1894 / 21 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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E S E E E M brett neo: Wegs (mis prnn RITS T Un SECES A T R Ce

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Verkehrs-Auftalten.

Koblenz, 23. Januar, (W. T. B.) Das Personaltrajekt Bingerbrück—MRüdesheim wird morgen früh für die Tagesfahrt wieder eröffnet werden.

Theater und Musik.

Konzerte.

Der gestrige V 11. Symphonie-Abend der Königlichen Kapelle brachte als interefsanteste Programmnummer die Symphonie B-dur von Franz Schubert, die von der Königlichen Kapelle zum ersten Mal zu Gehör gebraht wurde, und in_den leßten Jahren au fon wohl von anderen berufenen Orchestern in Berlin niht ausgeführt worden ist.“ Diese alte Komposition bewegt sich fast völlig im Mozart’shen Stil und in Mozart'scher beiter-gefühlvoller Stimmung. Das Strenge und Ernste wird in den vier Säßen faum gestreift, aber der Reichthum an wohlthuenden elodien und ihre interessante orchestrale Bearbeitung, die uns Modernen bei dem Vorherrshen der Streichinstrumente und Holzbläser allerdings zuweilen etwas weich- lich erscheint, fesselt und ergögt den Hörer; namentlich zeichneten sich der erste und dritte Saß durch edle Klang- und rbhythmishe Wirkungen aus, die denn au den lebhaftesten Beifall fanden. Das Konzert wurde eingeleitet durch Webers Euryanthe - Ouvertüre, die unter der . trefflichen Leitung des wegen seiner Genesung von längerem Unwohlsein besonders berzliÞh begrüßten Kapellmeisters Weingartner in allen Feinheiten tadellos gespielt wurde; namentlih erfreute das geheimnißvolle Pianissimo durch die Zartheit und Vor- nehmheit der Ausführung. Diese Meisterschaft des Vortrages bewies die Königliche Kapelle auch bei der dritten Nummer des Programms, der Komarinskaja, einer Phantasie über zwei russishe Volks- lieder von M. J. Glinka, die - den Hörer durch ihren eigenartigen Rhythmus 1nd dur überrashende Klangwirkungen für sich einnimmt, aber ohne tiefere Wirkung auf Gemüth und Seele auszuüben. Den zweiten Theil des Konzerts füllten Beethoven?s dritte Leonoren-Ouvertüre und die ahte Symphonie, F-dur, aus, die weiteres Zeugniß gaben von der verständnißtiefen und eindringlichen Thätigkeit des Dirigenten. S

Der von früher hier bereits wohlbekannte Violinvirtuose Herr Emile Sauret, der nah längerem Aufenthalt im Auslande jeßt als Lehrer am Stern’shen Konservatorium fungiert, gab am Montag mit dem vom Professor Mannstädt geleiteten Philharmonischen Orchester in der Sing-Akademie ein Konzert, das ungemein zahlrei besuht war. Die vielseitigen vortrefflichen Eigenschaften scines Spiels waren sowohl in der unfehlbaren Ueberwindung aller technischen Schwierigkeiten, als auch in der zarten Tonerzeugung und in der bezaubernden Art seines Vortrags zu erkennen, die in dem beliebten Konzert von Moszkowski (op. 30), wie in dem kapriziöfen „Pibroch* (einer Suite in \{ottischem Volkston) von dem englischen Komponisten Maenzie zur Geltung kam. Ein mit allem Glanz der Virtuosität ausgestattetes Rondo capriccioso von Gaint-Saëns be- {loß seine künstlerishen Leistungen, denen raushender Beifall und E folgte. Das Orchester führte Beethoven's Ouvertüre zu „Prometheus“ und einige beliebte Piècen von Tschaikowsky und Berlioz mit großer Sicherheit und {chwungvollem Vortrag aus. S

An demselben Abend erschien im Saal Bechstein die junge Konzertsängerin Fräulein Jenny Rosa (Mezzosopran) zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum. Mit angenehmer, besonders in der Mittellage sehr wohblklingender Stimme begabt, die_in der Höhe durch fortgeseßzte Studien gewiß noch mehr Sicherheit er- langen wird, trug sie zwei Arien von Mozart und Marcello

t vom 24. Januar, Morgens.

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Mascagni. Text nah dem gleichnamigen Volks\tück von G. Verga. . [ Regisseur Teylaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Freitag: Zum 1. Male: Der Waffenshmied. Komische Oper in 3 Akten 4 A

von Albert Lorting.

vor, denen noch mehrere Lieder von Schubert, Brahms, Jensen und anderen folgten. Die Ausdrucksweise, die noh mitunter zu wünschen ließ, war wohl durch die Befangenheit bei dem ersten Auftreten etwas beeinflußt. Der Violinist Herr Dff N Schnirlin, der das Konzert Ee erfreute dur den fehr gelungenen Vortrag einiger Violin- aag F m sowobl wie der Konzertgeberin wurde lebhafter Beifall zu thei

Gestern gab die Altistin Fräulein Alma Schmidt aus Bremen im Saal Bechstein ihr erstes eigenes Konzert. Die Stimme ist vom tiefen G bis zum zweigestrihenen F durhweg fehr wobhlklingend und gleihmäßig leiht ansprehend, auch ist der Vortrag, besonders der der ernsteren Lieder, ein warm empfin- dender: Schubert's „Lindenbaum“ - und die i „Die Haide is braun“ von Franz und „Es blinkt der Thau“ von Rubinstein sind besonders lobend hervorzuheben. Eine fehr willkommene Abwechselung boten die Klaviervorträge der aus der Schule Franz Kullak's hervorgegangenen Pianistin Fräulein Martha Hornig, deren tehnishe Fertigkeit und feine Swatlirimgsiweise in der leßten Zeit auch in erfreulicher Weise fort- geschritten ist. Das zarte Pianissimo in Chopin's „Berceuse“, wie das stets ohne Härte erklingende Forte in der XI[1. Rhapfodie von Liszt gaben hiervon Zeugniß. Beiden Künstlerinnen wurde reicher und wohlverdienter Beifall zu theil.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Mascagni's „Cavalleria rusticana“ und Lorßing’'s „Waffenshmied“ mit Herrn Bulß in der Titelrolle gegeben.

Im KöniglichenSchauspielhause geht morgen Shakespeare's „Sommernachtstraum“ mit Mendelssohn's Musik in Scene.

Josef Kainz, dessen kontraktlicher vierwöchiger Urlaub in den nächsten Tagen zu Ende geht, wird am Montag im Deutschen Theater zum ersten Mal nah seiner Nückkehr wicder auftreten. Es findet an diesem Abend eine Wiederaufnahme des Grillparzer’schen Trauerspiels „Die Jüdin von Toledo“ statt, in welhem der Künstler die Rolle des König Alfons spielt. : S i

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrih, Seine Durchlaucht der Prinz und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin zu Schaumburg-Lippe wohnten gestern Abend im Berliner Theater der Aufführung des Wichert’shen Schauspiels „Aus eigenem Recht“ bei. Die Abend- vorstellung am Sonnabend beginnt erst um 7s Uhr wegen der am Nachmittaa aus Anlaß des Kaiserlihen Geburtstages statt- findenden Schülervorstellung, in welcher ebenfalis das Schauspiel „Aus eigenem Recht“ nebst Fest-Prolog zur Darstellung gelangen.

Morgen gelangt im Res idenz-Thea ter vor dem Valabrègue- \chen Schwank „Der Mustergatte“ der Einakter „Lolotte“ von Meilhac und Halévy, in deutsher Bearbeitung von Josef Grünstein, p MIEIETO. Die Lolotte wird von Fräulein Ella Gabri dar- gestellt. : /

Ende dieses Monats {hon begiebt sih das fue Balletperfonal des Theaters Unter den Linten und mit ihm _auch die Prima Ballerina Signorina Elia und der erste Tänzer Signor Poggiolesi zu einem Gastspiel nah Wien. Die Aufführungen von „Brahma“ mit dem Mailänder Gast Signor Francioli erleiden somit {on nach kurzer Zeit eine Unterbrechung. ;

Montag, den - 29. Januar, Abends 74 Uhr, findet in der Parochial-Kirche, Klosterstraße, zum Besten des seit mehreren Fahren erblindeten Familienvaters Hermann Werth, ein Konzert ftatt, unter gütiger Mitwirkung der Damen Fräulein Elsbeth Maneke (Sopran), reen Anna Grasnick (Violine), des Königlichen Kammermusikers Herrn Friß Maneke (Cello), des Organisten Herrn Adolf Friedrih und des Berliner Männer-Gesangvereins unter Leitung

In Scene geseßt vom Ober- | Almásy Tihamer.

ften von Else v. Schabelsfy.

„Krähe“ sowie.

her: Nach zwei Jahreu. Lustspiel in 1 Akt von | Oceana Renz;

feines Dirigenten Herrn Otto Schmidt. Billets zu 1 Æ sind zu baben in der Hof-Musikalienhandlung von Bote u. Bock, Leipziger- straße 37, und ani Konzertabend am Eingang der Kirche.

. Mannigfaltiges.

Dem Geheimen Regierungs-Nath Professor Dr. Eduard Zeller hat nah dem „Berl. Frd. Bl.“ gestern auch die Studentenschaft der hiesigen Universität eine Ovation zu seinem achtzigsten Geburtêtage dargebracht. Der Hörsaal, welcher bis auf den leßten Plaß gefüllt war, zeigte gärtnerischen Schmuck, und das Katheder war mit Ge- winden und Blumen dekoriert. Als Professor Zeller um 114 Uhr eintrat, wurde er nah studentisher Sitte begrüßt. Während er die Vorlesung hon beginnen wollte, erhob sich ein Kommilitone, um dem verehrten Lehrer die herzliden Wünsche der Corona auszusprechen. Aus der Erwiderung des Gelehrten klang aufrihtige Rührung hervor. Er dankte seinen Hörern für den überrashenden und ergreifenden Aus- druck einer Anhänglichkeit und eines Wohlwollens, die er allerdings in seiner fangen Dozentenlaufbahn das Glück gehabt habe, viel- fah zu finden, und fuhr dann fort: „Ih kann auch heute nur erklären, daß ich auh ferner bemüht sein werde, diefes Wohlwollen zu verdienen, indem ih Ihnen das Beste gebe, was ih zu geben vermag, und das ist, daß wir dana streben, mit Ernst und rastloser Arbeit in das Reih der Wahrheit einzu- dringen und die gewonnene Erkenntniß Allen gegenüber maßvoll, aber furtlos zu vertreten. Nochmals innigsten Dank!“ Hierauf nahm die Vorlesung ihren gewohnten Fortgang.

Cerseburg. In der leßten Zeit haben in der Provinz Sachscn viele neue oder von Grund aus restaurierte Kirchen eingeweiht werden können, unter welchen als besonders {ön oder historish denk- würdig hervorzuheben sind die Ulrichs-Kirhe zu Sangerhausen, für welche sich Seine Majestät der Hochselige Kaiser Friedri III. viele Jahre lang auf das lebhafteste interessiert hat, die uralte Kirche zu Nheinsdorf a. Unstrut bei Nebra, die Johannis-Kirche in Halle, die Stephans-Kirche zu Halle, die Kirche inRothenschirmbach bei Eisleben und endlich die Kirche zu Annarode im Harz.

New-York, 22. Januar. Eine Feuersbrunst hat nach einem Telegramm des „R. B.“ das Städthen Jeremie auf Hayti fast gänzlich eingeäschert. Die Bauern kamen vom Lande herein und raubten alles, was von den Flammen noch nit verzehrt worden war. Die Einwohner der Stadt wehrten \sih dagegen, so gut fie konnten. Es fam zu blutigen Auftritten, und eine ganze Anzahl Personen wurde getödtet. Mittlerweile wüthete das Feuer immer weiter, ohne daß ihm Einhalt gethan wurde.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

St. Petersburg, 24. Januar. (W. T. B) Der Kaiser empfing, wie der „Regierungsbote“ meldet, gestern im Winterpalais den englishen Botschafter Henry Howard, welcher sein Beglaubigungsschreiben überreihte. Der Kaiser und die Kaiserin nahmen gestern im Winterpalais die Neujahrs-Glückwünsche des diplomatishen Korps entgegen.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

die großen Tremplinsprünge über 10 Pferde; der urkomishe Imitator Clown Mr.

Gisela. Schauspiel in | Ybbs; die Akrobaten auf dem Telephondraht Zalva, Anfang 7F Uhr.

Espana und Alvar; die musikalischen Clowns Gebr. Krasuki 2c.

vom Dienstag berichtet worden.

Stationen. Wind. Wetter.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres\p red. in Millim. Temperatur in 9 Celsius 59C.= 49R,

bedeckt bedeckt Schnee bedeckt | bedeckt | Nebel ¡—2 Schnee

wolkig

bededt wolkenlos | wolkenlos | beiter!) heiter heiter?) wolkig | bededt wolkenlos | —3 heiter | —1 wollig?)) | 1 bede) 2

Belmullet . | 757 |SW Aberdeen 7592 |S Christiansund | 754 [WSW Kopenhagen . | 755 |WNW Stockholm . | 749 |NNW paranda . 1453| t. Petersbg. | 744 |SSW Moskau . . | 7566 |SSW Cork, Queens- | town .. . | 764 |[WSW Cherbourg . | 768 |WNW Der. 1 06 [29 Es 761 |N mburg . . | 762 [WSW winemünde | 758 |W Neufahrwasser| 756 |WSW Memel .…. | 752 |WSW

Dare C 708 S mster... 764 \WSW Karlsruhe . . | 767 |SW Wiesbaden . | 766 be; München . . | 765 E | Chemniß . . | 769 Schnee | —1 Berlin [C02 wolfenl.®) 0 in ....| (02 Schnee | —1 Breslau . | 761 2E L Ale D'AL. .| (07 3/wolkenlos | 8 e 00 stilShnee | 8

1) Nachts Schnee. 2) Nachmittags Regen, Nachts Reif. 3) Reif. #) Gestern Regen, Nachts Spur- nee. 5) Nachts Schnee. ©®) Mittags Regen.

Uebersicht der Witterung. i

Die Theildepression, welche gestern über Frankreich lag, hat einem Hochdruckgebiete Plaß gemacht, unter defien Einfluß die Temperatur über der Westhälfte Zentral-Europas erheblich herabgegangen ift, vielfa unter dem Gefrierpunkt, während in den östlichen Gebietstheilen die milde Witterung noch fortdauert. Ein neues Minimum is nördlich von Schottland erschienen und hat seinen Einfluß über die Britischen Inseln bereits ausgedehnt, wo die Temperatur fast überall gestiegen ift; auf den Hebriden ift es um 10 Grad wärmer als vor 24 Stunden. In Deutsch- land ift bei meist s{chwachen, vorwiegend westlichen und nordwestlihen Winden das Wetter im Westen vielfa heiter, im Osten trübe; vielfa ist Nieder- lag gefallen. Die Abkühlung, welche seit gestern in Deutschland eingetreten ist, dürfte nur etne kurz vorübergehende fein und demnächst wieder Erwärmung

folgen. Deutsche Seewarte. E A E A E L E OSLIE L B E ZIRT C E IL E” A G A Theater - Anzeigen,

Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern- haus. 23. Vorstellung. Cavalleria rasticana (Bauern-Ehre). Oper in 1 Aufzug von Pietro

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Dirigent: Musik - Direktor Wegener.

Schauspielhaus. 25. Vorstellung. Ein Sommer- nahtstraum von William Shakespeare, überseßt von August Wilhelm von Schlegel. Musik von gen Mendels\ohn-Bartholdy. Lanz von Emil Sraeb. In Scene R von Ober-Regisseur Mar Gu, Dirigent : Musikdirektor Weinmann. Anfang i

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Freitag: Opernhaus. 24. Vorstellung. Martha. Romanti\h-komishe Oper in 4 Akten von Friedri von Flotow. Text (theilweise nah dem Plan des St. Georges) von Wilbelm Friedrich. (Lyonel : Herr Emil Götze, Königl. Kammersänger, als Gast.)

1 Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 26. Borsiellung, Schiller: Cvelus, 10. Abend. Wilhelm Tell. chauspiel in 5 Auf- zügen von Friedrih von Schiller. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Donnerstag : Der Ta- lisman.

Freitag: Der Herr Senator.

Sonnabend: Prolog. Der Herr Senator.

Die nächste Aufführung von Die Jüdin von Toledo findet am Montag, 29. Januar, statt.

Berliner Theater. Donnerstag: Aus eignem Recht. Anfang 7 Uhr. Freitag: 22. Äbonnementsvorstellung. Das Recht

auf Glück. onnabend, Abends 74 Uhr: Prolog. Anus

eignem Recht.

Lessing-Theater. Donnerstag und folg. Tage: Madame Saus-Gêue. (Zweites Parquet 3 6).

Wallner-Theater.

blümchen. Sonntag : Mauerblümchen.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. Chauffseestraße 25.

Donnerstag: Der Lieutenant zur See. Operette in 3 Akten (na einer älteren Idee) von E. Schlack und L. Herrmann. Musik von Louis Roth. In Scene gesezt von Julius Frißshe. Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr.

Freitag: Der Lieuteuant zur See.

Refsidenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Donnerstag: Z. 32. Male: Der Mustergatte. (Le premier mari de France.) Cchwank in 3 Akten von Albin Valabrègue. Vorher: Zum 1. Male: Lolotte. Lustsviel in 1 Aft von Meilhac und Halévy. Anfang 7# Uhr. i

Freitag und folgende Tage: Dieselbe Vor- stellung.

Neues Theater. Siffbauerdamm 3—5. Direktion: Sigmund Lautenburg. Donnerstag: Flattersuht (La Papillonne).

Sonnabend: Mauer-

Lustspiel in 3 Akten von Victorien Sardou. Vor-

Donnerstag: Mit vollständig neuer Ausstattung, vorlezte Woche: Die Kinder des Kapitän Graut. Ausstattungs\tück mit großem Ballet in 12 Bildern. Anfang 74 Uhr. E : Sonntag: 3 Uhr Nachmittags, ermäßigte Preise ; Lumpaci vagabundus, oder: Das licderliche Kleeblatt. Posse mit Gesang und Ballet în 6 Bildern.

Theater Unter den Linden. Donnerstag: Salon Pitzelberger. Operette von I. Offenbach. Be Brahma. Ausstattungs-Ballet. Anfang 1 Uhr.

Sonnabend: Zum 1. Male: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von M. West und L. Held. Musik von Carl Zeller.

Adolph Ernst-Theater. Donnerstag: Zum 129. Male: Charlcy’s Taute. S{chwank in 3 Akten von Brandon Thomas. Vorher: Die Bajazzi. Parovinie Sone mit Gesang in 1 Aft von Ed. Jacobson und Benno Jacobfon. In Scene gesest von Adolph Ernst. Anfang 7# Uhr.

Freitag: Charley’s Tante. Die Bajazzi.

Bentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30.

Donnerstag: Ein toller Einfall. Sch{chwank in 4 Akten von Carl Laufs. Hierauf: Zum 33. Male: Berlin 1893. Revue in 2 Abtheilungen von L. Leipziger. Anfang der Vorstellung 7 Uhr, der Revue 94 Ubr. :

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Konzerte.

Sing-Akademie. Donnerstag, Anfang 74 Uhr: ITT. Quartett-Abend. I1. Cyclus. Joachim, Kruse, Wirth, Hausmann.

Saal Bechstein. Donnerstag, Anfang 7# Uhr: Konzert von Helene Schröder (Gesang) und Georg Buddeus (Klavier).

Konzert-Haus. Donnerstag: Karl Meyder- Konzert. Gesellschafts-Abend.

Dienstag, 6. Februar (Fastnaht): Gr. Fast- nahts-Feier unter Leitung des Kgl. Hofschauspieler a. D. Herrn Paul Dehnike.

Pirkus Renz (Karlstraße). Donnerstag, Abends

7x Uhr: E Ein Künstlerfest. “Fs Vollständig neue Ausftattung, neue Einlagen. U. a. Signorina Varotti, die kleinste Solotänzerin der Welt. Außerdem : 4 arabische Vollblut-Schimmel- hengste als Fahnenpferde, vorgeführt vom Direktor

ge Renz; Kandelaber, geritten von Herrn Ernst enz; Cromwell, in der b, hen Sule ger. von Fr.

Viktoria-Theater. Belle - Alliancestraße 7/8. |

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Preise wie gewöhnlich.

Freitag: Ein Künstlerfest.

Sonnabend (Kaisers Geburtstag) : Parade-Fest- Vorstellung.

Familien-Nachrichten.

[62391] N a ch L uf

der Akademie des Bauwesens.

Am 21. d. Mts. entshlief zu Breslau nah karzem, aber s{chwerem Leiden unser Mitglied der Königliche Geheime Baurath

Herr Carl Lüdecke

im 68. Lebensjahre. E

Der Verstorbene gehörte der Akademie seit ihrer Gründung im Jahre 1880 als außerordentliches Mitglied der Abtheilung für den Hochbau an und hat den Arbeiten und Sitzungen des Kollegiums, obglei er nicht in Berlin wohnte, stets die regste und eifrigste Theilnahme gewidmet. Reiche praktische Erfahrung auf allen Gebieten der Baukunst, künst- lerishe Begabung und reifes Urtheil haben ihn zu diesem Wirken in hervorragendem Maße befähigt, ebenso sehr aber auch fein liebers8werther, lauterer Charakter, der in seinem Urtheil stets Milde mit strenger Sachlichkeit zu paaren wußte. Uns Allen, die wir ihn in lebendigem Zusammenwirken gekannt baben, wird sein Andenken stets in Ehren bleiben.

Berlin, den 23. Januar 1894.

Königliche Akademie des Bauwesens.

Verlobt: Frl. Hedwig Severin mit Hrn. ordent- lichen Lehrer PNA Fischer (Berlin). i Verehelicht: Hr. Joahim Graf von Schwerin mit Frl. Martha von Holtendorff (Berlin). Hr. Regierungs-Rath Friß Buchholz mit Frl. Paula Jüngermann (Aae, ;

Geboren: Eia Sohn: Hrn. Landrichter Dr. Viezens (Berlin). Hrn. Rittergutsbefißer Menzel (Dom. Ober-Wilkau). Eine Tochter: (rut R der - Nath Richard Rosenow (Berlin).

Gestorben: Fr. Ulrike von Versen, geb. von Manteuffel (Nemrin). Hr. Fern Reichs- araf Gaschin Edler von Rosenberg (Rochus bei Neisse). Hr. Oberst a. D. August Frhr. von Kirhbah (Mainz). Verw. Fr. Geh. ath Klara Lehmann, geb. Knappe (Berlin).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: ——— Verlag der Expedition (Scholz).

ODruck der Norddeutschen Buhdruckerei und Verlag8- Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Fünf Beilagen (einsließlich Börsen-Beilage).

V 21.

| Erste Beil-age | : zum Deusschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1894.

Berlin, Mittwoch, den 24. Januar

Deutscher Reichstag. » 383. Sigung vom Dienstag, 23. Januar, 1 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer Die schon erwähnte Rede des Abg. Dr. Kropatscheck (dkons.), mit welcher die Fort- seßung der Berathung über die Nöthstands-Jnter- pellation der Abgg. Auer u. Gen. eröffnet wurde, hat fol- genden Jnhalt:

Er habe am Montag den Abg. Bebel mehrmals unterbrochen, da der zweite Theil seiner Nede im Widerspruch mit dem ersten ge- standen habe. Im zweiten Theil habe der Abg. Bebel cin wahres Schauergemälde von den bestehenden Zuständen entworfen, eine wirk- lihe Gespensterfurcht entwidelt; er sei wie von immerwährender Angst vor Agents provocateurs und Polizeianshlägen geshüttelt erschienen. Irgendwele Fehler kämen bei der Polizei gewiß vor, aber damit eine ewige Polizeiverschwörung zu begründen und jeden weiteren Beweis bis auf die wunderbare Unterhaltung der beiden Offiziere dafür {uldig zu bleiben, darüber müsse man bxi einem so flugen, klaren und nühternen Kopf, wie es der Abg. Bebel sei, doch erstaunt fein. Es sei ja nicht einmal neu, immer die Rexolution dur die Polizei provozieren zu lassen; es sei das eine alte Geschichte, mit der man nur fleine Kinder graulißh machen könne. Daß die Sozialdemokraten so besonders muthvoll den Anarchisten entgegen- treten, habe man bisher niht bemerken können; Borsicht sei jedenfalls bisher der bessere und größere Theil diefes Muths gewesen. An- archismus und Sozialismus seien zwei ganz verschiedene Dinge; aber der staatenlose Zustand des Anarchismus und der fozialdemotratische Zustand hätten dieselbe Vorausseßung, daß es in der neuen Welt au ganz neue, sündenlose Menschew geben werde. Daran könne man nit glauben ; ohne Hilfe des Christenthums werde man keine neuen Männer ohne Selbstsucht erlangen, wie hoh auch die Bildung steigen mag! Anarchisten wie Sozialisten thäten genau dasselbe, sie predigen un- ausgeseßt Unzufriedenheit und Klafsenhaß. Nach 1874 hat der Abg. Liebkneht in ciner Broschüre direkt ausgesprochen, die Frage des Soziali8mus werde auf dem Schlachtfelde gelöst werden: heute, wo die Partei sih „gemausert*" hätte, komme sie mit solchen Redens- arten nit mehr. Die heutigen Anarchisten aber feien der alten Auf- fassung treu geblieben. Marat und Robespierre waren auh zwei Männer ganz entgegengeseßter Richtung, aber im Blutvergießen haben sie um die Palme gewetteifert. Wenn die Sozialdemokraten auch auf die Anarchisten shimpfen, sie empfinden doch eine Art Konkurrenz- neid, fie machen ihnen ihre Volksversammlungen nach. Jn den Zusammenstellungen über die Strafen, welhe unter dem neuen Kurs gegen die sozialdemokratishen Führer in Presse u. f. w. erkannt worden find, werden die gegen Anarchisten verhängten Strafen gewissenhaft mitaufgeführt. Cine Arbeitslosenstatistik sei um so schwieriger, als zu den beiden {wer auseinander zu haltenden Kate- gorien der Arbeitslosen und Arbeitssheuen noch eine dritte sehr große Kategorie hinzukomme: derer, welche niht arbeiten fönnen, d. h. ar- beiten niht gelernt haben, welhe niht qualifizierte Arbeiter sind. Die Arbeitslosigkeit werde zunächst nicht abnehmen, sondern in dem- selben Maße zunehmen, wie die Großindustrie sich weiter ent- wickele. Man könne nun zwar nicht die Großindustrie aufheben, aber man dürfe au nichts thun, um thre Entwickelung zu befchleunigen, wie es u. a. durch den russishen Handelsvertrag ge|chchen würde. Es sei doch ein abgethaner manchesterlich - freifinniger Standpunkt, der die Landwirthschaft als eine überwundene Periode, als ein ab- sterbendes Wesen betrahte, und die Abgg. Nickert und Richter hätten in dieser Beziehung die Situation gleihmäßig falsch beurtheilt. Es sei niht eiufach damit abgethan, daß an die Stelle des alten Grund- besißers ein neuer trete. Mit dem alten gehe ein ganz hervorragen- des Kapital an Autorität und monarchischWer Gesinnung von der Scholle fort. Die heutigen Zustände in Italien erklärten sich vor allem daraus, daß man dort mit dem Körnerbau längst aufgehört habe. Welche furhtbare Schädigung würde für unsere aus- wärtige Stellung, für unser Militärwesen aus der Depofsedirung der Landwirthschaft entstehen! Wenn die ländlihe Bevölkerung erst ganz in die Stätte gezogen is, werden in der Stadt die Löbne so gedrüdt, daß eine Umwälzung unausbleiblich ist. Dann wird die zuverlässige Armee fehlen, dann ist*nur noch eine Masse da, der man nicht mehr gewachsen ist; dann werden Sie obenauf sein. Vorschläge zur Abhilfe seien von den Interpellanten niht gemacht worden, jedenfalls kein einziger, welcher der augenblicklihen Noth steuern fönnte. Die Vorschläge auf Kolonisation der Lüneburger Haide seien wohl nit ganz ernst gemeint ; diese Lüneburger Haide enthalte Land- strie, die an Schönheit und ielt des Bodens ihres Gleichen uen Die Sozialdemokraten aber warnen doch vor der ländlichen Arbeit, und nun wollen sie die Arbeiter doch in die Haide bringen. Das Verlangen großer Bauten 2c. erfordere do auch große Mittel, von derenBe- willigung Tieccigra aber die Interpellanten. Die Sonntagsruhe sei leider in den gewerblihen Betrieben noch nicht durchgeführt ; aber die strikteste Durfikena würde nit einem einzigen Arbeiter zur Mehr- einstellung verhelfen. Wenn der Abg. Bebel sich auf die „Kreuz- Zeitung“ berufe, so habe er den Artikel des englischen Korrespondenten E tanden, dessen Schlußsatz selbstverständlih tironish gemeint ge- wesen sei. An und für sich halt Nedner den ahtstündigen Arbeits- tag weder für unmöglih, noch für unbedingt s{ädlich; in England werde man vielleiht in der That jezt s{chon mit acht Stunden fertig; aber in Deutschland sei seine Einführung für jeßt unmöglich. Wenn in ‘acht Stunden genau so viel gearbeitet werde, wie jeßt in zehn Stunden, wozu follte dann die Industrie au nur einen einzigen neuen Arbeiter einstellen? Wenn diese Vor- aussezung aber unrichtig sei, dann würde man wohl mehr Arbeiter einstellen können; aber das würde wieder auf den Lohn drüdcken und der Vortheil für die Arbeiterklasse wieder verschwinden. Die Klagen über die Ersparnißpolitik der preußischen Eisenbahnverwaltung würden berechtigt sein, wenn diese Politik auf Kosten der Arbeiter und unteren Beamten geiens, Wo soll aber das Geld herkommen für die Mehr- kosten, welche die Erfüllung der Wünsche der Interpellanten in dieser Beziehung erfordern würde? Im Laufe der Jahre werden die Anforderungen an den Staat immer größer und in- folge dessen die Steuern immer höher werden, gegen diese Thesen läßt #sch Vernünftiges niht einwenden. as Ver- langen eines Arbeitsnahweises sei berehtigt, aber von Reichs- und Staatswegen lasse sich das nicht mahen. Das sei wohl im Zukunfts- staat möglich, da könne es wohl vorkommen, daß, wenn bei einem Chau eebau einige Steinklopfer fehlen, die Spißen dieses Zukunfts- Gesellshaftsstaats einfah dekretiren: Die Genossen Bebel und Kropatscheck haben sich dieser Arbeit zu unterziehen. Ein Dirigieren von brotlos gewordenen Arbeitern durh das ganze Reich von Behörde wegen sei eine Utopie, denn ein folhes Unternehmen würde einen Sturm der Entrüstung im ganzen Lande hervorrufen. Der Abg. Bebel habe also nichts vorgeschlagen, was wie eine positive Abhilfe aussieht. Auh habe seine Partei in dieser Bezichung nihts gethan. Jede Diakonissin, jede barmherzige Schwester, welhe in das Haus eines Arbeitslofen geht, um dort Hilfe zu bringen, habe für die Arbeitslosen hundertmal mehr gethan als die ganze fozialdemokratisce Partei. Die Kathedersozialijten seien nicht mits{chuldig an der fozial- demofrati)chen Entwickelung, wie der Abg. Freiherr von Stumm glaube, Auffällig seien aber einige An eiden, daß die Sozialdemo- kratie sich nit mehr so sicher fühle in ihrem Kosmopolitismus

wie bisher. In der Wahlbewegung habe fie wiederholt die Fahne der Internationalität in die Tasche geîteckt ; habe vom deutschen Vaterland, von fi als staatéerbaltendem Element gesprohen. Der Abg. Liebknecht babe mit Unrect wegwerfend von dem fozialen Königthum gesprochen. Die_ Monarchie sei Ferave heute in erster Linie berufen, soziale Schäden zu heilen. Die „Kreuz-Zeitung“ habe nicht Sehnsuht nah einem neuen Sozialistengesetz gezeigt; fie habe seinerzeit sogar die Aufhebung als wünschenswerth und nothwendig bezeichnet. Die Mon- archie allein könne die Arbeiter hüten, sie könne dieses warme Herz aber nur haben, wenn sie unter der Devise des Christenthums diese

* Aufgabe zu_löfen vexsuche.

__ Abg. Singer (Soz.): Der Anarhismus is eine Weltanshauung, die wir niht theilen, die aber das Ret hat, weil sie existiert, für ihre Anschauungen zu kämpfen. Wir wollen dem Anarchismus nichk mit der Polizei das Lebenslicht ausblafen, sondern ihn durch die Ver- wirklihung der fozialdemokfratischen Ideen bekämpfen. Unser Stand- punkt gegen den Anarchismus ift stets derselbe gewesen, wie heute. Wir fürhten auch die Anarchisten niht, wir wenden uns gegen die Haltung der Polizei am vorigen Donnerstag, weil wir nicht wünschen können, daß auch nur einem Bürger solhe Brutalitäten seitens der Polizei zugefügt werden. Natürlich wünscht der Vor- redner mit seinen Freunden, uns möglichst mit den Anarchisten in einen Topf zu werfen, da seine Partei sehnlichst hoffe, daß bei Gewaltakten und Gefeßeshandlungen gegen die Anarchisten auch die fo sehr gefürhtete Sozialdemokratie etwas ab- bekommen wird. Nah dem Abg. Dr. Kropatsheck is die Sozial- demokratie {uld an der Zunahme der Arbeitslosigkeit, weil sie die Vermehrung der geshulten Arbeiter verhindere und unmöglih mache. Die jungen Leute gehen einfach in die Fabrik, weil das Geld, was sie dort verdienen, zum Unterhalt der Familie nothwendig gebraucht wird. Das heutige Handwerkerthum is ja auch nichts weiter mehr als Theilarbeiter für den Großbetrieb der Fabrik, wie jeder Blick in die Tischlerei, Sclosserei, Schneiderei u. \. f. lehrt. Die Ver- kürzung der Arbeitszeit der beshäftigten Arbeiter von zehn, elf, zwölf auf aht Stunden muß doch auf jeden Fall eine Mehreinstellung von unbeschäftigten Arbeitern zur Folge haben. Die Forderung des Arbeitsnahweises von Reichswegen wird von uns nit \o ge- dacht, wie der konservative Redner es darstellt, als eine rein meha- nish-polizeilihe Maßregel, wo fo und fo viel Arbeiter einfa durch die Polizei auf den Schub gebraht werden. Daß wir keine Ein- richtungen wünschen, welche den Polizeistaat wollen, könnte doch au hon jenen Herren bekannt sein. Wenn der Abg. Dr. Kropatscheck wünscht, daß die Sozialdemokratie die Arbeitsnachweise der Arbeiter unterstüßen soll, so hat er offenbar {on ganz vergessen, was hier im Reichstag lang und breit über die Arbeitêsnahweisfrage bei Ge- legenheit der Besprehung des Arbeitgeberverbandes der Metall- industriellen in Berlin verhandelt worden ist; er hat ver- gessen, daß die Arbeitsnahweise der Arbeiter von den Unter- nehmern auf das grimmigste bekämpft werden, und daß eine Reihe von Strikes diesec Arbeitsnahweisfrage ihre Entstehung verdanken. In der Sozialdemokratie hat sih die große Mehrheit {on längst in den freiwilligen Diakonissendienst ge- stellt, der in der bürgerlichen Gesellschaft zu den Ausnahmen gehört. Wer hat denn in Hamburg bei der großen Choleraepidemie Leib und Leben in den Dienst der Barmherzigkeit gestellt? Waren es nicht die Arbeiter, während die Bourgeoisie den Staub von den Füßen schüttelte und in den Seebädern den Ausgang erwartete? In dieser Beziehung haben also’ die Herren rechts alle Ursache, fein säuberlih stille zu sein. Wenn jeder bei sih bessern soll, so möge doch der Staatssekretär damit in seinem Ressort anfangen, indem er die gescßgeberishen Maßnahmen, die vorbereitet werden, endlich ordentli in Fluß bringt. Auch in den Ministerhotels könnte nah diesem Grundsatz gehandelt werden, den der Staatssekretär doch wohl nicht bloß für uns proflamirt hat. Er hat niht mehr so s{chwarz gemalt wie im vorigen Jahre, aber vielleiht bewog ihn dazu die Rücksicht auf seine Kollegen, die die neuen Steuervorlagen- hier durhseßen sollen. In der Stempelkommission sahen sih der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky und der preußishe Finanz-Minister Dr. Miquel

ezwungen, zuzugeben, daß ein Mgewener geshäftliher Nückgang vor- anden ift, daß die Erträge der Börsensteuer abnehmen nit wegen der bestehenden oder geplanten Besteuerung, sondern weil eben die Konjunktur immer s{chlechter wird. Wenn die Zuckerindustrie floriert, so wird man doch die Zuckerprämien nicht weiter vershleudern wollen, wie das erst jüngst wieder in Aussicht gestellt wurde! Ein großer Theil der Arbeitgeber soll mit {weren Opfern bemüht sein, die Löhne zu halten und die Arbeiter zu erhalten. In den Berichten der Fabrikinspektoren findet man davon nichts, und der Staatssekretär Dr. von Boetticher hat keine Beweise-angeführt, während die National- liberalen und Freisinnigen. ausdrücklich zugegeben haben, daß die Tabad- steuer Arbeiterentlassungen im großen aßstabe zur Folge haben würde. Eine Arbeitslofenstatistik hatten wir bereits in unserem Ar- beiterschuß-Gesetzentwurf als Aufgabe der Arbeitsämter vorgesehen und wir werden diese Forderung auch weiter vertreten. Professor Heckner hat im „Sozialpolitischen Zentralblatt" in einem trefflichen Artikel ganz denselben Standpunkt vertreten, daß mit einem organi- sirten Arbeitsnachweis auch die Arbeitélosenstatistik gegeben sei. Der Regierung helfen wollen wir bei sozialen Reformen, aber nur dann wenn wir das Interesse der Arbeiterklasse genügend anerkannt sehen, nicht solhe Reformen wie die bisherigen, die dem Arbeiter zu viel zumuthen, aber zu wenig gewähren. Die Vermehrung der Sparkassen- einlagen beweist für eine etwa eingetretene Verbesserung der Lage des Arbeiterstandes nicht das Geringste, die Interessenten der Sparkassén sind nicht die Arbeiter, sondern die Kleingewerbetreibenden, die kleinen Beamten u. st| w. Nach dem Bericht des Berliner Magistrats hat das Steuereinziehungsgeshäft in Berlin“ sich viel {wieriger gestellt als bisher: die Reste seien stärker geworden, die Summen der uneinziehbaren Beträge seien ebenso gestiegen. Für Armenzwecke find in Berlin 1892/93 mehr gegen 1891/92 ausgegeben worden 800 000 Æ4; der Armen-Etat des laufenden Jahres wird gegen das vorige Jahr über eine halbe Million Mark mehr brauchen. Am fühlbarsten allerdings tritt der Nothstand, das geben wir zu, in den Großstädten auf. Aber das ist doch nur natür- lich; die Großstädte sind die Brennpunkte des wirthschaftlichen Lebens. Helfen Sie den Nothstand beseitigen, dann if “es uns egal, welche Grenze Sie ihm ziehen! Die auffallende Geschihtez welhe der Staatssekretär aus Hamburg berichtete, ist in der Zeit der Cholera- epidemie passiert; wie konnte man dies bei diefer Gelegenheit fo parteiish verwerthen ? Wer von öffentlichen Körperschaften Arbeit begehrt, soll fie unter Ausschluß jeder entehrenden Bedingung erhalten, und fie muß seiner erworbenen Geschicklichkeit angepaßt sein ; das verlangen nicht nur wir, das verlangt mit uns Professor Heckner. Wundern können Sie si also nicht, wenn Sie einem Uhrmacher, einem Kunsttischler, einem Weber {were Erdarbeiten vergeblich zumuthen. Von dem Verhalten der Polizei am Donnerstag weiß der Staatssekretär Dr. von Boetticher nihts. Seine Kenntniß von dem Herrn Rodrian, dem Einberufer jener Versammlung im ier em, fann er do nur von der Polizei selbst haben; in diejer Beziehung war er also unterrihtet. Ueber die sonstigen Vorgänge hätte er in jeder Berliner Zeitung die Auskunft erhalten, daß das Auftreten der Polizei heraus- fordernd gegen die gesammte Bürgerschaft gewesen is. Der Abg. Freiherr von Stumm wird mit Interesse ver- nehmen, daß der Ursprung jenes Artikels, worin die Millionen aufgezählt sind, welhe die Sozialdemokratie jährlich

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vershleudert, auf die „Nationalliberale Korrespondenz“ zurückgeht und das Manuskript sogar auf Reichstagspapier geschrieben fein foll. Unsere Wahlerfolge sind die Fruht der Opferwilligkeit und Bereit- willigkeit, mit der jedes einzelne Parteigenosse für se Partei ein- tritt./ Der Standpunkt des Abg. Freiherrn von Sfkikinm, daß die Militärvermehrung ein Segen für die Arbeiter sei, wird allerdings niht nur von Gesinnungsgenofsen dieses Herrn getheilt, sondern auch neuerdings vom „Berliner Tageblatt“. Der Abg. Freiherr von Stumm wirft uns mit den Anarchisten zusammen. Ich möchte dagegen nur das Eine bemerken, daß derjenige Mann, der die erste Meldung von dem NRNadieschensamen - Attentat in die Presse gebracht hat, ein Mann if, der unter dem Regime des früheren Staats- Ministers von Puttkamer als preußisher Polizeispißel in London monatlich 450 # bezog, und den Anathisten de Nève ans Messer geliefert hat; es ist ein Herr Reuß, der sich seit einiger Zeit auf der Journalistentribüne des Reichstags aufhält. Wenn England in Bezug auf die Verminderung der Arbeitszeit vorangegangen ift, so sollte es eine Pflicht Deutschlands sein, nahzufolgen. Die Ueber- füllung der Asyle für Obdachloss, der Bankerott der Orts-Kranken- fassen infolge der unverhältnißmäßig gewachsenen Anforderungen, alles das sollte doch auch dem Staatssekretär des Innern die Ueberzeugung beibringen, daß ein Nothstand besteht, dem auch die Organe der Reichsregierung abzuhelfen verpflichtet find.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine eigenthümlihe Kampfesweise. Er is in dem ersten Theil seiner Rede ich kann nicht anders sagen gegen mich milde vorgegangen; er hat sich be- müht, meine gestrigen Ausführungen in einer ruhigen Weise unter die Lupe zu nehmen, und mit dem Material, das ihm zu Gebote ftebt, die von mir gezogenen Schlußfolgerungen zu beseitigen. Dabei hat er es aber auch andererseits niht verschmäht, Aeußerungen von mir einer mißverständlichen Auslegung zu unterziehen, gegen die ich mich ent- schieden verwahren muß.

Ich halte es im allgemeinen ja für verständlih und für ein Ver- fahren, welches demjenigen, der die Aufgabe und die Absicht hat, für seine Ideen draußen im Lande Propaganda zu machen, nicht allzufern liegt, daß man einen politischen Gegner und namentlich wenn dieser politishe Gegner am Regierungstisch. ißt bei seiner Schwäche faßt und seine Aeußerungen, welche gegen die eigene Anschauung ein großes Gegengewicht zu liefern geeignet sind, abzuschwächen sucht. Allein es sollte au) dem politischen Gegner gegenüber nicht außer Acht gelassen werden, daß man die Thatsachen, wie sie in der poli- tischen Debatte eatgegeutreten, auch wirklihch nur so, wie sie sih ab- spielen, entgegennimmt und dann diejenigen Schlußfolgerungen zieht, die daraus zu ziehen find.

Der Herr Vorredner hat mir heut am Eingang seiner Betrach- tungen eine Liebenswürdigkeit erweisen wollen, indem er anerkannt hat, daß meine gestrigen Darstellungen gegenüber meinen vorjährigen Ausführungen über den Nothstand doch sehr viel objektiver und ent- gegenkommender gewesen sind. Nun habe ih meine vorjährige Rede vor mir, und da ergiebt sih denn, daß ih damals ganz dasselbe gesagt habe, wie gestern. Entsprehend meinen gestrigen Ausführungen, wo ih erklärte, ih würde nicht in der Lage fein, viel Neues zu bieten, habe ich im vorigen Jahr verbo tenus gesagt:

Ich bin weit entfernt davon, jeden Nothstand im Reich leugnen zu wollen ; im Gegentheil, ich erkenne an, daß, wie wir in früherer Zeit {on Nothstandsperioden gehabt haben und sie sogar in der Regel in harten Wintern erleben, folhe auch augenblicklih vorliegen.

Hiernah möchte ih nun doch endlich einmal bitten, daß man mir eine Inkonsequenz niht weiter vorwirft, sondern zugiebt, daß ih ebenso bereitwillig wie in diesem Jahr auch im vorigen Jahr das Vorhandensein eines Nothstands anerkannt habe.

Weiter, meine Herren, hat der Herr Vorredner und das liegt auf demselben Gebiet mir im Anschluß an meine neuliche Aus- einanderseßung vorgeworfen, ih hätte den deutshen Arbeiterstand der Faulheit bezichtigt; ich hätte gesprochen von Faulenzern, von Tage- dieben, für die die sozialpolitishe Geseßgebung nicht geschaffen sei. Das ift durchaus unrichtig. Ich habe vielmehr bei Gelegenheit der Besprechung einer Korrektur der Invaliditäts- und Altersversicherung nur an das Prinzip erinnert, welhes der Invaliditäts- und Alters- versicherung zu Grunde liegt, und welches dahin geht, daß die Rente, die dem invaliden Arbeiter gewährt werden foll, nah Maßgabe der von ihm in seinem Leben entwickelten Thätigkeit sich erhöben foll. Ich bitte also, auch diefen Vorwurf, der ja nah außen hin sehr shön wirken mag, mir gegenüber zurückzustellen; denn, wie gesagt, er ist in keiner Weise begründet.

Nun hat der Herr Vorredner mir weiter vorgeworfen, daß ih aus den inir vorliegenden Berichten nicht die zutreffenden Schlüsse gezogen hätte, und daß diese Berichte und meine daran geknüpften Darstellungen niht durhaus der Wahrheit entsprähen. Meine Herren, ih bin in der That in Verlegenheit, wie ih, wenn es si darum handelt, das für sozialpolitische Fragen geeignete Material herbeizuschaffen, dem Wünschen des Herrn Vorredners und seiner Partei gerecht werden sol. Im vorigen Jahre hatte ih meine Aus- einanderseßzungen wesentlich auf Grund der allgemeinen Eindrücke und der bis dahin ohne besondere Aufforderung dem Reichsamt des Innern zugegangenen Berichte gemacht. In diesem Jahre bade 1, in der BVorausicht, daß wir eine erneute Nothstandsdebatte haben würden, es mir angelegen sein laffen, die Regierungen auédrüdcklich zu fragen: Wie sieht es im Lande aus auf dem Arbeitsmarkt ; ift die Besorgniß begründet, daß größere Noth- stände eintreten werden, und wird es namentlich geboten sein, diesen Nothständen mit außerordentlihen Mitteln entgegenzutreten? Jch habe gestern und ih berufe mich in dieser Beziehung auf das Zeugniß des ganzen Hauses das Nesumé dieser von mir gehaltenen Umfrage dahin gegeben, daß das Bild, welches man aus den Berichten gewinnt, ein außerordentlich verschiedenartiges ist, daß allerdings in einzelnen Bezirken gewisse Arbeiter Noth leiden, daß dagegen in anderen Bezirk.n und anderen Betrieben die Arbeit ganz flott geht und auch lohnenden Verdienst bietet.

Wenn wir uns immer auf den einseitigen Standpunkt stellen, auf