1893 / 308 p. 24 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

strecken müsse, um die Ernteergebnisse der vers{hiedenen Jahre zum Ausgleich bringen zu können, der Terminhandel in Werthpapieren fich im allgemeinen längstens auf einen Monat binaus ausdehne und cine weitere Ausdehnung nur an einzelnen Börsen in Bezug auf den Terminhandel in ausländishen Valuten Platz greife.

Hiermit solle jedoch keineswegs ausgesprohen werden, daß dem Terminhandel in Werthpapieren cine volk8wirthschaftlilße Bedeutung überhaupt nicht zukäme. Diese Bedeutung sei aber lediglih in der Erleichterung der Ausgleichung internationaler Zahlungsverbindlich- keiten zu suchen. Es sei zuzugeben, daß, wenn große Zahlungen zwischen verschiedenen Ländern zum Ausgleich zu bringen seien, dieser durch einen Zeithandel in Werthpapieren erheblih erleichtert und be- günstigt würde, weil sih naturgemäß der Kreis der Käufer und Ver- käufer erweitere, wenn die Lieferung und die Abnahme der Werth- papiere nicht sofort zu erfolgen brauche, fondern sich auf einen längeren Zeitraum erstrecke. Zum Ausgleich internationaler Zahlungs- verbindlichkeiten könnten aber nur folche Werthpapiere benußt werden, welche nicht bloß im Inlande, sondern auch im Auslande einen Terminmarkt hätten. Es fei deshalb gerechtfertigt und genüge den Bedürfnissen dieser Art des Verkehrs völlig, wenn der Terminhandel auf solche Werthpapiere beschränkt würde, welche zur Ausgleichung internationaler Zahlungsverbindlichkeiten geeignet und demgemäß nicht bloß an inländischen, fondern auh an ausländishen Börsen auf Zeit gehandelt würden.1)

Ebenso sei, so lange es noch Staaten mit s{wankender Valuta gäbe, der Terminhandel in ausländishen Valuten cin Bedürfniß des Verkehrs. Für den inländischen Fabrikanten, der feine Waaren z. B. nah Rußland mit mehrmonatlihem Credit veräußere, fei es ent- schieden von Werth, sih gegen die Schwankungen, welche innerhalb dieser Monate in dem Werthe der ausländischen Valuta eintreten könnten, versichern zu können. Der Fabrikant folle und wolle nicht auf folche Cursshwankungen fremder Valuten speculiren; seinen Inter- esen entsprähe es daher, wenn die Gefahren dieser Schwankungen ihm abgenommen würden. Das Gleiche fei bei denjenigen Kaufleuten und tudustrielen Unternehmungen der Fall, die aus Ländern mit unterwerthiger Valuta Nobproducte oder Waaren bezögen. Auch für diese sei es ein großer Vortheil und mache ihr Geschäft zu einem folideren und weniger riskanten, wenn ihnen durch den Terminhandel die Möglichkeit gegeben wäre, sich gegen erheblihe Werthschwankungen der Valuten versichern zu können.2) :

Auf diese Fälle beschränke sh aber auch das nothwendige und berechtigte Termingeschäft in Werthpapieren; im übrigen diene diese Geschäftsform ganz überwiegend Spiel- und Speculationszwecken, und läge mithin für dieselbe, von den hervorgehobenen Ausnahmen ab- gelehen, fein Bedürfniß vor. Diese Spielgeschäfte seien für das

rivatpublikum in hohem Maße verhängnißvoll und jährlich würden zahlreiche Existenzen durch die Betheiligung an denselben vernichtet.

Besonders nachtheilig sei der Terminhandel in Actien industrieller Unternehmungen; die stetigen Schwankungen, welche der Terminhandel hervorrufe und begünstige, örten ihre ruhige Entwikelung. Sie übten zudem vielfah einen ungünstigen Einfluß auf das Verhältniß der Arbeiter zu den Arbeitgebern aus, indem vorübergehende Curs- steigerungen ohne berechtigten Grund für die Forderuna höherer Löhne geltend gemacht würden. Auch sei es nicht ausges{lossen, daß, wenn die Leiter derartiger Unternehmungen sich in erheblihem Umfange an den Termingeschäften betheiligen, sie bei den Geschäften, welche fie für die Unternehmungen abschließen, nicht die Interesszn der Actionäre, fondern ihre Speculationsinteressen berücksichtigten.) Aus diesen Gründen wurde von einer Seite das allgemeine Verbot des Termin- handels in dividendentragenden Werthpapieren für nothwendig erachtet ind ein dementsprehender Antrag gestellt. |

Diesen Ausführungen gegenüber wurde von anderer Seite vor allem auf die Nothwendigkeit hingewiesen, den Begriff der Speculation flar zu stellen. Unter Speculation fei diejenige geistige Thätigkeit zu verstehen, welche aus der Erfahrung der Vergangenhei und aus der Beobachtung der Gegenwart einen Schluß auf die Zukunft zöge und auf Grund eines solchen Schlusses eine wirthschaftliche Handlung vor- nähme, in der Absicht, dur dieselbe einen Vermögensvortheil zu er- langen. Niemand habe natürlih die Gewähr, daß er richtig inder Vergangenheit gelesen, rihtig die Gegenwart beurtheilt und richtige Schlüsse für die Zukunft gemacht habe, zumal die wirthschaftlichen Verhältnisse sich stetig neu und abweihend von dem Gange früherer Entwickelungen gestalteten. Die auf dieser Geistesthätigkeit beruhenden wirthschaftlichen Handlungen seien deshalb in threm Grfolge unsicher und zweifelhast; träte aber der Erfolg ein, fo sei der Handelnde ge- neigt und in einem gewissen Maße auch berehtigt, denselben als die Frucht des Nachdenkens, der Erfahrung und der richtigen Beurtheilung der thatsächlihen Verhältnisse, also mit einem Wort der geistigen Thätigkeit anzusehen. Diese Unsicherheit des Erfolgs bestehe nicht bloß bei der wirthshaftlichen Thätigkeit des Kaufmanns, fondern über- haupt bei jeder auf die Erlangung von Vortheilen gerichteten wirth- schaftlichen Handlung. Auch die Anlage von Kapitalien auf sicherste Hypotheken beruhe auf einer Geistesthätigkeit, die aus der Vergangen- heit und Gegenwart Schlüsse auf die Zukunft ziehe; der Erfolg fei au hier ein nit absolut sicherer, wenngleich fich die Chancen des Verlustes in engeren Grenzen hielten. Demgemäß liege auch hie eine „Speculation“ vor, die sih von der des Kaufmanns, der Termin- geschäfte mache, niht principiell unterscheide. Verschieden aber von dieser berechtigten Speculation sei das Streben nach Gewinn ohne jedes Nachdenken, ohne jede Berechnung, ohne jede geistige Thätig- keit: bei leßterem handele es sich um Spiel und Wette, bei denen vesentlih dér Zufall entscheide, ob ein Erfolg oder cin Mißerfolg eintrete. : :

Veenn auch die Nothwendigkeit des Terminhandels in Werth- vavieren nicht aus denselben Gründen hergeleitet werden könne, wie die Nothwendigkeit des Terminhandels in Waaren, fo könne doch hieraus keineswegs ein Argument gegen die Nothwendigkeit und Berechtigung des Terminhandels in Werthpapieren überhaupt entnommen werden. Es beweise dieses nur, daß die Vortheile des leßteren auf anderem Gebiete lägen. Diese Bortheile bewegten sich aber keineswegs in den dargelegten engen Grenzen. Auch der Terminhandel in solchen Werth- papieren, welche nicht zur Ausgleihung internationaler Zahlungs- verbindlichkeiten benußt werden könnten, und welche fich nicht auf aus- ländishe Valuten bezögen, biete dem allgemeinen Verkehr wesentliche Vortheile. Zunächst sichere der Terminhandel ganz allgemein eine gleihmäßigere Preisbewegung der Werthpapiere und bewahre vor großen Preiss{chwankungen. Es käme bei Werthpapieren, die nicht auf Termin gehandelt würden, sehr häufig vor, daß ein plößlich hervor- getretenes großes Angebot den Preis um 20, 30 Procent und mehr herabdrücke. Derartige Preisfluctuationen seien bei den auf Termin 7 Iten Wertbvapiere 8geshlosse eil die Möglichkeit, das gehandelten Werthpapieren ausgeschlossen, well Möglichkeit, erworbene Werthpapier sofort wieder auf Termin verkaufen zu können, in derartigen Fällen sofort erhebliche Nachfrage hervorrufe und damit einen beträchtlichen Curêrückgang hindere. Ebenso würden erhebliche Curssteigerungen infolge ciner ganz vorübergehenden Nachfrage un- mögli gemacht, weil der Terminhandel einen sehr viel größeren Markt schaffe, und auch denjenigen die Möglichkeit biete, als Ber- käufer aufzutreten, welche sih thres Besißzes nicht dauernd entäußern wollten. Leutere würden bei ciner erheblihen Curssteigerung sich in der Lage befinden, die in ihrem Besiß befindlichen Werthpapiere zu verkaufen und auf einen späteren Termin wieder zu erwerben.)

Als wesentlicher Vortheil des Terminhandels müsse ferner hervor- gehoben werden, daß derselbe eine rihtigere Bewerthung DeL, Des treffenden Werthpapiere herbeiführe, als folhes ohne Terminhandel der Fall sei. Dadurch, daß Hunderte von Personen sich an den Terminspeculationen in Werthpapieren betheiligten, würde eine fehr viel größere Gewähr dafür geboten, daß der Cursftand dem wahren

. 1070, 1163 ff, 1360, 1932 ff.

Tf, 407 1161 f, L S. 990 ff,, 1161, 1466, bes. 1998 ff. 1930 ff., S. 91ff., 432 ffff., 445, 661, 893, 1159, 1367;

1) Stenogr. Ber.

2) Stenogr. Ber.

3) Stenogr. Ber.

4) Stenogr. Ber. 17891. u. q.

Werthe der betreffenden Werthpapiere entspräche, als beim Kassahandel in solchen Werthpapieren mit bes{chränktem Umsatz, bei denen die Curje, weil überhaupt nennenswerthe Umsäße nit stattfänden, häufig völlig imaginär wären und durch ein vereinzeltes starkes Angebot oder durch vereinzelte verstärkte Nachfrage um viele Procente in die Höhe getrieben oder herabgedrückt würden. Dies sei insbesondere auch bei vielen industriellen Unternehmungen der Fall. Wenn alle diejenigen, die ein Interesse an Unternehmungen bestimmter Art, z. B. an Kohlenbergwerken, hätten, dieses Interesse durch Terminkäufe und -Verkäufe bekundeten, fo fei eine größere Gewähr dafür geboten, daß unter Mitwirkung dieser großen Zahl von Interessenten und sah- verständigen Elementen die Preisentwickelung eine richtigere und zuverlässigere sein würde.

Ein fernerer Vortheil des Terminhandels in Werthpapieren liege in der durch ihn gebotenen Möglichkeit, Kapitalien, die erst später fällig würden, schon früher zu vorher feststehenden angemessenen Cursen anzulegen, oder sich die erst spätec benöthigten Kapitalien zur Zeit ihres Bedarfs zu verschaffen. Es sei für denjenigen, der in einem Monat die Nückzahlung eines Kapitals erwarte, von Werth, diefes Kapital {on vorher anlegen und sich denjenigen Zeitpunkt für diese Anlegung ausfuchen zu können , der ihm der geeignete schiene. Dieser Vortheil des Terminhandels erleihtere namentlich das Gmissions- geschäft erheblih, indem dadurch den Emissionshäusern die Möglichkeit geboten würde, ihre großen Bestände an zur Emission gelangenden Werthpapieren allmählich, und ohne die Curse zu drücken, zu ver- äußern. 1) :

Endlich sei der Terminhandel in Werthpapieren die Grundlage des Neportgeshäfts, welhes in der Uebertragung der Lieferungs- verpflichtung von dem nächsten auf einen späteren Termin bestehe. Dieses Reportgeschäft biete die Möglichkeit, auf kürzere Zeiten ver- fügbare Gelder vorübergehend zinsbar anzulegen, und führe eine Ausgleichung der Zinssäße zwischen inländishen und ausländischen Börsen herbei. Denn das MReportgeshäft in Verbindung mit der Arbitrage sorge dafür, daß die Gelder von denjenigen Orten, an denen sie versügbar seien und demgemäß garniht oder nur gegen geringe Zinfen Verwerthung finden könnten, nah folchen Pläßen gebracht würden, an denen das Geldbedürfniß ein größeres nnd dringenderes sei. Diese ausgleihhende Wirkung des Neportgeshäfts fei aber nicht bloß ein Vortheil für die Börse, sondern auch für die Allgemeinheit, indem sie Geldkrisen verhindere oder wenigstens abschwäche, die bei dem Zusammenhange, in dem alle Geldmärkte und Börsenpläße mit einander ständen, sih selten auf einzelne Orte beschränkten, }ondern fast {stets einen allgemeineren Charakter annähmen.?)

__ Die Berechtigung der Beschwerde, daß der Terminhandel in Actien gewerblicher Ünternehmungen die günstige Entwickelung der- selben hindere und das Verhältniß zwishen Arbeitern und Arbeit- gebern fstöre und trübe, fei in keiner Weise dargethan. Wenn be- hauptet würde, daß in einzelnen Fällen erhöhte Lohnforderungen mit der Steigerung der Actiencurse begründet seien, so hänge dieses nicht mit dem Terminhandel zusammen, sondern könne eben fo fehr auch bei den lediglich per Kassa gehandelten Papieren vorkommen; es fet dies eine Wirkung der öffentlichen Cursnotiz, vermöge welcher Jeder- mann erkennen Tönne, welhe Meinung an dem allgemeinen Markt über den Werth der betreffenden Papiere und die voraussichtlih zu erwartende Dividende bestehe. Die Meinung vieler Arbeiter, daß ihnen bei erhöhten Erträgnissen gewerbliher Unternehmungen ein größerer Antheil am Gewinn anbe auch wenn diese Steigerung niht in der Arbeitsleistung der Arbeiter ihre Ursache fände, hänge niht mit dem Betriebe der Börse zusammen; vielmehr würde diefe Meinung auch Werken gegenüber ausgedrückt, die sh niht im Besi von Actiengefellshaften befänden. i

Gegen die Schädigung gewerblicher Unternehmungen durh Specu- lationsgeshäfte ihrer Leiter set bereits die Novelle zum Actiengeseßz eingeschritten, indem sie den betreffenden Gesellschaften das Recht ge- währt habe, den aus diesen Geschäften erlangten Vortheil für ch in Anspruch zu nehmen.?)

Es wurde fast allseitig anerkannt, daß dur den Terminhandel der Markt in Werthpapieren eine beträchtlihe Ausdehnung erfährt, und daß dieser Umstand sowie die Möglichkeit, die gekauften oder ver- kauften Werthpapiere sofort wieder auf Termin verkaufen oder kaufen zu können, wohl geeignet ist, erheblihe Curs\{hwankungen, wie sie bei nur per Kassa gehandelten Werthpapieren im Falle dringenden un- limitirten Angebots und dringender unlimitirter Nachfrage nicht selten vorkominen, zu vechindern und eine gleichmäßigere Cursbewegung herbeizuführen.

Dagegen wurden die anderen für diesen Terminhandel hervor- gehobenen Vortheile von mehreren Seiten in Zweifel gezogen. Fns- besondere wurde darauf hingewiesen, daß die Zahl derjenigen Personen, welche Terminspeculationen in Werthpapieren machten, ohne irgend

welche Kenntniß von der Lage des betreffenden Unternehmens und des jenigen Gewerbezweiges, welchem dieses Unternehmen angehörte, zu besißen, unendlich größer sei, als die Zahl derjenigen, die ein sach- gemäßes Urtheil über diese Verhältnisse hätten. Als nothwendige Folge ergäbe sih demgemäß hieraus, daß der Einfluß der großen Masse der ohne Sach- und Fachkenntniß speculirenden Personen auf die Preisentwickelung unter Umständen größer sein könne, als der der verhältnißmäßig geringen Anzahl Sachverständiger. Es würde also nicht nur keine zuverlässigere und richtigere Preisbewegung durch den Terminhandel herbeigeführt, sondern im Gegentheil diese Preis- bewegung abhängig gemaht von den Meinungen und Stimmungen folhèr Personen, die kein sachverständiges Urtheil über die den Werth der Werthpapiere bestimmenden Verhältnisse hätten, oder welche die Werthpapiere ohne Nücksiht auf deren wahren Werth nur kauften und verkauften, um von der Cursdifferenz Vortheil zu ziehen.

Die allgemeinen Ausführungen über den Begriff „Speculation“ seien durchaus berechtigt und zutreffend. Gerade aber das börsen- inäßige Terming:\chäft führe vielfah zu Geschäften, die nicht die Frucht des Nachdenkens, der Erfahrung und der richtigen Beurtheilung der thatsächlichen Verhältnisse wären und die gleihwohl in Börfen- freisen als berechtigt angesehen würden. Wenn jemand z. B. auf 12 Monate Kaffee oder im März Hafer per Herbst kaufe oder ver- kaufe, also auf das Ergebniß der zukünftigen Ernte zu einer Zeit speculire, in der jede Berechnung über dieses Ergebniß absolut aus- geschlossen sei, fo hätten diese Geschäfte zweifellos mehr den Charakter der Wette, als den der Speculation im Sinne der gemachten Dar- legungen.

__ Aber auch abgesehen von diesen Fällen, widersprähe es doch den thatsächlihen Verhältnissen, die große Masse der namentlich von dem Privatpublikum abgeschlossenen Termingeschäfte in Werthpapieren als auf Berehnung und Erfahrung beruhend, und den sih aus diesen Ge- schäften ergebenden Gewinn als die berechtigte Entschädigung für ernste Geistesarbeit anzusehen. Der Beamte und der Offizier, der Landwirth und der Handwerker, ja auh selbst die meisten Kaufleute, die nicht dem Banquiergewerbe angehörten oder dieses thatsächlich betrieben, er- höben wohl selbst niht den Anspruch, wenn sie heute“ diese und morgen jene Werthpapiere kauften und verkauften, wenn fie in dem gleichen Werthpapier bald à la baiss0 und bald à la hausse speculirten, aus der Erfahrung der Vergangenheit und der Beobachtung der Gegen- wart Schlüsse auf die Zukunft gezogen zu haben, und wenn die Sveculation glücklich ausgefallen sei, den Gewinn als Entgelt für ihre Geistesarbeit zu verdienen. Die Geisteösthätigkeit, die meistens bei folhen Speculationen in Werthpapieren aufgewendet werde, sei doch sehr verschieden von der, die der Kaufmann, der Fabrikant anwende, wenn es sich für ihn darum handele, preisangemessen feine Rohproducte einzukaufen oder seine Waaren zu verkaufen. Hinge es von diesen Geschäften oft ab, ob die mühevolle Arbeit überhaupt eine Entschädigung erhielte, so müsse man allerdings zugeben, daß diese Speculations-

1) Stenogr. Ber. S. 77, 78, 989, 1579.

2) Stenogr. Ber. S. 436 ff., 1068.

9) Slèenoar, Det, S. (1, (8, 10707, Loro L089, 1927, 1939 N, 1948,

1081 f.

geschäfte in der That auf einer ernsten und anftrengenden Geistesarbeit beruhten.

Uebrigens würde doch niemand behaupten wollen, daß alle die, jenigen berufsmäßigen Händler, welche Waaren oder Werthpapiere auf Termin kauften, dieses thäten, weil sie auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen den gegenwärtigen Preis als dem wahren Werthe nicht entsprehend ansähen und demgemäß eine Preisfteigerung erwarteten, oder daß bei allen, die auf Termin verkauften, die entgegengeseßten Erwägungen Plaß griffen. Wie oft komme es nicht vor, daß jemand kaufe, obwohl er überzeugt sei, daß der Curs bereits den Werth über- fteige, lediglih in der Hoffnung, daß die an der Börse erzeugte und von ihr auf das Publikum übertragene Grregung, den Curs noch weiter steigern und er dann Gelegenheit haben werde, die erworbenen Werth- papiere zu theureren Preisen wieder zu veräußern. In allen diesen Fällen würde die PreiéL-wenung durch die Eingriffe des Terminhandels gewiß nicht in rihtig- Bahnen gelenkt; im Gegentheil verursachten dieselven stetige Curs[hwankungen, wie aus den graphishen Dar- stellungen der auf Termin gehandelten Werthpapiere hervorgehe, und seicn somit eine Quelle dauernder Beunruhigung für das nicht \pecu- lirende Publikum.

Weiter wurde hervorgehoben, wie sich allerdings theoretisch der Fall conftruiren ließe, daß jemand, der erst in späterer Zeit ein Kapital erhielte, einen Vortheil darin fände, die von ihm gewünschten Werth- papiere {on vorher auf Zeit zu erwerben, oder daß jemand, der zu einem späteren Termin Geld brauche, die in seinem Besiß befindlichen Werthpapiere auf Zeit veräußere. Diese Fälle kämen jedoch in der Praris sehr selten vor, zumal die Werthpapiere nur in ganz bestimmten hohen Beträgen, welche die Geldmittel der kleineren Kapitalisten erheblich überstiegen, und auf ganz bestimmte Termine gehandelt würden ; bei der Entscheidung der Frage, ob und in welhem Umfange das Termingeshäft in Werthpapieren einem berechtigten Bedürfniß entspräche, könne deshalb auf diese wenigen Fälle niht wohl Rücksicht genommen werden. Außerdem würde auch in diesen Ausnahmefällen der Nachtheil, der für den Einzelnen aus dem Nichtvorhandensein des Terminhandels möglicherweise entstehen könnte, nur ein fehr geringer sein. Denn der Preis eines Werthpapiers könne per nächsten Monat, im Vergleich mit dem Kassapreis, niht wesentlih höher oder geringer sein, als für das Kapital an Zinsen oder für das Werthpapier an Leihgebühr für diese verhältnißmäßig geringe Zeit gezahlt werden müßte. Das Allerbedenklichste aber sei die Möglichkeit, im Wege des Termingeschäfts im voraus verkaufen zu können, um erft später billiger einzukaufen, oder richtiger, zurückzukaufen. :

Dagegen wurde von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, daß eine Unterdrückung des Terminhandels in Werthpapieren {hon deshalb eine wesentlihe Verringerung der Spiel- und Speculations8geschäfte niht zur Folge haben würde, weil es sehr leicht sei, diese Speculationen auch in der Form der Kassageschäfte zu machen. Bewiesen schon die Erfahrungen an den amerikanishen Börsen, befonders der New-Yorker, an welcher man das Termingeschäft in Werthpapieren nicht kenne, und an denen die Spielgeschäfte eine sehr viel größere Ausdehnung hätten, als an den deutshen Börsen, daß eine Einschränkung dieser Art der Geschäfte von einer Beseitigung des Termingeschäfts nicht er- hofft werden dürfe, so biete es in der That keine großen Schwierig- keiten, die Speculationsgeshäfte der Form des Termingeschäfts zu ent- kleiden und in der Form des Kassageshäfts zu mahen. Man würde dann dazu übergehen, die vorhandenen Stücke demjenigen, der als Verkäufer \peculiren wolle, gegen ein bestimmtes Leihgeld leihweise zu überlassen und auf diese Weise könnten die vorhandenen Werthpapiere hinter einander zu einer großen Anzahl von Kassageschäften benußt werden.1)) Demgegenüber ‘wurde hervorgehoben, daß die Verhältnisse an der New-Yorker Börse nicht wohl zum Beweise dafür angeführt werden könnten, daß bei einem Verbot der Termingeshäfte die Speculations- und Spielgeschäfte an den deutschen Börsen keine sehr erheblihe Einschränkung erfahren würden. An der New - Yorker Börse sei jeder, sowohl der Käufer, wie der Verkäufer auch bei Kassa- geshäften auf Verlangen des Mitcontrahenten verpflichtet, dem anderen Contrahenten volle Sicherheit für die Erfüllung des Geschäfts zu ge- währen. Infolge dessen könnte dort allerdings durch Prolongationen und das Verleihen der Stücke den Speculationen in der Form der Kassageschäfte eine viel größere Ausdehnung gegeben werden, als es beim reinen Kassageshäft ohne solches Verleihen möglich sei, bei dem die Zahl der vorhandenen Stücke die äußerste Grenze der abzu- schließenden Speculationsgeshäfte bilde. In Deutschland seien aber die Speculationen mit voller Deckung des Gegencontrahenten fehr selten und jedenfalls für das Privatpublikum kaum fehr gefährlich. Die meisten Geschäfte würden abgeschlossen mit einer verhältnißmäßig geringen Einlage, die dem Commissionär als Sicherheit diene; die hauptsächlihste Sicherheit für den Commissionär seien aber die von ihm erworbenen Werthpapiere, die er bis zu seiner vollen Befriedì gung in Pfandbesiß behalte. Es sei deshalb nicht anzunchmen, daß er diese Werthpapiere dur Verleihen an andere Speculanten aus der Hand zu geben und sih dadur der Hauptsicherheit zu entäußern geneigt sein würde. Außerdem aber würden \sich diese Möglichkeiten einer unreellen Geschäftsgebahrung durch ein rationelles Depotgeseßz sehr wesentli beseitigen und damit au die Auswüchse einer über mäßigen Agiotage stark beshneiden lassen.2) S

Hiermit solle keineswegs behauptet werden, daß bei einem Verbot des Termingeshäfts in Werthpapieren die Börse niht Mittel und Wege finden würde, dieses Verbot zum theil zu umgehen und das Geschäft in Formen zu kleiden, die es äußerlich als Kassageshäft er- {einen ließen, obwohl es seinem inneren Wesen nah do ein Termin- geschäft verblieben sei. Nicht wohl in Abrede würde aber gestellt werden können, daß dur eine Beschränkung des Termingeschäfts in Werthpapieren aud) das Spiel- und Seculations8ges{häft, namentlich des Privatpublikums, eine erheblihe Erschwerung und Einschränkung erfahren würde, und dies sei immerhin gegenüber dem jeßigen Zustand eine wesentliche Verbesserung. A

Der börfenmäßige Terminhandel in Waaren hat si entwidelt, scitdein das Bedürfniß empfunden wurde, allgemein gültige Bedingungen in Bezug auf die Qualität der zu liefernden Waare, dei Erfüllungsort, die Prüfung und Abnahme u. \. w. zu vereinbaren, welche für alle Geschäfte dieser Art maßgebend sein follen.?)

In der Commission bestand Meinungsverschiedenheit darüber, ob nicht die Entwickelung, welhe das Börsentermingeshäft in Waaren genommen habe, mit überwiegenden Nachtheilen sür die allgemeinen Interessen verbunden sei. Von der einen Seite wurde dieses Termin- geschäft als die vollkommenste Stufe des Handelsverkehrs bezeichnet und zum Beweise dafür auf die Thatsache hingewiesen, daß namenk- sli der internationale Geschäftsverkehr, soweit es die Natur der Waaren gestatte, sih immer mehr dieser Form bediene und immer neue Waaren in den Terminhandel hineinzuziehen *verfuche. Selbst- verständlich seien niht alle Waaren gecignet, auf Termin gehandelt zu werden. Die nothwendige Vorausseßung sei vielmehr die Vöôg- lichkeit einer einheitlichen Feststellung der Qualität der zu liefernden Waare, die im großen und ganzen als geeignete Grundlage für alle abzuschließenden Termingeschäfte dienen könne. Wo diese Voraus}eßung vorliege, set der Terminhandel berehtigt und befriedige ein hervor- ragendes allgemeines Bedürfniß. Dieses Bedürfniß {liege namentlid) vor bei allen Waaren, die nur einmal im Jahre geerntet würden, und bet denen es also darauf ankäme, die erzeugten Quantitäten derark nah Ort und Zeit zu vertheilen, daß nirgend ein fühlbarer Mangel, nirgend ein s{ädliher Ueberfluß vorhanden wäre. Diese Function der Vertheilung erfülle der Terminhandel in der denkbar vollendetsten Weise. Sei im Weltverkehc ein erheblicher Ueberfluß an solchen Waaren vorhanden, so forge der Terminhandel für eine erhebliche Preisermäßigung und führe dadurch zu einer Steigerung der Confumtion. Sei umgekehrt ein Mangel fühlbar und bestehe die Befürchtung, daß

1) Stenogr. Ber. S. 419 ff., 444 ff., 448, 812, 825, 1072, 1154 1. 1160, 1362 ff., 1566 ff., 1609, 1932, 1934, 1947.

2) Stenogr. Ber. S. 107, 1927 ff.

3) Stenogr. Ber. S. 2069, 2225, 2071 ff., 2429 ff.

2209,

es niht oder nur {wer mögli sein würde, das Bedürfniß des Welt- consums voll zu befriedigen, so \teigere der Terminhandel die Preise und führe so rechtzeitig zu einer Einschränkung des Consums. Seien an dem einen Ort der Welt die Preise niedrig, an dem anderen hoc, so sorge der Terminhandel, indem er es begünstige, an dem ersten Ort zu kaufen, an dem leßteren zu verkaufen, für einen Ausgleich der Preise. Ueberhaupt wirke der Terminhandel preisausgleichend und hindere, daß die Preise dauernd unter die Productionskosten derjenigen Länder fielen, die zur Befriedigung des Weltbedarfs vorzugsweise in Betracht kämen ; er hindere aber auch, daß der Preis diese Productions- kosten mit Einschluß des berechtigten Unternehmergewinns dauernd erheblih übersteige. Liege cine große Ernte vor und sinke der Preis immer weiter und weiter, bis er hließlich an der Grenze der Productionë- kosten angelangt sei, so nehme der Terminhandel zu den billigen Preisen die Waare auf, fie für den Consum späterer Zeit reservirend und hindere fo einen weiteren Preisrückgang. Sei dagegen der Preis in Folge ge- ringer Vorräthe ein ungewöhnlih hoher und die Möglichkeit, vielleicht Wahrscheinlichkeit, At daß die nächste Ernte größer scin werde als der Jahresbedarf, so greife der Terminhandel ein und nöthige durh fortgeseßte Verkäufe auf spätere Termine die Inhaber der Waare zu billigen Verkäufen oder hindere wenigstens weitere Preis- steigerungen durch die Sorge, an den über die Ernte hinaus fest- gehaltenen Vorräthen Verluste zu erleiden. Durch diesen Ausgleich nüße der Terminhandel sowohl den Producenten wie den Consu- menten, indem er in den Zeiten der niedrigen Preise einen weiteren Preisfall hindere und in Zeiten der hohen Preise sih einer weiteren Preissteigerung entgegenstelle.

Durch dieses Eingreifen der Speculation würden die dur den Wechsel der Ernten hervorgerufenen Preisschwankungen vermindert und die Uebergänge der Preise von der einen Ernte zur anderen ge- mildert. Hierin liege ein besonderer Vortheil des Terminbandels, der dafür sorge, daß alle günstigen und ungünstigen Chancen der neuen Ernte bereits viele Monate vor deren Einbringung zu ihrem be- rechtigten Einfluß auf die Gestaltung der Preise gelangten. In diesem Einfluß liege auch der hauptsächlichste Grund für die si oft wieder- holenden, stetigen Schwankungen der Terminpreise. Es liege auf der Hand, daß ein jedes die Ernte eines größeren Gebiets vortheilhaft oder nachtheilig beeinflussende Vorkommniß auf den für den Consum vorausfihtlih zur Verfügung \tehenden Vorrath einwirke und dem- gemäß auh für die Preisfeststellung von Bedeutung sei und sein müsse. Ohne den Terminhandel müßten die Preisübergänge von einer Ernte zur anderen fehr viel beträchtlichere Schwankungen aufweisen, was nicht im allgemeinen Interesse läge. !)

Unentbehrlich sei ferner der Terminhandel für den internationalen Handelsverkehr, rwoeil er den Kaufmann in. den Stand fee, unimittel- bar nachdem er die Nachricht über den Einkauf der Waare für seine Nechnung erhalten habe, durch entsprehende Verkäufe auf Termine sich seinen Verkaufspreis zu sichern und sih damit von weiteren Preis- {wankungen unabhängig zu machen. Da der Kaufmann auch im

stande sei, sih die Schiffsfracht, die Assecuranz und den Curs der Geldrimessen zu fichern, fo sei er in dex Laze, den Erfolg einer Unter- nehmung, deren Abwickelung vielleicht ers nach mehreren Monaten erfolgen folle und könne, mit annähßernder Sicherheit im voraus zu berehnen. Vergleiche man hiermit die Lage des Handels vor etwa 40 Jahren, als der postalishe und telegraphische Verkehr noch der jeßigen Ausbildung entbehrten und die jeßt über die ganze Welt aus- gebreitete Handelspresse kaum existirte, sodaß für die Verbreitung der auf die Handels- und Transportverhältnisse bezüglichen Mittheilungen nur sehr dürftig gesorgt gewesen, so könne darüber kein Zweifel sein, daß damals der Kaufmann mit seinen Geschäften eine viel länger dauernde und deshalb größere Gefahr hätte laufen müssen, weil er gar nit in der Lage gewesen, zu berechnen, wie sich beim Eintreffen seiner Ladung der für dieselbe erhältlice Preis stellen würde. AUer- dings hâtten damals alle Kaufleute unter den gleihen ungünstigen Verhältnissen gestanden; aber diese Verhältnisse hätten alle Kaufleute genöthigt, ihren Unternehmungen enge Grenzen zu zichen, um mit thren Mitteln das wesentlich größere Nisico tragen zu können; ent- sprechend dem größeren Nisico hätte auch der Gewinn des Händlers ein sehr viel größerer sein müssen. Der Unterschied zwischen dem Preise des Producenten und dem des Consumenten sei größer gewesen, die Waare also vertheuert worden. Die Entwickelung der Verkehrs- mittel und des Nachrichtenwesens in Verbindung mit dem Termin- handel vermindere das Nisico des Kaufmanns, gestatte ihm, mit ge- ringeren Kapitalien größere Unternehmungen zu machen und sich dem- gemäß auh mit einem geringeren Verdienst zu begnügen.?) Das hervorragendste Sicherungsmittel für den Kaufmann sei aber der Terminhandel, und die großen Dienste, welhe er der Allgemeinheit durch den erleihterten Bezug und die Verbilligung der übersceischen Hauptartikel leiste, licßen die mit ihm verbundenen Nachtheile als verhältnißmäßig gering erscheinen.

Die gleichen Gründe, die den Terminhandel für den internatio- nalen Waarenverkehr zu einem Bedüfniß machten, träfen auch für die großen Hauptartikel der inländischen Production, die selbst oder deren Nohproducte nur einmal im Jahre geerntet würden, wie Getreide, Mehl, Spiritus, Zucker, zu, zumal bei diesen Artikeln Inlands- und Auslandshandel ineinander übergingen. Die S piritusrectifications- anstalten, die den Spiritus auf Zeit nah fernen Ländern verkauften, würden ein fie erdrückendes Nisico tragen müssen, wenn ihnen nicht die Möglichkeit geboten wäre, das benöthigte Rohmaterial \ich für diejenigen Zeiten, für welche sie es zur Verarbeitung brauchten, zu Preisen zu sichern, die dem Preis des im voraus verkauften Fabrikats entsprächen. :

Aber niht bloß zur Beschaffung der effective:;: Waare sci in folhen Fällen der Terminhandel nöthig, sondern wenn auch das Ge- [chäft von jeder Lieferung losgelöst set, biete der Terminhandel doch cin berehtigtes und unentbehrlihes Mittel der Versicherung gegen Nisico und Preisschwankungen®?). Der Müller in Königsberg, der das von ihm erzeugte Mehl zu angemessenem Preis auf spätere Monate nah Skandinavien verkaufen könne, benußte den Terminhandel vielleicht in Berlin, um si gegen eine erhebliche Steigerung der Getreide- preise zu sichern, obwohl er keineswegs dic Absicht habe, das in Berlin gekaufte Getreide demnächst abzunehmen. Für ihn stellten sich, auch wenn er das Getreide zur Herstellung des von ihm auf späteren Termin verkauften Mehls nicht besitze, sondern beabsichtige, sich das- selbe demnächst in Königsberg anzukaufen, diese Termintäufe an einer anderen Börse als ein unabweishares Bedürfniß heraus, weil sie ihm die Möglichkeit böten, ein jedes Nisico von sih abzuwenden. Denn wenn die Preise, die er vielleicht nah Monaten für das zum Ver- mahlen benöthigte Getreide würde anlegen müssen, erheblich gesunken seien, so verdiene er an dem nah Skandinavien abgeschlossenen Mehl- geschäft, dem die früheren höheren Preise zu Grunde gelegt seien, soviel mehr, daß er den Verlust an dem in Berlin abléfcblofsenei Deckungsgeschäft begleihen könne. Erführen umgekehrt die Getreide- preise eine wesentliche Steigerung, }o würden die Verluste, welche er an dem sfandinavishen Geschäft erleide, ausgeglichen durch den Gewinn, den das Berliner Deckungsgeschäft ihm bringe. Ein Welthandel in den großen Consumtionsartikeln sei völlig undenkbar ohne Termin- handel. Kein Händler, der sfolhe Quantitäten umseße, wie es der Welthandel bedinge, vermöge das Nisico zu tragen, wenn der Termin- handel ihm nicht die Möglichkeit böte, es auf andere Schultern ab- zuwälzen 4), Der Terminhandel sei eine Versicherung, wie jede andere Versicherung, und müsse nah den gleichen Grundsätzen beurtheilt werden. Das Wesen einer jeden Versicherung liege in der Vertheilung der für den zunächst Betheiligten verhängnißvollen Gefahr auf viele, auf den ganzen Kreis derer, die sih an folhen Versicherungsgeschäften betheiligten. Die Annahme, daß dieser Kreis sih gerade beim Termin- geschäft vorwiegend aus weniger leistungsfähigen Personen zusammen-

4292, 2291, 2649 ff., 3408 f,

1) Stenogr. Ber. S. 2226‘ ff., 9420, 3130, 3519, 3527 ff., 3547 ff. 2) Stenogr. Ber. S. 3538 ff., 3547, 3567.

8) Stenogr. Ber. S. 31%, 3131 ff., 3136. 4) Stenogr. Ber. S. 2616, 2816, 3245, 3253.

E. E seße, sei unzutreffend. Der Hauptsahe nach würden die Termin- ge\chäfte von Großhändlern, und zwar zunächst der betreffenden Geschäftszweige, und von Großkapitalisten betrieben, welche die Gefahr zu übersehen und sie zu tragen vermögen. Wenn Personen, für welche diese gewagtcn Geschäfte sich nit eigneten, an denselben theilnähmen, so fei .das bedauerlih: es sei zu hoffen, daß die fortschreitende Er- kenntniß der mit ihnen verbundenen Gefahr sie mehr und mebr davon zurückhalte. Uebrigens wirkten in dieser Richtung bereits die ge- troffenen Geschäftseinrihtungen, namentlich die Liquidationskassen, und außerdem habe ja die Commission gerade hierfür weitere Vor- beugungsmittel vorgeschlagen. Jedenfalls könne hieraus ein Grund gegen das Termingeschäft an sih nicht abgeleitet werten. Wie jede Versicherung nur bei großen Nisiken zweckmäßig und nüßlich sei, so auch diejenige durch das Termingeschäft. Für kleinere Händler eigne sich diese Geschäftsform nicht, wie ja auch {hon dadurch zum Aus- druck komme, daß bei ihr immer nur große Waarenmengen gehandelt würden. Hieraus erkläre sih auch, daß die Großhändler, und nament- lich die Importeure, lebhaft für das Terminge-s{äft cinträten, während die anteren Händler, und zwar umsomehr, .je geringer ihr Geschäfts- umfang fei, demselben vielfa indifferent oder ablehnend gegenüber- ständen. Hinsichtlih des Kaffceterminhandels komme hinzu, daß die Einführung dieser neuen Geschäftsform für die größeren Zwischen- händler Aenderungen in dem Geschäftsverfahren bedinge, zu denen überzugehen manchem anfangs unbequem und \{chwierig gewesen fet.

Endlich biete der Terminhandel den Vortheil einer rihtigen und angemessenen Bewerthung der betreffenden Waaren. Nur durch den Terminhandel sei die Möglichkeit geboten, alle Personen, welche die ftatistishe Lage cines Artikels, scine Productions- und Consunmtions- verhältnisse genau kennen, in fahgemäßer Weise bei der Feststellung der Preise desfelben mitwirken zu lassen. Jeder, der als Käu*er oder Verkäufer auf dem Terminmarkt auftrete, gebe damit der Oeffént- lichkeit seiue Ansicht über die Entwickelung der Preisverhältnisse der betreffenden Waare preis. Aus der Abwägung aller dieser Meinungen und Ansichten bilde die Börse den richtigen Preis. Gewiß fönnten vorübergehend die der Weltlage entsprehenden richtigen Preise durch Eingriffe von Speculanten an den Börsenpläßen verändert werden. Die Hilfe gegen derartige Ausschreitungen liege aber in dem Termin- geschäft selber. Auf die Dauer könne fich dasselbe nicht loslöfen von den realen Verhältnissen, von Vorrath und Bêdarf. Wenn hier und da Schwänzen in Scene gescßt und die Preise vorübergehend und un- natürlih in die Höhe getrieben wären, so folge die Reaction meist unmittelbar auf dem Fuße, und diejenigen, welche solhe Eingriffe in die natürlihe Entwickelung der Preise bewirkten, müßten dies meist mit dem Verlust ihres Vermögens büßen. Ebenso unrichtig sei die Auffassung, daß der Terminhandel die Preise künstlih unter tas be- rechtigte Niveau herabdrücke. Einem jeden Verkäufer stehe ein Käufer gegenüber, cinem jeden, der ein Interesse am Preisdruck, einer, der ein Interesse an der Preissteigerung habe. Diese wider einander s\treitenden Interessen bewirkten die richtige Preisfeststellung. 1)

Von anderer Seite wurde in Abrede gestellt, daß der Termin- handel in Waaren nothwendig sei, um die sachgemäße Vertheilung derselben über das ganze Consumtionsgebiet und über die Zeit bis zur neuen Ernte herbeizuführen, und zum Beweise dafür, daß die Ver- forgung eines Landes mit Brodfruht auch ohne Terminhandel sehr wohl möglich sei, auf England hingewiesen, dessen größte Börse London den Terminhandel in Weizen kaum kenne, obwohl dieses Land bekanntlih einen viel größeren Bedarf an Weizen habe als Deutschland. In zahlreihen Waaren, die nur einmal im Jahre er- ¿eugt würden, bestehe kein Terminhandel, und gleihwohl bätte der Effectivhandel bisher \tets die Aufgabe sahgemäß zu lösen vermocht, Vorrath und Bedarf auszugleichen und dafür zu forgen, daß die be- nöthigten Quantitäten stets da vorhanden gewesen seien, wo man die- selben gebrauht habe. Als unzutreffend müsse die Auffassung be- zeichnet werden, daß die Entwickelung der Verkehrsmittel und des Nachrichtenwesens die Vorausberehnung der Preise ers{hwert und damit das mit dem Handel verbundene Nisico vermehrt babe. Es könne zugegeben werden, daß in früheren Decennien bei wenig ent wickelten Berkehr8mitteln die Aufgabe des Handels im allgemeinen eine viel einfachere gewesen sei, indem er sich darauf beschränkt habe, den Ausgleich zwischen Vorrath und Bedarf in kleineren Gebieten, deren Verhältnisse sich leichter hätten übersehen lassen, zu bewirken. Daß dagegen der Weltverkehr andere Aufgaben an- den Handelsstand \telle und es erforderlich mache, daß der Händler nicht bloß mit den Productions- und Consumtionsverhältnissen seiner eigenen Heimath und benachbarter Gebiete, sondern mit denen aller für den Welt- verkehr in Frage kommenden Länder vertraut sein müsse, sei selbst- verständlich. Eine sachgemäße und erschöpfende Information ein- zuztehen, set aber jeßt ungleich leihter wie in jenen Zeiten, in denen die Verkehrsmittel und das Nachrichtenwesen weniger entwickelt ge- wesen seien und eine zuverlässige Handelépresse kaum existirt habe. Leute wisse inan bereits wenige Monate nach beendigter Ernte die Ergebnisse derselben nicht bloß bezüglih der Heimath, sondern auch betreffs ferner Länder. Ueber den Stand der Getreidefelder würden zum theil amtlihe Mittheilungen in kürzester Frist gemacht, die wohl geeignet seien, als Anhalt für die Beurtheilung der zuküntftigen Preis- verhältnisse zu dienen. Jedes die Ernteergebnisse eines für die Ver- sorgung wesentlih in Betracht kommenden Bezirks beeinträchtigen Ereigniß würde durch den Telegraphen sofort nah Eintritt der ganzen Welt kundgegeben. Gewiß seien alle diese Nachrichten nicht absolut zuverlässig und böten keineswegs cine unbedingte Gewähr für di richtige Beurtheilung der zukünftigen Preisentwickelung. Es liege abe doch auf der Hand, daß auch eine derartig großartige Entwickeluna des Nachrichtenwesens, wie sie unsere Zeit besiße, in hervorragendem Maße den Handel erleichtern und ihn in den Stand seten müße, wenigf im allgemeinen die Tendenz der zukünftizen Preisbewegung voraus bestimmen zu können. Ebenso müsse au) durch die Entwickelung der Verkehrsmittel das Nisico außerordentlich vermindert werden. wenn der Handel, der früher vielleiht Monate gebrauht die Waaren von thren tranëatlantishen Productionsg N Consumtion8orten zu bringen, diese Transporte jctzt Wochen bewirken könne, so müsse diese wesentlicye Transportdauer natürlich das Nisico des Kaufmanns sebr er verringern. In den Monaten, die früher nöthig gewesen wäre: das Getreide oder den Kaffee von Südamerika nach Europ bringen, hâtte eine vollständige Umwälzung in den P ‘bâäl eintreten können. Bei der Versendung fei vielleicht Ernte in den wichtigsten Productionsgebieten mit W ja mit annähernder Sicherheit zu erwarten gewesen, wd Ankunft der Waaren diese Hoffnungen vernichtet und die Preise demgemäß eine große Steigerung Das Nisico sei daher durch die Verbesserung des wesentli geringeres geworden, und cs sei nicht einzusehen, wi hervorragenden Errungenschaften der Wissenschaft uad der Technik, dic auf dem Gebiete des Nachrihtenwesens und der Transportmittel in wenigen Decennien eingetreten seien, den Handel zu einem gefährlicheren bâtten machen können. Unzweifelhaft sei heute die Concurrenz der Länder unter einander eine sehr viel größere, und finde der Ausgleih zwischen Production und Consumtion mit einem er- heblih niedrigeren Gewinn für den Handel statk, wie dies früher der Fall gewesen sei. Dtese Concurrenz habe zur Folge, daß nur bervorragend tüchtige Geschäftsleute einen reichlihen Gewinn für ihre Arbeit fänden. Dies sei aber niht bloß bei den auf Termin ge- handelten Waaren der Fall, fondern eine Erscheinung, die sich 1m ganzen Erwerbsleben zeige. Auch der Händler in Gerste, in welchem Artikel bekanntlih ein Terminhbandel nicht bestehe, müffe über die Consumtions- und Productionsverhältnisse der wichtigsten in Frage kommenden Länder völlig informirt fein, wenn er die Concurrenz mit anderen Berufsgenossen aufnehmen wolle. Wenn man darauf hin- weise, wie s{wierig die Vorausberehnung der Preisentwickelung eines Artikels wie Weizen fei, der fast in jedem Monat in großen Welt

1) Stenogr. Ber. S. 2291, 2362, 2470,

O d O90 EO 3306, 3308, 3034.

gebieten geerntet würde, und wie durch unerwartete Ereignisse in einem oder mehreren dieser- Gebiete ganz plößlich Preisfluctuationen nach oben oder nach unten berbeigefihrt werden könnten, so fei das ja im allgemeinen zutreffend. Aber nur bei den wenigsten auf Termin ehandelten Waaren lägen solche Verhältnisse vor. So sei für den Preis von Roggen bis vor wenigen Jahren ganz überwiegend nur die russische und deutsche Ernte in Betracht gekommen, während z. B. die Preisentwickelung für Spiritus im allgemeinen dur die ein- heimische Ernte und die Möglichkeit des Exports von Sprit nah Spanien oder Frankreich bedingt sei.1)

Müsse hiernah auch der Auffassung widersprohen werden, daß die Entwickelung des Nachrichten- und Verkehrswesens die richtige Vor- ausbestimmung der Preisbewegung hindere und das Nisico des Händlers vermehre, so solle doch nit verkannt werden, daß das Termingeschäft nicht bloß für den Händler, sondern auch für diejenigen wichtigen Productionszweige, welche die betreffenden Erzeugnisse weiter verarbei- teten, ganz wesentlihe Vortheile biete. Es sei in der That für den Spiritusraffineur ein großer Vortheil, wenn er ih an der Börse die Erlangung des Rohmaterials für die Zukunft zu Preisen sichern könne, die ihm beim bewirkten Verkauf des Feinsprits einen angemessenen Fabrifationêgewinn sicherten. Es sei für den Müller ein Weltge]chäft in großem Umfange ohne wesentlihes Nisico überhaupt nur dadur möglich, daß er die benöthigten Getreidequantitäten fich für spätere Termine einkaufen fönnte. Mit der Constatirung dieser Vortheile sei aber die Frage, -ob auf dem Gebiete der Versicherung das Termin- geschäft berechtigte Functionen erfülle und für die allgemeine Volks- wirthschaft nüßlih sei, keineswegs entschieden. Da das von dem Umfang der Ernte abhängige Nisico niht aus der Welt geschafft werden fönne, so müsse man die Frage untersuchen, ob diejenigen Kreife, auf welche der Großhändler, der Müller, der Naffineur u. \. w. ihr Risico dur den Terminhandel abwälzen, dieses Risico leichter ragen könnten, als die genannten Personen. Diese Frage müßte wenigstens bei der bisherigen s{hranfenlosen Entwickelung des Termin- handels entschieden verneint werden. Die Personen, welhe dem Großhandel und den erwähnten Industriezweigen das Risico abnähmen, seien vorzugsweise jene zahlreichen, den Kreijen des Privatpublikums und den fleineren Gewerbtreibenden angehörenden Speculanten, die, zu der Speculation lediglih durch die Hoffnung auf eine günstige Preisentwickelung vielfach verleitet, als Käufer und Verkäufer an den Börsen aufträten. Daß diese Personen, die vielfah mit dem Handel in den betreffenden Artikeln niht die geringste Beziehung hätten, durch ihre Geschäfte dem Großhandel und den größeren Gewerb- treibenden das Nisico abnähmen, sei gewiß für leßtere erwünscht, aber vom Standpunkt der allgemeinen Interessen kein berehtigter Zustand. Wie viele Existenzen aus allen Berufszweigen würden nicht durch solle Speculationen zu Grunde gerichtet, und wenn man sih ver- gegenwärtige, daß es vielleicht die Speculationëgeschäfte eines Beamten und Offiziers oder eines Volfsschullehrers oder eines Hausknechts seien, welhe dem Großkaufmann und dem Raffineur ihr Risico ganz oder theilweise abnähmen, fo seien das gewiß nicht gesunde und be- rechtigte Verhältnisse.

Aber sähe man hiervon auch ab und verfolge die einzelnen auf

ermin gehandelten Waaren von der Production bis zur Consumtion, ergebe sih, daß durch den Terminhandel das Risico {ließlich auf ie chwächsten Schultern übertragen würde. Wenn der Händler, der as Getreide aus Rußland beziehe, fein Kisfico auf den Müller, der Müller auf den Mehlhändler, dieser auf den Bâcker übertrage, so bliebe dieses Nisico shließlich auf den Bädter fißen, dem im allge- meinen die Möglichkeit fehle, feine Waaren auf Termin verkaufen zu können. Thatsächlih würde also das Rifico von den leistungsfähigen Schultern des Großhändlers und des potenten Müllers auf die wenig leistungsfähigen des Bäckers abgewälzt.?) Aehnlih lägen die Ver- hältnisse bei den anderen Waaren, die auf Termin gehandelt würden. Der Importeur von Kaffee übertrage das mit dem Import verbundene Risfico auf den Großhändler und dieser wieder auf den ftleineren Händler, der si feinen Bedarf dur r fichere. Auf diesem leßteren verbleibe das Rifico, nit weiter auf die Consumenten zu übertragen vermö [j den stärkeren Schultern auf d Sachverständige aus der K ofen eingeräumt, daß die Ter die auf thnen ruhten, nur von Zwecke der Versicherung gegen Risico ben jolle niht verkannt werden, daß die wesentlich erleihtert würde, daß es e große l vertheilt würde: feien diese Schultern aber an sich zu \{ Vebernahme des Nificos, fo könne darin ein wirthschaft nicht erblickt werden. ;

Der Auffassung, daß das Terminge| fiherung darstelle, wie et die 2 MWasserschäden und nad wie die leßtere, 1

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gen gi mnd [hatzender Bor 0 Weltverkehr. ese Ausf sei aber au für Preisentwickelung dringend erwünscht. Es liege auf der folange das Privatpublikum an der Speculation in Waaren wetentlu betheiligt sei, die allein berehtigten Factoren für die Prets Vorrath und Bedarf, keineswegs die hätten, die ihnen zukämen, fondern daß die Þ t von Ansichten und Meinungen solher Per}fonen Urtheil über dieselbe niht haben könnten. An widckelung der Preise im Waarenverkehr Interessen noch viel mehr betheiligt, wie an züglih der Werthpapiere. 2

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Insbesondere hade wirthschaft einen berehtigten Anspruch darauf lung dur Vorrath und Bedarf bestimmt ux

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