1894 / 13 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Deutschland dem widerstrebt. Ich will aber auh darauf nicht kommen; ih sage: Gegenüber den Beträgen, die wir braudhen, würden die Prozente der Steuer so hoh sein, daß fie im höthften Grade drückend wäre für die weit überwiegende Mehrzahl aller Be- troffenen. Wenn ih darauf hinweise, daß die Einkommensteuer- pflichtigen in Preußen mit 97 Prozent unter einem Einkommen von 8500 Æ bleiben, fo ift flar, daß in den meisten Fällen die Lage der Kinder bei dem Ableben der Eltern nicht besser, fondern erheblich s{chlechter wird, daß nit aus Renten aus dem Vermögenéftamm, \ondern aus dem Arbeitseinkommen des Vaters die Familie si erhalten hat, und daß es daher im höchsten Grade drückend sein würde für die gesammten Mittelklassen in Deutschland, wenn Sie Steuersäße auferlegten, wie sie nothwendig sein würden, namentlich wenn Sie etwa bei einer Erbschaft von 6000 Æ anfingen, vielleiht von 3 bis 49%, wenn Sie in dem Augenblick, wo die Lage der Kinder durch den Tod der Eltern si verschlechtert, mit einem solchen festen Griff nit in die Renten, sondern in den Besiß selbst eingriffen. Meine Herren, ih bin mir keinen Augenblick darüber zweifelhaft, daß die Besteuerung des Tabaks, verglihen mit einer solhen Härte, wie eine derartige Erbschaftssteuer fie herbeiführen würde, von allen denjenigen, die überhaupt urtheilen können, vorgezogen werden würde. (Sehr richtig! rechts.)

Nun ift vorgeshlagen auchE#von Herrn von Hammerstein —, auf die Besteuerung des Bieres zurückzukommen. Ich will darüber gar nicht streiten, ob die Besteuerung des Bieres manche Bedenken und Nattheile, die ih bei der Tabakfabrikatsteuer ofen anerkenne, mit dieser theilt oder nit theilt. FJch will die Frage ganz unentschieden lassen. So viel ist aber doch gewiß, daß, als dieser Reichstag zusammentrat, man aus allen Parteien hörte: Eine Besteuerung des Biers wollen wir nicht. Meine Herren, daß die verbündeten Regierungen unter diesen Umständen nicht wagen konnten, selbst wenn die Erklärung des Herrn Reichskanzlers dahin nit gegeben wäre, aufs neue eine solche Biersteuer {on jeßt vorzuschlagen, das werden Sie uns vollkommen nachfühlen. es hâtte gewissermaßen fo ausgesehen, als kümmerten wir uns um die Anschauungen der großen Mehrheit dieses Hauses nit. Aber hätten wir uns auch hierüber hinwegseßen wollen, eine Biersteuer wäre den süddeutshen Staaten in keiner Weise zu gute gekommen. Wir haben es mit einer Last des Reichs zu thun, mit Ausgaben, die von Reichs wegen gemacht sind, mit Einnahmeveränderungen, die von Reichswegen entstanden sind. War es da billig und gerecht, die süd- deutshen Staaten mit finanziellen Shwierigkeiten, die dur die sie dann noch in höherem Maße treffenden Matrikularbeiträge entstehen würden, zu belasten und lediglih an Norddeutshland zu denken? Ob Nord- deutschland zu den Reichstusgaben verhältnißmäßig mehr beitrug als Süddeutschland, will ih nit untersuhen, mir liegt es ganz fern, finanzielle Aufrechnungen unter den einzelnen Theilen des Reichs zu machen oder sie in irgend einer Weise zu begünstigen. Ein zusammen- gehöriger Körper darf so nit rechnen. Das eine kommt einmal diesem Theil, das andere einmal jenem Theil zu gute. Wenn man fo anfängt, gegen einander zu rechnen, wie das leider au fogar in Süddeutschland manchmal geschieht, so ist das ein schr bedenklicher Anfang für ein größeres Uebel. Aber, meine Herren, fo viel steht doch fest, daß, während die süddeutshen Staaten die Gesetzgebung über die Besteuerung des Bieres für si behalten haben, Norddeutschland un- bedenklich die Geseßgebung über sein Bier dem Reih über- tragen hat. Wir fkönnen die Besteuerung des in Nord- deutschland zum Konsum gelangenden Bieres nur eintreten lassen mit der Einwilligung der Regierungen und der Abgeordneten aus Süddeutschland. Wir würden aber vielleiht in diesem Falle von den Süddeutschen mit Recht gehört haben: Wenn ihr die Ausgaben, die die Ausgaben des Reichs.find, in Norddeutschland allein decken wollt durch die Besteuerung des Bieres und um unsere Interessen euß garnicht kümmert, könnt ihr euch nit beklagen, wenn wir dafür keine be- sondere Sympathie zeigen. Die Sache liegt einmal so, und wir werden daher dieser Frage ein anderes Mal näher treten müssen.

So war es klar, das Bier konnte auth nit belfen; eine direkte Besteuerung im Reich ist nicht mögli, niht rathsam, nit dur{zu- feßen: was blieb nun übrig? Sie sagen, Luxusfteuern. Nun, ih be- haupte, daß diese Steuern, die Ihnen jetzt vorliegen, nah diesem Ge- sichtépunkte aufgestellt . sind. Gewiß behaupte ih garnicht, daß das Rauhen ein reiner Luxus sei. Nein, das Rauchen ift au unter ge- wissen Umständen, mit Maß betrieben, eine ganz berehtigte Erholung und nervöse Anregung; aber, daß auch nach der anderen Seite doch das übermäßige Rauchen der reine und s{ädlide Luxus ist und daß der Taback unter allen Umständen do nur unter die Klasse der Genuß- mittel, nicht der Nahrungsmittel, der nothwendigen Nahrungsmittel zählt, darüber kann do gar fein Zweifel sein, und was den Wein betrifft, meine Herren, für den größten Théil von Deutschland ist der Genuß des Weins auch ein Lurxusartikel (Zuruf links), jedenfalls ein Genuß für die wohlhabenderen Klassen unt nit für die ärmere Bevölkerung. (Sehr richtig! rechts.) Was lag daher näher, als zu sagen : nachdem das Bier doch {on ziemli stark besteuert ist, nachdem der Brannt- wein mit 2009/6 seines Werths besteuert ist, ist es gerecht und billig, daß der Wein au herangezogen wird, umsomehr, als man den Zoll auf Wein beruntergeseßt hat, und als man den Gemeinden in Nord- deutshland sogar verboten hat, ihrerseits den Wein zu besteuern.

Ich wollte dies nur einschalten, um zu zeigen, daß die Gesichts- punkte einer {ärferen Heranziehung der bemittelteren Klassen hier bei diesen beiden Steuerarten offenbar vorgewaltet haben, und ich werde Ihnen betreffs der Konstruktion der Tabackfabrikatsteuer das noch näher“ nahweisen. Die Börsensteuer, die Quittungësteuer und die Frachtbriefsteuer treffen die untersten, die arbeitenden Klassen fo gut wie garniht (Widerspruch links), nein, auch die Quittungs- steuer nit, ich werde das Nähere in der Kommission darthun, namentlich da zu Gunsten der arbeitenden Klassen alle Quittungen über Löhne und dergleihen vollständig frei gelassen sind. Also so viel steht fest: der Gesichtspunkt, in der nit zu vermeidenden Form der indirekten Besteuerung und Verbrauchs- abgaben, die einmal gegeben ist, möglichs dahin zu streben, solhe Gegenstände zu besteuern, die entbehrt werden können und die wesent- Tih die wohlhabenderen Klassen gebrauhen dieser Gesichtspunkt hat unbedingt. vorgewaltet, und es is das Wort des Herrn Reichs- Tanzlers nah dieser Richtung hin von den verbündeten Regierungen vollständig eingelöft worden.

Nun komme ih zu der Frage: in welcher Form sollte nun, wenn der Taback einmal besteuert werden mußte, um die Ausgaben des Reihs zu decken, in welcher Form follte der

Taback besteuert werden? In Norddeutshland hat man, namentli in den Handelékreisen, au vielleicht in den Kreisen der Fabrikanten, vielfach den Wunsch gehabt: wenn der Täback mehr bluten solle, ein- fa die bestehende Steuer und den betreffenden Zoll zu erhöhen. Die bestehende Steuer is eine Gewichts\teuer, folgeweise trifft sie den ge- ringwerthigen Taback am allerhöchften; jede Erhöhung der Gewichts- fteuer würde diese ungerechte Befteuerung, anders kann ih sie gar- nit nennen, noch vershärfen in ihrer Ungerechtigkeit. Aber noch mehr, eine Erhöhung der Gewichtsfteuer würde eine ganz gewaltige Verschiebung zwischen der Lage der vershiedenen Landestheile in Deutschland herbeiführen, eine Erhöhung der Gewichtsfteuer würden die Tabackbauer niht mehr ertragen können. (Sehr rihtig! rechts.) Wer die Verhältnisse einigermaßen erkundet hat, der weiß, und ih gab es zu von meinem preußischen Standpunkte aus, daß {on die be- ftehende Gewichtsfteuer im Verhältniß zum Zoll die Lage der Taback- bauer sehr gefährdet hat (sehr richtig! rechts), daß Schritt vor Schritt der deutsche Tabackbau zurückgegangen is, von wenigen Lan- destheilen abgesehen, und die besten Kenner der dortigen Verhältnisse, die”am objektivsten urtheilen, sagen: die bloße Thatsache, daß selbst die gegenwärtige Gewichtsfteuer, wie sie ist, unberührt bestehen bliebe, müßte über furz oder lang nahezu den ganzen deutschen Tabackbau vernihten. Is dies richtig, so konnte bi[ligerweise auch vom norddeutshen Standpunkte aus von einer starken Erhöhung der bestehenden Gewichtsfteuer und des ihr entsprechenden Zolls nicht die Rede fein. Wir mußten diese Rücksicht nothwendig nehmen auf die Verhältnisse in Süddeutschland und auf die Lage der kleinen Bauern daselbst, welche in dem Tabackbau am besten und vortheilhaftesten ihre Arbeitskräfte verwertben.

Meine Herren, man hat vorgeschlagen, man sollte den Zoll nah Werthklafsen erheben. Diese Frage i sehr eingehend erwogen worden, und gerade die Darlegungen von Hamburg und Bremen haben uns überzeugen müssen, daß dies ein unmöglihes Bêéginnen wäre. In der Kommission werden wir darauf näher zurückommen, ih will das Einzelne hier nit weiter entwickeln. Wir baben uns wenigstens überzeugen müssen, daß die Erhebung des Zolls nah Werthstufen unausführbar ift.

So blieb weiter gar nihts Anderes übrig, als entweder das Monopol oder die Tabackfabrikatsteuer. Nun, meine Herren, daß wir nicht einen zweiten Versuch mit dem Monopol machen, das wird wobl allseitig als richtig anerkannt werden; es wäre das auch eine noch ganz / andere Verschlechterung der Lage der Zigarren- und Taback- arbeiter, als sie durch das vorliegende Gesetz herbeigeführt werden könnte.

Meine Herren, die Tabackfabrikatsteuer besteht in Rußland und in Amerika, und in keinem von diesen Staaten denkt man daran, sie wieder aufzuheben, auch nicht in Amerika. In Rußland hatte sie den Charakter der Werthsteuer, sie wurde dann aufgehoben und ift hinterher wieder als solche eingeführt worden. Wir hatten keinen Augenblick daran gezweifelt, daß man die Tabackfabrikat- steuer auf der Basis einer Massen- oder Gewichtsfteuer nicht durch- führen könne, sondern nur auf der Basis der Unterscheidung nah dem Werthe. Meine Herren, es is doch ein Zustand, der bei hoher Be- lastung unerträglich wäre, daß 1000 Zigarren, welche 1000 kosten, ebensoviel Steuer tragen wie 1000 Zigarren, die 30 .( kosten. Das kann man bei einer geringen Besteuerung in der Höhe vielleiht er- tragen. Bei einer Steigerung dieser Besteuerung wird, wie ih {on hervorgehoben habe, eine solhe Ungleichheit geradezu unerträglich.

So sind wir zur Tabackfabrikatsteuer gekommen, und ih babe vergeblih in den Debatten eine bessere Weisheit gesucht ; ih habe mich vergeblich gefragt: Jst denn etwas vorgeschlagen, was besser und [eihter wäre und do das Ziel erreihte? Sie haben ja auch alle die Debatten gehört und geführt —: Jt denn nun etwas Anderes, eine bessere Form vorgeschlagen ? Die Tabackfabrikatsteuer läßt die bestehen- den Industrien bestehen und unterscheidet sih dadurch vortheilhaft vom Monopol, welches in einer rücksichtslosen Weise die gesammte Privat- industrie aufheben würde. Die Tabafabrikatsteuer unterscheidet nah Werthklafsen und beseitigt die Ungerechtigkeit der Gewichtsfteuer. Die Tabackfabrikatfteuer giebt den deutschen Tabackbau frei, während die bisherigè Steuer im fiskalishen Interesse die Entwickelung des deutshen Tabackbaues verbindern mußte und verhindert hat.

Nun find die Fabrikanten und Interessenten auch ganz konsequent gewesen. Sie haben \sich wohl gehütet, einen positiven anderen Vor- {lag der Besteuerung des Tabaks zu machen, sondern sie sagen: Wir verlangen, daß die deutsche Nation auf ewige Zeiten auf jede höhere Besteuerung des Tabacks vrerzihtet; wenn Sie die Taba&- fabrikatsteuer ablehnen, so {ließen Sie sih diesem Verlangen an, abgesehen von dem Fall eines Kriegs, gewaltiger Notbstände, die über das Land kommen könnten, wo man {ließli keinerlei Nücksiht mehr nimmt und das Monopol einführt.

Abgesehen davon, meine Herren, können Sie eine Steigerung der Einnahmen des Reichs aus dem Tabak nur in dieser Form der Fabrifatsteuer erreichen. Wenn Sie diese Form grundsäßlich ablehnen, so beshließen Sie den Verzicht auf eine Besteuerung des Tabaks höher als 1,20 4 pro Kopf. Meine Herren, das wäre nit Élug. Ein Land, dessen Ausgaben ob das nun gebilligt wird, oder nit, ob es nothwendig war, oder niht, ob es in dem vollen Maße noth- wendig war, oder nur in einem geringeren dessen Ausgabe-Etat thatsächlich diese Höhe erreiht hat, wie der Ausgabe-Etat des Neichs und der einzelnen Staaten ; ein Land, welches gezwungen ist, um diese Ausgaben zu decken, zur Besteuerung offenbarer Lebensbedürfnisse in einer solchen Weise zu greifen, wie das Deutschland und die einzelnen Staaten thun müssen, kann es nit verantworten, zu sagen: wir wollen, wie die Interessenten es verlangen, für alle Zeiten auf eine stärkere Heranziehung des Tabacks verzichten, und wenn Sie das wirklich thäten, so bin ich überzeugt, daß sehr bald die Zeit kommen würde, wo noch Sie selbst oder ein anderer Reichstag diesen Beschluß revozieren würde. Wenn das richtig ist, wenn Sie sich diesen Schlußfolgerungen.- garnicht entziehen können, fo bleibt nur übrig, daß Sie fagen : das Reih wird “überhaupt die Ausgaben nicht deen: durch die Börsensteuer und durch die Quittungssteuer, wenn Sie fie bewilligen, und die Frachtbriefsteuer, wenn sie Ihre Zustim- mung erhalten würde, können Sie den Ausgabe-Etat niht entfernt begleihen fo ziehen wir denn die Einzelstaaten heran; die Matrikular- umlagen werden gesteigert, und die Einzelstaaten mögen sehen, wie sie fertig werden. Das is das einzige, was Jhnen bleiben würde. Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. von Bremen sehr rihtig gesagt: Wir in Bremen wollen lieber eine Steigerung der Matrikularumlage, als

eine solche neue Besteuerung des Tabacks. Ja, meine

Interefsen von Bremen allein im Deutschen Reich ents:

wäre das vollkommen zutreffend, und zwar nah

und deswegen greife ih dieses heraus inmal, weil Bremen in seinem Handel ja wesentlih und stark au an der Taback- fabrikation interessiert is, und man daher dort sagen kann: Wir wollen lieber etwas mehr Matrikularumlagen ¿ahlen, als daß die Einnahmen unserer Bürgerschaft, die wesentliG au mit auf dem Tabadck beruhen, si vermindern und wir indirekt daher auch im Bremer Staat Schaden leiden. Aber die zweite Seite ift viel carakteristisher. Gewiß, für die reihen Staaten Deutschlands sind die Matrikularumlagen einigermaßen erträgli. Wenn der Kopf in Bremen foviel zahlt denn eine Matrikular- umlage is eine Kopffteuer wie die armen Gebirgsbewohner in Waldeck, so ist das für Bremen ein ganz vorzüglihes Geshäft. Eine Leitung der Finanzen des Reichs aber, welche eine gerechte Vertheilung der Reichslasten will, fann diesen Wünschen von Bremen nit folgen. Wenn sie überhaupt begünstigen will, so muß sie die ärmeren Landes- theile begünstigen, aber nit die reicheren. Also an sih son, so lange die Matrikularumlagen mit den Veberweisungen balancieren, tritt die Frage gar nicht heraus, aber wenn wir jeßt {on allein für Preußen 32 Millionen Matrikularumlagen mehr zahlen sollen, als wir vom Reich empfangen, dann würde diese Frage sehr bedeutsam; ih sage, an und für sich schon ift die Matrikularumlage eine innere Un- gerechtigkeit im Deutschen Reih. Wie würde sie nun aber wirken? Meine Herren, die Matrikularumlagen müssen aufgebracht werden durch Steuern innerhalb der einzelnen Staaten. Aber wie verschieden sind die Steuern innerhalb der Einzelstaaten ! Ich brauche das nicht näher zu entwickeln. Meine Herren, wenn der Staat Bayern genöthigt wird, Zuschläge zu den Nealabgaben zu machen oder wir in Preußen Zuschläge zur Einkommensteuer, so ist das ein ganz gewaltiger Untershied; ob Sie ten verschuldeten Bauer mit der Grundsteuer heranziehen, oder ob Sie die Besteuerung eintreten [assen in der Einkommensteuer, das können Sie garnicht vergleichen. Welche Ungleichheiten in der Vertheilung der Reichslasten rufen Sie hervor ? Aber noch mehr, glauben Sie denn, daß die Landtage in den Einzelstaaten sich so leiht dazu berbeilassen werden, die inneren Steuern zu erhöhen für Reichsausgaben, die offenbar von dem Neich gedeck werden müssen? Wird man darin nicht die größte Un- billigkeit finden, wird man nicht fagen, wir können un- möglich glauben, daß der Reihhétag \ich auf die Dauer weigern wird, denn der Reichstag muß doch die Ausgaben decken, die er selber beschlossen hat! Wird nicht da fehr leiht den Finanz-Ministern, die dort eine Erhöhung der Steuern wollen, erwidert werden : wir lafsen uns darauf niht ein, mag?s der Reichstag machen? Nun, welches gegenseitige Zu- und Abschieben tritt dann im Deutschen Reich ein, und wo bleiben s{ließlich die deutschen Finanzen? Wir sehen doh deutlich genug, wohin der Verfall des Finanzwesens die Staaten führt, an den verschiedenen Bei- spielen von Ländern in . Europa, die ich nicht nennen möchte. So lange ich noch Finanz - Minister bin, werde ih es für meine verdammte Pfliht und Schuldigkeit halten, es dahin zu bringen, daß wir wohlgeordnete Finanzzustände haben, die \hließ- lih doch auch auf das Wohlergehen aller Klafsen am besten ein- wirken. (Bravo ! rets.)

Meine Herren, Sie können also zweifellos niht zu dem Ent- {luß kommen, dauernd diese Ausgaben auf die Matrikularumlagen zu werfen. Ih will von der Reichssteuerreform, deren innere Be- rechtigung und Nothwendigkeit nah meiner Meinnng kaum bestritten wird, während man die Dpportunität des gegenwärtigen Augenblicks oder derartige Gegengründe zwar ausführt, aber die Nothwendigkeit einer dauernden festen Auseinandersezung der Neichsfinanzen und der Finanzen der Einzelstaaten eigentlich nit zu leugnen vermag, gegenwärtig ganz absehen und ih spreche absihtli6 immer nur von der Deckung der vorhandenen Feblbeträge und noch nit von Ueber- weisungen. Jch werde diese Frage erörtern, wenn wir endlich einmal zu Worte kommen in Beziehung auf die Nothwendigkeit der Reichs- Finanzreform.

Die Matrikularumlagen wären Grenze erträglißh, wenn man sie baben die Ueberweisungen firieren wollen. Matrikularumlagen fixierte, dann wäre « wenigftens die Auf- stellung eines fest geordneten Finanzplans in den Einzelstaaten möglich. Wenn Sie aber bei dieser Gelegenheit, wo der Fehl- betrag aus den Beschlüssen weniger Jahre des Reichs hervor- gegangen ift, den ganzen Fehlbetrag den einzelnen Staaten zuweisen, wann wollen Sie dann überhaupt noch auf die Verminderung der zukünftigen steigenden Matrikularumlagen kommen? Es fann do wohl feinen Fall geben, der deutliher und klarer auf die Deckung des Feblbetrags durch eigene Einnahmen des Reichs hinweist als der vorliegende Fall. Wenn später von Jahr zu Jahr die Matrikularumlagen um einige Millionen steigen, nun, dann wird man erst recht keine Veranlassung finden, auf die hier vor- liegende Frage zurückzukommen. Mit anderen Worten : mehr und mehr werden wir dahin gelangen, wenn Sie uns bei diefer Gelegen- heit Ihre Einwilligung versagen, die Reichsausgaben der Zukunft durch Matrikularumlagen decken zu lassen.

Jett wende ih mich an die Patrioten, die hauptsählich das Interesse des Reichs im Auge ‘baben, frage ich Sie, welche Zustände würden in Deutschland entstehen, wenn diese Perspektive eintreten sollte, welhe Mißstimmung über das Reich, welhes nichts giebt sondern nur fordert, welches die Bemühungen, geordnete Finanzzuftände in den einzelnen Staaten herzustellen, fortwährend wieder durchbridt, dessen Wandlungen man garnicht voraussehen kann, wo alle Be- rechnung unmöglich ist. Jch wende mich aber ebenso, meine Herren, an diejenigen unter Ihnen, die vor allem und zuerst die Schicksale ihres Heimathlandes, der Einzelstaaten, im Auge haben: welche Zustände sollen denn dort entstehen, wenn Sie zurückfommen mit leeren Händen, wenn Sie sagen, wir haben Euch weiter nihts mitgebraht als eine Steigerung von 60 Millionen Matri- fularumlagen ? Meine Herren, die Interessenten wehren sfih mit Macht, und ih kann ihnen das nit verdenken ; durhaus nit; man muß si objektiv in ihre Lage hineindenken. Sie sind nit zuerst berufen, ¡die gesammten Reichs- und Staatsinteressen zu übersehen und \sihch von ihnen leiten zu lassen; sie sind bis auf eine gewisse Grenze be- rechtigt, ihre Interessen in den Vordergrund zu ftellen; und wenn sie das thâten mit wahren Behauptungen, wenn sie nicht übertrieben, wenn sie nicht Mittel gebrauchten, die niht angemessen sind und über

noch bis auf eine gewifse nur fixieren wollte. Wir

Wenn man die

die Sahlichkeit hinausgehen, würde ich ihr Vorgehen vcllständig billigen. Aber wenn die Frage entsteht, wer ist stärker gegenüber folchen Staatsnothwendigkeiten wie sie hier vorliegen : die Interessenten des Tabacks und die Interessenten des Weins, oder die großen Inierefsen des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten, dann. glaube ih, kann für Sie, die Sie diese leßteren Interessen vertreten müssen, die Wahl nit zweifelhaft sein.

Meine Herren, ich komme nun noch mit zwei Worten auf einige Bedenken. Doch ih will noch eins zum leyten Saß hinzufügen. Meine Herren, ih habe manche von den Interessenten gewarnt, und ¿war in gutem Glauben, sie möhten sih doch einer solhen Agitation nit bingeben ; wenn sie ihr augenblicklihes Interesse bedächten, so könnte das ja wohl vielleißt rationell sein, daß sie den Versuch machten, ob fie nicht stärker find als die deutshen Reichsinteressen, aber wenn sié ihr dauecndes Interesse ins Auge fassen, die dauernden Interessen des Gewerbes, dann wäre es nicht vernünftig, eine solche Agitation zu maten, sondern etwa auf Modifikationen der Vorlage hinzuwirken, wobei man ja geneigt sein würde, ihnen, soweit irgend denfbar und mit den allge- meinen Interessen vereinbar, entgegenzukommen.

Meine Herren, ich bin überzeugt, es \ind hier im Reichstag nit viele Männer, die glauben, daß diese Frage, wenn fie jeßt durch ein Votum des Reichstags negativ entschieden würde, wirkli®ß ruhen EXönnte. Wenn die Herren si einmal aufrihtig fragen: wird es denn auf die Dauer in Deutschland bei diesen wachsenden Ausgaben, und wenn erst einmal beispielêweise in Preußen 30% Einkommensteuer mehr er- hoben würden, welche zu 95 9/6 die geringen und die mittleren Ein- nahmen trifft, da nicht doch immer wieder der Ruf entstehen, wie kommt es, daß ibr am Taback vorbeigeht, bloß der Wider- fprühe der Interessenten wegen? Herr von Hammer- stein hat die Perspektive gestellt, wenn einmal Nothzeiten ein- treten follten, was Gott verhüten möge, dann geht es ans Monopol, dann ift die ganze Industrie dahin! Nun, ist da nicht richtiger die Tabafabrikatsteuer in mäßiger Höhe, denn eine Besteuerung in Deutschland von 2A pro Kopf, gegen 7 A in Frankrei, gegen 5 Æ selbst in Spanien und über 54 in England, in Oesterreih über 4 M ist noGß immer eine sehr mäßige Besteuerung meine Herren, ist es da nicht richtiger, diese mäßige Besteuerung zu accep- tieren, um dann erft sier zu sein vor den geshilderten anderen Mög- lichkeiten? Meine Herren, wenn Noth ins Land käme und die Ein- nahmen aus dem Taback müßten erhöht werden und man fönnte dem gar niht-„entgehen, ja, dann ist die Tabackfabrikatsteuer auch eine geeignete Form, dann brauchen wir nicht zum Monopol zu greifen. Die bestehende Steuer ift keine geeignete Form, dann würden wir anderen Falls alierdings genöthigt sein, zum Monopol übergehen zu müssen. Wenn die Herren das rubig erwogen hätten, wenn Sie etwa die Kontrolen bemängeln, wenn Sie selbst die Höhe der Steuer be- kämpften, wenn Sie aber die offenbar große Vorzüge mit sih bringende neue Form der Besteuerung acceptirt hätten, so bin ih überzeugt, es wäre das in Ihrem wohlverstandenen dauernden Interesse gewesen ; und vielleicht thun wir dem Gewerbe eine Wohlthat, wenn wir die Frage nicht hängen lassen, sondern uns endlich entshlossen entscheiden. (Sehr gut! und Heiterkeit links.) (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, von den Konsumenten hat man im ganzen wenig gesprohen. Die Pfeife des armen Mannes is zurückgetreten. Die Konsumenten dieser Werthsteuer gegenüber, welche die höheren Werth- faffen sdärfer heranzieht, die geringeren Wertbhklafsen in viel ges ringerem Grade, in den Vordergrund zu schieben, wäre auch wohl ein vergeblihes Bemühen gewesen. Jch habe in Privatgesprähhen immer gehört: die Konsumenten thun uns nit leid!

Die Herren Fabrikanten selbs haben auch wenig Vertretung als folhe gefunden; man hat gemeint, sie würden doch wohl \{ließlich ohne allzu großen Schaden und zu gewaltigen Ruin aus der neuen Besteuerung herausgehen. Man hat den wesentlichsten Einwand nach dem Vorgange der Fabrikanten selbs, welhe es offenbar niht für ratbsam gehalten haben, ihre eigenen Interessen zu sehr in den Vorder- ¿u sieben, sondern es für flüger gehalten haben, von den Arbeitern ¿u sprechen, wesentli reduziert auf die Frage des Konsumrückgangs. Nun gestehe ich Ihnen ofen, daß ih Ihnen auf Heller und Pfennig den Konfumrüdckgang, seine Höhe und Dauer, nicht beweisenkann, wie groß er ist, wie gering er ist wir können nur aus allgemeinen Gesichtspunkten hier zu der Ueberzeugung kommen, daß der Konsumrückgang überhaupt nit oder nur vorübergehend, oder„in geringerem Umfang, oder in be- bedeutenderem Umfang eintreten wird. Bei meiner Veberzeugua, daß ein sehr erhebliher Konsumrückgang nit eintreten wird, daß jeden- falls die zur Fabrikation in der Taback#branche verwandten Arbeits- kräfte nicht viel gecinger sein werden als heute, stüße ih mich auf folgende Gesichtépunkte: Vor allem auf die That- sache, daß in Deutschland außerordentlih stark und viel geraucht wird, daß Länder von offenbar viel geringerem Wohlstande, selbst bei einer im allgemeinen größeren Besteuerung einen viel größeren Dur(schnitts- faß aufbringen, einen um 300, 400, ja um 600 9% böberen, als wir selbst in Zukunft haben werden. Ich kann unmöglich glauben, daß unter diesen Umständen eine Vertheuerung des Tabacks, wie sie dur diese Steuer bewirkt werden würde, einen so bedeutenden Konfumrückgang herbeiführen kann, wenigstens nit für eine irgendwie längere Dauer. Meine Herren, die Uebergangszeit ist gewiß störend; und ih gebe zu, daß sowohl für den Fabrikberrn, als auch für die Arbeiter dies ein sehr unliebsames Moment is. Aber der größte Theil dieser Nachtheile i st| jeßt {hon vorhanden, ob Sie die Tabackfabrikatsteuer annehmen oder nicht; denn die Fabrikanten, die so siegesgewiß si darstellten, daß diese Tabackfabrikatsteuer nicht vom Reichstag würde genehmigt werden, haben es doch für nüßlich ge- halten, ihre Fabrikation in hohem Maße zu steigern (Sebr wahr rechts), und der Rückschlag, der hierdurch entsteht, ist unter allen Um- ständen vorhanden, mögen Sie nun diese Steuer acceptieren oder niht, (Sehr rihtig) Meine Herren, wir sind bestrebt gewesen, die Nachsteuer mögli Hoch zu stellen; aber eine gewisse niedrigere Grenze ift doch nothwendig, und die Nachsteuer bei Privaten ift überhaupt tbatsählich nicht viel werth. Daß {on eine große Anzabl auc von Konsumenten \sich mit erheblihen Vor- räthen heute {hon versorgt haben (Heiterkeit), darüber kann nit der geringste Zweifel sein.

Nun frage ih, wenn es wahr ist, was ih glaube, daß bei einer Ablehnung der Tabackfabrikatsteuer ähnliche Katastrophen über die Industrie bald wiederkommen müssen verschiedene Vertreter der verschiedenen deutshen Staaten baben Ihnen \chon gesagt, wir werden

uns dabei nicht berubigen und fönnen uns *»dabei niht be- ruhigen ift es dann nit besser, nun, da wir mitten in der Be- wegung sind, die Sache zum definitiven Abschluß zu bringen ?

Meine Herren, nun spricht man von den Kontrolen und sagt : diese Kontrolen werden einen ungeheuren Schaden anrichten; das sind folhe Ershwerungen, daß eine Industrie überhaupt nicht dabei bestehen kann. . Jh wundere mi einigermaßen darüber! Hervor- ragende Männer aus der Tabackbranche baben mir gerade vorstellig gemacht, die Kontrole genüge garnicht, die fleinen Fabrikanten, die feine ordentlihen Bücher führten, würden durch die Kontrole nicht an Defrauden gehindert werden, und das käme der großen ehrlichen buh- führenden Industrie zum Nachtheil. Auf einmal is nun die Sache umgekehrt! Aber ih will die Sache kurz machen, meine Herren. .

Ich bin der größte Gegner, in der ganzen Zoll- und Steuer- verwaltung Kontrolen einzuführen oder aufrecht zu erhalten, welche nicht absolut nothwendig sind, um zu verhindern, daß die ehrlichen Leute zahlen und die unehrlichen niht. Wenn Sie in der Komniission uns nachweisen, daß dié Kontrolvorschriften das Uebermaß haben, daß man sie beschränken kann, so werden wir das in der wohlwollendsten Weise mit Ihnen diskutieren. Ih fürchte aber, daß gerade die große Tabaindustie {ließlich davon nichts wird wissen wollen.

Man hat gesagt, die kleinen Tabackfabrikanten, namentlich die Hausindustrie, müssen zu Grunde gehen. Ich kann Ihnen versichern, daß das aufrihtigste Bestreben aller verbündeten Regierungen dabin gegangen ift, das Gesetz so zu gestalten, daß dieser s{limme Erfolg nit eintreten werde. Man irrt h aber do einigerniaßen über die Segnungen der Hausindustrie. Ich kenne Beamte, die ihre Kreise sehr genau kennen und auch den alten guten Grundsaß der Verwaltung beibehalten baben, daß der Augenschein das beste Beweismittel ift, die in die Wohnungen hineingehben, wo diese Hausindustrie betrieben ‘wird, die sehen, daß in einem einzigen Zimmer gekoht, gewashen wird, Kinder unterrihtet werden und die ganze Familie beim Tabackmachen beschäftigt ist, und die diese Art von Hausindustrie für in hohem Grade gesundbeits\{ädlich und bedenklich halten. Ob wir nit gerade in dieser Induftrie zum Schuße der Gesundheit der Hausindustriellen werden einmal ein- schreiten müssen, werden wir später erwägen.

Ein großer Theil nun dieser sogenannten Hausinduftrien sind gar feine selbftändigen Unternehmungen. In Westfalen, wovon Herr

" von Hammerstein gesprochen hat, sind ih glaube nicht zu viel zu

sagen sieben Achtel aller dieser Hausindustriellen nihts weiter als Arbeiter; sie bekommen den Taback, der ihnen nit gehört, vom Fabrikanten geliefert und liefern die Zigarren wieder zurüdck, die ihnen niht gehören, und fie bekommen dafür ibren Stücklohn. Nur ver- hâltnißmäßig wenige von diesen Privatindustriellen arbeiten auf eigene Rechnung; ih fürhte sogar, ihre Zahl wäre au an der Hand des bestehenden Geseßes immer geringer geworden. Während die erste Klasse überhaupt keine Tabakfabrikatsteuer zahlt, son- dern zweifellos der Tabackfabrikant allein verantwortlich ift, wollen wir die zweite Klasse mit allen Kontrolen auch nicht behelligen, die für ein größeres Unternehmen, für eine Fabrik erträglih find, aber nit für den kleinen Mann, der der Buchführung, des Schreibens, des Nechnens u. \. w. unkundiger ist, und dem auch die nöthigen Lokale fehlen. Da wollen wir nun einen solchen Fabrikanten pauscha- lieren, und ich bin perfönlih der Ansicht, daß die verbündeten Re- gierungen dabei sehr loyal und entgegenkommend verfahren werden und verfahren können. Denn die Frrthümer, die in der Höbe der Pauschalierung liegen, selbst wenn wir dem fkleinen, selbstständigen Fabrikanten ein gewisses Bene anthun, verschlagen nicht viel für die Gesammteinnahmen, um die es sich im vor- liegenden Fall handelt. Jch fann also gar niht ein- sehen, wie man glauben fann, daß dieses Geseß gerade die kleinere Industrie besonders shädigen müsse. Au in Bezug auf die Kredite wird man denselben jede möglihe Erleichterung gewähren.

Meine Herren, wenn nun im Jahre 1879/80, als die damalige Erböbung eintrat, der Rückgang so vorübergehend war das lehren doch die statistishen Zahlen ein Rückgang, der außerdem in seiner Höhe garnicht zu fkontrolieren ift, weil damals vorber die Industrie in der allerftärkfsten Weise gearbeitet hatte und eine ge- waltige Steigerung des Imports von Rohtaback eingetreten war, wenn damals in so verhältnißmäßig kurzer Zeit dieser Eingriff überwunden iff, muß man nicht vielmehr glauben, daß das heute erst recht der Fall sein wird? Jch habe schon hervor« gehoben: damals wurde der Mafsenkonsum vor allem getroffen, weil es sich um eine Gewichtssteuer handelte, und dieser Meoassenkonsum wurde am stärksten getroffen in Bezug auf den PfeifentabaÆ. Infolge dessen hat sich allerdings eine Umgestaltung in dem Tabackverbrauch herausgebildet. Aber an sich hätte doch damals der Rückgang viel größer und dauernder sein müssen, weil die Steuer gerade den großen Konsum befonders traf. Hier ist das nun gerade umgekehrt. Es ist ja möglich ich will das gar nit bestreiten —, daß auc für eine Zeitlang eine kleine Verminderung des Konsums selbft eintreten kann; aber im großen und ganzen wird die Veränderung, die bier entsteht, sih auf ein Verschieben von oben nach unten reduzieren. Derjenige, der niht das Geld hat, wie ein Redner vorher sagte, wird nit so leiht aufhören zu rauhen, auch niht so leiht vier statt fünf Zigarren zu rauhen, sondern er wird eine etwas geringere Zigarre rauhen, und man ge- wöhnt si gerade bei diesem Genußmittel sehr schnell an eine etwas andere Nummer, auch wenn sie etwas geringer ist. Diese Erfahrung wird jeder mahen, ob er Arbeiter is, oder ob er den vornehmen Ständen angehört. Jch glaube also, daß die Möglichkeit gegeben is, daß einige Verschiebung im Konsum von oben nah unten eintritt; daß aber eine wesentlihe Verringerung des Konsums eintreten könnte, das glaube ich nun und nimmermehr. Um- gekehrt könnte man annehmen, daß die kleine Tabackindustrie, von der ih soeben gesprochen habe, gerade aus dieser Vershiebung Vortheil hat, weil sie doch die allerfeinsten Havannazigarren niht mat, weil sie ge- rade die Zigarren für denMafsenkonsum herstellt wenn es au nit gerade Fünfpfennig-Zigarren sind, dann finds Vierpfenuig-Zigarren ; aber der Massenkonsum wird vielleiht grade fteigen infolge dieses Gesetzes. Es ist ja schwer, diese Frage mathematisch vorher zu entscheiden : der Aengftliche übertreibt den Konsumxrückgang, der Optimist leugnet ihn, und die anderen stehen in der Mitte. Daß jeder solcher Eingriff in die Industrie, in eine bestehende, unter anderen Bedin- gungen bisher arbeitende Industrie Ungelegenheiten, Störungen und Schwierigkeiten hervorruft, daran zweifle ih gewiß niht; das bestreiten zu wollen, wäre unmöglich. Aber da ftehe ich immer vor der dira necessitas, Wir baben gar feinen anderen Weg, wir

¿- | Le

baben den mildesten Weg gesucht, und die Uebelstände, die dennoch entstehen das wird man nicht leugnen können —, wird man bin- nehmen müssen.

Meine Herren, man hat davon gesprochen, daß die verbündeten Regierungen die Unzufriedenheit in einer extremen Weise \{ürten, daß sie über den Ruin einer Menge von Einzelfamilien, ramentlih der arbeitenden Klafse, leiht hinweggingen. Man hat gesagt: warum

„nébmt ik=r niht andere Steuern ? warum greift ihr nicht zu Luxus-

steuern ? Nun, wir wollen mal eine Equipagensteuer vorschlagen. Werden niht sehr bald die Wagenbauer und ihre Arbeiter kommen und genau dieselben Einwendungen erheben ? (Sehr richtig !) Und werden niht da die Equipfigen auf das äußerste redu## werden ? Wird man nit vorziehen, mit einem Lohnkutscher zu fabren, was ja jeßt schon in großem Umfang der Fall ist —? Jede Steuer auf irgend einen Verbrauchégegenstand berührt die Industrie und die Fabrikation, die diese Gegenftände herftellt. Bei Luxussteuern ift das aber viel s{limmer als bei einer Besteuerung des Massenkonsums. Denn der Lurxuéverbrauh reduziert sich bei einer boben Steuer sehr schnell, der Massenkonsum bei einer mäßig böberen Besteuerung nicht. Wollen Sie aber niedrige Luxusffeuern haben, dann bringen fie eben nichts ein, dann fostet die Erhebung mehr, als der Ertrag auêsmacht. (Sehr wahr !)

Deswegen will ih noch gar nit fagen. ob man nicht in Zukunft au zu Luxusfteuern übergeht. (Große Heiterkeit.) Denn ih fürchte, meine Herren, daß wir häufig noch in die Lage kommen werden, auch kleinere Beträge infolge der Steigerung der Reichsauägaben zu decken. (Heiterkeit.) Da mag sich dann ja allerdings eine sollte Luxusfteuer gelegentlih empfehlen. Jedenfalls sind die verbündeten Regierungen prinzipiell gegen derartige Steuern durchaus nicht einge- nommen. (Heiterkeit.)

Meine Herren, es ist überhaupt ein ungerechter Vorwurf, daß die verbündeten Regierungen gewissermaßen absichtlich darauf ausgehen, die reihen Klafsen zu s{onen und die unbemittelten heranzuziehen, diesen die Last aufzulegen. Wir in Preußen wenigstens baben genüs- gend bewiesen, daß wir uns vor der fräftigen Heranziehung der reichen Klassen garniht s{heuen. Ic selbst habe unter der Ungunst derjenigen Klafsen, welche dabei am stärksten betroffen find, gelitten: ich fenne sogar Organe und Einzelpersonen, Politiker selbst genug, die mir damals, als es sich darum handelte, 40 Millionen mebr aus der Ein- fommensteuer herauëzuziehen, um damit die Kommunen zu entlaften, ohne also daß es sich selbst um cine Einnahmeguelle für den Staat handelte, um damit die ungerechte Grundsteuer und Gebäudesteuer und Gewerbesteuer aus der “Welt zu bringen als Staatésteuern, dabei den größten Widerstand entgegengeseßt. Dämals haben sie die Sprache niht geführt, daß die reichen Klafsen in Preußen nit genug zahlten, vielmehr wurde mir oft genug gesagt: wo foll das hinführen? die Leute werden auswandern! Die Ge- meindesteuerzushläge, Kirhez- und Schulsteuern kommen dazu das sind unerträglihe Lasten! Und dieselben Organe, dieselben Politiker sagen jeßt: dieser Finanz - Minister will bloß die reichen Leute schonen und die unbemittelten Klafsen heranziehen! ( Heiterkeit.) Ießt, wo die Gefahr auch nicht groß is denn die Einkommen- steuer ist hier nur eine Theorie, aber keine Wirklichkeit, in Preußen war sie aber eine harte Wirklichkeit da lautet auf einmal die Sprache ganz anders. Diefen uten kann ih es niht recht maten, und ich verzihte auch darauf.

Wenn ih einen anderen Weg wüßte, so würde ih persönlih meinerseits auch tros aller Vorzüge, die der Tabackonsum als Bes steuerungêgegenftand haft, es do vorzieben, wenigstens einen Theil direkt auf die Schultern der reichen Leute zu legen. Aber die Sache ist, wie die Dinge liegen ih braue das niht noch einmal zu wiederbolen innerhalb des deutschen Föderativstaats nicht ausführbar, und ih behaupte, daß das Ver- hältniß von direften und indirekten Steuern troß alledem in Deutsch- land zu Gunsten der indirekten Steuern noch besser ift als in allen andern großen Kulturstaaten, auch günstiger bleiben wird in Zukunft, wenn Sie diese Steuern annehmen. Wenn Sie, was ih noch gar- nicht einmal bei meiner frühern Rehnung gethan habe, die in Deutschland durchgängig bestehende direkte Besteuerung in den Kom- munen und fonftigen Verbänden, Kreis-, Provinzial-, Kirhen- und Schul- verbänden hinzurehnen zur direkten staatlichen Besteuerung, so kommen Sie zu Ziffern, wie sie kaum selbs in irgend einem Schweizerkanton bestehen, jedenfalls niht in irgend einem Großstaat der Welt. Von einer systematishen Belastung der unteren Volksklassen und von den Be- strebungen der Regierungen und des Reichstags nach diestr Richtung kann daher nicht die Rede sein.

Meine Herren, einen einzigen Punkt habe ih hier noch zu er- wähnen, dann will ich Ihre Aufmerksamkeit nit länger in Anspruch nebmen.

Herr von Hammerstein hat gewissermaßen , niht gerade direkt aber indirekt, der preußishen Staatsregierung einen Vorwurf daraus gemacht, daß sie mit der Zustimmung zu dieser Besteuerungsform des Tabacks überwiegende Interessen ihrer eigenen Landesangebörigen zu Gunsten von Süddeutshland nit genügend vertreten habe. Er sagt: die nothwendige Folge dieser Steuer muß eine Verschiebung der ganzen Fabrikation nah Süddeutshland sein und das kommt namentlich zu Lasten auch des Königreichs Sachfen, will ih binzu- fügen Preußens und namentlich der westlichen Landestheile und Westfalens. Meine Herren, was für Gründe führt man für die Nothwendigkeit einer solchen Vershiebung an? Vor allem: der Lohn sei in Süddeutschland niedriger als in Hamburg, Bremen, in Westfalen und dem größten Theile Norddeutschlands. Aber diese Differenz wird durch die Steuer nicht berührt. Wenn die Entwicklung dahin geht, daß die Bremer Fabrikanten wegen der billigeren Löhne ihre Fabriken nach Baden oder nah anderen Theilen von Süddeutschland verlegen, so müssen sie das au heute {hon thun; wenigstens sind dieselben Gründe heute wie morgen vorhanden. Es wird ja behauptet, daß eine gewisse all- mählihe Verschiebung nah Süddeutschland schon stattfindet. Das mag wohl wahr sein ; dann liegt es aber an anderen Gründen und hat mit dieser Steuerfrage nichts zu schaffen.

Nun sagt man aber: Diese Tabackfabrikatsteuer wird zu einem stärkeren Gebrauch inländishen Tabaks führen. Man wird eben die geringeren Sorten stärker benußen, um den Preis, troy der ge- stiegenen Steuer, niedrig zu halten. Das kann wohl sein. Jh habe aber immer nit begreifen können, und die Herren Fabri- kanten aus Westfalen haben mir auch nit recht antworten können auf dié Frage, warum sie denn den süddeutfchen