1894 / 19 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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hie und da in einer Scene vorübergehend auftreten. Gelegenheit, sich vortheilhaft bemerklich zu machen, hatten unter ihnen nur die beiden Damen Casselmann und Emfeld, welche die Gesangseinlagen im vierten Bilde ie zur Geltung brachten. Der freundlichen Auf- nahme, die die Po e fand, entsprach der lebhafte Beifall, der jedem

ceni Bilde folgte. Es s Neues Theater.

Am Sonnabend wurden an dieser Stätte zum ersten Mal die {on von Aufführungen am Residenz-Theater bekannten beiden Werke, die Tragikomödie , Gläubiger“ von Paul Strindberg und das Lustspiel „Flattersuht“ (La Papillonne) von Victorien Sardou, in deutsher Bearbeitung von August Förster, mit gutem Erfolg aufgeführt. Beim ersten Stück, das, wenn auch in geist- reiher und ergreifender Weise geschrieben, feinem Gegenstand nah do weniger anspriht, weil es ohne einen versöhnenden Abschluß nur die tiefe Verderbniß des Weibes zu zeigen bestimmt ist, nöthigte das meisterhafte Spiel des Fräulein ertens, sowie der Herren Rittner und Jarno den Zuschauern Bewunderung ab.

Die darauf folgende , Flattersucht*“ erregte troß der unmög- lichen Vorausseßungen, die dem Stück zu Grunde gelegt sind, dur dessen ungewöhnlich ausgelafsenen E arandi die lebhafteste Heiterkeit. Auch hier läßt sih über die Darstellung nur Lobenswerthes sagen. Der auf Abwege gerathene Ehemann Herr von Champignac fand in Herrn Jarno einen ungemein lustigen Vertreter, während seine Frau in anziehender Weise von Fräulein Hofer gegeben wurde. Ganz besonders aber verdiente und fand die allgemeine Anerkennung das neckishe Spiel des Fräuleins Nina Sandow, als junge Wittwe Camille, der es gelingt, den Gatten von seiner kfranfkhaften Flatter- sucht zu heilen, und den Frieden zwishen den Eheleuten wieder ber- zustellen. Herr Kraus gab den verliebten und tölpelhaften Fridolin mit übersprudelnder Laune.

i Konzerte. | Das amerikanische Künstlerpaar Mary Howe-Lavin (hoher Sopran) und William Lavin (Tenor), das sich auf einer Kunst- reise durh Europa befindet, ershien am Sonnabend zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum. Beiden ging bereits von ihrer Bühnen- thätigkeit her ein sehr ehrenvoller Ruf voraus, der durch den Vortrag mehrerer Opern-Arien glänzend gerechtfertigt wurde. Nach der Ouvertüre zu Verdi's „Aida®* trug Herr Lavin die große Arie „Himmlische Aida“ aus der genannten Oper vor und ließ hierin eine starke und in allen Lagen gleihmäßig flangvolle, bis ins hohe C beguem hinaufsteigende Stimme erkennen, die mit dramatischer Lebendigkeit des Ausdrucks sich vereinigte, sodaß rauschender Beifall und Hervorruf erfolgte. Dieselben Vorzüge traten auch noch in einer Arie von Halévy und in einem Duett von Verdi sehr wirksam hervor. Sn noch höherem Maße wurde das Publikum in Staunen verseßt durch die Koloraturgewandtheit der Sopranistin, die sih mit Leichtigkeit bis ins dreigestrihene E hinaufschwang mit vorausgehenden Trillern und rapiden auf- und abwärts gehenden chromatischen Gängen von perlender Klarheit, wie sie zunächst in der mit virtuosen Schwierigkeiten reich auêgestatteten Arie aus „La Perle du Brésil“ von David zur Geltung kam. Beiden fehlte niemals Reinheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprache. Einige Zugaben wurden freundlihst gewährt. Von vielen Seiten des reis erschienenen N wurde der Wunsch laut, daß das ungewöhnli begabte Künstlerpaar ch noch öfter hier hören lassen möge. Das Philharmon ische Orchester, das unter Mannstädt's Leitung noch eine fleine sehr melodische Pièce von Massenet vortrug, leistete Very wie in der Begleitung der Opern-Arien wiederum fehr Lobens- werthes. Ueber das Konzert der Damen Elisabeth Jae ns\ch (Sopran) und Margarethe Liebig (Klavier), das an demselben Abend im Saal Bechstein stattfand, ist nit viel Erfreuliches zu berichten. Die Sängerin besißt weder eine wohlklingende, noch genügend aus- ebildete Stimme, die zu einem öffentlihen Auftreten berechtigen könnte. Da egen ließ die Pianistin in einem Trio von Spohr, in welczem sie dur die Herren G ülzow (Violine) und Sandow (Cello) wirksam

Wetterbericht vom 22. Januar, r Morgens.

Stationen. ; Wind. Wetter.

Kapellmeister.

Temperatur in ? Celfius 59C, = 49R

Belmullet . . WNW 4'bedeckt Aberdeen SW | Christiansund W Kopenhagen . Stockholm . Sh Petersbg . Petersbg. Mosfau . . Cork, Queens- Ton Cherbourg . E Ls E s Hamburg Swinemünde Neufahrwasser Memel ... |- 451

i Cel EOL tet l D Karlsruhe . . | 763 Wiesbaden . | 762 München . . | 765 Chemniy . . | 763 Berlin... 1: 108 Mea 4 e Breslau . . . | 762 Fie d'Air .. | 762 ia... . | 767 wolkenlos E l Do Dunst

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Dr. Muck.

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oon Schiller.

D T A IDRMOoONS

1) Nahm. Regen. ?) Nachm. Regen. ‘3) Gestern Regen.

Uebersicht der Witterung.

Ein pr Minimum unter 725 mm liegt westlih von den Lofoten, im Nord- und Ostseegebiete starke westliche und südwestlihe Winde hervorrufend ; eine Theildepression ist in der Kanalgegend in Entwite- lung begriffen. Ein umfangreihes H druckgebiet liegt über Süd-Europa. Bei an der Küste starken,

ittwoh

Winden, dauert in Deutschland die milde, meist trübe Witterung fort, stellenweise if etwas Nieder- schlag gefallen. Neues starkes Fallen des Baro- meters hat über West-Europa, insbesondere in der | blümchen. Mmalgeienn, stattgefunden, sodaß Fortdauer der un- ruhigen Witterung zu erwarten ift.

Deutsche Seewarte.

Dienstag :

Theater - Anzeigen.

—S : | Königlihe Schouspiele. Dienstag: Opern-

haus. Keine Vorstellung. S ; 7. Symphonie - Abend der Königlichen Kapelle. Direktion: Herr Felix Weingartner, Königlicher

reytag. Regie: ; del lara Meyer, Ehrenmitglied des Königlichen Schau-

spiels.) Anfang 7 Uhr.

vvn B. A. Weber. Jn Regisseur Max Grube. Anfang

Deutsches Theater.

Käthcheu von Heilbronn. Mittwoch .| Der Herr Seuator. Donnerstag: Der Talisman.

Donnerstag : Aus eigenem Recht.

Lessing-Theater. Dienstag und folg. Tage: im- Binnenlande s{chwachen, oren südwestlichen | Madame Sans-Gêne. (Zweites Parquet 3 A).

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater.

Der Lieutenant zur See. Operett- in 3 Akten (nach einer älteren Idee) von E. Schlack und L. Herrmann. Musik von Louis Roth. In

unterstüßt wurde, sowie im Vortrag einiger Soli von Nepo und S eine sorgfältig geshulte Technik und verständnißvolle Auffaffung ennen.

Im Königlichen Schauspielhause gehen morgen Gustav reytag's „Journalisten“ mit Herrn Keßler als Bolz und Frau Clara eyer als Adelheid in Scene. f Im Konzerthause wird morgen der Komponist Herr Professor Emil Hartmann aus Kopenhagen inebrere eigene Kompesitionen, und zwar „Schottishe Ouvertüre“, „Fünf nordische Volkstänze“ und Rau olka“ unter perfönlicher Leitung zur Aufführung ringen. : Die von Schlag u. Söhne in Schweidniß neu erbaute Orgel im großen Saale des Evangelischen Vereinshauses in der Oranienstraße wurde gestern zum ersten Mal beim Gottes- dienst in Gebrauch genommen, ‘nachdem sie am Sonnabend von dem Königlichen Musik-Direktor Herrn Dienel geprüft und als ein wohlgelungenes Werk bezeihnet worden war. Mit einer Anzahl der wirksamsten Charakterstimmen versehen, unter denen die bart \treihende ,Gambe“, die sanfte „Voix céleste“, die oboeartige „Schalmei“ und die lieblihen „Flöten“ befondere Er- wähnung verdienen, zeigte sich die Orgel sowohl in ihrer vollen Wirkung als auch in den verschiedensten Stimmmischungen als für den gottesdienstlicen Gebrauch besonders geeignet. .

Mannigfaltiges.

Der Geheime Regierungs-Rath Professor Dr. Zeller feierte heute in stiller Zurückgezogenheit seinen 80. Geburtstag. Nur die dem Jubilar persönlih nahestehenden Personen, wie der Wirkliche Ge- heime Rath Dr. von Helmholß nebst Gemahlin, Professor Lazarus, Frau Professor Schmoller u. a., sprahen bereits am Vormittag vor, zumeist mit \{chönen Blumenspenden. Ihre Majestät die Kaiserin Friedri sandte ein kostbares Blumenarrangement. Für das Kultus-

inisterium ershien der Geheime Ober-Regierungs-Rath Dr. Althoff, um berzlihe Glückwünshe auszusprehen. Die Professoren der Uni- versität statteten in der“ zweiten Nachmittagsstunde ihre offiziellen Gratulationsbesuhe ab. De Telegramme bezeugten die Ver- ehrung, die der Jubilar in allen Theilen der Welt genießt. In der O e batte die Studentenschaft gleichfalls eine Ovation geplant, der si der Jubilar jedoch entzog.

Das Königliche Eisenbahn-Betriebsamt Berlin-Lehrte theilt Folgendes mit: Am 2. Januar cr., nach 4 Uhr Morgens, wurde auf dem mit einem Wärter bescßten Ueberwege bei Bude 64a, am Bahnhof Stendal, ein mit vier Personen besetztes zwei- \pänniges Privatfuhrwerk vom Mag enrger Personen- zuge 191 erfaßt. Es wurden hierbei beide Pferde getödtet und der Wagen stark beschädigt ; Personen sind niht beshädigt worden. Die Untersuchung i eingeleitet. Der Wärter, welcher die Ueber- wegsscranken nicht geschlossen hatte, ist vom Dienst zurückgezogen.

Am 1. Januar 1894 befanden sich in städtischer Waüisenpflege 4822 Kinder (2531 Knaben, 2291 Mädchen). Aufgenommen wurden während des Vierteljahres Oktober - Dezember 1893 430 Kinder, da-

egen shieden aus 496 Kinder, sodaß sich die Kinderzahl vermindert Bat um 66. In Zwangserzichung befanden \sih am 1. Januar cr. 457 Kinder (387 Knaben, 70 Mädchen). Davon waren entlaufen 30 Knaben, 3 Mädchen, im Geo 14 Knaben, 1 Mädchen. Aufgenommen wurden während des Vierteljahres Oktober - Dezember 92 Kinder : dagegen schieden aus 18 Kinder, sodaß si die Kinderzahl um 4 vermehrt hat.

An Geschenken und Vermächtnissen sind bei der Haupt- Stiftungskasse während des Monats Dezember 1893 eingegangen 1045,80 46, an Kollektengeldern 682,30 M, aus shiedsmännischen Vergleichen und Zessionen 410,94 A, für Neujahrsgratulations- Ablösungen 4253,95 #4: zusammen 6392,99 A.

1) Ouverture „Euryanthe“ von Weber. 2) Zum | in 3 Akten von Albin Valabrègue. 1. Male: Symphonie B-dur von Schubert. 3) Ka- ge marinskaja, Phantasie über zwei russishe Volkslieder | fels. Anfang 74 Uhr. von Glinka. 4) Ouverture „Leonore“ Nr. 3 von Beethoven. 5) Symphonie F-dur von Beethoven. Anfang 74 Uhr.

Billets zu 6, 5, 4, 3, 2 und 1 Æ sind in der E ee von Bote u. Bock, Leipziger- traße 37, und an der Abendkasse zu haben.

8. Symphonie-Abend am 12. Februar 1894. Förster. Vorber: Nach . G i

: ; ver : zwei Jahren. Lustspiel | Renz.

Schauspielhaus. 23. Vorstellung. Die Jour- | in 1 Aft von Almási Tinamér. Deuts von Josef | R. i on in nalisten. Lustspiel in 4 Aufzügen von Gustav | Jarno. Anfang Tbe, R. Renz. „Cromwell*, geritten von Fräule Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Ueues Theater.

von Victorien Sardou. Deuts

Herr Keßler. (Adelheid: Frau Donnerstag: Sappho.

artburg. ften von Richard Wagner.

Uhr. Anfang 7# Uhr. essina, oder: Die

Uhr. L:

Musik von Carl Zeller.

Chausseestraße 25.

Scene geseßt von Julius Fritsche. Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Mittwoch: Der Lieutenant zur See.

Montag : Dieselbe Vorstellung.

Schiffbauerdamm 3—9.

__ Direktion: Sigmund Lautenburg. Dienstag: Flattersucht. Lustspiel in 3 Akten | vorgeführt vom Direktor Fr. Renz. ch von Dr. August | Karussel von 30 Pferden, vorgeführt von Herrn R.

reitag: Zum 1. Male: Gisela. Schauspiel in Mittrwooh: Opernhaus. 22. BRLeL, Tann- | 4 Akten von Elsa v. Schabelsky. Bor und der dz 4 entrró- auf omantische Oper in 3 Ballet von Emil Graeb. In Scene geseßt vom Ober - Reg fer eie Dirigent : Kapellmeister Ausstattungs\tück mit großem Ballet in 12 Bildern. Schauspielhaus. 24. Vorstellung. Schiller-Cyclus. 9. Abend. Die Braut von Messin s feindlichen Brüder. Trauerspiel in 5 Aufzügen Die zur R gehörige Musik c

Mittwoch: Die Kinder des Kapitän Grant.

Theater Unter den Linden. Dienétag:

ene geseßt vom Ober- | Salon Pitelberger. Operette von I. Offenbach. E : i 2 rahma. Ausftattungs-Ballet. Anfang ASEE: (Ber ral Ann P Frl. Ella

Sonnabend: Zum 1. Male: Der Oberfsfteiger. Dienstag : Das | Operette in 3 Akten von M. West und L. Held. Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Pal all:

Adolph Ernst-Theater. Dienstag: Zum L Ce E. I, E e G b Fräulei é ; : ten von Brandon omas. YBorHer : e estorben: Fraulein + Anfang L. v d. 0 on. cene Mittwoch : Zum 1. Male: Das Recht auf Glü. | esen! von Adolph Ernst. Anfang 74 1 Mittwoch: Charley’s Taute. Die Bajazzi.

Bentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Dienstag: Eiu toller Einfall. Schwank in 4 Akten von Carl Laufs. Hierauf: Zum 31. Male: Verlin 1893. Revue in 2 Fe TNOen pon Wallner-Theater. Mittwoch: Mauer- Red nagen der Vorstellung 75 Uhr, der

Mittwoch : Dieselbe Vorstellung.

, Konzerte.

Saal Bechstein. Dienstag, Anfang 74 Uhr: Kouzert der Sängerin Alma Schmidt.

Anfang 74 Uhr.

Der Jerusalems-Verein hielt gestern Abend im Interims- dom sein Jahresfest ab. Dem von Lic. Weser erstatteten Bericht zufolge belief - fi die Einnahme, mit Einschluß der über 54 000 4 betragenden Weihnachtskollekte, auf 76 000 4, sodaß unter Hinzu- rechnung des Bestandes 85 000 4 zur Verfügung standen. Verausgabt sind 81 000 A Die Kirhe in Bethlehem konnte vollendet und ge- weiht werden; in Haifa, am Fuße des Karmel, konnte den dort angefiedelten Württem Tg ein Betsaal errichtet werden, in dem ein unter opferfreudiger Mitwirkung des JIohanniter-Ordens bestellter Geistliher, Prediger Deckert, w In Jerusalem konnte gegen- über der Grabesfkirche der Grundstein zu einer neuen Kirche gelegt

werden; die Schulen in Bethlehem}und Bethsala find erfolgreih weiter-

geführt worden. Die Festpredigt hielt der früher in Jerujalem thätige Prediger MReinicke, dann \sprach Schulrath Trinius das S{hlußwort. :

Das Ballfest des Vereins „Berliner Presse“, welhes am Sonnabend in der Philharmonie stattfand, war zahlrei besucht. Außer den Vertretern der fchriftstellerishen Welt und einem starken Kontingent, welches die Berliner Bühnen stellten, waren auch viele Reichs- und Staatsbeamte, Offiziere und Abgeordnete sowie Mit- glieder des diplomatischen Korps ersGienen. Befonders zahlreih war das Auswärtige Amt, voran duïch den Unter - Staats- sekretär Freiherrn von Rotenhan und den Wirklichen Geheimen Legations-Rath Dr. Kayser, vertreten; ferner waren der Präsident der Seehandlung, Wirklihe Geheime Rath von Burchard, der General-Jntendant der Königlichen Schauspiele Graf von Hochberg, der kommandierende Admiral, Admiral Freiherr von der Golg, der Regierungs-Präsident von Tepper - Lasfi, die Botschafter von Frankreich, Italien und Amerika anwesend; auch Afrikareisende wurden in großer Zahl bemerkt. Die Vertheilung der üblichen Damenspende diesmal bestand sie aus einem Abreißkalender, zu welchem für jeden Tag Vereinsmitglieder dichterishe Sinn- sprühe gespendet hatten, wurde durch einen Gefangs- vortrag der rren Gudehus, Lieban, Bulß und Krolov eingeleitet. Während des ganzen Abends fand in einem malerifch drapierten Zelt, welches auf dem Orchestervodium aufgebaut war, eine Verloosung von Kunstgegenständen und Büchern ftatt, die namhafte Künstler und Dichter für diesen Abend zum Besten der Vereinszweke gespendet hatten. Der Gesammtertrag, der den Wohlthätigkeits- einrihtungen des Vereins zu gute kommt, dürfte ein sehr erheblicher

ewesen sein; um die wohlgelungene Veranstaltung des Ganzen hat fich Redakteur Schweißer am meisten verdient gemacht.

Wien. Der Organifationsauss{huß des {on für 1893 geplant gewesenen, wegen der Choleragefahr aber aufgeschobenen I. Ä uter: nationalen Samariter-Kongresses hat, einer Einladung des Exekutiv-Comités des VIIL. Internationalen E für Hygiene und Demographie in Budapest 1894 unter dem Allerhöchsten Pro- teftorat Seiner Majestät des Kaisers von Oesterrei, Königs von Ungarn Folge gebend, beschlossen, von der selbständigen Abhaltung des I. Internationalen Samariter-Kongresses, welcher, gleichzeitig mit dem hygienishen Kongreß tagend, in seiner eigenen Frequenz beeinträchtigt gewesen wäre und auch den äbnlihe Zwecke verfolgenden Kongreß für

ygiene und Demographie geschädigt hätte, zurückzutreten und mit feinen ämmtlichen, bisher angemeldeten ca. 450 Mitgliedern dem VIII.Inter- nationalen Kongreß für Hygiene und Demographie in Budapest 1894 als dessen Sektion XX „Allgemeines Samariterwesen beizutreten. Zur Leitung dieser Sektion wurden ernannt: Geheimer Medizinal-Rath von Esmarch als Chren-Präsident, Hofrath Theodor Billroth und Hofrath Ernst Ludwig als Präsidenten, Dr. Anton Loew als geschästsführender Präsident, Dr. Artur Hof- grâff als Sekretär. Von seiten Ungarns werden die Präsidenten und Sekretäre seinerzeit nominiert werden. Das Bureau der Sektion XX „Allgemeines Samariterwesen“ bleibt bis zur Abhaltung des Kon- gresses in Wien, 1., Kärntnerstraße 21.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

H Konzert-Haus. Dienstag: Karl Meyder- hr. Konzert unter freundliher Mitwirkung des Kom-

ponisten Herrn Emil Hartmann. „Schottische Ouverture“, „Fünf nordishe Volks-

Refsidenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- | tänze“, „Konzerthaus-Polka“ von Hartmann, unter

burg. Dienstag: Zum 30. Male: Der Mustergatte. (Le premier mari de France.) Cchwank

verfönlicher Leitung des Komponisten.

Vorher: Jm | Zirkus Renz (Karlstraße). Dienstag, Abends E Ein Künstlerfest. “D Neue Ausftattung, neue Einlagen. U. a.: Signorina Varotti, die kleinste Solotänzerin der Welt, Kinder-Orchester.

Außerdem: Der ostpreußishe Hengst „Blondel“ Rappen und

Negligé. Plauderei in 1 Akt von Hans von Rein- 74 Ubr:

Das Sqculpferd „Prinz“, ger. von

Oceana Renz. Der Handeguilibrist Mr. Nelson. Die Akrobaten auf dem Telephondraht Zalva, Esvana und Alvar. Mr. Lavater Lee 2c.

Preise wie gewöhnli.

Mittwoch: Ein Künstlerfefst, ¿

Sonnabend (Kaisers Geburtstag) : Parade-Feft-

Viktoria-Theater. Belle - Alliancestraße 7/8. | Vorstellung. Dienstag: Die Kinder des Kapitän Graut.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Mathilde Hanssen mit Hrn. Vize- Konsul Christian von Jecklin (Hambur —Londón! Verw. Fr. Stabsarzt Antonie Pelzer. e .

ns Frhrn.

von der Lohau mit Hrn. Hauptmann Kurt von Brixen (Breslau).

von Eckartsberg (Potsdam). Hrn. Wasfser- inspektor Muttray (Tilsit). Hrn. Regierungs Assessor Dorgerloh (Liebau). Eine Tochter: Hrn. Rittmeister von Hevbebres (Darmstadt). aecthe Thiemann (Biesen-

thal). Hr. Major a. D. Hugo von Loós (Gor liß). Hr: Frhr. Axel von Wulffen, gen. Küchen- meister von Sternberg (Berlin). Ritter- autsbesiger Edmund Honig (Gralow). Verw. r. Pfarrer Julie Sagelsdorfff , geb. Schüler Königsberg). Hr. Pastor A. - Effenbergtr (Sprottau).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:

Verlag der Erpedition (Scholz). A Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verl “Anstalt. Berlin e Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen - (einschließli Börsen-Beilage). (1118

M 19.

Erste Beila ge

Berlin, Montag, den 22. Januar

Deutscher Reichstag. 31. Sizung vom Sonnabend, 20. Januar, 1 Uhr. att erste Lesung der Weinsteuervorlage wird fort- get. ú Ueber den Anfang der Rede des Abg. Payer (südd. Volksp.), der zunächst das Wort hatte, ist bereits in der Numer vom Sonnabend berichtet. Abg. Payer fährt fort wie folgt: ei den Vorverhandlungen mit Württemberg über dessen Bei- tritt zum Deutschen Reich fm November 1870 ist Li wnbos daß das Reich von seiner Befugniß zur Besteuerung des Weins mit Rücksiht auf die Weinländer nicht Gebrauch ma werde, und diese Ueberzeugung überwog damals so, daß von einer ausdrücklichen Festlegung dieses Punkts in einem Protokoll Abstand genommen wurde. Diefes Vertrauen räht sich jeßt; wir haben eine Reichs- Weinsteuer vorgelegt bekommen, welche um ganzer 12 Millionen willen so schr die alten Zusicherungen verleugnet. Mit Ausnahme Bayerns, das in neuerer und der getreue Schildknappe, Preußens ist, haben die süddeutschen Gan gegen diefes E ers wahrung eingelegt. Das is der Weg nicht, den Reichsgedanken im Reich zu festigen! Gehen Sie hinaus ins Deutsche Reich und sehen Sie sh an, wie unheilvoll diese Vorlage im Süden gewirkt hat! 1887 rief der jeßige preußische Finanz-Minister Dr. Miquel nah der Reichstagëauflöfung in einer Rede vor feinen Wählern in Kaiserslautern aus: „Mein Herz gehört der Pfalz!“ Möchte er doch jeßt in die Pfalz gehen und sih von der Stimmung dort überzeugen; sein Herz würde ibm mit Protest zurückgegeben werden ! Der Vaterlands- liebe und dem Einheitsgefühl: der deutshen Nation wird es ja gelingen, über alle partifularistishen Bestrebungen hinwegzukommen. Aber dann muß man es uns nicht allzu schwer machen, für die Reichs- R und den Reichêgedanken einzutreten. Ueber die Maßen fkurz- sihtig und niht weise erscheint es mir daher, daß die verbündeten Regierungen den Partikularisten die Waffe dieses unseligen Gesetzes in die Hand gedrückt haben! Königlich württembergischer Bevollmächtigter zum Bundes- rath, Präsident des Staats-Ministeriums Dr. Freiherr von Mittnacht- i

Der Herr Vorredner hat ebenvorhin eines Umstandes Erwäh-

nung gethan, der {hon bei der Konferenz der Finanz-Minister im August vorigen Jahres und nachher im Bundesrath zur Sprache gekommen is}, der aber auch in der Presse und in Versammlungen, namentli in Württemberg, berührt wurde ih meine die Thatsache, daß bei den Verhandlungen über den Beitritt Württembergs zur Ver- fassung des Deutschen Bundes im Jahre 1870 zwischen den württembergi- {hen Bevollmächtigten und den Bevollmächtigten des Norddeutschen Bundes Erklärungen gewec\selt worden sind in der Absicht auf eine etwaige künftige Besteuerung des inländishen Weines für Bundeszwecke. Da ih, was der Herr Vorredner {hon angedeutet hat, einer der damaligen württembergishen Bevollmächtigten gewesen bin, so kann ih über das damdls Verhandelte etwas nähere Mittheilungen machen, und ih halte es für gut, wenn, nahdem der Herr Vorredner den Gegenstand über- baupt zur Sprache gebraht hat, diese Mittbeilung in authentischer Weise erfolgt.

Zufolge einer Anregung des damaligen württembergischen Finanz- Ministers hatien die württembergishen Bevollmächtigten im Herbst des Jahres 1870 zu erklären ich bemerke, daß dieser württember- gisd en Erflärung andere Regierungen sich nicht anges{hlossen haben ; man fkann alfo nicht von einer \üddeutschen Angelegenheit reden, sondern nur von einer württembergishen die württembergischen Bevollmächtigten batten im November 1870 zu erklären: Sowohl für den Staatshaushalt Württembergs als auch für das Interesse seiner Berölkerung müfse es vom empfindlihsten Nachtheil sein, wenn der Bund, in Anwendung des Art. 4 Ziffer 2 der Verfassung unter Aufhebung eines in Württemberg seit Jahrbunderten bestehenden Zustandeë, es unternehmen würde, den inländisden Wein für Bundes- zwecke zu besteuern. (Hört! Hört!) Die württembergishen Bevoll- mächtigten seien deshalb angewiesen, zu beantragen, daß entweder der Wein von den der Bundesbesteuerung zu unterwerfenden Gegenständen auégenommen, oder daß seine Besteuerung abhängig gemaht würde von der Zustimúung Württembergs. Die Bevollmächtigten des Norddeutshen Bundes haben darauf erklärt: fie seien und zwar aus formellen Gründen, nicht in der Lage, auf- einen dieser beiden erwähnten Anträge einzugehen; aber es biete nah ihrer Ansicht die Eigenthümlichkeit des Weines als Besteuerungs- gegenstand eine vollfommen auéreihende Gewähr dafür, daß der Bund von seinem verfassungsmäßigen Recht in dieser Beziehung keinen Ge- brauch machen werde. (Hört! hört!) Davon, eine auf die Wein- erzeèugung gelegte Steuer ins Auge zu fassen, würden {on die Er- fahrungen namentlih in Absicht auf das finanzielle Resultat abhalten, die man in den norddeutschen Bundesstaaten mit der Weinsteuer, die dort befianden, gemacht habe. Aber auch die andere, an den Verbrauch des Weines sich anschließende Besteuerungsform würde allerdings einen größeren Betrag zu ergeben in der Lage sein ; aber das doch nur da, wo, wie das in den eigentlihen Weinländern der Fall fei, der Wein Gegenstand des Verbrauhs der ganzen Bevölkerung sei und wo zu- gleih die erforderlien Kontrolen den Organen für andere innere Steuern übertragen werden können. Diese beiden Vorausf\eßungen treffen nur in einem verhältnißmäßig nicht umfangreihen Theil des Bundesgebiets zu, und so werde au die Wahl dieser zweiten Be- steuerungéform für den Bund ausgeschlossen. (Hört! hört !)

Aus diesen Gründen, welche, wie die Bevollmächtigten des Nord- deutshen Bundes niht zweifelten, auch der Bundesrath des Nord- deutschen Bundes theilen werde aus diesen Gründen werden nah der Ansicht der Bevollmächtigten des Norddeutshen Bundes die württembergischen Bevollmächtigten volle Beruhigung bezüglih der von diesen geäußerten Bedenken {öpfen dürfen. Es haben hierauf die württembergishen Bevollmächtigten, in der Vorausseßung einer entsprechenden Kundgebung auch des Bundesraths des Norddeutschen Bundes, auf die weitere Verfolgung. der von ihnen angekündigten Anträge verzichtet; sie haben diese Anträge auf sich beruben lassen. A Bundesrath des Norddeutshen Bundes aber hat nachher, im : ezember 1870, den Erklärungen der Bevollmächtigten des Nord- eutschen Bundes, wie ih sie angeführt habe, seine Zustimmung, seine Gutheißung ertheilt. (Hört! hört !)

Dies ift der Hergang von 1870. Nun, meine Herren, aus den Verhandlungen von 1870 hat der Staat Württemberg sicher ein Sonderreht in Absicht auf die Weinbesteuerung niht erwirken können: die übrigen süddeutshen Staaten und Weinländer haben damals für den Gegenstand \ih nit befonders interessiert. (Hört, hört!) Sie haben ein Sonderrecht für sich überhaupt nicht be- anspruht, und Württemberg konnte von Hause aus nit hoffen, für sich allein ein Reservatreht in Absicht auf Weinbesteuerung erreihen zu fönnen. Die Erklärungen von 1870 haben nah meiner Ueberzeugung überhaupt feinen rechtliden Inhalt, sie enthalten auch fein eigentlihes selbständiges Versprechen, und das war auch der Grund, warum diese Verhandlungen den parlamentarishen Körperschaften im Jahre 1870 nicht mitgetheilt worden sind. Wenn in einer dieser Körperschaften damals von der Weinbesteuerung überhaupt die Rede gewesen wäre, dann bätte man natürlih das Vorgegangene zur Kenntniß der betreffenden Körperschaft gebraht ; aber es wäre ganz gewiß dadurch damals in dem Sahh- verhalt und an dem weiteren Verlauf nihts geändert worden. Durch das Anerkenntniß nun aber, das ih überzeugungsgemäß aus- gesprohen habe, daß die Verhandlungen und Erklärungen von 1870 Rechte niht begründet haben, konnte ich nicht gemeint sein, auszusprehen, daß jenen Erklärungen überhaupt niemals irgend eine Bedeutung innegewohnt habe. Ja, meine Herren, wir württembergische Bevollmächtigte haben uns damals gesagt und sagen dürfen: die Erklärungen find in entgegenkommender und beruhigender Weise abgegeben wosden; es war auch die Absicht, ent- gegenzukommen und zu beruhigen. Sie sind ausgegangen von einer Autorität, wie Delbrück eine damals gewesen is, er ist noch eine. (Heiterkeit.) Sie waren abgegeben im Zusammenhang mit dem doch sehr wichtigen Akt der Neubegründung der deutshen Ver- faffung, und es hat der Bundesrath des Norddeutschen Bundes es für angemessen gehalten, die Erklärung seiner Bevollmächtigten ausdrüdcklich gutzuheißen. Welher Werth nun aber, welhe Be- deutung, allerdings naÿh 23 Jahren, nach allem, was in dieser Zeit vorgegangen ist, beigemefsen werden fann und beigemefsen werden will den Erklärungen, die damals abgegeben wurden in Absicht auf einen Theil des feitdem nicht unberührt gebliebenen Getränk- besteuerungs\ystems, das hat und hatte die württembergishe Regie- rung nah der einfahen Darlegung des Sachverhalts lediglich abzu- warten. Nun aber der Entwurf einer Reihs-Weinsteuer vorliegt, fo möchte ih nur das eine Wort noh sagen: überrashen konnte es nah dem von mir Angeführten wohl niht, wenn die württembergische Regierung, obwohl sie von der Nothwendigkeit, neue Einnahmen für das Reich zu schaffen, durchdrungen ist, und obwohl fie auch den Wunsch theilt und tbeilen muß, eine {hüßzende finanzielle Auseinander- seßung zwischen Neih und Eirzelstaaten herbeigeführt zu schen wenn die württembergishe Regierung troßdem an den Bedenken, die sie in Absicht auf die Weinbesteuerung immer gehabt hat und die auch von anderen Seiten als gerechtfertigt anerkannt wurden, fest- gehalten hat. Meine Herren, die speziell hierauf bezüglihen württem- bergischen Verhältniffe haben sich nit gebessert, sie baben sch un- günstiger gestaltet: ungünstiger in Absicht auf den Staats- haushalt Württembergs, ungünstiger auch in Absicht auf die Lage unseres Weingärtnerstandes. (Hört, hört! links.) Dieser Bevölkerungsklafse, die hart arbeitet, aber genügsam ist, die nie verzagt, die aber infolge einer Reihe von Fehljahren nahhgerade an der Grenze der wirthschaftlichen Existenzmöglihkeit angelangt ist (hört, hört!) diefer Bevölkerungsklasse auch nur das geringste noch aufzulegen, was mit einer wirths{aftlihen Schädigung auch nur droben kann etwas Weiteres will ih niht sagen —, das kann in der gegenwärtigen Zeit keine württembergishe Regierung unternehmen. (Bravo! links.) Man würde das im Lande Württemberg angesichts der Halturg der württembergischen Regierung, die sie dieser Frage gegenüber \teis eingenommen hat, einfach nit verstehen.

Deswegen haben wir dem Gesetzentwurf, wenigstens in der Gestalt, in der er jeßt eingebraht is, im Bundesrath unsere Zustimmung nicht ertheilen können. i:

Gegen die Besteuerung des Schaumweins und des Kunstweins von seiten des Reichs hat auch die württembergishe Regierung nichts einzuwenden. (Lebhaftes Bravo links und aus der Mitte.)

Abg. Noeren (Zentr.): Ein Vergleih zwishen Wein, Bier und Branntwein, wie er hier gezogen worden ist, ist gar nit zulässig. Wein ist rein landwirthshaftlihes Produkt, Bier und Branntwein sind mehr gewerbliche Produïte, deren Herstellung unter ganz anderen Voraus- seßzungen und Bedingungen si vollzieht. Die vorgeschlagene Steuer wird unweigerlich auf den Winzer fallen. Der Winzerstand besteht aber in der Hauptsache aus kleinen, wirthschaftlich s{chwachen Ele- menten; es ift ein Grundirrthum der Vorlage, wenn sie davon aus- geht, daß die Weinbauer lauter kapitalkräftige, potente Leute seien. Die ganze Redlichkeit und Schlichtheit, der ganze fromme Sinn des Winzers gehört dazu, sich und die Seinen in den heutigen {lechten Zeiten überhaupt noch aufrecht zu erhalten; man soll sih hüten, diese shwere Situation des Winzers dur folhe Steuermaßregeln zu einer verzweifelten zu mahen. MNedner geht dann ausführlich auf die Kontrolmaßregeln der Vorlage ein, die thatsählich den größten Zweifel an der Behauptung der verbündeten Regterungen wachrufen

müssen, daß es fih hier um eine Maßnahme der ausgleihenden Gerechtigkeit handle: er bittet, die Vorlage einfach E Abg. von Kardorff (Np.) (zur Geschäftsordnung): Es ist ja wohl {on vorgekommen, daß Bundesrathsmitglieder hier gegen Vorlagen des Bundesraths gesprochen; die Art aber, wie der Bevoll- mächtigte für Württemberg hier so eben gesprochen hat, eröffnet eine so traurige Perspektive über die Zustände, wie sie sih jeßt im Bundesrathe eingeshlihen haben, daß ih, zumal diese Aeußerung in Abwesenheit des Reichskanzlers geschehen ist, hiermit die Vertagung beantrage, um dem Reichstag und den vêrbündeten Regierungen es zu geben, gegenüber dieser vollständig veränderten Sach- lage Stellung zu nehmen. Abg. Riert (fr. Ver.): Jh bin auch für die Vertagung der po! das Ungewöhnliche der Situation veranlaßt mich dazu. Ich muß gestehen, daß auch mich die Erklärung des württembergischen Minister-Präsidenten überrascht hat, daß die verbündeten Regierungen einem Versprehen, welhes Württemberg gegenüber gegeben ist, nit entsprohen haben. Dem Reichstag if es auch nit viel anders gegangen. Die Situation wird dadurch noch komplizierter und ih

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1894...

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laube, daß, nachdem die verbündeten Regierungen aus den dreitägigen Verhandlungen die E gewonnen Bake müssen, L N 1ch E U. ein ¿O D E E wird, die für die

orlage sein würden, dieselben sich werden die Frage v en müffen, ob es nit besser ist, diese Vorlage AtriEinzieben "Ms E

Königlich. württembergischer Bevollmächtigter zum Bundes- rath, Präsident des Staats - Ministeriums Dr. Freiherr von Mittnacht:

Der Herr Vorredner hat mich gänzlich mißverstanden. Ih habe gerade das Gegentheil bezüglich eines Versprechens gesagt. Der Herr Vorredner hat gehört oder glaubt gehört zu haben, daß ich erklärt hâtte, ein Versprehen, das der württembergishen Regierung im Jahre 1870 gegeben worden sei, sei nicht gehalten worden. Jh habe im Gegentheil gesagt: die Erklärungen von 1870 haben nah meiner Ueberzeugung keinen rechtlihen Snhalt (Zustimmung), und haben namentlich kein eigentlihes selbständiges Versprechen enthalten. Das habe ih gesagt, und das ift gerade das Gegentheil von dem, was der Herr Vorredner angeführt hat.

_ Abg. Gröber (Zentr.): Ich muß dem Abg. von Kardorff widersprehen. (Zustimmung.) Ein rechtlich bindendes Fe das gebrochen sei, ist, wie eben noch einmal fonstatiert, nit gegeben. Es handelt A letiglich vm einen Vorgang, wie er an sich nichts r: tas ihes enthält, daß eine Bundesregierung im Bundesrath überstimmt wird. Das kann im Bundesrath jeden Tag vorkommen, das muß sih jede Regierung jeden Tag gefallen lassen. Dem Vorgange ist niht eine fo große Bedeutung beizumessen, daß, wenn nun die überstimmte Regierung von ihrem“ Rechte Gebrauch macht und innerhalb der Plenarberathung ebenfalls ihren Standpunkt darlegt, nun der ganze Reichstag in ein Entseßen gerathen und sagen follte, das sei ein außergewöhnliher Vorgang, und daf nun der Reichstag sich sofort vertagt. Die württembergishe Regierung hat von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebcaud gemacht und wir unterstützen dieses Recht, wenn wir lediglih in der Berathung fort- E (Zustimmung.) Deshalb bitte ic, den Antrag abzulehnen.

__ Abg. Dr. E (nl.): Der württembergische Minister- Präsident Dr. Freiherr von Mittnaht hat nur in ao seines Imi en Rechtes gehandelt, wenn er hier Aufklärung über die Gründe gab, welche die württembergische Regierung veranlaßt haben, ihr Votum gegen diese Vorlage abzugeben. Jch erkenne auch niht den Gedanken des Abg. Rickert an, daß die württembergische Mng gegen die Vertreter und die M r iinder der NReichs- verfassung den Vorwurf hat erheben wollen: durch die Vorlegung eines Reichs - Weinsteuergesezes sci ein der württembergishen Re- gierung gegebenes Versprechen gebrohen worden. Jh halte es für nothwendig, daß dem Reichskanzler Gelegenheit geboten wird, fich hierzu zu äußern. Diefêr Gesichtspunkt ist es, dec mich und meine Freunde bewegt, dem Vertagungsantrag zuzustimmen.

__ Abg. Richter (fr. Volksp.): Wenn von seiten der Regierung, insbesondere des Schaßsekretärs, der Wunsh nah einer Vertagung ausgesprochen wird, so werde ih einem folchen Wunsche willfahren ganz ohne Prüfung, ob an fich nach meiner Ansicht die Sache berehtigt ist; denn ich bin der Meinung, daß man bei einer solchen Gelegenheit immer dem Wunsch eines NRegierungsvertreters auf Vertagung Rechnung tragen- muß. Wird ein folcher niht geäußert, fo haben wir gar feine Veranlassung, uns in diese Interna des Bundesraths einzumishen. Der württembergishe Minister-Präsident Dr. Freiherr von Mittnaht hat nur von einem verfassungs- mäßigen Recht Gebrauch gemacht, wie das schon früher bei anderen Gelegenheiten geshehen ist. Ich erinnere nur an den hessishen Minister-Präsidenten von Hofmann und an den Widerspru der preußischen Regierung, als es sich um die Verlegung des Ober- tribunals, des jeyigen Reichsgerichts, nah Leipzig handelte. Jch würde es für ganz falsch und nah außen ganz falsche Vorstellungen erweckend halten, wenn wir uns in diesem Augenblick vertagen wollten, wo ein Vertreter einer Regierung auch einmal eine selbständige An- siht hat. Jh wünschte, daß dies viel öfter vorkäme und in Deutsch- land ein gewisser Servilismus weniger Platz griffe, als es den An- schein hat; es handelt si hier keineswegs um etwas außergewöhn- lih Sensationelles, Wir haben daher keine Veranlassung, eine Vertagung eintreten zu lassen. Aber ih finde, daß es niht angebracht ist, nah einem folhen Widerspruh im Bundesrath, solche s{hlechten Steuergeseße einzubringen und nah einer folhen Diskussion noh aufrecht zu erhalten. Ih würde es erklärlih finden, wenn der Schatz- sefretair die Vertagung beantragen wollte, um die Vollmacht des Bundesraths dafür einzuholen, diese ganze Vorlage zurücßzuziehen.

Abg. Singer (Soz.): Was die Vertagung anlangt, so wider- sprehe auch ich dem Antrage des Abg. von Kardorff. Der Reichstag hat gar feine Veranlaffung, aus dem Umstande, daß niht mehr

Bundesrathsmitglieder bier find, als dasjenige, welches: ih wiederholt als den Vater und Vertreter dieser Vorlage gezeigt hat, in die Vertagung einzutreten. Die Begründung des Abg. von Kardorff ist geeignet, den allerlebhaftesten Protest hervorzurufen. Er hätte sich diese zum Vortheil des Landes ersparen können. Wir müssen diesen Vorgang des Widerspruchs innerhalb des Bundesraths gerade als einen Vorzug betraten gegenüber dem Verhältniß, wie es früber geherrscht hat, wo noch die eiserne Faust auf allen Bundesraths- mitgliedern gelegen hat. Wenn das, was Abg. von Kardorff will, in Deutschland zur Geltung käme, dann hätten wir keinen föderativen Staat mehr, dann wären die außerpreußishen Mitglieder des Bundesraths nur noch Statisten. Die Erklärung des Abg. von Kardorff zwingt den Reichstag, in seiner Berathung fortzufahren. Was die Regierung zu sagen hat, kann sie uns auch spâter mittheilen. Die Erklärung des württembergischen Minister-Präjidenten Dr. Freiherrn von Mittnaht war für keinen Menschen, der Zeitung liest, ein Ge- bheimniß. Aus dieser Ursache sich zu vertagen, halte ih des Reichstags für unwürdig und bitte in der Berathung fortzufahren.

Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky:

Der Herr Abg. Richter hat erklärt, er wäre bereit, einem Ver- tagungsantrag zuzustimmen, wenn der Reihs-Schaßzsekretär als der anwesende Vertreter des Bundesraths eine solhe Vertagung seiner- seits befürwortete. Meine Herren, ih gehe von der Ansicht aus, daß das eine Frage der inneren Geschäftsordnung des Reichstags ift, ob er sih vertagen will oder nicht; die Reichsregierung hat feine Ver- anlassung, sih für einen solhen Vertagungsantrag auszusprechen.

Es ift hier die Stellung der württembergishen Regierung heftig angegriffen worden. Ich muß demgegenüber erklären, daß die württembergishe Regierung durhaus loyal verfahren ist. Sie hat uns nicht darüber im Zweifel gelassen, daß ihr dieses Weinsteuergesetz niht sympathisch ist, und daß sie auch nit in der Lage sein würde, im Bundesrath für dieses Weinsteuergeseß zu stimmen.

Die Königlich württembergishe Regierung hat in diesem Fall doh nur von einem verfassungsmäßig ihr zustehenden Reht Gebrauch gemaht. (Sehr rihtig!)) So kann die Einigkeit innerhalb des Bundesraths nie sein, daß alle Beschlüsse im Bundesrath einstimmig

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