1894 / 10 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

gierungen diefes Gefeß nicht eingébraht haben. (Wider- spruch bei den Sozialdemokraten.)

Es ift das mit den Arbeiterentla}sungen eine wunderli@he Sache

Ich habe bei der sehr genauen Verfolgung allés, was über den Taback

in den leßten 4 Monaten geschrieben if, die Erfahrung gemächt, daß!

die Anzahl der Arbeiterentlassungen in demselben Verhältniß gestiégen ist, wie der Umfang der Agitation. Zuerst, meine Herren, wurde nämlich nur ganz \{ü{chtern behauptet, es würden 9000, vielleicht 10000 Arbeiter entlassen werden. Dann kam man zu 25 000, ja zu 33 000. Man erhißte \sich dann in den großen Agitationsversamm- lungen, nahm den Mund etwas voller und sagte: mindestens 50 000, und jeßt, meine Herren, find wir nun auf diefem Wege dahin gelangt, daß auf dem Kongreß der deutschen Tabainteressenten, der hier in Berkin getagt hat, es bereits hieß: es werden mindestens 80—100 000 Arbeiter entlafsen, und, meine Herren, in der Eingabe, die der deutsche Tabackverein Hier . dem hohen Reichstage überreiht hat, stebt ebenfalls: Zunächst „wird eine Entlassung von 100 000 Zigarren- arbeitern stattfinden. Gestatten Sie mir, daß ih nun einmal diefe 100000 Arbeiter etwas näher unter die Lupe nehme. Es wurde von der Tabaindustrie behauptet, in Deutschland gäbe es 160-000 Zigarrenarbeiter. Jch muß geftehen, daß ih eine ganze Zeit dieser Angabe mit einer gewissen Harmlosigkeit und Gläubigkeit gegen- über gestanden habe. J bin aber zuerst mißtrauisch gemacht worden durch eine Angabe, die ich nachher verifiziert Habe und die in der Presse der Tabackindustrie selbs gemacht war. Es wurde gesagt, bei uns in Deutschland giebt es 160000 Zigarrenarbeiter. Welche segensreihe Industrie, wo 160000 Menschen beschäftigt werden, während in Frankrei, wo das Monopol herrscht, nur 18 000 Arbeiter existieren, in Oesterrei, wo die Regie ist, nur 36 700. Durch diese Gegenüberstellung wurde ih ¿weifelhaft gegen die Zahl 160 000, ich habe dann diese Zahl 160 000 Fombiniert mit der Masse des Nohtabacks, der in Oester- rei, in Frankreih und in Deutschland jährli verarbeitet wird. Von Frankreich und von Oesterrei kennen wir das Quantum des Rohtabacks ganz genau, weil dort Regieverwaltungen sind, und bezüglich des Quantums des verarbeitetèn Rohtabaks in Deutschland verlasse ich mich einerseits auf die Angaben eines Sachverständigen, wie des Herrn Diffené, andererseits auf die Angaben, die in der Denkschrift des Tabackvereins gemacht find, die erst kürzlih dem Reichstag überreiht ist; danach werden bei uns jährli 1 480 000 Ztr. verarbeitet. Jn Frankrei findet die Ver- arbeitung von 722909 Ztr. und in Oesterreich 622344 Ztr. Rohtabak statt. Ich folgere daraus: bei uns in Deutsch- land würde ein Tabackarbeiter jährliß nur 9,25 Ztr., in Frank- reich 40,16 Ztr. und in Oesterrei 16,96 Ztr. verarbeiten. Ich gestehe ohne weiteres zu, daß die Zentralisierung der Industrie, das Monopol, die Verbesserung und erhöhte Anwendung von Ma- s{hinen und noch ein Faktor, der größere Gebrau der Pfeife gegen- über der Zigarre dahin führt, daß in einem Lande ein größeres Roh- tabackquantum auf den Arbeiter, in dem andern Lande ein fkleineres Quantum entfällt. Aber, meine Herren, wenn die Sahl 160 000 so absolut richtig wäre, so könnten folche Differenzen von 40,16 zu 9/25 nicht entstehen. Ich glaube, die Erklärung für diese Differenz ist eine sehr einfache, und ich werde mir später er- lauben, sie zu geben, nahdem i die Zahlen erörtert habe, die amtlih darüber vorliegen, wieviel Tabackarbeiter es in ganz Deutschland über- haupt giebt. Nach der Berufszählung vom Jahre 1882 waren rund nur 79 000 Personen, deren Hauptbeschäftigung Taback- fabrikation war, daneben 1578 Personen nebenfächlich und 63524 Personen Angehörige, welchße garnidst erwerbsthätig waren oder nebenbei eine erwerbende Thätigkeit trieben. Ich komme zu den Zahlen der Gegner. Nach dem Geschäftsbericht der Berufsgenossenschaften für 1892 existieren in Deutschland 4582 Be- triebe mit 107 452 Arbeitern. (Zuruf links.) Bitte, meine Herren, ih komme noch zur Hausindustrie! Also 107 452 Arbeiter gegenüber den behaupteten 160 000 Arbeitern! Jh habe mit nun gefragt, auf welcher Grundlage fann man zu der Zahl 160000 gekommen fein, und ich bin daß das auf folgende Weise zugegangen is. Bei der Be- schäftigung für Tabafarbeiter rechnet man nämlich pro Jahr nur 225 Arbeitstage, weil notorisch die Tabatarbeiter in großem Umfange auch landwirths{haftliße und andere Neben- arbeiten verrihten, während in den anderen Berufszweigen durch- schnittlich 280 Arbeitstage gerehnet werden. Man hat nun mit dies

Zahl 225 den Gesammtbetrag der durchschnittlichen Arbeitslöhne dividiert und ist dadurch auf eine derartige Zahl von gegen 137 000 ge- Tommen, hat dazu noch eine geschäßte Zahl der Hausarbeiter von 23 000 addiert und hat so die Zahl von 160 000 erlangt.

Meine Herren, ih glaube, aus der Gegenüberstellung dieser Zahlen, einerseits von 107 000, andererseits von 160000, und ferner aus der Thatsache, daß in der Tabaindustrie jährlich nur 225 Arbeitstage zur Anrechnung kommen, folgt mit Nothwendigkeit, daß, während die Zigarrenarbeiter in den Monopolländern und daher kommt das große Arbeitéquantum pro Kopf, welches ih Ihnen für die Monopolländer vorhin nachgewiesen babe ledigli Zigarrenarbeiter sind, der Arbeiter bei uns, der in der Hauptsache ländliher Arbeiter ist, vielfah nur in der Nebenbeschäftigung Zigärrenarbeiter ist, und umgekehrt, daß die Zigarrenarbeiter, die wir haben, vielfa und namentlich in Süddeutschland, nebenbei au land- wirthschaftlihe Arbeiten treiben.

Meine Herren, wenn nun wirklich ein Konsumrückgang s\tatt- finden und eine geringe Arbeiterentlassung eintreten sollte, so würden do die Arbeiter, die nebenbei au landwirthschaftliche Arbeiter find, jeden Tag andere Beschäftigung finden, und sie würden sie deshalb finden, weil gerade in jenen Gegenden, wo die Zigarrenindustrie blüht, be- känntlih ein starker Arbeitermangel besteht. Nach Westfalen, nach Hannover, nah Sachsen gehen unsere Arbeiter aus den östlichen Provinzen, weil in den westlihen Provinzen nicht genug landwirth- schaftlihe Arbeiter sind. Jene auch in der Landwirthschaft be- schäftigten Arbeiter würden also durch eine vorübergehende Entlassung keinerlei Schaden haben; im Gegentheil, ih glaube, wenn diese Arbeiter, namentli die jugendlichen Arbeiter auf diese komme ih naher noch weiter zurück —, einmal eine Zeit lang die dumpfe Luft der Zigarrenfabrik mit der gesunderen Beschäftigung! in Feld und Wald vertauschen, so würde das auf sie wie eine Ferien- kTolonie wirken. (Sehr rihtig! rechts.) Und nun, meine Herren, die jugendlichen Arbeiter! “Wir haben ih ‘habe Ihnen ‘das vorhin die Chre gehabt vorzutragen in Deutschland 107 000 versicherungs-

{ließlich zu der Ueberzeugung gekommen, |

pflichtige Tabactarbeiter, und bas find doch die Tabackarbeiter, von denen man- annehmen kann, daß sie; wenigsténs überwiegend, aus: der:

Arbeit in der Tabackindustrie ihren Lebensunterhalt erwerben; der - - fünfte Theil selbst dieser Arbeiter ‘ist unter: zwanzig Jahren, d. h.: wir

haben 22 000 jugendlihe TabaŒarbeiter unter zwanzig Fahren. ; Meine Herren, glauben Sie min wirklih, daß, wenn ein Theil dieser Arbeiter zur Entlassung kommen würde, das ‘von \{chädlichen Folgen für die Leute sein würde? Sie werden in dér Landwirthschaft im Westen, in Hannover, in Sachsen und au in Süddeutschland jeder-; zeit lohnende Beschäftigung finden (sehr wahr ! rechts, Widerspruh links), und wir im Osten werden“ die Annehmlichkeit haben, daß die Sächsengängerei etwas abnimmt. (Widerspruch links. Sehr rihtig! rets.)

Meine Herren, nun noch eins: Wenn wirklih vorübergehend Arbeiterentlassungen nothwendig sein sollten, so nehme ih: doch bei der humanen Gesinnung, die die deutschen Tabackfabrikanten für ihre Ar- beiter jeßt bezeugt haben, an, daß sie nit etwa die alten, vielleicht schon etwas abgängigen Arbeiter entlassen werden, sondern daß sie die jugendlichen, arbeitsfrishen, unverheiratheten Arbeiter entlassen werden. (Heiterkeit. Zurufe.) Sie können, meine Herren, mir ja nachher antworten!

Ich komme nun zu den Kontrolbestimmungen. Dieselben beruhen auf der Besteuerung des Rohmaterials, auf der Buchkontrole und auf der Bestandskontrole. Zunächst hat sich eine lebhafte Agitation gegen den Steuervers{hluß des Rohtabacks entwickelt. Man hat aber dabei, glaube ih, vergessen, daß ‘der Rohtaback, soweit er aus- ländisch ist, ja hon im Interesse des Zollkredits überwiegend unter Steuervershluß liegt, und daß ferner das Gesetz für den in Privat- niederlagen unter Verschluß liegenden Inlandstaback die große Er- leichterung einführt, daß hierfür eine Ueberwahungsgebühr, die jeßt bon den Pflanzern und Händlern bezahlt werden muß, nit mehr erhoben wird, sondern in Zukunft der Reichskasse obliegt. Meine Herren, die Buchkontrole und eine Bestandskontrole hat man ja auch in Amerika, und wenn Sie das Werk über die Enquête vom Jahre 1878 lesen, so werden Sie finden, daß diese Kontrole in Amerika keinerlei Unzufriedenheit bei den Tabafabrikanten und Händlern erregt hat.

Es ift nun in der Eingabe, die kürzli von dem Tabackverein hier im Reichstag überreiht worden ist, gesagt worden: wohin würde diese Buhkontrole führen; {ließlich würde, wenn auc in den Motiven das Gegentheil stände, man auch in das Geheimbuch hineiublicken und von den Fabrikationsgeheimnissen und den Vermögensverhältnissen Kenntniß bekommen. Meine Herren, ih glaube, das Vertrauen können Sie zu den verbündeten Regierungen haben, daß, wie ausdrücklich in den Motiven steht, daß dieses Geheimbuch niht Gegenstand der Kontrole sein wird, dieses Versprehen au gehalten wird. Und dann vergessen Sie do, bitte, nit, daß die Kontrolmaßregeln, die hier an- gegriffen werden, An- und Abmeldung des \steuerpflichtigen Gewerbes, die Befugniß des Steuerbeamten zur Revision, das Verbot des Besißes von Werkzeugen und Maschinen, die zur Fabrikation dienen, seitens anderer Personen als Fabrikanten, die An- und Abmeldung der Arbeitsräume, die Bestandaufnahmen, sich im Branntwein-, Brau- und Zuckersteuergeseß und im Niederlage-Regulativ bereits befinden. (Sehr richtig! rechts.) Die anderen Industrien haben sich das ruhig gefallen lassen müssen, und ih sehe niht ein, warum denn gerade die Tabaindustrie eine Ausnahme machen foll. (Sehr richtig! rets.)

Und dann vor allen Dingen vergessen Sie doch nicht, daß die Lage der Pflanzer eine wesentlich bessere wird; sie wird von der lästigen Feldkontrole gänzli befreit. Die Pflanzer mußten bisher für das Quantum, das sie weniger zur Verwiegung stellten, gegenüber der Feldkontrole haften oder über das zu versteuernde Quantum eine verbindlihe Deklaration abgeben, und vor allen Dingen hatte die Seldkontrole einen sehr erheblichen landwirthschaftlihen Nachtheil ; um das Zählungsverfahren zu erleichtern, mußte der Taback in ganz bestimmten Verbänden gepflanzt werden; alle Mischkulturen waren ausgeschlossen, und infolgedessen war der Pflanzer gezwungen, den Tabak auch auf Fehlstellen zu pflanzen. Meine Herren, diese lästige Kontrole fällt fort, und ih glaube, die Tabackpflanzer werden, wenn die Feldkontrole aufhört, geradezu aufathmen.

Nun fomme ich zur Hausindustrie. JIch bemerke zunächst, daß man vielfa bei Einführung des Fabrikatsteuergeseßzes im Interesse der Ersparniß zum Konsum billigerer Zigarren übergehen wird ; gerade dieser Uebergang zu billigeren Zigarren muß der Hausindustrie zu gute kommen, da sie nur Zigarren bis zum Fakturawerth von 35 4 pro Wille próduziert und in der Regel ihre Pro- dukte selbst vershleißt, indem die Leute damit haufieren. Gerade der etwaige Nückschritt zu minderwerthigen Sorten wird vor- zugsweise der Hausindustrie zu gute kommen.

Ferner ist ja auch im Geseß vorgesehen, daß die Kontrole fort- fallen soll, daß, wie es in Württemberg z. B. bei den Schankwirthen geschieht, eine Art Accordverfahren gegenüber der speziellen Steuer- erhebung eintreten soll, und mithin alle Schwierigkeiten, die für die Hausindustrie, für die Kleinbetriebe aus der Buchkontrole deduziert werden, wahrscheinli nit eintreten werden.

Ferner, meine Herren, bietet gerade das amerikanische Fabrikat- steuerfystem den Nachweis, daß das Fabrikatsteuersystem der Haus- industrie keineswegs nachtheilig ist. Wie gerade die Zigarrenindustrie in Amerika troy des Fabrikatsteuersystems sich gehoben hat, möge Ihnen nur aus zwei Zahlen bewiesen werden. Im Jahre 1889 be- trugen die Einzelkontos der Fabrikanten aus Zigarren und Zigaretten 22837 und im Jahre 1891 24 728.

Es vollzog fich in der ganzen Frontrichtung der Agitation gegen das Fabrifatsteuergeseß eine eigenthümliche Erscheinung. So lange es nämlih hieß, es würde die Banderolensteuer eingeführt werden, äußerte die Presse einstimmig, das wäre eine Belastung, die für die Industrie niht erträgliß wäre. Es wurde dann ein Entwurf ausgearbeitet, der das Banderolensystem fallen ließ und zur Safturensteuer überging. Meine Herren, das Banderolensystem hat allerdings, das muß ih zugestéhen, ‘die Gefahr, daß eine Schädigung des Detailverkäufers eintrat, weil der Käufer im Detail aus dem Banderolenstempel sofort ersehen konnte, wie hoch die Zigarre in der Fabrik fakturiert war und die Wiederverkäufer deshalb beschränkt wérden ‘in dem Verdienst, den sie den einzelnen Käufern beim Detail- vêérkauf abnehmen können. Diese Härte wollten wir im Interesse des Detailverkäufers vermeiden, der ja im Interesse der Steuer günstig wirkt, indem er entshieden zur Vermehrung des Konsums beiträgt. Es ging dámals durch die Presse das Sentiment: Ja, wenn“ eine Fakturensteuer eiñträte, ließe sch darüber reden, und in der „Kölnischen Zeitung“ findet ih ein Gingesandt eines Fabrikanten, das erklärt :

„Die Fakturensteuer i für die Industrie wohl erträglih.*“ Dann habe ih aber au einen Beweis aus dem Reichstag felbst, wie man früher über die Fakturensteuer dachte, ebe die verbündeten Regierungen auf den Gedanken farmen, eine fole einzuführen. Meine Herren, in dem Kommissionsberiht über den Börsensteuer-Gesey- entwurf, der im Jahre 1885 Geseß wurde, findet ih folgender interessanter Passus: „In der That biete fi hier für die Besteuerung des Waaren- verkehrs ein Ausweg, der geeignet sei, eine feste Norm für den Eintritt des Momentes dêr Steuerpflicht zu geben, das sei die Besteuerung der Faktura, der Eintritt der Steuerpfliht mit der Erfüllung des Geschäfts. Die Faktura werde regelmäßig bei allen Lieferungserfüllungen des Geschäfts ausgestellt, sie sei noth- wendig und unentbehrlich im Geshäftsleben und es enthalte keine Belastung des Verkehrs, wenn man eine Verpflichtung zur Ausstellung der Faktura aus- spreche und diese steuerpflihtig mache.“ Meine Herren, wenn das in einem Kommifsionsbericht des Reichs- tags steht, fo hat es doch ein gewisses saliqzes Gewicht; demgegen- über wird jeßt von den Fabrikanten behauptet: die Fafkturensteuer wäre eine Steuer, die vollkommen unerträglih sei. Nun hat si gegenüber der Fakturensteuer - ein wunderlicher Gegensaß entwickelt in Bezug auf die Beurtheilung ihrer Erträglich- keit. Auf dem großen Mannheimer Vereinstage und damals waren die Grundzüge der Steuer bereits vollkommen bekannt wurde z. B. von einem Redner gesagt: «Soviel ih von der Steuer kenne, glaube ih, daß er

der Steuergeseßzentwurf hauptsächlih daran scheitern wird, daß die vorgeschriebenen Kontrolen, um ihn möglichst populär zu machen, allzu leichte sind und fih für ein braubares Steuersystem als nit ausreihende zeigen werden.“

Es wird also von den Vertretern der Industrie befürchtet, die Kontrole sei zu leiht, und dabei wird von manchen Seiten eine wahre Defrauden-Kasuistik konstruiert, die sofort eintreten würde, \o- bald diefer Entwurf Gesetz würde.

Fürst Bismarck hat einmal hier im MNeichstage gesagt :

„Ich glaube nicht, daß es in Deutschland fo viel Menschen giebt, wie man anzunehmen geneigt ist, die um eigenen Vortheils willen die Unwahrheit sagen.“

Die verbündeten Regierungen haben, als sie diesen Gesehentwurf, der allerdings auf Vertrauen beruht, einbrachten, \sich auf denselben Standpunkt gestellt, und sie haben von der Ehrenhaftigkeit des Han- dels- und Fabrikantenstandes einen besseren Begriff, als theilweise. die Vertreter dieser Industrie felbst.

Was wird dagegen von anderer Seite gesagt? Wir haben hören müssen: die Tabalkfabrikanten sind in Zukunft „Tabasklaven“, „Tabafabrikanten unter Polizeiaufsiht“. Ja, meine Herren, es ift hier bei der Debatte über die Reichs-Stempelabgaben fogar gesagt, und zwar mit warnender Stimme: das Schicksal eines aus dem Zuchthaus entlassenen und unter Polizeiaufsiht stehenden Sträflings wird in Zukunft noch beneidenswerth sein gegen das Schicksal eines Tabackfabrikanten. (Heiterkeit und Zurufe.) Auf diese Schilderung kann man das Wort des Thales von Milet anwenden : „die Hälfte wäre besser als das Ganze“.

Ich resümiere mich. Es ist, glaube ih, nachgewiesen : durch direkte Reichssteuern können wir den erhöhten Bedarf des Reichs nicht schaffen ; es war im Reichétage ferner bei Bewilligung der Militär- vorlage omnium consensus, daß auch nit dur Erhöhung der Matrikularbeiträge der Bedarf für die Militärvorlage beschafft werden folle. Es blieb uns also nichts übrig, wie dem hohen Reichs- tage indirekte Steuern vorzuschlagen uäd zwar nicht auf Lebens- mittel, sondern auf Genußmittel, -— nit auf Lebensmittel, weil diese bereits genügend hoh, vielleiht zu hoh be- lastet sind. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, auf das Bier konnten wir hierbei nicht zurückommen. Wenn die Reichsregierung den Biersteuerentwurf zurückgezogen hat, fo hatte sie ja das nur gethan, weil fih die überwiegende Stimmung des Reichs- tags dahin aus\prah: das Bier wollen wir unter keinen Umständen höher besteuern! obgleich es nur mit 4% feines Werths belastet ist! Was blieb. uns da Anderes übrig, als der Ta bad, der vier- bis sechsmal geringer in Deutschland belastet ist, als' anderswo.

Es ist ferner von berufenen Vertretern der Tabaindustrie zu- gestanden, daß dur eine prozentuale Erhöhung der Inlandsteuer und der Eingangszölle höhere Erträge aus dem Taback absolut nicht zu erreihen waren. Was blieb uns also weiter übrig, meine Herren ? Nichts, als die Fabrikat steuer, die bei uns, abweichend von Amerika, auch in Form der Werth steuer durhaus möglich ist, weil in Deutschland die Raumverhältnisse andere sind und eine wesentli andere Beamtenorganisation uns zur Verfügung steht, die ferner den großen Vortheil gegenüber dem jeßigen JInland-Steuer- system genießt, daß die Inlandsteuer viel zu nahe dexr Produktion liegt, und infolge dessen den Mann belastet, der den Tabak auf seiner Scholle baut, und niht den Konsumenten. Meine Herren, das ist ja der Einwand gegen die Weinsteuer, daß man sagt: wenn wir die Weinsteuer - annehmen wer wird chließlich durch die Steuer getroffen? der Winzer; die Steuer wird zurüdck- gewälzt werden. In diesem Gefeßentwurf nun beschreiten die Regierungen den umgekehrten Weg; sie wollen den Mann von der Steuer entlasten, der das Produkt auf seiner Scholle baut, und den belasten, der es {ließli konsumiert. Jh hoffe, daß die Herren, die sih \{lüssig sind, gegen die Weinsteuer zu stimmen, aus denselben Gründen für die Tabafabrikatsteuer und damit für die Entlastung des Pflanzers von der Jnlandsteuer stimmen werden.

Meine Herren, eins kann ich Jhnen versichern: die Erhöhung der Tabaksteuer wird niht von der Tagesordnung vershwinden, weil es im Gerehtigkeitsgefühl des deutschen Volks liegt, ‘daß dieser Genuß- gegenstand in höherem Maße zu den Bedürfnissen dés: Reichs beitragen kann; ih hoffe, es geht der Tabatindustrie nicht so, wie dem Käufer sibyllinisher Bücher, daß nämli, wenn dieses Gese nicht zur Verab- shiedung gelangen sollte, wenn ein Tabasteuergeseß in späteren Jahren vielleiht unter zwingenderen Verhältnissen wiederkehrt, der Preis, um

den die Tabaindustrie sich die Ruhe erkaufen will, nit ein höherer

sein wird als jeßt. (Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 10.

(Schluß der Rede des Staatssekretärs Grafen von Pof adowsky aus der Ersten Beilage.) Meine Herren, ih komme nun zu einer persönlichen und allgemein politischen Schlußbemerkung, zu der ih genöthigt bin mit Rücksicht auf wiederholte Aeußerungen in der Presse. Als Seine Majestät der Kaiser die Gnade hatte, mich zum Staatssekretär des Neichs-Schay- amts zu ernennen, erschien in einem rheinishen Blatt ein Artikel, der sehr wißig, aber etwas boshaft ausführte: der neue Schaßsékretär würde nur eine Art Sihtredakteur für den preußischen Finanz-Minister sein (Heiterkeit), und wenn hier über die Steuervorlagen berathen werden würde, und der Abgeordnete

Richter den Schaßsekretär fragen würde: was haben Sie ih bei der

und der Bestimmung des Gesetzes gedacht ? so würde der neue Schatz- sekretär verlegen unter der Heiterkeit des Hauses schweigen, aber der preußische Finanz-Minister würde sich erheben und mit seiner bekannten Beredsamkeit und mit so und so viel Gründen beweisen: der neue Schaßsekretär hat sih unter dieser Bestimmung das und das gedacht. (Heiterkeit.) Meine Herren, ih lege Werth darauf, hier an dieser Stelle festzustellen, daß in diesem Scherz und in der Haltung, die ein großer Theil der Presse gegenüber den Steuervorlagen der Regierung eingenommen hat, ein ernster Hintergedanke ruht, nämli der Hintergedanke, in der Bevölkerung das Verständniß dafür zu verschieben, wo der Schwerpunkt und die Verantwortlichkeit für diese Gesetze liegt; der Versuch, es so darzustellen, als ob eigentli nur der Bundesstaat Preußen diese Steuergesetgze brauchte und wollte. Die drei Steuergeseßentwürfe beruhen auf den Beschlüssen der Frankfurter Konferenz, also auf der Jnitiative der Gesammtheit der Bundesstaaten ; sie sind daraufhin im Reichs - Shaßamt unter meiner Leitung ausgearbeitet und demnächst unter Zuziehung von Vertretern mehrerer Bundes- regierungen und preußischer Ressorts berathen; der Herr Reichskanzler hat sie gut geheißen und dem Bundesrath vorgelegt; der Bundesrath hat sie sehr eingehend berathen, theilweise sogar abgeändert, und so find sie formell und sahlich eine Vorlage der verbündeten Re- gierungen für den Reichstag geworden. Und die verbündeten Re- gierungen denken garnicht daran, au nur eine dieser Vorlagen zurück- zuziehen, auch nur eine dieser Vorlagen abzushwächen; im Gegentheil, sie bestehen auf einer eingehenden Durchberathung und geben sich der Hoffnungzhin, daß Sie im Interesse des Vaterlandes die Vor- lagen annehmen werden. (Bravo! rechts; Lachen links.)

__ Abg. Friben (Zentr.): Ih hoffe, E die Vorlage, wie sie hier liegt, niht Geseß werden wird. Der Schaßtsekretär hat viele Dinge angeführt, auß Schuldenlasten der auswärtigen Staaten und des Reichs. Er hat dabei die Schulden der Einzelstaaten den Schulden des Neichs zugezählt, aber dabei vergessen, daß die Einzelstaaten, wie Preußen,“ Baden, Sachsen u. \. w. Staatseisenbahnen haben, die in Franftreich Und England nicht vorhanden find. So einfach kann alo der Vergleich nit gemacht werden. Daß indirekte Steuern nicht ganz ausgeshlofsen ‘werden können, ist richtig; aber wir haben doch schon so viele indirekte Steuern, welhe die ärmeren Klassen belasten, deshalb muß man bei der Annahme neuer indirekter Steuern vor- Carus sein. Den Bedenken der Regierung bezüglih der direkten

eis - Ginkommensteuer bezw. der Erbschaftssteuer trete ih voll- ständig bei. Der Schaßsekretär hat S über die Agitation der Tabainteressenten beklagt; aber man fann ihnen diese Agitation nit übel nehmen, denn sie glauben ja in ihrer Existenz bedroht zu sein; bei der Agitation des Bundes der Landwirthe ist auch manche Uebertreibung mit untergelaufen. Man muß nur in den Kern - der Agitation eindringen, und da ergiebt es si, E gegen die LTabacksteuer eine \olche Erbitterung herrfht, daß der Reichstag sich hüten sollte, darauf einzugehen. Daß die Tabaindustrie besonders auf dem Posten ift, ist felbst: verständlih bei einer Industrie, die seit 25 Jahren fortwährend be- unruhigt ist. 1892 bei der Militärvorlage sagte man: Der Tabak muß bluten. Der „Reichs-Anzeiger“ erklärte aber, daß eine höhere Besteuerung des Tabaks nicht beabsichtigt sei. Die Steuervorlagen kamen damals nicht zur Verhandlung, der Neichstag wurde auf- nes: Der neue Reichstag bewilligte die Militärvorlage mit der

odifikation, daß die Kosten nicht auf die schwächeren Schultern gelegt werden sollten, daß man versuchen werde, die Kosten auf die stärkeren Sdultern zu legen. In der Taback- und Weinsteuer hat dieser Versuch keinen Ausdruck gefunden. Der Reichs-Schaßsekretär hat be- stritten, daß die Angaben der Interessenten über den Konfumrücgang von 1879 richtig find; dann bätte er uns in den Motiven doch die rihtigen Zahlen geben sollen. Der Taba it ein ganz unentbehrliches Genußmittel, ebenso wie der Kaffee (lebhafte Zustimmung), man tann ihn nicht mehr entbehren. Das habe ich 1866 erlebt, als. - unsere Truppen in Eilmärshen nach Wien marschieren ollten, Die Trainkolonnen konnten nicht schnell genug olgen, aber so lange der Tabackvorrath ausreihte, hielten die Truppen aus und liesen in ihrem Eifer erst nah, als er aufgebraucht war. Die Vierpfennigzigarre wird in Zukunft mit 5 S bezahlt werden meien und das ist für den kleinen

ann ein ganz gehöriger Preisaufschlag. Die Zigarren bis zu 6 „4 machen 898 9/0 des ganzen Konsums aus; die Tabacksteuer muß alfo weséntlich auf die mittleren und unteren Klassen zurückfallen. Die An be der Interessenten, daß in der Tabackbranche 150 000 Arbeiter beschäftigt sind, dürfte nicht zu niedrig gegriffen sein, wenn in den

abriken, d. h. in den Tabackbetrieben mit mehr als zehn Arbeitern, hon - 107 000 Personen beschäftigt sind. Wenn der Staatssekretär den Industriellen Uebertreibungen vorgeworfen hat, so {eint er selbst bezüglich der Zahl der Arbeiter in den entge engeseßten Fehler verfallen zu fein. Daß 1879 ein Rückgang des Konsums stattgefunden hat, ist durch die Statistik festgestelt und ergiebt si namentlich, wenn man nit einzelne Jahre, sondern größere Zeitabschnitte mit einander vergleiht, wobei die Mehreinfuhr des einen oder anderen er as ausgeglihen wird. Wenn nach der Vorlage der Figuren fonsum um 1/e, der Rauchtabackverbrauch um 1/12 zurückgeht, so muß daraus die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitern fölgen und ¿war mindestens um 20 000 Köpfe. Es wird aber auch etne Vers, iebung in den Arbeitsverhältnissen eintreten. Die großen

etriebe können die Kontrole aushalten; die fleinen Betriebe nicht, le werden eingehen. Ferner wird der Fabrikant, um den Werth der

aftura herabzudrüden, manche Arbeit dem Händler überlassen, z. B.

? Sortieren und Verpacken der Zigarren. Man wird auc von schönen kostspieligen Aufmachungen der Zigarren absehen und die

ülfsgewerbe der Tabaindustrie: die Etiquettedruerei, ‘die Zi- P enkistenfabrikation u. s. w., werden erheblih benachtheiligt werden. e {lehten wirthschaftlichen Verhältnisse haben hon dahin geführt FO ¿. B. die Handweber kaum genügende Beschäftigung haben. Dur

ürsorge von * ereinen u. st. w. ist es mögli geworden, diesen Leuten le Zigarrenfabrikation zugangig zu machen. Diese Leute waren ¿uerst brotlos und daher rührt gerade die Erbitterung in der Be-

‘Entlassung man hier gesprochen hat.

Berlin, Freitag, den 12. Januar

R gegen diefe Vorlage. Man fagt: Die Werthsteuer ist ein Vortheil. Ja, unser ganzer Zolltarif beruht auf der Gewichtsteuer. Kaffee, Wein u. \. w. gehen zu demselben Zollsatz ein, ob sie billige oder theure Waare sind. Deshalb kann man den Grundsay der Ge- Leit niht so sehr in den Vordergrund stellen gerade beini Taback. - Man sagt, daß die anderen Staaten viel mehr aus dem Taback einnehmen. Man darf aber die Einnahmen nit so ohne weiteres vergleichen. Man müßte bei uns der Einnahme aus der Tabacksteuer zurehnen, was die Tabackfabrikanten und -Händler an Einkommen- und Gewerbesteuer dem Staate außer der Tabacksteuer zahlen. Aus der Tabaksteuer sollen 45 Millionen Mark mehr erzielt werden ; sie werden erkauft mit der Vernichtung der Existenz einer großen Anzahl von Unternehmern, mit der Brotlosigkeit vieler Tausend Arbeiter und mit der Unzufriedenheit der denten Bevölkerung. Diejenigen, welche die Sozialpolitik auf Grundlage der Allerhöchsten Botschaft von 1881 in die Hand genommen haben, werden doch sehr Bedenken tragen, einer solhen Vorlage zuzustimmen. ch kann namens meiner politishen Freunde erklären, daß wir diefer orlage, so wie sie liegt, nicht zustimmen können. (Bewe ung.) Die Dur(hführung des Steuerreformplanes wird darunter leiden, aber ih glaube, dieser Steuerreformplan i überhaupt undurchführbar. Die Wein- steuer hat, mit Ausnahme der Steuer auf Kunst- und Schaumwein, keine Spur von Aussicht; dadur fällt von den geplanten Mehrein- nahmen al viel weg, daß von einer Ueberweisung von 40 Millionen an die Einzelstaaten gar niht mehr die Rede sein kann. Nach der Stimmung und nah der Lage, in der wir uns befinden, müssen wir uns beschränken, die Millionen usa zu machen, welche die Militär- vorlage erfordert, und zwar in einer Weise, welche die größte Schonung der Volksmassen verbürgt. Außer der Steuer auf Kunst- und Schaum- weine wäre vielleiht noch eine energische Zollerhöhung für Tabas- fabrikate herbeizuführen. Mit der Börsensteuer zusammen ergiebt das 36 Millionen Mark und da für die Militärvorlage jeßt nur 43 Millionen Mark nothwendig sind, so würden die fehlenden 7 Millionen auf die Matrikularbeiträge gelegt werden, was durchaus angemessen is; namentli wenn man in Betracht zieht, daß die eigenen Einnahmen des Reichs in den ‘nähsten Jahren sich so steigern werden, daß sie genügen, um die wahsenden Kosten der Militärvorlage zu decken. In° Preußen liegen die Finanzen fogar verhältnißmäßig günstig. Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Ich bedauere, daß der Vorredner es so dargestellt hat, als ob von der Regierung Versprehungen gemacht worden sind, die niht gehalten wurden. Es ist nihts un- richtiger, als der Regierung einen solchen Vorwurf zu machen. Der Reichskanzler hat damals gesagt: die Börsensteuer solle ergiebiger gestaltet werden, die {wächeren Kräfte sollen geschont und die Land- wirthschaft niht mit Steuern bedaht werden. Der Abg. Dr. Boeel hat darauf die Zusicherung verlangt, daß keine Konsumsteuer auf die ärmeren Klassen geworfen werden folle. Darauf erklärte der Reichskanzler, daß er sih auf die Einzelheiten nicht einlassen könne ; er hat für die Regierung das Vertrauen gefordert und der Abg. Zimmermann erklärte sih für befriedigt durch die Antwort des MNeichöskanzlers. Aus den ganzen Verhandlungen kann man nicht folgern, daß die Besteuerung des Tabacks aus eshlossen ist. Jeder vernünftige Mensh mußte sh sagen, daß die Regierung die Taback- steuer bringen würde, ja bringen mußte. Es konnte nur darüber Zweifel herrschen: wird die Regierung mit dem Monopol oder mit der Werthsteuer kommen. Ich spreche der Regierung meinen Dank dafür aus, daß sie mit dem Monopol niht gekommen ist; es würde noch s{chwerer durchzubringen gewesen sein als die jeßige Vorlage, zumal große Anleihen nothwendig geworden wären, um die durch das Monopol Geschädigten zu èntscbébigen, Und s\hließlich ift der Raucher auch ein Mensch, und die Naucher hätten beim Mouopol nicht ihren Geschmack befriedigt erhalten, weil man in Deutschland auf die tehnishen Eigenschaften des Beamten weniger Werth legt, als auf seine juristishe Vorbildung. Die Fabrikatsteuer bliebe also die einzige Steuerform. Denn als die Regierung Bier und Branntwein besteuert wissen wollte, wollte der Reichstag davon nichts wissen. NatürliG blieb der Taback übrig. Die Pfeife des armen Mannes scheidet hierbei vollkommen aus; denn da die Inlandsteuer aufgehoben wird, wird der Pfeifentaback billiger werden als bisher; darüber fklagen ja auch die Zigarrenfabrikanten, daß man keine Zigarren mehr rauhen wird. Das Ergebniß der Vor- lage ift, daß die ärmsten Leute niht mehr, sondern weniger Lasten zu tragen haben, daß der Mittelstand etwas mehr und die Reichen am meisten von der Tabalsteuer bezahlen müssen. Der Tabacbau ist durch die Gewichtsteuer verdrängt worden; deshalb ist diese Vorlage, welche diese Steuer beseitigt, in Elsaß-Lothringen mit Jubel begrüßt worden. In Baden allerdings waren die Pflanzer zuerst gegen die Vorlage eingenommen; ih hoffe, as 1d inzwischen {hon ein Umschwung voll- zogen haben wird. Ein fehnliher Wunsch der süddeutshen Taback- bauer, daß das Entrippen des Tabacks und das Auslaugen der Nippen steuerfrei gesehen darf, wird dur die Vorlage erfüllt. Wenn wir nur wieder dahin kommen, wo wir vor der ewichtsteuer waren, fo würden wir 73 000 Pflanzer mit ihren Familien mehr haben als jeßt; was besagt dem gegenüber die Zahl der Arbeiter, von deren Die Zahl wird jedenfalls nit 90 000 betragen. Dagegen kann ih dem Schaßsekretär nit zustimmen, daß gar keine Entlafsung stattfinden werde. Es handelt sich bei den Zigarrenarbeitern hauptsählich um weiblihe Personen und jugendliche Arbeiter, deren Schicksal niht unbedingt an die Tabakindustrie geknüpft ist, die anderwärts unterkommen können. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß überhaupt keine unen stattfinden, wenn das Publikum zu billigeren Zigarren D er in Zukunft für 5 4 eine Zigarre bekommt, die jeßt 4 » kostet, dessen Geschmack wird dadurch nicht ein solher Zwang angethan, wie dem Reisenden, der im Auslande die österreichische, italienishe und französische Zigarre rauhen muß. 1879 handelte es sich um eine Vertheuerung sämmt- liher Tabacksorten, während nah der heutigen Vorlage zum theil ar keine Vertheuerung einzutreten braucht; deshalb ist ein fo starker onfumrückgang wie damals niht zu befürchten. Die Kontrolen könnten fih die Tabackfabrikanten wohl ebenso gut gefallen Ln wie die Branntweinbrenner und die Zuckerfabrikanten. Fn Amerika sind die Kontrolmaßregeln sehr viel \{chwerer. Den Tabafabrikanten muß daran liegen, daß sie endlih Ruhe bekommen und die können sie nur bekommen, wenn eine reelle Tabacksteuer eingeführt wird. Man sagt, daß man zum Pfeifenrauchen übergehen wird. Wäre das ein nationales Unglück? fueife E ist gesunder als Zigarren rauhen. Aus der roßen Vorliebe der sozialdemokratishen Führer für das Zigarren bft schließe ih, daß dasselbe ein sehr nußbringendes sein muß. enn die Sozialdemokraten den Arbeitern die Steuerlast er- leihtern wollen, so könnten sie den Arbeitern gestatten, \sich der Kon- trolmarke zu entziehen; denn die Einnahme aus der Kontrolmarke ist jedenfalls" viel größer, als die Einnahme auß der Steuer fein wird. Wenn ein Konsumrück ang eintritt, so würde ih das, atl dig von der Entlassung der Arbeiter, als ein nationales Glück ansehen. Der Abg. Frißen hat von der belebenden Wirkung des Rauchens gesprochen ; würde es wohl einen Unterschied gemacht baben, wenn die Mannschaften damals statt einer 5 Pfennig- nur eine 4 F fernig-Bigarre gerauht hätten? Zum theil ist das Nauchen doch eine {lechte Gewohnheit, deren Verminderung durchaus zu wünschen ist. Besonders ist ein Vortheil, daß die allerschwähsten Schultern, die Frauen, von dieser Steuer fast ganz ausges{lossen sind. Ein Ver- gnügen ist selbft diese Steuer nicht; aber wenn eine Steuer S tent ist, und eine Nothwendigkeit liegt so dringend vor wie niemals, wei

1894,

wir die Militärkosten niht auf die Matrikularbeiträge nehmen können, fo ift die Tabackfabrikatsteuer die rihtige Form für dielelte. Zu einer sparsamen Verwaltung d?s Reihs wird man niemals men, so lange sih nicht der Reichstag in der Bewilligung der Matrikular- beiträge beschränkt. Die Sozialdemokraten wollen allerdings eine Neichs-Einkommen- oder Reichs-Erbschaftssteuer einführen. Aber da- durch würden wir alles mobile Kapital aus dem Lande hinaustreiben. Der Abg. Richter will die Liebesgabe aufheben. Wie können Sie von der Regierung, welche zugesichert, daß die Landwirthschaft nicht belastet werden soll, einen folchen Wortbruh erwarten, daß sie die Landwirth- schaft durch die Aufhebung der Liebesgabe ruinirt? Wenn man die atrifularbeiträge immerfort erhöht, so wird dadur ein Gegensaß zwischen den Einzelstaaten und dem Reichstag begründet, und der A wird s{ließlich gezwungen sein, mit der Erhöhung der Matrikularbeiträge selbst innezuhalten. Unsere direkten Steuern find ziemli hoh; es ist nahgewiesen, daß wir bei den großen Einkommen die höchsten Steuern unter allen Staaten Europas haben. Ich glaube, daß die Vorlage alles das erfüllt, was der Reichskanzler versprochen hat. Es würde mi sehr freuen, wenn es der Kom- mission gelingen würde, recht bald ihre Arbeiten an dieser Vorlage zu vollenden. Zweckmäßig wäre es, wenn für die Taback- und für die Weinsteuer eine besondere Kommission gewählt werden würde. __ Abg. Bassermann (nl.): Ein Theil meiner Freunde ift g die Vorlage, ein anderer Theil aber ist anderer Meinung. Sie fehen in derselben kein Steuerideal, fondern eine Schädigung der Industrie. Wir kommen zur Ablehnung aus allgemeinen politishen Gründen und auh fehr \sahlihen Gründen, welhe auf dem Gebiet der Taback- industrie selbst liegen. Die politischen Gründe hängen zusammen mit den Vorgängen in diesem Hause und bei den Wahlen. Ursprünglich war der Taback 1892 für die Deckung der Kosten der Militärvorlage in Aussiht genommen. _Aber angesihts der großen Agitation „hat man diesen Gedanken fallen laffen. Die Wahlen haben ihre be- sondere Signatur gehabt; die Deckun sfrage stand im Vorder- grund, und fein Kandidat fkonnte fich der Frage, wie er die Deungskosten beschaffen will, entziehen. ie Erklärungen des Reichskanzlers sind bis zur Ermüdung wiederholt worden. ch bin überzeugt, wenn wir uns über die Deckungsfrage \o ausge- sprochen hätten, wie es geschehen ist, so würde die Zusintürienfetung des Reichstags vielleiht eine andere geworden sein (Sehr richtig ! ), welhe die Annahme der Militärvorlage niht gesichert hätte. Der Abg. Dr. Osann hat schon früher den Standpunkt- dargelegt, welchen ih auch einnehme. Wir hätten gern die Einführung von Luxus steuern gesehen, und wenn diese auch nur 10—15 Millionen ergeben hätten, so wäre doch der moralishe Effekt niht zu untershägen gewesen. Auch eine Wehrsteuer halten wir für mögli, nicht nur als Kopfsteuer, sondern „auch als Zuschlag zur Einkommensteuer unter Schonung der s{chwächeren Exriftenzen. Die Reichs-Cinkommensteuer und Reichs-Erbschafts\teuer kant Ih ebenfalls nur empfehlen; sie wird kommen und muß kommen, denn die Frage der Vermehrung der Konsumsteuern wird immer s{wieriger werden. Wir haben die Ver-

natürlich für einen Theil meiner Freunde. Der Staatssekretär hat sih gegen die Agitation der Tabacinteressenten gewendet. Jch kann diese Agitation begreifen, wenn sie auch in vielen Punkten das Maß des Erlaubten überschritten hat. Allein, wenn man sieht, wieviel Hunderttausende in der Tabaindustrie ihren Unterhalt finden, dann wird man bei der fortwährenden Beunruhigung gerade dieser Fn- dustrie es begreifen, daß sie fich ihrer Haut ebet: Der Schaßz- sekretär spra von dem Gerechtigkeitsgefühl der deutschen Bevölkerung, welches eine höhere Besteuerung des Tabaks verlangt; von diesem Gerechtigkeitsgefühl habe ich troß der vielen Wahlversammlungen, die ih abgehalten habe, nihts gemerkt; höchstens war man mit einem höheren Zollshuß einverstanden. Jh stehe auf dem Standpunkt, daß in der indirekten Besteuerung eine Be- lastung der großen Massen liegt; der Rauer muß seine Ausgaben erhöhen oder seinen Konsum einshränken. Der Taback kann mehr bluten, ist ein rihtiger Say, der aber bedenklich wird, wenn die Industrie und die Arbeiter darunter zu leiden anfangen infolge des Konfumrükganges. Daß ein solcher eintreten würde, bestritt der Schaßsekretär, troßdem die Maperiing selbst in der Vorlage darauf rechnet. Eine bestimmte chäßung des Konsums wird fich shwer aufstellen lassen, weil dabei die wirth \aftlichen Ver- hâltnisse mitspielen. Ständen die Löhne hoch, so würde dec Konsum- rückgang nicht so bemerklih sein, wie jeßt bei niedrigen agen 1879 ist ein Konsumrückgang eingetreten; er wird diesmal sehr viel stärker sein, weil die Steuererhöhung eine stärkere ist als damals. Besonders bedauerlih wird es sein, daß die kleineren Be- triebe geschädigt werden , die sich gerade in der Tabatindustrie erhalten haben, weil dieselbe feine fostspieligen Maschinen 2c. erfordert. Dazu kommt, daß die Tabatindustrie niht so sehr wie andere Industrien nach den großen Städten sih gezogen hat, und daß in diesem Erwerbszweige man leichter zur Selbständigkeit fommt als in anderen. Die Tabacksteuer von 1879 hat die Folge gehabt, daß die kleinen Händler zu Grunde ge- gangen sind, und bei der Branntweinbrennerei ist troß aller Kautelen ein deutlicher Nückgang der kleinen Brennereien eingetreten. Der große Fabrikant kann vielleiht einen erheblichen Nuvzen von der Sache haben. Welcher Prozentsaß von Arbeitern entlassen werden wird, kann man {wer ermitteln ; aber auch s{hon die Entlassung von 10 000 Ar- beitern würde bedenklih genug sein. Daß das Alles jugendlihe Ar- beiter ‘sind, davon kann gar keine Rede sein. Im Gegentheil, die Fabrikanten werden gemüßigt sein, sih die theuersten Arbeitskräfte abzuwälzen. Der Schaßtzsekretär meint, davon werde sie ihre Humanität abhalten; aber die Pumamiat hat da ihre Grenzen, wo das Geschäft anfängt. In vielen Gegenden meiner Heimath, wo der landwirthschaftliche Betrieb noh mit dem Fabrikbetrieb verbunden ist, gab es bisher keine Sozialdemokraten. Die Sozialdemokraten haben si dieser Frage der Tabacksteuer bemächtigt und wir haben das Ergebniß, daß sih jeyt in solhen Gegenden schon fozialdemo- fratische Stimmen bemerkbar mahen. Auf die Tabackpflanzer müssen wir alle mögliche Rücksicht nehmen. Der inländishe Tabackbau ift zurückgegangen, aber niht weil eine Inlandsf\teuer bestand, fondern weil der Q kein E war, fodaß der Gebrauch aus- ländishen Tabacks8 von Jahr zu Jahr zunahm, wobei allerdings der SAaot des Publikums auch eine große Rolle spielte. Der S es wird für die Tabackpflanzer nit erhöht und der Rauch- taback, der hauptsählich aus inländishem- Taback hergestellt wird, soll den doppelten Steuersaß tragen wie die Zigarren, das ist jeden- álls kein Vortheil für die Tabadlpflanzer. Es liegt mir eine Nesolution von Tabackpflanzern vor, wonach die Vorlage unannehm- bar ist, wenn nit der Zollschuß auf 85 4 eingeführt wird. Auch die Kontrolmaßregeln werden nit geeignet sein, die Zufriedenheit der Tabackbauer zu erhöhen. Heute werden einige Erleichterungen ge- stattet, aber bei unserem bureaukratischen esen wird es bald dahin kommen, daß nach den ersten Defraudationen die Beet regeln E werden. Ih sehe also voraus, daß d Unzufriedenheit, welhe im Erwerbsleben seit dem Rücktritt des Fürsten Bismark eingetreten ist, wachsen wird au in den Kreisen der Arbeiter. Jch stehe niht auf dem Standpunkt, daß jede Mehr- belastung des Tabacks abzulehnen ift, aber dieses unerhörte Eindringen in Tausende von Betrieben kann ih nit billigen; i muß die Vor- lage, fo wie sie vorliegt, ablehnen. Wir sind bereit, Mehreinnahmen zu beschaffen durch Erböbung des Zolls auf den ausländishen Tabadck,

quickung der Deckungsfrage mit der Freunde. D bedauert; ih spreche