1894 / 24 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Seine Durchlaucht der Fürst von Bismarck hat gestern Abend 71/4 Uhr Berlin wieder verlassen. Nachmittags hatte der Fürst Jhrer Majestät der Kaiserin Friedrich einen Besuch abgestattet. Um 6 Uhr fand in den Gemächern des Fürsten eine fleinere Abendtafel stait, an welher Seine Majestät der Kaiser und Seine Königliche Dee der Prinz Heinrich theilnahmen. Kurz nah 7 Uhr verabschiedete fih der Fürst von Jhrer Majestät der Kaiserin und wurde von Seiner Majestät dem Kaiser und König in geschlossenem Galamwagen, der von einer Schwadron Garde-Kürassiere esfor- tiert wurde, nach dem Lehrter Bahnhof geleitet. Auf dem Wege dahin, insbeondere Unter den Linden, wurde der Wagen von lebhaften freudigen Zurufen . der dichtgedrängt stehenden Menge begrüßt. Auf dem Bahnhof waren die sämmtlichen Herren des Hauptquartiers, sowie mehrere Generale an- wesend. Seine Majestät der Kaiser geleitete den Fürsten zu dem Salonwagen, drückte ihm herzlih die Hand und küßte ihn wiederholt aut beide Wangen. Nachdem der Fürst den mit reihen Blumenspenden angefüllten Salonwagen bestiegen hatte, wandte Sih Seine Majestät der Kaiser mit einigen huldvollen Worten an den Grafen Herbert Bismarck. Alsdann unterhielt Sich Seine Majestät wieder mit dem Fürsten, welcher den Kürassierhelm abgelegt hatte und fich aus dem Fenster beugte. Das Publikum, welches zum theil auf den Bahnsteig zu- gelassen worden war, brahte Seiner Majestät dem Kaiser und dem Fürsten Bismark enthusiastishe Hochrufe und stimmte das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Als der Zug die Halle verließ, ertönten wiederum E, auf welche Fürst Bismarck freundlih lächelnd mit Verneigen dankte. Jn seiner Begleitung befanden sih die Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck, sowie Professor Schwe- ninger. Seine Majestät der Kaiser verließ hierauf unter be- geisterten Hochrufen des Publikums den Bahnhof.

Die Ankunft des Fürsten in Friedrihsruh erfolgte Abends 11 Uhr. Der Weg vom Bahnhof bis zum Schloß war dur Magnesiumfackeln erhellt. Eine zahlreih versammelte Menge brachte dem Fürsten begeisterte Ovationen dar.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat Seine Majestät den Fürsten Bismarck zum Chef des Kürassier - Regiments von Seydliß (Magdeburgisches) Nr. 7, à la suite dessen Fürst Bismarck bisher geführt wurde, ernannt.

Aus Breslau, Leipzig, Dresden und anderen Städten wird gemeldet, daß aus Anlaß des Besuchs des Fürsten Bis- marck in Berlin geflaggt war und mancherlei patriotische Kundgebungen erfolgten.

Das „Armee - Verordnungs - Blatt“ vom heutigen Tage veröffentliht nachstehenden Allerhöchsten Gnadenerlaß: s Ih will den Tag, an welchem Ich eine 2ösjährige Militär- Dienstzeit vollende, hinsihtlich Meiner Armee durch einen Aft der Gnade auszeihnen und folgende, innerhalb des Bereichs der preu- ßishen Militärverwaltung von militärisGen Vorgeseßten oder von Militärgerihten verhängte Strafen, soweit leßtere am 27. Januar d. F. noch niht oder nit vollständig vollstreckt sind, hiermit in Gnaden erlassen :

1) alle im Disziplinarwege verfüc.ten Arrefststrafen, sowie die in den Fällen des § 28 der Disziplinar-Strafordnung für das Heer auf- erlegten Haftstrafen oder Geldbußen,

9) die wegen militärisher Vergehen gerihtlich erkannten Arrest- strafen, sofern die Strafe vier Wochen gelinden oder drei Wochen mittleren oder vierzehn Tage strengen Arrestes nicht übersteigt.

Ausgeschlossen bleiben jedoch diejenigen Militärpersonen, gegen welche i a. wegen vorschriftéwidriger Behandlung oder Mißhandlung

Untergebener (§§ 121, 122 des Militär-Strafgeseßbuchs), b. wegen Diebstahls oder Unterschlagung auf Grund des § 138 a L 22, c. neben der Arreststrafe auf eine militärische Ebrenstrafe erfannt worden ift.

Ich beauftrage das Kriegs-Ministerium, für die s{leunige Be-

fanntmahung und Ausführung dieses Erlasses Sorge zu tragen. Berlin, den 27. Januar 1894. Wilhelm. Bronsfart von Schellendorff. An das Kriegs-Ministerium.

Ferner enthält das „Armee-:Verordnungs:Blatt“ folgende Allerhöchste Kabinets-Ordres, betreffend die Erleich- terung der feldmarshmäßigen Belastung der Jnfanterie bezw. Schießauszeichnungen:

Fch bin auf Grund Meiner eigenen mge sowie der Berichte, welche die General-Kommandos über die a Herbst- übungen erstattet haben, zu der Ueberzeugung gelangt, daß die feld- marschmäßige Belastung der Infanterie dringend einer wesentlichen Erleichterung bedarf. Jch halte das, was bisher in dieser Hinsicht gesehen, nicht für genügend, um die Marsh- und Gefechtskrast Meiner Infanterie in dem Maße zu steigern, wie dies die heute an dieselbe zu stellenden Aufgaben fordern, und beauftrage Sie daher, Mir \{leunigst noch weitere auf die Erleichterung der Infanterie ab- zielende Vorschläge zu unterbreiten. Berlin, den 27. Januar 1894. Wilbelm. An den Kriegs-Minister.

äIch bestimme, daß die Schüßenabzeichen der Infanterie, der Jäger und Schüßen, wie der Pioniere und Eisenbahntruppen fortan die

orm von Fangschnüren nah beifolgenden Proben haben. Gleiche

bzeichen find auch bei den anderen Waffen, in welcher Hinsiht Ich Vorschlägen des Kriegs-Ministeriums entgegensehe, zur Einführung zu bringen. Es gereiht Mir zur Freude, in den neuen Abzeichen der Armee ein sihtbares Zeichen Meiner Anerkennung für die Leistungen im Schießdienste zu gewähren. Ich halte Mich überzeugt, daß diese Bethätigung Meines Interesses an dem genannten, für die friegs- mäßige Ausbildung besonders wichtigen Dienstzweige stets ein erhöhter Ansporn für die weitere Förderung desselben sein wird. Berlin, den 97. Sanuar 1894. Wilhelm. Bronfart von Schellendorff.

Die Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers und Königs

wurde heute Morgen durch das Blasen eines Chorals und einiger geistliher Lieder von der Kuppel der Schloßkapelle und durch das von den Spielleuten des 4. Garde-Regiments aus- eführte große Wecken eingeleitet. Alsbald shmückten sih die Tie mit Flaggen, die Schaufenster mit Blumengruppen, deren Mittelpunkt die Büste Seiner Majestät bildet, und eine ahlreihe Menschenmenge durchzog die Straßen, insbesondere die Linden, um ihrer Theilnahme an dem Fest Ausdruck zu

genen. Um 11 Uhr fand in der Kapelle des Königlichen chloses ein feierliher Gottesdienst und daran anschließend im Weißen Saale Gratulations-Cour bei den Majestäten statt.

Zu Beginn der Gratulations-Cour wurden durch die Leib- Batterie des 1. Garde-Feld-Artillerie-Regiments im Lustgarten 101 Salutschüsse gelöst.

Um 121/54 Uhr fand im Zeughause große Parole-Ausgabe statt. Hierzu war eine Kompagnie des 2. Garde - Regiments . F. mit Fahne, Spielleuten und der Regimentsmusik, die direkten Vorgeseßten auf dem rechten E lügel, dem Ian des Zeughauses gegenüber im Paradeanzuge in

änteln ausgestellt. ei Annäherung Seiner Majestät des Kaisers und Königs präsentierte die Kom- pagnie, die Musik spielte die Nationalhymne. Seine Majestät schritten die Front der Kompagnie ab und begaben Sich in das Zeughaus. Jnzwischen formierte sich die Kompagnie zum Vorbeimarsh, welher nah beendeter Parole um 11/4 Uhr ausgeführt wurde.

Die festlihen Veranstaltungen hatten bereits am Don- nerstag ihren Anfang genommen, wo Nachmittags um 5 Uhr die Königlihe Akademie der Wissenschasten ihren Statuten gemäß zugleih die Gedächhtnißfeier Friedrih's des Großen und die Vorfeier des Geburtsfestes Seiner Majestät des regierenden Kaisers und Königs mit einer Fest: sizung unter dem Vorsiß ihres ständigen Sekretars Herrn Auwers beging; der Sißung wohnten Seine Durchlaucht der Prinz und Jhre Hoheit die Prinzessin Albert von Sachsen- Altenburg sowie der vorgeordnete Staats - Minister Dr. Bosse bei. e

Der Vorsitzende eröffnete die Sißung mit einleitenden Worten, in welchen er der Beziehungen Friedrichs des Großen zur Akademie, insbesondere der von dem Konige vor gerade 150 Jahren an seinem Geburtstage du-Z/ Vershmelzung der alten „Sozietät der Wissenschaften“ ünd der nah Friedrih's Negierungsantritt entstandenen frcien Vereinigung der „Lite- rarischen Gesellschaft“ und durch Verleihung neuer Statuten für die vereinigte Körperschaft vollzogenen Erneuerung der Akademie, ferner der lirerarishen Denkmäler gedachte, welche diese dem Gedächtniß des Königs errichtet hat und zu errichten fortfährt, und nach cinem Rückblick auf die fünf seit der Thronbesteigung Seiner Majestät des regierenden Kaisers und Königs verslossenen Jahre den Wünschen der Akademie für dessen fernere Herrshaft Ausdru ‘gab.

Es erfolgte alsdann die für diese Sitzung vorgeschriebene Berichterstattung über den Fortgang der großen wissenschaft- lichen Unternehmungen der Akademie im verflossenen Jahre und die Vorlage der Jahresberichte der mit der Akademie verbundenen Stiftungen und Jnstitute.

Der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Heinri ch von Sybel eröffnete die Neihe dieser Berichterstattungen mit einem Vortrag, den wir im Wortlaut in der Ersten Beilage veröffentlichen.

Hierauf wurden die folgenden Berichte verlesen:

Sammlung der griechischen Inschriften.

, Bericht von Herrn Kirchhof f.

Was die Sammlung der griehishen Inschriften betrifft, so sind die Indices zur zweiten Abtheilung des Korpus der Attishen In- riften mit dem Beginn des verflossenen Jahres zur Ausgabe ge- langt, und der Druck der Supplemente zu derselben Abtheilung, wélche bestimmt find, den ¿zweiten Theil des vierten Bandes zu bilden, hat begonnen werden können. Die Arbeiten an dem zweiten und dritten Bande der Nordgriehishen Inschriften haben ihren Fortgang genommen. Außerdem hat Herr Dr. Freiherr Hiller von Gärtringen das von ihm gesammelte Material für die Inschriften von Rhodos und den näcstgelegenen kleineren Inseln der Akademie zur Verfügung gestellt, und ist dasselbe bestimmt worden, von ihm redigiert als erster Theil eines Korpus der Inselinschriften veröffentlicht zu werden. Die N ist soweit gefördert, daß die Drucklegung fofort wird beginnen önnen.

Sammlung der lateinishen Inschriften. Bericht der Herren Mommsen und HirsGfel d.

Von der Sammlung der lateinishen Inschriften sind in diesem Jahre die zweite, von den Herren Mommsen und Hülfen bearbeitete Auflage des die Fasten und Elogien enthaltenden Theils des ersten Bandes und der dritte Fascikel des Supplements zu dem dritten Band, der die Nachträge zu den Inschriften von Pannonien, Noricum, Raetien, ferner zu dem Edikte Diocletian’s und den Militärdiplomen in der Bearbeitung der Herren Mommsen, Hirschfeld, von Domas8zewski umfaßt, zur Ausgabe gelangt. Die Vorarbeiten für die zu diesem Bande gehörigen Karten und Indices, die für die ganze dritte Ab- theilung neu zu bearbeiten sind, sind fo weit gefördert, daß der Ab- {luß des Supplementbandes in diesem Jahre erfolgen kann.

Der Druck der Pompejanishen Wachstafeln hat infolge ander- weitiger Verpflichtungen des Herrn Zangemeister noch nit beginnen können. Die Redaktion der übrigen Nachträge zu dem vierten Bande (Pompejanishe Wandinschriften) is Herrn Mau in Nom übertragen worden.

Die Wiederaufnahme des seit längerer Zeit unterbrochenen Drucks des: sechsten Bandes (stadtrömishe Inschriften) wird von Herrn Hülsen in unmittelbare Aussiht gestellt.

Herr Bormann hat die von der Hauptsammlung allein noch übrigen Inschriften von Umbrien im Manuskript fertiggestellt und großentheils gedruckt. Er hofft, nah dem Abschluß derjelben das von Herrn Ihm redigierte Instrumentum und die Nachträge zum Druck zu bringen. :

Der mit der Bearbeitung des afrikanischen Supplementbandes (VIII) beauftragte Herr Johannes Schmidt in Königsberg ift nah längerer Krankheit am 6. d. M. verstorben. Es ist ihm nicht ver- gönnt gewesen, dieses Werk, dem er in treuer Hingebung seine reiche Kraft gewidmet hat, zum Abschluß zu bringen; und gleihwie der- jenigen seines Vorgängers Gustav Wilmanns hat der Tod vor der Zeit au feiner Arbeit ein jähes Ziel geseßt. Jn dankenswerther Weise hat noch vor dem Eintritt der seit längerer Zeit vorausgefehenen Katastrophe Herr Dessau fich der ekeralins der für diefen Band noch ausstehenden Arbeiten unterzogen. Derselbe hat im Verein mit Herrn Cagnat den Druck der Inschriften von Numidien vollendet, die demnächst als besonderer Fascifel zur Ausgabe gelangen sollen.

Den Druck der germanishen Inschriften (XII1 2) haben die Herren Hirs{hfeld und Zangemeiffer für den südlichen Theil von Ober- Germanien weitergeführt. l,

Die Redaktion der Inschriften der gallishen Provinzen ift von Herrn Hirschfeld so weit gefördert, daß der Beginn des Drucks dieses Bandes (XII1 1) für dieses Jahr mit Sicherheit in Aussicht gestellt werden kann. Die Ausarbeitung des gallish-germanishen Instru- mentum hat Herr Bohn für einige Abtheilungen vollendet.

Die Bearbeitung des stadtrömischen Instrumentum (Band XV) hat Herr Dressel bis zum Give der Arretinischen Gefäße in dem verflossenen Jahre gefördert. Derselbe hofft, nah Vervollständigung des Materials für die übrigen Thongefäße und die Lampen, den Druck in der früheren Weise weiterführen zu können. j |

Das epigraphishe Archiv, das zur Zeit in den Räumen der König- lichen Bibliothek - ih befindet, ist in diesem Jahre befonders durch die bisher bei Herrn Schmidt aufbewahrten, zum theil noch von Herrn Wilmanns angefertigten Abklatsche bereichert worden. Die Benutzung des Archivs ist unter den durch die Beschaffenheit der Sammlung gebotenen Kautelen den Gelehrten jeden Dienstag von 11 bis 1 Ühr gestattet.

Corpus nummorum. : Bericht des Herrn Mommsen.

Die als nothwendig ih berausstellende Revision einer Anzahl von Exemplaren des Pariser Kabinets hat Herrn Pick genöthigt, in den Osterferien v. I. si dorthin zu begeben, und die HeIeinng des\felben von Zürich nah Gotha sowie andere einschlagende Momente sind dem Fortgang der Arbeiten hinderlich in den Weg getreten. Indeß sind die für den erften Band der nordgriehischen Sammlung bestimmten 20 Tafeln aufgenommen worden, und es is ein großer Theil des dazu gehörigen Manuskripts fertiggestellt worden. Der Sat dieses Bandes hat ebenfalls begonnen. Für den zweiten ift Herr Gaebler gleihfalls dauernd thätig gewesen.

Prosopographie der römischen Kaiserzeit. Bericht des Herrn Mommsen.

_Von sämmtlichen ‘drei Bänden der Prosopographie der römischen Kaiserzeit hat der Dru des ersten (albhabetishen) Haupttheils be- gonnen, und zwar ist im Laufe des leßten Jahres der erste von Herrn Klebs bearbeitete Band im Satz bis zu Bogen 4, der zweite von Herrn Dessau bearbeitete bis zu Bogen 15, der dritte von Herrn von Rohten bearbeitete bis zu Bogen 9 fortgeschritten.

Ausgabe der Aristoteles-Kommentatoren.

: Bericht der Herren Es und Diels.

Unseren dieéjährigen Bericht haben wir zu beginnen mit dem Auédruck des lebhalteltea Dankes gegen die hohe Staatsregierung, durch deren Unterstüßung es uns ermöglicht ist, das Aristoteleswerk in i ursprünglich geplanten Zeit und Ausdehnung zur Vollendung zu bringen.

Der Druck der beiden umfangreihen Kommentare des Sim- plicius zur Physik (V—VIII, berausgegeben von Herrn Diels) und zu de caelo (herausgegeben von Herrn Heiberg) if erfreulih fort- geschritten, sodaß der Abschluß beider Bände im laufenden Jahre ner zu erwarten ift.

Daneben wurde der erste Theil des I11. Bandes des Supple- mentum Aristotelicum in der Bearbeitung des Herrn Diels heraus- gegeben. Dieser Theil enthält die medizinishen Ercerpte eines etwa um das Jahr 100 n. Chr. beschriebenen Papyrus, der vor kurzem in den Besiß des Britishen Museums zu London gekommen ist. Da die erste Hâlfte dieser Excerpte bisher unbekannte Auszüge aus den unter Aristoteles'’ Namen gebenden, von Menon, einem Schüler des Aristoteles, verfaßten Jatrika enthält, fo war der Wunsch begreiflich, diese werthvollen Ueberreste einer Geschichte der Medizin aus der altperipatetischen Schule unserem Aristoteleswerk einzuverleiben. Daß dieser Wunsch sobald sih verwirklichen konnte und unserer Akademie die Ehre der Editio princeps zu theil wurde, verdanken wir der außerordentlichen Liberalität der Verwaltung des Britishen Museums, der wir gerne auch an dieser Stelle gedenken.

Ausgabe der griehishen Kirchenväter. Bericht des Herrn Harnack.

Die Vorarbeiten für eine Ausgabe der ältecen christlichen griechishen Literatur sind im vergangenen Jahre beendigt worden und eine vollständige Uebersiht über die Ueberlieferung und den gegen- wärtigen Bestand jener Literatur liegt gedruckt vor. Die Akademie erwartet nur die Genehmigung des Seiner Excellenz dem Herrn Minifter vorgelegten Planes der Au8gabe sowie die Gewährung der nöthigen Mittel, um sofort die Edition zu beginnen.

/ Acta borussica. Bericht der Herren von Sybel und Shmoller.

I. Der erste Band der von Herrn Dr. Krausfke bearbeiteten Be- höôrdbenorganisation, welher die Epoche von 1700 bis 1713 fowie von der Regierung Friedrich Wilhelm’s I. die Zeit bis Ende Juni 1714 nebst cinem Negister ania ist auf etwa 900 Seiten fertig gedruckt und kann in den nähsten Wochen ausgegeben werden, sobald Vorwort und Einleitung von Professor Shmoller vollends fertiggestellt und gedrut sein werden. Von dem folgenden Bande if auch bereits ein erheblicher Theil des Manusfkriptes der Vollendung nahe.

11. Bezüglich der preußishen Getreidehandelspolitik, welhe Dr. W. Naudé in Händen hat, konnte vorm Jahre gemeldet werden, daß die Aftensammlung bis 1786 in der Hauptsache fertig sei. Bei dem grcßen Umfang derselben schien es angezeigt, die vor 1713 fallenden Stücke weder in extenso, noch in MNegestform abzudrucken, sondern diefen Theil des Stoffes in Form ciner Einleitung zu geben. Mit der Herstellung derselben war Dr. Naudé dieses Jahr über beschäftigt ; fie wird als besonderer Band erscheinen und neben den handels- politishen brandenburgisch - preußishen Maßregeln bezüglih des Getreides die Anfänge des Magazinwesens, die Geschichte der Preise, Ernten und Theuerungen bis 1713, fowie einen Ueberblick über die analoge Politik der übrigen europäishen Staaten im 17. Jahrhundert und bis 1713 enthalten. Das Bändchen wird, sobald es fertig ist, gedruckt und ausgegeben werden. Der Druck der Akten von 1713 an wird sich dann sofort anschließen.

ITI. Herr Dr. Hintze hat fortgefahren, die Materialien für die Behördenorganisation und innere Staatsverwaltung unter Friedri dem Großen zunächst bis 1756 zu fammeln. Er hat hauptfächlich die Cocceji?’shen Justizreformen in Bearbeitung und if zu diesem Zwecke im Sommer 1893 längere Zeit im Breslauer Archiv thätig gewesen.

IV. Herr Berg: Assessor Schweemann, welcher feit Oktober 1892 an Stelle von Berg- Assessor Knops getreten ist, hat im Laufe des Sahres 1893 die Akten der Bergabtheilung des Ministeriums « für Handel und Gewerbe und des" hiesigen Staatsarchivs, welche“ sich auf das Salinenwesen (das Salzregal, den Salzhandel, die Seehandlung, die pfännerschaftlihen Salinen) von 1700 bis 1805 beziehen, aus- gezogen und bearbeitet. Es steht zu hoffen, daß er dieses ganze Gebiet absolviert haben wird, wenn er im Laufe des Jahres 1894, wie er wünscht, von dieser Thätigkeit zurück- und in eine praktische Stellung übertritt. :

V. Der Lieutenant a. D. Dr. Freiherr von Schrötter hat fort- gefahren, die auf die brandenhutgisGrhrewmhe Wollindustrie des 18. Jahrhunderts bezüglichen Akten durhzuarbeiten; im Oktober 1893 ist er nah Breslau übergesiedelt, um auf ein halbes Jahr am Bres- lauer Staatsarchiv die \chlesischen Akten, die sich auf das Woll- gewerbe, den Wollhandel und die einshlägige Handelspolitik beziehen,

durchzusehen. f Humboldt-Stiftung. Bericht von Herrn E. du Bois-Reymond. _

Das Kuratorium der Humboldt-Stiftung für Naturforschung und Neisen erstattet statutenmäßig Bericht über die Wirksamkeit der Stiftung im verflossenen Jahre. y :

Ueber die Fortschritte in der Bearbeitung des Materials der Plankton-Expedition meldet Herr Hensen Folgendes. Die Zählungen waren im Juni des Jahres beendet, aber es mußten noch die reen Formen zur genauen Bestimmung für die bezüglichen Mitarbeiter heraus esucht werden, welche Arbeit erst im Oktober zum Abschluß kam. Die Herren Mitarbeiter konnten ihre Arbeiten nicht gut abschließen, ehe au noch dies Material in ihren Händen war. Daher sind im verflossenen Jahr nur einige Abschnitte zur Verausgabung gelangt, Es sind dies: Krümmel, Geophysikalishe Beobachtungen; Traustedt, Thaliaceen, systematisher Theil; Dahl, Halobatiden; Lohmann, Halacarinen - Ortmann, Dekapoden und Schizopoden; Maas, Craspedote Medusfen. Sechs neue Abtheilungen sind im Beginn des Drucks, eine größere Reibe is Herrn Hensen für das Jahr 1894 bestimmt zugesagt, do ergiebt sih, daß die Ausarbeitung wegen der Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse ungewöhnlih viele Mühe macht und Ver- zögerungen erfährt. 4 :

Herr Professor Dr. Karl von den Steinen, welcher unter Bes theiligung der Stiftung 1887—1888 eine zweite Expedition den Xingú hinauf ausgeführt hatte, gab {hon 1892 ein Buch heraus über die Sprache des dortigen Karibenstammes der Bakaïri. Jett hat £ diesem Werke ein größeres, mit Photogrammen reich ausgestattete® - „Unter den Naturvölfern Zentral-Brasiliens*, Leipzig 1893, folgen laffen. Z

Von dem mit Stiftungsmitteln auf Madagaskar weilendes Berliner Zoologen, Herrn Dr. Alfred Voelbkow, sind im Mai de Jahres höchst interessante Nachrichten über das Eierlegen, die Brut- vflege und überhaupt die Naturgeschichte der Krokodile eingegangen»

welhe- Thiere in folher Fülle und mit solher Kühnheit bisher kaum je beobachtet wurden. Nach unserem Reisenden geht ein guter Thei der embryonalen- Entwicklung {hon im Eileiter vor sih, sodaß man fast sagen kann, die Krokodile seien auf halbem Wege zum Lebendig- gebären stehen geblieben.

_ Während dann Herr Dr. Georg Volkens am Kilimands{aro \sih mit Stiftungsmitteln er erhielt einen weiteren Zushuß von 3000 A der Erforshung der afrikanischen Alpenflora widmet, ist an der chilenishen Küste Herr Dr. Plate mit zoologischen Studien beschäftigt, von denen er s{chon in zwei Ab- handlungen in den Sißungsberihten der Akademie, über die fälshlich zu den Lungenschnecken gestellte Gadinia peruviana, und über den Kreislauf und die Nieren der Chitonen Kenntniß egeben hat. ine fehr umfangreihe Sendung von E Zephalopoden, Dekapoden, Mollusken, Echinodermen, Scchnecken,

ürmern, Coelenteraten, wobei auch einige Vögel und Säuger nicht fehlen, ift aus Iquique {hon in vortrefflihem Zustande eingetroffen und zeugt von Herrn Dr. Plate’'s glücklihem Sammlerfleiß. Nach einem kürzlih eingegangenen Schreiben war er: im Begriff, an Bord eines ilenischen Kriegs\chifffes sh nach der zoologisch erst sehr unvollkommen gekannten Robinfon-Insel Juan Fernandez zu einem längeren Aufenthalt zu begeben, von welchem er si eine reie Aus- beute verspricht. i

Mittlerweile fuhr die Stiftung fort, durch weitere Austheilung von Unterstüßungen neue Unternehmungen zu ermöglidhen und vorzu- bereiten. Herrn Dr. Max Verworn, Privatdozenten in Jena, wurden 2000 Æ bewilligt zu einem Aufenthalt am Rothen Meere. Hier be- absichtigt er in erster Linie seine experimentellen Untersuhungen über die Funktion des Zellkernes und über dessen Beziehungen zu den Bewegungserscheinungen des Protoplasmas fortzuseßen, wozu nämli die über & ecm großen Foraminiferen mit 1 bis 2 ecm langen Pseudo- podienbüscheln an den dortigen Korallenbänken vortreffliche Gelegenheit bieten. Leider hat die an seiner Station herrschende Cholera der Aus- führung seines Planes zunähst Schwierigkeiten bereitet.

Dem Geheimen Medizinal-Rath Herrn Professor Dr. Frit, Vorsteher ter biologish-mikro\skopischen Abtheilung des Physiologischen Instituts hierselbst, sind zur fortgeseßten Untersuchung des Zitter- welses in Egypten, dessen Entwickelung noch immer in so tiefes Dunkel gehüllt ist, 2500 Æ, endlih Herrn Dr. K. Dove, zur Zeit in Südwest-Afrika, zur Fortführung seiner dort begonnenen klimatologischen und geographischen Forshungen 1600 4 zur Verfügung gestellt worden. _ Die für das laufende Jahr zu Stiftungszwecken verwendbare Summe beläuft fi ns abgerundet auf 7000 # Das Kapital der Stiftung hat sich im vorigen Jahre um 119 Fl. 28 Kr. vermehrt, welhe von der Kaiserlihen Akademie der Wissenschaften zu Wien als Betrag für die Stiftung eingegangener Sammlungen ein- gesandt und zu 192 Æ 60 &Z§ zum Tageskurse umgewehselt worden sind.

: Bopp-Stiftung.

Bericht der vorberathenden Kommission: HH. Weber, Schmidt, Dillmann, Steinthal, Zupißta.

Zum 16. Mai 1893, als dem Jahrestage der Stiftung, is von dem zur Verfügung stehenden Jahresertrage von 1892, im Betrage von 1350 Æ, die erste Rate, 900 (, dem Dr. O. Wiedemann, Privatdozenten in Dorpat, d. Zt. in Leipzig, zur Fortführung seiner litauis-\lawishen Studien, und die zweite Rate, 450 #4, dem Pro- fessor Dr. E. Leumann in Straßburg zur Fortseßung seiner Jaina- Studien zuertheilt worden.

Der jährliche Zinsertrag der Stiftung beläuft sich zur Zeit auf

1679 M 50 S.

Savigny-Stiftung. __ Veber den Druck des Wörterbuhs der klassishen Rechtswissen- schaft {weben noch Verhandlungen.

Die Arbeiten an dem Ergänzungsbande zu den Acta nationis Germanicae hat Herr Oberlehrer Dr. Knod zu Straßburg i. E. fo weit gefördert, daß ein namhafter Theil der Namen des Perfoneninder im wesentlichen biographisch erledigt ift.

4 Eduard Gerhard-Stiftung.

Auf die am Leibniz-Tage 1893 den Statuten gemäß erfolgte

erste Ausschreibung des Eduard Gerhard-Stipendiums sind eine An- zahl Bewerbungsschriften eingegangen. Das Ergebniß wird statuten- mäßig in der nächsten Leibniz-Sißung bekannt gemacht werden. - __ Die statutenmäßig zu erstattenden Jahresberihte für das Kaiser- lihe Arhäologishe Institut und die Monumenta Germaniae histo- rica werden später mitgetheilt werden, nachdem die Jahresfißzungen der leitenden General-Direktionen fstattgefundéèn haben werden.

_ Schließlich berichtete der Vorsißende über die feit der letzten Friedrihs-Sißung im Personalstande der Akademie eingetretenen Enge

Die Akademie hat dur den Tod verloren : die ordentlihen Mit- glieder Herrn Kummer aus der physikalish-mathematischen und Herrn von der Gabelenyß aus der philosophisch - historishen Klasse; die forrespondierenden Mitglieder der vhysikalisch-mathematishen Klasse, Herren P. J. van Beneden in Löwen, Alphonse de Candolle in Genf, Heinrich Very in Bonn, Arcangelo Scacchi in Neapel ; die korrespon- dierenden itglieder der philosophisch - historishen Klasse, Herren Giuseppe Canale in Genua, Alexander Cunningham îin London, Konrad Leemans in Leiden, Hermann Sauppe in Göttingen, Aloys Sprenger in Heidelberg, William Waddington in Paris.

Neugewählt sind die Herren Emil Fischer und Oscar Hertwig zu ordentlichen Mitgliedern der physikalish - mathematischen Klasse; zu korrespondierenden Mitgliedern : in der physikalisch-mathematischen Klasse die Herren Walter Flemming in Kiel, Wilhelm His in Leipzig, Leo Königsberger in Dee Derd, SaS Neumann in Leipzig, Gustav Rebius in Stockholm; in der philosophish-historishen Klasse die Herren VDtto Benndorf in Wien, Edward Byles Cowell in London, L. Duchesne in Paris, Theodor Gomperyz in Wien, Wilhelm von Hartel in Wien, Karl Justi in Bonn, Georg Friedrich Knapp in Straßburg, Habbo Gerardus Lolling in Athen, Adolf Merkel in Straßburg, Emil Schürer in Kiel, A. H. de Villefosse in Paris.

Herr Heinrih von Brunn in München, bisher korrespondierendes Mitglied, wurde zum auswärtigen Mitglied der philofophisch-histori- sen Klafse erwählt.

Die Königliche Akademie der Künste hielt zur Mi des Tages heute Vormittag um 11 Uhr eine öffentlihe Fest- sißung im reich geschmüdckten großen Saale der Sing-Akademie. Eine zahlreihe Versammlung wohnte der Feier bei. Das Ministerium der geistlihen 2c. Angelegenheiten vertraten die Geheimen Ober- Regierungs-Räthe Dr. Althoff und Naumann; ferner waren éricibken der Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler, der Dirigent der Ministerial- Baukommission, Geheime Ober - Regierungs - Rath Kayser, der Konsistorial-Rath Arnold, die Geheimen Regierungs-Näthe Dr. Curtius, Dr. von Bezold u. a. Die Mitglieder der Akademie hatten zu Seiten der Kaiserbüste Plaß genommen, rechts die Sektion für die bildenden Künste, links die Sektion für Musik. Das akademische Orchester und der Chor der Akademie, der unter Professor Joachim's Leitung stand, nahmen die Estrade ein. .

Die Feier begann mit der Festmusik für Chor, Orchester und Orgel von Joh. Seb. Bach: „Preise Jerusalem den Ln! lobe Zion, deinen Gott! Denn er machet fest - die Riegel deiner Thore und segnet deine Kinder drinnen; er haffet deinen Grenzen Frieden 2.“ Alsdann hielt der Ge- heime Ober-Baurath, Professor Adler die Festrede über „Wittenberg und Jerusalem“ und zwar im Anschluß an die am 31. Oktober 1892 erfolgte Einweihung der Schloßkirche zu Wittenberg durch Seine Majestät den Kaiser und die evangelischen gu ten Deutschlands und an die am gleichen Tage 1893 auf Allerhöchsten Befehl bewirkte

Grundsteinlegung der evangelischen Kirche zu Jerusalem durch den Präfidenten des Evangelishen Ober-Kirchenraths Herrn Barkhausen und den Vortragenden. |

Nach der Einleitung, welche der Bedeutung des Festtags galt, würdigte der Redner das vieljährige lebhafte Interesse es Kronprinzen Friedrich Wilhelm verewigten Kaisers Friedrih TIT. für die Wiederherstellung der Schloßkirche und besprah das grundlegende Bauprogramm des erlauchten Bauherrn. Demnächst ging er zu einer näheren Erörterung der umfangreichen tehnischen wie künstlerishen Arbeiten über,- welche innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren zur Ausführung gelangt sind. Ein Hauptgewiht wurde auf die Mittheilung des neuen reihen Jnnenschmucks gelegt, der mit Hilfe der drei bildenden Künste zu stande gekommen sei. Es habe fsich dabei besonders darum gehandelt, jeden späteren Besucher der Schloßkirhe durch dié sinn- volle fkünstlerishe Ausstattung an jene große Epoche der deutschen Geschichte zu erinnern, in welher Fürsten und Ritter, Gelehrte und Künstler, Bürger und Bauern mit größter Be- geisterung der neuen Lehre sih zuwandten. Geschehen sei dies durch statuarishen Shmuck von lebensgroßen Standbildecn, dur Erzreliefs, durch steinerne Wappen und reihe Glas- malereien. Den legten das Ganze würdig abshließenden Kunst- \{chmuck habe Seine Majestät der Kaiser und König dadurch herbeigeführt, daß er im Verein mit den zweiundzwanzig evangelischen Fürsten Deutschlands ein prachtvolles, reih in Eichenholz geshnißtes Rene, nebft seinem Kaiserstuhle im Chore gestiftet habe, damit für alle Zeiten ein siht- bares Denkmal seßend für die feste einmüthige Gesinnung, in welher auch urkundlih dieselben Fürsten ihre: Absicht aus- gesprochen hätten, unentwegt und treu an den Lehren der evangelishen Kirche festhalten zu wollen.

Unter Hinweis T, die engen geistigen Beziehungen zwishen Wittenberg a iege der Reformation und Jerusalem als die Heimath des Christenthums, wurden die Schicfsale der uralten Gottesstadt berührt und auf ihre eigenartige Stellung zu drei Religionen, welche hier heilige Stätten verehren, hin- gewiesen. Jn erster Linie steht dabei die unzerstörbare Sehn- sucht des Abendlandes, welche sih nah dem Verlust des hei- ligen Landes fortdauernd in Wallfahrten und Reisen deutscher Fürsten äußert. In der heiligen Grabeskirhe sind im XV. Jahrhundert Fürsten aus dem Hohenzollernhause wie sächsishe Fürsten gewesen, um hier den Rittershlag zu empfangen oder Reliquien und Merkwürdigkeiten zu sammeln. Von den ersteren sind hervorzuheben die drei Söhne des Kur- fürsten Friedrich 1., von den leßteren Kurfürst Friedrich der Weise, der Erbauer der Schloßkirche zu Wittenberg und der Hauptgönner und Schirmherr Luther's. Vierhundert Jahre später führte der fromme qristlihe Sinn Friedrich Wilhelm IV. zur Erneuerung des Johanniter - Ordens und zur Stiftung eines evangelischen Bisthums im Bunde mit England; doch ging sein heißer Wunsch auf Erbauung einer Kirche nicht in Erfüllung. Erst sein Neffe Kronprinz Friedrih Wilhelm, 1869 nach Jerusalem geschickt, übernahm das vom- Sultan seinem Vater geschenkte Terrain, nahe der Grabesfirhe belegen und einst den Johannitern gehörig. An diese Reise s{chloß sich schon 1871 die Mission des Vortragenden, den gesammten Besiß der Krone aufzu- messen und die vorhandene großartige Ruinenwelt einschließli der Kirche, welhe nah Allerhöchsten Direktiven für evangelische Zwecke im ganzen Umfange wieder nußbar gemacht werden soll, in architektonishen Entwürfen zu bearbeiten.

Die betreffenden, hon 1874 vollendeten Pläne follen nun- mehr, nachdem alle Schwierigkeiten in künstlerisher wie finan- gina Beziehung beseitigt sind, auf Befehl Seiner Mazestät es Kaisers in wenigen Jahren vollendet werden. Nachdem dann eine kurze Beschreibung der in vollem Flusse befindlichen Ar- beiten gegeben worden war und eine nähere Würdigung der alten E U in baulihem und geschihtlihem Sinne stattgefunden hatte, wurden zuleßt die merkwürdigen regen Beziehungen zwischen Jerusalem und der deutshen Kunst aus- führliher nachgewiesen und die Feier mit ehrfurhtsvollen Glücf- und Segenswünschen, und nahdem die Jubel-Ouvertüre von Carl Maria von Weber verklungen, geschlossen.

Die hiesige Königliche Friedri ch Wilhelms-Uni- versität beging die Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers und Königs heute in ihrem großen Hörsaale. Der- selben wohnten der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse, der Unter-Staatssekretär D. von Weyrauch, die Geheimen Ober - Regierungs - Räthe Dr. Althoff, Nau- mann, Spinola, Regierungs - Rath Schmidt und andere hervorragende Personen bei. Die Feier wurde mit Gesang eröffnet, worauf der Professor der Geschihte Dr. Lenz die Festrede hielt. L

Ausgehend von einem Hinblick auf die umbildende Kraft, welche die reformatorishen Jdeen in den von ihnen ergriffenen Staaten entwickelt haben, gab der E eine Uebersicht über die Lehre Luther’s von der politishen Gewalt. Der Reformator knüpft, wie er ausführte, den Begriff der „Obrigkeit“ (die er durhaus persönlih faßt) an den Begriff der Kreatur, der von Gott mit guten Zweckgedanken erfüllten Schöpfung, und stellt ihn auf eine Stufe mit den Begriffen von der Ehe, der Arbeit, dem Besig und allen irdishen Gütern. Fhre von Gott geordnete Gewalt ist die des Schwertes. Sie dient damit ledigli irdishen Jnteressen: dem Schuß des Friedens, der Wahrung des Rechts, der Förderung irdisher Wohlfahrt; ihre Funktion is nur negativ, Noth- wehr gegen die Bosheit und das Elend. Darum ist sie hon vor Gott gerecht: wenn auch ohne sein Wort, ist sie doch niht ohne seinen Rath, ohne seine „heimliche Ordnung.“ Hieraus leiten sih alle gegenseitigen Rechte und Pflichten der Regenten und der Unterthanen ab. Unbedingter Gehorsam gegen die Obrigkeit als die von Gott gesezte Ge- walt ist daher Pflicht auch der christlichen Unterthanen. Umgekehrt hat die Obrigkeit an sich keinerlei Verpflichtung

egen die Kirche, unter der Luther hier nur die unsichtbare Kirche versteht,“ die an Zeit und Stätte nicht gebundene Ge- meinschaft der wahrhaft Gläubigen ; sie kann ph nisch sein und ist doh vor Gott gereht. Jhre Pflicht gegen die Kirche beginnt erst, sobald sie selbst christlich geworden ist, und leitet sich, ohne ihr freatürlihes Reht irgendwie zu tangieren, aus der Pflicht der christlihen Liebe her, die sie antreiben muß, den Unterthanen einen Zugang zu Gott zu eröffnen. Aus diesem doppelten Verhältniß erklärt sih in Luther's Sinn das gan e Verhältniß zu der ristgewordenen Obrigkeit, zu jeder kirhlihen Ordnung und der Pflege geistliher und geistiger Jnteressen. Mit einem Ueberblick über die Fortwirkung der Luthershen Jdeen in den späteren Epochen bis zur Gegenwart hin {loß der Redner. Mit Gesang \chloß die Feier. |

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§”

Die Königliche Technische Hochschule feierte das Geburtsfest Saiver Majestät mit einem Festakt in ihrer Aula, zu welchem die Einladungen für gestern Abend 6 Uhr ergangen waren. Schon geraume Zeit vorher war der weite prächtige Raum von den Damen und Angehörigen der Professoren und Lehrer und einer großen Zahl von Studierenden dicht gefüllt. Hinter der Rednertribüne erhob sich auf hohem Postament mit dem dunklen grünen gene von Lorbeerbäumen und Palmen die Büste des

aiséës, rechts davon das reih gestickte Banner der Hoch- \{hule. An den Seitenwänden des Saals entlang hatten die Chargierten der studentishen Vereine und Verbindungen mit ihren Fahnen Aufstellung genommen. Als Vertreter des Ministers der geistlichen 2c. Angelegenheiten erschien der Ge- heime Ober-Regierungs-Rath Dr. n Peti bie Behorden von Charlottenburg waren durch den Polizei-Direktor Geheimen Regierungs-Rath von Saldern und den Ober-Bürgermeister Fritsche repräsentiert. Zu der für den Beginn der Feier fest- geseßten Zeit bewegte sich der lange Zug der Lehrer der An- stalt in den strahlend erleuchteten Saal, voran der Rektor mit der Amtskette und die Professoren in den ihnen neu ver- liehenen Talaren. Sie nahmen links von der Tribüne Plat, während die anderen Dozenten und Lehrer zur Rechten . sich niederließen. Ein Sängerchor, welcher in der der Tribüne gegenüber belegenen Loge Aufstellung genommen hatte, leitete die Feier mit einer von A. Dregert komponierten Hymne „Hör' uns, o Gott, Herr der Welt!“ ein. Dann nahm der Rektor der Hochschule, Gehèime Regierungs-Rath, Professor Rietschel das Wort zu der Festrede „über den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlihen und praktischen Wohnungshygiene, insoweit sie in Beziehung zur Luft steht“. (Den Wortlaut dieser Rede veröffentlichen wir in der Ersten Bei- lage.) Jn das von dem Redner am Schluß ausgebrachte dreimalige Hoch auf Seine Majestät den Kaiser stimmte die Pet lee begeistert ein. Mit dem Choral „Lobe den

errn!“ {loß die Feier.

__ Die Königliche Landwirthschaftilihe Hochschule feierte den Geburtstag Seiner Majestät am Vorabend, Freitag, in der Aula der Hochshule, die eine prähtige Ausschmückung mit der Büste des Kaisers, den Bannern der akademischen Korpora- tionen und lebenden Pflanzen erhalten hatte. Die Chargierten der vier Verbindungen an der Hochshule in Wichs umgaben die Nednerbühne im Halbkreis.

Die Feier begann um 6 Uhr mit einem Gesange von Mitgliedern des Opernchors „Gott grüße Euch“ von Abt. Hierauf bestieg der Rektor, Professor Dr. Werner die Redner- bühne und gab nach einer der Würde der Feier entsprechenden Einleitung einen Rückblick auf die Entwickelung der Hochschule, über welche nur sehr Erfreuliches zu berihten war, und {loß seinen Bericht mit dem Wunsch, daß die Landwirthschaftliche Hochschule au fernerhin unter dem starken Schuß Seiner Majestät des Kaisers und Königs sih kräftig weiter entwickeln moge. S Hierauf ertönte das herrlihe Licd „Das treue, deutsche Herz“ von Otto, und bestieg Professor Dr. Fleischer die Tri- büne, um die eigentliche Festrede „Ueber die Kolonisation der nordwestdeutshen Hochmoore“ zu halten. Er führte darin ungefähr Folgendes aus:

__ Mit berechtigtem Stolz blicken wir auf die kriegerischen Heldenthaten unserer Herrscher, aber der Schwerpunkt ihres segens- reihen Wirkens liegt nik sowohl in dem Glanz ihres Waffenruhms, als vielmehr in der stillen, pflihtgetreuen, weitsihtigen friedlichen Arbeit, durch die unsere Kurfürsten und Könige keine Staatsaufgabe mehr als die Landeskultur gefördert haben.

Ihre Thaten auf diesem Gebiet bilden seit den Tagen des Großen Kurfürsten eine fast ununterbrochene Kette von friedlihen Eroberungen im eigenen Lande, und es heißt den Traditionen feiner großen Vor- fahren gerecht werden, wenn man zur Feier des Geburtstags unferes Kaisers ein Werk bespriht, das, wenn es gelingen follte, gleichfalls eine friedlihe Eroberung im eigenen Lande bedeuten wird: die Be- fiedelung der großen nordwestdeutshen Hochmoore.

Versuche, auf diesen gewaltigen, einen Flächenraum von annähernd 120 Quadratmeilen bedeckenden Oedländereien mens{chlihe Wohnstätten zu schaffen, sind mit den verschiedensten Erfolgen bereits seit der Mitte des 17. Jahrhunderts gemaht worden. Jhre Geschichte giebt werth- volle Aufshlüfse über die Faktoren, welhe für das Gelingen der Kolonisation auf diesem von Natur spröden, aber bei rihtiger Behand- lung sehr fulturfähigen Boden auss{laggebend sind. Daß troß des glücklichen Gedeihens einer großen Anzahl unter günstigen Be- dingungen begtündeten Ansiedelungen seit dem Anfang dieses Jahr- hunderts die Kolonisationsthätigkeit auf den Hohmooren ins Stocken gerieth, ist im wesentlihen der Einführung eines Moorkulturver- fahrens zuzuschreiben, das zuerst eine bequeme und ergiebige Ausnußzung des Moorbodens in Aussicht stellte, durh scine verhängnißvollen Folgen aber wie kaum ein anderes Ereigniß die Besiedelungsbestrebungen in Mißkredit -gebraht hat. Das war das Moorbrennen mit nachfol-. gendem Buchweizenbau.

Den Anregungen des unlängst verstorbenen Unter-Staatsf\ekretärs von Marcard ist es vornehmlich zu danken, wenn man in den siebziger Jahren wieder auf den richtigen Weg zurückehrte und große Moorflächen durh Schiffahrtskanäle gleichzeitig einer rationellen land- wirthschastlihen Kultur und industriellen Verwerthung erschloß. Die Aufgaben, welche eine aussihtsvolle Wiederaufnahme der Kolonisations- bestrebungen nit bloß an die administrative, sondern, wie sih immer deutlicher herausftellte, auch an die technische und wissenschaftliche Thätigkeit stellte, waren so mannigfaltiger Art, daß nur eine mit wissenschaftlichen und tehnishen Hilfsmitteln und mit einem gewiffen Einfluß auf die Gestaltung des Moorwesens ausgestattete Zentralstelle eine glücklihe Lösung versprach. Diese Erwägungen veranlaßten im Jahre 1876 die Begründung der Zentral - Moorkommission, die im folgenden Jahre als ihr wissenschaftlich - technishes Organ die Moor- Versuchsstation in Bremen ins Leben rief.

SFhre Arbeiten haben die tehnische Grundlage gelegt, worauf die neueren Hohmoor-Besiedelungsbestrebungen- mit Aussfiht auf Erfol weiter zu bauen hoffen. Jn f\taatsmännisher Würdigung der dur die Kanalbauten in den hannovershen Hohmooren neu erwachsenen Aufgaben hat fi zuerst die hannovershe Provinzialverwaltung ent- \{lossen, in dem größten zusammenhängenden Hochmoorkomplex, dem Bourtanger Moor links der Ems, ‘eine größere Fläche AiCtauRA und auf Grund der neueren Erfahrungen in der Moorkultur zu besiedeln. Jhrem Vorgang is die preußishe Staatsregierung in dem großen vom Ems-Jade- Kanal ershlossenen Miseder Moor nachgefolgt. Beide Kolonien zeigen bis jeßt freudiges Gedeihen.

Viele Fragen auf dem so eigenartigen Gebiete der Hohmoor- fultur und -Besiedelung harren noch einer Lösung, die sie nur bei ein- trächtigem Zusammenwirken von Verwaltungskunst, Landwirthschafts- tehnik und Wissenschaft finden können. Aber die bisherigen Erfah- rungen lassen doch mit einem gewissen Vertrauen auf die fernere Entwicklung des aroßen Werkes blicken. Gestärkt wird dasselbe durch die mächtigen Fortschritte, die bisher Landwirthschaftstechnik und Wissenschaft gemacht haben, durch die bewährte Tüchtigkeit der Volks- stämme, in deren Mitte das Besiedelungswerk sich vollzieht, durch das Wohlwollen der leitenden Behörden und durch die Sachkunde und Schaffensfreudigkeit der mit seiner Leitung betrauten Beamten.

Und wenn ih dur die Regententhätigkeit unserer Landesfürsten seit Friedrih Wilhelm 1. wie ein rother Faden das Streben hindurh-