1894 / 12 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

mehrere in der Tabackbrande sehr erfahrene Männer, allerdings unter vier Augen, persönlich vernommen. Diese haben mir kein Hebl daraus gemaht, daß es ihnen viel lieber wäre, wenn man sie überhaußt in Ruhe ließe; aber sie waren, ih muß fagen, so ofen und ehrlich, mir zu sagen, daß gar nit daran ¿u denken sei, daß es ihnen nah diesem Entwurf unmöglih wäre, die Arbeiter im Hause zu beschäftigen. Die Herren Tabackfabrikanten baben mir zugegeben, daß sie auch in ihrem eigenen Interesse die genauesten Aufzeichnungen darüber mahen müßten, was sie dem Arbeiter mit nach Hause geben, und was fie zurückerhalten an Fabrikaten; denn ohne jemandem im geringsten zu nahe ¿u treten: die Neigung eine Zigarre durchs{lüpfen zu lassen, Tiegt ja zu nahe; das hat mir der Fabrikant gesagt. Was aber die übrige Hausindustrie betrifft, so möhte ih auf einen Punkt aufmerksam mahen, der sehr wichtig ist und der eigentli den Angelpunkt des Gesetzes bildet: das ist die Wahl der Zeit, in welcher die Steuer entrihtet werden muß. Diese Wahl des Zeitpunktes ift gerade dasjenige, worin wir den Hauptshuß der Kleinindustrie er- bliden. Meine Herren, es ift in dem Entwurf bestimmt, daß die Inlandsfteuer ganz wegfällt. Für diese hat also der Fabrikant und der kleine Industrielle überhaupt nihts vorzulegen. Es ist ferner der Zoll auf die Hälfte reduziert, und es ift endlih die Bestimmung eines verhbält- nißmäßig langen Steuerkredits in den Entwurf aufgenommen. Diese Bestimmung hat den Sinn, den Fabrikanten, welcher gewissermaßen -der Steuervorleger und Steuereinnehmer ist, in die Lage zu verseßen, womöglich von seinen Kunden einen Theil der Steuer, wenn nicht die ganze, einzuziehen, bevor er fie an die Staatskasse abliefert. Meine Herren , das große Geheimniß, warum der bayeris&e Malz- aufschlag seit vielen Jahrzehnten so leiht eingeht, besteht in der rihtigen Wahl des Steuertermins. Wenn wir, wie das ja in dem gegenwärtig geltenden Tabacksteuergeses geschieht, von dem Bauer, dem Oekonomen, unmittelbar für Gerste und Hopfen die Biersteuer erheben wollten, so wäre das absolut {unerträglih. {Sehr richtig!) Wir könnten nicht so und fo viel Millionen {wie gegenwärtig aufbringen. Dadurch aber, daß die Steuer dem Bier- brauer auf eine Reibe von Monat:n noch kreditiert und er in die Lage geseßt wird, vom Konsumenten die Steuer einzuziehen, k{ift, sofern nur die Verhältnisse zwishen Wirth und Brauer gesunde sind, -dem Brauer die Zablung der oft sehr bedeutenden Malzaufschlags- summe möglih und geschieht auch ganz?ohne Anstand.

Das ift auch die Idee des gegenwärtigen Fabrikatsteuergeseßes. Wir wollen eine rihtige Steuerstufe anwenden und wir wollen jim übrigen die Industrie und den Handel und insbesondere die Arbeiter in gar keiner Weise s{hädigen (Heiterkeit links), sondern im Gegentheil, wir wollen der Industrie, soweit es! überhaupt mit Steuern ver- einbar ift, freien Spielraum sichern. Das halte ih abfolut für möglich, und deshalb war ich von jeher für die Fabrikatsteuer, und deshalb glaube ih nicht, daß die Fabrikatsteuer eine Etavye zum Monopol ist. In der Bewilligung einer ausgiebigen Steuerstundung liegt auch eine Kräftigung der Tleinen Hausindustrie; fie hat nament- lih um die Inlandsfteuer und um die Hälfte des Zolls weniger Aus- lagen, sie bedarf in diefer Richtung weniger Betriebskapital : was von einigen Rednern in dieser Beziehung behauptet wurde, is durchaus fals; die Industrie kann sh für die Folge leihter rühren.

Wenn ih, meine Herren, die Grundzüge des Entwurfs in Kürze wiederholt habe, fo vermeide ih e, mich über die Agitation der Herren Interessenten auszulassen. Jeder wehrt ih seiner Haut, wie er kann. (Heiterkeit. Sehr rihtig)) Ich bedauere nur, wenn diese Auslafsungen ihren Weg in das große Publikum finden, welhes nit in der Lage ift, sih ein genaues Urtbeil über eine so s{chwierige Frage zu bilden. (Sehr rihtig!) Und gerade das Urtheil über den vorliegenden Entwurf ist sehr s{hwierig. Der Entwurf ift natur- gemäß mit einer großen Anzahl von Kontrol- und Strafbestim- mungen 2x. belaftet.

Allein diese Bestimmungen das übersehen die meisten Beurtheiler find größtentheils nur eventuelle, wele boffentlih garnit oder nur sehr selten zur Anwendung kommen. Die grundlegenden Bestimmungen des Entwurfs sind, wenn man sie in Rube liest und dur(sieht, sehr einfah und verständlih. Aber abgesehen davon, muß das Urtheil des Laien, wenn ich mich so ausdrüdcken darf, {hon dadurch getrübt werden, daß eine Reibe von FInter- effsentengruppen hier in den Vordergrund treten. Es sind nit weniger als 10 Gruvypen, welche sich Ihnen mit mehr oder weniger lebhaften Vorstellungen genaht haben: die Gruppe der Taback- bauer, die Grupve der Robtabacktbändler, die der Fabrikanten, aber auêgeshieden mit ihren zum theil diametral verschiedenen Interessen in die Gruppen der Zigarrenfabrikanten, der Rauchtabackfabrikanten und der Schnupftabackfabrikanten, die Gruppe der Detailbändler, die Gruppe der Arbeiter, die der Hilfsindustrien und die der Konsu- menten. Nun, meine Herren, das ift allerdings eine stattlihe Anzahl von Gruppen, die einem heiß machen kann (Heiterkeit); aber eine Hauptgruppe hat \sih wunderbarerweise nicht gemeldet, oder wenigstens nur sehr vereinzelt, das ist die Gruppe aller derjenigen, welche {chließlich die Zeche bezahlen müßten, wenn der Entwurf abgelehnt würde. (Sehr richtig! rechts.) Man singt das Lied: „Heiliger Florian, verschone mein Haus, zünd’ andere an!“ ganz fröblich mit, ohne zu bedenken, was dann fommen fann und kommen muß. Es ist ja, meine Herren, die Frage ich bin durchaus nit ungerecht es ift ja die Frage, was geschehen soll, wenn die Entwürfe abgelehnt werden, einigermaßen besprochen worden, aber meist nur in sebr optimistisher Weise. Meine Herren, damit, daß man meint und diese Meinungen au anderen vorsagt, daß wir eigentlih garnicht so viel Geld brauen, damit ist garnihts gethan. Die „Summe, die wir brauchen, die läßt sich mit dem Bleistift fest- stellen, und so viel ift ganz siher, daß wir nicht, wie einer der Herren Redner neulich meinte, mit 7 oder 9 Millionen auskommen, sondern daß wir, selbst wenn Sie, was ih im höcbsten Grade be- dauern würde, niht auf den Steuerreformplan im ganzen eingehen würden, immer noch 40 Millionen und mehr brauchen, um nur einigermaßen eineffolide Basis für unsere Reichs- und Landesfinanzen zu gewinnen. (Sehr rihtig! rechts.) Es giebt garnichts Gefährlicheres als den Optimismus in solchen Dingen: wenn einmal eine Lüde in den Finanzhaushalt gerissen ift, ift sie sehr chwer mehr auszufüllen. Wir müssen daher der Frage näher treten, meine Herren, was ge- schieht denn dann, wenn Sie die Entwürfe ablehnen? Die ganz korrefte, positive und gründliche Beantwortung dieser Frage sind wir Uns und sind wir dem deutschen Volk s{huldig. (Sehr richtig ! rets.) Ih kann ja nur von meinem engeren Heimatbsftaate sprehen und

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- habe in diefer Beziehung hon das Nöthige gesagt; wenn nihts ge- schieht, so werden wir über furz oder lang in Bayern infolge der Er- böbung der Matrikularbeiträge einfa zu einer sehr starken Ver- mehrung der direkten Steuern schreiten müssen (Bewegung), und ob dann die Klassen, welhe nach dem dem Herrn Reichskanzler unter- s{hobenen Programme nicht getroffen werden sollen, besser geschont bleiben als mit dem vorliegenden Entwurf, oder ob sie niht wenigstens zu einem großen Theile alsdann viel bärter betroffen werden, übeclafse ich Jhrer eigenen Ueberlegung und Erwägung. Meine Herren, es läßt sich überhaupt keine neue Steuer, mag sie eine direÏte oder indirekte sein, denken, gegen welhe man nit den Ein- wurf erheben kann, daß fie auf die breiten Massen zurückfälltk. Das ist nach meiner Meinung undenkbar, und selbst wenn ein solcher Einwurf ganz unbegründet wäre, so würde er doch erhoben werden aus nabeliegenden Gründen. Dem Vorwurf, den der leßte Herr Redner angedeutet hat, daß wir die Zahl der Unzufriedenen vermehren, dem entgehen Sie überhaupt gar nicht, Sie mögen thun, was Sie wollen. Ich habe in meinem ziemlich langjährigen Beruf gefunden, daß mir alle Maßregeln, die ih mit dem allerbesten Willen vorgeschlagen habe, und die au angenommen wurden, doch {ließli eigentlich nur Vorwürfe eingetragen haben, weil man si einbildete, man Éöônnte es besser gemacht haben oder würde es beser machen.

Nun, meine Herren, ih glaube, daß wir diese Dinge recht ernst nehmen müssen, daß wir aber den Vorwürfen am allerbesten und sichersten entgehen, wenn wir eine Steuer wählen, welche verhältniß- mäßig leiht getragen werden kann, welhe niemand ruiniert, und welche bestehende Ungerechtigkeiten beseitigt, und wenn wir dadurch das Reich und die Einzelstaaten in die Lage seten, geordnete Finanzen zu haben denn unter der Unordnung der Finanzen leiden die wirthschaftlih Schwächeren am allermeisten. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, mit diesen Worten {ließe ih und ih habe nur eine Bitte: prüfen Sie den Entwurf vorurtheilsfrei und genau in der Kommission, das übrige wird sich finden. Jch vertraue dem Reichstag in dieser Beziehung ganz fest und unbedenklich. (Bravo! rets.)

Abg. Freiherr von Hammerstein (dkons.): Ih bin vollständig der Meinung, daß die Reichsfinanzreform durchgeführt werden muß, aber auch der Meinung, daß die Durführung auf dem Wege der direkten Besteuerung nicht gesucht werden darf. Es if eine wenig erfreulide Aufgabe für ein Mitglied des Reichstags, neue Steuer- vorshläge zu mahen. Wenn E wäre, dur die Börsensteuer und durch Luxussteuern die Mittel zu finden, so wäre das das An- genehmste. Der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky hat in seiner Rede erklärt, daß das Bier zurüdckgestellt sei, weil eine große Abneigung gegen defsen Besteuerung vorhanden war; was sei anders übrig geblieben als der Taba? Die Zusicherung, daß das Bier nicht herangezogen werden solle, wurde einem Reichstage gegenüber abgegeben, dem eine Bierfteuervorlage niht vorlag; sie konnte auch nicht zurückgezogen werden; es handelte si also nur um eine persönliche Erklärung des Reichskanzlers. Die frühere Bier- steuer ift wegen ihrer Form bemängelt worden, namentlich wegen der vermißten Schonung der kleinen Brauereien : eine weit verbreitete Abneigung gegen Besteuerung des Bieres an sih habe ih nicht ge- funden. Daß in Deutschland im Verhältniß zu anderen Staaten eine geringe Belastung des Tabads stattfindet, ist rihtig; dasselbe gilt aber auch vom Bier. Ich brauche ja nur auf Bayern zu ver- weisen. Das Bier ist mit 49/9 seines Werths belastet; sein Konsum macht rapide Fortschritte, während der Tabackonsum konstant bleibt. Eine Biersteuer hâtte niht entfernt die sozialpolitishe Bedeutung wie die vorliegende Tabacksteuer. Je nachdem man die Frage nah dem Rückgang des Konsums bejaht oder verneint, wird man die andece Frage beantworten können, ob Arbeiterentlassungen stattfinden werden oder nicht. Die Statistik reiht allerdings nicht aus. Der Verbrauch von Nohtabadck allein ift niht entsheidend, fondern es handelt sich darum, ob vielleiht der Zigarrenkonsum zurückgehen wird zu Gunsten des Pfeifen- tabacks. Ohne Konfumrüdckgang wird in diesem Falle eine Entlassung von Arbeitern nothwendig sein. Es ist ja schon hervorgehoben worden, daß die Zigarrenarbeiter größtentbeils eine sehr schwähliche Kon- stitution haben, sodaß sie, aus der Tabackfabrik entlassen, faum andere Beschäftigung finden. Und wenn Entlassungen sich als nothwendig erweisen, so wird der Unternehmer, weil alte steifgewordene Finger weniger leisten als junge, die alten Arbeiter entlassen. Zudem darf man nit vergefsen, daß in feiner andern Branche der Arbeiter so leiht zur Selbständigkeit kommen fann, wie in der Tabadindustrie. Die norddeutsche Tabackinduftrie verarbeitet hauptsählih ausländishen Taback, der durch die Vorlage fo vertheuert wird, daß ih ihre Fabrifation nicht aufrecht erhalten fann, weil das Fabrikat theurer wird und deshalb der Konsum zurückgeht. Die Fabrikation wird von Norddeutshland nah Süddeutschland übergehen, wo die billigeren inländischen Tabacke leihter zu haben sind. Die Fabrikanten fônnen in Süddeutshland Filialen anlegen, aber die Arbeiter können aus Westfalen nicht mit dortbin gehen; denn die west- fälishen Tabadarbeiter sind meist mit einem eigenen Häuschen an- gesessen. Es mag wobl sein, daß die Interessen des Tabackbaues von dieser Vorlage günstiger behandelt werden als früber. Aber wenn der Tabackbau ausgedehnt wird, so leidet vielleiht dadur die Qualität des Tabacks, wenn man nicht die vorhandenen Tabackbauer fon- tingentiert. Sie sehen, daß man ein überzeugter Agrarier sein und dennoch die Interefsen der Industrie vertreten kann, welche hier erbeblich im Vordergrunde steben. Die Kontrolen sind für den ebr- lichen Fabrikanten zu streng, für den unehrlihen reichen sie vielleidt noch nit aus. Ich glaube nicht, daß es möglih sein wird, die sozialpolitischen Bedenken gegen die Vorlage zu beseitigen. Es fann Zeiten geben, wo die äußerste Finanznoth berrscht; da werden auch folhe Bedenken niht mebr maßgebend sein; dann wird uns niemand bindern, auch das Tabackmonopol einzuführen. Das kann ih aus- sprehen auch im Einverständniß mit den Fabrikanten. :

Abg. Dr. Boeckel (d. Refp.): Wir halten die Vorlage für falsch und überflüssig. Die Lage der Arbeitgeber und Arbeitnehmer steht uns bei dieser Vorlage und unter den jeßigen wirthschaftlichen Verhältnissen im Vordergrund; wir via hi fragen, ob die Vorlage geeignet ist, die Unzufriedenheit zu vermehren oder niht. Die Folge dieser Vorlage wird sein, daß das Großkapital in die Lage versetzt wird, die Kleinbetriebe zu ruinieren und an \ich zu ziehen ; deshalb bekämpfen wir den Entwurf im Interesse des Mittelstandes und der Arbeiter, deren {hon genug arbeitslos sind, wie man hier in Berlin und in großen Städten überall sehen kann. Diese Vermehrung der Arbeitslosigkeit können wir niht verantworten. Neue Arbeitslose schaffen, heißt, sich an der Eristenz des Vaterlandes versündigen. Und wie wird der Taback dem kleinen Mann, dessen ein- ziges Genußmittel er ist, vertheuert! Wenn das auch nur 10 Æ im Jahre sind, so kann der Landwirth sie doch nicht tragen. Und wozu wird das Geld verwendet? Den Einzelstaaten sollen Zuwendungen gemacht werden, während in diesen darauf los gewirthschaftet wird mit den Geldern der Steuerzahler. Da werden Bahnen gebaut, bloß damit der eine oder andere sein Holz billiger abfahren fann. Und in dieser Seis wo neue Steuern verlangt werden, vershenkt die Regierung durch die Handelsverträge das Geld nah Millionen. Zur Deckung der Militärkosten ist die Steuervorlage nicht nöthig. Wir haben den Ausschlag für die Militärvorlage gegeben. ur Deckung der Kosten werden wir Vorschläge machen : zunähst halten wir an der Börsensteuer fest, die aber niht mit anderen Dingen verquickt werden darf. Wir wünschen eine tüchtige Lotteriesteuer und eine Wehrsteuer, die ja schon einmal dem Reichsta vorgelegt worden ist. Bei einer Vermehrung der Militärlasten muß derjenige zunächst die Kosten tragen, der perfönlih keinen Militär-

dienst leistet. Man hat die Wehrsteuer auf i

veranshlagt, man tann aber wobl 25 daraus erzielen.

wir doch die Jagdscheine, die nur von den reihen Leuten gelöst werden; besteuern wir den Totalisator und die Wettrennen. Warum fürhten wir uns vor Luxussteuern , die in Frankreich einen erheblichen Ertrag bringen? Auf diese Weise decken wir die Koften für die Militärvorlage, die wir bewilligt haben. Aber für die Zukunftspläne des prenßishen Finanz-Ministers bewilligen wir nihts. Bei der nah dem Vermögen zu bemefsezden Wehrsteuer könnten die reichen Leute gefaßt werden. Die Verfafsungsdebatten, der föderative Gedanke des Deutschen Reichs, kommen immer nur zum Vorschein, wen:: es sih um die reihen Leute handelt. Wo waren aber die Verfafsungs- bedenken, als es sich um die Verlängerung der Legislaturperioden handelte? Vor der Agitation scheint der Reichs - Shaßsekretär eine große Aust zu haben. Ich babe noh nihts Schlimmes gefunden in der Agitation. Selbst die Auswüchse der Agitation ver- {winden immer wieder. Waren es nicht auch Agitatoren, die den Gedanken des Deutshen Reichs hHhochgehalten haben ? Daß die Tabackfabrikanten eine gute Disziplin haben, ift richtig ; sie sind aber auch Jahre lang unausgeseßt beunruhigt worden. Ie schneller man den Zweck der Agitation erfüllt, desto schneller wird die Agitation verschwinden. Wenn die Regierung diese Vorlage zurüdzieht, dann wird die Agitation sofort aufhören. Der Schaßz- sekretär hat sich darüber entrüftet, daß die Schuster sich an der Unterzeihnung der Petition betheiligt haben. Ist denn die Schuh- maherei fein ebrlihes Gewerbe? Die Staffeltarife behält man zum Schaden der Landwirthschaft bei, hier bei der Tabatsteuer be-

‘günstigt man die Tabackpflanzer. Verschonen Sie die Landwirtbschaft

mit dem russishen Handelsvertrage. Man muthet der Industrie zu, sich zu besteuern. Der Schaßsekretär hat mit dem Wiederkommen der Tabafsteuer gedroht. Ja, wozu foll fie denn wiederfommen, wenn die Militärkosten anderweitig gedeckt werden? Wohin soll eine folche Bedrohung und Beunruhigung einer bestimmten Industrie führen? Nun komme ih zum Abg. Freiherrn von Stumm: er sprach von dem Vortheil der Fabrifatsteuer für die Tabackpflanzer. Er follte einmal nah Nordbaden gehen, wo die Pflanzer garnichts davon wissen wollen, denn sie schen ein, daß sie {ließli durch den Rückgang der Tabadindustrie wieder geschädigt werden. Die landwirthschaftlichen Vereine, in denen immer dieser oder jener hobe Beamte eine gewisse Rolle spielt, mögen für die Vorlage sein, aber Stimmen aus Bauern- vereinen werden niht dafür beizubringen sein. Der Abg. Freiherr von Stumm meint, daß man bei Verwendung von Düngemitteln den besten Havanataback bauen könne. Nicht bloß Düngemittel sind dazu nothwendig, fondern auch Regen und Sonnenscheia und das richtige Klima. Auch der Abg.:Freiherr von Stumm droht der Taback- industrie, daß die Vorlage wiederkommen wird. Was würde er sagen, wenn man die Eisenindustrie mit solchen Steuervorlagen beunruhigen wollte! Aus der Rede des Abg. Bafsermann war nit zu entnehmen, wie die nationalliberale Partei zur Vorlage steht. Eine Bemerkung von ibm, daß nämlich die Reichs-Einkommensteuer ommen müsse, be- grüße ih mit Freuden, aber allzu viel Zeit darf nit mebr versäumt werden. Der konservative Redner muthete der Tabackindustrie au zu, fie hâtte sih an der Steueraufstellung betheiligen sollen. Wenn die Tabadtindustrie noch blüht, so sollte man gerade in der legigen schlechten Zeit die Leute in Rube lassen. Vor den Wablen hat sich feiner der fonservativen Redner bingestellt und gesagt: der Taback muß bluten. Taback soll ein ungesunder Genuß sein, das ist der Branntwein auch; aber troß der Steuer dauert fein Genuß weiter. Komme man doch nit mit solchen Rücksichten bei den Steuerfragen. Will die konservative Partei eine soziale Volkspartei sein, so kann fie es bier zeigen, wo es gilt, für 20 000 Arbeiter die Beschäftigung zu er- halten. ir haben uns ausdrüdcklich gegen die Tabacksteuer ver- wahrt, und der Reichskanzler erklärte darauf, daß in seiner Erflärung das Wesentliche meiner Verwahrung enthalten fei. Wir glaubten, daß das Ghrenwort eines preußishen Generals noch einen Werth babe. (Präsident v. Leveßow ruft den Rednec zur Ordnung.) Die Re- terung hat ihr groGenes Wort nicht gehalten; wir sind gerecht- fertigt, aber die Regierung nicht.

Staatssecretär Dr. Graf von Posadowsky:

Ich würde mih zunächst veranlaßt seben, da der Herr Reichs- tanzler nit selbs im Hause anwesend ist, auf die Aeußerung zu ant- worten, die der Herr Vorredner in Bezug auf den Herrn Reichs- kanzler gemacht hat. Jch glaube aber, die Sache ist erledigt erstens seitens des Herrn Präsidenten und ferner durch die Empfindung des gesammten Hauses über diese Aeußerung des Herrn Vorredners. (Bravo !)

Meine Herren, der Herr Vorredner hat gesagt, ih bätte besonders Furt vor der Agitation. Wenn er die Güte haben wollte, den stenographishen Bericht meiner Rede von vorgestern naczulesen, so wird er finden, daß ich im Gegentheil gesagt habe, die verbündeten Regierungen laffen sich durch Agitationen niht bange machen, und ih kann dem verehrten Herrn Redner die Versicherung geben, daß die Richtung der Agitation, die er vertritt, am wenigsten geeignet ift, uns Furcht einzuflößen, denn die Agitation des Herrn Bötel ift bereits auf dem todten Gleise. (Sehr richtig!)

Ich komme jeßt zu einer Reihe anderer Aeußerungen, die hier seitens des Herrn Vorredners gemaht worden sind. Er hat zunächst gefragt, warum griffe man befonders die Tabaindustrie heraus, warum nicht irgend eine andere Industrie; wäre es über- haupt korrekt, daß man irgend eine einzelne Industrie besteuert ? Wenn wir einmal Verbrauchs8abgaben und indirekte Steuern neu er- beben, fo können wir doch zunäthst nur einen Zweig des Erwerbs herausgreifen, und ich erinnere daran, daß in diesem hohen Hause auh einzeln beschlossen worden ist eine sehr erheblißhe Erhöhung der Branntweinsteuèr und eine wesentlih erböhte Zuckersteuer. Es wird gesagt, wir hätten geradezu eine Hetze gegen die Tabaindustrie er- öffnet. Meine Herren, erinnern Sie sich gefälligst dem gegenüber, daß uns fortgeseßt von anderer Seite gesagt wird, die landwirthschaftlichen Brenner zahlen viel zu wenig Branntweinsteuer, und daß immer von neuem die Forderung hervortritt, wir sollten die Branntweinsteuer erböben. Man könnte das vollkommen in Parallele stellen. Hier wird ver- langt, daß die Branntweinsteuer um 40 Millionen erhöht werde, und wir verlangen, da der Branntwein schon reihlich genug Steuern trägt, daß man die Tabacksteuer um 45 Millionen erhöht.

Der Herr Vorredner hat ferner gesagt, ich müßte wohl ein „Gemüthsmensch* sein oder „sehr naiv“, daß ich glauben könnte, eine Industrie würde so selbstmörderisch sein, daß sie selbft die Hand zu einer Erhöhung ¡der Steuer ihres eigenen Fabrikats böte. Nun, meine Herren, dieser Glaube ift niht eine Naivetät und nit ein be- sonderes Zeichen von Gemüth; denn im Jahre 1879 hat in der That die Tabackindustrie meines Wissens die Hand zum Gelingen des Ge- seßes geboten, und das Gese von 1879 ift zum theil unter Beihilfe von Vertretern der Tabackindustrie gemacht worden.

Es ift ferner gesagt worden, welch infonsequente Politik seitens der Reichsregierung es sei, auf der einen Seite Handelsverträge ab- zushließen, durch die die Landwirthschaft geshädigt wird, auf der anderen Seite Sozialpolitik zu treiben, durch die das Loos des Arbeiters verbessert wird, und auf der dritten Seite ein Geseß zu machen, durch das einer Anzahl Arbeiter angeblich die Gefahr droht, ihr Brot zu verlieren. Meine Herren, solche Gegenüberftellungen beweisen nichts. Die Regierung hat eben die Verpflichtung, für

alle Zweige und für alle Schichten der Bevölkerung zu forgen, und wenn die Reichsregierung gerade in den letzten zehn Fahren so Außerordentlihes für die Verbesserung der Lage der Arbeiter durch , die Sozialgeseßgebung gethan hat, so sollte doch Herr Böckel, der an- geblih diese Schichten vertritt, dafür dankbar sein und nit der Reichsregierung daraus einen Vorwurf machen. (Sehr wahr !)

Es ift weiter gefragt worden: warum hat die Reichsregierung niht au Petitionen für die Steuer ausgelegt, während die Ver- treter der Zabadindustrie in jedem Laden solhe Petitionen gegen diefelbe ausgelegt haben, in die sich jedermann einzeihnen konnte? Ich hâtte auch gewünscht, daß ein solcher Vorshlag auch im Sherz bier nicht gemacht würde. Jch habe bereits in meiner früberen Rede ausgeführt, daß ich überhaupt eine derartige Agitation, daß man Petitionen in Läden auslegt und jeden Kunden unterzeihnen läßt, für eine unangemefsene halte; daß nit annähernd ein derartiger Weg der Agitation von der Regierung beschritten werden känn, das ist klar. So etwas kann man in Volksversammlungen vielleiht sagen, wo es als guter Wiß bezeichnet wird; aber daß das hier der Regierung vor- geschlagen wird, wundert mi.

Man ift dann auf die Reihs-Einkommensteuer zurückgekommen und hat auf das Motiv zurückgegriffen, es würden wiederholt Ver- fassungëänderungen vorgenommen ; beispielsweise bätte man die Legis- latur-Perioden gegen den Inhalt der Reichsverfassung von drei auf fünf ¡Jahre verlängert. Warum sei man in Bezug auf Einführung einer Reihs-Einkommensteuer so \krupulss? Das sind doc zwei ganz verschiedene Sachen; bei einer Verlängerung der Legis\atur- Periode handelt es sich um die Aenderung einer formalen Bestimmung der Reichsverfassung, um eine Aenderung der innerpolitisGen Ver- fassung der Reichsorgane; die verbündeten Regierungen sind dagegen der Anscht, daß die Einführung einer Rzchs-Einkommensteuer wesent- lih die Rechte schmälern würde, die bei Abschluß des Nord- deutshen Bundes und bei den Vertragsschlüssen mit den süddeutshen Staaten doch bei Begründung des Deutschen Reiches ihnen garantiert sind, die sozusagen die Vorausfeßung dieser Staatéverträge bildeten. (Sehr rihtig! aus der Mitte.) Man würde den Einzelstaaten die Steuerhobeit nehmen und ibnen dadurch einen wesentlihen Theil ihrer Selbständigkeit rauben. j

Meine Herren, es ist ferner darauf hingewiesen worden, daß wir doch eigentlich nit ganz konsequent in dem Fabrikatsteuergesez wären, denn wir hätten einerseits die Werth steuer und andererseits in dem Uebergangsstadium für die Nachsteuer eineG ewi hts steuer vorgeschlagen. Ich glaube, es war der Herr Abg. Frese, der diesen inneren Widerspru des Gesetzentwurfs hervorgehoben hat: die Pfälzerzigarre trage hier- nah bei der Nachversteuerung ebensoviel Steuer wie die Havanna- zigarre. Es muß dem Herrn Abg. Frese aber genau bekannt sein, daß es steuertehnisch ganz unausführbar gewesen wäre, für die Nat- steuer auch das Wertbfteuersystem anzulegen; denn die Nac- steuer muß \chnell erhoben werden können, und die Einziehung der Werthsteuer von einem großen vorhandenen Vorrath wäre deshalb ohne Störung von Betrieben und Handel völlig unmögli. Da vom Herrn Abg. Frese gerade dieses Monitum erhoben ist, sehe i, daß er doh auch die Gewichts steuer für eine falsche und die Werth steuer für eine richtige bält, wenn er will, daß selbst nit bei der Nacsteuer die Gewichtssteuer zur Anwendung gelange. Ich erblickÆe darin ein An- erkenntniß, daß die Fabrikatsteuer entshieden eine Verbesserung ist gegenüber dem jeßigen Gewichtsfteuersystem.

Meine Herren, es ist ja hier über dieses ganze Fabrikatsteuergesetz so viel gesagt worden, daß man viel Neues niht mehr beibringen kann; mir fällt bei dieser Debatte immer ein berühmtes Wort des nahmaligen englischen Premier-Ministers Robert Peel ein, der einmal gefragt wurde: „Sind Sie nie überzeugt worden durch die Rede eines Parlamentariers?* und der darauf erwiderte: „Oh, sehr oft, aber anders gestimmt habe ih nie.“ (Heiterkeit. ) Ich bin auch der Ansicht, !das ist nit der alleinige Zweck von Reden im Parlament, sondern sie sollen auch die öffentliche Meinung im Lande aufklären. Und ih glaube, dur diese dreitägige Debatte ist die öffentlihe Meinung im Lande sehr erhehlich aufgeklärt worden, aber nicht zu Gunsten der Gegner der Tabacksteuern. (Widerspruch links und aus der Mitte.)

Meine- Herren, ih komme nun noch auf einige Einzelheiten zurück. Es hat der Herr Abg. Frißen in seiner Rede gesagt, ih hätte die Vertreter der Industrie beshuldigt, daß sie sich in Bezug auf die Zahl der Arbeiter Uebertreibungen hätten zu Schulden fommen Iafsen, und ich wäre doc in denselben Fehler verfallen, indem ih die Zahl der Arbeiter zu niedrig angegeben hätte. Jch muß auf diesen Punkt zurückommen, weil die Zahl der Arbeiterentlafungen der springende Punkt in der ganzen Debatte is. Der Herr Abg. Frißen hat gesagt, daß

die Angaben in den Schriften der Tabainterefsenten, welche von ca. 150 000 Zigarrenarbeitern reden, nit gar so übertrieben sind, wenn nah der Unfallversicherungsstatistik in den Tabafabriken mit mehr als 10 Arbeitern {hon 107 000 Personen beschäftigt sind.

Der Herr Abg. Frißen befindet sich in dieser Beziehung in einem fleinen FIrrthum. Nah den Entscheidungen des Reichs-Versicherungsamts sind son alle die Betriebe versiherungs- pflichtig, in denen kein Motor arbeitet und wo auch nur ein fremder Arbeiter ständig beschäftigt ist. Also trifft diese Bemängelung nicht zu. Ich habe mit offiziellen Zahlen gerehnet; nah den offiziellen Zahlen des Berichts der Tababerufsgenossenshaft giebt es nur 107 000 versicherungspflihtige Arbeiter, und wenn ich auch selbft die Schäßung annehme, die seitens der Vertreter der Industrie gemaht ift, daß die nichtversiherungspflihtigen Hausarbeiter etwa 23 000 betragen, so komme ich nur auf 130000 Tabatarbeiter und nicht auf 160 000, wie von der Agitation behauptet ist. Das sind 30 000 Arbeiter weniger. Daß die Zahl 160 000 zu bo gegriffen, ift auch s{chon von den Freunden der Industrie zugestanden worden.

Es ift ferner gestern auf meine Worte: die Vertreter der Industrie würden do so human sein, daß sie eventuell nicht die älteren Arbeiter entlassen, sondern die jungen unve rheiratheten Leute, erwidert worden: das wäre doch ein Glaube, den man nit theilen könne, „wo das Geschäft anfange, höre die Humanität auf‘. Meine Herren, daß die Mehrheit der Tabatindustriellen wirk- lih folhe Gesinnungen haben sollte und ihre Arbeiter na dem Grund- saß behandeln sollte: wo das Geschäft anfängt, hört die Humanität auf“, das halte ich für vollkommen ausges{lossen. Wenn das richtig wäre, dann würde au die Behauptung richtig sein, die ih in einer sozial-

demokratischen Zeitschrift, in der „Neuen Zeit“, die über das Gefeß spra, gefunden habe. Da beißt es: B „Wir haben noch nirgends Berehnungen gefunden, inwiefern die deutshe Industrie oder der deutse Export durch die neue Steuer geschädigt würden, wobl aber, wie viel Arbeiter entlaffen werden müßten und wie sehr die Tabackfabrikate vertheuert würden. Und die Tabaindustriellen thun gut daran, das Hauptgewicht ihrer Agitation in die Arbeiterkreise zu verlegen, denn der Werth der deutschen Tabackproduktion ift verbältnißmäßig niht sehr bedeutend, der Export ist minim, und hauptsählih auf der relativ großen Zabl der von dieser Industrie beschäftigten Arbeite berubt die Mat der Tabackfabrikanten.“ Wäre also die von einem der Herren Vorredner geäußerte Auffaffung rihtig, so würde es nicht Humanität sein, daß auf die angeblich großen Arbeiterentlafsungen hingewiesen wird von den Herren Fabrikanten, sondern ledigli ein taftischer Schahzug. Ich nehme das aber nit an. E

Ferner if gestern gesagt worden, die Fafturenfteuer würde ja sehr [leiht dadurh umgangen werden, daß man das ganze Geschäft des Sortierens, Verpackens, Bündelns von den Händlern maten lasse und niht in der Fabrik und damit die Kosten, die hierauf liegen, am Fabrikationépreis und damit auch an der fteuerpflihtigen Fabriffaktura spare! Der Herr Redner bat bei dieser Gelegenheit den § 12 Absaß 3 des Gesetzes übersehen. Dort ist ausdrücklich gesagt, daß diese Funfttionen Theile des Fabrifk- betriebes darstellen. :

Es ist ferner eingewendet worden, wir griffen jeßt absihtlih das Gewichts steuersystem an, wir nennten es ein brutales System, um Propaganda für das Prinzip der Werth steuer zu machen ; unsere ganze Zollgesezgebung beruhe . aber auf dem Gewihtssteuersystem. Meine Herren, dieser Verglei trifft absolut niht zu, denn bei der Tabacksteuer handelt es \sich do6 um einen Zoll, der in sehr be- stimmter zablenmäßiger und wirtbschaftliher Relation zu ciner denselben Gegenstand treffenden Inlandssteuer steht, und da spielt es allerdings eine große Rolle, ob- man die In- [landssteuer vom Gewiht oder vom Werth des Steuerobjekts erhebt. Die übrigen Zölle, die wir erheben, stehen nit in einer der- artigen Relation zu einer Besteuerung der inneren Produktion.

Es ift ferner bemängelt worden, daß i erklärt babe, die böbere Besteuerung des Tabacks entsprehe dem Gerehtigkeitsgefühl des deutsben Volks, und einer der Herren Redner bat erklärt ich glaube, es war der Herr Abg. Bassermann —, er babe viele Wahlversammlungen durchgemaht, aber nicht eine Aeußerung nah der Richtung gehört oder eine Forde- rung, man solle den Taback - höher besteuern, weil es dem Gerechtigkeitsgefühl des deutshen Volks entsprehe. Fa, meine Herren, ih glaube, steuerlüftern werden Wahlversamm- lungen nie sein, und namentli im Wahlkreise Mannheim, wo das Zentrum einer großen Tabackindustrie ist, kann man unmögli ver- langen, daß aus Wablversammlungen heraus Forderungen auf höhere Besteuerung des Tabacks hervortreten : da muß man dem Gefühl der Interessenten Rehnung tragen.

Es ist ferner deduziert- worden: meine Exemplifikation in Bezug auf die Kosten des Tabatgenusses, welche die Bevölkerung aufbringen könnte, namentli, insoweit es sich auf die französischen und österreihischen Zustände bezöge, wäre unrihtig. Wenn die Herren, die das behauptet Haben, den stenographischen Bericht vergleichen, dann werden sie finden, daß ich gerade ausgeführt habe die eigenthümliche Erscheinung, daß in Oesterreih bei wachsenden Gelderträgen pro Kopf der Regiefsteuer der Konsum nah dem Quantum etwas zurückgegangen sei, und ih habe ausdrücklih angeführt, daß es dafür eine sehr natürliche Erklärung gäbe, indem man von dem Genuß des Pfeifentabacks, wobei ein größeres Quantum konsumiert würde, mit der wachsenden Volksbildung allmählich zur Zigarre übergehe. Und was die französische Negieverwaltung betrifft, so bin ih bereit, dem Herrn Redner das offizielle Material zu über- geben, aus dem hervorgeht, daß troß der erbebli gestiegenen Preise der französishen Fabrikate doch von Jahr zu Jahr die Ausgaben in Frankrei pro Kopf der Bevölkerung für den Rauhgenuß gestiegen find. Ich habe daraus weiter deduziert, daß es total unrihtig wäre, eine absolute, unfehlbare Grenze dafür anzunehmen, was Deutschland pro Kopf für seinen Tabackgenuß ausgeben kann.

Meine Herren, es is ferner noch eine sehr eingehende Kritik über das Banderolensystem eröffnet worden. Ih vermag eigentli nit ret einzusehen, zu welhem Zweck das geschehen ist; denn daß ein Gefeßentwurf ausgearbeitet gewesen ift, der auf dem Banderolen- system basirete, das ist doch nur dur die Zeitungen durgesitert. Das Licht der Welt hat dieser Geseßentwurf nie erblickt, und mir scheint das wirklih ein Kampf mit einem Erschlagenen zu sein, eine Art Hunnenshlaht, hier eine Debatte zu führen gegen einen Geseßz- entwurf, von dem überhaupt der Reichstag nie irgendwelche offizielle Kenntniß erhalten hat, der in den Akten des Reihs-Schaßzamts be- graben ift.

Es ift mir ferner der Vorwurf gemaht worden, ich hätte auf der einen Seite mit den statistishen Zahlen über den Konsum mani- puliert und auf der andern Seite die Richtigkeit dieser Zahlen be- stritten; das Eine oder das Andere könne doch nur rihtig sein. Meine Herren, ih habe bestritten, daß man die Schäßung auf Grund einer Flächen steuer in einen Vergleich bringen kann mit der zahlen- mäßigen Feststellung einer Gewichts steuer, und daß man insbesondere diese Vergleichung nicht soweit treiben könne, daß man fogar aus einer Differenz von 1/10 kg, die man dabei heraus findet, 1/16 wirk- lihen Konsumrückgang deduziere, und die übrigens au darauf beruhen kann, daß man au in Deutschland vom Genuß der Taback- pfeife, die ein größeres Quantum Taback erfordert, immer mehr zur Zigarre übergegangen ift. Wenn man aber auch diese Zahlen von vor 1879 und nah 1879 für absolut rihtig halten will, so gelangt man eben immer nur zu 1/10 kg Minus. Wenn die Vertreter der Taback- industrie zu einem noch höheren Ausfall kommen, eso liegt das eben daran, daß sie die kritishen Jahre mitgerechnet baben, die nicht hinein- gerechnet werden dürfen.

Meine Herren, die Hauptsache ist doch auch die: ist denn von irgend einer Seite bis jeßt der Beweis auch nur angetreten, daß der Konsum durch die Steuer fo belastet werde, daß die Bevölke- rung sie niht tragen könnte? Das is eigentli nie behauptet worden, daß der Taback nit eine höhere Steuer tragen kann, daß

der Konsum niht höher bezahlt werden kann. Es ift nur die all-

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gemeine Zabl eingewendet wordea, es sci scit 1879 dic Ausgabe pro Kopf nur um 16 4 gestiegen.

Meine Herren, es ift wir sebr interessant, gegenüber den Aus- führungen, die der Herr Redner von der sozialdemofratischen Partet gegen das Gese gemacht hat, eine andere Auffassung in einem Blatte zu finden, daß ih doch au für ein Organ der sozialdemokratishen Partei halte und das meines Erachtens auf dem Stantvurkt der Sozialdemokratie ftebt. Es is dort in einem Aufsaß „Skizzen zur Tabatsteuer“ gesagt:

„Wenn man das ganze Miguel’she Steuersystem beibebält und nur die Steuersäte verringert, und zwar so, daß auf Zigarren und Zigaretten eine Steuer von 2509/9 des Fafturawerths gelegt wird, auf Rauchtaback 40 %/e, auf” Kau- und Schnupftaback 3312, so er- bâlt man die gewünschten 49 Millionen, wenn die Konsumtion die- selbe bleibt. Die Mehrb-lastungêtabelle ift aber dann die:

1379 1894 3 Pfennig-Zigarre . . . 85% 6,0 9/9, 9 Pfennig-Zigare « . . 87, On E... e180: 165.

Die Mehrbelastung wäre also dann im allgemeinen eine ger ringere als die von 1879 u. f. w. Dies wäre die einfachste Art, die daber auch unter den geringsten Störungen verliefe, auf dem in Ausfiht genommenen 49 Millionen Maxk zu erlangen.“

Meine Herren, das steht in der „Neuen Zeit“.

Es ift ferner seitens des Herrn Abg. Frese besonders ein- gehend ausgeführt worden, wie shwer, wie drüdckend, wie un- erträglich die Kontrole fein wird, die dieses Geseß vorsieht. Diese Ausführungen haben mich einigermaßen überrascht. FJch kann die Versicherung abgeben , daß der Herr Kommisfar für Bremen, der den Vorbereitungen über die Berathung des Gesetzes im Reihs-Schazamt beigewohnt hat, diese Kontrole niht für fo drüdckend bielt und niht für zu s{harf. Viellcibt würde Herr Frese die Güte haben, sich mit dem bremishen Kommissar, der den Be- rathungen im Schaßzamt beiwohnte, über diefe Frage aus8einañder- zusetzen. 0

Es ist ferner ausgeführt worden, daß die Kontrole aud dadurch für die Fabrikanten gefährlih sein würde, weil die Fabrifanten sogar für den Shwund haften sollten, weil sie nahweisen sollten, wenn die Nendementsverhältnisse bei einer Bestandsaufnabme nit f\timmen, wo der Shwund hingekommen is. Das sind doch Einwendungen gegen das Geseß, die nit ftihbaltig ersheinen. Solche Uebelstände tönnen jederzeit seitens des Bundesraths durch allgemeine Anord- nungen gemildert werden, und sie werden aub fo gemildert werden bezüglih des Schwunds, wie tas z. B. bei den Reisshälmühlen durch allgemeine Festseßung des Bundesraths gesehen ift.

Der Herr Abg. Meister hat der Regierung daraus einen Vor- wurf gemacht, daß sie nicht rechtzeitig dagegen eingeschritten wäre, daß jeßt die Tabadindustrie mit Üeberstunden arbeitet und in unverant- wortliher Weise die Kräfte der Arbeiter anstrengt, wodur auch die Ge- fahr herbeigeführt werde, daß folofsale Vorrätbe geschaffen werden, die den Bedarf auf längere Zeit deen, sodaß wahrscheinli sväter ein Vakuum in der Arbeit eintreten werde, und infolge dieser Ueberproduktion möglicherweise später eine vorübergehende Ent- laffung von Arbeitern eintreten müßte. Ich gestatte mir, den Herrn Abg. Meister darauf hinzuweisen“ daß er eine Forderung stellt, die geseßlih nur in engen Grenzen auézuführen ift. Eine sole Ge- nebmigung kann nur versagt werden nah dem Arbeitershußgeseß für erwahsene weiblihe Arbeiter; sobald mir die Nachricht geworden ist, daß in einzelnen Gegenden Fabrikanten so manipuliert haben, habe ih sofort an die Bundesstaaten das Ersuchen gerichtet, solhe Genehmigung von Ueberstunden für weibliche Arbeiter nit zu ertheilen, und es ift in sämmtlichen Bundesstaaten ein Verbot daraufhin ergangen. Ich glaube, der Herr Abg. Meister wird fih dadurh überzeugen, daß seitens der Reichsregierung gescheben ift, was nah dem Arbeitershußzgesez überhaupt nur geschehen fonnte.

Es ist ferner fortgeseßt darauf hingewiesen worden, die Kleins- betriebe würden besonders unter dem Fabrikatsteuergesez leiden: es würde dieses Geseß zu der bedauerlichen Entwickelung führen, daß nur, wer großes Kapital hat, die Industrie betreiben fann: es würden gewaltige Fabriken entstehen, und der Mittelstand, der in den kleinen Fabriken hauvtsählich betbeiligt ist, würde darunter leiden. Nach dem ganzen Gange der Debatte habe ih Beweise «dafür niht gefunden. Jch frage nun: warum foll denn der Klein- betrieb gerade durch dies Gesetz leiden ? Zunächst bemerke ih und das ist {on von dem Herrn bayerishen Finanz-Minister alisgeführt worden —, daß, während jeßt der Kleinbetrieb mit einem verzollten bezüglich versteuerten Rohmaterial arbeitet, er in Zukunft zur Steuer- entrihtung erft verpflichtet ist, wenn das Fabrikat die Fabrik verläßt, Gerade die kleinen Fabriken verarbeiten das billigere Material, sind auhch nit in der Lage, si einen großen Vorrath aufzuarbeiten; es sind Betriebe, die, sozusagen, von der Hand in den Mund arbeiten, die umgehend ihre Bestände abseßen. Und deren Lage, meine ih, wird gerade durch das Geseg verbefsert, da jeßt der Zoll auf 9 Monate und die Fabrikatsteuer auf 6 Monate gestundet wird. Ich glaube, diese 6 Monate werden für den Kleinbetrieb vollkommen auéreien, um nit nur die Fabrikation zu bewirken, sondern au das Fabrikat abzusezen und die etwa schon verauslagte Steuer auch wieder zu erlangen.

Es ist ferner darauf hingewiesen, daß zwar im Gesetz stände, die kleinen Betriebe könnten pauschaliert werden, aber wer“ wisse, ob das geshehen würde; in dieser Pauschalierung würde auch eine gewisse Täuschung liegen, fie könne nur erfolgen nach dem Quantum, während es bei der Fabrikatwerthsteuer au auf die Qualität an- käme. Es ist uns von den Sachverständigen bei den Vorberathungen ausdrüdlich bestätigt worden, daß die Kleinbetriebe, namentli die Hausbetriebe, nur Waaren bis zum Fakturenwerth von 35 4 ver- arbeiten, (Zurufe) ja gewiß, bis zu 35 A Sehr bald wird auch die Steuerbehörde darüber vollkommene Kenntniß er- halten, welches Quantum von wievielen Arbeitern verarbeitet wird in dem Kleinbetrieb, welche Sorten von Taback u. \. w. Es wird da- dur meines Erachtens eine vollkommen zutreffende Pauschalierung erfolgen können.

Es ift ja nun in dem Gefühl, daß es doch nicht genügt, einfah die Steuervorlagen der Regierungen zu negieren, sondern daß es noth- wendig ist, au positive Vorschläge zu machen, in den leßten Tagen der Debatte eine große Anzahl derartiger Vorschläge ver-

Wege

sucht worden. Ich frage also: wie soll ter Riß gedeckt