirung, \tatt- findet. Das ist Sache desjenigen, der eine Quittung haben will. (Lachen links.) Meine Herren, Sie lachen; gehen Sie do nah Bayern und fragen Sie, ob irgend dort ein kleiner Mann fich über den Quittungsstempel beklagt hat, der fast 100 Jahre dort besteht ! Die Sache ist einfa die, daß, wenn der Gewerbsmann den Stempel ja bezahlen muß, er ihn vorher in den Preis einrehnet, das ift die cinfache Sache. Meine Herren, ich glaube, der kleine Mann wird dem Stempelgeseßentwurf nicht wehe thun und der Stemvelgeseßentwurf thut auch dem kleinen Mann nit wehe. (Sehr gut! rets.)

Aehnlich verhält es \ich mit der Weinsteuer. Wir waren be- müht, das Getränk des kleinen Mannes steuerfrei zu lassen, und die Steuer selbs is das bitte ih festzuhalten nur oder hauptsählih gegen den Luxus des Weintrinkens gerichtet. Hâtté die Regierung keine Weinsteuer vorgeschlagen, so bin ih überzeugt, ‘daß uns die verschiedensten Vorwürfe von den verschiedensten Seiten gemacht worden wären. (Lebhaftes sehr rihtig! rechts.) Meine Herren, ich habe das hon selbst wiederholt erlebt, daß Herren, die jeßt gegen die Weinsteuer donnern, vor wenigen Jahren mir zugerufen haben: Warum besteuern Sie nicht den Wein ?

Und was endlich die Tabafabrikatsteuer betrifft, so sollte man nah der seit Wochen im Gang befindlichen Agitation glauben, das ganze Reich ginge mit einer höheren Besteuerung des Taback3 aus dem Leim und die verbündeten Regierungen hätten wirklich garnichts zu thun, als sich darüber zu besinnen, wie sie möglichst viel Eristenzen ruiniren. Meine Herren, feien Sie überzeugt, daß die verbündeten Regierungen der Frage der Arbeiterentlassung durchaus niht gleihgültig gegenüberstehen. Die Nückwirkungen auf die Verhältnisse der Arbeiter waren bei unseren Vorbereitungen und sind heute noch der Gegenstand der ernstesten Erwägungen. Der Annahme eines colossalen Consumrückgangs aber, auf welche im allgemeinen die ganze Agitation aufgebaut ift, stehen die Erfahrungen entgegen, die fowohl’ bei der weit stärkeren Tabacksteuererhöhung vom Jahre 1879 gemacht wurden, als auch die Erfahrungen, die si bei der indirecten Besteuerung anderer Genußmittel jeden Tag ergeben und machen lassen. Der in den Motiven des Tabacksteuergesetz- entwurfs in Aussicht genommene Consumrückgang bezieht si nit auf die Zahl der Fabrikate, die hauptsällih für die Frage der Arbeiterentlassungen entscheidend is, sondern lediglich auf das Gewicht des zur Versteuerung gelangenden Tabaks. Scheidet aber die Frage der Arbeiterentlassung aus dem Kreise der Erwägungen aus,

fo bleibt lediglich noch der Vorwurf, daß die Steuer aut breitere

Volksschichten ergreift. Diese Behauptung ist an sich nicht abzuweisen. Aber, meine Herren, ih glaube, der Vorwurf verliert doch ganz be- deutend an Gewicht, wenn man erwägt, daß niemand zum Rauchen gezwungen ist. (Lachen links.) Der Vorwurf verliert aber au noch ganz bedeutend dur die Erwägung an Gewicht, daß die verbündeten Regierungen von einem irrationellen, im Verhältniß. die Minder- bemittelten weit stärker belastenden Steuersystem zu cinem ratio- nelleren, nah dem Werth bemessenen System überzugehen im Begriff stehen. Doch ih will den Debatten über die einzelnen Entwürfe in keiner Weise vorgreifen. Ih gelange von dem Vorwurf, daß man auch breitere Volksshihten heranzieben will, auf die weitere Frage, was dann geschieht, wenn das Reich keine Mittel beshaffft. Dann

müßten die Einzelstaaten ich kann das wenigstens von Bayern

öniglih Preußischen Staats-Anzeiger.

1893.

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absolut behaupten zu einer Erhöhung der directen Steuern schreiten, und es fragt sich dann, wie die breiteren Schichten des Volks von diesen Maßregeln getroffen werden. Meine Herren, ge- statten Sie, daß ich Ihnen nur ein paar Ziffern in dieser Hin- siht vorführe. Jn Bayern sind unter den 2045 000 grundsteuer-, gewerbe-, fapitalien- und einkommensteuerpflihtigen Personen 1 750 000 Pflichtige, also fast neun Zehntel, mit einer directen Steuer bis zu 15 Æ angelegt, 326 300 Pflichtige mit einer directen Steuer zwishen 15 4 und 400 A und mit ‘einer Steuer von über 400 Æ sind lediglih 3559 Pflichtige angelegt. Zur Erläuterung bemerke ih, daß eine Kapitalieusteuer von 400 M4 ungefähr einer Jahresrente von 12 000 4 gleihkommt und daß sich in Bayern überhaupt nur 217 Kapitalrentensteuerpflihtige be- finden, welhe eine Rente von mehr als 30000 M zu ver- steuern haben. Wenn daher in Bayern infolge der Steigerung der Matrikularbeiträge um 5 oder 6 Millionen eine Erhöhung der directen Steuer erforderlich ist, \o ist eine Heranziehung der breiteren Massen nah den soeben von mir bekannt gegebenen Ziffern ganz unausbleib- lih. Das heißt, es müssen eine große Anzahl von Personen sie mögen wollen oder nicht Steuern zahlen, während die Antheil- nahme an den Lasten der einzelnen indirecten Steuern vielfach in ihr Belieben gestellt gewesen wäre. Wollte man aber diese Steuer- erhöhung auf eine geringere Anzahl von Schultern legen, dann, meine Herren, müßten diese Steuerpflichtigen zu so erheblichen Einschränkungen in ihrem Haushalt gelangen, daß eine empfindliche Rückwirkung auf Handel und Wandel und damit auch auf das Loos der arbeitenden Klassen unausbleiblich wäre. ‘Es ist überhaupt sehr fraglih, ob nit eine unzweckmäßige Vertheilung der directen Steuer- lasten für die arbeitenden Klassen {hädlicher ist, als eine entsprechende Einführung indirecter Steuern.

Mit den Darlegungen, welche ih mir soeben zu machen erlaubte, sind die Motive, von denen die verbündeten Regierungen im allge- meinen bei den Steuervorlagen, und insbesondere bei dem Stempel- steuer-Geseßentwurf, ausgegangen sind, noch nicht erschöpft. Ein Hauptmotiv bildete au die Rüksicht auf die finanziellen Beziehungen des Reichs zu den Einzelstaaten. Durch die verfassungsmäßige Bestim- mung, daß jeder Fehlbetrag des Reichs einfah dur Matrikularbeiträge gedeckt wird, und sodann durch die Bestimmung der sogenannten Franckenstein’shen Clausel, wonah der Ertrag der Zölle und Ver- brauchssteuern nur bis zu der Summe von 130 Millionen dem Neich zusteht, der Mehrbetrag aber an die Einzelstaaten überwiesen wer- den soll, durch diese Bestimmung, in Verbindung mit dem Umstand, daß das Reich ih sage: naturgemäß die hauptsächlihsten Quellen aus den indirecten Steuern für sich in Anspru nimmt, find Ver- hältnisse geschaffen, welhe nach der übereinstimmenden Meinung aller verbündeten Regierungen dringend einer baldigen Besserung bedürfen.

Diese Verbesserung ist im Nahmen-- des föderativen Gedankens der Reichsverfassung“ und ohne effective Einschränkung der budget- rechtlichen Befugnisse des Reichstags mögli, wenn die bisherigen Schwankungen in Bezug auf die Matrikularbeiträge und die Ueber- weisungen beseitigt werden. Das Nähere wird seiner Zeit bei Be- rathung des Geseßentwurfs über die Steuerreform von berufenerem Munde auseinandergeseßt werden. Allein ih darf doc auf Grund meiner langjährigen Erfahrungen constatiren, daß die Einzelstaaten ein einwand- freies Budget fast gar nicht aufstellen können, solange diefe Shwankungen fortdauern. (Sehr richtig! rechts und im Centrum.) If man vor- sichtig, meine Herren, oder gar etwas ängstlih, dann gelangt man zu Uebershüfsen, welche ungerechtfertigte, aber {wer zurückzuweisende An- forderungen an die Staatskassen bervorrufen: nimmt man die Sache leichter, so steht man über Nacht vor einem Deficit, für dessen De ung die Mittel fehlen.

Daß derartige Zustände auch für die Pflege der Volk8wohlfa niht förderlich sind, bedarf keines weiteren Nachweises. t spielsweise innerhalb der fünf Jahre von 1889 bis 1893 neuen hohen Matrikularbeitrag habe der Matrikularbeitrag Bayerns um das ist um eine Summe, welch§e Steuern, die in Bayern zur Erbebung g

Daß angesichts folher Schwa deren Beseitigung besteht, is wo mich der Hoffnung hin, i reformpylan beute noch Würdigung der Verhältnisse ichwinden werden, namentli

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ist, wenn die Ueberweisungen bleiben ; was leider au für die geschaffen wird, wobl mit Sicherheit

Die Anschauung, daß die Einzelstaaten finanzielle Beihilfe von Seiten des Reichs baben der Zoll- und Steuerreform-Verhandlungen vom J gründet. Man ging damals v und dieselbe Anschauung hat auch be Neichsftempelabgaben und über der geseßgebenden Factoren des Versagung jeglicher finanzieller ist au unbillig, nachdem die Einzelstaaten im HinbliF mir foeben erwähnten Bes{lüßse der Netchsgesetgedungsfactoren nèdt bloß Ausgaben auf ReGnung der zu erwartenden Uederweifungen 20 macht, sondern auc erbeblie Erlciterungen baben eintreten laFen. (Sebr richtig! rechts.) Jn Bayern beziffert F B. die Summe der während der legten Jahre eingetretenen Erleichterungen allein auf über 5 Millionen, d. b. nabezu soviel leut das Deficit beträgt.

Unrichtig ift ferner die Behauptung, es fei eine Steuerdewäligung auf Vorrath geplant. Daven kann nad dem Wortlaute des Seicg= entwurfs, der später zur Besprechung kommt, webl nit dür Rede sein, und noch weniger kann dadon die Nede sein, wenn man rw,

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