1913 / 255 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Oct 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Personalveränderungen.

Königlih Sächsische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen.

Den 18. Oktober. Nicolai, Hauptm. im 1. Pion. Bat, Nr. 12, behufs Verwendung als Lehrer an d. Kr. Schule in Meß von d. Stellung als Komp. Chef enth.

Abschiedsbewilligungen.

Den 10. Oktober. Reinhard, Lt. im 7. Inf. R. König Georg

Nr. 106, zu d. Offizieren d. Res. dieses Negts. übergeführt. ;

Den 24. Oktober. Burmann, Hauptm., St. Hauptm. im 5. Inf. R. Kronprinz Nr. 104, m. Pens. d. Abs. bew. Lindner, Oblt. im 2. Fußart R. Nr. 19, m. Pens. zu den Offizieren d. Landw. Phar. 1. Aufgeb. übergeführt. Scheffel, charak. Maj. z. D. und

ez. Offiz. b. Landw. Bez. Wurzen, mit d. Erlaubn. z. Tr. d. Unif. d. 11. Inf. Regts. Nr. 139, Schurig, charakt. Oberstlt. ¿. D., m. d. Erlaubn. z. ferneren Tr. d. Unif. d. 2. Gren. Regts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, unter Fortgewährung d. geseul. Pens. d. Absch. bew.

Im Sanitätskorps.

Dr. Grahl, St. und Bats. Arzt d. 2. Pion. Bats. Nr. 22, zum 3. Feldart. R. Nr. 32 vers. und mit Wahrn. d. Gesch. d. Regts. Arztes b. diesem Regt. beauftr. Dr. Meyer, St. und Bats. Arzt im 2. Fußart. R. Nr. 19, in gleicher Eigenschaft zum 2. Pion. B. Nr. 22 vers. Dr. Toennies, Unt. Arzt im Karab. R., zum Assist. Arzt befördert. Dr. Heyne, Ob. St. Arzt z. D. und diensttuender San. Offiz. b. Bez. Komdo. Chemnitz, Dr. Wolf, Ob. St. Arzt z. O. und diensttuender San. Offiz. b. Bez. Komdo. 11 Dresden, d. Charakter als Gen. Ob. Arzt verliehen.

Beamte der Militärverwaltung. Durch Allerhöchsten Beschluß.

Den 5. Oktober. Völker, Ob. Zahlmstr. im 2. I M Otto. Obi Zahblmitr.. im 14. Inf. R. Nr. 1 Charakter als Rechn. Nat verliehen.

Durch Verfügung des Kriegsministeriums.

Den 1909. Oktober. Weidner, Zahlmstr. im 1. Fußart. N. Nr. 12, Grunidcke, Zahlmstr. im 13. Inf. R. Nr. 178, Busse, (* adi im 2. Fußart. N. Nr. 19, d. Titel Ob. Zahlmstr. ver- tehen.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

die Regierungsassessoren Dr. Tewaag in Stettin, Dr. Küster in Arnsberg, Eckardt in Allenstein, Dr. Hermann Schult in Essen, Dr. Kaempfe aus Marienwerder, zurzeit in der Kolonialverwaltung beschäftigt, von Haugwiß in Düsseldorf, Moll in Düsseldorf, Reininghaus in Schleswig, Breest in Potsdam, Heffter in Allenstein, Gaede in Gumbinnen, Dr. Genth in Stade, von Bothmer in Wiesbaden, von Pilgrim in Arnsberg, Dr. von Stein M Marienwerder, Zimmer “in Kiel, Heine in Trier, Freiherr von Oer in Arnsberg, von Braunschweig in Bromberg, Freiherr von Oldershausen in Hannover, von Podewils in Merseburg, Dr. Eichhorn in Stade, Freiherr von Steinaecker in Oppeln, Dr. Keßler in Oppeln, Hoerle in Marienwerder, von Laer in Posen, Klausa in Breslau, Dr. Erlen y in Wiesbaden, Freiherr von Sch midt- feld in Berlin, Praël in Berlin, Springmann in Schleswig, Dr. von Shmidt in Merseburg, Dr. A mann in Schleswig, Dr. Czéh in Wiesbaden, ies - mann in Lüneburg, Siegfried in Marienwerder, M Liebih in Köslin, Keßler in Neutölln, Dr. Brandau in Trier, von Boetticher in Düsseldorf, Dr. Bömke in Cassel, Trümpelmann in Schleswig, von Donat in Magdeburg, Rastell in Königsberg, Julius Schulß in Posen, Freiherr von Türke in Düsseldors, von Lock stedt in Erfurt, von Anker in Berlin, Shmiedel in Berlin, Freiherr von Frydag in Bromberg, von Ruville in Liegniy, Mac Lean in Berlin, Dr. Backhausen in Bromberg und Dr. Helfriß in Aurich zu Regierungsräten zu ernennen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht : den Jnhabern der Firnza Carl Hagenbeck, Heinri und Lorenz Hagenbeck in Stellingen bei Hamburg das Prädikat als Königlich preußische Hoflieferanten zu verleihen.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Fräulein Klara Eckert ist zur Königlichen Gewerbeschul- lehrerin an der Gewerbeschule in Thorn und N

Fräulein Klara Friedemann zur Königlichen Gewerbe- \hullehrerin an der Handels- und Gewerbeschule für Mädchen in Rheydt ernannt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem zum Kreistierarzt ernannten Tierarzt Dr. Wilhelm Holzapfel ist die Kreistierarztstelle in Olpe und e dem zum Kreistierarzt ernannten Tierarzt Dr. Frit Schmidt die Kreistierarztstelle in Blumenthal i. H. verliehen wörden.

Finanzministerium. Königliche Generallotteriedirektion.

Bean maun

Die Erneuerun gslose sowie die Freilose zur 5. Klasse der 3. Preußisch -Süddeutshen (229. Königlich eei Klassenlotterie sind nah den §8 5, 6 und 13 des Lotterieplans unter Vorlegung der entsprechenden Lose aus der 4. Klasse bis zum 3. November d. J., Abends 6 Uhr, bei Verlust des Anrecht s einzulösen. ;

Die Hiehung der 5. Klasse dieser Lotterie wird am 7. November d. J.,, Morgens 8 Uhr, im Ziehungssaale des Lotteriegebäudes ihren Anfang nehmen. E

Die Einschüttung der Freilosnummer- und Gewinnröllchen erfolgt am 6. November d. J., Nachmittags 2 Uhr.

Berlin, den 28. Oktober 19183.

Königlich Preußische Generallotteriedirektion. Strauß. Ulrich. Gramms. Dr. Däumling.

Bekanntmachung.

Gemäß 46 des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (Geseßsammlung Seite 152) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß im laufenden Steuerjahre aus dem Betriebe der Bentheimer Kreisbahn ein kommunalsteuerpflihtiger Rein- ertrag nicht erzielt worden ist.

Münster (Westf.), den 24. Oktober 1913.

Der Königliche Eisenbahnkommifsar. Richard.

BekrauntmaGUmnds.

Dem Markscheider Otto Lauber ist von uns unterm 6. August 1913 die Berechtigung zur selbständigen Ausführung von Markscheiderarbeiten innerhalb des Preußischen Staatsgebietes erteilt worden. Derselbe hat seinen Wohnsiß in Bredeney bei Essen a. d. Ruhr genommen.

Dortmund, den 25. Oktober 1913.

Königliches Oberbergamt. J. V.: Kaltheuner.

Nichkamlliches. Deutsches Reich.

PVreußen. Berlin, 28. Oktober 1913.

Jn der am 27. Oktober unter dem Vorsiß des Staats- ministers, Staatssekretärs des Jnnern Dr. Delbrück ab- gehaltenen Plenarsißung des Bundesrats wurde der Vorlage, betreffend die Gestaltung der Regierungsverhältnisse im Herzogtum Braunschweig, die Zustimmung erteilt.

Die Vorlage hat, wie die „Norddeutshe Allgemeine Zeitung“ mitteilt, folgenden Wortlaut:

„Berlin, den 16. Oktober 1913

Die Königlich preußishe Negierung hat durch einen Antrag vom 18. Mai 1885 (Nr. 89 der Drucksachen) die Aufmerksamkeit des Bundesrats darauf gelenkt, daß zwishen Preußen und Braunschweig Mißhelligkeiten voraussichtlih entstehen würden, wenn Setne König- lihe Hoheit der Herzog von Cumberland Herzog von Braunschweig würde; der Herzog voa Cumberland habe sich dem Proteste seines Herrn Vaters, des Königs Georg, gegen den dur die Reichsverfassung gewährleisteten preußisdhen Besiß der Provinz Hannover angeschlossen und befinde sich gleich diesem im ideellen Kriegszustande gegen Preußen; seine Thronbesteigung würde deshalb die unvermeidliche Folge haben, daß fich in Braunschweig unter der staatlihen Autorität eines der Teilhaber an der souveränen Bundesgewalt ein Stütpunkt für verfassungswidrige Bestrebungen bilden würde, deren Spiße gegen die Integrität des preußischen Staates gerihtet wäre; die innere Sicherheit des Neihes würde dadurch gefährdet. Der Bundesrat hat hierauf am 2. Juli 1885 422 der Protokolle) beschlofsen:

die Ueberzeugung der verbündeten Regterungen dahin aus- zusprechen, daß die Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig, da derselbe sh in einem dem reihéverfassungs- mäßig gewährleisteten Frieden unter Bundesmitgliedern wider- streitenden Verhältnisse zu dem Bundesstaate Preußen befindet und im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Gebietsteile dieses Bundesstaats mit den Grundprinzipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung nicht vereinbar sei.

Fim Fahre 1907 hat Braunschweig anläßlich des Todes seines ersten Regenten auf Grund des Regentschaftsgesetzes vom 16. Februar 1879, Seiner Königlichen Hoheit des Prinzea Albreht von Preußen, beim Bundesrat eine Nachvrüfung der Angelegenheit angeregt (Nr. 8 und 38 der Drucksachen), nahdem der Herzog von Cumberland am 2. Oktober 1906 erklärt hatie, - daß er mit seinem ältesten Sohne Prinz Georg Wilhelm zu Gunsten seines jüngsten Sohnes, des Prinzen Ernst * August, auf den braun- \{chwetgishen Thron verzthten würde, sobald die Gewißheit bestehe, daß der Regierungsübernahme des jüngsten Sohnes keine Hindernisse ent- gegenstehen. Die Herzoglich braunschweigishe Regierung hat hierbei betont, daß dur diese Erklärung die Sah- und Rechtslage, die zu dem Beschlusse des Bundesrats vom 2 Juli 1885 geführt und in ihm Ausdruck gefunden habe, verändert set, und daß, falls die Organe des Herzoglums ihre Entschlüsse lediglich von rein braun- \{chweigishen Gesichtspunkten aus zu fassen hätten, der Uebernahme der Regierung durch den Prinzen Ernst Uugust nihts mehr im Wege flehen würde. Der Bundesrat aber hat eine entscheidende Aenderung. der Sach- und Nechtslage niht anerkennen können und d E am 28. Februar 1907 153 der Protokolle) den durch den Beschlu vom 2. Juli 1885 geschaffenen Rechtszustand aufrechterhalten.

Seit dieser Zeit find durch eine Kette von Ereignissen die Be- ziehungen des Herzoglich braunshweig -lüneburgischen Hauses zu Preußen und seinem Königshause derart verändert worden, daß eine erneute Nachprüfung der Angelegenheit geboten erscheint.

Nachdem der Prinz Georg Wilhelm am 20. Mai 1912 gestorben ist, fommt als Herzog von Braunschweig, sobald Seine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland den im Jahre 1906 und jeßt erneut tn Aussicht gestellten Verzicht auf den braunshweigishen Thron ausgesprohen haben wird, ledtglich Seine Königliche Hoheit der Prinz Ernst August in Betraht. Durch die Vermählung des Prinzen mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Viktoria Luise von Preußen sind zwischen dem preußishen Köniashaus und dem Herzog- lih braunshweigisch-lüneburgischen Hause enge Famllienbeziehungen ge- \chaffen wor Seine Königliche Hoheit hat außerdem mit Zustimmung setnes Herrn Vaters seine Anstellung als Offizier tm Königlich preußischen Heere uachgesucht und Seiner Majestät dem Kaiser und König Treue und Gehorsam etdlih gelobt. Er erblickt in diesem Eide, wie er dem unterzeihneten Meichskanzler und Königlich preußischen Ministerpräsidenten gegenüber \{ristlich erklärt hat, zugleich das Versprechen, daß er Sts tun und nichts unterstüßen werde, was darauf gerichtet sei, den derzeitigen Besißstand Preußens zu verändern. An dieses Versprehen erachtet er sih für immer gebunden, da es eine Verpflichtung enthalte, die fih für einen deutshen Bundesfürsten von selbst ergebe.

Unter diesen Umständen kann niht mehr behauptet werden, daß Seine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland und sein Haus sih zu dem Bundesstaate Preußen in einem Verhältnis befinden, das dem reihsverfassungsmäßig gewährleisteten Frieden unter Bundes- gliedern widerstreite. Hièrnach- ist es aber au ausgeschlossen, daß durch die Uebernahme der Regterung Brannschweigs durch den Prinzen Ernst August die Welfenpartei, die troy aller dieser ae noch immer für das Haus des Herzogs von Cumberland Ansprüche auf Gebietsteile Preußens glaubt verfehten zu müssen, eine mit dem inneren Frieden und der Sicherheit des Reichs nicht verträgliche Unterstößung ihrer Bestrebungen erfahren würde. Die Königlich preußishe Regierung ist daher der Ueberzeugung, daß die Voraus- seßungen, auf denen die B:schlüsse des Bundesrats beruhen, weg- gefallen sind. Nacbdem die Herzoglih braunshweigishe Regterung am 11. Oktober 1913 eine Nachprüfung der Angelegenheit angereat hat, erachtet die Königlih preußische Regierung, die zu dem Beschlusse des Bundesrats vom 2. Juli 1885 die Veranlassung gegeben hat, es für ihre Pflicht, den Bundesrat von dieser ihrer Ueberzeugung in

Kenntnis zu seyen und den Antrag zu stellen:

Der Bundesrat wolle beschließen:

1) die Ueberzeugung der verbündeten Regierungen dahin auszusprehen, daß die Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Ernst August, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg, in Braunschweig im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Veränderung der Sach- und Rechtslage mit den Grundprinzipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung vereinbar sein würde; i

2) die braunschweigische Landesregierung hiervon zu ver- ständigen.

von Bethmann Hollweg.“

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 25. Oktober S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision in’ Corfu, S. M. S. - „Bictoria Louise“ in Neapel. S. M. S. „Möwe“ in Daressalam und S. M.S. „Tiger“ in Schanghai, am 27. d. M. S. M. S. „Gneisenau“ in Ts\chifu eingetroffen. j

Infolge der unsicheren Lage in Mexiko ist S. M. S. „Nürnberg“ am 21. d. M. von Yokohama aus nach Mazatian (Mexiko) in See gegangen.

Potsdam, 28. Oktober. Seine Majestät der Kaiser und König traf gestern nachmittag, wie „W. T. B.“ meldet, von Wien auf der Fürstenstation Wildpark ein und begab sich mit Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin, Aller- höchstwelche sich dort zum Empfang eingefunden hatte, nah dem Neuen Palais bei Potsdam. Später trafen auf dem Bahnhof Wildpark Jhre Majestät die Königin der Hellenen und Jhre Königlichen Hoheiten die Prinzessin Friedrich Carl von Hessen, Es Paul und die Prinzessinnen Helene, Jrene und Katharina von Griechenland ein und begaben sich gleichfalls nah dem Neuen Palais. Abends war in der Jaspisgalerie des Palais bei Jhren Majestäten eine Tafel, zu der außer den anwesenden Fürstlichkeiten und dem Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg auch der Vor- stand und die Mitglieder der deutschen und der britischen Ab- teilung der König Eduard VII.-Stiftung geladen waren.

Rathenow, 28. Oktober. Zur Ueberbringung des Er- gebnisses des Bundesratsbeschlusses an Jhre König- lichen Hoheiten den Herzog und die Herzogin Ernst August zu Braunschweig und Lüneburg trafen heute LO wie „W. T. B.“ meldet, der Staatsminister Hartwieg, er Minister Wolff - und der Oberstallmeister Freiherr

von Girsewald aus Braunschweig hier ein.

Vayern.

Im Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern hat, der „Korrespondenz. Hoffmann“ zufolge, gestern unter dem Vorsitz des Staatsministers Freiherrn von Hertling eine Sißzung des Regentschaftsrats stattgefunden.

Braunschweig.

Die außerordentliche Landesversammlung wurde gestern nachmittag im Sißungssaale des Landschaftlichen Hauses eröffnet. Der Minister Radkau verlas laut Meldung des „W. T. B.“ folgende Ansprache :

Meine Herren Abgeordneten! Auf Höchsten Befehl habe ich Ihnen den Willkommen Seiner Hoheit des Herzogs Johann Albrecht zu Melenburg, unseres Gnädtgsten Regenten, zu entbteten. Seitens des Staatsministers Hartwieg als Ersten Bevollmächtigten dés Herzogtums zum Bundesrat ist soeben aus Berlin eine Depesche ein- gelaufen, welhe lautet: Der Bundesrat hat foeben in seiner außerordentlichen Plenarsitzung in der braunshweigischen Thron=- folgefra ge gemäß dem Antrage Preußens einstimmig beschlossen:

1) die Ueberzeugung der verbündeten Yegierungen dahin auszusprehen, daß die Negterung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Ernst August, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg, in Braunschweig im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Veränderung der Sach- und Rechtslage mit den Grundprinzipien der Bundesverträge und der Reichsverfassung vereinbar sein würde ; \

2) die braunschweigische Landesregierung hiervon zu ver- ständigen.

Die Erwartung dieses hochbedeutsamen Beschlusses hat die Ein- berufung dieses außerordentlihen Landtages veranlaßt. Erfüllt von hoher Freude und tiefbewegt stehen wir somit nah 28jähriger Wirk- samkeit des Regentschaftsge|eßes unmittelbar vor der Thronbesteigung Seiner Königlichen Hohett des Prinzen Ernst August, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg. Es muß dem leitenden Minister vor- behalten bleiben, in der nächsten Sißung die etnschlägigen Vor- gänge, soweit solches zurzeit möglih ist, darzulegen und zu würdigen. Schon heute ist aber hervorzuheben, daß die Landes- regierung in formeller und sacbliher Uebereinstimmung mit dem Standpunkte Seiner Königlichen Hoheit es für angezeigt erachtet, die Regelung der landesfürstlihen Rente tin Höhe der ¡eßtgen Bezüge des erlauhten Regenten durch die dem Ausschuß der Landesversamm- lung bereits zugegangene Vorlage noch vor dem Regierungsantritt Seiner Königlichen Hoheit herbeizuführen. Weitere sahliche Vor- lagen kommen für die Zeit bis zum Regierungswechsel voraussichtlich nicht in Betracht. Für die Zeit nah dem Regierungswechsel muß alles Weitere naturgemäß vorbehalten bleiben. Hiernach erkläre ih Höôchstem Befehle gemäß den außerordentlichen Landtag für eröffnet.

Nach der Vereidigung der neugewählten Mitglieder ließ der Alterspräsident Lambrecht die Wahl der für den ersten Präsidenten in Vorschlag kommenden Abgeordneten vornehmen. Während einer Pause wurde die Liste der Gewählten Seiner Hoheit dem Herzog-Regenten zur Bestätigung vorgelegt, der den an erster Stelle vorgeschlagenen Abg. Krueger-Wolfen- büttel als ersten Präsidenten bestätigte.

Wie die amtlichen „Braunschweigischen Anzeigen“ ve- rihten, findet der Einzug Jhrer Königlichen Hoheiten des U und der Herzogin Ernst August in Braunschweig am 3. November statt.

Grofßzbritaunien und JFrland,

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Sir Edward Grey hielt gestern in einer liberalen Versammlung in Berwick eine Rede über die Homerulefrage, in der er laut Meldung des „W. T. B.“ im wesentlichen folgendes ausführte :

Die Gegenseite appeliert für eine Erledigung dieser Frage auf der Grundlage gegenseitiger Uebereinstimmung. Wir wollen diesen Appell nicht unbeachtet lassen, aber das wird nicht erleichtert dur) die aufreizende Sprache und die Drohung mit dem Bürgerkriege. Der Minister fuhr fort, er frage niht wogecen, sondern wofür die Kämpfe der Ulsterleute dienen llten Das Unterhaus müsse von der Behandlung lokaler irischer Fragen endgültig bcfreit werden.

Rußland. :

Dem gestrigen Ministerrat hat der Kriegsminister, wie „W. T. B.“ meldet, einen Geseßentwurf unterbreitet, betreffend die Gründung einer zweiten Schule für Kriegsbaukunst für 300 Schüler in Sit. Petersburg, der den Abschluß der Bau- arbeiten für Ende August 1915 plant. Es wurde beschlossen, in Kiew eine vierte Artillerieshule zu errihten, deren Bau ebenfalls Ende August 1915 beendet sein soll. Ferner wurde die Frage der freien Einfuhr aller Handelsartikel außer Wodtka und Getreide aus der Mongolei in die Provinzen, die dem Generalgouverneur in Jrkutsk unterstehen, behandelt.

Ftalien.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ waren bis gestern abend 394 Wahlergebnisse bekannt. Es wkren his dahin ge- wählt: 190 Ministerielle Konstitutionelle, 48 Ministerielle Radikale, 15 Mitglieder der Konstitutionellen Opposition, 20 Katholiken, 96 Radikale Sozialisten, 16 Neformistische Sozialisten, 10 Re- publifaner. 74 Stichwahlen waren nötig.

Spanien.

Das neue Kabinett sezt sich laut Meldung des „W. T. B.“, wie folgt, zusammen: Vorsiß: Dato; Jnneres: Sanchez Guerra; Auswärtiges: Marquis Lema; Krieg: Echague; Marine: Angel Miranda; Finanzen: Bugallal; Oeffentliche Arbeiten: Vadill o; Unterricht: Bergamin; Justiz: Ugarte.

Jn einer Unterredung mit dem Grafen Romanones erflärte der Ministerpräfident Dato, das neue Kabinett werde in der internationalen Politik die von dem früheren Kabinett vorgezeichnete Nichtung ohne die geringste Abweichung weiter verfolgen.

Türkei.

Nach dem vorgestrigen Ministerrat hat die Pforte dem türkishen Delegierten in Athen neue Jnstruktionen betreffs der strittigen Punkte der Vakuffrage und anderer Fragen über-

sandt. Serbien. Die ferbishe Regierung hat ihre Zustimmung zur Er- nennung des ehemaligen montenegrinischen Ministerpräsidenten Lazar Miuschkowitsch zum Gesandten in Belgrad erteilt.

Bulgarien.

Der Finanzminister Tontschew hat sih gestern mit dem Direktor des Staatsschuldenwesens nah Wien begeben. Wie das Wiener „K. K. Telegraphen-Korrespondenzbureau“ meldet, steht die Reise des Ministers mit verschiedenen Plänen in Verbindung, die die Konfolidierung der Finanzen Bulgariens bezwecken.

Amerika.

Der Präsident Wilson hat gestern in Mobile eine Rede gehalten, “in der er nah einer Meldung des „W. T. B.“ ausführte :

Das Leitmotiv der Vereinigten Staaten in den Beziehungen zu den amerifanischen Ländern sei das Moralitätsprinziv, niht das Nüßlichkeitsprinzip. Wilson kritisfierte die materiellen Interessen, die die Auslandspolitik einiger Regierungen tn ihren Beziehungen zu dem romanischen Amerika beeinflußten. Die Vereinigten Staaten erstrebten fetnen Fuß breit Landes durch Eroberung. Sie müßten den Nationen ihrer Hemisphäre in der Befreiung von den materiellen Interessen anderer Nationen beistehen, damit sie sich unbeschränkt ihrer ver- fassungsmäßigen Freiheiten erfreuen könnten. Im romanischen Amerika würden dem fremden Kapital Konzessionen erteilt. Darin liege ein Privileg. In den Vereinigten Staaten erhielten Ausländer keine Konzessionen. Dort würden sie nur eingeladen, Kapital zu investieren. In Staaten, die sih zu Konzessionen genötigt sähen, könnten die fremden Interessen leiht zur Beherrshung ihrer inneren Angelegenheiten ge- langen. Die Union hielte es für ihre Pflicht, sie von dieser uner- träglihen Unterordnung zu befreien. Der Präsident sprach die Er- wartung aus, daß die Entwicklung des Landes nach Eröffnung des Panamakanals ein bedeutender Faktor sein würde, um das romanische Amerika von seiner Abhängigkeit von fremdem Kapital zu befreien.

Wie eine vom „W. T. B.“ verbreitete Depesche aus Mexiko meldet, haben die Aufständischen einen Militärzug in der Nähe von San Salvador in der Provinz Zacatecas mit Dynamit in die Luft gesprengt. 115 Soldaten sind getötet und viele verwundet worden.

Asien.

Die Mongolei hat, wie „W. T. B.“ meldet, die bevor- stehende Einführung von Ein- und Ausfuhrzöllen in Höhe von 10 Proz. vom Wert für alle fremden Güter, die in Urga, dem einzigen bedeutenden Handelsplaßze, eingehen, angekündigt. Russishe Waren sind von diesem Zolle befreit. Die Zölle werden bereits von chinesishen Händlern erhoben.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der Reichstagsersaßwahl am 23. d. M. im Wahlkreise Oberpfalz 3 (Neumarkfl) wurden, wie „W. T. B.“ meldet, nah dem amtlichen Wahlresultat von 20 437 Wahlberechtigten 13398 gültige Stimmen abgegeben ; davon erhielten der Pfarrer Lederer -Lupburg (Zentrum) 11 772, der Büttnermeister Dollinger-Sulzbürg (liberal) 1016, der Kassierer Trummert-Nürnberg (Sozialdemokrat) 527, der Bauer Johann Pollinger-Otterzhofen (Zentrum) 64 Stimmen. Zersplilttert waren 19 Stimmen. er Pfarrer Lederer (Zentrum) ist gewählt.

Statistik und Volkswirtschaft.

Schiffsunfälle an der deutshen Küste und Unfälle deutsher Schiffe außerhalb der deutschen Küstengewässer im Jahre 1912.

‘Aus den Nachweisungen des Kaiserlihen Statistishen Amts über die im Jahre 1912 gemeldeten Schiffsunfälle wird ersichtlih, daß an der deutschen Küste mit Einschluß der von Seeschiffen befahrenen Binnengewässer 576 Schiffe mit 194330 Registertons (davon 263 Dampfer mit 162188 Reg.-Tons) Unfälle erlitten haben; hierunter befanden sich 438 deutsche Schiffe und Fahrzeuge mit 113 524 Reg.-Tons (187 Dampfer mit 89 067 Neg.-Tons). Außer- halb der deuts%hen Küstengewässer ereigneten sih ferner Unfälle von 908 deutschen Schiffen mit 353 767 Reg.-Tons (hierunter 238 Dampfer mit 313 716 Reg.-Tons). Insgesamt sind demnah 746 deutsche Schiffe mit 467291 Reg.-Tons (darunter 425 Dampfer mit 402 783 Yea.-Tons) als von Unfällen betroffen gemeldet worden.

Gänzlich verloren gingen nah den für das Jahr 1912 vorliegenden Meldungen 83 deut\che Schiffe mit 29671 Neg.-Tons (hierunter

0 Dampfer mit 22 680 Weg,-Tons), Ums Leben kamen bei den

Schiffsunfällen deutsher Schiffe aller Art au See und in Binnen- gewässern 193 Menschen (183 Mann der Besaßung und 10 Reisende), davon an der deutschen Küste mit Einshluß der von Seeschiffen be- fahrenen Binnengewäfser 36 Menschen (27 Mann der Besaßung und 9 Reisende); von diesen befanden fich auf deutshen Schiffen 35 Menschen (26 Mann der Besaßung und 9 Reisende).

Zur Arbeiterbewegung.

Die Leitung der Werft Tecklenborg in Geestemünde teilt, „W. T. B.“ zufolge, mit, daß sie gezwungen war, weitere 500 Arbeiter zu entlassen. (Vgl. Nr. 253 d. Bl.)

Woßhlfahrtêpflege.

Der fkürzlich in Saarbrücken verstorbene Großindustrielle, Kom- merzienrat Etgar Böcking hat, wie „W. T. B.“ meldet, dem Kreise Saarbrücken zur Errichtung eines Findelheims 600000 # vermacht.

Kunft und Wissenschaft.

Ein zu Forshungszwedcken befonders eingerihtetes \chottis&es Schiff hat im Spätsommer dieses Jahres eine Reise zum Zweck besonderer hydrographisher Untersuchungen in der Nordsee vor- genommen, und zwar gleichzeitig mit 8 anderen Fahrzeugen. Von diesen waren ein zweites s{ottisches und ein chwedi\ches gleichfalls als Forshungs- stationen ausgestattet, die übrigen waren leihte Fahrzeuge, und zwar zwei holländische und vier englishe. Der Versuchsbereih erstreckte si auf die Nordsee zwischen der schottishen Küste und dem Skagerrak. Die hauptsählihe Aufgabe bestand in der Messung der Be- wegungen der Wassermassen innerhalb dieses Meeresteils. Da- mit sind niht die oberflächlihen Verschiebungen durch vor- übergehende Winde gemeint, fondern Verseßungen großer, bis in die Tiefe reihender Wasserschichten. Die Schiffe wurden für diese Messungen sämtlih vor Anker gelegt. Die Beobachtungen bestanden in Messungen der Strömung in der Nähe der OberfläGße und am Boden, bei {önem Wetter auch noch in anderen dazwischen liegenden Tiefen. Zwei Wochen lang geschahen die Messungen jede Stunde am Tage und bei Naht. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Er- scheinung zugewandt, die als untermeerishe Wellen bezeihnet wird und der Vermutung nah in einer Tiefe auftritt, wo sich das s{chwerere Bodenwasser mit dem leihteren Oberflächenwasser berührt. Für die Messungen wurden eigens konstruierte Instrumente benußt. Auch die Temperaturen und der Salzgehalt der verschiedenen Schichten wurde durch Entnahme von Proben in Flaschen festgestelt. Außerdem wurden auch in allen Tiefen die im Wasser chwimmenden winztgen Lebewesen gesammelt, die unmittelbar oder mittelbar die Nahrung aller Fang- fishe der Nordsce bilden. Im ganzen wurden von den englischen Schiffen allein über 8000 Strömungsmessungen ausgeführt. Der Zweck dieser von einem besonderen Aus\{chuß der internationalen Meeresforshung ausgeführten Unersuchungen liegt in der Feststellung des Einflusses der Zusammenseßung und Bewegungen des Seewassers auf die Wanderungen und auf dte Häufigkeit der Fische, von denen der Ertrag der Nordseefisherei abhängt. Es hat sich z. B. heraus- gestellt, daß das stärkere oder geringere Vorkommen des Herings im Kattegat und Skagerrak unmittelbar auf der Wassermenge beruht, die von der Nordsee in die Ostsee einstrômt.

Literatur.

__— Das Werk Wilhelm Raabes von Heinrich Spiero. (Xenienverlag in Leipzig; 3 H, geb. 4 4) Ein tüchtiger Kenner ‘Naabes, seiner Persönlichkeit und seiner Dichtungen, hat auf Grund langjähriger Forscherarbeit in dem vorliegenden Büchlein feine An- s\chauungen über das Lebenswerk dieses bedeutenden deutschen Humo- risten niedergelegt. Gr bietet zunächst eine knappe Uebersicht über den Stand des deutshen Schrifttums bei RNaabes Geburt und eine Skizze von Naabes äußerem Leben. Dann werden die Werke der Jugend, die Nomane der Stuttgarter Zeit, die Dichtungen der Jahre 1870 bis 1890 fowie diejentgen des Alters in etnzelnen Abschnitten in ihrer Entstehung verfolgt und in ihren Bezügen und Gegensätßen zur zeit- genösfischen Literatur gekennzeihnet. Schließlih wird ein Gesamtbild versuht, in dem Naabes Kunst als Erzähler mit Verständnis ge- kennzeidnet ist. Anmerkungen, die über die wichtigsten Erscheinungen in der Naabe-Literatur unterrichten, ein Verzeichnis der Werke Naabes und ihrer Anführungen in der vorltegenden Schrift und ein Namen- register {ließen das Buch, das den zahlreilhhen Verehrern des Dichters empfohlen sei.

Heimwärts. Gedihte von Wilhelm Shussen (Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart und Berlin; geb. 3 6). Aus den Ge- dihten Schussens spriht ein warmes Gemüt, ein stiller, nahdenkliher Sinn, und da sich tin einer Anzahl von thnen {lichte Gedankentiefe in ansprechender, einwandfreier Form gibt, möchte man über den Gedichtband gerne günstig urteilen. Man vermag es aber nicht, denn die Mehrzahl der Gedichte ist nach Form und Inhalt unausgereift, enthält verzeihnete Bilder, Notreime, \törende Prosawendungen, falsche Sagßzgebilde und andere Unzulänglichkeiten in so reihem Maße, daß sie feinen reinen Genuß auffommen läßt. In den Gedanken und im Ausdruck Schussens ist etwas Schwerflüssiges, Knorriges : das könnte unter Umständen seinen Gedichten einen besonderen Reiz ver- leihen ; die Shweiflüssigkeit ist aber vielfah so wenig gemeistert, daß die Gedanken unklar und thr Ausdruck dilettanti\ch bleiben. Wenn Schussen auch die baroÆe Unmanier der Modernsten vermetidet, so ist feine Sprache doch oftmals gesuht. Ein lyrishes Talent ist dem Verfasser aber nicht abzusprehen, und man muß abwarten, inwieweit es entwidcklungsfähig sein wird. Mehr Selbsikcitik und ernstes Be- ümhen um eine retne Sprache würden hierfür Vorbedingungen sein.

Noch weniger Gutes 1äßt sih von den deutschen Nuhmes- bildern und Ehrentafeln, Widmungen und Weihungen von Heinrich Vierordt (Verlag der Wintershen Universitätsbuch- handlung in Heidelberg; 1,20 4, geb. 2,50 4) sagen. Wenn andere Dichter diesen oder jenen großen Toten oder Zeitgenossen in einem Gedicht ein Denfmal setzten, so b¿denkt Vierordt gleich eine ganze Ver\ammlung berühmter oder doch mehr oder wentger be- kannter Männer mit setnen „Widmunaen und Weihungen“. Nahe an ein Hundert von ihnen hat er in Versen zu charakterisieren und zu bewerlen versucht: Walther von der Vogelweide, Dante, Eraëmus, Luther, Dürer, Bach, Händel, Goethe, Schiller, Humboldt, Beethoven, Hölderlin, Kleist, Ranke, Carlyle, Liszt, Brahms; daneben kleinere oder Zeitgenossen, wie Schmidt von Werneuhen, Jahn, Kerner, Bogumil Gol, Julius Mosen, Kinkel, Jensen, Hansjakob, den Grafen Zeppelin, Richard Voß, Schnitthenner, Liltenfein u. a. m. Wie man sieht, eine rèecht bunte Gesell- schaft, avs der jeder sein Sprüchlein auf den Weg bekommt. Das würde ermüden, selbst wenn die „Widmungen und Weihungen“ echte, an sich wertvolle Gedihte wären. Das find fie aber nicht, sondern lediglih mebr oder weniger gelungene Reimereien. So liest man denn die lange Neihe oft \{chulmeisterhaft anmutender Urteile und fragt si, weshalb sie es und in dieje pseudo- dichterische Form gezwängt wurden. Man glaubt sih in eine Galerie verseßt, wo jedes Bildnts eine den Dargestellten belehrsam zensierende Umschrift trägt. So stimmen diese , Werhungen" durchaus nicht weihe- voll, und daran ändert auch die Tatsache nichts, daß Vierordts Charakteristiken selbst vielfah recht zutreffend sind und daß aus seinen Versen ein krästiges deutsches Empfinden spricht.

Der von dem Geheimen Regierungsrat und Stadtältesten von Beclin Ernst Friedel herausgegebene Groß Berliner Kalender liegt in setnem zweiten Jahrgang für 1914 vor. (Verlag von Karl Siegismund in Berlin, 2 F.) An vielseitigem und ge- diegenem Inhali sowte an zahlreihen guten, den Text glüdtlih unterstüßenden Abbildungen steht er dem wvorausgegangenen nidt nach, sodaß man ihm dieselbe frèuünblidie Auf- nahme wohl voraussagen darf, dle jener in weiten Kreisen gefunden hat, Der Kalender erweil|t sich. feinem Untertitel ent:

sprechend als ein illustriertes Jahrbuch für Grof Berlin. Allgemein Vaterländisches, Mitteilungen aus Wie Bein und der Mark Brandenburg wechseln mit solchen aus der Reihéhauvtstadt im engeren Sinne, mit Novellen, Grzäblyngen und Dichtungen, Stücken aus Geschichte, Sage und Erinnerung, Artikeln aus den Gebieten von Kunst und Ge- werbe, Handel und Industrie, endlich Aufsäßen aus Natur und Tecknik furz der gesamte Inhalt des über 300 Textseiten starken Bandes behandelt Dinge und Fragen, die mit Groß Berlin verknüpft sind. Da bei der Auswahl der aufgenommenen Beiträge mit Geshick und Geschmack vorgegangen ist, da die Beiträge selbjt von gut unter- richteten, federgewandten Mitarbeitern stammen und da \chließlich das Leben und Treiben einer Weltstadt großzügig und vielseitig genug ist, wird der Leser in keiner Weise durch Einseitigkeit ermüdet oder dur Enge in seinem Interesse beshränkt. Aus der aroßen Zahl der Aufsätze seten folgende beionders hervorgehoben : Schleiermachers vaterländisches Wirken vor und in den Tagen der Befretungskriege, von Oberhof- prediger D. B. Rogge; Louise von Oranien, die Stammutter der preußishen Könige aus dem Geschlehte der Colignys, vom Geh. Archivrat Dr. H. Keller; Der Kaiser als Berliner von P. Unden- berg; Landhausbauten in Groß Berlin, von Geh. Regierungsrat Dr.-Ing. H. Muthesivs; Wie wird Groß Berlin ernährt, von Professor Dr. Silbergleit: Der Märchenbrunnen im Friedrichs bain, vom Geh. Baurat Dr.-Ing. L. Hoffmann; Vom Berliner Theaterpublikum am Ende des 18. und im Anfang des 19. Jahrhunderts vom Geh. Hofrat S. Siehe; Atemzüge der Berliner Volks\eele von R. Jülicher : Akademische Unterrichtskurse für Arbeiter, E. V. Berlin von D. v. Lentz ; Unsere Spree und die Hohenzollern vom Admiralstabsfsekretär Chr. Voigt : Persönliche Er- innerungen an Th. Fontane vom Amtsgerichtsrat Dr. N Béringuier ; Berlin als Hafenstadt und Verkehréknotenpunkt vom Generalagent G. Frobeen; Innungs\chicksale von A. Foerster: Hofiagdrevier Oranienburg von Graf von Schlieben; Groß-Berliner Flugwesen von Dr. Hildebrandt. Die Abbildungen sind teils Nachbildungen guter photographisher Naturaufnahmen, teils solhe von ret stimmungsvollen Federzeihnungen des Potsdamers Wilhelm Thiele. Wer si dessen bewußt ist, welhen großen Schatz wir an unseren Volksmärchen besißen, wie sie uns die Gebrüder Grimm fein- sinnig gesammelt haben, wer si noch als Erwalhsener an der poetischen Schönheit, dem Gedankenreihtum, dem Humor, der Phantasiefülle und der genialen Charakterisierungskunst dieser ursprüngliben Märchen- welt zu erquicken gewobnt ist, der nimmt die neuen MärWenbücher, die fast jährlich auf dem Büchermorkt erscheinen, mit meist berech- tigtem Mißtrauen in die Hand. Es handelt \ich bei ihnen um Kunstprodukte, deren Verfassern oft die erste Voraus- seßung des guten Märchenerzählens, die Natürlihkeit und Naivität abgeht. Was den alten Volksmärhen ihren Haupt- reiz verleiht, daß sie aus einer Zeit stammen, in der das Wunderbare natürlich erschien, und aus Kreifen, die an Märchen glaubten, ift den modernen Märchen versagt. Sie versuchen ten Mangel durch etn Hinetnversegen in jene naive Geistesverfassung, oder durch das Verwenden moderner Errungenshaften zu Märchenmotiven zu erseßen. Oft mit - geringem Erfolg. Aber der Märchenhunger des Kleinen ist auch heute ncch unersättlih und, fofern man ihnen die alten Volksmärhhen dabei -niht vor- enthält, läßt sfich dagegen nichts saaen, daß man thn auch mit den besseren von den neuen Märchenbüchern \tillt. Zu diesen gehört die Märchensammlung von Gottwalt Weber „Aus der Stadtmaueredcke“ (Verlag von C. Bertelsmann in Gütersloh; Geschenkband 4 4). Der Verfasser hat alte Märchenmotive recht ges{ickt verwandt und neue mit Geshmack hinzugezogea. Am glück- lichsten scheint er im s{chwanghaften Genre, wenn er neue lustige Streiche der Swildbüraer erzählt. Ganz reizend sind die von dem Münchener Paul Hey für das Buch gefertigten, slimmungsvollen und anheimelnden Bilder. _Die Sammlung sei zum bevorstehenden Weih= nachtsfest empfohlen; sie wird dankbare kleine Leser und Hörer finden.

Verdingungen.

Spanten.

24. November 1913, 11 Uhr. Gleidzeitig in der „Primera Casa Consistorial“ in Madrid, Plaza de la Villa Nr. 5, und in der „Dirección General de Administración“ bes Stadtrats (Ayuntamiento) von Madrid vor dem Magistrat von Madrid : Vergebung der Ausführung und Unterhaltung der Asphaltierung der Straßen von Madrid bis zum 31. Dezember 1920. Vorläufige Sicherheitsleistung 10 000 Peseten, endgültige 20 000 Peseten. An- gebote find an die Abteilung für Verdingungen des Stadtsekretariats (Negociado de Subastas, Secretaria, Primera Casa Consistorial) oder an die Generalverwaltungsdirektion (Dirección General de Administración) der Madrider Stadtverwaltung in der Zeit vom 20 Oktober bis zum 23. November 1913 von 10 Uhr Morgens bis 1 Uhr Mittags einzureihen. Näheres an Ort und Stelle sowie in spanischer Sprache beim „Deutschen Reichsanzeiger“ und in der Redaktion der „Nachrichten für Handel, Industrie und Land= wirtschaft“ im Neichsamt des Innern.

Türke i.

Genecaldirektion der Hedjazbahn in Konstantinopel: Ver- gebung der Lieferung von 200 Stück Wellblech. Endgültiger Zuschlag am 3. November 1913. Angebote an die genannte Generaldirektion, Parmak Kapu, Aveneue du Théatre. Sicherheitsleistung 15 9%.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Zugunsten der Bestrebungen, dem Komponisten Gia- como Meyerbeer in seiner Vaterstadt Berlin ein Denk- mal zu errichten, fand Sonntag mit Allerhöchster Genehmigung im Köntglichen Opernhause vor einer das Haus im Parkett und in allen Kängen füllenden erlesenen Zuhörershaft eine Matinee statt, die einen ungewöhnlih lebhaften künstlerishen Erfolg hatte. Das Programm wies außer einem Prolog von Joseph von Lauff, den Otto Sommerstorff mit Wärme sprach, ledialih Werke Meyerbeers auf. .Es wurde dur die von der Königlichen Kapelle unter Leo Blehchs Leitung meisterlich gespieclte Struensee-Ouvertíre eingeleitet, der als zweite mußkalishe Gabe der Oratortensang Psalm 91 folgte, den Meyerbeer auf Befehl des Königs Friedrth Wilhelm IV. komponterte. Der Opern- chor trug dieses Werk, das zu einer Zeit geschaffen wurde, als der Komponist noh nicht scine glänzende musikdramatishe Laufbahn be- gonnen hatte, unter Professor Hugo Rüdels Leitung wirkungêvoll vor. Als Gesangs\olisten lteßen sch darauf Frau Arndt- Ober, die wir leider an Amerika verlieren, mit dem vollendeten Vortrag der berühmten Fides-Arie aus dem „Propheten“ und Frau Andrejewa - Skilondz (für die erkcankte Frau Hermine Bosetti) mit der großen Koloraturarie der Königin aus den „Qugenotten“, die sie mit ihrem silberbellen, leihtbeweglihen Sopran zu starker Geltung brachte, hören. Jhnen {loß sich Meister d’Andrade an, der im Kostüm die Ballade des Nelusco aus der „Afrikanerin* in italtenisher Sprache beisteuerte. Außer- ordentli beifällig wurde auch eine choreographishe Gabe, der berühmte „Faceltanz“, der bei besonderen Festlihkeiten am Königlichen Hofe getanzt wird, aufgenommen; das gesamte Ballettkorps der Königlichen Oper führte thn in einem retizvollen Bühnenrahmen vor. Einen Beitfallssturm, wie man ihn im Opernhause seltenerlebt hat, entfesselte die leßte Programmnummer: die bühnenmäßige Wiedergabe dez vierten Akts der „Hugenotten“ mit Fräulein Emmy Desttnn als Valentine und Herrn Jadlowker als Naoul. Bride boten hinreißeende Leistungen und wurden nah Schluß immer und immer wieder hervor, ejubelt. Mit E Genugtuung und besonderen Hoffnungen für die Zukunft sah man Fräulein Destinn an der Stätte wieder, von der thr Ruhm als Sängerin ausging. Auch die Herren Hoff- mann, Bronsgeest u. a. wirkten in diesem Aft verdicnstlih mit.