1894 / 22 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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S T E e I I T I E T D T I I

lahmen und dadur in seinem Charakter verbitterten jungen Mädchens übernommen. Der Darstellerin wurde für ihre sorgsam durhdachte, mit hervorragender Begabung durhgeführte Leistung der lebhafteste Beifall gezollt, aber auch der Sésriftstellerin wurde für das, wenn au nit einwandsfreie, doch von einem großen Talent besonders für das Lustspiel zeugende Weck dur wiederholten Hervorruf ermuthigende Anerkennung dargebraht. Die wegen ihres Gebrechens verstimmte Meta von Borken fühlt sih nicht wohl im Hause ihres Vaters, des Großindustriellen von Borken, der ihr zu Liebe Wittwer geblieben ist. Die Munterkeit ihrer beiden Geschwister, des übermüthigen Backfishs Helene und des flotten Studenten Egon erregt ihren Zorn. Sie fehnt sich danah, aus dem Hause zu kommen und bietet deshalb dem mit Nahrungssorgen kämpfenden talentvollen Maler Kolbert ihre Hand an, um mit Hilfe ihrer reihen Mitgift ibm zur Verwirklichung seiner künstlerishen Îdeale zu verhelfen und sih dadurch das Glüdck zu erobern, auf das fie ein Recht zu haben glaubt. Troßdem der Maler ihr ofen erklärt, daß er fie nit liebe, bleibt fie bei ihrem Vorhaben; er giebt nah einigem Zögern nah und wirbt bei dem Vater um die Hand der Tochter, die ihm auch mit einigen gerings{äßigen Aeußerungen über diesen von der Sucht nah dem Vermögen eingegebenen Entschluß bewilligt wird. Der sih nun frei fübhlende Vater verheirathet sich in der dem Brautpaar auf- erlegten Prüfüngszeit mit einer jungen Dame, Lilli Hagen, zu welcher der Maler während seiner Studienzeit in Düsseldorf eine tiefe Neigung gefaßt und die er jeßt in cinem meisterhaft ausgeführten Bildniß aus dem Gedächtniß gemalt hat. Diese Erfahrung und ein zufällig im Nebenzimmer geführtes Gespräh zwischen Kolbert und Lilli öffnen der unglücklichen Meta die Augen über ihren Irrthum; sie giebt nah {weren Kämpfen dem Maler fein Jawort zurück und vereinigt ihn mit ihrer Schwester Helene, nahdem sie ihre auf Gegenseitigkeit beruhende Liebe erkannt hat. Sie selbst findet aber zum Schluß doch noch ganz unerwartet ihr Glück durch eine Verbindung mit dem erst im leßten Akt auftretenden Bruder von Lilli, dem Professor Hagen. Neben Frau Wohlbrück machte sich um die Darstellung in hervorragender Weise Fräulein Sauer verdient. Ihr war die Aufgabe zugefallen, den Übermüthigen Backfisch Helene von Borken zu gestalten. Durh ihr natürlihes Spiel im Lachen und Weinen, ibre muntere Beweglichkeit, ihren liebenswürdigen Humor uud eine bei alledem doch tiefe Empfindung übertraf sie mit diefer Charakterisierung alle früheren Leistungen und überrashte dur ein Talent, wie es nur die größten Künstlerinnen in diefem Fach bisher gezeigt haben. Sehr treffend gab Herr Suske den Großindustriellen von Borken, der in reifen Jahren noch sein Glück in der zweiten Ebe findet. Unüber- trefflih gut aber wurde der arme Maler Kolbert von Herrn Stahl verkörpert, während es Herrn Schindler diesmal ohue jede Ueber- treibung gelang, dur seinen flotten Studenten viel Heiterkeit zu erregen.

: Konzerte.

_Das Leipziger Soloquartett, auf welches in den Blättern vielfa hingewiesen wurde, ließ sich am Mittwoh in der „Neuen Kirche* hierselbst zum ersten Male hören. Es erfüllte die gehegten Erwartungen in Beziehung auf Schönheit des Stimmenklangs und Reinheit der Intonation nicht ganz und ist mit dem jüngst gehörten Frankfurter Quartett niht zu vergleihen. Das Programm, das sich auf die cristlihen Feste bezog, enthielt Gesänge von Prätorius, I. W. Frank, Bach, Becker, Bortniansky und anderen, die meist für gemishten Chor komponiert sind, und hier bei dem Vortrag dur vier einzelne Stimmen ohne Begleitung ihre imponierende Wirkung verfehlen mußten. Unter den niht genannten Ausführenden befanden sich ein ret kräftiger Sopran und ein wohlgeschulter Baß, während die Mittel- stimmen mit diesen nit recht in der Klangfarbe zusammenstimmten. Zu Toben waren die sicheren Einsäße beim Beginn jedes neuen Stücks.

Der hier bereits bekannte und beliebte dänishe Komponist Emil FAUMAEN brate am Mittwoh im Konzerthaufe mehrere seiner ompositionen für Orchester zu Gehör, die, wie seine vor zwei Jahren an derjelben Stelle aufgeführten Werke, fehr lebhaften Anklang im Publikum fanden. Auf die mit allem Glanz der orchestralen Mittel ausgestattete, sehr efffeftvolle Konzertouvertüre „Eine nordische Heer- fahrt“ folgten: „Romanze und Scherzo“, zwei sehr melodiöfe Piècen, die vorzugeweise das Streichquartett zur*Geltung kommen ließen. Diesen reihten sih eine Suite: “Stanbinaviiibe Volksmujßik*, ein tonmalerisch sehr interessantes Scherzo: „Die Sirenen“ und ein „Skandinavisher Festmarsch“ an. Während in dem crsten. und legten Stücke die Blechinstrumente dem Inhalt gemäß verwendet wurden, waren diese in allen anderen mehr durch zarten und poetishen Inhalt sich auszcihnenden, meist furzen und \stimmungsvoll gehaltenen Tonstücken meistentheils vermieden. Das zahlrei erschienene Publikum spendete reichen Beifall. Der Komponist leitete das Orchester felbst und konnte mit der präzisen und s{chwungvollen Ausführung seiner Kompositionen gewiß zufrieden sein Am kommenden Montag wird ein größeres Werk, eine neue Symphonie desselben Komponisten, zum Bortrag gelangen.

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Flotow?s „Martha“ mit Fräulein Dietrich in der Titelrolle und Herrn Emil Göge als Lyonel zur Aufführung. Frau E tritt zum erften Mal nach längerer Krankheit als Nancy wieder auf. Herr Sylva ist wieder hergestellt und nimmt bereits an den Proben zu „Ferdinand Cortez“ theil. 7

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen „Wilhelm Tell* (Scbiller-Cyclus, 10. Abend) gegeben.

Im Nesidenz-Theater ebenso wie im Neuen Theater finden am Sonnabend zur Feier des Geburtstags Sciner Majestät des Kaisers Festvorstellungen vor festlich beleuhtetem Hause statt. Beiden Vorstellungen gehen Prologe voraus, die im Residenz-Theater von Fräulein Renier, im Neuen Theater von Fräulein Bertens ge- sprohen werden. Die Erstaufführung des Schauspiels „Gifela" von Else von Schabelsky im Neuen Theater is auf Montag, den 29. d. M., vershoben worden.

Im Adolf Ernst - Theater wird der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers durch eine Fest-Ouvertüre sowie einen vom Direktor Ecnst verfaßten und von ihm selbst vorgetragenen Prolog festlih begangen werden.

Der Schwank „Ein toller Einfall“ gelangt im Zentral- Theater nur noh bis zum Sonnabend zur Aufführung. Aus Anlaß des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers erhält das Neichstags- bild der Revue „Berlin 1893" an diesem Tage ein auf das Fest be- züglihes Schlußtableau, wobei Frau Josefine Dora einen Epilog sprechen wird. Am Sonntag gelangt die neue Posse „Herr Coulisset“ von Blum und Teché zur ersten Aufführung.

__Im Theater Unter den Linden is, wie shon gemeldet, die erste Aufführung der Operette „Der Obersteiger“ von West und Held, zu der Carl Zeller die Musik geschrieben hat, auf Sonnabend festgeseßt. Herr Ludwig Held weilt bereits in Berlin, um an den Vorproben theilzunehmen. Für die Darstellung der Titelrolle hat die Direktion den Kammersänger Franz Iosef Brakl aus München gewonnen. _

Im Konzerthause veranstaltet Kapellmeister Meyder morgen den fünften „Wagner-Abend“. Das Programm dieses Abends wird den „Huldigungs-Marsh“, Akt 111. Scene II. aus „Lohengrin“, Stücke aus den Musik-:Dramen „Das Rheingold“ und „Die Walküre“, das Vorspiel zu „Parsifal“ u. f. w. enthalten.

Für den morgen um 73 Uhr im Saal Bechstein stattfindenden Kammermusik-Abend der Herren Professoren Carl Halir und

Gencfsen haben die Herren Hof-Kapellmeister Mis, Strauß aus Weimar und Königlicher Kammermusiker O. Schubert (Klarinette) ihre Mitwirkung zugesagt. Das Programm enthält das Klarinetten- quintett von Brahms op. 115, das Klavierguartett in C-moll op. 13 von Rich. Strauß und Mozart's Streichquartett in C-dur. Moritz Rosenthal, der Solist des nähsten, VIT. Philharmo- nishen Konzerts am 29. d. M., wird an diesem Abend auf vielseitigen Wunsh Liszt's Klavierkonzert in Es-dur zum Vortrag bringen; Beethoven’'s Pastoral-Symphonie, eine Konzert-Ouvertüre von. J. Rieß und Wilh. Berger's „Dramatishe Orchesterphantasie“ bilden den reinorcestralen Theil des Programms.

Mannigfaltiges.

Zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers findet am Sonnabend Vormittag 10 Uhr in der evan- gelisch-lutherischen Kirche in der Annenstraße ein Fest- gottesdienst statt, an welhem sich auh die beiden hier gar- nisonierenden Königlich fähsishen Eisenbahn-Kompagnien betheiligen werden. Die Predigt wird Pastor Grundmann halten.

Aus Zeblendorf wird der „N. Pr. Z.“ geschrieben: Jn der Glodckengießerei von Gustav Collier wurden am Sonnabend abt Kirchenglocken gegossen, wozu ungefähr 120 Zentner Metall, Kupfer und Zinn, verwandt wurden. Der Guß is aufs beste ge- lungen. Von den gegofsenen Glocken erhält der Ort Lindenberg bei Höwish (Altmark) ein Dreigeläut, ertönend in F B D. Die Glocke F trägt den Spruh: „Laut dröhnend öffn' ih meinen Mund Und ruf? euch zu in jeder Stund? : „Schnell entflieht die Lebens- zeit! Mensch, gedenk der Ewigkeit!“ Auf der Nückseite: Wilh. von Jagow, Kgl. Kammerherr a. Crüden. Pastor Heinr. Bode-Hoewisch. Die Glocke B: „Hoch in der Luft ertönt mein Klang, Stimmt ein mit mir zum Lobgesang: Heilig, heilig ist Gott der Herr! Gott in der Höh? sei Preis und Ehr!“ Auf dem Revers: Aelteste: Wilh. Bokus, Alb. Lach. Schöppen : A. Lüdeke, F. Beneke. Die Glote D : „Wie Gottes Gruß, fo grüß ih dich, Du Menschenkind laß finden dih! Komm, alles ist für dih bereit, Schaff deiner Seelen Selig- keit!“ Lehrer und Kantor: A. Giggel. Ein gleihes Geläut in F B D erbält die Stadt Eberswalde. Auf der F-Glocke befindet sich der Spruh: „Kommt, denn es is alles bereit.“ Die B-Glode träat die Worte: „Wer zu mir kommt, den werde ih nicht hinausstoßen.“ Die D-Glocke: „Heute, so ihr Seine Stimme hört, so verstocket eure Herzen nicht.“ Dazu die Worte: Ge- stiftet von Fräulein Alma Trüßschler von Falkenstein aus Sberswalde, geboren 20. Dezember 1849 zu Spandau. Zwei Glocken B und D hat der Ort Woldegk i. Mecklenburg bestellt. Beide tragen die Inschrift: Anno Domini 1893 Fridericus Guilelmus, Magnus dux Megalopolitanus, 33. annum regnans, in memoriam nuptiarum, quae aureae vocantur, campanum restituit.

Hamburg, 24. Januar. Die Leichenfeier für den Freiherrn Albertus von Ohlendorff fand, wie der „N. A. Ztg.“ ant wird, heute auf dem Gut Gresse bei Boizenburg unter großer Be- theiligung statt. Außer den zahlreichen Familienmitgliedern war unter anderen der fommandierende General, General der Kavallerie Graf Waldersee zugegen. Von Seiner Majestät dem Kaiser und König traf ein Kondolenz-Telegramm und ein prachtvoller Kranz ein, dessen Schleife die Kaiserkrone zeigte und der im Auftrage des Monarchen von dem Königlich preußischen Gesandten von Thielmann am Sarge niedergelegt wurde.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

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Stationen. Wind. Wetter.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres\p Temperatur in ? Celfius 59C. = 4°R

Sucher. (Lyonel: Herr Emil Göße, Königl. Kammer. rgens. E als Gast.) i hauspielhaus. 26. Vorstellung. Schiller-Cyclus+

10. Abend. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Auf- zügen von Friedrich von Schiller. Anfang 7 Uhr. \ i E Sonnabend: Opernhaus. Auf Allerhöchsten Befehl: | Freitag: Mit vollständig neuer Festvorstellung. verkauf findet nicht statt. Schauspielhaus.

Anfang 7 Uhr. 4 Akten von Else v. Schabelsky.

Montag: Zum 1. Male: Gisela.

Schauspiel in | SVggl Bechstein. Freitag, Anfang 74 Uhr:

3. Kammermusik-Abend. Carl Halir, Carl Markecs, Ad. Müller, H. Dechert, unter gütiger Mitwirkung

Viktoria-Theater. Belle - Alliancestraße 7/8. | der Herren Hof-Kapellmeister Richard Strauß aus

Ausstattung, | Weimar und Königl. Kammermusiker O. Schubert

Anfang 8 Uhr. Ein Villet- | vorleßte Woche: Die Kiuder des Kapitän Grant. (Klarinette).

927. Vorstellung. Minna von | Anfang 75 Uhr.

Ausstattungs\tück mit großem Ballet in 12 Bildern.

Konzert-Haus. Freitag: Karl Meyder-

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_VEaE AASSEEE E S S 8

1) Nebel. ?) Nachts Schnee. ?) Reif. #4) Nachts

Reif Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrisches Minimum unter 730 mm, nordostwärts fortschreitend, liegt an der mittleren norwegishen Küste, im Nord- und Ostseegebiete starke, stellenweise stürmishe südliche bis westliche Winde verursachend. Ein barometrishes Maximum über 770 mm erstreckt sih von den Pyrenäen nord- ostwärts nach dem südwestlichen Deutschland, cin anderes glei hohes Maximum lagert über dem nördlichen Oesterreih. In Deutschland if das Wetter in den Küstengebieten trübe und mild, im Binnenlande vielfah heiter und in den südlichen Gebietstheilen falt; stellenweise sind geringe Nieder- {läge gefallen, in Mittel-, Süd- und Nordost- deutshland herrscht leihter Frost, in Finland und Nordwestrußland i} es viel kälter geworden.

Deutsche Seewarte.

Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Freitag: Opern- war 24. Vorstellung. Martha. NRomantisch- omische Oper in 4 Akten von Friedri von Flotow. Tert (theilweise nach dem Plan des St. Georges) von Wilhelm Friedrich. Dirigent: Kapellmeister

Varnhelm, oder: Das Soldatenglück. Lustspiel in 5 Aufzügen von G. E. Lessing. (Minna: Clara Meyer, Chrenmitglied des Königlichen Schauspiels.) Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater.

Freitag : Der Herr Senator. Sonnabend: Prolog. Der Herr Senator.

Sonntag: Der Herr Senator. Montag: Die Jüdin von Toledo.

Berliner Theater. Freitag: 22. Abonne-

Bons, Das Recht auf Glück. Anfang 7 Ubr.

Sonnabend, Abends 74 Uhr: Prolog. Aus eignem Recht.

Sonntag, Nachm. 22 Uhr: König Richard Akk.

Abends 74 Uhr: Das Recht anf Glück.

Lessing-Theater. Freitag und folgende Tage: Madame Sans-Gênue. (Zweites Parquet 3 #4).

Wallner-Theater.

blümchen. Soprntag: Mauerblümcheu.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. : Chausseestraße 25.

Freitag: Der Lieutenant zur See. Operette in 3 Akten (nach einer älteren Idee) von E. SchHlack und L. Herrmann. Musik von Louis Roth. Jn Scene gefeßt von Julius Frißshe. Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Der Lieutenant zur See.

Sonnabend: Mauer-

Refsidenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Freitag: Zum 33. Male: Der Mustergatte. (Le premier mari de France.) Chwanft in 3 Akten von Albin Valabrègue. Vorher: Lolotte. Lustsviel in 1 Aft von Meilhac u. Halévy. Anfang 7#F Uhr.

Sonnabend : Zur Feier des Allerhöchsten Geburts- tages Seiner Majestät des Kaisers: Festvorstelluug. Prolog. Lolotte. Mustergatte.

_ Sonntag und folgende Tage: Dieselbe Vor- stellung.

Neues Theoter. Schiffbauerdamm 3—s5.

__ Direktion : Sigmund Lautenburg. Freitag: Flattersucht. Lustspiel in 3 Akten von Victorien Sardou. Vorher: Nach zwei Jahren. Lustspiel in 1 Aft von Almásy Tihamer. Sonnabend: Zur Feier des Allerhöchsten Geburts- tags Seiner Majestät des Kaisers. Festvorstellung.

Prolog. Jugend. Anfang 71 Uhr.*

Sonntag: 3 Uhr Nachmittags, ermäßigte Preise. Auf allgemeines Verlangen: Lumpaci vaga- bundus, - oder: Das liederliche Kleeblatt. Zaubervosse mit Gesang und Ballet.

T Borbereitung: Der Südstern. Ausftattungs®- stü.

Theater Unter den Linden. Freitag: Salon Pigtelberger. Operette von J. Offenbach. Hierauf : Zum leßten Male vor dem Wiener Gast- spiel: Brahma. Ausftattungs-Ballet von J. Mon- plaisir. Musik von C. E E

Romeo Francioli vom Scala-Theater in Mailand als Gast. „Grand Pas de deux“ von der Prima Ballerina Signorina Carolina Elia und dem Primo Ballerino Sign. Greco Poggiolesi 2c. 2c.

Anfang 7x Uhr.

Sonnabend: Zum 1. Male: Der Oberfteiger. Operette in 3 Akten von M. West und L. Held. Musik von Carl Zeller.

Adolph Ernfsl-Theater. Freitag: Zum 130. Male: Charley’s# Tante. Schwank in 3 Akten von Brandon Thomas. Vorher: Die Bajazzi. Pana Jo Doe mit Gesang in 1 Akt von Ed. Jacobson und Benno Jacobson. In Scene gese8t von Adolph Ernst. Anfang 7F Uhr.

Sonnabend: Charley’s Taute. Dic Bajazzi.

Zentral-Theater. Alte Jakobstraße. Nr. 30.

Freitag: Ein toller Einfall, Schwank in 4 Aften von Carl Laufs. Hierauf: Zum 34. Male: Berlin 1893, Revue in 2 Abtheilungen von L. Leipziger. Anfang der Vorstellung 74 Uhr, der Revue 94 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

In Vorbereitung : Herr Couliffet. Schwank in 3 Akten von Blum und Toché.

Konzerte.

Sing-Akademie. Das für Freitag, den 26, Januar, angekündigte Konzert von

Sigismund Blumner findet nicht statt,

da Herr Blumner erkrankt ift. y Der Tag, welcher nunmehr für das Kon- jert festgesetzt wird, wird ehestens bekannt ge- geben. Bereits gelöste Einlaßkarten behalten

ihre Gültigkeit.

Konzert. V. Wagner-Abend.

Dienstag, 6. Februar (Fastnahhl): Gr. Fast- nachts-Feier unter Leitung des Hofschauspielers a. D. Herrn Paul Dehnike.

Billets im Bureau des Hauses.

Pirkus Renz (Karlstraße). Freitag, Abends

7x Uhr: E Ein Kürnstlerfest. “Wz

Vollständig neue und glänzende Ausftattung. Neue Einlagen, überrashende Licht- und Wassereffekte. Außerdem: 6 englische Springpferde, vorgeführt vom Direktor Fr. Renz; das Feuerpferd Elimar, vor- geführt von Frl. Oceana Renz; das S@hulpferd Prinz, geritten von Herrn R. Renz; Maëstoso, in der hohen Schule ger. von Frl. Oceana Renz; die Akrobaten auf dem Telephondraht Zalva, Espana und Alvar; der urkomische Jmitator-Cleown Mr. Ybbs; Mr. Lavater Lee 2c.

Erelle wie gewöhnlich.

onnabend (Kaisers Geburtstag) : Parade-Fest-

Vorftellung mit neuem glänzenden Programm. Großes Prachtfeuerwerk.

Sonntag: 2 Vorstellungen, Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei) und Abends 7F Ubr.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Cornelie Freiin von Hadeln mit Hrn. Hauptmann Marx von Hopf arten-Heidler (Weimar). Frl. Else von Wilucka mit Hrn. Lieut. Hans von Peschke (Kabel).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem. - Lieut. Hardinac von Hatten (Königsberg). Eine Tochter: Hrn. Konsul Dr. jur. Ohnesseit (Jassy). Hrn. Paftor Johannes Hoppe (Blumberg). as Frs von Knebel - Doeberiy (Lübgust bei

ramenz).

Gestorben: Hr. Eisenbahn - Direktor a. D. g - mann Franck (Berlin). Hr. Pfarrer em. Her- mann Bauer (Regenthin). Frl. Anna von

rankenberg und Ludwigsdorff (Breslau). Yr-

Prediger Alexander Richter (Hannover). Hr. Geh. Ober-Regierungs-Rath Albrecht Rindfleisch (Deffau).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: - E Verlag der Expedition (S olz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschliezlih Börsen-Beilage).

zum Deutschen Reichs-Anz

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Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 25. Januar

R D I E Di I e Ae f

eiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

1894,

Dentscher Reichstag. 34. Sizung vom Mittwoch, 24. Januar, 1 Uhr.

Zur ersten Berathung stehen die von den Abgg. Dr. Lieber, Hiße, Spahn (Zentr.), Langerfeldt un Gen. (fr. Ver.) eingebrahten Geseßentwürfe, betreffend die ein- getragenen Berufsvereine. A E

Ueber den Beginn der Verhandlung ist bereits in der Nummer vom Mittwoh berihtet worden. Nach dem Abg. Freiherrn Heyl zu Herrnsheim erhält das Wort der

Abg. Legien O: So lange man die Arbeiter nit unter ein Ausnahmegeseß bringt, hat man kein Recht, die Arbeiter in der allgemeinen Gesetzgebung \{chlechter als jede andere Bevölkerungsklasse zu behandeln, weil sie zur Sozialdemokratie gehören. Db Sie den Antrag annehmen oder ‘ablehnen, wird am Ende auf die Ge- staltung der Arbeiteryerhältnisse keinen Einfluß haben. Der Vorredner lehnt die Vorlage ab, weil die englishen Bergarbeiter in einen Strike eingetreten seien. Er vergißt dabei nur, daß es sich da nicht um eine Lohnforderung gehandelt hat, sondern daß den Ar- beitern eine Lohnreduktion von fünfundzwanzig Prozent zugemuthet wurde. Er meint, das Gesey würde nur den Es Arbeitern Vortheile bringen, den freien aber nichts nützen. Soweit ih solhe freien Arbeiter kennen gelernt habe, waren es so gedrückte, vom Kapitalisten ausgesogene Arbeiter, daß sie gar nicht wagten, überhaupt noch den Mund für die Wahrung ihrer ínteressen aufzuthun. Diejenigen, welhe etwa glauben, daß dieses Geseß eine Annäherung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hervor- bringen würde, täuschen si{ allerdings vollständig; denn sie übersehen, daß die Arbeitgeber den Arbeitern das Recht unter allen Umständen bestreiten, bei der Festseßung der Lohn- und Arbeitsbedingungen mit- zusprechen, und an diesem prinzipiellen Gegensaß werden alle der- artigen Bestrebungen scheitern, wie es das Schicksal der irs{ch-Duncker’- {hen Gewerkvereine klar bewiesen hat. Die gleichberechtigte Stellung der englischen Arbeiter mit den Arbeitgebern bei der Festseßung des Arbeitsvertrages haben ja die Arbeiter nicht freiwillig von den Arbeitgebern erhalten, sondern nach einem halben Jahrhundert des Kampfes erst errungen. Bei uns hat nah der Ansicht der Arbeitgeber der Arbeiter bei der Festseßung der Lohnbedingungen und ÄArbeitsordnungen nichts zu sagen; es werden also solche Organisationen auch den Ausgleih zwischea beiden Kategorien nicht herbeiführen. Zst der gestern von dem Abg. Dr. Kropatscheck behauptete Egoismus bei allen Menschen vorhanden, so ist an diesen Ausgleich, fo lange unser Lohnsystem besteht, überhaupt niht zu denken. Ich erkenne diesen Egoismus an, und unsere Partei ist be- flissen, ihn kräftig zu fördern; seine Grenze aber findet er da, wo die gemeinsamen Interessen anfangen, und unser Zweck und Ziel ist

ja, diesen gemeinsamen Interessen zum Siege zu verhelfen. Wenn '

wir dem Entwurf zustimmen, so täuschen wir uns nicht über seine Wirksamkeit, wie wir auch nicht anerkennen können, daß die Arbeiter dafür besonders dankbar zu sein hätten, weil man ihnen nur ein bisher vorenthaltenes Recht endlih zusprähe. Der Abg. Freiherr Heyl zu Herresheim fürhtet von den Vereinen die Orga- nisation des sozialen Krieges; ih erkläre ihm, daß der organisierte Krieg milder ist und sein muß als der nichtorganisierte. Gesührt werden wird dieser Krieg unsererseits, gleichviel ob organisiert oder nicht ; haben wir bisher viele Niederlagen erlitten, fo folgt doch der Nieder- lage wieder der Sieg. Die Organisationen, welche hier ge- schaffen werden follen, bestehen ja thatsählich s{chon. Da find vor allem die Gewerkschaften, deren Mitglieder allerdings zum großen Theil Sozialdemokraten sind; da sind ferner die Hirsch-Duner’schen Gewerk- vereine, deren Zahl und Mitglieder freilich sehr hinter der der Ge- werkschaften zurückstehen. Es fommt allerdings nicht so auf die Zahl der Mitglieder als auf die Leistungen an. NReifeunterstüßung if nur in 30 von 55 Gewerkshaften gewährt worden ; der Grund dafür liegt vorwiegend in der Polizeipraxis, die die vershiedenen Gewerk- {haften verschieden behandelt. In Bezug auf Unterstüßung der Mitglieder leistet die Mehrzahl der Gewerkschaften ganz BVor- zügliches, so vor allem die der Kupfershmiede und die der Buch- drucker. Ganz ohne Grund bestehen also diese Organisationen nit, denn fie verhindern an ihrem Theile, daß die Arbeiter zu Vaga- bunden herabsinken. Wenn man hier mit dem Brustton der Ueberzeugung über die Vagabunden herzieht, so ist das das Zeugniß einer niht auf die Probe gestellten Moral. Man soll erst einmal an dieser Grenze selbst gestanden, cinige Zeit die Verfolgung der Polizei, die e von Ort zu Ort Rae haben, wenn man über diefe Verhältnisse ein richtiges Urtheil gewinnen will. Ebenfo haben diefe Organisationen Arbeitsnachweise eingerichtet. Troß ihrer verdienst- lien Wirksamkeit stehen die Organisationen bis jeßt vollständig rechtlos da, und jeder Gendarm kann sie chifanieren. Wie man auf diese Weise mit den meisten Gewerkschaften umgegangen ist, will ich hier u im einzelnen erwähnen; ich erinnere nur daran, daß die Bu Lg Den obwohl sie sich den behörd- lichen Anforderungen in Bezug auf ihre Vermögensverwaltung gefügt hatte, gleihwohl durch die Zentralbehörde zerschlagen worden ist, die plößlich erklärte, die organisierten Buchdrucker hätten kein Recht, eine Extrasteuer zu erheben. Genüßt wird der Sozialdemo- kratie niht wesentlih durch diesen Geseßentwurf ; wir stellen uns ihm gegenüber einfah auf den rechtlichen Standpunkt, der verlangt, daf, was dem Arbeitgeber gewährt ist, die freie Assoziation, au den Ar- beitern gewährt werden muß. Lehnen Sie den Entwurf ab, „fo benußen wir das für unsere P Fopagana, nehmen Sie ihn an, dann werden wir unsere Organisation auf der neuen Grundlage aufbauen. Unsere Entwielung ist {on so weit gediehen, daß alle Maßnahmen, welche Sie auch treffen mögen, uns zum Nuten gereichen müssen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Die vorgeshlagene Organi- sation fann nur dazu dienen, Strikes zu insceniren oder zu ver- \härfen. Alle Versuche des Antragstellers, ein Bedürfniß für diese Vereine nachzuweisen, hat die Rede des sozialdemokratischen Ver- treters zu nihte gemaht. Nach meiner Meinung ist ein unfreier Ar- beiter gerade der, der sich einer solchen Korporation verschreibt; denn wenn ihn diese in Verruf erklärt, is er rettungslos dem Hungertode preisgegeben. Die Erfahrungen in England und namentli in Amerifa machen diese Organisation äußerst verdächtig. In Amerika kann der Arbeiter keinen Schritt thun, ohne die Union zu s\ragen und ihre Genehmigung einzuholen; Strafen bis zu 100 Dollars sind gegen ihn für Uebertretungen festgeseßt, und4 ihre Feindschaft 'richtet ihn zu Grunde. Cbenfo bringen fie aber die Arbeitgeber dort unter ihre Botmäßigkeit. Die Konjunktur ist allerdings stärker als der Egoismus. Wenn der Vorredner meint, die Arbeiter hätten bis jet in Bezug auf Rechtsfähigkeit fich in einem Ausnahmezustande befunden, so übersieht er 20 daß die Verleihung der Rechte einer juristischen Person bisher ein_ rivilegium ist. Die bloße Gemeinnütigkeit der Bestrebungen an si fann die Verleihung dieses Rechts an die Arbeiterfahvereine nit begründen. Es hat ja Zeiten gegeben , wo die Arbeitervereine etwas Nügliches leisteten, so früher in England; das war _dazumal, als sie noch ledigli ihre materiellen Interessen im Auge hatten und von Politik und namentliGß von Sozialdemokratie noch keine Rede war. Was jeßt die Kathedersozialisten Brentano, Herkner, Schulze - Gäverniy für diese Vereinigung anführen, trifft nit zu; & wird auch hier zur Geltung kommen, daß nicht die leidenshaftslose Förderung der wirthschaft-

lihen Interessen in der Neuorganisation das Feld behauptet, sondern die {ärfste Tonart wird den Sieg davon tragen, der soziale Krieg bis aufs Messer wird das Ziel des Strebens fein. Man will ja gerade die freien Arbeiter mit diesen Vereinigungen treffen, man will sie unter das Joh der Union beugen, um auf alle möglihe Weise den Boykott gegen die Arbeitgeber wirksam durchzuführen. Solche Zustände müssen zu kiner Tyrannei führen, gegen welche die größte Brutalität eines Arbeitgebers ein Kinderspiel ist. Den Schuh des freien Arbeiters, den die Regierung in § 153 der Gewerbe- ordnung verlangte, hat der Reichstag vor drei Jahren abgelehnt. Die vorliegenden Anträge annehmen, hieße den freien Arbeiter seines leßten Schußzmittels “berauben, zumal in Deutschland die Sozial- demokratie so hoch entwidelt ift und einer Handvoll fluger, taktisch sehr gewandter Führer zu Gebote steht, welche sie in jedem Augen- bli zu jeder ihnen geeignet \{heinenden That veranlassen können. Necht hat der Vorredner bezügli der Hirsch - Duncker'schen Gewerk- vereine; diese sind immer mebr zurückgegangen und werden \{ließlich cristenzunfähig werden. Anders mit den Fachvereinen! Jede Stärkung derselben ist eine Stärkung der Sozialdemokratie, auch geradezu eine Anreizung für fie, au dem Wege der frivolen Strikes noh weiter zu gehen, als sie {hon bisher E waren. i

Abg. Dr. Schneider (fr. Volksp.) tritt für den Antrag ein. Es sei ja ganz richtig, daß die englishen Trades Unions auf dem Belfaster Kongreß sich für das Kollektiveigenthum erklärt hätten ; aber die logisch nothwendige Konsequenz dieses Beschlusses : die Los- fagung von allen anderen Parteien und die Anstrebung eines eigenen Arbeiterkabinets, wie es ebenfalls beantragt war, sei von dem Kongresse abgelehnt worden. So_gefährlih sei es alfo mit der Bekehrung der Trades Unions zum Sozialismus niht. Im übrigen könne es für den Reichstag niht darauf ankommen, aus einer solchen Rücfsiht auf Vorgänge in einem fremden Lande ein Gefeß zurückzuweisen, das der Mehrheit aus anderen Erwägungen beraus wünschenswerth erscheine: Die bisherige Vogelfreiheit der Arbeitsvereine, die sie allen, auch den gröblichsten Willkürmaßregeln niederer und höherer Beamten wehrlos gegenüberstellt, müsse beseitigt werden, und das könne nur durch die Verleihung der Nechtsfähigkeit an die Arbeitervereinigung geshehen. Im Gegensaß zu den Arbeit- gebern, denen auch andere Wege zu Gebote stehen, ihre Interessen wahrzunehmen, können die Arbeiter leßteres nur in großen Versamm- lungen und Vereinen thun. Redner empfiehlt die Anträge dem Hause zur Annahme.

Abg. Möller (nl.): Die lehrreihe Beleuchtung, welche der Abg. Legien den Anträgen zu theil werden ließ, muß doch auh dem eifrigsten Freunde derselben klar machen, daß der foziale Friede auf dem Wege der Einrichtung öffentlih-rechtliher Institutionen, wie dic Trades Unions sie darstellen, niht erreiht werden wird. Die Gewerkvereine sind da, aber der Staat hat keine Pflicht, sie zu fördern. Wolle man denn garniht aus der Geschichte lernen ? Wolle man wieder einmal einseitig theoretishen Anschauungen zu Liebe einen sozialpolitishen Fehler machèn? Redner lehnt in Ueber- s mit dem Abg. Freiherrn- Heyl zu Herrnsheim die Vor- age ab. : i

Abg. Molkenbu hr (Soz.): Schon der Umstand, daß die Arbeiter auch die kleinsten, geringsten Fragen des Lohns oder der Arbeits- bedingungen mit dem Arbeitgeber nur besprehen können, wenn sie fi in Versammlungen über ihre Stellung geeinigt haben, zwingt die Arbeiter zu einer Organisation. Was die Abgg. Möller und reiherr von Stumm ausführen, geht davon aus, daß die privilegierte

tellung des Arbeitgebers keinen Abbruch duldet. er Klafsenkampf aber geht aus den entgegengeseßten Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber hervor und wird existieren, ob man Arbeiter- Ztéahilatonen hat oder nicht. Gerade dadurch, daß sämmtliche Arbeiter eines Berufszweiges sih in einer Organisation zusammen- finden, gewinnt leßtere an Macht und Ansehen und kann sie ihre Forderungen durchjeßen; aus ganz demselben Grunde werden dic freien Arbeiter so sehr von den Abgg. Freiherrn von Stumm und Möller gepriesen. Aus allem sollen wir Gift für unsere Agitation zu saugen suchen, meint der Abg. Freiherr von Stumm. Daß wir aus allem den möglihsten Nußen für uns zu ziehen suchen, kann uns niemand verargen. Wenn das Geseß angenommen wird, werden wir seine Belttmnnungen für uns verwerthen; wenn es abge- lehnt wird, werden wir dem Arbeiter zeigen können, daß man es eben in der Bourgeoisie doch nicht so eilig hat, die ge- rühmte Rechtsgleihheit der Arbeiter zu verwirklichen. Erst vor einem Jahre forderte derselbe Abg. Freiherr von Stumm den preußischen Minister der öffentlihen Arbeiten auf, die Arbeiter, welche sich an dem Rechts\hußverein im Saarrevier betheiligten, aus der Arbeit zu ent- lassen. Wenn er sein ökonomishes Uebergewicht in die Wagschale wirft, um das Koalitionsreht der Arbeiter unmöglich zu machen, fo ist das hon ein großer Nachtheil für die Arbeiter; weit {limmer aber ist der Terrorismus, welchen die Arbeitgeberverbände gegen die von einem der Ihrigen verfehmten Arbeiter ausüben! Von diesem Terrorismus aber weiß die Nede des Abg. Freiherrn von Stumm nichts, er sieht nur Tyrannei und Terrorismus, welche die Arbeiter gegen ihre eigenen Genossen und gegen die Arbeitgeber walten lassen. Der Abg. Freiherr von Stumm hält offenbar wie der Abg. Möller die Berufsvereine nur dann für durhführ- bar, wenn ein neues Sozialistengesez, ein neues verschärftes Vereinsgeseß und eine strengere Strafvorschrift für Kont1akt- bruch ergangen sind. Es wird hierbei aber garnicht an die s{chweren Strafen gedacht, welche auf Grund unserer bestehenden Geseße gegen Strikende, wegen Aufforderung zum Strike, wegen Aufreizung, wegen Anstiftung u. f. w. weit über das Durchschnittsmaß hinaus verhängt worden sind; daß also hier auch ein Schuß N wie ihn in England etwa die conspiracy laws der Gese schaft gewähren. Wie es zur Zeit mit dem Schutz der ländlichen Arbeiter gegen Ver- gewaltigung aussieht, lehrt ein Fall in Schleswig-Holstein, wo die Mâgde eines Hofs, welhe die Gutsherrshaft um Ss gegen die Behandlung des Meieristen angeangen hatten, zuerst durch den Gutsherrn in der empörendsten Weise behandelt, dann aber au noch wegen Vergehens gegen die bestehenden Gefege mit Haft bestraft wurden! Und da_ will man von einer bereits vorhandenen Rechtsgleichheit aller Staatsbürger \prechen! Anderer- seits hat sich in derselben Provinz ein landwirthschaftliher Schuß- verein der Arbeitgeber gebildet, welher seine Mitglieder verpflichtet, ibren Arbeitern weder irgend eine Arbeitsvergünstigung, noch eine Lohnerhöhung zu gewähren. Die Arbeiter aber, gegen die solche Schutzvereine sch zusammenschließen, haben ihrerjeits nicht das Necht, sich zu koalieren, zu organisieren. Selbst der „Kölnischen Zei- tung“ geht diese ‘Art des Vorgehens der ländlihen Arbeitgeber wider den Strich; sie warnt sie vor der zu \{roffen Betonung ihres Malen eres. Der Arbeitgeber, der Grundbesißer macht von dem Vereinsrecht den ausgiebigsten Gebrau, den Arbeitern ver- bietet man die Organisation, und da spricht nian immer noch von Rechts8- gleihheit in dem Verhältnisse von Arbeitern und Arbeitgebern! Gerade die Rechte hätte alle Ursache, auf eine Besserung der ebenslage der Landarbeiter zu wirken. Der Zug der Arbeiter vom Lande, ihr Zudrang in die Städte hat seine Hauptursache in der Behantlung, die de von den Grundbesitern erfahren, und in den Wohnungs- und Nahrungs- verhältnissen. Eine Besserung dieser Verhältniffe würde bessere Land- arbeiter hafen und fie der ländlichen Arbeit erhalten. Angeblich fann die Landwirthschaft höhere Löhne nit bezahlen. Aber eine bessere Bezahlung des Arbeiters würde auch seine Leistungsfähigkeit

erhöhen, die Erträge der Landwirthschaft steigern und fie so in den Stand seßen, dauernd die höheren Löhne zu zahlen. (Präsitent von Leveßow kann nicht erkennen, daß diese Aus- führungen noch zur Sache gehören.) Jch will . gerade den Nachweis führen, wie dur diese Vereinigungen nicht nj. die privat- rechtlichen, sondern auch die öffentlih-rechtlihen Interesse? der Arbeiter efördert werden können. Unsere ganze wirthshaftlihe Entwickelung ist so weit fortgeschritten, daß an eine Organisation der Arbeiter endlih gedacht werden muß. In der Reichskommission für Arbeiter- statistik wollten wir Erhebungen, betreffend das Bäcktereigewerbe, an- stellen; aber Organe, welche uns über die Lage der Arbeiter in dieser Branche Aufschluß geben könnten, giebt es bis jeßt nur in ganz ungenügendem Maße. Auch das Fabrikinspektorat muß die Existenz organisirter Arbeitervereinigungen wünschen.

Darauf wird ein Schlußantrag angendmmen.

In seinem Schlußwort bittet der Abg. Spahn (Zentr.) um Annahme der Anträge. j

bg. Dr. Meyer-Halle (fr. Ver.) nimmt für den Antrag Langerfeldt das Se und polemisiert in demselben haupt- fählih gegen die Ausführungen der beiden sozialdemokratishen Redner.

Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Stumm werden ie Anträge einer Kommission von 14 Mitgliedern über- wiesen.

In die Berathung der noch auf der Tagesordnung stehenden Anträge wegen Abänderung des Wahlgesezes wird nicht“ mehr eingetreten. :

Präsident von Leveßow theilt mit, daß der frühere Bureau - Direktor des Reichstags Happel im Alter von 80 Jahren verstorben isst. Ec widmet dem Heimgegangenen, der vor 14 Jahren pensioniert wurde, einen ehrenden Nachruf. Die Mitglieder des Hauses erheben sih zu Ehren seines Ge- dächtnisses von den Sizen. z

Schluß gegen 5 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

4. Sizung vom 24. Januar 1894.

Bei Fortsezung der ersten Berathung des Staatshaus- halts-Etats für 1894/95 (s. den“Anfangsberiht in der gestrigen Nr. d. Bl.) nimmt nach dem Abg. von E yneern (nl.) das Wort der

Abg. von Kardorff (frkons.): Der Vorredner hat darauf hin- gewiesen, daß der Reichstag sih in einen Gegensaß seßt zu den Einzel- Landtagen. Der Reichstag geht aus direkten allgemeinen Wahlen hervor, und es liegt die-Sefahr nahe, daß die Sozialdemokratie dort einmal die Mehrheit erhält. Wir haben im Landtage eine Ver- tretung der besißenden Klassen. Ich habe einmal einen Antra gestellt, das Wahlreht Preußêns und des Reiches anzunähern. I wollte nicht das allgemeine WahlreW(t in Preußen einführen ; auf die Dauer wird cs nicht mögli sein, zwei so große Körperschaften, wie den Reichstag und den preußischen Landtag, auf so ver- schiedene Wahlrehte zu begründen. Herr Richter und Herr Rickert hätten auch dabei ein Interesse, denn sie sind mit ihren

reunden beinahe ganz veischwunden. (Zuruf des Abg. Richter: Sie wären ja beinahe auch verschwunden!) Ach nein ! Die fkonser- vative Partei ist in alter Stärke wieder erschienen. Die Freisinnigen werden auch im Reichstag immer mehr von Konservativen und Sozial- demokraten verdrängt werden, und werden dann zu \pät einsehen, daß es nothwendig gewesen wäre, die Wablrechte einander zu nähern zum Wohl der Gesammtheit. Die Verhältnisse der preußishen Finanzen sind zum theil noch als günstige hingestellt worden; aber man vergißt, daß Preußen an den Reichsshulden doch auch theil- nimmt; diesen Reicbsshulden stehen aber keine werbenden Besig- thümer gegenüber. Man spricht davon, daß die Verhältnisse wieder ünstig würden. Das stimmt niht mit dem überein, was gestern im Reichstag gesagt wurde von dem allgemeinen Darniederliegen nicht bloß in der Landwirthschaft, sondern auch in der Industrie und im Handel. Darin stimme ich mit Herrn Sattler überein, daß wir uns mit der Staatsbahnverwaltung fo stellen müssen, daß wir eine bestimmte Summe von ihren Einnahmen für allgemeine Stäats- zwecke verwenden und dadurch E Schwankungen vermeiden müssen. Daß die Steuervorlagen im bean vershwinden werden, glaube ih nit; bisher sind nur die Gegner der Vorlage erschienen; die Ne werden nachher kommen und stimmen (Widerspruch inks), weil in den Einzelstaaten der Druck der Matrikular- beiträge zu fühlbar werden würde. Das O der Landwirthschaft ist anerkannt worden. Wenn fo vielen Menschen die Kaufkraft geshmälert wird, so muß die Industrie natürli auch leiden, denn der innere Markt is für die Industrie“ doch wichtiger als der {wankende Export- Herr Ritert hat gemeint, man solle den Großgrundbesiß parzellieren und an kleine Besißer abgeben; dann würde der Nothstand aufhören. Die landwirthschaftlihen Noth- lagen haben stets ein entgegengeseßtes Ende genommen, in England, in Jtalien u. f. w. Große Latifundien entstanden ; das Land wurde dem Ackerbau entzogen und zu Viehweiden oder zum Vergnügen der reihen Leute eingerihtet. Daß im Westen der Bauernstand weniger zu leiden hat, mag richtig sein; aber in dem allerlezten Jahre ist auch die Verschuldung des kleinen Grundbesizes erheblich gewachsen. Wir haben in Schlesien eine große Anzahl kleiner Besißer, die vom Ertrage ihrer Scholle leben fönnen und die einen gewisfen Stolz darein seßen, nicht in fremde Arbeit zu gehen. Jett können sie niht mehr davon leben ; dex Mann geht auf Arbeit, das A wird zerstört. Schließlich wird das Grundstück subhastiert und die Familie sinkt in die Reihe der Tagelöhner zurück. Diese Wandlung vollzieht si jeßt bei Tausenden von Familien im Osten Preußens. Be- züglih der Auslandsbestellung der Eisenbahnen u. f. w. stimme ih Herrn von Eynern vollständig zu. Dabei gehen bedeutende Ein- nabmen für uns verloren. Herr von Eynern meint, der Bund der Landwirthe habe von der Fortshrittspartei gelernt. Aber niemals wäre es möglich gewesen, bloß durch die Agitation eine so weitgehendè Bewegung hervorzucufen, wenn nicht wirklich die Nothlage eine fo roße und gewaltige gewesen wäre, wie sie ist. Daß die Landwirthe fh \chließlih ihrer Haut wehren, is doch wohl selbstverständlich. Wir erleben seit Jahren eine starke Entvölkerung des platten Landes. Das führt naturgemäß dazu, daß das Arbeitsangebot in den Städten ih mehrt und die Arbeitslöhne drückt, woraus dort die. gewerblichen Nothbstände entstehen. Herr von Eynern meint, die Noth der Landwirthe rühre von der Kapitalarmuth her, er will kapital- fräftige Landwirthe haben. Aber die kapitalkräftigeren Leute sind keine Bauern, fondern Latifundienbesißer. Deutschland hat an auswärtigen Werthpapieren viele Millionen verloren, sodaß man fragen nug Ist es wirklich bedenklih, Geschäfte in solhen Papieren zu besteuern, selbst auf die Gefahr hin, daß diese Papiere niht mehr gekauft werden, fondern hier im Lande das Kapital aufgelegt wird? Man sagt auc, daß die Auswanderung der russischen Werthe die Einführung der fremden unsicheren Anleihen mit La gebracht habe. Aber id glaube, der Umstand, daß fo viele russische