1893 / 295 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 11 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

V E izr ti T T r S E

S C E T tr e E TT E

beträgt; bei Erlaß des Gesezes und bei Berechnung der in das- selbe eingestellten Beitrags\äße hatten wir dagegen eine volle Mark für die Kosten der Verwaltung in Ansatz gebracht.

Wenn ich die Verwaltungskosten in Verhältniß seße zu den Prämien in Verhältniß zu den Renten kann ih sie niht seßen, das gäbe ein ganz falsches Bild (fehr richtig !), denn die Renten sind naturgemäß in den ersten Jahren noh gering, steigen aber von Jahr zu Jahr —, stellt sich die Belastung der Anstalten durch die Verwaltungskosten auf 4,17 9% der Beiträge. Wenn ih damit wiederum in Vergleich stelle die Verwaltungskosten, welche diejenigen Privatgesellschaften, die ein einigermaßen verwandtes Gebiet pflegen, nämli die Lebens- versiherungsanstalten, im Durchschnitt erfordern, \o ist es ganz auf- fallend, wie niedrig sih diefe Aufwendung bei uns stellt gegenüber den Lebensversicherungsanstalten. /

Also, meine Herren, so sehr auch die Thatsache ausgebeutet werden kann, daß gegenüber der augenblicklihen Höhe der Renten- aufwendung die Verwaltungskosten verhältnißmäßig hoch sind, so haben wir, glaube i, do keinen Anlaß, uns im allgemeinen darüber zu beklagen, daß die Organisation eine zu theure wäre. Jch habe chon soeben daran erinnert, daß man die Ausgabe an Renten nicht in Beziehung seßen kann zu den Verwaltungskosten. Denn wir haben, obwohl wir {on 200 000 Altersrenten und annähernd 50000 Inva- lidenrenten zahlbar gemaht haben, in den ersten Jahren der Thätig- keit der Anstalten naturgemäß doch nur eine geringe Anzahl von Renten gegenüber der fpäteren Anzahl, welche vorhanden sein wird, wenn wir erst in dem Beharrungsverhältnisse uns befinden. Außerdem sind die einzelnen Renten, die gegenwärtig zu zahlen sind, auch ihrem Betrage nah verhältnißmäßig noh gering» die Höhe der Einzelrenten \teigt von Jahr zu Jahr nah Maßgabe der Länge der Arbeitsdauer und der während derselben entrichteten Beiträge. Endlich find nah den vom Reichstage in das Gesetz ein- gestellten Vorschriften in den folgenden Jahren auch Rückzahlungen an Beiträgen für \olche Personen zu gewärtigen, hinsichtlich deren die geseßlichen Voraus\eßungen vorliegen.

Es würde also fehr voreilig sein, wenn man aus der gegen- wärtigen Höhe der Kapitalreserve, deren der Herr Vorredner auch gedacht hat, den Schluß ziehen wollte, daß es zulässig sci, nun hon zu einer Ermäßigung der Prämien überzugehen. Den Eindruck haben wir freilich, daß wir sehr vorsichtig gerehnet haben, indem wir die Prämiensäße so, wie es geschehen ist, fixirt haben. Aber ih würde nicht dazu rathen können, an diesen Prämiensäßen irgend etwas zu ändern, bevor o nicht eine längere Erfahrung vorliegt und bevor sih niht mit einiger Sicherheit überbliden läßt, in welhem Maße die Nentenlast der einzelnen Ver- sicherungsanstalten steigen wird.

Der Herr Abg. Aichbichler hat sodann gemeint, die gegenwärtige Organisation sei keine günstige; es würde besser sein, wenn man die Versicherungspflichtigen nah dem Muster der Knappschaftskassen in verschiedene Gruppen zusammengefaßt hätte. Ja, meine Herren, ih glaube kaum, daß das besser scin würde. Einmal ist, wie bei jeder Versicherungs8anstalt, die Belastung für die einzelnen Versicherten um fo günstiger, je größer der Kreis von Theilnehmern ist; zweitens aber möchte ih glauben, daß auch hinsichtliß des Geschäftsumfangs ein viel ungünstigerer Zustand ih herausstellen würde, wenn man an Stelle der doch jeßt über ein großes Territorium in Preußen üker eine ganze Provinz sich verbreitenden und deshalb wenig zahlreihen Versicherungsanstalten eine große Anzahl tleinerer Verbände gemaht und denen nun das Versihherungsgeschäft überlaffen hätte. Ein Beispiel, aus dem si ergiebt, daß die Beamten- ¿ahl, von der der Herr Abg. von Staudy gesprochen hat, im Ver- hältniß zu anderen ähnliden Unternehmungen und Anstalten gar niht eine so überaus große ist, entnehme ih aus den Verhältnissen des preußishen Beamtenvereins, derjenigen deutschen Lebensversicherungs- anstalt, welhe am billigsten verwaltet ist. Dort mögen na den uns vorliegenden Berichten etwa 20 Beamte auf etwa 30 000 Policen, also auf einen Beamten annähernd 1500 Policen kommen; twenn man aber die sih aus den Berichten unserer Versicherungsanstalten ergebende Zahl der Anstaltsbcamten in Verhältniß seßt zu der Zahl der Versicherten, so kommen hier auf einen Beamten sogar 11 000 Policen. Alfo, meine Herren, au diese Klage ershüttert mih nicht. Ich glaube kaum, daß wir eine andere Organisation als die gewählte ent- deckden werden, die dazu führt, daß die Verwaltungskosten geringer werden.

Dazu überzugehen, wie es der Herr Abg. Aichbichler vorschlug, daß man nun aus dieser Zwangsversicherung eine freiwillige Ver- sicherung herftellt und daß man' die Versicherungsanstalten nur rück- {ihtlih derjenigen Versicherten weiter fungiren läßt, welche freiwillig dabei bleiben, während denen, die von ciner Versicherung nichts wissen wollen, die Hälfte ihrer Prämien erstattet wird, möchte ih ebenfalls nicht empfehlen. Das, meine Herren, wäre das Verlassen eines Grundgedankens des Gesetzes, über den da- mals, als das Geseß gemacht wurde, eigentlich alle Theilnehmer ein- verstanden waren. Man hat zwar damals den Vorschlag gemacht und mit Wärme vertreten, daß man die Versicherungspflicht vorläufig noch nicht ausdehnen möge auf alle Klassen der arbeitenden Bevölkerung, daß man si beschränkeu möge auf diejenigen Klassen, die bereits von der Unfallversicherung erfaßt worden sind; aber eine freiwillige Ver- sicherung zu conftituiren, daran hat damals niemand gedacht. Denn man sagte fih naturgemäß: dazu ist kein Bedürfniß vorhanden. Wer für die Tage seines Alters freiwillig forgen will, der hat {hon jeßt mehr als eine Gelegenheit dazu, und was wir erstreben, is ja gerade das: wir wollen den Arbeiter thunlihst der Armenpflege entziehen und ihn deshalb dazu nöthigen, für die Zeit seines Alters und seiner În- validität zu forgen. ?

So könnte ih noch einige andere Punkte besprehen; aber ich fürchte zu lang zu werden und möchte nur noch einmal betonen, daß die verbündeten Regierungen bereit find, die wirklich bestehenden und als folhe anzuerkennenden Mängel des Gesetzes zu beseitigen, daß sie auch in eine Prüfung derjenigen Bemerkungen eintreten werden, welche heute gemacht sind, und daß sie sich auch ferner die Frage vorlegen werden, die sie {hon bisher beständig beshäftigt hat, die Frage nämli, ob man wirklich ohne ein gefährliches Verlassen der Grundlagen des Gesetzes zu einem andern System übergehen kann, welches die beklagten Uebelstände beseitigt oder mildert.

Der Antrag des Herrn Abg. Aichbihler bezieht sich nun auch auf die Unfallversiherung. Da kann ih dem Herrn Abgeordneten sagen,

c Ser Entwurf desjenigen Gesetzes, welches si auf die Erweiterung «fallversiherung auf die bisher von derselben noch nicht erfaßten bezieht, die man für versicherungsbedürftig hält, vollständig

fertig vorliegt. Ein zweiter Gefseßentwurf, welher sh damit be- schäftigt, die Mängel unserer bisherigen Unfallversiherung zu be- seitigen, ist ebenfalls fertiggestellt worden. Es wird über diefe beiden Geseßentwürfe augenblicklich noch correspondirt mit einzelnen Stellen, von denen man eine Auskunft über die Auf- nahme zu haben wünsht, welhe die in diesem Geseßentwurf ent- haltenen Vorschläge finden werden. Diese Correspondenz ist noh nicht abgeschlossen. Jh hoffe aber und fürhte nicht, zu. viel zu sagen, wenn ih es aussprehe, daß alle Ausficht vorhanden ist, daß noch diesem Reichstag die beiden Geseßentwürfe werden vorgelegt werden.

Db Sie hiernach den Antrag des Herrn Abg. Aichbichler an- nehmen wollen oder den Antrag des Herrn Abg. von Staudy, habe ich anheimzustellen. Bei dem Antrag des Herrn Abg. Aichbichler habe ih aber noch ein Bedenken, welches vielleicht zu einer Aenderung desselben Anlaß geben möchte. Er erstrebt eine Enquête über das Invaliditätë- und Altersversicherung8geseß, und zwar strebt er sie an nach der Richtung, inwieweit cine Abänderung des Gesetzes, ins- besondere in Bezug auf Ausdehnung und Organisation der Ver- sicherung, erforderlih ersheine. Nun kann man eigentlich bloß That- sachen erheben. Von Thatsachen ist hier aber nicht die Rede, sondern es soll hier ein Urtheil erhoben, oder vielmehr ih alaube den Herrn Abgeordneten nicht mißverstanden zu haben vorbereitet werden; man soll in Erörterung darüber eintreten, inwieweit die Ab-

änderung der Organisation sich empfiehlt. Der Herr Abgeordnete bestätigt mir das. Was man erheben kann auf diesem Gebiet, das besißen wir bereits in reihem Maße. Wir haben die Jahresüber- sichten der Verwaltungen der Versicherungsanstalten, wir haben die Berichte des Reichs-Versicherungsamts, und ich wüßte kaum, auf welche thatsählichen Erhebungen wir weiter noch unser Augenmerk rihten follen. Jch kann mich also für diesen Antrag in forma pro- ducta nit erwärmen, wenngleich ih auch dem gegenüber verspreche, daß die verbündeten Regierungen praostanda prästiren werden, sofern es sich dabei um die Prüfung handelt, inwieweit das Gesetz abänderungsbedürftig sei. (Bravo! rechts.)

Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ministerial- Rath von Landmann: Meine Herren, der Abg. Aichbichler hat in seinen Ausführungen unter anderem die Frage aufgeworfen, warum die Verwaltungskosten der - bayerishen FInvaliditäts- und Alters- versicherungsanstalten verhältnißmäßig niedriger sind als diejenigen der übrigen Versicherungsanstalten. Die Mitglieder des Hauses, welche die Zusammenstellung der ee der Inypaliditäts- und Altersversicherungsanstalten vom Jahre 1892 in Händen haben, werden daraus entnommen haben, daß die Angabe des Abg. Aichbichler in Bezug auf die niedrigen Verwaltungskosten der bayerishen Ver- siherungsanstalten richtig ist. Diese Kosten betragen nur zwischen 17 und 25 pro Kopf, während im ganzen Reich die Dur{schnitts- kosten sich auf 40 bzw. 49 auf den Kopf der Versicherten ftellen. Ich glaube, die Erklärung dieser Thatsache gerade in der von dem Abg. Aichbihler beanstandeten Organisation der Invaliditäts- und Altersversiherung suchen zu dürfen, Die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten find fo orgauisirt, daß sie in Bayern an bestehende Einrichtungen angeschlossen werden konnten; sie sind ver- bunden mit der Organisation der Provinzialbehörden, der Kreis- regierungen. Infolge dessen sind die Verwaltungskosten in Bayern verhältnißmäßig niedriger, und diejenigen Mitglieder des hohen Hauses, welche {on damals, als das Invaliditäts- und Alters- versicherungsgeseß erlassen wurde, demselben angehörten, werden \ih erinnern, daß von einzelnen Seiten gerade darüber Klage erhoben wurde, daß bei der Gestaltung des Juvaliditäts- und Alters- versihherungsgeseßes der bayerische Einfluß ein so überwiegender gewesen sei und daß man das Geseß in Bezug auf seine Organi- sation speciell den bayerischen Wünschen angepaßt habe. Ich war des- halb, Sie werden mir das niht verübeln, etwas erstaunt darüber, daß gerade von Seiten eines bayerishen Abgeordneten über die Organisation der Anstalten Klage erhoben wurde. Noch auffallender war mir, daß der Abg. Aichbichler vorschlug , die Organisation derjenigen der Knappfchafts-Pensionskassen anzupassen. Wenn ih den Spuren dieses Vorschlages nachgehe, so komme ich auf ein anderes Centrumsmitglied, das seiner Zeit bei der Berathung des Invaliditäts- und Altersversicherungs- geseßes diesen Vorschlag, nämlich die berufsgenossenschaftlihe Organi- sation der Invaliditäts- und Altersversihherung, warm befürwortete. Der Abg. Aichbichler wird zugestehen, daß dieser Vorschlag nicht auf altbayerischem, sondern auf rheinishem Boden N und von ihm adoptirt worten ist, und wenn er sich denselben näher überlegt, wird er wahrscheinlich au zu der Ueberzeugung kommen, daß der- selbe niht zweckmäßig und nicht durchführbar ift, daß gerade hier- dur die Kosten der Versicherung bedeutend steigen würden. Indeß habe ich aus den späteren Ausführungen des Abg. Aichbichler entnommen, daß das, was er beklagt, eigentlich niht die Organisation ist, sonden daß cs die Kosten sind. Seine Vorliebe für die Knappschaftsorganisation ist eine rein platonische ; denn was er eigentli will, das ist, um es kurz zu fagen, das Ausscheiden der Landwirthschaft aus der obligatorischen Alters- und Invaliditätsversiherung. Ich aue den Abg. Aichbichler darin

anz rihtig verstanden zu haben. Nun, man konnte ja darüber S fiuilen, ob es nothwendig war, die Invaliditäts- und Altersver- sicherung auszudehnen auf die Landwirthschaft, und es hatten damals sowohl im Reichstag wie auch bei den vorhergehenden Bundesraths- verhandlungen die Meinungen darüber si ver)chieden gestaltet ; allein jeßt, nahdem die Sache durchgeführt ist, das Princip des Gesetzes wieder zu ändern, die Grundlage des Gesetzes aufzugeben, ob das zweckmäßig ist, ist do eine andere Frage. Welche Bedenken dem entgegenstehen, hat der Staatssecretär Dr. v. Boetticher bereits aus- geführt; eine Erklärung namens der bayerischen Negierung hierüber abzugeben, bin ich allerdings nit im stande; die bayerische Regierung Dao garniht in der Lage, si mit dieser principiellen Frage zu efassen.

Abg. Dr. Sigl (b. k. F): Der Staatssecretär hat auch dem Neichstag einen Theil der Vaterschaft an diesem Gefeß belassen ; er hat ferner zugegeben, daß Mängel an dem Kindlein sind. Viese Mängel sind o groß, daß der ganze Reichstag sie zu beseitigen wünschen muß. Eine Probe mit einem anderweitigen System wird wohl kaum jemand in diesem Hause wünschen, denn das Gese hat sich eben als ganz verfehlt erwiesen. Der Staatssecretär fordert uns auf, an die Zukunft zu denken; das thun wir ja gerade, wir denken auch daran, daß dieses Dees dem Volk Ausgaben auferlegen wird, daß uns dieHaare zu Berge steher werden. Der Centrumsantrag hat dem Staats- secretär nicht sonderlich gefallen ; mir gefällt er auch nit. Der Antrag ist offenbar von cinem bayerishen Abgeordneten gekommen, der ihn viel kräftiger gemeint hat. Der Abg. AÄichbichler will, daß das Gefeß in der gegenwärtigen Form fallen foll, zum allermindesten für die landwirthschaftlihe Bevölkerung aufgehoben oder doch ganz bedeutend abgeändert wird. Das wünschen in Bayern niht nur meine Wähler, fondern alle Centcumsleute überhaupt. Weder die Arbeitgeber, noch die Arbeitnehmer können si bei uns für das Gefeß im geringsten erwärmen. Wenn der Staatssecretär Dr. von Boetticher meint, man habe die Arbeiter der Armenpflege entziehen und sie nöthigen wollen, für ihr Alter selbst zu \orgen, so mag das für die Fndustriectbeitee zutreffen, bei den ländlihen Arbeitern trifft es \chwerlich zu, jedenfalls hat man nit die geringste Lust, auf diesem Wege dieses Berlangen weiter zu erfüllen. Wenn in die Reservefonds jeyt hon 150 Millionen Mark zurückgelegt sind, so wird das Geld den Ar- beitern und Arbeitgebern aus der Tasche gezogen und diese Mil- lionen thun dem Lande sehr weh; daher der Jammer und die Sorge um das Geseß, von welhem mit Recht gesagt wird, es set das verhaßteste Geseßz. Es hat einen wahren Sturm der Entrüstung

bei den leßten Wahlen hervorgerufen und war entscheidend; in allen Wakhlversammlungen wurden wir immer interpellirt: Wie steben Sie zum Wapperlgesey ? Das Geseß muß aufgehoben oder wenigsten so geändert werden, daß die Lasten fi erheblid vermindern. Die sämmtlichen Aristokraten des Centrums find verschwunden, sie sind ges fallen als Opfer des Wapperlgeseßes. Wenn das Centrum seine Sitze behaupten will, wénn es vermeiden will, daß Bauernbündlex oder gar Socialdemokraten an seine Stelle treten, so muß es für die Aufhebung dieses Gesetzes stimmen.

Abg. Gamp (Np.) klärt zunächst einige Mißverständnisse deg Vorredners in Bezug auf die Ausführungen des Staatssecretärs Dr. von Boetticher auf und weist dann bezüglih der Ausdehnung der Unfallversicherung darauf hin, daß diejenigen Betriebe, welche nicht einer \{chon bestehenden Unfallberufsgenossenshaft zugetheilt werden können, am besten era eat würden und dabei könnte man sih an die landwirthschaftlihen Berufsgenossenschaften anschließen. Bezüglich der Revision der Unfallversicherung empfiehlt Redner, die landwirthscaftlihen Nebenbetriebe den landwirthschaftlichen Berufs- genossenschaften, nicht den gewerblichen zuzutheilen. Die Verwaltungs, kosten der Versicherungsanstalten haben si niedriger gestellt , als man ursprünglih annahm ; sie betragen statt 1 A nur 40 3, fodaß, eine Steigerung dieser Ausgaben in Betracht gezogen, 5 000 000 M gegen die ursprüngliche Annahme erspart werden. Das ist ein Betrag, der bei den Steuervorlagen {hon manches Kopfzerbrechen verursacht, Die Schwierigkeiten der Invalidenversiherung find zum theil dur den Reichstag vermehrt worden, nämlich durch die Einführung der vier Lohnklassen, durch die Ersezung der Quittungsbücher durch Quittungskarten. Welche Berge von Quittungskarten sammeln sih alljäßrlih an! Sie müssen 54 Jahre lang aufbewahrt werden; da müssen wir ja noch Paläste bauen, um sie aufzubewahren. Aus diefem Wust von Karten kann man si [chließlich garnit mehr herausfinden. Quittungsbücher für 10 Jahre könnte man besser controliren, als die Quittungskarten. Was kommt es auch shließlih darauf an, ob einmal ein kleines Versehen vorgekommen is. Minima non curat praetor! Wenn die Rente nah der Beitragsleistung be- messen werden soll, dann können wir um die Marke nicht herum- kommen; aber man brauchte das Princip der Leistung und Gegen- leistung nicht bis in die äußersten Consequenzen hinein zu ver- folgen. Bei den Uebergangsbestimmungen hat man dieses Princip auch nicht fo streng festgehalten. Die jeßigen Altersrentenempfänger haben zum theil gar keine Beiträge geleistet. Bei der großen Mehrzahl der Arbeiter kann man ein dauerndes Arbeit8verhältniß vorausseßzen, nament- lih auf dem Lande; und au bei den anderen rbeitern, die nicht ständig sind, könnte man leiter die Zeit controliren, während welcher sie niht gearbeitet haben, als die Arbeitszeit. Beim Arbeit- geber könnte auch eine Vereinfachung eintreten, ähnlich wie bei der landwirthsc{aftliGen Ünfallversicherung; man wird si allerdings nicht an die Grundsteuer anschließen können, sondern cs würde eine Fest- stellung stattfinden müssen, wie viel Arbeiter ein Unternehmer durhschnittlih beschäftigt, und danach könnte fein Beitrag gleichzeitig mit der Steuer erhoben werden. Den Wechsel der Arbeiter zu controliren wird nicht überall nothwendig sein; es wird zwischen den verschiedenen Versicherungsanstalten eine Abrehnung niht mehr nothwendig sein. Manche Arbeiter werden dadurch, daß sie Quittungs- karten vorlegen müssen, direct in ihrem Arbeitsverhältniß ges{ädigt. Die Kosten der Unfallversichervng steigen ganz erheblih, und man wird bald bedenklich werden, ob dadurch unsere Industrie nicht in ihrer Concurrenz beeinträchtigt wird. Da es ih hauptsählich um Erörterungen handelt, so können wir den gestellten Anträgen zu-

« stimmen.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich bin dem Herrn Vorredner dankbar dafür, daß er den Herrn Abg. Dr. Sigl auf die Mißverständnisse aufmerksam gemacht hat, welche diefer meinen Ausführungen gegenüber kundgegeben hat. Wie diese Mißverständnisse zu erklären, das weiß ih nit; aber der Herr Abgeordnete muß do nicht richtig gehört haben, wenn er mir unterlegt, ih bätte mich meines Kindes geshämt und hätte die Vaterschaft des Gesetzes über die Alters- und Invaliditätsversicherung abgeleugnet. (Zuruf.) Das is mir niht im Traume eingefallen.

Im übrigen muß aber au ich noch den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Sigl gegenüber bemerken, daß er ih nit eine genügende Kenntniß verschafft hat von dem Geseß selber und von seiner Wirk- famkeit. Denn wenn er eine ausreihende Kenntniß gehabt hätte, dann könnte er unmöglih zu der Behauptung gekommen sein, daß insbesondere in der Landwirthschaft weder der Unternehmer noch der Arbeitgeber von dem Geseß irgend welchen Vortheil hätte. Ih bin in der glücklichen Lage, ihn auf die Verhältnisse seines engeren Vater- landes zu verweisen an der Hand des Berichts des Vorstandes der Versicherungsanstalt für Niederbayern für das Jahr 1892. Jch empfehle diefen Bericht seiner Lectüre (Heiterkeit) und kann ihm daraus vorführen, daß die Zusammenstellung der Nentenanweisungen des Jahres 1892 dahin geht, daß gerade die Landwirthschaft überwiegenden Nußen von der Alters- und JInbvaliditätsversiherung gehabt hat. Nach den aus dem Bericht ersichtlihen Zahlen sind an Angehörige der Landwirthschaft und Forstwirthschaft, Thierzuht und Fischerei im Jahre 1892 506 Altersrenten und 303 Invaliditätsrenten, zusammen 809 Renten gewährt, während sämmtliche übrigen Zweige der gewerb- lien Thätigkeit, auf welhe sich die Alters- und Invaliditätsver- sicherung bezieht, nur die Summe von 557 Renten aufweisen. (Hört, hört!)

Ich kann hiernach dem Herrn Abg. Dr. Sigl nur empfehlen, daß, wenn er wieder in seinem Wahlkreise interpellirt wird über die Wirksamkeit des Geseßes, er sich niht enthält, seine Wähler darauf hinzuweisen, daß das Geseß doch einige nüyglihe Wirkungen gehabt hat, und vielleicht gelingt es ihm dann ih will nit sagen, daß er selber ein Freund dieses Gesehes wird —, aber do seine Wähler dahin umzustimmen, daß sie mit einer objectiveren Betrachtung, als wie dies bisher gesehen zu fein s{heint, auf die Wirksamkeit dieses Gesetzes ihr Augenmerk richten.

Darauf wird um 5 Uhr die Berathung abgebrochen. Es entspinnt sih eine längere Geschäftsordnungsdebatte darüber, obdieBerathungam Montag fortgeseßt werden, was der Abg. Hitze beantragt, und ob der Antrag Benda wegen der Eisenbahnfahr- karten zur Verhandlung gestellt werden soll. Gegen den leßteren Vorschlag erklärt sich der Abg. Freiherr von Manteuffel, weil es sich hier um eine eigene Angelegenheit des Hauses handle, die man nicht vor allen anderen Jkitiativanträgen verhandeln dürfe. Der Antrag Benda wird von der Mehrheit auf dic Tagesordnung des Montags gestellt.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht der VI. Commission des Reichstags über die derselben zur Vorberathung überwiesenen Verträge mit Spanien, Rumänien und Serbten, der von dem Abg. Dr. Paasche er- stattet ist, liegt jeßt im Druck vor. Wir heben daraus die allge- meinen Gesichtspunkte hervor, welhe von Mitgliedern und von den Vertretern der verbündeten MNégierungen zur Beurtheilung heran-

getagen wurden, und die der Berichterstatter in Folgendem zu-

ammenfaßt: Die Handelspolitik des Deutschen Reichs geht seit Anfang des Jahres 1892, feit die Verträge mit Oesterreih-Ungarn, mit Jtalien,

Schweiz und Belgien abges{chlossen wurden, von dem Grund- R aus, daß es im Interesse einer stetigen gesunden Fort- entwicklung unseres Erwerbs- und Wirthschaftslebens gelegen fei, möglihsst dauernde und feststehende Zolltarife für die Einfuhr in freinden Ländern zu haben, um si die dortigen Märkte sichern und für eine längere Zeit erhalten zu können. Bis dahin war Deutschland in der glücklihen Lage gewesen, seine Handelsbeziehungen zu den wichtigsten anderen Ländern auf dem Boden der Meistbegün- tigung regeln zu können, indem es selbst völlige Freiheit hatte, seine Zölle nah Belieben herauf- oder herabzuseßen, während die mit ihm vertragschließenden Mächte zumeist an ihre Bollsägs gebunden waren,

Als diese Verträge zum größten Theil im Beginne des vorigen Jahres abliefen, benußten die meisten Staaten ihre wiedererlangte Bewegungsfreiheit dazu, durch Aufstellung autonomer Tarife und Vebergang zu dem System der Industriezölle einen Schuß der nationalen Arbeit zu f{afen, um womöglich lebensfähige Industrien, für welhe die Vorbedingungen im eigenen Lande vorhanden waren oder geschaffen werden konnten, unter der {hüßenden Einwirkung der neuen Tarife groß zu ziehen. i

Dasselbe, was Deutschland in dem vorhergehenden Jahrzehnt zu Gunsten seines heimischen Gewerbefleißes gethan hatte, versuchten nun auh unsere Mitcontrahenten, und ein_ Vorwurf konnte ihnen daraus ganz gewiß nicht gemacht werden. Sollten wir aber dur die neu errichteten hohen Zollschranken nicht von den bisher mehr oder weniger beherrshten fremden Märkten verdrängt werden, so galt es möglichst dur Zugeständnisse auf anderen Gebieten Ermäßigungen und Herab- seßungen der neuen Zollsäße zu erlangen und diese Zollsäße so weit thunlich zu binden, um die exportirenden Industrien gegen unerwartete Zollerhöhungen zu s{üßen. U

Für diejenigen Länder, deren Erzeugnisse eines milden {üdlichen Klimas unter deutsher Sonne nicht gedeihen, konnte in der Herabseßung der Zölle auf derartige Producte ein Aequivalent geboten werden ohne wesentlihe Schädigung heimathlicher Arbeit. Ebenso konnten Roh- stoffe und Halbfabrikate für unsere Industrie ohne großen Nachtheil im Zoll ermäßigt werden. Ob auch die den mit uns vertrag- s{hließenden Agrarstaaten gewährten Zollerleichterungen für die Pro- ducte der Land- und Viehwirthschaft als berechtigte Aequivalente für die auf industriellem Gebiete erlangten Vortheile gelten dürften, wurde von einem großen Theil der Commissionsmitglieder mit Nachdruck be- stritten, und zwar um so mehr, als sie der Meinung waren, daß die auf gewerblihem Gebiete erhofften Vortheile bis jeßt sich nicht ein- gestellt hätten. i :

Aber die Ermäßigung der Getreide- und V iehzölle war nun einmal unter Zustimmung der weit überwiegenden Mehrheit des Meichstags zur Thatsache geworden und felbst von einzelnen Gegnern der jeßt vorliegenden Handelsverträge als annehmbar hbe- zeihnet worden, da damals unter dem Eindruck außergewöhnlich hoher Kornpreise eine Bindung auf zwölf Jahre für vortheil-

hafter erschien, als die stets mögliche weitere Herabseßung des für die heimishe Landwirthschaft als nothwendig erachteten Schutzes.

Mit Zustimmung derselben Mehrheit des Neichstags war aber auch Spanien und Rumänien für die Dauer der Uebergangszeit die- selbe Meistbegünstigung bereits zugestanden, und wenn heute die Zollsäte, die seit 1892 auch für die Einfuhr von landwirthschaftlichen Producten in Gebrauch sind, den vertragschließenden Mächten gegen- über für weitere zehn Jahre gebunden werden sollten, fo wurde für die Beurtheilung der Wirkungen der vorgelegten Verträge von diesem Thatbestand ausgegangen und dabei weiter erwogen, daß auch P, England und seinen Colonien sowie vielen \üdamerikani- hen Staaten auf Grund der Meistbegünstigung und der nordameri- kanischen Union auf Grund besonderen Vertrages die Einfuhr ihrer Bodenerzeugnisse zu dem ermäßigten Zollsatze zustand.

Es mußte sich also bei den Untersuhungen der Commission vor allem darum handeln, festzustellen, ob die den mitcontrahirenden Staaten gewährten Zollerleihterungen nicht zum Nachtheil für das deutsche Erwerbsleben, speciell auch die deutshe Landwirthschaft, auss{chlagen würden und ob auf der anderen Seite die für unsere deutschen Aus- fuhrgewerbe gewonnenen Vortheile fo große feien, daß sie ein volles Aequivalent darstellen für die dem Auslande zukommenden Begün- stigungen. Dabei war es nach der Ansicht vieler Mitglieder weniger nothwendig, absolut niedrige Zollsäße zu erreichen, als unter Zusiche- rung der Meistbegünstigung mit allen concurrirenden Staaten die Siberbeit zu haben, für eine längere Reihe von Jahren nit mit höheren als den verabredeten Zöllen rechnen zu brauchen.

Wenn dabei Deutschland das erste Land wäre, das dauernde Verträge mit den mitcontrahirenden Mächten abslösse, so sei es, felbst wenn die von uns erlangten Zollconcessionen auch anderen meist- begünstigten Ländern gewährt würden, doh ein Vortheil für unsere Ausfuhr, daß grade von deutschen Unterhändlern und dann natur- gemäß den Ansprüchen unserer Industrie gemäß die Zolltarife ver- einbart würden.

Auf der anderen Seite war die Rumänien, Spanien und Serbien zustehende Möglichkeit, bei Ablehnung des Vertrags die erhöhten Zölle des autonomen Tarifs und sogar Kampftarife gegen Deutschland in Anwendung zu bringen und unseren Ausfuhrhandel von den mit schweren Opfern erkauften Absaßgebieten ganz oder theilweise wieder zu verdrängen und dadurch unsern heimischen Gewerbefleiß und die Kaufkraft im eigenen Lande zu schädigen, ohne der Landwirthschaft zu nügen, für viele Mitglieder aus\{laggebend für ihre Abstimmung.

Eine entscheidende finanzielle Bedeutung im Sinne einer namhaften Verkürzung unserer Zolleinnahmen fonnte nah Ansicht der Mehrheit endlich den vorliegenden Verträgen nicht zu- gelHrieben werden, denn ein weiterer Ausfall, nawentlich an andwirthschaftlihen Zöllen, könne nit in Frage ftommen. Denn hâtten wir einmal Getreidecinfuhr aus meistbegünstigten Ländern und seien diese im Stande, ohne alle Schwierigkeiten den zeit- weisen Bedarf an Brotkorn und Futtergetreide 2c. zu deten, so sei es fast selbstverständlich , daß der Handel sih nur aus den Ländern zu deden sucht, die den niedrigsten Zoll zu zahlen haben, und daß eine Getreideeinfuhr zum Verbrauch im Inlande unter Aus\{luß des Mühlenlagerverkehrs aus Ländern mit differentiellen Zöllen überhaupt nit eintreten werde. Mit dem Wegfall der Ein- fuhr höre dann aber auch jede Zollzahlung auf, und es könne deshalb von einer Verminderung der Zolleinnahmen, z. B. Rumänien gegen- über, niht gesprochen werden, wenn der Zoll auf dortiges Getreide weiter auf 3,50 f festgeseßt und nicht wieder auf 5 4. erhöht wird.

_ Diese Gesichtspunkte waren für die Mehrheit der Commission maßgebend für thre Stellung zu den vorliegenden Handelsverträgen, Und nach eingehender Erörterung der einzelnen Fragen erklärte sie sich für die Genehmigung derselben.

Seitens der Minorität wurde gegen die vorstehenden Ausfüh- lungen vielfaher Widerspruh erhoben; dieselbe verzihtete jedoch darauf, die Gründe ihres Widerspruchs in diesem Bericht zur Dar- stellung zu bringen. Wi iágu

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Statistik und Volkswirthschaft.

Auswanderung.

Aus dem Regierungsbezirk Marienwerder find in den Monaten August bis Oktober 354 Perfonen ausgewandert, von denen 273 der eutshen und 81 der polnischen Nationalität angehörten. Wie im

orjahre ist auch für das laufende Jahr die Beobachtung gemacht worden, daß eine erheblide Anzahl von früheren Auswanderern in ihre Heimath zurückgekehrt ist.

Ueber die Verunglückungen (Totalver luste) ¿ deutscher Seeschiffe in den Jahren 1891 und 1892 sind in dem Ende November dieses Jahres erschienenen 4. Hefte des Jahr angs 1893 der Vierteljahrs- este zur Statistik des Deutschen Reichs einige Zusammenstellungen veröffentlicht. Hiernach sind 1891 (die Angaben für 1892 sind noch F vollständig) 116 deutsche registrirte Seeschiffe mit 44 435 NRegister- o Nettoraumgehalt verloren gegangen, und zwar sind 57 Schiffe

infolge erlittener \{werer Beschädigungen und 7 durch Collisionen verunglückt. Dabei büßten 208 Perfonen (178 Mann Besaßung und 30 Passagiere) von 1365 an Bord gewesenen Menschen (1205 Mann Besatzung und 160 Passagieren) ihr Leben ein. Im Vergleich zum Bestand der registrirten deutshen Seeschiffe am 1. Januar 1891 beträgt der Schiffsverlust im Lause dieses Jahres 3,2 9%. Dagegen bezifferte sih der Verlust in den Jahren 1890, 1889, 1888 und 1887 auf 2,5 9/0, 3,2 9/0, 4,1 % und 4,2 09/6 des Schiffsbestandes am Jahres- anfang. Für die Schiffsbesatßzung berechnet fich das Verlustverhältniß api At in zen O L, 1890, 1889, 1888 und 1887 ein ann von _je 227, 227, , 1834 und 161 Seeleuten, welche a deutschen Seeschiffen dienten, verunglüdte. S l

A Zur Arbeiterbewegung.

In Barmen fanden am Donnerstag Versammlungen von Gasftwirthen und Flaschenbierhändlern statt, um gegen die von den Socialdemokraten über die Dierich’she Brauerei ver- bängte Sperre (vgl. Nr. 290 d. BL) Stellung zu nehmen. Wie der „Köln Ztg.“ geschrieben wird, bezeihneten die Ver- fammelten Bie Sperre einstimmig ' als eine große Ungerechtig- teit; der Wirtheverein f\prach seine Entrüstung ha die Sperre aus ; beide Versammlungen beshlossen, gegen das socialdemokratische Borgehen energish Front zu machen, und wählten Commissionen, welche die Angelegenheit zu einem befriedigenden 2bs{luß bringen follen. In der Versammlung der Wirthe und &Slaschenbierhändler wurde wiederholt der Vorschlag gemacht, als Gegen- tnaßnahme das socialistische Organ, die „Freie Presse“, in keiner Wirthschaft mehr zu halten, in der Bürgerschaft allenthalben dahin zu wirken, daß das Blatt keine Unterstüßung mehr finde, und eine mög- lichst auégedehnte Agitation gegen die Socialdemokratie im allgemeinen zu entfalten. Ein Beschluß wurde indeß in dieser Hinsicht vorläufig niht gefaßt. Der Pächter des Centralhotels erklärt die Sperre in den Zeitungen als eine völlig ungerechtfertigte und giebt bekannt, daß er jeßt von seinem ursprünglichen Borhaben, seine Näume zu Þpo- litischen Versammlungen nicht herzugeben, absche und seinen Saal für alle Parteien mit Ausnahme der focialdemokratishen zur Ver- fügung E

_ In Leipzig beschloß eine {wach besuchte Versammlung von Maurergesellen am Freitag, eine lebhafte Agitation durch Wanderversammlungen zu entwickeln, um die seit Jahren ganz und gar darniederliegende gewerkschaftliche Bewegung unter den Maurern zu heben. Sodann sprachen auch die Maurer, wie das „Chemn. Tgbl.“ berichtet, sich, gleichwie andere Gewerkschaften, gegen die Errichtung eines bon den Arbeiterbeisißern des Leipziger Gewerbegerichts beim Rathe der Stadt Leipzig beantragten städtischen Arbeitsamts aus.

Aus Solingen wird der „Dortm. Ztg." berichtet, daß die S EEIG E EEN unter den dortigen Socialdemokraten durch einen jüngst gewählten Vertrauensmann beigelegt werden follen, dessen Entscheidungen sich alle fügen müssen; der Vertrauensmann gehört der Shumacher’schen Nichtung an.

Aus Fürth schreibt man der „Frkf. Zie Dex am 26, v, M in der Lorenz Scheidig’shen Fabrik ausgebrohene Strike (vgl. Nr. 288 u. flgd. d. Bl.) wurde durch persönliche Vermittlung des Vor- L des Holzarbeiterverbandes Kloß-Stuttgart beendet, ohne daß der Werkmeister Werner, wie die Ausständigen forderten, entlassen worden h Dee größere Theil der Ausständigen arbeitet wieder.

In ZUriG) sind; wie der „Vorwärts“ mittheilt, die organisirten Buchbinderge,ilfen in eine Lohnbewegung eingetreten. Ihre Forderungen sind tägliher Minimallohn von 4 #r. und Neunstunden- tag am Sonnabend. Die Buchbindermeister antworteten in einem Schreiben, das cine Mahnung zur Genügsamkeit und Sparsamkeit enthielt. Man hofft, ohne Ausstand etwas zu erreichen, da vier Firmen bereits die ganzen Forderungen bewilligt haben.

Land- und Forstwirthschaft.

___ Die landwirthschaftliche Verlagsbuhhandlung von Paul Parey in Berlin SW, Hedemannstraße 10, hat einen Preis von dret hundert (300) Mark ausgeschrieben für die beste Beantwortung der Frage: „Welche Einrichtungen der Besißer sind geeîgnet, ländliche Arbeiter vom Zug nach der Stadt zurückzuhalten 2* Herren, welche fih an der Preisbewerbung betheiligen wollen, erfahren die näheren Bedingungen seitens der genannten Verlagshandlung.

Washington, 9. Dezember. (W. T. B.) Dem Bert des landwirthschaftlichen Bureaus zufolge beträgt der diesjährige Durchschnittspreis für Baumw olle auf den Pflanzungen 6%/100 C. pro Pfund gegen 84/10 C. im Jahre 1899. Der Durchschnittspreis für Mais ist 37 C. pro Scheffel, für Weizen 521/10, für Roggen 918/10, für Hafer 288/10, für Gerste 406/10 C. pro Scheffel, für Heu 918/100 Doll. pro Tonne, für Taba ck 78/10 pro Pfund. Der Durch- schnittsstand des Winterweizens it 915/10.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln. i Bulgarien.

Der bulgarische Gesundheitsrath hat folgende Quarantänebestim- mungen getroffen :

1) Reisende und Provenienzen aus den türkishen Häfen des Schwarzen und des Mittelländischen Meeres, sowie aus den russischen Hâfen des Schwarzen Meeres unterliegen einer ahttägigen Quarantäne. 2) Méisendé und Provenienzen aus den rumänischen Häfen des Schwarzen Meeres sind einer dreitägigen Quarantäne unterworfen.

3) Reisende und Provenienzen, welche direct aus anderen Häfen des Mittelländischen Meeres kommen, werden nach stattgehabter ärzt- licher Untersuhung und Desinfection in Bulgarien zum Verkehr zu- gelassen. (Vergl. „R.-Anz.* Nr. 280 vom 23. 11.)

__ Zufolge Beschlusses des bulgarischen Gesundheitsraths vom 28. v. M. ist das im „N.-Anz.“ Nr. 209 vom 31. August d. J. abgedruckte Ver- zeichniß der aus choleraverseuhten Orten kommenden Waaren und Gegenstände, deren Einfuhr in Bulgarien verboten ist, wie folgt ab- geändert worden :

Es sind von der Einfuhr ausgeschlossen :

1) Frische oder getrocknete Früchte aller Art mit Ausnahme von Citronen, Orangen, Cedracitronen, Granaten und anderen Früchten wie Mandeln, Wallnüssen, Haselnüssen, Pistazien o 2) Gemüse und Blumen jeder Art;

3) Vegetabilische Früchte, wie Kartoffeln, Rüben 20,

4) Brot und andere Mehlproducte;

___9) Hefe (mit Ausnahme jolcher, welche in hermetish vershlossenen

Büchsen verpackt ist);

6) Oliven- oder anderes Oel in Schläuchen;

7) Honig;

Büdlfa E Arten Conserven (außer solhen in hermetisch verschlossenen üchsen);

9) Milchproducte aller Art, wie Mil, Sahne (kaimak), frische

oder gesalzene Butter, frischer oder gefalzener Käse;

10) Schweineshmalz, Speck, Gänseshmalz und Talg;

11) frisches und zubereitetes Fleis, darunter gesalzenes und ge-

räuchertes, Würste, Schinken;

12) frische Fische;

13) Meer- und E rg und andere Krustenthiere (außer solchen

in hermetish verschlossenen Büchsen) ;

14) Schildkröten und Schnecken ;

15) Rohe, trockene oder gesalzene und Hhalbbearbeitete Felle;

16) Haare jeder Art (mit Ausnahme von Geweben aus gefärbtem

Roß- und Kameelshaar); Mähnen; Federn zu Kissen; Mrnter:

Hufen; Knochen; Schläuche; rohe, getrocknete oder gesalzene Därme;

flüssiges oder getrocknetes Blut; Tischlerleim, Gelatine und andere

klebrige Stoffe; rohe Wolle; Thierabfälle und Dung;

17) Papierabfälle, alte Leinwand, alte und gebrauhte Vaum-

wolle, Lumpen, alte Leinwandfasern, alte Neße, Stricke und andere alte

Artikel des Seilerhandwerks;

19) alte Kleidungéstüe jeder Art, welche aus Leinwand, Kautschuk,

| Wachstuch, Leder, Pelzwerk hergestellt sind, Teppiche, Möbel X,

außer wenn sie von Reisenden mitgeführt werden ; ;

20) die Verpackung von Waaren, wenn sie aus Gegenständen besteht, deren Einfuhr verboten HE

Cholera. ; Konstantin opel, 9. Dezember. Vom 3. bis 7. d. M. erkrankten nah dem Bericht des ,„W. T. B.“ in Konstantinopel an Cholera 186 Perfonen, es starben 79 Personen. In Pera kamen nur einige sporadishe Fälle vor.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Obersch(lesien. An der Ruhr sind am 9. d. M. gestellt 12 520, nicht rehtizeitig gestellt feine Wagen.

i Antwerpener Getreidehand el. Die Vorräthe an Getreide betrugen Ende November in Ant- werpen nah angestellten Shäßungen: MNoggen . E Mill. Kilogramm

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E E

Der Import nah Antwerpen auf dem Fluß- und Seewege

stellte si in dem Zeitraum von Ende Oktober bis Ende November _

Roggen auf 21 Mill. Kilogramm, davon aus Deutschland... E M Kllograinm M E Z z N E 5 Ba E z

Weizen auf 63 Mill. Kilogramm, davon aus Numänien . ‘+92 Mill. Kilogramm Vereinigte Staaten von Amerika 103/10 5 C O u da E 19/10 Canada . 5 Deutschland D E 1/10 ,

Gerfte auf 414/10 Mill. Kilogramm, davon aus R . 24/10 Mill. Kilogramm uad E ù i N j é Bua E j ¿

S É s De 1 y Dn emar? N U aser, Mais und Buchweizen auf 364 Mill. Kilo ram (darunter etwa 7 Mill. Kilogramm Mais), davon aus as Rußland e e «192 Mill. Kilogramm Vereinigte Staaten von Amerika 52 i ï Ra E Schweden Bulgarien . Deutschland Argentinien Canada . Holland . Dänemark . ;

G E L Í

Kartoffeln auf 14 Mill. Kilogramm aus Holland.

…_ Erxrvortirt wurden von Antwerpen auf dem Fluß- und Seewege in demselben Zeitraum :

Nen: Mill. Kilogramm, davon e O e ck Mill. Kilogramm Deutschland E y

Weizen 124 Mill. Kilogramm, davon nah Deutschland : ; . 94 Mill. Kilogramm Holland . . S f J C E

Gerste 44 Mill. Kilogramm, davon nach Deutschland E 23 Mill. Kilogramm E I i

Hafer, Mais und Buhweizen 85/10 Mill. Kilogramtn,

davon nach #/10 Mill. Kilogramm

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Deutschland L V /10 , f v S 1/10 , iy

Kartoffeln 4/10 Mill. Kilogr., davon nah

England E 2/10 Mill. Kilogramm

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Vereinigte Staaten von Amerika

Brasilien N |

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Türkei S Anmerkung. In obigen Angaben für den Im- und Export

O x

“find die auf der Eisenbahn beförderten Getreidemengen nit ein-

begriffen, „wobei zu bemerken ist, daß leßtere, insbesondere für den Export, nicht unbeträchtlih sind.

Berlin, 9. Dezember. (Wochenbericht für Stärke, Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Mar Sabersky.} Ia. Kartoffelmehl 154—154 M, Ia. Kartoffelstärke 15{—152 M, ITa. Kartoffelstärke und - Mehl 121—14 4, feuhte Kartoffelstärke Fratparität Berlin 7,50 4, Frankfurter Syrupfabriken zahlen nah Werkmeister's Bericht fr. Fabrik 7,00 (4, gelber Syrup 164—17 M, Cap.-Syrup 17}—18 4, Cap.-Export 181—19 c, Kartoffelzucker gelber 163—17 M, do. Cap. 18—184 A, Rum-Couleur 33—34 M, Bier-Couleur 32—34 6, Dextrin gelb und weiß, Ta. 223—233 4, do. secunnda 20—21 Æ, Weizenstärke (fleinst.) 29—30 #, Weizenstärke ( großst.) 36—37 ÆM, Halleshe und Schlesische 37—38 M4, MReisstärke (Strahlen) 48—49 M, do. (Stüen) 46—47 M, Maisstärke 33—34 #, Schabestärke 30—31 M, Victoria-Erbsen 20—23 #4, Kogherbsen 17—21 M grüne Erbsen 18—2l A, Futtererbsen 141—151 M, inländishe weiße Bohnen 16—18 #4, weiße Flahbohnen 20—-21 4, ungarische neue Bohnen 14—15 #, galizishe und russishe Bohnen 13—14 , große neue Linsen 34—40 , mittel Linsen 24—34 M, kleine Linsen 18—24 A, Mohn, blauèr 44—50 M, do. weißer 90—100 A, Hirse, weiße 20—22 M, gelber Senf 30—36 46, Hanfkörner 18 bis 20 4, Buchweizen 15—16 #, Wicken 15—17 M, Pferdebohnen 15—16 M, Kümmel 60—70 f, Leinsaat 23—% 4, Mais loco 12 bis 125 Æ, Leinkuchen 16—17 A, Rapskuchen 14—154 4, Roggenkleie I— 9 M, Weizenkleie 9—97 4, pa. helle getrockn. Biertreber 28 bis 30% 11}—12 Æ, pa. getrccknete Mais-Roggenshlempe 30—32 % 13{—14 #4, pa. Maisfchlempe ca. 400% 14—147 A (Alles per 100 kg ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 kg.)

_ Vom oberschlesischen Eisen- und Metallmarkt be- richtet die „Schles. Ztg.": In der leßten Woche hat der Beschäfti- gungsgrad der Werke cher ab- als zugenommen. Troß der Vereini- gung der \{lesishen und der mitteldeutshen Gruppen zum Schlesisch- Mitteldeutschen Verbande, zu welchem seit kurzem au das neue, der Firma S. Huldschinski u. Söhne gehörige G eiwißer Eisenwalzwerk_ gehört, macht sich statt einer Erhöhung eine Erniedrigung der Walzeisen- preife geltend, ohne daß bei diesen gedrückten Preisen eine Belebung der Marktfrage eintritt. Diefer Zustand kann nur in einer übermäßigen Zurülk- haltung der Großhändler, die an ein weiteres Sinken. der Preife zu

18) gebrauhte Säcke (außer solchen, welhe für den Getreide-

gestrandet, 21 gesunken, 14 vershollen, 2 verbrannt, 2 gekentert, 13

transport bestimmt sind);

glauben scheinen, liegen. Die Preise sind aber {hon derartig niedrig, daß ein weiteres Herabgehen wegen der Gestehungskosten undenkbax