1893 / 295 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 11 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Das Justizportefcuille soll dem Senaior Calenda, das Portefeuille des Kriegs-Ministeriums soll Ricotti angeboten werden, der heute in Rom eintrifft; für das Auswärtige wird der Herzog von Sermoneta genannt. Gestern hatte Crispi noch B Unten mit zahlreichen Persönlichkeiten, darunter Nicotera und Cavalotti.

Der Deputirte Cavalotti hat, wie „W. T. B.“ berichtet, dem Präsidenten der Deputirtenkammer eine Jnterpellation an den Minister-Präsidenten übersandt über die Vortheile des Dreibundes für die Unabhängigkeit und die Ehre Jtaliens, im Vergleih mit dem durch den Dreibund verursachten Schaden, ferner über den Zwischenfall Baratieri vom Stand- punkt der nationalen Würde und endlih über die verfassungs- mäßigen Rechte des Parlaments gegenüber der Krone.

Zu Palermo find bie p: aus Partinico cin- getroffen, wonach daselbst ernste Ruhestörungen stattgefunden haben. Die Mitglieder des Arbeiterbundes veranstalteten aus Anlaß der Steuererhöhungen eine Demonstration gegen die Behörde und überfielen das Stadthaus unter dem Rufe „Hoh Savoien“, „Nieder mit den städtishen Steuern“. Die Manifestanten, deren Zahl sich auf 4000 Personen, darunter viele Frauen, belief, benüßten den Augen- blid, wo das in artinico garnisonirende Bataillon eine Schießübung hatte, um die Municipalregister zu verbrennen. Es wurden 18 Schilderhäuser der Zollwache in Brand gesteckt. Nachdem das Bataillon zurückgekehrt war, wurde die Ruhe wiederhergestellt. Der Sindaco hat seine Entlassung genommen. Eine ähnlihe Aufregung wie in Partinico herrsht in den benahbarten Gemeinden, besonders in Giardinelli.

Rumänien.

Der Senat hat vorgestern die Berathung der Adresse an den König begonnen. Es wird darin, dem „W. T. B.“ zufolge, das glüdckliche Ercigniß der Geburt eines Prinzen be- tont und die günstigen Umstände bezüglih der äußeren Politik und der Finanzen hervorgehoben.

Amerika.

Jn Paris sind Nachrichten aus Rio de Janciro ein- getroffen, wonach die Truppen Peixoto’s das Fort Ville- gaignon angegriffen hätten, aber zurückgeshlagen worden jeien. Man glaube, daß die Aufständischen einen entscheidenden Schlag führen wollten und daß sie beabsichtigten, sih Santos zu bemächtigen. Ein neuer Angriff auf das Fort Ba ge solle unmittelbar bevorstehen.

Wie das „Reuter she Burcau“ aus Buenos Aires vom 9. d. M. meldet, hat die Regierung eine Amnestie für alle Emigranten und politishen Gefangenen erlassen mit Ausnahme derjenigen, gegen die eine Anklage beim Bundes- gerihtshof s{webt.

Afrika.

Dem „Reuter schen Bureau“ wird aus Kairo von vor-

gestern gemeldet, die Nachricht, daß der englische Botschafter-

‘posten in St. e Lord Cromer angeboten worden sei, entbehre jeglicher T Dasselbe Bureau erfährt aus Capstadt vom 8. d. M. dem Premier-Minister Carl Rhodes sei ein vom 3. Dezember datirter Bericht zugegangen, wonach die Matabeles fort- ren sich zu unterwerfen und Waffen abzuliefern. Die Ge- angennahme Lobengula's werde täglich erwartet. Auch in den Matopo-Bergen und am Gwai-Fluß unterwürfen sih die Eingeborenen. Der Oberst Goold-Adams wolle drei englische Meilen von Buluwayo ein Lager errichten, das der Major Forbes mit der Polizei beziehen werde.

Parlamentarische Nachrichten.

_ Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die Sißung vom Sonnabend befindet sih in der Ersten Beilage.

17. Sißung. vom Montag, 11. Dezember.

Der Sißung wohnen bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Dr. Graf von Posadowsky.

Das Haus verweist zunächst den Bericht der Reichsshulden- Commission an die Rechnungs-Commission.

Es folgt die dritte Berathung der Kaiserlihen Ver- ordnung, betreffend die Erhebung eines 50proc. Zoll- zuschlags für die aus Rußland bezw. Finland kom- menden Waaren. Es liegen hierzu zwei Resolutionen vor: 1) von oden Wag. Möller uno Genosen be: treffend die Waaren, welhe auf Grund der vor Erlaß der Verordnung abgeschlossenen Verträge eingeführt waren und 2) von dem Abg. von Salisch, betreffend die Erhebung eines A, von sonst zollfreien Waaren im Fall eines Zollkriegs.

eide Resolutionen sind in ‘der zweiten Berathung schon er- örtert worden.

Heute wird folgende Resolution von den Abgg. Graf von Mirbach und Luß (dcons.) eingebracht :

Die verbündeten Regierungen zu ersuhen, s{leunigst dem Reichstag einen Geseßentwurf vorzulegen, nah welchem der Zoll auf aus Rußland. eingehenden Hopfen - auf den Zoll erhöht wird, welcher zur Zeit für deutschen S osat bei der Einfuhr nah Rußland zu entrichten ift.

Abg. Möller (nl.) empfiehlt die Annahme seiner Resolution, wendet sich aber gegen die des Abg. von Salish, durch welche cin Zollkrieg nur verschärft werden würde. Redner richtet an den Bundes- rath die Frage, ob die in Transitlägern befindlihen Waaren von dem Zollzuschlag befreit sind und ob auf Verträge, deren Ausführung ih über mehrere Jahre erstieckt, in welhem Falle also die russishen Waaren die Grenze noch nit überschritten haben, Rücksicht genommen werden wird.

(Bei Schluß des Blattes nimmt der Staatssecretär Dr. von Boetticher das Wort. Diese Rede werden wir morgen im Wortlaut nachtragen.)

Kunst und Wissenschaft.

Im Hörsaal des Königlichen Ung ederbe- Museums werden in den Monaten Januar bis März 1894 folgende öffentlihen Vorträge gehalten werden: Dr. Jars Springer, „Glas und Glasmalerei“, 10 Vorträge, Donners- tag Abends 81/2 bis 91/7 Uhr, Beginn: Donnerstag, den 4. Januar 1894; Dr. D. von Falke, „Geschichte des deutshen Kunstgewerbes“, 10 Vorträge, Freitag Abends 81/, bis 91/24 Uhr, Beginn: Freitag, den 5. Januar; Bibliothekar Dr. P. Jessen, „Das Ornament der deutschen Renaissance“, 10 Vorträge, Montag Abends 81/5 bis 91/2 Uhr, Beginn: Montag, den 8. Januar.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe veranstaltet am Mittwoch, 13. d. M., einen Fachabend für Schlosser und Kunstshmiede, an welhem außer älteren Kunstshmiedearbeiten aus dem Königlichen Kunstgewerbe-Museum neuere Kunstschmiede- arbeiten (Beleuchtungskörper, Gitter u. a.) von den Firmen Max Böttcher, Ferd. Paul Krüger, Langer u. Methling u. a. zur Aus- stellung gelangen werden. Ingenieur F. Spengler wird neuere Kunst- \{chlösser vorlegen und erläutern und Bibliothekar Dr. Jessen einen Vortrag über die Formen des Schmiedeeisens seit der Renaissance halten. Die Sitzung findet statt im großen Saale des Architekten- haufes, 84 Uhr Abends.

Anläßlih des 70. Geburtstags übersandte Seine Ma jestät der Kaiser dem Professor Max Müller in Oxford ein Glück- wunsch-Telegramm, welches nach der „A. C.* folgenden Wortlaut hat: „Dem großen Gelehrten, dem treuen Patrioten und dem hoc- verehrten Manne bringe Ih zur Vollendung seines siebenzigsten Lebensjahres die innigsten Glück: und Segenswünshe dar. Mögen noch manche Späne der deutshen Werkstätte uns Laien aus den Lande der Forshung durch des Meisters Hand beschieden fein. Wilhelm. 1. R?

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

__ Paris, 11. Dezember. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung der Deputirtenkammer dürften, wie in par- lamentarishen Kreisen verlautet, weder der Socialisten- antrag betresss einer Strikeenquête, noch der über die siamesishe Angelegenheit zur Sprache kommen uyd nur die von der Regierung einzubringenden Vorlagen über eine Verschärfung des Preßgeseßes sowie über eine Creditforderung behufs Vermehrung der Polizei zur Bekämpfung der Anarchistengefahr zur Berathung gelangen.

Montevideo, 10. Dezember. (W. T. B.) Aus Rio de Janeiro ist hier die jichere Nachricht eingelaufen, daß Admiral Saldanha sih am 9. d. M. mit der fark armirten nsel Cobras und einer Corvette der Jnsurrection an- geschlossen habe. Ein. Manifest des Admirals gebe dem Volkswillen die Wahl der künftigen Regierung anheim.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Gounod. Text Barbier Graeb.

Wetterbericht vom 11. Dezember, 8 Uhr Morgens.

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red. in Millim.

Stationen. Wind.

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SW 2 wolkenlos SSW 3lbedeckt EShristiansund ¡OSO 4\wolkig Kopenhagen . SSO 3\[Dunft Stodholm . | 762 ill Nebel Haparanda . | 759 |S 2 \bedett St. Petersbg.| 762 |SO Schnee Mosfau . …. | 768 Nebel

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e O4 Münster .. | 754 Karlsruhe .. | 758 Wiesbaden . | 758 München .. | 760 Shemaiy .. | 761 a E 760 Met ael (03 Breslau... |_762_ Fle d’Aix . 749 Egl bedeckt E l C02 ill \roolkenlos

Uebersicht der Witterung.

Das barometrishe Minimum, welches gestern über Irland lag, ist nordwärts fortgeschritten, während ein Theilminimum über England sich ausgebildet hat, welches sih indessen nah und nah auszugleichen scheint. Das Hochdruckgebiet über dem Innern Nuß- lands hat sich wenig verändert. Bei s{hwacher, vor- wiegend füdlicher Luftbewegung is das Wetter in Deutschland meist trübe und S etwas kälter; in den östlihen Gebietstheilen ist stellenweise E gefallen. Im Westen der Britischen Inseln t} Abkühlung eingetreten, welche sih zunächst über Westdeutschland weiter fortpflanzen dürfte.

Deutsche Seewarte:

O E F E L A Theater - Anzeigen.

Königliche BVchaguspiele. Dienstag: Opern- haus. 261. Vorstellung. Richard Wagner- Cyclus. 4. Abend. Tristan und Jsolde. In 3 Acten von Loe Wagner. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang 6# Uhr.

Schauspielhaus. 157. Vorstellung. Zum ersten Mal: Die kluge Käihe. Lustspiel in 4 Aufzügen von Hans Olden. In Scene geseßt vom Ober- Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Opernhaus. 262. Vorstellung. Neu xinstudirt: Margarethe. Oper in 5 Acten von

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Belmullet. .

Aberdeen .…. Anfang 7 Uhr.

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Dienstag:

Donnerstag :

burg. Diensta Schwank in 3

Decorationen

und Michel Carré. 1 In Scene geseßt vom Ober - Regisseur Tegylaff. (Faust : Herr Emil Göße, Königl. Kammer- fänger, als Gast.) Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nah Schlegel’s Uebersezung. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Max Grube. (Malvolio: Herr Adolf Müller, vom Thalia-Theater in Hamburg, als Gast.)

Deutsches Theater. Dienstag: Der Talis-

Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Der Weg zum Herzet, Donnerstag: Der Talisman. Freitag: Die Jüdin von Toledo.

Die Tageskaffe ist von 10—1 Uhr geöffnet.

Berliner Theater. Dienstag: Der Veilchen- Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Aus eigenem Recht.

Donnerstag: Hamlet. (Ludwig Barnay.)

(Leßtes Gastspiel von Friedrich Mitterwurzer.) An- Mittwoch: 5. Duse-Abend. Casa paterna

Donnerstag: Die Grofstadtluft. Vorverkauf für den fünften bis siebenten Duse- Abend an der Tageskasse.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater.

Der Bettelstudent. 3 Acten von F. Zell und Richard Genée. von Carl Millöcker. Regie: Herr Unger. Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann.

Mittrooh: Der Bettelstudent.

Der Lieutenant zur See. Musik von Louis Roth.

Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten-

Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. Borher: Zum 3. Male: Dramenstoff. Schauspiel in 1 Act von Fedor von Zobeltiz. Anfang 74 Uhr.

Mittwoch und folg. Tage: Die Dragoner. :

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 43/5).

A Dienstag: 76. Ensemble - Gastspiel des Residenz- Theaters. Direction: Sigmund Lautenburg. Zum 96. Male: Jugend. von Max Halbe. Jn Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. AURans 74 Uhr. Mittwoch und folg.

Victoria-Theater. Belle - Alliancestraßie 7/8. Dienstag, mit vollständig neuer Ausstattung an

44. Male: Die sieben Raben.

Zaubermärchen mit Gesang

nach Goethe?s Faust, von Jules S Apvfang 74 Uhr.

Ballet von Emil

stellung. Robinson Crusoe.

158. Vorstellung. Was ihr

in 2 Acten von V. S. Divertissement. Ballerino Sgr. Poggiolesi. Mittwoch: Der Mikado. Sonnabend: Zum 1. Male: Operette von Brandl. stattungs-Ballet.

halben Kassenpreisen.

von Brandon

von Adolph Ernst.

Dienêtag: Zum 34. Male: fran. Clairpille. 77 Uhr.

i Musik von Chaufseestraße 25,

Operette in Musik kasse von 6} Uhr ab. Anfang 7 Uhr.

Mit vollständig neuer Ausstattung: Operette în 3 Acten.

hausen, unter Herrn Fritz Masbach.

g: Zum 20. Male: Die Dragoner. Lal Act

FYaal Lechstein, Linkstraße 42. Dienstag, Anfang 7# Uhr: Concert von Theodor Krelle (Violine), unter gütiger Mitwirkung der Altistin

räulein Clara Schacht fowie der 5

edliczka (Klavier), For, Kammermusiker Emil

üdel (Horn). Donnerstag: Lx. Concert des Klaviervirtuosen

en von Bossu und Delavigne. In

Prill (Flöte) und Hugo

orleßte Woche. Herrn Nobert Freund.

Ein Liebesdrama in 3 Acten

age: Jugend. von Wagner. Rimmer“, „Der Trompeter

Carnier).

Réquisiten: Zum von Riegg (Herr Werner).

Costumen und Romantisches

und großem

Mittwoch: Die fieben Raben. Mittwooh, Nachmittags 35 Uhr: Kindver -

W Bedeutend ermäßigte Preisc. “Fug

Theater Unter den Linden. Zum 15. Male: Der Mikado. Burlesïe Operette S. Gilbert. Arthur Sullivan. Hierauf : Pierro-Gavotte. Ballet- Grand pas de deux, getanzt von der Prima Ballerina Sgra. Glia und dein Primo

In Vorbereitung: Vrahma. Phantastisches Aus-

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Vorstellung zu

Adolph Ernst-Theater. Dienstag: Zum UGAN 85. Male: O N T E s Ae ; A omas. Hierauf: Die Vajazzi. Lessing-Theater. Dienstag: Der Andere, Parodistische Posse mit Gesang in 1 Act von Ed: acobson und Benno Jacobson. In Scene geseht Anfang 7# Uhr. Mittwoch: Charley's Tante. Die Bajazzi.

Central-Theater. Direction : Richard Schuly. Alte Jacobstraße Nr. 30.

Die eiserne Juug-

Posse mit Gesang in 3 Acten von Charles

Louis Varney.

Mittrooch: Die ciserne Jungfrau. Tageskafse: Vormittags von 10 bis 2 Uhr. Abend-

Concerte.

Sing-Akademie. Dienstag, Anfang 8 Uhr:

Concert der Sängerin Anna Jensen - Mehl- Mitwirkung des Klaviervirtuosen

Concert-Haus, Leipzigerstraße 48. Dienêtag: Karl Meyder-:-Concert. Anfang 7 Uhr.

Ouv. „Nachklänge von Ossian“ von Gade. „Rienzi" „Raymond“ von Thomas. Phantasie aus „Der A an A von Weber.

Walzer von Waldteufel. von Säkkingen“ von „Wiegenlied“, für die Violine von Hauser (Herr „Das weiß nur ich allein“, für Piston

Ballet. | Circus Renz (Carlstraße). Dienstag, Abends

7x Uhr: Große Extra-Vorstellung.

N. a.: 6 Nappen und Caroufsel von 30 Pferden vorgeführt von Herrn R. Renz. Der Stri.“ vringer „Elimar“, vorgeführt von Fräulein Oceana Renz. „Cyd“, geritten von Herrn R. Renz. Die hohe Schule, geritten von Frau Nenz-Stark. Die Akro- baten Gebr. Frediani. Die Reckkünstlerinnen Gc- schwister Hoffmann. Der musikalishe Clown Her- M Der hochkomishe Clown - Imitator Mr. Dbb8 2c.

Bor-

Dienstag: Musik von

Zum Schluß der Vorstellung:

e Huldigungögruß an Berlin. “2 Großes Paradeschaustück mit Festspielen, Aufzügen, Solo- und Ensembletänzen von §0 Damen, arrangirt vom Director Franz Nenz. L

Gewöhnliche Preise.

Billet-Vorverkauf an der Circuskasse und beim Invalidendank, Markgrafenstraße 51a.

Mittwoch: Grande Soirée equestre

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Edith Taplin mit Hrn. Stadt: Bauinspector Friedrih Kullrich (Oberlahnstein— Dortmund). Frl. Dora Laasch mit Hrn. Predigtamts-Candidaten Axel von Bosltenstern (Abtshagen bei Alt-Wieck). Frl. Ella Egen mit Hrn. Prem. - Lieut. Sittig Schmidt von Knobelsdorf (Düsseldorf). Frl. Marie Bloch von Blottriß mit Hrn. Prem.-Lieut. Marggraff (Breslau—Lissa in Posen). Frl. Selly Schulße mit Hrn. Gerichts - Assessor Paul Schnetder (Berlin—Brieg).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Landrath Bötticher (Querfurt). Hrn. Amtsrichter Dr. Muskat (Gottesberg). Hrn. Amtsrichter Hofmann (Guhrau). Eine Tochter: Hrn. Gustav von Ruffer (Kotosbüg). Hrn. Pastor Martin Pfannschmidt (Terpt bei Lübben). Hrn. Weigel von Munderésbach (Ofterwein). Hrn. Carl von Wallenberg-Pachaly (Schmolz).

Gestorben: Fr. Henriette von Nöder, geb. von Hary (Hoym). Verw. Fr. Marie Weitel von Mudersbah, geb. Türcke (Wiesbaden). Hr. Amtsgerichts: Rath und Hauptmann a. D. Emil Mabert (Berlin). Hr. Landgerichts-Rath a. D. Otto Markstein (Berlin), Fr. Landgerichté- Nath Ernestine Kühnas, geb. Leupold (Berlin). Hry. Gymnasial-Director Dr. Larisch Tochter Elisabeth (Gr.-Strehliß). Fr. Marie von Woyrsch, geb. Freiin Roth von Schreckenstein (Guhrau).

Dic Kosfakin.

Anfang

erren Dr. E.

Nedacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin: —————— - Verlag der Expedition (Scholz). A Druck der Norddeutshen Buchdruckterei und Bertag? Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sieben Beilagen

(einshließli4 Börsen-Beilage).

„Jinmer oder Phantasie aus Neßler.

(18948)

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Kön

M 295.

Deutsther Reichstag.

16. Sigung vom Sonnabend, 9. Dezember, 2 Uhr.

Der L aE reibe bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall.

Zur Berathung steht folgender Antrag des Centrums:

1) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, mit Rücksicht auf die allenthalben in den betheiligten Kreifen bestehenden {weren Klagen über das Le V betreffend die Invaliditäts- und Alters- versicherung, vom 22. Juni 1889 Erhebungen zu veranstalten, in- wieweit eine Abänderung dieses Geseyes, insbesondere in Bezug auf Ausdehnung und Organisation der Versicherung erforderlich erscheint, und auf Grund diejer Erhebungen thunlichst bald dem Neichstag einen bezüglihen Gesehentwurf vorzulegen ;

2) der Erwartung Ausdruck zu geben, daß die seitens der ver- verbündeten Regierungen in Aussicht gestellte Novelle zu den Un- tes möglichs noch in dieser Session dem Reichs- tage zugehe.

und gleichzeitig der Antrag des Abg. von Staudy (dcons.): __ Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldmöglichst dem Reichstag einen Gefeßentwurf vorzulegen, dur welchen das Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Alteréversicherung vom 22. Junî 1889 dahin geändert wird, daß eine Vereinfahung desselben, ins- besondere durch Beseitigung der Mißstände, welche eine nothwendige Folge des Markensystems sind, herbeigeführt werde.

Abg. Aichbichler (Centr.) begründet den Antrag des Centrums damit, daß die Invaliditätevecsiherung große Unzufriedenheit erregt hat, namentlih in Bayern, sodaß schon im vorigen Jahre Petitionen aus Nürnberg mit mehr als 200 000 Unterschriften an den Reichstag elangten, welche die Aufhebung des Gesetzes verlangten. Die Ver- fiherung ist belastend jür Handwerk, Kletngewerbe und Landwirth- schaft, für welche leßtere die Kosten ungefähr der Grundsteuer sich gleihstellen. Die Arveitgeber und Arbeiter sind unzufrieden. Hâtte man das Umlage- statt des Deckungsverfahrens eingeführt, so wäre die Belastung eine geringere. Auch die Belastung der Gemeindeorgane durch das Schreibwerk ist unerträglich, das Unerträglichste aber das Klebe- wesen, welches man vielleiht ganz beseitigen oder do durch Vier- wohen- oder Vierteljahrsmarken etwas erleihtern könnte. Besonders hoh sind auch die Verwaltungskosten, niht gerade in Bayern, wo man si sparsam eingerichtet hat, aber in anderen Versicherungsanstalten. Erhebungen über die endlosen Klagen sollten angestellt werden. Auf- heben Tann man das Geseg nicht ohne weiteres, weil inzwishen Rechts- ansprüche entstanden find. Aber es wäre vielleicht möglich, das Princip der Freiwilligkeit zur Geltung zu bringen, namentli für- die Land- wirthschaft und das fleine Handwerk. Besonders dringend noth- wendig ist aber die Novelle zur Unfallversicherung, welhe von der Regierung schon lange versprochen ist. Falls das Heilverfahren vor Beendigung der 13 wöchigen Karenzzect beendet ist, ohne daß die Ar-

beitsfähigfkeit wiedererlangt ist, so muß eine Rente gewährt werden; . jeßt fällt das Krankengetd weg mit der Beendigung der Heilung.

Ferner müßten im Interesse der Landwirthschaft die aushilfsweise in

der Landwirthschaft beschäftigten Bauhandwerker nach den Säyten für

das Bauhandwerk, mcht nah den niedrigeren landwirthschaftlichen

Löhnen entschädigt werden. Der Antrag der Conservativen sei cnt-

sprechend dem Antrage des Centrums; wenn die Regierung ohne be-

sondere Erhebungen an eine Revision des Invalidenver}icherungsgéseßzes

gehen wolle, fo habe er nichts dagegen. Nedner bittet um Annahme

des Antrags.

Abg. von Staudy (dconf.): Den Conservativen hat man immer den Vorwurf gemacht, daß fie selbst für die Invalidenversicherung ge- stimmt hätten. Es handelte fich bei diesem Geseße um eine Geistes- arbeit ersten Nanges; es wurde damals von allen Seiten, auch von der Regierung, anerkannt, daß man hier einen Sprung ins Dunkle thue, daß nach einigen Jahren eine Revision des Gesetzes nothwendig werden könne. Also eine Inconsequenz der conservativen Partei liegt durchaus nicht vor, wenn sie jegt eine Revision des Gesetzes verlangt. Der Antrag der Consfervativen betrifft Punkte, die hon bei der Be- rathung des Geseßes zu den umstrittensten gehörten, gegen die ein Theil der Deutschconservativen sih eifrig gesträubt hat und die einzelnen Conjervative schließlich dazu gebracht haben, gegen das ganze Gese zu stimmen. Redner habe fih damals der Abstimmung ent- halten, aber die Erklärung abgegeben, daß er feine Stimme gegen das Gese) abgeben würde, wenn er dasselbe dadurch zu Falle bringen könne. Der Widerstand betrifft niht die wohlthätige Tendenz und die eminent focialpolitische Bedeutung, sondern nur die Construction des Gesepes, und nur gegen diese richtet sich die weit verbreitete Unzusriedenheit im Volke, welhe so groß ist, daß die Schwierigkeiten einer Neuordnung niht gescheut werden dürfen. Der Antrag des Centrums geht nicht weit genug. Das Markensystem ist unhaltbar und der ganze Mechanismus jo compli- cirt, daß dadurch die VetwaltuñgstolEn sehr erheblich sind. Auf 13 Millionen Mark Renten kommen nicht weniger als 3 692 000 unmittelbare Verwaltungstosten, wozu noch 908000 A an weiteren Verwaltungsabgaben hinzutreten, welhe zusammen also 4 600 000 H oder erheblih mehr als { der Renten betragen. Zu verkennen ist natürlich niht, daß die Rentenerträge erheblih wachsen werden, sodaß die Kosten si entsprechend steigern. Das Markenwesen ist uneiträglih und besonders für den kleinen Mann sehr belastend; er kann sih nit mit all den einshlagenden Bestimmungen ver- traut machen. Dadurch entstehen Fehler; es kommen Rückfragen und Cunnerungen der Behörden und s{hließlich Strafen, die die größte Erbitterung hervorrufen. Die Arbeiter sehen den Beitrag als Sbrtin vom Lohn an und dadurch wird das gute Verhältniß zwischen Arbeit- geber und Arbeitnehmer gestört. Ferner kommt dazu, daß der Ver- dacht herrsht, daß mit den Marken Malversationen vorkommen, die niemals controlirt werden können. Daher kommt es, daß das Klebegesey ein verhaßtes ist, daß bei den MNeichstagswahlen keine Interpellation häufiger kam als die: Kann das Klebe- ge]eß nicht geändert werden? Durch die Beseitigung des Marken- systems würde allerdings ein gewaltiger Einbruh in die ganze Organisation der Versicherung stattfinden. Man - hatte das Kapital- decungbverfahren beschloffen und ging dabei von der Annahme aus, daß für den Beharrungszustand ein Kapital von 14 Milliarde ange- sammelt werden soll; dasür nahm man einen Zeitraum von 50 Jahren in Aussicht. Es zeigt sich jeyt, daß die Kapitalansammlung viel zu {nell erfolgt; das beweist der Vermögensstand der Bersicherungs- anstalten. Ein Uebelstand i} die gleichartige Belastung im Westen wie im Osten; das Geld hat einen anderen Werth im Westen wie im Osten. Dazu kommen die Absaßverhältnisse, die im Osten nicht so günstig jind wie im verkehrsrethen Westen. Gerade die Gegenden, wo es noch gar keine Socialdemokratie giebt, sind am meisten belastet durch die Versicherung, die bestimmt ist, die Social- demokratie zu bekämpfen. Die Belatiutia kommt im Osten fast voll- ständig der Grundsteuer gleih. Es kommen aber manchmal 150 % der Grundsteuer heraus. Deshald muß die Methode der Aufbringung der Mittel geändert werden. In dem Antrage i allerdings davon nichts gesagt; es ist für eine Fraction \{hwierig, einen bestiimuten Borschlag zu machen. Nur die verbündeten Regierungen sind in der Lage, an die Aenderung eines solchen Geseßes heranzutreten. Der Einwand, daß es nicht anders geht als mit Mearkenkleben, darf allerdings nit geltend gemacht werden. Ich persönlich denke dabei

an ein Umlageverfahren, welches die Verhältnisse jedes Einzelnen be-

Erfte Beilage

Berlin, Montag, den 11, Dezember

rücksihtigt. Dazu müßte natürlih die Wartezeit abgeshaft werden ; an ihre Stelle müßte die Fiction treten, daß der Arbeiter bis zu dem Zeitpunkt gearbeitet hat, in welchem er die Rente beantragt. Höchstens kann man die Rente versagen, wenn be- stimmte Dinge nachgewiesen werden können: \chwere Bestrafung und namentlich der Umstand, daß der Betreffende \hon lange von Armenunterstüßungen gelebt hat. Wenn wirklih einmal eine Rente zu Unrecht gegeben wird, fo ist das nit so s{limm als die über- mäßige Strenge, die jeßt angewendet wird, wenn ein Arbeiter nicht nachweisen kann, daß er diese oder jene Bedingungen erfüllt habe. Man wird auch vielleiht zur Normalrente zurückehren können, für welche bei Berathung des Gesetzes ein großer Theil des Hauses ein- getreten ist. Gegen alle diese Vinge können erheblihe Einwendungén gemacht werden. Eine Commissionsberathung ist nicht nothwendig, sie hätte auch keinen Zweck, weil die Commission doch nicht im stande wre, speciellere Vorschläge zu machen. :

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß ih einiges zur Ver- theidigung meines Kindes oder vielmehr unferes Kindes sage, denn der Reichstag oder wenigstens der frühere Reichstag, der im Jahre 1889 dieses Gese verabschiedet hat, ist erheblich an der Zeugung be- theiligt ; und wenn der Junge auch nicht ganz so gerathen it, wie seine Herren Eltern damals gehofft und gewünscht haben, so läßt fih do manches zu seinen Gunsten sagen und das öffentliche Urtheil ift auch niht ungetheilt fo ungünstig, wie es nah den Darstellungen der Herren Vorredner erscheinen könnte. Wenn ich mih nun auc) darauf beschränken könnte, einfach zu erklären: wir sind bereit, die Mängel, die wir an dem Gesetze entdeckt, unter Ihrer Mitwirkung abzustellen, so fühle ich mich doch berufen, {on jeßt einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Vorredners zu machen, weil ih glaube, daß bei diesen und auch Lei der diesen Ausführungen zu Grunde liegenden Auffassung, wie fie im Lande besteht, doch manche Mißverständnisse und Mängel in der Kenntniß des Geseßes mit unterlaufen.

Der Herr Vorredner und ih bin ihm dankbar dafür hat darauf hingewiesen, daß er damals, als wir den Gesetzesvorschlag über die Versicherung der Arbeiter gegen die wirthschaft- lihen Nachtheile des Alters und der Invalidität brachten. in gewissem Maße einen Sprung ins Dunkle thaten. Wir hatten kein Vorbild, es gab in feinem Lande eine Gesetzgebung, die wir als Anhalt für unsere Entshlüsse hätten benußen können, und wir mußten uns daher auf einem vollständig fremden Gebiete felbst einen Weg

suchen. Daß dieser Weg ursprünglih in vielen Beziehungen ein

anderer war, als er \{chließlich bei der Verabschiedung des Gesetzes eingeschlagen ist, nehme ih weder den Herren übel, die das pro, noch denen die das contra der einzelnen Vorschläge betont haben ; denn wie gesagt: wir alle, Reichstag und Bundesrath, be- fanden uns auf einer terra incognita, und ich würde mich garnicht gewundert haben, wenn der Erfolg der geseßgeberishen Maßregel ein solher gewesen wäre, daß man si hâtte fagen müssen : das Geseß muß von Grund aus geändert werden ! Ein folcher Erfolg ist denn aber doch nit eingetreten.

Ich gebe die Thatsache bereitwillig zu, daß in weiten Kreisen des Reichs Mißstimmung über die Auflagen, die das Gesetz der interessirten Bevölkerung auferlegt, besteht. Jn anderen Kreisen besteht aber eine folhe Mißstimmung nicht, und ih {reibe das wesentlich dem Um- stande zu, daß man sih in diesen leßteren Kreisen, soweit es sich dabei um territoriale Abschnitte handelt, dazu verstanden hat, von den Hilfsmitteln, welhe das Geseß selbst {hon an die Hand giebt, um die Unbequemlichkeiten zu vermindern, die naturgemäß mit einer folhen Auflage, wie das Geseß sie macht, verbunden sind, einen ausgiebigen Gebrauch zu machen. Jch kann, meine Herren, beispielsweise versichern, daß im Königreih Sachsen, im Großherzog- thum Baden, im Königreih Württemberg, in verschiedenen Districten der preußishen Monarchie ih will z. B. nur eine Stadt nennen, über deren Verhältnisse bezügli der Alters- und Jnvaliditätsversicherung ih genau unterrichtet bin, das ist die Stadt Hildesheim —, au) nicht die Spur einer Klage über das Markensystem besteht, und zwar eben deéhalb, weil man dort dazu übergegangen ift, von der Befugniß, welche das Gesey selbst an die Hand giebt, um das Markenkleben dem Arbeit- geber abzunehmen und den Krankenkassen, Gemeinden oder besonderen Hebestellen zu übertragen, Gebrauh zu machen.

Ich will nun freilih weiter bereitwillig zugeben, daß eine solche Ordnung, wie sie nah den §8 112 und 113 des Gesetzes zulässig ift, und die in der Hauptsache darin besteht, daß man zur Verwendung der Marken nicht den Arbeitgeber zwingt, sondern daß man dies Ge- {äft in die Hand der Krankenkassen, der Gemeinden resp. besonderen von der Versicherungsanstalt angestellten Organe legt, ih sage: ih will bereitwillig zugeben, daß man nicht überall von diesem Hilfs- mittel Gebrauch machen kann, und ich denke dabei namentli an unsere großen ländlihen Gutsbezirke, in denen es ganz glei ist, ob der Gutsherr als Arbeitgeber oder als Gutsobrigkeit klebt in beiden Fällen ist ihm die Sache unbequem. Allein, meine Herren, so oft und so eingehend ich auch erwogen habe: wie find die Mißstände, die nun cinmal von dem interessirten Theil der Bevölkerung als besonders empfindlih be- trachtet werden, zu vermeiden? fo wenig is es mir bisher ge- lungen, etwas Besseres zu finden, und die Herren Vorredner mögen es mir verzeihen auch durch ihre Ausführungen bin ih nit dar- über aufgeklärt worden, was etwa besser zu machen wäre.

Herr von Staudy hat einen etwas radicalen Vorschlag gemacht, der allerdings, wenn man ihn annimmt, dazu führt, das ganze Markensystem zu beseitigen. Herr von Staudy stellt sih auf den Standpunkt: jeder Arbeiter soll eine Rente bckommen, und wenn die Sache hierdurh vereinfacht wird, so ist es mir ganz glei, ob er auh sein Leben lang gefaulenzt hat; der Herr Abgeord- nete zieht einen fsolhen Zustand dem jeßigen Zustande, wo nur der fleißige Arbeiter nach Maßgabe der von ihm zurückgelegten Arbeitszeit mit einer Nente bedaht wird, vor, weil mit ihrem jeßigen Zustande einige Weiterungen und Schwierigkeiten verbunden sind, in denen er eine S@ererei für die

iglih Preußischen Staats-Anzeiger.

1893.

Bevölkerung erblickt. Ja, meine Herren, dann kommen wir auf ein ganz anderes Princip, als dasjenige, von dem Reichstag und Bundes- rath bei der Gestaltung dieses Geseßes ausgegangen sind. Damals und die Herren, die den Berathungen beigewohnt haben, werden mir das bezeugen war man übereinstimmend der Meinung: die Inva- lidenrente und die Altersrente, die durch dieses Geseß dem Arbeiter gewährt wird, dürfe niemals den Charakter einer Prämie auf die Faulheit annehmen, und es sei socialpolitish und moralisch von der allergrößten Wichtigkeit, daß man die Rente steigen lasse nah Maß- gabe der eigenen Leistungen des Rentenempfängers. Wollen wir diesen Grundsaß verlassen? Jch glaube kaum, daß der Reichstag si dazu entschließen würde. Denn wenn er das wollte, so müßte erx sich auh darüber klar - - werdeñ, daß die von dem Geseh beabsichtizte Sicherstellung einer Alters- und Invalidenrente nichts weiter mehr wäre, als eine öffentlihe Fürsorge für hilfs- bedürftige Arbeiter nah Art der Armenpflege, und daß wir dann das Geschäft weit bequemer haben könnten, wenn wir nah“ dem social- demokratischen Ziel einfah den Staat verpflichten, jedem Menschen bei Eintritt seiner Hilfsbedürftigkeit infolge von Invalidität nund Alter eine Rente von einer bestimmten Höhe zu geben. Daß das kolossale Summen und auch einen großen Arbeitsapparat erfordern würde, darüber kann kein Zweifel fein.

Nun hat Herr von Staudy noch cinen anderen Vorschlag. Er sagt: Wenn man nur das gegenwärtige Prämienverfahren aufgeben wollte und zu einem Umlageverfahren übergehen! Ja, meine Herren, die Marke an sih wird man, sofern man nicht gleichzeitig den zweiten soeben von mir berührten Schritt thut , dadur noch nit l52, daß man ein anderes Berechnungsverfahren für die Beiträge einshlägt, und deshalb zum Umlageverfahren übergeht. Denn bleibt man bei dem Princip des Gesetzes, nach welchem sih die Rente abstuft nach Maßgabe der Beitragsdauer, so muß man dem Arbeiter auch die Möglichkeit geben, den Nachweis zu führen, er habe während der und der Zeit in Arbeit gestanden und seine Beiträge gezahlt, mag man dabei die Beiträge nah dem einen oder dem anderen Verfaßren be- rechnen. Diesen Nachweis aber ermöglicht gerade das fogenannte Markensystem. Also das Markensystein wird man mit der Annahme des Umlageverfahrens nit los.

Nun aber die Kehrseite von dem Umlageverfahren! Ich habe hier eine Zusammenstellung vor mir, aus welcher si übershläglich er- giebt, wie sih die Belastung bei den verschiedenen Verfahrensarten für die Beitragsberehnung stellt. Das Prämienverfahren würde- dauernd gleiche Beiträge in -Höhe von jährlich rund 120 Millionen Mark bedingen; das Kapitaldeckungsverfahren nah Perioden, wie wir es jeßt haben, erfordert für die erste zehnjährige Periode durchshnitt- lich jährlih rund 90 Millionen; beim Umlageverfahren dagegen würde die Last vom ersten Jahre ab bis zum Beharrungs8- zustande im Verhältniß von 7,6 zu 158, also um niht weniger als etwa das Einundzwanzigfache des ersten Jahresbedarfs, steigen. Es ist also klar, daß man durch das Ümlageverfahren zwar die Gegenwart entlastet die würde dann weniger aufzubringen haben die Zukunft dagegen, und zwar alle Zukunft, mit einem schr erheblich höheren Betrag belastet, als nah den anderen Verfahrensarten er- forderlih ist. Dabei würden außerdem die Beiträge sehr \chnell an- wachsen und fortwährend fich ändern.

Also, meine Herren, wenn wir an eine Correctur dieser Gefet- gebung demnächst herantreten werden, so wird es sehr ernst- liher Erwägung bedürfen, od es wirklich gerathen E, die unserem Geseß zu Grunde liegenden Principien zu ändern. Wenn man aber die Grundlagen dieses Geseßes nit verlassen will, so habe ich bis jeßt und ih wiederhole es, ich beschäftige mich viel mit diesen Dingen weder in der wissenschaftlichen Literatur noch in den Petitionen auch nur einen Vorschlag entdeckt, der für die DurHführung der Grundsäße bequemere und gangbarere Wege wiese, als dies Gesetz eingeschlagen hat.

Wenn man sich nun andererseits vergegenwärtigt, daß man au unter Beibehaltung der Grundlagen des Gesetzes in vielen Beziehungen darüber sind wir heute hon klar einige Erleichterungen füc die Arbeitgeber und au für die Arbeiter einführen kann beispiels- weise will ich darauf hinweisen, daß im Falle der Einziehung der Beiträge dur Hebestellen u. |. w. hinfihtlih der Beitragsantheile der ständigen Arbeiter etwas Aehnliches vorgeschen werden könnte, wie schon jeßt hinfichtlih der Beitragéantheile unständiger Arbeiter —, so, glaube ih, wird man in der Hauptsache dazu ommen, die Principien beizubehalten und nur im einzelnen zu corrigiren.

Nun werde ih mir gestatten, noch auf einzelne Bemerkungen der beiden Herren Vorredner einzugehen, bei denen ih, wie gesagt, keine falsch¿n Vorstellungen aufrecht erhalten zu sehen wünsche.

Der Herr Abg. Aichbichler hat von einer großen Belastung der Gemeinden gesprochen, die mit dem Gesetze verbunden sei. Das ist mir nicht recht flar geworden; ih würde ihm dankbar dafür sein, wenn er mir sagte, worin diese Belastung der Ge- meinden bestcht. Jch kann zugeben, daß eine Geschäftsbelastung der Gemeindevorstände eintritt in Bezug auf die Ausstellung von Quittungskarten, auf die Controle und wähxend der jeßt im wesent- lichen überwundenen Uebergangszeit auch hinsihtlih der Ausstellung von Bescheinigungen über vorgeseßlihe Arbeitszeit; aber die Ge- meinden als solche find durch das Gese in keiner Weise belafiet.

Dann ist die Höhe der Verwaltungskosten bemängelt. Ja, i mache diesen Klagen gegenüber doch darauf aufmerksam, daß die Ver- waltungskosten nah den uns bisher vorliegenden Ucbersihten über die Jahre, welche seit dem Bestehen der Alters- und Inbaliditätsversiche- rung vergangen sind, weit hinter der Annahme zurückbleiben. von der wir beim Erlaß des Geseßes ausgegangen sind. Aus der mir vorliegenden Nachweisung ergiebt fh und id glaube, der Herr Abg. Aichbichler hat dessen au s{chon gedaht —, daß die Belastung mit Verwaltungskosten im Durchschnitt den Versicherungs- anstalten pro Kopf der Versicherten nur 40 «F oder, wenn man zu den Verwaltungskosten noch einige weitere Ausgaben rechnet, nur 49 A