1894 / 13 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Taback nicht ebensogut kaufen können als die süddeutschen Fabrikanten. Sie sagen: die -süddeutshen Fabrikanten sind da besser bekannt, sie find der Sache näher; seßen sie doch einen Agenten nach Karls- rube, der dort eingesefsen und bekannt ift, und bezahlen fie einen Pfennig mehr, so werden sie den Taback bekommen, den die Süd- deutschen bisher allein bekommen haben. Ih kann also keinen entscheidenden Grund für die behauptete Verschiebung finden. Sie kommen allerdings aus ibren bisher gewohnten Fabrifkationsmethoden ein wenig beraus ; aber bei der nötbigen Intelligenz, woran es den deutschen Fabrikanten doch niht fehlt, werden diese Schäden, infolge dieser Steuer wenigstens, nit eintreten. Auh muß ih sagen, daß man \{ließlich auf der- artige lokale Interessen kein unbedingt entsheidendes Gewicht seitens der preußischen Staatsregierung legen konnte, wenn alles dahin drängt, diese Form der Tabackfabrikatsteuer zu acceptiren und auf diese Weise das Mehrbedürfniß des Reichs zu deen. Man mußte darüber binweggehben, selbst wenn kleine Nachtheile damit verbunden sind. Ih habe immer hervorgehoben, daß schr wohl der Saß vertheidigt werden könnte: für ganz Norddeutschland sei es am einfachsten, die Gewichts- fteuer zu erböben, einerlei, was daraus sonst folge; das wäre aber eine solche Unbilligkeit und Ungerechtigkeit gegen Süddeutshland ins- besondere gewesen, daß man es nit zu verantworten wagte.

Mit vollem Recht hat mein Kollege in Karlsruhe dem dortigen Landtag zugerufen: Wenn Ihr 20000 Ziaarrenarbeiter mir entgegenhaltet, so ftelle ich dann Euch 100000 Tabackbauer gegenüber. Deren Lage isst immer {hon ungünstiger geworden. Warum sollen denn die ansässigen Bauer nfamilien Gefahr laufen, zu grunde gerihtet zu werden wegen einer noch immer unerwiesenen Gefahr für die Tabacktarbeiter ? Man klagt soviel über die Lage der Landwirthschaft. Darüber is man gewiß einig, daß die moderne Entwicktelung am meisten die Landwirthschaft gefährdet hat. Die Landwirtbschaft leidet unter den steigenden Produktionskosten und unter der Thatsache, daß die Preise ihrer Produkte kaum noch einen Zusammenhang haben mit den hiesigen Produktionskosten. (Sehr richtig! rechts.) Aber auch für den kleinen Mann wird die volle Verwerthung seiner Arbeitskraft in dem ge- wöhnlihen Roggen- und Kartoffelbau immer s{chwieriger; denn gerade diese Konsumartikel sind am meisten durch die Konkurrenz der auswärtigen Produkte bedroht. (Sehr richtig 1 rechts.) Wie wichtig ist es daher für den Fleinen Bauer, daß ihm ein Produkt zur Herstellung gewährt wird, mit welchem er seine ganze Familie beshäftigen und sich selbs dabei noch häufig einen anderen guten Nebenverdienst \chafffen kann. Jch würde mich doch hundertmal besinnen, einen solhen althergebraten Landbau, auf den seit Jahrzehnten ganze Familien und Generationen angewiesen sind, wo ein Erfaß fast unmögli ift in der beutigen Zeit, zu vernihten bloß durch eine unzweckmäßige Steuereinrihtung. In der Befreiung der verbündeten Regierungen von der Nothwendigkeit, den inneren Tabackbau aus fisfkalishen Gründen zu beschränken, erblidcke ih den wesentlichften Vorzug dieses Geseßzes. Es ist auch nit ritig, daß der Tabackbau nur in Süddeutshland gedeihe. Im Gegentheil, wir können den Tabackbau,“ wenn wir in Zukunft diese Beschränkungen nicht mehr haben, auch in Norddeutshland sehr wohl stärker ent- wickeln. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben schon jeßt Gegenden, wo ganz vorzügliher Taback wächst; ich nenne nur z. B. den Schwedter Kreis. Jch bin der Ueberzeugung, daß auf Grund dieses Geseßzes fich der Tabackbau in Norddeutschland sehr erbeblih entwideln wird. Ich sehe sogar keinen Grund ein, warum das nit in Westfalen selbs mögli sein sollte. (Sehr richtig !) E S

Meine Herren, gewiß hat auch diese Steuer, wie alle Steuern, ihre Schattenseiten, bringt Störungen hervor und Hemmungen und schwere Uebergänge. Sie werden aber keine Steuer finden, wo das anders ist. Wenn Sie diese Steuer acceptieren, dann bringen Sie in die Tabatckindustrie Ruhe. (Heiterkeit links.) Sie entlastien den Bauer (sehr rihtig! rechts), Sie ziehen den reihen und luxuriösen Raucher, seiner Leistungs- fähigkeit entsprehend, heran, Sie entlaften verbältnißmäßig den Raucher geringer Tabacke und Zigarren , Sie thun einen gewaltigen Schritt zur Verhütung finanzieller Kalamitäten in Reih und Einzel- staaten, Sie thun den ersten Schritt zur definitiven Ordnung- des Finanzwesens in beiden, Sie verhüten die Ueberlastung der Einzel- staaten durch Matrikularumlagen. Jch bin überzeugt, meine Herren, ein zustimmendes Votum wird Ihnen keine Reue bereiten. (Lebhaftes

Bravo rechts.)

Abg. Baron von Arnswaldt- Hardenbostel (Zentr.) ertlärt si egen die Vorlage, weil er noch auf dem Boden der Resolution ennigfen von 1882 stehe, wonah der Tabadck keine weitere Belastung fahren könne.

n ia, Weber- Heidelberg (nl.) hält es für zweckmäßig, die Kosten der Militärvorlage dur eine Vermehrung der Einnahmen aus dem Taba zu decken; aber es sei nicht gerade nothwendig, aus dem Taback 40—45 000 000 M zu ziehen. Man könne die Steuer- säße wobl etwas berabseten, den Zoll aber erheblich erhöhen, und dadur könne man wohl 30000000 mehr erzielen. Die orm der Belaftung kann in der Kommission gefunden werden. - Es ift wünschenswerth, daß die Tabatindustrie nicht so oft beunruhigt wird. Eine jeßt zu treffende endgültige Entscheidung wird die Industrie beruhigen. Wo ein Wille it, da wird sih auch ein Weg zur Ver- \tändigung finden. Redner wendet sih ‘noch gegen die verschieden- artige Behandlung der Zigarren und des Rauchtabacks, welch leßterer höher besteuert sei, weil man den Arbeitslohn für die Zigarren bei der Berechnung zu hoh angeseßt habe. Was man am erhöhten Zoll mehr einnimmt, sollte man zur Erleichterung des Rauchtabacks ver- wenden. Die Agitation hat den Tabainteressenten mebr geschadet als genüßt. Redner- bestreitet, daß ein Konsumrückgang eintreten-. wird. Man werde niht weniger, sondern höchstens eine billigere Zigarre rauchen und -\sich bald an eîne andere Sorte gewöhnen. ür die kleineren Fabrikanten wird das Geseß allerdings manche wierig- keiten mit sih bringen, obgleich das ‘auch n nit sicher feststeht. Ist denn in Amerika die Zahl der Tabackbetriebe zurückgegangen ? Sie haben sih im Gegentheil um 2000 im leßten Jahre vermehrt. Der Taback gehört niht zu den nothwendigen Lebensbedürfnifsen. Welcher andere Artikel kann denn eine Mebrbesteuerung aushalten ? Will’ man die Biersteuer erhöhen“ oder will man alles auf die

Matrikularbeiträge legen?" Vorübergehende Arbeiterentlafsungen werden

eintreten, {on weil große Vorräthe - aufgehäuft find. „Aber eine dauernde Verminderung der Zahl der Arbeiter wird nicht eintreten. Deshalb sage ih: EEE alles und behaltet das Beste zum Vortheil des Reichs und der Einzelstaaten. / y i Abg: Richter : (fr. L: Die Rede des preußischen Finanz- Ministers war ja ein oratorishes Meisterstück, aber die beste Rede eines Advokaten vermag nicht immer einen Delinquenten vom Tode u retten. Wer alle die gescilderten Vortheile auf ih einwirken lich, der mußte beinahe zu Ter Uéberzeugurlg kommen, daß die: Taback- steuer so {ón ist, daß fie. eingeführt: werden müßte, auch- wenn-sonft kein Bedlirfniß für--neue Steuern vorbanden wäre. Warum hat denn der preußische Finanz-Minister seine Rede niht am ersten Tage der

Debatte gehalten? Er spra von den Einnahmeausfällen infolge der deléverträge. Dabei rehnete er die Ausfälle infolge des russischen s auh son mit ein. Hoffentlich tritt er nunmehr geifriger als- bisher für diesen Handelsvertrag ein und giebt seine fühle eserve auf. Als über die Handelsverträge verhandelt wurde, hat auf diesen Pu niemand einen Werth gelegt; ja, man niht einmal eine Er- mäßigung der Einnahmen aus den Getreidezöllen angenommen; die Einnahmen find auch dieselben geblieben und die Regierung selbst bat fein Gewicht darauf gelegt. Für Preußen entsteht dadurch auch keine Verlegenheit; denn die Einnahmen aus den Getreidezöllen ge- hörten ja niht dem Staate, sondern den Kreisen, die in den Teßten Jahren fo viel Geld er haben, daß sie gar nicht mehr wußten,. was fie damit anfangen sollten. 1895 fallen die Einnahmen wieder an den Staat zurück und bei der Steuerreform hat man die Einnahmen aus der lex Huene fehr niedrig veranschlagt und zum Ersaß für irgend welhen Ausfall ist ja auch die Vermögensfteuer im Betrage von 35 Millionea Mark bewilligt worden. Der preußis: Finanz-Minister sucht sich eine doppelte Deckung für den Ausfall. Er hat von den Schulden gesproßen. Was hat es denn mit der Schulden- tilgung auf si, wenn immer neue Anleihen aufgenommen werden ? Man muß immer mehr einmalige Ausgaben „auf die laufenden Einnahmen verweisen: das ist S jest schon in großem Umfange geschehen. Wenn der preußische Finanz-Minister gefragt hat, wie die Ausgaben gedeckt werden follen, fo haben wir von vornherein die Beseitigung der Liebesgabe und der Zuckerprämien verlangt. Er meint, daß dafür keine Mehrheit vorhanden ist. Deswegen bleibt der Vorschlag immer so gut wie die Vorlage, für welche auch keine Mehrheit zu finden ist. Hätte man gewußt, daß diese Steuer hinter der Militärvorlage steckte, man hâtte keine Mehrheit dafür gefunden. Die Steuervorlagen sollen nur die wohlhabenden Leute treffen. Das ift richtig. _Die Frachtbrief- und _ Quittungsftempel- steuer wird abgewälzt werden auf diejenigen, w die transportierten Waaren verbrauchen u. \. w. beim Taback die Gewichtssteuer niht wesentlih erhöht werden fann, ist richtig, weil dur den Zollshuß ein so großer Tabackbau großgezogen worden ift. Das Kontrolsystem muß bei der Fabrikatsteuer in Kauf genommen werden und deshalb ift die Steuer doppelt verwerflich. Die Un- gerechtigfeit des Gewichtssteuersystems ist bei allen Konsumartikeln vorhanden. Kann der Minister die in einer s{lechten Sage befind- lihen Hausindustriellen in eine bessere Lage verseßen? Er nimmt ibnen überbaupt die Eristenzfähigkeit. Der preußische Finanz-Minister bat dann die Vortheile für die Tabadckpflanzer hervorgehoben. Die Tabackpflanzer wollen gan die Fabrifatsteuer, sondern höchstens einen größeren Schußzoll. er hat denn die Agitation angefangen ? Der preußishe Finanz-Minister selber hat {hon im August und September Lärm s{hlagen lassen. Die Tabadtinterefsenten haben cher zu spât als zu früh mit ihrer Agitation begonnen. Der preußische Finanz-Minister meinte, die Ablehnung der Vor- lage bedeute einen Verzicht auf ewig bezüglih der Taba teuer. An anderer Stelle meinte er, eine Beru igung werde doch nit eintreten. Rahe wird die Industrie vielleicht bekommen, aber die Ruhe des Kirhhofes , die Arbeitslosigkeit für Tausende von Arbeitern. Die Tabadckindustrie glaubt selbst niht an die Ablehnung der Vorlage, meint der préusistbe _Finanz-Mminister, weil sie fih für die Ueber- angszeit dur verstärfte Produktion rüstet. Jch würde daraus den Schluß ziehen, die Vorlage sofort in zweiter Lesung im Plenum arie: Vergegenwärtigen wir uns do die Steigerung. der in- direkten Steuern im Reiche; je höher die Steuersäße sind, desto ein- shneidender wirken dieselben für die Industrie. Immer wieder hören wir, der Taback ist nit so nothwendig zum Leben. Es wird ‘do die Sache nicht besteuert, sondern" der Konsument. Die Perspektive der erhöhten Matrikularbeiträge schreck mich gar nicht. Die Umlagen sind keine vortrefflihe Einrichtung ; aber die Einzelftaaten haben fih ja die Ueberweisung der Üebershüfse zu diesem System efallen laffen. Die Einzelstaaten werden fh doch erst ü erlegen, ob fie nicht die fehlende Summe decken können aus anderen Einnahmen, ehe sie zur Erhebung von Zuschlägen zur Einkommensteuer schreiten ; es könnten sih ja auch verschiedene andere leugcgunllen finden. Wie kann man denn in Preußen einen Zuschlag zur Einkommensteuer er- heben, während ein Drittel der Einnahmen aus der Einkommen- steuer vorläufig bei Seite gelegt und fapitalisiert wird ? Der preußische Finanz-Minister tellt die Abgeordneten der Einzellandtage dem Reichs- tage gegenüber. Wir find do aber in den Einzelstaaten gewählt worden. Der Standpunkt des Abg. Friten ist niht der Standpunkt der Mehrheit des Hauses, aber mit diesem Standpunkt könnte der preußische Finanz-Minister vollständig zufrieden sein; denn danach würden außer den anzunehmenden Steuern nur noch 9 Millionen Mark zur Deckung der Militärkoften erforderlich sein. Der Finanz Muster verlangt von den Patrioten geordnete Finanzen. Ja, schaffen Sie geordnete Erwerbsverhältnisse, dann kommen die geordneten Finanzen von selbst. Aber folche Steuerprojekte müssen ja die Unternehmungslust schwächen. - Gewisse Zeichen einer Besserung sind vorhanden, wie der Staatssekretär Dr. bon Stephan auf dem Bankett des Handelstages mitgetheilt hat. Die Gesammt- Etats der Einzelstaaten belaufen fi auf Milliarden ; eine Befferung um 1% beträgt also {on 50 Millionen Mark. Deshalb ift es nicht richtig, unter folchen anormalen Verhältnissen einen normalen Steuerplan aufzustellen. Allerdings wird man in Angst nicht fo sehr aus dem Vollen wirtb\{aften dürfen wie bisher. Wenn das erreicht wird, fo wäre das noch ein Nebenerfolg , der Ablebnung dieser Vorlage. Der preußische Finanz-Minister meinte, welcher Empfang würde den Abgeordneten zu theil werden, wenn sie mit leeren Händen kämen. Der allershlechteste Empfang wird denen zu theil werden, die diese Vorlage annehmen würden.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Mein Gesundheitszustand zwingt mich, nur auf wenige Bemerkungen zur Rihtigstellung des Herrn Abg. Nichter ein- zugehen. Herr Richter meinte, ih wolle mir für Preußen eine doppelte Deckung verschaffen. Einmal hâtte ih bei der Finanzreform in Preußen die Ueberweisungen aus dem Aufkommen der Getreide- und Viebzölle mit 24 Millionen mir schon zu gut gerechnet. Nun wolle ih noch einmal diese 24 Millionen oder überbaupt das gesammte Auf- fommen aus den Getreide- und Viehzöllen mir zu gute renen. Nichts von alle dem if rihtig. Diese 24 Millionen find nicht der preußishen Staatskasse zu gute gekommen, sondern dienen - zum Ersaß von dagegen aufgegebenen Realfteuern. Die Grund- und Gebäudesteuer wird erlassen (sehr richtig ! rechts), ebenso wie die Gewerbesteuern, wie die Bergwerks\teuer, und das macht im ganzen 102 Millionen, die der Staat aufgiebt ; er deckt \ich zum theil durch Einziehung der Ueberweisungen an die Kreise unter Anrechnung des Durchschnittsbetrages von 24 Millionen. Meine Herren, ich muß mi, aufrihtig gesagt, wundern, daß ein Kenner des preußischen Etats folche Behauptungen hier in meiner Gegenwart aufzustellen für rihtig hält. (Sehr richtig! rechts; Zuruf links.)

Nun, meine Herren, gehe ih weiter. Der Herr Richter bat uns dargelegt, daß die preußischen Finanzen eigentli brillant fänden (Wider- spruch links), es würde \ich sehr bald, wenn nur 1°% in der ganzen Wirthschaft si bessere, die ganze Lage wieder in Ordnung bringen lassen. Nun, meine Herren, im Jahre 1890, als ih im preußischen Landtag die Ehre hatte, die Reform der Einkommen- und Gewerbesteuer vorzulegen, hatten wir allerdings einen rechnungêmäßigen Veberschuß von über 100 Millionen. - Herr Richter, obwobl ich warnte, diesen rechnungsmäßigen Ueberschuß für einen dauernden zu nebmen, ja ausdrüdlih sagte : das ist kein wirths{aftliher Uebers{uß, das ist ein rechnungsmäßiger, derselbe kommt von der falschen Kon-

ftruktion des preußishen Garantiegeseßes von 1882 (Zuruf links), Herr Richter, lasen Sie mi nur ausreden. Da kam Herr Richter und sagte: was, die Gewerbesteuer, die 20 Millionen erträgt, sollen wir noch reformieren? Wir s{wimmen ja im Gelde, wir können die Gewerbesteuer einfa aufheben. Das hat Herr Richter gesagt, und das folgende Jahr wie jeder, der mehr von den Dingen versteht als bloß Zahlen lesen, sondern auch das Wesen der Zahlen und was für thatsählihe und wirthschaftlißhe Verhältnisse dahinter steben, beurtheilen fann, {on damals vorherfagen fonnte das folgende Jahr saßen wir in Preußen im vollen Defizit, und das nähstfolgende Iahr, nachdem wir die Gewerbefteuer reformiert hatten, wurde beshlossen, diese Gewerbesteuer als ftaatlihe Staatssteuer aufzuheben und, weil sie rihtiger als Kommunalsteuer fungiert, sie den Kommunen zu überweisen. Die preußishen Kommunen können sehr dankbar dafür sein, daß man damals dem falschen Rathschlage des Herrn Richter niht gefolgt ift. (Zuruf links; Heiterkeit.) Herr Richter hat dann weiter gesagt: man solle sich in Zukunft hüten, mehr auszugeben, als man in den Einnahmen bereits besißt, und man hätte, wenn dies Prinzip beobachtet wäre, die Militärvorlage nit bewilligen sollen, obne die Deckung son zu kennen. Jh werde die Konsequenzen dieser fehr richtigen finanzpolitishen Auffassung dem Herrn Richter gegenüber ziehen, wenn wir die Reichs-Finanzreform berathen werden ; denn fie hat eben diesen Zweck. (Sehr richtig! rechts.) Sie will das Gegentheil verhindern, und ih stimme in diesem Punkte mit Herrn Richter ausnahmsweise einmal vollständig überein. (Sehr gut! rets.) Herr Richter sagt: Frachtbrief- und Quittungsstempel, sie belasten doch gerade die Mittelklafsen, die will ich garnicht. Nun, meine Herren, dann sage ih: wenn Herr Richter diese Steuern auch nit bewilligen will, dann muß er erst recht die Tabackfabrikatsteuer be- willigen, denn dann ift der Bedarf noch viel größer, irgendwo muß der Bedarf do herkommen. Mit dem bloßen Optimismus: die Zeit wird uns {on helfen, hat Herr Richter uns {on oft getäuscht, und er wird, glaube ich, den Reichstag niht glauben maten, daß eine Mehrausgabe von 60 Millionen einfach aus nihts gedeck werde. Gewiß können wir solhe Steuern niht einführen, wie Herr von Buol ganz richtig und ofen aus- gesprochen hat, ohne auch die Mittelklassen zu treffen. Welche Ver- braucsabgabe, die irgend eine Bedeutung bätte, könnte in einem Lande erfunden werden, wo 9 9/9 der Steuerpflichtigen zu den Mittelklafsen zu renen find? Das ift einfach niht mögli, das if ganz unaus- führbar.

Es ist von einer Seite der Antrag gestellt, die Quittungsssteuer in Stufen einzutheilen und die höheren Stufen stärker zu treffen. Nun, meine Herren, wir werden diese Fragen erwägen, ich will das durchaus noch nit von vornherein ablehnen. Eine Schwierigkeit ist nur, daß dadur die prafktische Handhabung der Steuer so groß wird, und infolgedefsen hat gerade die Hamburger Handelskammer sh mit der größten Entschiedenheit gegen alle anderen Steuerformen als gegen den Firftempel erklärt.

Ganz verwundert habe ih mi, daß der Abg. Richter sagt, wir hätten den Tabackbau dur die Steuer großgezogen (Heiterkeit rets), dur den übermäßigen Schuß, während alle Welt do vor si hat,

daß unter dem Bestande der gegenwärtigen Steuer der Tabackbau in

rapidem Rückgang ist. (Sehr richtig! rechts.)

Wenn ih nicht irre mein Kollege aus Elsaß-Lothringen - wird das besser im Kopfe haben sind in Elsaß-Lothringen allein über 2000 ha dem Tabackbau entzogen worden. Das ift gerade das Produkt der gegenwärtigen Steuer.

Meine Herren, ich will bei dieser Gelegenheit einige Punkte nachbolen.

Die süddeutschen Tabackbauern, sagt Herr Richter, wollen diese Fabrikatsteuer garniht, sie wollen sie nur mit einer Erhöhung des Zolls. - Nun, meine Herren, liegt in dieser Tabackfabrikatsteuer schon an sich eine Erhöhung des Zolls und insoweit eine Begünstigung des inneren Tabackbaues, weil die Fabrikatsteuer erhoben wird von der Waare inkl. des Zolls, und das ift nicht unerheblich. Aber, meine Herren, wir werden in der Kommission diese Fragen nicht ein- fach von uns schieben können. Nachdem seit dem Bestand der jeßigen Steuern die Klagen der Tabackbauern nie aufgehört haben , nachdem wir sehen, daß der Import von aus[ändisGem Taback seit dieser Zeit in starkem Wachsen gewesen ist, nahdem wir sehen, daß der Tabackbau

im Innern zurückgegangen ist, denke ih nit zu bochmüthig und bin

nicht eingebildet genug, um über eine solche Thatsache einfach hinweg- zugehen. Wir würden diese Frage ganz sorgfältig erwägen , und ich stehe allerdings auf dem Standpunkt meines Herrn Kollegen vom Reichs-Schaßzamt: Was wir in Deutschland unter Verwendung unserer eigenen Arbeitskraft herstellen können, das sollen wir in Deutschland herstellen, und nicht vom Ausland holen. (Sehr richtig! rets.)

Auf dem Standpunkt stehe ich und werde mich garniht einer eingehenden Erwägung der Gründe, die die Herren aus Süddeuts{h- land vortragen ftönnen, entziehen. Jch muß dabei betonen, daß die Frage wegen des Schußzolls oder Nichtshußzolls des inneren Taback- baues nach Einführung der Fabrikatsteuer eine ganz andere wird. Denn, da wir von dem Taback einerlei, ob [er von außen kommt, ob er in Brafilien gewachsen ift, oder ob er in der Pfalz ge- wahfen is do genau dieselbe Fabrikatsteuer bekommen, so ift dann das fisfalishe Interesse, meles hauptsählich bisher hinderlich war, in diefer Frage für den inneren Tabackbau, ein ganz anderes ge- worden. Wir können mit viel größerer Unbefangenheit, als wie das früher der Fall gewesen ift, jeßt diese Frage prüfen.

(S{hluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Veilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaats-Anzeiger.

2 13.

Berlin, Dienstag, den 16. Januar

1894,

Schluß der Rede des Finanz-Ministers Dr. Miquel aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, nun sagt Herr Richter : wenn die Abgeordneten mit tleinen Matrikularumlagen nah Hause kämen, das wäre ja nit s{limm, da würden sie mit Freuden empfangen werden, und alle Welt würde froh sein, daß [die Raucher {verschont davonkämen. Nun, die kleinen Matrikularumlagen ich \preche hier nicht allein von Preußen und ich will auch bemerken, daß, wenn ih dem Herrn Richter auf preußishe Dinge vorber erwidert habe, diese ganze Er- wideruug eigentlih niht nöthig gewesen wäre, denn wir sprechen ja hier nicht von Preußen allein haben denn die anderen Staaten auch leges Huene gemaht? Kann diese Frage allein nah den preußishen Gesichtépunkten entschieden werden? Nein, fie müssen nach dem Gesammtinteresse aller deutshen Stagten zur Entscheidung gelangen. Aber ih will nach dem preußischen Beispiel einmal eremplifizieren, was das heißt: „Kleine Matrikularumlagen“. Wir baben Ueberweisungen gehabt über die Matrikularumlagen hin- aus in Preußen im Jahre 1889/90 80 Millionen ih nenne nur runde Zahlen im Jahre 1890/91 46 Millionen, im Jahre 1891/92 415 Millionen, im Jahre 1892/93 251 Millionen, im Jahre 1893/94 etatifiert 750000 A und im Jahre 1894/95 nah Maßgabe des Reichs- Etats, etatisiert, ein Minus, d. b. ein Mehr von Matrikularumlagen von 32 Millionen. (Hört! hört! rechts.) Meine Herren, nun frage i: ist eine geordnete Finanzwirthschaft in irgend einem Staat der Welt mögli, wenn man innerbalb fünf Jahren von einem Plus von 380 Millionen auf ein Minus von 32 Millionen [chwankt? (Sehr rihtig! rechts.) Meine Herren, ih glaube, wer diese Dinge niht mit befangenem Gesihhtspunkt ansieht, wie das bisweilen geschieht (Heiterkeit), der muß fagen, solhe Zustände sind auf die Dauer unhaltbar und werden die allergrößten Gefahren für Ge- fammtdeutshland hervorrufen. (Sehr richtig! rechts.) Das ift die Lage. Also, wenn unsere Abgeordneten auf die andere Seite der Leipzigerstraße gehen und ih ihnen da nun fagen muß: wenn der Reichstag nichts bewilligt, so zwingt er uns nit bloß, auf die Ueber- weisung zu verzihten, sondern 32 Millionen an das Reich zu zahlen, und wir sind garnicht fiher, ob dies niht noch in den nâhften Jahren steigen wird, so bin ih neugierig, was die preußishen Abgeordneten dazu fagen werden. Nun fragt der Herr Abgeordnete Richter: Sind wir denn die Knechte der Landtage ? wir haben doch die Sade für uns zu entsheiden. Meine Herren, ist es nit ein s{hwerer sozialer, politischer und nationaler Schaden, wenn in dieser Weise die einzelnen Landtage gezwungen werden, sich gegen die Finanzpolitik des Reichs zu stellen? (Sehr richtig! rechts.) Herr Abgeordneter Richter sagt von Preußen, das Plus der Einkommensteuer betrage ja 40 Millionen, und das werde ja festgelegt in Fonds, darauf könne man ja greifen ; wie man da an eine Steuererhöhung in Preußen denken könne. Meine Herren, dieses Plus von 40 Millionen deckt eben einen Theil auch der 102 Millionen, welhe wir in der Grund- und Gebäude- und Gewerbesteuer preisgegeben haben. Das weiß der Herr Nichter doch wohl ganz genau. (Zuruf links.) Nah 1885 hat ‘der Staat auf die Grund- und Gebäudesteuer veBihtet und deckt feinen Verlust erstens durch die 24 Millionen aus der lex Huene, die er in Zukunft behält, zweitens dur die 40 Millionen Einkommensteuer und drittens dur die 35 Millionen aus der neuen Vermögenésteuer. Da bat der Staat also keinen Pfennig gewonnen, sondern nur nothdürftig das wieder bekommen, was er zu Gunsten der Kommunen preisgegeben hat. Ich muß sagen, ih verstehe nit, wie der Herr Abg. Richter das nit wissen foll. Der Herr Abg. Richter hat dann weiter behauptet, die Tabackbauern bâtten gar fein Interesse an der Sache. Ja, ih glaube, die Vertreter aus der Pfalz, die hier sien, ob es nun die badishe oder die bayerische ist, werden das Interesse der Tabackbauern wobl befser verstehen als Herr Abg. Nichter, und wir haben {hon Stimmen aus der Pfalz nah der Richtung gehört. Richtig ist allerdings, daß die Bauern durch die bêöhst intelligente Agitation der Fabrifanten zu ihrem eigenen größten Schaden etwas irre geworden sind. (Sehr wahr! rechts.) Aber wir werden {on dafür sorgen, daß diese Bauern wicder klar über ihre eigenfsten Interessen werden, und, wenn sie das sind, dann werden sie auf unserer Seiie sein und niht auf der Seite des Herrn Abg. Richter! (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.) Gerade, wenn es richtig ist was auch der Herr Abg. Richter meint —, daß der Konsum der besseren Sorten am meisten leiden und der Konsum der geringeren Sorten am meisten Vertheil von der Sache baben würde, nun dann wird gerade der inländishe Tabackbauer den Vortheil haben: das kann niht dem geringsten Zweifel unter- liegen. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ih will auf die weiteren Bemerkungen des Herrn Abg. Richter nit eingehen; aber eines möchte ih zum S(luß do noch den Herren vom Centrum sagen: Ich habe hon viele Reden des Herrn Abg. Richter ‘gehört und viele, wie ich ganz gern gestehe, aufrihtig bewundert ; aber immer babe ih wenigstens zu finden geglaubt, daß seinen Reden eine hohe Kunst augenblicklicher nüßliher parlamentarisher Taktik als Hauptgrundlage dient. Eins dieser taktish parlamentarischen Kunststücke is immer gewesen, ih womöglich hinter das Zentrum zu verstecken (Heiterkeit), immer das Zentrum vorzuschieben, das Zentrum in die Opposition zu reißen. Ob das in diesem Augenblick ihm noh gelingen wird, das lasse ih dahin- gestellt sein; jedenfalls habe i die Ueberzeugung, daß an den fo er- fahrenen, die Dinge ganz übersehenden Männern, wie sie im Zentrum nigen, folche parlamentarishe Kunststüdcke gewiß gegenwärtig voll- E jede Wirkung vorübergehen! (Große Heiterkeit.)

. Freiherr Zorn Î ; itt im Interesse der elsässisden en bo E L Bocleonl u nte Fen be- itebenden Tabadtsteuergeset sei die Produktion des Tabacks in seiner

eimath sehr erbeblih zurückgegangen. Die Lösung der Taback- rage geböre für Süddeutshland und Elsaß-Lothringen zur Agrar-

frage. Die Steuer betrug früher 6 0/4 des Werthes und jeßt -90 %

des Werthes des Rohtabacks. Dabei muß man beachten, welche

Vortheile die Elsasser Tabapflanzer früher von der Monopol-

verwaltung hatten. Der Tabackbau hat eine große sozial- politische Bedeutung, weil dadurch die Familie vollständig be- shâftigt wird, weil fie nicht nur ihren Nahrungsbedarf selbst decken, sondern auch den Wohlstand der Familie noch vermehren fann. Befser wäre es, wenn man für den elfässishen Taback Staffeltarife einführen würde, damit er noch mehr in Deutschland ver- wendet werden könnte. Die Kontrolmaßregeln verschwinden niht aus der Welt dur die Ablehnung der Vorlage; sie lasten nur, wie bis jest, auf dem Tabapflanzer. Daß die Kontrole nit cifanös wird, dafür wird die Kommission sorgen müssen. Im übrigen bleibe ich dabei, daß das Geseß für die Tabackbauer ein Segen sein wird. Die Tabadckbauer werden jedenfalls die ganze Frage nicht ruhen laffen. Redner beantragt, die Vorlage der für die Stempelsteuervorlagen ein- gefeßten Kommission zu überweisen.

Damit schließt die Debatte. Die Vorlage wird darauf der Stempelsteuerkommission überwiesen.

Schluß 61/4 Uhr. Nächste Sißung Mittiwoh 1 Uhr. (Anträge aus dem Hause.)

Nr. 11 des „Ministerial-Blatts*“ für die gesammte innere Verwaltung in den Königlih preußischen Staaten“, berausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern, vom 30. Dezember 1893, hat folgenden Inhalt: I. Organisations-Sachen. A. Behörden und Beamte. Zirkular, betreffend die Tagegelder und Reisekosten der Landmesser und technischen Sefretäre. Zirkular, be- treffend die Berücksichtigung der Remunerationen X. von Beamten bei der Einfommens-Deklarirung. Verfügung, betreffend die Zahlung von Gebühren an Kreisphwsiker für Gutachten bei Pensio- nirungen. B. Staatshaushalt-Etat, Kassen- und Rechnungswesen. Nachtrag zu den Regulativen, betreffend die Vernichtung von Belägen, Rechnungen 2c. I1. Kirhlihe Angelegenheiten. Zirkular, betreffend die Stempelpflichtigkeit der Verträge von Kirchengemeinden über Grund- stückéerwerb. III. Medizinal-Angelegenheiten. Zirkular, betreffend die Anlegung neuer Apotheken. 1IY. Polizei - Verwaltung. "A. Gendarmerie. Verfügung, betreffend die Anrechnung früherer Dienstzeit bei der Gehalts-Regulierung. B. Versicherungêwesen. An- weisung, betreffend das Verfahren bei der Ausstellung 2c. von Quittungs- tarten. C. Gewerbe-Polizei. Zirkular, betreffend die durch die Schweiz nah Frankreih gehenden Waarensendungen. D. Gefängnißwesen, Straf- und Besserungsanstalten. Zirkular, betreffend die Kostenein- ziehung für die Strafvollstreckung ehemaliger Militärpersonen. E. Medizinal-Polizei. Zirkular, betreffend Untersuchungsanstalten für den Verkehr mit Nahrungsmitteln. F. Ortspolizei. Zirkular, be- treffend die Anbringung von Briefkasten an den Außenseiten der Häuser. V. Verwaltung der öffentlihenr- Arbeiten. Zirkular, be- treffend die von Baubeamten auf Spezialbaukafsen anzuweisenden Zahlungen. Zirkular, betreffend die Abwehr der Choleragefahr in der Bauverwaltung. Verfügung, betreffend Schußstreifen bei der Anlage von Kleinbahnen. VI. Verwaltung für Handel und Gewerbe. Zirkular, betreffend die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken. Verfügung, betreffend den (Cha- rakter der Dampfkessel als feststehbende Kessel. Zirkular, betreffend die Abänderung mehrerer Bestimmungen der Gewerbe- ordnung. Verfügung, betreffend die Arbeitsordnung in Fabriken. VIT. Verwaltung für Landwirthschaft, Domänen und Forsten. Zirkular, betreffend die Notierung forstversorgungsberehtigter Jäger bei den Regierungen. Zirkular, betreffend das Verfabren binsiht- lih der Prüfung von Gnadengesuchen zum Erlaß von Forftstrafen. VIII. Militär- undMarine-Angelegenbeiten. Verfügung, betreffend die Entshädigungsansprüche bei Absperrung städtisher Forstflächen während der Artillerie-Schießübungen.

Nr. 2 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus- gegeben im Ministeriun der öffentlichen Arbeiten, vom 13. Januar, hat folgenden Inhalt: Entwurf zur Umgestaltung des Viktualienmarkts in München. Die Straßensenkung in Eisleben. Ober-Baurath von Hasenauer in Wien #. Kanalisierung der Oder von Kosel bis zur Neissemündung. (Schluß.) Vermischtes : Wettbewerb für zwei evangelishe Kirhen in Düsseldorf. Besuch der Technishen Hochschule in München im Winter-Halbjahr 1893/94. Die Ueberfishung der Nordsee.

Statiftik und Volkswirthschaft. Die deutsche überseeische Auswanderung über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam stellte sih na den Semiieiingen des Kaiserlichen Statistishen Amts für Dezember und das Jahr 1893 und den gleichen Zeitraum 1892 folgendermaßen : A / Es wurden befördert im Dezember Jahr Dezember Jahr über : 1893 1892 992 39852 3939 Dat a (600 30510 1769 andere deutshe Häfen (Stettin) 58 deutsche Häfen zusammen . . T1612 70362 5 759 Antwerpen 11532 1306 Rotterdam 0 1195 348 Amsterdam 2 O Ueberhaupt. . 1847 83812 7415 112208 Aus deutschen Häfen wurden im Jahre 1893 neben den vorgenannten 70 362 deutschen Auswanderern noch 97 910 Angeh örige fremder Staaten befördert. Davon gingen über Bremen 69 548, Hamburg 28 362.

Invaliditäts- und Altersversicherung.

Bei der Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt B erl in sind im Laufe des Vierteljahres Oktober-Dezlembex 1893 116 Anträge auf Gewährung von Altersrente eingegangen; aus der Zeit vor dem 1. Oktober 1893 lagen 39 Anträge vor, hin- sichtlich deren die Erledigung noch ausftand. Von diesen 155 An- trägen sind bewilligt 91, abgelehnt 31, anderweit erledigt 2 und un- erledigt auf das folgende. Vierteljahr übernommen 31. Inner- halb des gleihen Vierteljahres find 202 Anträge auf Ge- währung der Invalidenrente eingegangen und 55 un- erledigt aus dem Vorvierteljahre übernommen worden. Von diesen 257 Invalidenrenten-Anträgen wurden 104" bewilligt, 64 ab- abgelehnt, 6 anderweit erledigt und 83 unerledigt auf das folgende Quartal übernommen. Bis zum 1. Januar 1894 waren ins- gesammt bewilligt 2206 Altersrenten. Von diesen find ausgeschieden durch Tod 270, aus andern Gründen 35, zusammen 305, odaß am 1. Januar 1894 1901 Altersrenten - Empfänger vorhanden waren. An Inbalidenrenten sind bis zum 1. Januar 1894 überhaupt 658 bewilligt werden. Ausgeschieden sind inzwischen durch Tod 76, aus andern Gründen 12, zusammen 88. Mithin war am 1. Januar 1894 ein Bestand von 570 Invalidenrenten-Empfängern.

Hagelshäden im Großherzogthum Hessen in den Jahren 1889 1892, thes

_ In ven vier Jahren T889—1892 wurden im Gröfberzogthum Hessen 905 Gemarkungen von Hagelwettern beimgesuht. Die von eßteren getroffene Flähe betrug 92817 ha, wovon 28 976 ha oder 31,2% beschâdigt wurden. Der dur die _Hagelschläge verursachte Schaden wurde in der gesammten vierjährigen Berichtszeit auf 2321309 Æ verans{chlagt, wovon mebr als- die Hälfte, nâmlih 1 166286 Æ, auf das Jahr 1889 allein entfielen. Von den dur Hagelwetter beshädigten*Flächen waren 6106 ha oder etwas mehr als ein Fünftel (genauer 21,1 9%) versichert mit einer Versiche- rungésumme von 2846 073 # Die von dens Versicherungsgesell- schaften gezahlten Entshädigungssummen beliefen sih auf 278 176 M, d. s. 9,78 °/g der Versicherungssumme und rund 12% des veran- schlagten Schadens. Wie sich die betreffenden Verbältnisse in jedem einzelnen der vier Jahre gestalteten, is aus folgender, aus den „Dezember-Mittheilungen der Großhberzoglih Hessishen Zentralstelle für die Landesstatistik“ zusammengestellten Vebersiht zu entnehmen.

Es betcug E 1889 1890 1891 1892

Die Zahl der von Hagel- wetter betroffenen Ée- Mar N 157 60

die Größe der getroffenen Fläche E

die Größe der geshädigten

ha 295209 14112

Fläche S 9187 3014 der veranshlagte Schaden . (1 166 286 23 die von dem beschädigten Gelände versicherte Fläche ha 1149 die Versicherungësumme der le 6287817 9963930 die von den Versicherungs- Gesellschaften in ganzen gezablte Entschädigung . A 65894 2878 85623 97872

Hiernach ist die betroffene und geshädigte, sowie die. von der leßteren versicherte Flähe im Jahre 1892, de eranshlagte Schaden im Jahre 1889, die Versicherungsfumme der geshädigten und ver- sicherten Fläche sowie die von den Gesellschaften gewährte Ent- schädigung 1892 am größten gewesen. Jm Verhältniß zur Ver- ficherungssumme der gesch@digten Fläche belief fich die gezahlte Ent- sGâdigung 1889 auf 11,2, 1890 auf 9,7, 1891 auf 117 und 1892 auf 809%; sie war demna 1891 am höchsten und 1892 am niedrigsten. Vergleiht man indefsen die gezahlte Entschädigungssumme mit dem veranshlagten Schadenbetrag, so machte erstere in den vier einzelnen Jahren 5,6 bezw. 12,4, 28,9 und 15,6 9% des leßteren aus.

Der dur die Hagelwetter verursahte Schaden wird Übrigens nicht nur in Geld, sondern Auch in Prozenten des Werths der auf den verhagelten Flächen erwarteten Ernte veranschlagt. In leßterer Hinsicht werden die Schäden der vier Berichtsjahre in unserer Quelle wie folgt flasfifiziert: 33 bezw. 22, 17 und 21 %%.

D

Zur Arbeiterbewegung.

In Effen fand am leßten Sonntag eine Bergarbeiter- versammlung ftatt, in der der „NRhein.-Westf. Z.* zufolge die Miß- stände auf den Zehen des Effener Neviers zur Sprache gebracht werden follten, die aber troßdem nur von wenig über 300 Personen besucht war. Der Berginvalide hlenbeck- Essen kam wieder auf das Wagennullen, die Ueberschihten zu spre{ten und wies auf die Forderung der ahtstündigen Schicht bin, bei der man aber zukünftig nit werde stehen bleiben. Schließlih empfÄbl er den Anschluß an den sozialdemoftratishen Arbeiterverband. Ein zweiter Redner sprach über die soziale Frage; auch Joh. Margraf trat als Redner a

Aus Leipzig schreibt man dem „Chemn. Tgbl.*, daß der Innungsausf chuß der vereinigten Leipziger Innungen sich ent- schieden gegen die Errihtung eines städtishen Arbeits- nachweises erflärt habe, da die Regelung des Arbeits- markfis bereits von den Innungen in die Hand genommen und nußbringend durchgeführt worden fei. In. einer Versammlung der Bildhauergehilfen Leipzigs am Sonnabend wurde, wie die „Leipz. Z.* berichtet, ferner mitgetheilt, daß ein in einer Leipziger Möbelfabrif drohender Ausstand durch die Nach- giebigkeit beider Theile vermieden worden sei. Der Arbeitgeber hatte für die Monate Januar und Februar eine Herabsetzung des Lohns um 109% eintreten lafsen wollen, während die Gehilfen die Verkürzung der Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden ohne Lohnkürzung verlangt hatten. Beide Parteien sahen von ihren Forderungen ab. Aus einer Ver- sammlung der Buchbindergehilfen vom leßten Sonnabend ift zu erwähnen, daß der Verband in Leipzig 200 Mitglieder zählt. In - einer Versammlung der Kürschnergebilfen wurde am Sonntag beschlossen, einen Verband der Zurichter zu gründen. Der Verband foll in erster Linie dazu bestimmt sein, zablreihen, im Lehrlingswesen eingerifsenen Uebelständen entgegen zu arbeiten. Eine Versammlung der Leipziger Seilergehbilfen wählte am Sonntag einen Vertreter für den im März in Berlin stattfindenden Verbandstag und beschloß, dort die Auflösung des Verbandes der Seiler und den Anschluß an den Verband der Textilarbeiter zu be- antragen. : S

Vier in Berlin beschäftigte sih, wie die Berliner «Volks-Ztg.“ mittheilt, eine Maurerversammlung am Sonntag aufs neue mit der Organisationsfrage (vergl. die gestrige Nr. 12 d. B[.). Nachdem Maurer Blaurock über den Mangel an Einigkeit unter den Berufsgenofsen gerlagt und die bestehende Zentralorganisation als die Ursache dieses Mißstandes bezeichnet hatte, fam ein Antrag zur Annahme, nach dem eine Kommission, bestehend aus je fünf Anhängern der Lokal- und der Zentralorganisation mit der Ausarbeitung von Vorschlägen betraut werden foll, auf Grund deren eine Einigung si erzielen lafse.. Die Lohnkommission der Berliner Steinsetzer und verwandten Berufsgenossen hat den Unternehmern einen Lobntarif zugestellt, in welchem neunstündige Arbeitszeit und für Steinfseßergesellen 60, für Steinhauer 50, für Rammer 45, für Hilfsarbeiter 35 4 Lohn für die Stunde gefordert wird. In einer Versammlung am Sonntag wurde beschlossen, unter keinen Umständen von diefen Forderungen ab-- zugehen und es eventuell auf einen Ausstand anfommen zu lassen.

Literatur.

Geschichte. E ff. Historische Zeitschrift. Herausgegeben von Heinri vôn Sybel und Friedrich Meinedcke. 72. Bd. 1. Heft. München und Leipzig, R. Oldenbourg. 1894. Im ersten Aufsatz dieses Heftes behandelt Mar Lenz ein vielbesprochenes Kapitel aus der Geschichte der französischen Revolution: den Fluchtversuh der Königlichen Familie am 20. Juni 1791. Zahlreiche Berichte von Theilnehmern und Zeitgenossen sind hierüber befannt geworden und baben zu den verschiedensten Darstellungen Anlaß gegeben, die nit selten fritiflos die widersprehendsten ingaben aufnabmen und ver- arbeiteten. Von bervorragendem Einfluß auf die Ueberlieferung waren namentlich die Memoiren der beiden Grafen Bouillé Vater und Sohn —, die beide an der Vorbereitun der Flucht betheiligt waren und daher über viele Dinge genaue Mittheilung machen konnten.

Auch urkundliche Zeugnisse über diese Episode feblen niht: wir be-

ILE: GS-2 R E E

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