1894 / 26 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Antheil zur Regulierung ihrer Finanzen an diesen indirekten Ein- nahmen haben sollten. Daraufhin haben die Einzelstaaten auf Grund dieser Ueberweisungen erbebliche Entlastungen an Steuern einerseits eintreten lassen und andererseits eine ganze Anzahl neuer Staatsausgaben befriedigt und Ueberweisungen an die Kommunen gemacht.

Ich habe darüber, wie die Ueberweisungen aus den Zöllen und Steuern auf die Finanzverhältnisse der Einzelstaaten gewirkt haben, eine Zusammenstellung nach Maßgabe der Auskunft aus sämmtlihen Einzelstaaten anfertigen lassen. Danach ergiebt sich, daß seit dem Jahre 1879 in den Einzelstaaten über 454 Millionen an Steuern erlassen find, daß seit derselben Zeit 95 Millionen neuer Steuern erhoben oder Steuererhöhungen eingetreten sind, und daß mithin ein Erlaß und Ueberweisungen von über 359 Millionen eintraten. Geht man auf die Verhältnisse zurück, wie sie gegenwärtig in den Einzelstaaten liegen, so ergiebt sih, daß über 543 Millionen jährlich an Steuern und Abgaben zur Zeit erlassen bezüglich Ueberweisungen erfolgt sind, daß über 12 Millionen jährlich neue Steuern und Steuererhöhungen zur Erhebung gelangt sind, und daß mithin der Erlaß bezüglih die UVeberweisungen noch über 424 Millionen jährli betragen: alfo netto der Betrag, den wir ungefähr auf Grund des Reformgesetzes in Form der Pauschalierung, zunähst auf 5 Jahre,“ den Einzel- ftaaten überweisen wollen! Diejenigen Mitglieder des hohen Hauses, die auf die Finanzreform niht eingehen wollen, stehen also auf ‘dem Standpunkt: obgleih die Vorausseßung der Bewilligung der erhöhten Steuern und Zölle, die quotenweise Betheiligung der Einzel- staaten an den erhöhten Einnahmen war, obgleich die Einzelstaaten darauf hin über 42 Millionen jährlich an Steuern und Abgaben er- lassen bezüglih überwiesen haben, sollen die Bundesstaaten doch jeßt auf diesem Defizit sien bleiben. Das s{heint mir, ih möchte fast sagen, nicht den Versprehungen zu entsprechen, die bei der Zollgeseßgebung und bei der Erhöhung der Verbrauchs- abgaben feit 1879 unzweifelhaft gemaht worden sind.

Meine Herren, wir wollen durch das Finanzreformgeseß auch nit die clausula Frandenftein aufheben, sondern wir wollen nur den Ertrag der Einzelstaaten aus der clausula Frandckenstein pauschalieren. Gegenüber diesem Pauschalierungsvorschlag ist nun so hingeworfen worden, als ob wir mit den Einzelstaaten eine Art societas leonina eingehen wollten, als ob wir die angebli foloffal wachsenden Einnahmen aus Ueberweisungssteuern und Zöllen, die angeblich bis auf 89 Millionen in den nächsten fünf Jahren anwachsen sollen, den Einzelstaaten gegen ein Lnsen- geriht abkaufen wollten. Meine Herren, ih glaube, die einzelstaat- lien Herren Finanz-Minister haben \ih die Frage auch sehr ein- gehend überlegt; aber sie stehen auf dem Standpunkt, daß ihnen hier der Sperling in der Hand lieber ist als die Taube auf dem Dach, daß sie lieber eine etwas geringere feste Ueberweisung be- tommen wollen, als in diefer die Finanzen der Einzelstaaten zerrüttenden s{chwankenden Art und Weise einmal Fluth und dann wieder Ebbe; und ih glaube, meine Herren, die einzelstaatlichen Finanz-Minister find doch niht so harmlos, um ein so ungünstiges Geschäft mit dem Reih abzuschließen, wie Sie es darstellen. Jch glaube auch, der preußische Herr Finanz-Minister hat die Frage schr genau fkalkuliert und überlegt. Ueberdem, meine Herren, ist die Differenz zwischen dem, was wir als Pauschquantum auf fünf Jahre den Einzelstaaten überweisen wollen und dem, was die Einzelstaaten im Durdschnitt der 10 Jahre seit 1882/83 bekommen haben, gar feine so bedeutende. Der zehnjährige Durthschnitt der Ueber- weisungen seit 1882/83 beträgt netto 48,6 Millionen, und wir wollen durch das Finanzreformgeseß 40 Millionen, also 8,6 Millionen weniger , überweisen. Sollte aber die Majorität der Ansicht sein, es muß der zehnjährige Durchschnitt überwiesen werden, und es werden uns die Wege gewiesen, wie wir den Mehrbetrag bekommen können, so werden sich die verbündeten Regierungen gewiß gegen eine solhe Erhöhung der Quote ablehnend nit verhalten.

Es ift uns ferner suppeditiert, als ob wir eigentli sehr {limme Hintergedanken hätten mit dieser ganzen Finanzreform, als ob wir es nit ehrlich meinten, daß wir die Finanzen der Einzelstaaten auf eine feste Grundlage stellen wollten, sondern als ob wir eigentli den diabolischen Hintergedanken hätten, uns eine Art Schatzkammer, eine Art heimlihen Juliusthurm für erhöhte Militär- und Marineausgaben anzulegen. Meine Herren, zunähst frage ih den hohen Reichstag gegenüber diesem Cinwande: steht ihm denn niht das Ausgabe- bewilligungsSrecht zu, dürfen denn die verbündeten Regierungen auch nur einen Thaler ausgeben, den Sie niht beschlossen und genehmigt haben! Ich habe das Gefühl, meine Herren, das Palladium des Budgetrechts liegt in der Ausgabe- bewilligung. (Widerspruch links.) Gewiß, meine Herren, die Ausgabebewilligung ift das wichtigste, und wenn Sie neue Aus- gaben beshließen, fo darf man das doch nicht so darstellen, als ob der Reichstag in feiner Majorität den verbündeten Regierungen damit einen Gefallen thue; wenn Sie in Ihrer Majorität Aus- gaben beschließen, so genehmigen Sie dieselben, weil Sie sie im Interesse des Vaterlandes für nothwendig halten (sehr wahr! rets), und so haben Sie auch die Militärvorlage niht uns zu Ge- fallen, sondern im Interesse Deutschlands und jedes deutshen Staatsbürgers beschlossen.

Meine Herren, man hat ferner von der Beschränkung des Budget- rechts gesprohen. Ih vermag wirklih nicht zu erkennen, wie darin eine Beschränkung des Budgetrehts des Reichstags liegen soll, daß wir unter Umständen weniger Matrikularbeiträge erheben dürfen, wie Sie uns etatêmäßig bewilligt haben. Darin {eint mir doch niht eine Beschränkung des Budgetrehts des Reichstags, sondern eine Beschränkung des Ausgaberets der verbündeten Regierungen, der Reichs- Finanzverwaltung zu liegen. Und dann, was will denn jeßt, meine Herren, das Budgetreht, soweit es \sch um das Einnahme- bewilligungêrecht für die Matrikularbeiträge handelt, heißen? Wenn Sie die Sache auf die cinfachste Wurzel reduzieren,-so heißt es doch nihts Anderes, als: wenn die Ausgaben bewilligt sind, wird fest geftellt, wie viel Einnahmen haben wir, und quod interest, muß auf Grund der Reichsverfassung id, dem Etat als Einnahme aus Matrikularbeiträgen eingestellt werden. Jch kann dieser Form der Einnahmebewilligung keine so große Bedeutung beimessen, in der leßten Konsequenz ist das in der That eine Art Kalkulatur- arbeit. Der Schwerpunkt liegt gerade gegenüber den Matrikular- beiträgen in der Bewilligung der Ausgaben. Während alfo- jegt Iediglich die Differenz zwishen Ausgaben einerseits und den Ein-

nahmen aus Zöllen und Steuern andererseits in Form von Matrikularbeiträgen als Einnahme in den Reichshaushalts-Etat ein- gestellt wird, soll in Zukunft, wenn der Etat nit balanziert dur die eigenen Einnahmen und nit balanziert durch die Summe der Matrikularbeiträge plus 40 Millionen gegenüber der Summe der Ueberweisungen, ein Spezialgeseß ergehen, ein Spezial- geseß, das beweglihe Zushläge zu den Verbrauchsabgaben erhebt und das bei seiner Berathung sowohl finanzpolitishe wie wirthshaftlihe Erwägungen zur Vorausseßung hat: finanzpolitische und wirthschaftliche Erwägungen gegenüber dem jetzigen Verfahren, wonach das quod interest einfa auf die Einzelstaaten kontin- gentiert wird, denen man die Sorge überläßt, wie sie sich damit in ihren Finanzverhältnissen zurechtfinden.

Es ift ferner darauf hingewiesen worden, daß viel rihtiger wäre, wie ein Finanzreformgeseß zu erlassen, eine selbständige Reichs- Finanzverwaltung mit einem Reichs - Finanz - Minister zu begründen. Ja, meine Herren, das gestehe ich Ihnen ohne weiteres zu, daß es im Interesse der Finanzen des Reichs außerordentlih erwüns{cht wäre, der etwas molluskenhaften Gestalt der Reichs - Finanzverwaltung ein festes Rükgrat zu geben. (Heiterkeit. Zurufe.) Ich werde Ihnen sofort antworten, Herr Abg. Rickert. Aber gegen ‘den verantwort- lichen Reichs - Finanz - Minister neben dem verantwortlihen Reichs- kanzler liegen doch die allerschwersten verfafsungsrechtlihen Bedenken vor; und ich glaube, meine Herren, die Trauben hängen zu hoh und werden von Jhnen nit gepflückt werden.

Der Abg. Rickert hat die Güte gehabt, doch die Richtigkeit meiner Prämisse anzuerkennen, daß eine stärkere Ausbildung der Reichs-Finanzverwaltung erwünscht is. Jch glaube, dem wird der Herr Abg. Rickert zustimmen. Dann können Sie niht auf dem formalen Wege der Schaffung eines Reichs-Finanz-Ministers dazu kommen, fondern nur auf dem sachlichen Wege dieser Reihs-Finanz- reform, und das will ich Ihnen nachzuweisen mir gestatten.

Meine Herren, wie steht jeßt die Reihs-Finanzverwaltung, bezüglih der Herr Reichskanzler und in seiner Vertretung der Reichs- Schaßsekretär gegenüber den wachsenden Forderungen der Ressorts da ? Es liegt ja zu nahe, meine Herren, daß, wenn jeßt die Reichs-Finanz- verwaltung gegenüber wahfenden Anforderungen der Ressorts Einspruch erhebt, man sich doch dort sagt, eine gelinde Steigerung der Matri- fularbeiträge dieser ewig rinnenden Quelle würde unüberwindbare Schwierigkeiten nicht haben. Entschließen Sie sich aber, meine Herren , dieses Neichs-Finanzreformgeseß anzunehmen, dann liegt die Sache wesentli} anders; balanciert dann der Etat nit zwischen den Ausgaben einerseits und den eigenen Einnahmen des Reichs andererseits, dann wird die Reichs-Finanzverwaltung gegenüber weit- gehenden Forderungen mit Recht den Einwand erheben und die Gegenfrage stellen können: wie soll das, quod interest, gedeckt werden, zu welchen Verbrauchsabgaben find Zuschläge zu erheben, welche Zuschläge haben Aussicht, in diesem Reichstag eine Mehrheit zu erhalten ?

Meine Herren, ih verstehe geradezu niht, wie die, welche diese Reichs-Finanzreform bekämpfen, niht zu erkennen vermögen, welche Stärkung einerseits der Reichs-Finanzverwaltung und andererseits des Budgetrechts des Reichstags in dieser Reichs-Finanzreform liegen würde. Ich meine, diese Stärkung der Reichs-Finanzverwaltung ist eine größere, wie jeder Reichs-Finanz-Minister, der unter Umständen auch s{wach werden kann.

Meine Herren, ih möchte sagen: das Staats\hiff des Deutschen Reichs leidet an zwei großen Lecken. Das eine Leck i} die unbe- schränkte Möglichkeit der Erhebung von Matrikular- betrogen; e. bober der Betrag il, um den ie - die Ueberweisungen übersteigen, desto gefährliher und verhängnißvoller ist das für die Finanzen der Einzelstaaten. Das andere Lck, was sh in unserem Staats\chiff befindet, ist meines Er- achtens die wahsende Verschuldung ohne den Zwang einer geordneten Tilgung. Meine Herren, dieses Finanzreformgesetz bemüht sich, das eine Leck zu stopfen. Es ist im Abgeordnetenhause das Bild gebrauht worden: wozu überhaupt die ganze Finanz- reform? warum soll man sih jeßt den Kopf zerbrehen, ob man sih einen s{chöneren Geldshrank anshafft, wenn man doch nichts hineinzulegen hat und nichts hineinlegen will? Ja, meine Herren, ih glaube, für diejenigen, die uns überhaupt neue eigene Einnahmen versagen, trifft dieses Bild vollkommen zu; für diejenigen aber, die grund- säßlich mit uns auf dem Standpunkt stehen, daß eine Scheidung zwischen den Finanzen der Einzelstaaten und des Reichs politisch und finanztehnisch nothwendig ift, trifft dieses Bild nicht zu.

Die verbündeten Regierungen sind der Ansicht, daß dieses Finanz- reformgesei eine weise, haushälterishe Maßregel ist, und die Reichs- Finänzverwaltung ist der Ansicht, daß dieses Reihs-Finanzgeset ein nothwendiger Regulator für das Reihs-Finanzwesen überhaupt ist. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Jh habe zunächst namens meiner Freunde folgende Erflärung {abzugeben: „Meine politishen Freunde und ih stehen nach wie vor auf dem Klausel und hegen den dringenden Wunsch, daß dieselbe niht nur in ihrer staatsrechtlichen Bedeutung für das Reih und den Reichstag, sondern auch möglichs in ihrer finanzpolitischen Bedeutung für die Einzelstaaten erhalten bleibt. Wir verkennen niht, daß die vor- eshlagene Finanzreform in dem Bestreben, den Einzelstaaten über- FPiékends Üeberweisungen zu gewährleisten, sich in der Richtung der Frandckenstein'chen Klausel be- wegt ; allein wir halten, von ernsten Bedenken gegen wesent- lihe Einzelbestimmungen der Vorlage abgesehen, den gegen- wärtigen Augenblick für nit geeignet zur Durchführung einer vollen Reform. Die Finanzreform, welhe zudem bei der Ent- wickelung des Reichs-Schuldenwesens unserer Ansicht nah vor der eei eine regelmäßige Schuldentilgung ins Auge zu fassen hâtte, ift selbft in ihrem vorliegenden Umfang, soweit sih augenblicklih übersehen läßt, niht ohne wesentlihe Erhöhung der indirekten Steuern durhführbar; eine solhe Erhöhung erscheint aber bei dem Darnieder- liegen der Erwerbs- und Wirth[chaftsverhältnisse in nahezu allen Berufszweigen, ganz befonders im Mittelstand von Landwirthschaft und Gewerbe, um so bedenklicher, als {hon die Aufbringung der Mittel für die gegen unsere Stimmen bewilligte und vorwiegend die minder bemiitelten Volksklassen belastende Heeresverstärkung, wie der Augenschein zeigt, mit den größten Schwierigkeiten verbunden ist. Gleih s{chwer fällt ins Gewicht, daß die Mittel zur Vermehrung der Neichseinkünfte, wie sie in den vorgeshlagenen Steuervorlagen von den verbündeten Regierungen in Ausficht genommen sind, uns in der ied als nit geeignet erscheinen und daß wir eine dem Anwachsen der indirekten Steuern im Reih entsprechende Ausbildung der direkten Steuern, insbesondere genügender allgemeiner Einkommen- und Vermögens\teuern in den meisten Bundesftaaten zur Zeit vermissen. Wenn jedoch die ver- bündeten Regierungen oder maßgebenden Theile des Reichstags cize Kommissionsberathung wünschen, fo werden wir entsprehend der

der beiden Grundgedanken

Kreisen des Volkes herrschenden

Boden der Franckenstein'schen

den Uebung des Rei einer solchen nicht wider-

S Die Vorl e ogar, f Ansicht aus, die Dietrier: umlagen feien nur ein ot hpedelf,. bis andere Reichseinnahmen ge- schaffen find. In dieser Beziehung stehen e Sg meine Freunde zu den verbündeten- Reg arren im egeatat on den hervorragenden arteiführern Windthorft, von Frandckenstein und von Huene ist die lufrehterhaltung der Matrikularbeiträge als die Grundlage des föderativen Systems, als das einzige Finanzreht des Reichstags be- zeihnet worden. Durch die Vorlage wird die Franckenstein’\{he Klausel alteriert. Während die leßtere die Einnahmen des Reichs festlegt und den Einzelstaaten die Schwankungen zuweist, will die Vor- lage die Ueberweisungen der Einzelstaaten festlegen und die Schwankungen dem Reich zuweisen. Von der linken Seite hat man immer den gemacht, die Francken- stein he Klausel zu M leltigea: man sollte die Ein- nahmen des Reichs dem Reiche belassen und niht Ueberweisungen an die Einzelstaaten zulassen. Die Bedeutung der Franckenstein’scen Klausel hat man allmählich vergessen, und es ist ein wahres Glü, as durch die Hinausschiebung dieser Vorlage man in der Lage ift, sich über die Bedeutung der FranZanfirin's@en ‘Klausel eingehend zu unterhalten. Die Einnahmen des Reihs aus den Zöllen und den Verbrauchssteuern wurden auf 130 Millionen Mark beschränkt; das darüber Hinausgehende wurde den Einzelstaaten überwiesen, welche seitdem 23 Milliarden Ueberweisungen erhalten haben, und wenn man die Matrikularbeiträge nachrehnet, blieb den Einzelstaaten immerhin eine Summe von 287 Millionen Mark. Den Werth der Francken- stein’shen Klausel erkannte man erst, als ihre Wirkung in das Gegen- theil umschlug, als die Matrikularbeiträge höher wurden als die Ueberweisungen. „Man hält es jeßt beinahe für ehrenrührig, \ich mit der Regierung in Uebereinstimmung zu befinden“, hat Fürst Bismarck einmal hier gesagt und hinzugefügt, wenn er niht zur Re- ierung gehörte, würde er diesem Laster auch verfallen. Der edanke der Vorlage gehört durhaus niht der Regierung allein; es ist der Gedanke, der dem Vater der Franckenstein’schen Klausel vorgeshwebt hat. Redner verweist auf die von ihm {on im preußischen Abgeordnetenhause vorgetragenen Ausführungen Windt- horst’s, welcher bei dieser Frage Neferent war. Die Einnahmen aus der Reichs-Stempelsteuer wurden 1881 ebenfalls auf Grund der P En Klausel an die Einzelstaaten verwiesen, und zwar ieß es damals, daß dies den Beschlüssen der Coburgischen Finanz- Minister-Konferenz entsprehe. Nach den damals bekannt gewordenen Nachrichten sollte auf dieser Konferenz beschlossen sein, die Einnahmen unverkürzt den Einzelstaaten zu überweisen ; ohne diese Ueberweisungs- flaufel würde auch die ganze Vorlage für das Zentrum unannehmbar gewesen sein. Aus den ganzen damaligen Verhandlungen geht hervor, daß die Absicht der Franckenstein’shen Klausel dahin ging, den Einzel- staaten eine finanzielle Erleichterung zu schaffen. Als vom Reichs- Schaßamt darauf verwiesen wurde, daß die Frandckenstein’she Klausel {on dann beachtet sei, wenn die Matrikularbeiträge den Veberweisungen das Gleichgewicht hielten, da erhob zuerst nit das Zentrum, fondern der Abg. Richter dagegen Widerspru. Und der [pâtere Staats-Minister von Puttkamer erklärte damals, wenn nicht den Einzelstaaten wirklich Geld überwiesen würde, so sei das nicht bloß eine öffentlihe Kalamität, sondern ein Stoß ins Herz des monarchischen Prinzips. Soweit die Finanzreformvorlage diese Be- deutung der Frandckenstein’shen Klausel zu bessern sih bemüht, verdient be dankbare Anerkennung für ihr Bestreben, niht für die Art ihrer usführung. Aber der Zweck der Francken|tein’shen Klaufel ist nicht überall erreiht worden. Die preußishe Finanzreform ist ers mögli geworden durch die Erhöhung der Einkommensteuer um 40 Millionen und die neue Vermögenss\teuer. Noch s{chlechter ist es in einigen Einzelstaaten mit der Durchführung der Franckenstein'schen Klausel ewesen. In der ersten Zeit wurde die finanzpolitishe Seite der Klausel immer betont; als es sich immer s{chlechter damit stellte, sprach man niht mehr davon. Schon 1887 und 1888 haben Windthorst und von Huene darauf hingewiesen, daß es mit der indirekten Besteuerung ein Ende nehmen und daß das Reich sih einshränken müsse, daß die direkten Steuern in den Einzelstaaten gleihmäßig ausgebildet fein müssen. Das müssen wir erst abwarten und deshalb lehnen wir jeßt die Reformvorlage ab. Es ift bekannt, wie {lecht die Erwerbs- und Wirthschaftsverhältnisse sind, und wenn auch Anzeichen der Besserung vorhanden find, so wollen wir do erst abwarten, ob diese Anzeichen sih au weiter als verheißungêvoll ausweisen. Auf die Zukunft dieser Entwickelung wollen wir nicht zu viel vertrauen. An der in weiten Verstimmung ist zu einem gewissen Theile eine verwerflihe Agitation s{uld, aber auch die wirklihe Nothlage weiter Kreise hat einen wesentlihen Antheil an diefer Mißstimmung. Angesichts dieser Nothlage folhe Pläne durch- zuführen, fehlt uns der Muth, zumal weder die Weinsteuer noch die Tabasteuer in der vorgelegten Form unsere Zustimmung finden können. Bezüglih der Weinsteuer is ja für uns, die wir eine föderative Partei find, noch ein wihtiges politisches Motiv hinzu- etreten. Wir find der Meinung, daß der Widerfvruch einer ervorragenden Regierung, die sih berief auf die Verhand- lungen von 1870, von uns nicht unbeachtet bleiben darf. So sehr bereit meine politishen Freunde waren, wenigstens Schaumweinsteuer zuzustimmen, fo went sind sie jeßt dazu bereit nah diesem Vorgange von höchst politisher Bedeutung. Wir werden uns alle Mühe geben, in dér Steuerkommission möglichs| fo viel zu beschaffen, um die

einer Kunst- und

nothwendigen Me zu decken. Wir werden aber auch durch Ab-

strihe am Reichshaushalts - Etat möglihste Ersparnisse zu tnachen versuhen und überhaupt mit dem größten Nachdruck auf den Beginn der Sparsamkeitsära dringen, von der so viel geredet ist, mit welcher aber endlich einmal der Anfang gemaht werden muß. Die verbündeten Regierungen haben gewiß geglaubt, durch die Be- fristung der Vorlage auf fünf Jahre dieselbe uns angenehm zu machen. Das Gegentheil ist der Fall. Wenn wir Steuern auf ewig be- willigen follen, dann werden wir auf den Boden der Finanzreform nur treten, wenn auch diese auf ewig gemaht wird, und wenn nit nah fünf Jahren die Reichsbegehrlichkeit wieder zur Geltung kommen ri um den Einzelstaaten die ihnen gewährten Vortheile zu ent- reißen.

Abg. Rickert (fr. Vg.): Ich hatte gehofft, daß erst ein Freund der Vorlage sprehen würde; was ih zu sagen habe, bewegt ih in demselben Gedankengang, den der Vorredner entwickelt hat. Ich werde die Vorlage unter keiner Bedingung annehmen. Der preußishe Finanz-Minister Dr. Miquel wird wohl seinen Ausfpruch, den er im preußishen Abgeordnetenhause gethan hat, daß außer dem Abg. Rickert kein Mensch gegen die Vorlage wäre, zurüdck- nehmen müssen. Diese Vorlage ist wohl erledigt. Wenn eine Reichs- D angresoem 100 Millionen erfordert, dann müssen sie vorhanden ein. Aber wesentlihe Theile der Steuervorlage werden nicht die Genehmigung der Mehrheit des Reichstags finden. Sehr gefreut habe ih mich darüber, daß der Abg. Dr. Lieber energishe Abstriche am Reichshaushalts-Etat in Aussicht gestellt hat. Der Abg. Graf Limburg - Stirum hat etwas Aehnliches in Ausficht gestellt. Ich bedauere, daß die Finanzreform mit der Militärvorlage verquickt worden ist. Jch bin fest entshlossen, das Versprochene zu halten: Wir werden keine Steuer zur Deckung der Militärvor- lage bewilligen, welhe die unteren Volksklassen belastet. War es niht ein Fehler, daß die verbündeten Regierungen Vorlagen ein- brachten, welhe im Reichstage fast gar feine A fanden: Wieviel Stimmen wird denn die Weinsteuer finden? In einem konstitutionellen Staat gehen do die Dinge so nit; die Regierung muß im Interesse ihres eigenen Ansehens mit dem Reichstage Guhtung nehmen, wenigstens soweit, daß sie eine ansehnliche Stimmenzah auf ihre Vorlage vereinigt. Weshalb gerade in diesem Moment, wo die Militärvorlage nur unter gewissen Bedingungen zu stande ge- fommen war, diese Reichs-Finanzreform mit dieser großen Mehraus- gabe ?! Auf die staatsrehtlichen Fragen einzugehen, ist eigentlih nicht nöthig, da ich eine Finanzreform idt will, sondern nur die Deckung der Kosten der Militärvorlage durch Belastung der leistungsfähigen Schultern. Gegner der Franckenstein{hen Klausel find wir

niht. Wir hätten gern die Matrikularbeiträge erseßt dur

Hewrgl ; , wie sie der preußisde Finanz- Minister Dr. Miquel einmal erogen hat. Solange das ariht genen , werden wir für die E eintreten. Wozu dieses künstliche Machwerk, wird Jeder, der die Finanzen klar übersehen will, sagen. Wozu die Ueberweisungen und die Matrikular- beiträge beibehalten und eine Differenz zwischen beiden festftellen ? Solche Reservefonds sind bei Aktiengesellschaften üblich, aber für einen Ætat \{chidckt fih das nit. Darin liegt au keine föderative Garantie; denn darauf könnes Sie sich verlassen: nach fünf Jahren sind die ete Da todt, wenn Sie auf die Brücke dieser Vorlage treten. Beweglihe Steuern sind eine viel größere Sicherheit für den Reichstag als die Vorlage. Auf die einzelnen Theile der Vorlage ‘einzugehen, wider|rebt mir; sie ist ja eigentli erledigt. Lieber würde ih die Vorlage in zweiter Lesung im Plenum weiter berathen sehen, als in der Kommission. Man foll die Einzelstaaten nicht im Defizit sigen laffen. Wenn alles fo bleibt, wie bis jeßt, werden sich die Einzelstaaten in den nächsten Jahren besser stehen, weniastens nah den Angaben des früheren Schaßsekretärs. Wenn die Einzel- regierungen dex Sperling in der Hand vorgezogen haben, fo haben sie eben Angst vor sih selber, daß fie durch Bewilligung die Matrikular- beiträge erhöhen. Aber wir werden ihnen helfen, die Mehrbewilligung zu hintertreiben. Das Defizit in Preußen ist nur ein rechnungs- mäßiges. Der Schaßsekretär hat verwiesen auf die Hilfe, welche der Finanz-Minister im preußischen Landtag gesuht und gefunden hat. In Baden und Bayern sind die Steuerprojekte niht mit dem- selben Wohlwollen aufgenommen wie im preußischen Landtag. Wir befinden uns in Preußen in einem Uebergangsstadium, nicht be- ¿üglih der Eisenbahnen, sondern au bezüglih der Einkommentteuer und Vermögenssteuer. Werden diese Steuern nicht erhebliche Ueber- schüsse ergeben ? Die Ea der Liebesgabe bekämpft der Schay- sekretär. Sein Vorgänger wollte ja einen Theil derselben einziehen. Der Schaßsekretär sprach von der Nothlage der Landwirthschaft. Will man eine ntersuhungskommifsion einfeßen von unparteiischen Männern jeder Richtung, wir sind einverstanden damit. Was man an einzelnen Ziffern angeführt hat, hat feine Bedeutung. Ein Reichs-Finanz- Minister ist jeßt nicht durchzuseßen. Aber daß das Reichs-Schatßzamt durch diese Vorlage gestärkt werden solle, ist mir unklar geblieben. Ob der preußische

kularbeiträge oder Steuern verweist, ift doch \hließlich dasselbe. Wir

müssen diefe Vorlage aus finanz-tehnischen und fonstitutionellen |

Gründen ablehnen. Vor allen

Dingen aber wünsche ih, daß die

Ausgaben für die Militärvorlage vollständig getrennt gehalten werden von dieser Finanzreform. Nach Ablehnung der Militärvorlage war | eine Bewegung unter den vermögenden Leuten, die Kosten der Mili- | târvorlage auf ihre Schultern zu nehmen. Auf diesem Standpunkte - heute noch und ih habe mi davon nicht abbringen lassen.

stehe ih Es wäre ein Bruch des Vertrauens großer Volfskreise, wenn von diefem Standpunkt abgegangen würde.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesr Finan Ministe D Mauer S E

Meine Herren! Herr Abg. Rickert, an dessen Ausführungen ih anknüpfen will, meinte, im preußishen Abgeordnetenhause hätten ah für die Nothwendigkeit der Auseinanderseznng des Neichs und der Einzelstaaten nur die Agrarier entschieden. Ih wundere mich darüber, da der Herr Abg. Nikert selbst an diesen Debatten theilgenommen hat und also wissen muß, daß gegen die Notbwendigkeit einer folhen grundlegenden Auseinanderseßung zwischen Reich und Einzelstaaten nur er und seine Freunde und Herr Abg. Richter und seine Freunde si erklärt haben (Hört! hört! rets) Denn nit bloß die Nationalliberalen sind mit größter Entschieden- heit eingetreten für diese Reform, sondern grundsäßlich, wie heute, auch im wesentlihen Herr Abg. Dr. Lieber, der die ganze Frage be- handelt hat vom Standpunkt im übrigen der Oppyprtunität. Woher alfo die Behauptung stammt gegenüber einem Ereigniß, das eben erst passiert und noch in so Vieler Erinnerung i}, ist mir völlig un- verständlich.

Meine Herren, der Herr Abg. Nickert sagt: Diese Vorlage ist todt! Ja, warum hat denn der Herr Abg. Rickert so eingehend über die Vorlage gesprohen? Er konnte sih ja die Sale viel bequemer machen und- sagen: sie ist {hon gestorben, was soll ich den Todten noch töôdter machen? (Heiterkeit.)

Meine Herren, er hat eine Behauptung, die er schon im preußishen Abgeordnetenhause aufstellte, hier wiederholt : daß die Einzelregierungen, die Einzelstaaten {ih bei Ablehnung einer solchen NReichs-Finanzreform eigentlich viel besser ständen. I habe {hon darauf erwidert , daß die einstimmige Anschauung. aller verbündeten Regie- rungen nah der entgegengeseßten Richtung hingeht, und Herr Abg. Rickert wird es vielleicht niht für unhöflih und unbillig halten, wenn ih die Autorität aller Finanzverwaltungen im Deutschen Reich höher \chäte, wie die seine. (Bravo ! rets. Zuruf links.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagte: Wie viele werden denn für die Weinsteuer immen? ist es denn konstitutionell, daß die verbündeten Regierungen eine folhe Steuer vorschlagen, ohne irgend welche Fühlung mit angesehenen Parteien oder wenigstens mit einzelnen Personen genommen zu haben? Nun, wir haben hier schon mehrfach gehört, wie den Rednern der konservativen Parteien, aber au dea Rednern von den anderen Parteien bei der Empfehlung ihrer Kandidaturen aus den Volksmassen entgegengerufen is: warum macht ihr nicht die Weinsteuer? (Zuruf.) Das natürliche Gefühl .m Volke geht dahin: wenn alle anderen Getränke so hoch besteuert find, darf der Wein als Luxusverbrauchsartikel nicht freibleiben. (Sehr richtig! rechts.) Aber noch mehr! Jh wäre bereit, dem Herrn Abg. Rickert privatim und vertraulith diejenigen Männer aus fast allen Parteien, mit denen ich Fühlung genommen, wie er sagt, zu nennen, die mir sämmtli diese Weinsteuer als nothwendige Lurxusfteuer empfohlen haben. (Hört, hört! rechts.) Heute allerdings, da diese Agitation in die Massen geworfen ist, da man die Winzer hat glauben machen, sie trügen die Weinsteuer und nicht die Trinker, da steht allerdings die Sache anders, und man bringt diese sogenannte Fühlung in Vergessenheit.

Herr Abg. Rickert hat die Ordnung, die diese Vorlage mit si bringt zwishen dem Finanzwesen der Einzelstaaten und dem Reich eine automatishe genannt. Ih werde auf diese Bezeichnung die nur die Unkenntniß dieser Vorlage verräth, zurückommen bei Ge- legenheit der Besprehung der Aeußerungen des Herrn Abg. Dr. Lieber, die mir bedeutsamer in der ganzen Frage überhaupt zu sein scheinen. (Heiterkeit links.) |

Meine Herren, der Herr Abg. Lieber konkludierte {ließlich auf einen praktischen Gedanken und das, muß ih sagen, hat mich sehr verwundert; denn er sagt unter Berufung auf die Autorität des verftorbenen Herrn Abg. Dr. Windthorst: ehe man die indirekten Steuern weiter entwickelt, müssen die direkten Steuern in den Einzel- staaten vorher entwidelt sein. Jch frage ihn als einen Vertreter des Föderalismus, wie er das wohl „anfangen will. Können wir und sollen

“wir mittels der Reichsgesegebung einen Zwang gegen die Einzelstaaten

¡u einer bestimmten Gestaltung ihres direkten Steuersystems üben, bei- spielsweise gegen Bayern? Wenn wir aber warten wollen mit

der Ordnung

inanz-Minister auf die Vermehrung der Matri- /

+

unseres Finanzwesens im Reich, bis dies möôglich gewesen i und von den Einzelstaaten, die darüber fouverän verfügen, wie sie ihr direktes «Steuersystem gestalten wollen, die Reform der direkten Steuern durchgeführt ist behufs der nothwendigen Ergänzung der Mittel des Reichs, wie lange sollen wir überhaupt dann noch warten? (Sehr richtig! rechts) und welches Unrecht thut man denn denjenigen Einzelstaaten, die auch nah den Wünschen des Herrn Abg. Dr. Lieber ihr direktes Steuersystem seit langer Zeit oder seit längerer Zeit bereits reorganisiert haben ? (Sehr rihtig! rechts.) Gewiß ist die zitierte Aeußecung damals vollkommen" zutreffend gewesen, die der Herr Abg. Dr. Windthorst that, und ih habe im Jahre 1887 genau dasselbe gesagt. Ih sagte: Die Ent- wickelung muß so vor sich gehen, niht, daß man den unmöglihen Versuh macht, im Reich das direkte und bewegliche Steuersystem berzustellen, sondern das muß man in den Einzelstaaten, thun, wo es allein prafktisch durchführbar“ is (Sehr richtig! rechts), und demgemäß hat man in Preußen und in einer Reibe anderer Siaaten gehandelt. Heute aber liegt die Frage ganz anders. Denn die Einnahmen and die Art der Einnahmen, die Formen der Steuer bängen ab auch von der Höhe der Ausgaben. Heute find 60 Millionen neue Ausgaben vom Reichêtag bewilligt und etwa 35 Millionen Zoll- einnahmen ausgegeben. Heute würde der Herr Abg. Dr. Windthorst eine ganz andere Sprache führen können und doch fonsequent sein mit seiner damaligen Aeußerung. Hiermit also glaube ih, können wir uns nit trösten.

Der Haupteinwand, den der Herr Abg. Dr. Lieber, der im übrigen ja im großen und ganzen die Gesichtspunkte, die bei dieser Reform maßgebend gewefen snd, billigt und für nothwendig hält, der Haupteinwand liegt in der Zeit. Er sagt: in der Zeit einer großen wirthschaftlichen Depression kann man nicht die Einnahmen in einer folhen Weise erhöhen, wie das hier vorgeshlagen ist. Man muß warten. Nun, meine Herren, die verbündeten Regierungen haben fh, ehe fie an diese grundsäßgliche Regelung des Finanzwesens des Reichs und feines Verhältnisses zu den Einzelstaaten herangetreten find, dasselbe Bedenken gemaht. Sie wußten sehr wohl, wie un- günstig der gegenwärtige Augenblick für eine solche Reform ist; sie wußten sehr wohl die Bedenken, die aus dieser allgemeinen Lage in der Volks\stimmung auch gegen einen folhen Versuch einer dauernden Heilung der {weren Schäden unserer Finanzzustände sich entgegen- stellen würden. Aber, meine Herren, wir haben uns die einfache Frage vorgelegt: welche Garantie haben wir aber, daß es in Zukunft besser und leihter wird? Jn welcher Lage befinden wir uns finanziell heute und wie wird sich die Lage aller Wahrscheinlihkeit nah in der nächsten Zeit gestalten ? Wenn wir in einer aufsteigenden Linie wären, wenn die Ueberweisungen -die Matrikularumlagen übersteigen, wenn Aussicht wäre, daß diese entweder noch mehr in Zukunft fallen oder wenigstens si glei bleiben, oder nur mäßig steigen würden : dann, meine Herren, wäre die Sache allerdings nit dringlih, und dann wäre die Sache später vielleiht besser durchzuführen.

Ich habe shon mein Bedauern ausgesprohen, daß man in der Zeit der großen Ueberweisungen diese Reform nicht . in Angriff ge- nommen hat. Wie wird sich nun jeßt die Lage gestalten! Wir werden in furzer Zeit eine Steigerung von rund 60 Millionen Matrikularumlagen haben, und diese Steigerung wird aller Wahr- sheinlihkeit nah fortdauern. Ich will Ihnen die Rechnung hier nicht aufmachen, weil ich gern in den allgemeinen, entscheidenden Gesichtspunkten bleiben möchte. Jch bin aber gern bereit, in der Kommission zu zeigen, daß aller Wahrscheinlichkeit nah das Ueber- gewicht der Matrikularumlagen über die Ueberweisungen in Zukunft sich noch ungünstiger gestalten wird, als es heute {hon der Fall ist. Folgeweise verschieben Sie einfach die Reform in dem Sinn, daß entweder das Defizit dur Anleihen gedeckt wird im Reich oder in den Einzelstaaten. (Sehr richtig! rechts). Mit jedem Jahr wird sich die Lage ershweren, nicht erleichtern, und diejenigen, die lediglich aus diesem Grunde diesen, wie ih vollkommen anerkenne, chweren Entschluß einer durch- greifenden Reform nicht fassen können, werden später bedauern, daß sie heute nichts weiter wußten, als die Sache auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

Was wird nun aber in der Zwischenzeit eintreten? Das möchte ih den Herren vom Zentrum namentlich noch einmal vor Augen führen. So viel steht do fest, und Sie selbs scheinen es anzuerkennen, daß nach der ganzen historishen Entwicklung unseres Finanzwesens im Neich und der Stellung der Einzelstaaten dazu, nah Maßgabe des Inhalts der Reichsverfassung, nah der föderativen Natur unseres Staatswesens der fraglihe Einnahmeverlust und die hier vorliegenden Ausgabe- vermehrungen naturgemäß durh das Reich gedeckt werden müssen.

Die Einzelstaaten werden es unzweifelhaft nicht verantworten können, in der Zwischenzeit auf unbestimmte Zeit hin denn sie wissen ja dann nicht, wann denn nun eine solhe Reform im Reichstag möglich sein wird dur Anleihen dieentstandenen Defizits zu begleichen, sondern sie werden zu einer Steuererhöhung, einer direkten oder indirekten Steuererhöhung in den Einzelstaaten übergehen müssen. Dann kommt dieser verhängnißvolle Zustand, daß die Einzelstaaten das Neich nicht als einen Wohlthäter, sondern als einen Gegner, ansehen möten, daß sie selbst in ihren Finanzen {wer geschädigt werden für Aus- gaben, die sie direkt nit berühren, und die Gefahr liegt doch sehr nahe, daß, wenn ‘auf die Weise einmal die Ausgaben in den Einzel- staaten gedeckt worden sind durch eine Erhöhung der Steuern, es in Zukunft noch viel \{chwerer werden wird, im Reih die erforderlichen Mehreinnahmen zur Entlastung der Einzelstaaten zu bekommen. Mit anderen Worten : die Mehrausgaben, die hier das Reich bes{lossen hat, sind dauernd, aller Gefahr nah auf die Einzelstaaten abgewälzt, und wenn Sie das diesmal thun, wo Sie mit einem Schlage eine große Militärvorlage angenommen haben, die künftig 50—60 Millionen Mehrausgabe verursacht wie soll es dann wohl mögli sein, eine Einnahmevermehrung kleineren Grades, wie sie sich allmählich von Jahr zu Jahr in einer großen Verwaltung nothwendig macht, auf eine andere Weise auszugleichen als nur einfa wie bisher dur Ver- mehrung der Matrikularumlagen ? Mit anderen Worten: Diese Ent- wicklung muß dahin führen, daß in immer \tärkerem Grade der eine die Ausgaben dekretiert und der andere, für die Einnahmen zu forgen hat.

Meine Herren, der Punkt is wohl noch nit genügend berührt: Wenn die Matrikularumlagen dauernd die Ueberweisungen übersteigen, dann ist die ganze Franckenftein’s{che Klausel dahin, darüber kann nicht der geringste Zweifel sein (Sehr richtig! rets), und es hat das ja au in ausführlicher Weise und durchaus zutreffend Herr Dr. Lieber ausgeführt, der uns ja nachgewiesen hat, wie der

* wesentlihe Zweck der damaligen Steuer- und Zollerhöhungen dahin ging, daß die Ueberweifungen die Matrikularumlagen dauernd über- steigen follen.

__ Was nun hier insbesondere diese Vorlage anlangt, so wollen wir die Franckenstein’che Klausel nur ausbilden, ihrem ursprünglichen Zweck entsprehend, wir wollen den Einzelstaaten die Garantie mäßiger Mehrüberweisungen geben, wir stellen den Saß auf, daß in dem Jahre 1879/80, im Jahre 1885, im Jahre 1887 nur unter diesen Gesichtspunkten vom NReichétag und vom Bundesrath die Mehrein- naßmen des Reichs bewilligt sind, daß das Neich an diesen Mehreinnahmen nicht allein partizipieren sollte für seine Zwecke, sondern daß auch die Einzelstaaten mitgenießen sollten. Die Gesammtlasten der deutshen Bevölkerung und die daraus resultierenden Einnahmen sollten vertheilt werden zwishen Reih und Guzelstaaten. Das ist jezt dahin und ohne wesentlihe Vermehrung der Reichseinnahmen wird es avch in Zukunft dahin sein, und wir sind es gerade, die heute eintreten für das eigentlihe Ziel, was die Franckenstein’she Klaufel wollte. Gerade die verbündeten Regierungen sind es, die den eigentlihen Gedanken derselben vertreten. (Lachen links. Sehr rihtig! rechts.) Gewiß, denn der entscheidende Gedanke lag in der Garantie einer Mehrüberweisung.

Der Herr Dr. Lieber sagt nun, die“ Matrikularumlagen seien fonstitutionell unerläßlih für den Reichstag. Nun, meine Herren, das ist eben der Grund, warum wir diese Form der Aus- einandersezung gewählt haben, weil wir diese Anschauungen, auch wenn die verbündeten Regierungen sie niht theilen, zu berüdsihtigen so weit als möglih, für urfere Pflicht hielten. Man hatte hier drei Wege: man konnte einfa, um das Ziel der dauernden Auseinanderseßzungen zu erreichen, die Ma- trikularumlagen streichen, die gesammten Einnahmen aus Zöllen und Gebrauch8abgaben und sonstigen Quellen dem Reich belassen, aber dem Reich eine feste Rente an die Einzelstaaten auferlegen. Dann waren die Matrikularumlagen auch äußerlih verschwunden.

Man konnte zweitens die Matrikularumlagen und die Ueberweisungen in bestimmten benannten Zahlen ausdrüdten, welhe in ein mathematisch festes Verhältniß gegen einander zu stellen waren. Dann war die Einnahmebewilliguug, für welche vielfach im Reichstag diese Bewilligung der Matrikularumlagen an- gesehen wird, au dahin. Statt dessen wählten wir den sogenannten automatischen Weg, gerade im Entgegenkommen gegen den Werth, den erhebliche Parteien auf die fortdauernde Bewilligung der Matrikular- umlagen legen. Wir wollten die Matrikularumlagen in ein bestimmtes Verhältniß bringen, wobei Matrikularumlagen und Ueberweisungen sich jährlih in den einzelnen Summen ändern können, wenn nur das Verhältniß zwischen béiden ein gegebenes bleibe. So ist nah der Richtung von den verbündeten Regierungen alles ge- schehen, um gerade die Wünsche der Herren im Zentrum möglichs\t zu befriedigen, und ih sehe daher nicht ein, wie dieser Einwand, wenn es ein solher gewesen sein soll darüber bin ih im Zweifel gegen diese Vorlage geltend gemacht werden kann.

Meine Herren, es is von den verschiedensten Seiten und, soviel ih verstanden habe, auch von Herrn Dr. Lieber ausgesprochen, daß man nicht hundert Millionen bewilligen könnte; man würde sih bemühen, so viel Einnahmen zu bewilligen, als zur Deckung der Militärausgabe erforderlih seien. Allerdings würden damit die verbündeten Regierungen schon viel \{lechter gestellt sein als vor Abschluß der Militärvorlage und der Handels- verträge. Nun fragt es sih, wenn die verbündeten Regierun- gen 40 Millionen Ueberweisungen in der Vorlage gefordert haben: sind diese Ueberweisungen grundsäßlicch unzertrennlich zu betrahten von dem übrigen Inhalt der Reform? Ich stehe niht an, mit der größten Offenheit zu erklären, daß das nit der Fall ist. Denn was ist der Grundgedanke der ganzen Vorlage ? Er ist der, daß jeder Theil, Reih und Einzelstaaten, für seine eigene Handlungen, für die von ihm beschlossenen Ausgaben allein die Ver- antwortung tragen muß, mit einer Modifikation zu Gunsten der Einzel- staaten, worauf ih gleich noch komme. JIch brauße Ihnen das garniht auseinander zu seßen, daß es ‘finanziell nicht gut ist, wenn man in einer großen Verwaltung Die tausend wirklihe Bedürfnisse hat, wo die Wünsche von allen Seiten auftauchen, niht bloß von den Ressorts, sondern selbst auch aus den Vertretungsköxpern, stets parate Mittel besißt. Steuern auf Vor- rath, von denen Herr Abg. Richter immer s\priht, will ih auch niht entfernt. Aber wie muß diese Gefahr mangel- hafter Finanzverwaltung wachsen, wenn man nit nur die eigenen paraten Mittel verbrauht, s\ondern in der Lage ist, die paraten Mittel anderer zu verbrauhen und das sind die Matrikularumlagen; sie sind viel {chlimmer als unnöthige Fonds, die keinen anderen Zweck haben, als für allgemeine Bedürfnisse verwendet zu werden, viel {chlimmer als übershüssige Steuern, die keinen rechten Zweck haben. Die Uebel, die in diesen Dingen liegen, verdoppeln und verquadruplieren ih so. ;

Aber weiter, wenn derjenige Vertretungskörper, der die Ausgaben bewilligt und auss{hließlich die Verantwortlichkeit haben follte für die Art und Weise, wie die Einnahmen aufgebraht werden, bei unserer Verfassung keinerlei Einwirkung hat, wie in den Einzelstaaten die Matrikularumlagen gedeckt werden : ob in einer nah der Anschauung der Mehrheit des Reichstags gerechten oder ungerechten Weise, ob mit einer Ueberlastung der Realabgaben, oder mit innerstaatlichen indirekten Steuern, oder mittels einer zweckmäßig konstruierten Ein- kommensteuer! diesen fortdauernden Zustand der Deckung der Aus- gaben des Reichs durch Matrikularumlagen, dem wir entgegengehen würden, wenn die Ansicht der Herren von der Linken Wahrheit würde, kann man wirklich nur als einen antediluvianishen Zustand bezeichnen, auf welchen die Grundlage eines modernen Reichs auf die Dauer niht gestellt werden kann! (Sehr richtig! rechts.) Ï

Meine Herren, für das Reich ist dieser Zustand zwar bequem aber gefährlich, für ganz Deutschland doppelt gefährlih, für die Einzelstaaten auf die Dauer unhaltbar.

Wenn die Matrikularumlagen fixiert wären, niht wie hier vorgeschlagen wird in einem bestimmten Verhältniß zu den Ueber- weisungen ständen, wenn sie selbs hoh fixiert wären, so wäre dabei wenigstens eine geordnete Finanzverwaltung in den Einzelstaaten möglih; dann wüßte man, obwohl die Reichsverfassung dem Neich und den Einzelstaaten abgegrenzte bestimmte Aufgaben und folglih au bestimmte Ausgaben zugewiesen hat, und obwohl es doch das Ziel fein muß, mit diesem politishen Zustand der Vertheilung

der nationalen Regierungsaufgaben das Finanzwesen in Einklang