1913 / 249 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Oct 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung.

Der Geheime Obermedizinalrat und Kaiserlich LussisSe Leib- arzt Dr. Martin von Mandt und dessen Ehegattin Johanna Charlotte “Ludovika, geb. Ackermann, haben in ihrem am 20. Oktober 1857 errichteten weselseitigen Testament der Königlichen fein chen Pri Wilhelms-Universitäat in Bonn zur Förderung wissenschaft- her und technisher Studien unter der männlichen Nachkommenschaft ihrer Seitenverwandten unter dem Namen:

„von Mandt-Ackermann’sche Stipendienstiftung“

ein Kapital von 48 000 4 vermacht, mit der Bestimmung, daß die Zinsen desselben, nah Abzug der Verwaltungskosten, zur Unterstüßung junger Männer christlicher Religion, welhe sich der Arznei- oder er Nechtswissenshaft oder der Peberón technischen Ausbildung auf Gewerbeshulen und ähnlihen Anstalten widmen, als Stipendien verwendet werden sollen.

Die Zahl der Stipendien ist auf drei festgeseßt.

Zum Genusse der Stipendien sind vorzugsweise berufen :

1. die ehelichen männlihen Nachkommen der Geschwister der Stifter, und zwar: i

in erster Reihe des Ehemanns von Mandt vollbürtigen Bruders Karl Theodor Mandt,

in zweiter Reihe des Ehemanns von Mandt vollbürtigen Schwester Therese, verehelihten Grano,

in dritter Netihe der Ehefrau von Mandt Bruders Albert Ackermann,

in vierter Reihe der Ehefrau von Mandt Bruders Gebhardt Ackermann; :

demnächst in Ermangelung von Bewerbern dieser Kategorie,

IL. die männlichen Nachkommen :

zuerst des Chemanns von Mandt beiden Halbbrüder Friedrich Mandt und Franz Mandt, l

zweitens des Freundes der Stifter, des Appellation®gerichts- rats Wilhelm Graffunder,

drittens des Freundes der Stifter, des Regierungs- und Bau- rats Emil Flaminius. |

Sind keine Bewerber aus diesen beiden Klassen von Stipendien- berechtigten vorhanden, so können die Stipendien auch an Fremde, insofern dieselben die Eigenschaft preußischer Untertanen haben, ver- liehen werden. .

Der Genuß und die Verabfolgung der Stipendien ist nicht von dem Besuch der Bonner Universität, noch überhaupt von der Gegen- wart auf einer der preußischen Universitäten und Lehranstalten ab- hängig ; jedo befreit der Genuß im Auslände in keinem Falle von der Beibrin ung der zur Verleihung erforderlichen Zeugnisse der wirkli besuchten Unterrichtsanstalten.

Bewerbungen, denen amtliche Zeugnisse über das Verwandtschafts- verhältnis mit den» Stiftern, beziehungsweise den mit Vorzugsrecht bedachten Familien, die Schul- und Sittenzeugnisse der bisher be- suchten Unterrichtsanstalten , das Universitätsimmatrikulations- und Sitktenzeugnis, sofern diese nicht ‘\{chon auf dem Sekretariat liegen, sowie ein Dekanatszeugnis; von den Gewerbetreibenden: empfehlende Bru nisse der Gewerbebehörden und die Unterrichtszeugnisse der- Bor-

chulanstalten und Lehrmeister beigefügt fein “nüfén, find bis zum 15. November 1913

an das unterzeichnete Kuratorium zu richten und auf dem Universitäts- sekretariat einzuliefern. Bonn, den 16. Oktober 1913. Das Kuratorium der von Mandt-Ackermann’shen Stiftung. Sell.

Angekommen __ Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister für Land- wirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schor- lemer aus der Rheinprovinz.

Nichkamlliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 21. Oktober 1913.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag im hiesigen Königlichen Schloß den Vortrag des Chefs des Marinefïabinetts, Admirals von Müller.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sitzung zusammen.

Der russische Minister des Aeußern Ssasonow ist heute morgen aus Paris auf dem hiefigen Bahnhof Friedrichstraße eingetroffen und in der russischen Botschaft abgestiegen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 19. Oktober S. M. S. „Hertha“ in Haväánna und S. M. S. „Hansa“ in Neapel eingetroffen.

In der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer ves „Reichs- und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichseisenbahn- amt aufgestellte tabellarishe Uebersicht der Betriebs- ergebnisse deutscher Eisenbahnen (aussch{ließlich Bayerns) nah dem Stande am Ende des Monats September 1913 veröffentlicht, auf die am Sonnabend an dieser Stelle auszüglih hingewiesen worden ist.

Mecklenburg-Schwerin.

Der Landtag ist gestern nahmittag durch den dirigierenden Landrat im Konzertsaale des Großherzoglichen Hoftheaters in Schwerin wieder eröffnet worden. Eingegangen find die Er- lasse der beiden Regierungen. Die Regierung beabsichtigt, wie „W. T. B.“ meldet, am Dienstagvormittag mit den Abgeordneten zusammenzutreten.

Oefterreih-Ungarn.

Der große Umfang, den die österreichische Auswande- rung in der leßten Zeit angenommen hat, hat die Regierung, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, veranlaßt, deren Ursachen zu untersuchen und die Maßnahmen zu erwägen, durch die die immer deutlicher zutage tretenden Auswüchse der Aus- wanderungsbewegung beseitigt oder wenigstens ihrer \{chäd- lihen Folgen entkleidet werden könnten. Da die Ge- fahr besteht, daß infolge der sich häufenden Abwande-

Da “Anzeichen vorlagen, daß es

rungen die Wehrkraft der Monarchie in Mitleidenschaft gezogen wérden könnte, hat die Negierun g bereits vor Monaten in allen Kronländern die weitestgehenden polizeilichen Ueber- wachungsvorkehrungen, und zwar insbesondere an den Grenzen, angeordnet. Diese Verfügungen hatten zur Folge, daß bis in die jüngste Zeit an verschiedenen Eisenbahnkreuzungspunkten Hunderte ausweislose und mit falschen oder zweifelhaften Legi- timationsurkunden versehene wehrpflihtige junge Männer aus Oesterreih und Ungarn aufgegriffen und den Gerichten wegen Verlegung des Wehrgeseßes eingeliefert wurden. sich um eine planmäßig betriebene, verbotene Anwerbung handle, wurde die Tätig- keit jener Personen genau überwacht, und hierbei wurde festgestellt, daß in der Tat, und zwar zumeist im Nordosten der Monarchie, eine weitverzweigte, wohlorganisterte, geheime Pro- paganda zur Förderung der Auswanderung überhaupt sowie der Auswanderung militärpflichtiger Personen insbesondere be- steht. Aus diesem Grunde wurden die bereits gemeldeten Ver- haftungen der Funktionäre der Canadian Pacific Railway durchgeführt und auch die Ueberprüfung der Geschäftsgebarung der übrigen in Oesterreih wirkenden Dampfschiffahrtsgesell- schaften veranlaßt.

Der Deutsche Nationalverband hat, obiger Quelle zufolge, beschlossen, vor der Durchführung der Dienst- pragmatik für die Staatsangestellten und vor -der Sicherstellung der Mittel für die Lehrer keine neue Forderung der Regierung zu beraten und jeden Versuch, andere Vorlagen vor Erledigung des Finanzplanes zur Verhandlung zu bringen, mit den schärfsten Mitteln zu verhindern zu suchen.

Der niederösterreihische Landtag hat gestern unter lebhaftem Beifall den Gesetzentwurf, betreffend die Festlegung der deutschen Unterrichtssprache an dèn Volks- und Bürgerschulen Niederösterreihs (lex Kolisko), an- genommen, der bereits in anderer Form in früheren Land- tagssesstonen angenommen worden war, aber bisher nie die Sanktion erlangte.

Rußland.

Angesichts der Zunahme des Zuckerkonsums in Ruß- land sowie der Oeffnung der Austandsmärkte für die russische Zuckerindustrie hat der Finanzminister es laut Meldung des „W. T. B.“ für notwendig gehalten, dem Ministerrat vor- zuschlagen, den Zuckerfabriken zu gestatten, statt 80 000 Pud 140 000 Pud für den inneren Markt zu liefern.

Der Kriegsminister wird der Duma obiger Quelle zu- folge einen Geseßentwurf unterbreiten über die dreimonatige Verlängerung des Militärdienstes für die Jahresklasse, die im laufenden Jahre ihren Dienst beendet. Sie foll bis zum 14. Fanuar 1914 unter den Fahnen gehalten werden.

talien. ___ Der in- Rom eingetroffene russische Ministerpräsident Kokowßow besuchte gestern den Ministerpräsidenten Giolitti und den Minister des Aeußern Marquis di San Giuliano.

Dänemark.

Königlichem Beschluß zufolge sind die Neuwahlen für das isländische Althing auf den 11. April 1914 festgeseßt worden. Wie „W. T. B.“ meldet, hat der König gleichzeitig befohlen, daß isländische Geseße wie bisher dem Staatsrat vorgelegt werden sollen, der aus dem König und allen Ministern besteht. Das Althing hatie ein neues Verfassungsgeseß be- chlossen, das bestimmt, daß eine solhe Vorlage zu geschehen habe, wenn der König es verlangt. Dadurch wollte man die Bestimmung der Verfassung, betreffend Vorlegung isländischer Gesetze in einem Staatsrate, in dem auch dänische Minister sißen, umgehen. Jeßt hat indessen der König die obengenannte Bestimmung getroffen, die nichts an der bisherigen Ordnung ändert, selbst wenn das neu gewählte Althing zum zweiten Male das Verfassungsgesey beschließt, was notwendig ist, damit es Gültigkeit erhält.

Türkei.

Die französische Negierung hat durch Vermittlung der französischen Botschaft, wie das „Wiener K. K. Telegraphen- Korrespondenzbureau“ meldet, gestern der Pforte mitgeteilt, daß, solange die Frage der Kilometergarantie für die Ver- bindungsbahn zwischen Saloniki und Dedeagatsh nicht geregelt sei, weder eine Anleihe noch ein Vorschuß der Türkei an der Pariser Börse zugelassen werden würde. Da die Linie elf Monate von Bulgarien und dann von Griechenland beseßt war, konnte die Pforte die auf ungefähr 5 Millionen Francs ge- \häßzte Garantiesumme nicht bezahlen.

Griechenland.

Der König Konstantin begab sih gestern von Kawaia nach Sarischaban an der thraztshen Grenze, wo drei neuge- bildeten Negimentern feierlihst Fahnen überreicht wurden. Hierbei hielt der König laut Meldung des „W. T. B.“ folgende Ansprache:

Soldaten der siebenten Division! Die Kriege, die Ihr geführt, die Schlachten, die Ihr geltefert, die Wunden, die Ihr erhalten, und die Tapferkeit, die Ihr bewiesen habt, geben Euch das Necht, Euch echte Soldaten zu nennen. Eure Siege in den Schlachten von Nigrita und Newrokop und in den Kämpfen auf den Hängen des Niloberges beweisen, daß Ihr willens seid, alles herzugeben, was König und Vaterland noch von Euch fordern können. In Erinnerung an diese glänzenden Waffentaten übergebe ih heute die Fahnen den drei neuen Regimentern, - auf daß der Anblick dieser Embleme Euch immer an Guren Eid erinnere. JZmmer werdet Ihr Euch auch mit Stolz daran ertnnern, daß Ihr geschworen habt, sie bis zum leßten Blutstropfen zu verteidigen.

Auf die Ansprache des Königs antworteten die Generale, indem fie dem König versicherten, daß ihre Leute immer bereit sein würden, ihr Blut für König und Vaterland zu vergießen. Nach dem Vorbeimarsch der Truppen kehrte der König nach Kawala zurü.

Jn einer Konferenz zwischen dem Ministerpräsidenten Venizelos, dem Minister des Aeußern Panas und dem türkischen Delegierten Ghalib Bey find obiger Quelle zufolge mehrere Punkte des griechish-türkischen Vertragsentwurfs, die in den vorhergehenden Sizungen in der Schwebe belassen waren, geregelt worden.

Serbien.

Der Generalsekretär im Auswärtigen Amt Stefanowit\ch hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, dem österreichisch- ungarischen Geschäftsträger von Storck auf die überreichte Verbalnote seiner Regierung erklärt, daß der Befehl zur Räumung der von serbischen Truppen beseßten Gebiete Albaniens vorgestern beschlossen und gestern früh hinaus-

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gegeben worden sei. Die Räumung werde innerhalb der fesi- geseßten Frist von aht Tagen durchgeführt sein.

Das Preßbureau veröffentliht zu der Angelegenheit fol- gendes Communiqué

Als die Albanesen tn großer Zahl von Albanien her in serbis{hes Gebiet eindrangen, ferbische Dörfer in Brand steckten, kalten Blutes die serbishe Bevölkerung niedermachhten und die ferbischen Truppen angriffen, wurden serbischerseits Maßnahmen ergriffen, um den Feind vom fserbisden Gebiet zurüczuwerfen. Bei dieser Gelegenheit hat die Königliche Regierung bis jeßt durch -ihre Art, zu handeln, beweisen wollen, daß ße die Natschläge und Ent- scheidungen der Großmächte respektiert. Sie hat zu wiedecr- holten Malen ecfkflärt, daß die serbischen Truppen fih darauf be- \chränken würden, das serbische Gebiet zu verteldigen, und daß fie keinerlei territoriale Eroberung machen würde. Gleichzeitig hat man ferbischerseits erklärt, daß, wenn die ferbishen Truppen in albanesi'ches Gebiet eindringen und dort ftrategishe Stellungen besetzen würden, dies nur eine vorläufige Maßregel sein würde, und daß dte Truppen fich wieder zurücckziehen würden, sobald die albanesische“ Grenze von der internationalen Kommission festgeseßt und die Ordnung dort wiederhergestellt wäre, sodaß das serbishe Gebiet nit mehr Gefahr laufen würde, von neuem verleßt zu werden. Diese Erklärung der Königlichen Negierung entspricht vollkommen den Nat- {lägen der Großmächte und zeigt flar die friedlihe und fkorrelte Haltung Serbiens in dieser Frage. Wenn die Königliche Regierung die Absicht hatte, in freundschaftlihem Geiste und im Interesse eines endgültigen Friedens bei den Großmächten einen Schritt zu unter nehmen zur Berichtigung ihrer Grenze gegen das neue Albanien, so ist_das ein Beweis mehr, daß Serbien in korrekter und freund- \chaftliher Wetse eine Frage lösen wollte, die ebensofehr im Interesse der Reglerung wie im Interesse Albaniens liegt. Serbien hat alio dur seine Haltung einen genügenden Beweis gezeben, daß es nicht die Absicht hat, auf eigenmächtigem Wege und mit Gewalt die Beschlüsse der Großmächte abzuändern. Indessen hatie diese Absicht der serbishen Regterung, die in keiner Weise die Intereffen irgend jemandes berührt haben würde, noch nicht ausgeführt werden können, als {hon Oesterreich - Ungarn Vorwürfe gegen Serbien erhob. Oesterrei - Ungarn ist unzufrieden mit der Erklärung der serbishen Regierung und fordert durch ein Ultimatum, daß die serbishen Truppen sich hinter die von der Londoner Konferenz festgeseßte Grenze zurückziehen in einer Frist von 8 Tagen, andernfalls werde es Maßnahmen ergreifen, um seine Forderung durchzufeßzen. Nach diesem unerwarteten Schritt hat die serbische. Regierung gere

ihrer versöhnlihen Politik und in dem Wunsche, von neuem einen Beweis ihrer korrekten und friedlihen Haltung zu geben, ihren Truppen den Befehl gegeben, sich hinter die von der Londoner Konferenz fest gesezte Grenze zurückzuziehen, indem fie. die Verantwortung für diefen Akt denen überläßt, die glauben, nur auf diese Weise den Frieten

Europas zu festigen.

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Bulgarien.

Drei Vertreter des Ministeriums des Aeußern und sechs Vertreter des Ministeriums des Jnnern sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nah Adrianopel abgereist, wo sie mit neun türkischen Kommissaren zusammentreffen und gemeinsam mit ihnen drei Kommissionen bilden werden, die mit der Nepatri- ierung der muselmanishen und bulgarischen Flücht- linge betraut sein werden. Die Wiederbesezung Westthräziens

vollzieht sich ohne Zwischenfall.

Albanien.

Wie der „Agenzia Stefani“ gemeldet wird, ist der Jnter- nationale Admiralrat, dem ein deutscher, ein englischer, ein italienischer, ein österreichish-ungarischer und ein französischer Seceoffizier angehören, gestern aus Skutari unter militärischen Ehrenbezeigungen abgereist.

Koloniales.

Im Ofktoberheft der „Kolontalen Rundschau", Monats {rift für die Interessen unserer Schußgebiete und ihrer Bewohner (Herausgeber: Ernst Vohsen, Schriftleiter: Professor D. Wesier- mann, Verlag von Dietrich NRetmer, Berlin), veröffentllcht der Direktor der Deutschen Togogesellschaft F. Hupfeld einen längeren

. Auffaz über die Erwerbegesellshaften in den deutschen Kolonien.

Aus diesem ergib1 sich die Tatsache, daß von den in Deutschland an sässigen Gesellschaften die überwältigende Mehrheit ihren Sitz in Berlin hat; das in den deutschen Kolonien arbeitende Kapital der in der Reichshauptstadt ansässigen Erwerbsgesellschaften beträgt 206 Mil- lionen von insge]amt 261’ Millionen Mark Auf Hamburg entfallen nicht ganz 29 Millionen Mark. Der wirt- schaftlihe Schwerpunkt des deutshen Kolonialwesens liegt also in Berlin, und -deshalb ist es durhaus im Interesse der Sache, daß der deutsche Kolonialgerichtshof nah Berlin und nicht nah Ham- burg gelegt wird. Die Rentabilität der in deutshen Kolonien tätigen Gesellihaften erscheint im Durchschnitt befriedigend. In den letzten Jahren trat ein deutlicher Stillstand in der kolontalen Kapitalsanlage ein, der aber nur teilweise auf koloniale, überwiegend auf allgemein volitische . und Geldmarktverhältnisse zurückzuführen ift. Aus dem übrigen Inhalt des Hestes verdienen - die Aufsäße „Zur Sklavenfrage in Deutsch Ostafrika" von Or. F. O. Karstedt und „Die Nassenmisch- ehen in den spanischen Kolonien“ von Theod. Grentrup hervorgehoben zu werden.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Vermittlungstätigkeit des Zentralarbeits nahweises in Berlin im Jahre 1912

ist nah dem jeßt veröffentlihten Geschäftsberiht des Zentralvereins für Arbeiténahweis dur die ungünstige Konjunktur wesentli beetn- flußt worden. Die Zahl der beim Zentralarbeitsaachweis ein- geschriebenen Arbeitsuchenden hat sich auf der Höhe des Vorjahres gehalten; dagegen sind die Zahlen der offénen und der besetzten Stellen erheblich gegen 1911 gefallen. Dasselbe Ergebnis wiederholt sich . bei den Endzahlen der gesamten Berliner Arbetis- nahweise. Eine im erwähnten Geschäftsberihßt gegebene graphische Darstellung macht es ersichtlih, wie vom April 1912 ab die Nach- frage im Vergleiche mit derjenigen im Vorjahre für Arbeiter beiderlet Geshlehts zurükgegangen ist.

Die folgenden Zahlen zeigen, welhen Umfang vermittlung des Zentralarbeitênachweises in Beclin in acht Jahren gehabr hat.

Gesuche Offene der Arbeitnehmer: Stellen: z 132/950 125/200

167 O27 142 740 167 831 125 404 158 795 107 176 162 211 122 983 204 960 176.914 Oi. i 243 828 218 043 176 977 F 245 086 201/937 166 069. Zu diesen Zablen kommen noch die Vermittlungsz!fern in den beiden Zweigstellen Rummelsburg und Lichtenberg mit rund 2000 Arbets- gesuchen und 1700 offenen Stellen hinzu. Junerhalb des achtjährigen Zeitraumes haben sih die an den Zentralverein angegliederten Fach- arbeitsnahweise ganz erheblih vermehrt ; im Jahre 1912 ist etn solcher

Besette Stellen : 90 058 107. 398 100 917 88 767 99 827 138 389

Jahr 1905 1906 1907 1908 1909. 1910.

fir das Badeperfonal neu hinzugekommen, de Dienstbotenvermittlung, die im Jahre 1909 in den Tätigkeitsbereih des Zentralarbeitsnahweises hincingezogen wurde, ist erweitert und in drei Abteilungen gegliedert worden, die landwirtschaftlihe Abteilung, eine Schöpfung des Ver- handes märkischer Arbeitsnachweise, hat eine Zweigstelle im Bentral- arbeiténahweis eingerihtet, und au der nichtörtithe Verkebr gewinnt von Jahr zu. Jahr mehr an Bedeutung sowobl für Groß Berlin und die Mark Brandenburg als auch über die Grenzen der heimischen rovinz hinaus.

Unter den vom Berliner Zentralarbeitsnahweis im Fabre 1912 beseßten Stellen waren 1096 für landwirischaftlibe Arbeiter ; offene Stellen für \olche Arbeiter find im Berichttjahre 1531 angemeldet worden. Die 1096 beseßten Stellen für Landarbeiter verteilen fich hauptsählich auf folgende Kreise und Bezirke: nähere Umgebung Berlins ‘bis zu 25 km Entfernung 184, Ost- und West- yrigniß 182, Ober- und Niederbarnim 105, Ruppin 83, Ost- und MWesthavelland 60, Teltow 53, LÆbus 45, Angermünde 41, Luckau 35, Altmark 33, Königsberg in der Neumark 28, Soldin 27, Templin und Pommern je 26, Beeskorw-Storkow 25, Prenzlau 20, Oft- und Peslsternberg, Zauch-Belzig und Thüringen je 19.

Zur Arbeiterbewegung.

In Duisb urg legten, wie die „Nh.-Westf. Ztg." mitteilt, vor cinigen Tagen die Fliefenleger wegen Lohnforderungen die Arbeit nieder. În Frage famen etwa 300 Arbeiter. Nun hat nach ein- gehenden Verhandlungen die Arbeitgeberin, die „Rheinisch-Westfälische Bauindustrie“, beshlossen, die Mehrforderungen der Ausständigen für zwei Jahre zu bewilligen, sodaß fie am Montag ihre Arbeit wieder in vollem Umfange aufnehmen werden.

Kunst und Wiffenschaft.

Ueber die geßern an dieser Stelle {on erwähnte feterlihe Er- öffnung der Jubiläumsausstellung der Königlichen Porzellanmanufaktur im Kunstgewerbemuseum aus Anlaß des 150jährigen Bestehens der Manufaktur sei folaerdes aus einem Bericht. des „W. T. B.“ na®aetrogen: Im Licthof. versammelten si die Ebrengäste, u. a. die Staatsmtnister Dr. Delbrück, Dr. Lente und Möller, der Ministerialdirektor Schmidt, der Reicbstagsyräsident Dr. Kämpf, der Oberbürgermeister Wermuth und der Polizetpräsident von Jagow. Die Galerie war von den Angestellten und Arbeitern der Manufaktur beseßt. Bald nah 12 Uhr erschienen, vom Staats- minister ‘Dr. Sydow geleitet, die Kaiserlihen und König- |ihen Majestäten - mit - Gefolge. Der Staatsminister Dr. Sydow sprach den Dank der Manufaktur für das Erschetnen der Majestäten aus, betonte das eindringende Interesse des Kaisers für die Arbeiten der Manufaktur und die Förderung der Ausstellung dur die Hergabe koß#barer Stücke aus den Köntaliden Schlöfern und endete mit dem Ausdruck des Gelöbnisses unverbrüchliWer Treue der Angehörigen des Betriebes für den Urenkel seines Begründers In das Hoch auf Seine Majestät stimmten alle ein. Der Ministerial- direktor Wirkliche Geheime Oberreaierunesrat Dönhoff gab dann einen Rückblick über die Entwicklung der Manufaktur. Seine Majestät der Kaiser und Köntag erklärte darauf ‘die Ansftellung für erôffnet, und es folgte eine Besichtigung dur die Majestäten und die Ehrengäste.

Die Ausstellung, die vom 21. Oktober bis 26. Dezember d. Æ. unentgeltlich geöffnet ift, gibt in erlesenen Werken eine übersihtliche Darstellung der ganzen Entwicklung der Berliner Porzellankunst von der Uebernahme der 1761 gegründeten Fabrik Goßkowskis dur Friedri den Großen im Jahre 1763 bis zur Gegenwart. Sie enthält über 2500 Gegenstände, zumeist Leihgaben, tin erster Linie Leihgaben Seiner Majestät des Kaisers aus den Beständen der Königlichen Schlösser, dann von zahlreiten Sammlern und Kunstfreunden, namentlih den Herren Geheimrat K. Lüders, Dr. W. von Dallwig, Ch. Foerster, H. von der Marwiß, Dr. von Oftermann-Darmstadt, Xurft Johann von Liechtenstein, Professor L. Darmstädter, Geheimrat G. Arnhold, Ministerialdirektor Dönbof, Santtätsrat Dosquet, Mar Lang, Dr. Model, J. van Dam, A. Heimann, von Nosenfttel- Arnswalde, van Straaten, H. K. Krüger, Kommerzienrat J. Mühsam, bon Frau Geheimrat M. Oppenheim, Frau Geheimrat Schsller, xxrau Baronin von Lanna, Frau Gehetmrat Lippmann, Frau Epstein, rau Dr. Hortig, Frau Generalleutnant Müller, Frau Flora Lewy, Frau von Alers-Wiesbaden. Auch die Museen von Hamburg, Weimar, Stuttgart, Frankfurt a. M., Crefeld, Cöln, Müngthen, Hannover haben \ich beteiligt, am ausgtebtgsten die sont wenig bekannte ge\{chidtliche Sammlung der Königlichen Porzellanmanufaktur selbst. Die Porzellane sind in stilgeschichtliher Folge so aufgestellt, daß der Licbthof des Museums die Zeit Friedrihs des Großen und Friedrich Wilhelms 11. umfaßt, während die Arbetten des 19. Jahrhunderts in vier Sälen des Erdgeschosses verteilt sind. Diese Abteilung aliedert sich in die Epoche des strengen Kla\uismus unter Friedrih Wilhelm 111, in die ebenfalls noch klassizistische Zeit der Könige Friedrich Wilhelm 1V. und Wilhelm 1., dann die Periode der technischen und stilistishen Wandlungen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und {ließli die Zeit nah 1900. Die Aus- stellung beginnt im Uchtbof mit den aus der Fabrik Gogkowskis herübergenommenen Modellen, und zeigt dann in den folgenden Wand- \{ränken als Hanptleistunaen der Monufaktur die für König Friedrich den Großen selb hergestellten Tafelservice: die Gescirre für das Neue Palais (1765) und das Breslauer Stadts{hloß (1767/68), in denen die speztfisch berlinishe Blumenmalerei ihre höchste und anderwärts in der Tat unerreihte Vollendung erlangte, das rote und das gelbe Blumonservkce (1768 und 1770), das \ogenannte japanische Geschirr für Sansfouci (mit Chinesenbildern in der Art Boucbers, 1769/70), das Pailleservice von 1769, das eisenrot bemalte Dvidservice von 1783, das blau- Service von 1784 und das Geschirr mit Purpurblumen (1780). Weiterhin werden die viel- gestaltigen Dekorationsweisen der Tier- und Landschaftsmalerei, der Amoretten, Porträt- und Silhouettenmalerei und die Uebergänge zu den glatten Formen und kühlen Farben des Klassizismus veran- \hauliht. Die freistehenden Vitrinen find vornehmlich den plastishen Schöpfungen der Manufaktur gewidmet, welche die Ausstellung in aroßer Vollzähligkeit vereinigt. Sie beginnen mit den noch dem Nokokostil angehöriaen Figuren des ersten Modell- meisters Fr. Elias Meyer, der 1761 aus Meißen berufen worder war. Der Hauptvertreter des Louis XVT.-Stils ist fein jüngerer Bruder Wilhelm Christian Meyer ({ 1786), der an Stelle der borausgehenden Nokofkoschäfer und Chinesen die Allegorien der Künste, die Götterfiguren des Olymys, die Musen darstellt. Sein Werk um- {ließt mit den Gruppen „Krieg und Frieden“, „Aeneas und Anchises*, der Allegorie auf die Hodzeit der Königin Marie Antoinette, den Figuren der fieben freien Künste die hôchsten Leistungen der gelliner Porzellanyslastik. Seine Nichtuna wird fortgeseßt von dem æcodellmeister Joh. Georg Müller (178589), der bereits der Plastik aus unbemaltem Biskuitporzellan sich zuwendet. Au die Arbeiten des Modelleurs Joh. Eckstein aus den Jahren 1775/76 ind vollzählig vertreten. Den Uebergang in8 19. Jahrhundert ver- mittelt der Bildhauer Niese (seit 1789 Modellmeister), der mit Schadow und dem Architekten Genelli zusammen arbeitete.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe in Berlin sprah kürzlih der Kunsthistoriker Dr. Oskar Fischel über moderne Grapbtif. Er führte etwa aus, daß man heute Kupfer- stihen und graphischen Blättern überhaupt anderes Interesse entgegen- bringe als noch. vor zwanzig und dreißig Jahren. Man hat damals den weißen Fleck an der Wand verabs{heut und konnte den dekorativen Wert etner -graphischen Darstellung nit so hoh anschlagen wte heute. D ese Wandlung in der Wertshäßung des Kupferstihes hat nicht so sehr ihre Urfache in üns, als in der Veränderung der künstlerisGen Leistung selbst. Der Kupferstich im engeren Sinne, den man ausübt, ndem man mit dem Stichel in die Kupferplatte Linien eingräbt, die im

Drucke mit der Farbe gefüllt auf dem Papiere das Bild hinterlassen, erfordert große techaisde Sorgfalt. Die Radierung jedoch erlaubt dem Künstler, mit der Nadel auf den nahgiebigen, ge|{Gwärzten Aeg- grund, mit dem man die Kupferplatte überzogen hat, wie mit einein Bleistift zu zeichnen. Wo er mit seiner Nadel einen Strich dur den Aetzgrund zieht, entfernt er diesen und legt das darunterliegende Kupfer bloß. Dort kann daher auch in dem darauffolgenden Uet- prozesse die Säure angreifen und eine Linie in die Kupferplatte ein- fressen, die dann mit den anderen radierten Linien zusammen im Drucke wieder das Bild gibt. Diese zwei grundlegenden Verschieden- heiten der Verfahren erflären es, warum man den eigentlichen Kupfec- stich immer mit besonderer Vorliebe zur Wiedergate von Gemälden, besonders fsolher mit zeihaerishen Eigentümlichkeiten, heran- gezogen hat, warum hingegen die Künstler die Nadierung m-it benußt haben, um durch sie dir-tt ihre eigenen fünfstlerischen Gedauken zum Ausdruck zu bringen. Daher auch der verschiedene Wert der Erzeug- nisse. Im Stiche kommt der Künstler nur in der durch Geist und Hand des Stechers vermittelten Uebertragung zum Worte, in der sogenannten Originalradierung dagegen fpriht der Künstler unmittelbar zu uns. Erst neuerdings lernte man wieder die Nadierung und die ihr innewohnende künstlerishe Unmittelbarkeit s{äßzzn. Die Anfänge dazu reichen allerdings bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurü, als Jacquemart, Manet, Millet, Corot, Fantin-Latour, Legros und andere ih in Paris zu einer Vereinigung für Originalradierung zusamrmentaten. Eine zweite bedeutende Gruppe, zu der Legros überleitete, hat fi in England gebildet, vielleicht die interessanteste, denn sie hatte den Schotten Jamcs MacNeill Whistler zum Führer, diesen ungemein vielseitigen und genialen Künstler, der als Sammler und auf Reisen nah Japan die dort herrschende malérishe Auffasurg in sich auf- genommen, und der fh gleihmäßig als Schüler von Rembrandt und von Velaëgquez bekannt hat. Um ihn gruppteren fich die besten englischen Radterer: neben seinem Schwager Seymour-Haden, Bone, Pennell, Strang und andere. Die dritte Gruppe wird von deut\chen Künstlern gebildet, im BVordergrunde Max Klinger mit setner Fülle des graphischen Könnens, neben ihm Karl Stauffer-Bern, der zu der alten Technik des Kupferstihes, aber mit ganz flach geführtem Stichel zurückfehrt und dessen gestohene und radierte Por- träts nur in Leibls Gemälden idresgleihen fanden; weiter der stille, tehnisch fihere Peter Halm, Georg Greiner, der namentlich die Lithographie vortrefflih beherrscht. An diese in sch geschlofenen Gruppen reiht fich heute die fast unüberfehbare Menge von Künstlern, die mit den verschiedensten Verfahren Versuche anstellten. Die Technik des Holzichnittes, ohnehin {hon im Laufe des 19. Jahrhunderts zu größter Vielseitigfkeit ausgebildet, erhält durch die javanischen Cinflüsse ganz neue Wirkungen, namentltich auf dem Gebiete des Farbenholz- \{nitts und der Lthogravhie mit mehreren Platten. Daneben lernt die reine Schwarz-Weiß-Kunst den Neichtum der Nuance zu malerischen Wirkungen auszunuyzen. Marx Liebermann, ein Munch, Käthe Kollwit, Ferdinand Schmußer, der Sengfelder-Klub unter Pennells Führung und viele andere bezeichneten diele neueste Etappe unserer graphischen Künste. Eine bemerkenëwerte Ausstellung vortreffliher Kunst- blätter begleitete die. Ausführungen des Vortragenden. Sowohl die Bibliothek des Königlichen Kunstgewerbemuseums, als auch die Firmen Amsler u. Ruthardt, Kunstsalon und Verlag Jacques Casper, Gra- phishes Kabinett F. B. Neumann, Hofkunsthandlung Friy Gurlitt, Arel Junkers Buchhandlung Karl Schnabel, Buchhändler Edmund Peeyer und Werckmeisters Kunstverlag hatten zu dieser Ausstellung in bemerken8wertzr Weise betgetragen. Außerdem hatte Professor Emil Orlik feine teSnisch ebenso wertvollen, wie lehrreihen Blätter in verschiedenen Zuständen und die Holzstöke dazu beigesteuert.

In der Galerie Eduard Schulte {ließt die Karl Hatder- Gedächtnisausstellung am Dovnerstag, den 23. Oktober, Abends. Die neue Ausstellung wird am 25. d. M. eröffnet und enthält Sammlungen von Gemälden von Wilhelm Claus-Dresden, Prof. Otto Günther-Naumburg, Wilhelm Hambüchen-Düsseldorf, Prof. Theodor Hummel-München, Johannes Manékopf-Daubhausen, Prof. George Mosfon-Berlin, Prof. Dr. Müller-Kurzwelly-Gr. LUchterfelde, Joseph Oppenheimer-Berlin, Hela Peters-Leipzig, Karl Strathmann- Ptünchen, Prof. Dr. Hans Thoma-Karlsruhe sowie einige Bildnis- büsten von Prof. Melchior von Hugo-Stuttgart.

In Kopenhagen ist, wie ,W. T. B.“ “meldet, der Kunst-

maler W. F. Xylavder im Alter yon 73 Jahren gestorben. Er hat sih fast sein ganzes Leben hindurch in Deutschland aufgehalten, wo viele seiner Bilder in den großen ‘Galericn zu finden find. Die lezten Jahre verbrahte er in Kopenhagen.

Technik.

Das Studium der Winde ist angesihts des Aufshwungs der Luftschiffahrt und des Flugwesens wichtiger geworden als je zuvor. Während man sich früher zur Fentstellung der Witterungsverhältnisse und ihrer Beränderungen mit der Untersuchung der Winde in größerem Stil begnügen durfte, hat jeßt die Kenntnis der Launen des Windes in etnzelnen Fällen einen hohen Wert erhalten, da von ihr das Wohl und Wehe eines Fliegers abhäng'g ist. Fn dem aerotechnischen Institut, das von der Partser Universität îin Saint-Cyr unterhalten wird, find während dieses Sommers sorgfältige Windmessungen vorgenommen worden, die gerade die schnellen Veränderungen von Luflstrômurgen feststellen follten. Und zwar in zwei MNichtungen. Einmal die Verschiedenheit der Wind- ges{chwindigkeit, die gleichzeitig an zwei benachbarten Stellen im Lust- meer herrscht, und zweitens jähe Veränderungen an derselben Stelle in zwei aufeinanderfolgenden Augenblicken. Zur Ergründung der ersten Frage wurden zwei Röhren in gewissem Abstand von einander 22 m über dem Boden angebracht. Diese von Pitot angegebenen Apparate ermöglihen die Messung der Windgeshwindigkeit, die auf einem mit Nuß ges{chwärzten Papier fortlaufend aufgeeihnet ‘Wird. Der Ab- stand der beiden Nöhren von einander wurde nach und nach ver- größert. Betrug er nur 24 ecm, so war die Verschiedenheit der Aufzeichhnungen beiderseits sehr gering. Bei 79 ecm Abstand wichen sie schon merklich ab, indem manche Sprünge des Windes auf der einen Scite schärfer hervortraten, als auf der anderen. Für Winde von 10—15 m in der Sekunde konnte der Unterschied {hon | m betragen, aber nur für ganz kurze Zett. Bei einem Abstand der Röhren von 160 cm zeigten sich Abweichungen von solcher Dauer, daß ihnen bereits eine praftishe Wichtigkeit beizumessen wäre. Ein Unterschied bis zu 3 m Geschwindigkeit in .der Sekunde blieb mehr als eine Sekunde lang besichen. Die UntersuGungen wurden dann bis zu einem Abstand von 7 m fortgeseßt, der etwa der Aus- dehnung eines Aeroplans entspricht. Unter diesen Umtänden konnten Differenzen der Windvgeschwindigkeit von 2 m in der Sekunde mehrere Sekunden andauern, und in kürzeren Zetträumen er-

reichte der Unterschied zuweilen eine erstaunliße Größe. Daraus.

folgt, daß die einzelnen Teile einer Flugmaschine in demselben Augen- blid reht verschiedenen Windgeshwindigkeiten ausgeseßt sein können.

Der zwette Punkt der Untersuchung war nicht weniger bedeutsam,

a

obgleich leichter zu fassen. Solange es Windmesser mit fortdauernder selbstschreibender Aufzeichnung der Windgeschwindigkeit gibt, weiß man, daß diese mehr oder weniger unregelmäßig ist. Infolgedessen stellen die Angaben der Windgeschwindtgkeit, wie fie in die Wetter- berichte aufgenommen werden, immer nur einen Durhschnitt dar. Sie sind daher für die Ansprüche der Flieger wenig wert. Bei der gleichen mittleren Windgeschwindigkeit fönnen außerordentlihe Verschiedenhetiten der Schwankungen vorkommen, die das eine Mal bis zu 45 mal größer sind als cin anderes Mal. Dafür etnige Beispiele: Ein Wind von mittlerer Geschwindigkeit 117 m {n der Sekunde hielt diese 10 Sekunden lang recht glelchmäßig fest. Dann sank fie tn 14 Sekunden bis auf 42 m und blieb auf diesem Wert wettere zwei Sekunden. Nunmehr steigerte sie fi in etner halben Sekunde bis auf 15.3 m, die wiederum mehr als eine Sekunde bestehen blieben, das bedeutet

In einem anderen Fall wechselte die Windges{hwindigkeit in einer Dreiviertelsekunde zwischen 8 und 17,5 m. Diese Zahlen beweisen mit unübertreffliher Deutlichkeit, auf welche Launen des Windes sich ein Flieger gefaßt machen muß. Es ist ein Glüdck, daß diese Schwankungen so {nell exfolgen, weil fonst der Kunstflug noh viel gefährlicher sein würde. Bet jtürmishem Wetter erreichen fie übrigens wahrscheinlich noch weit größere Auêmaße.

Nr. 83 des „Zentralblatts der Bauverwaltuna“, heraus- gegeben im Mininerium der öffentlichen Arbeiten, vom. 18. Oktober d. F., hat folgenden Inhalt: Amtlices: Dienstnachrichten. —- Nicht - amtlihes: Die neue Kaiser Wilbelmbrücke in Trier. Das Völker- \{chlachtdenkmal bei Leipzig. Vermischtes: Wetthewerhke für (Fnt- würfe zu einer Turn- und Festhalle in Sulzbah-Saar und für heimische ländlihe Bazuweiie in Württemberg. Hydraulische Kalke und Bindemittel anderer Act als Kalk und Zement. Verfahren zur Herstellung von Baukörpern aus Beton oder Eisenbeton. Bücherschau.

Verdingnngen.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichs- und Staatsanzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition während der Dienststunden von 9—3 Uhr eingesehen werden.)

Belgien. Lastenhefte können, wenn nichts anderes vermerkt, vom Bureau des

29. Oftober 1913, 12 Uhr. Salle de ls Madeleine in Brüssel: Lieferung von 2910 kg Eisen- und 1610 ke galvanisiertem Eisendraht sowie 233 000 ke Puddeleisen in Barren vers{htedener Größe. 6 Lose. Speziallafienheft Nr. 1473. Eingeschriebene An- gebote zum 25. Oktober.

29. Oftober 1913, 12 Uhr. Ebenda: Leferung von 48 000 kg Kuyhfer in Barren verschiedener Größe. 3 Lose. Speztiallastenheft Nr. 1465. Eingeschriebene Angebote zum 25. Oktober.

5. November 1913, 11 Uhr. Ebenda: Lieferuna und. Auf- stellung von Fernsprechumschaltern an vershiedenen Stellen. Sicher- heitsLeistung 900 Fr- Speziallastenheft Nr. 183. Eingeschriebene Angebote zum 1. November.

Demnächst. Ebenda: Lieferung von 73800 Pflaster-, 1500 Kopf- und 340 lf. m Randsteinen sowie 29 600 fogenannten Plattinen für die Staatsbahnen. Sicherheitsleistung 15009 Fr.

Demnächst. Ebenda: Lieferung von nordis{hem Fichtenholz 1. und 2. Güte für ftaatlihe Tischlereien und Zimmerzien. 5 Lose. Gesamtsicherheitsleistung 3900 Fr.

Demnächst. Ebenda: Zurücknahme von gebrauhßten Materialien der Staatsbahnen geaen Zahlung. - 124000 ke Bronze, 88 000 ke Kupfer, 11 700 kg Messing, 2500 kg Blei, 1000 kg Zink, 700 ke Gummi, 8000 kg Afkumulatorenabtälle, 262 000 kg messingene Heizröhren und Rohrstummel, ferner Radsterne usw. 52 Lose.

Theater und Musik.

Fm Königlichen Opernhause findet morgen, Mittwoch, das 111. Gastspiel des Herrn E. Caruso ftatt. Aufgeführt wird „Carmen“; Herr Caruso singt den Don José, Frau Salvatini die Titelrolle, Fräulein Artôt de Padilla die Micaëla, Herr Wiedemann den Eécamillo. Die musikalische Leitung hat der Generalmusikdirektor Blech.— Das Programm für eine „Meyerbeer-Matinee“, die am Sonn- tag, den 26. d. M., Mittags 12 Uhr, mit Allerhöhster Genehmigung Seiner Majestät des Katsers und Königs tm Königlihen Opern=a haufe stattfindet, i nunmehr im wesentlihen fertiggestellt. Nach der von der Königlichen Kavelle unter der Leitung des Generalmusik- direktors Leo Blech ausgeführten „Struensee“-Duvertüre wird Otto

Sommerstorf einen von Joseph Lauff gedihteten Prolog sprechen. Alsdann wird der Köntgliche Opernchor unter Leitung von Professor Rüdel den Oratortensay Psalm 91 von Meyerbeer vortragen, und Frau Arndt-Ober, Frau Hermine Bosotti, Herr Francesco d’Andrade und vorausfihtlich auch Frau Lilli Lehmann werden einzelne Lieder fingen. Weiter wird das gesamte Corps de Ballet etnen von Hexrn Balletitmeister Graeb angeordneten Fackteltanz Meyerbeers ausführen. Nach der Pause folzt der vierte At aus den „Hugenotten“, worin Fräulein Emmi Destinn, Herr Hermann Jadlowker, Herr Hoffmann usw. die tragenden Rollen übernommen haben.

Im Königlihen Schauspielhause geht morgen Schillers „Maria Stuart", mit Frau Luise Willig in der Titelrolle, in Szene. Frau Poppe spielt die Elisabeth, Herr Sommerstorff den Grafen Leicester. In den übrigen Havptrollen sind Fräulein Abih und die Herren Kraußneck, Pohl, Geisendörfer, Mannstaedt, Ztmmerer, Böttcher, Werrack und Eggeling beschäftigt. Die Spielleitung hat Herr Dr. Bruck. Die Bor1tellung beginnt um 7 Uhr.

(Der Konzertbericht befindet sih in der Ersten Beilage.)

Mannigfaltiges. Berlin, 21. Oktober 1913.

Ein langer, stiller Trauerzug bewegte fich gestern abend gegen 7 Uhr unter großer Anteilnahme der Berliner Bevölkerung vom Garnisonlazarett I[ îin der Moltkestraße in Tempelhof na der neuen evangelishen Garnisfonkirche am Kaiser Friedrih-Plaß. Dreiundzwanzig Wagen trugen, wie „W. T. B.* berichtet, drei- undzwanzig Opfer des Luftschiffunglücks in Johannis- thal. Voran marschierten Mannschaften der ersten Eisenbahnbrigade und Seesoldaten, ieden Wagen begleiteten ein Unteroffizier und aht Mann vom 2. Eisenbabnregiment, und den Schluß bildeten 40 Mann der Marineluftshiffabteilung. Eine große Zahl - von Kränzen, die von Jhren Kaiserlihen und Köntalichen Majestäten, von Anverwandten der Toten, vom Neichamarxineamt, von den Führern und Befaßungen mehrerer Luftschiffe, von vers{ledenen 35liegerstationen und Fliegersportvereinen als leßter Gruß gesandt waren, brahte man in einem ge!chlossenen Wagen ebenfalls nah der Garnison=- kirhe. In einem Krankensaal des Lazarelts hatten Marineluftsc{iffer die Chrenwache gestellt; sie hielten auch die Totenwacht in der Kircze. Die ehemaltgen drei Angehörigen der Zeppelinwerft, die bei dem Unglück eber falls ihr Leben verloren batten, follten heute ihre Tette Fahrt nah Friedrihshafen antreten. Die irdische Hülle des Kapitäns Gluud ift gestern mittäg nah Bremen übergeführt worden.

Heute mittag fand în der neuen evangelischen Garnison- Tir e auf dem Kaiser Friedrlch-Plaß die Trauerfeier für die mit dem Marineluft\chiff „L 2" Verunglückten statt. Die Kirche war weihevoll ges{chmüdckt. Zu Seiten des Altars hingen zwei Marinekriegéflaggen herab. Vor dem Altar waren die 23Särgeau*tgebahrt, die unter einem Hügel von Blumen und Kränzen vers{chwanden. Seine Königlihe Hoheit der Prinz Adalbert hatte um 10 Uhr cinen Kranz Seiner Majestät des Kaisers und Königs und einen folchen Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin niedergelegt. Von einhalb elf Uhr ab ershienen die leidtragenden Angehörigen der Verunglückten und wurden von WMarineoffizieren zu thren Pläßen ge- leitet. Dann füllte fich allmählich die Kirhe mit einer gewaltigen Trauerversammlung. Man bemerkte u. a.: den Reichs« kanzler, der einen großen Kranz durch feinen Adjutanten Fret- herrn von Sell niederlegen ließ, die Staatsminister und Staatssekretäre, die Admiralität und die Generalität, unter ibnen den Großadmiral von Tirpit, den Kriegsminister von Falken- hayn, den Chef des Generalstabs, General von Moltke; ferner waren die fremden Marineattaches, die Herren des Hauptquartiers, Mitglieder des Reichstags, Vereine mit ibren Fahnen, eiue

. Abordnung der Studentenschaft der Berliner Tednishen Hochschule

also eine fast plößlihe Windyerstärkung auf nahezu das Vierfache. i zugegen. Auf der Empore hatten Marinemannschaften und Vertreter