1894 / 27 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Württemberg.

Jhre Kaiserliche Hoheit die Herzogin Wera hat si mit Ihren Königlichen Hoheiten den Gn innen Elsa as Olga gestern Vormittag, einer Einladung Ihrer Majestätén des Kaisers und der Kaiserin folgend, zu achttägigem Besuch nah Berlin begeben.

Baden.

Zhre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen hatte, wie die „Karlsr. Ztg.“ von gestern meldet, eine ziemlih gute Nacht, ist aber sehr an- gegriffen und im höchsten Maße der Ruhe bedürftig. Das Befinden Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin ist im allgemeinen befriedigend, Höchstdieselbe verläßt jedo das Bett nur kurze Zeit.

Hefen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist gestern

Vormittag aus Berlin wieder in Darmstadt eingetroffene Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 30. Januar. Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat, der „Th. K.“ zufolge, aus dem ihm zur Verfügung stehenden Theil an den Revenuen aus der C S 6000 M an die landwirth- schaftlihen Hauptvereine überweisen lassen, damit bei ge- meinschaftlichen Bezügen von Futter- und Streumitteln, die zur Linderung des Nothstandes dienen, dew Betheiligten ent- sprechende Vergünstigungen in Bezug auf Fracht und Spesen zugewendet würden.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Seine Königliche Hoheit der Herzog, Jhre Kaiserliche Hoheit die Herzogin und seine Fniglihe Hoheit der Erb- prinz haben heut Vormittag ihren feierlihen Einzug in Gotha gen: Der Zug mit dem Herzoglihen Paar und dem

bprinzen traf um 111/7 Uhr auf dem festlih dekorierten Bahnhofe ein. Dort war eine Ehrenkompagnie vom 6. L olen Jnfanterie-Regiment Nr. 95 aufgestellt. Zum Empfange hatten sich die Spizen der Zivil- “und Militärbehörden sowie Abordnungen der städtishen Körper- schaft eingefunden; Frauen und Jungfrauen der

tadt begrüßten das Me Paar. Jn offenem, pan en Wagen erfolgte sodann unter dem Ge- Laute der Glocken der Einzug in die Stadt. Auf dem ganzen Wege bildeten Vereine und Schulen Spalier. Dahinter stand eine nach Tausenden zählende Menge, die troß des starken Regens ausharrte und bei dem Nahen des Festzuges in lebhafte Hurrahrufe ausbrach, während das Der ogliche Paar und der Erbprinz nach allen Seiten grüßend dankten. Vor dem Rathhause hielt der Zug an. Der Bürger- meister hielt eine Ansprache, auf die der Herzog in kurzer Entgegnung danftte. Unter lebhaften Zurufen des ‘Mublikums septe sodann der Zug die Fahrt nah dem Schlosse fort. Die Straßen waren mit deutschen, coburgishen und englishen Fahnen, sowie mit Teppichen, Emblemen und Guirlanden prähtig ge- schmückt, die Einzugsstraße durch zwei Reihen von Mastbäumen, um die sich Guirlanden winden, und durch Thore in mittel- alterlihem Stile bezeichnet.

Oesterreich-Ungarn.

In der gestrigen Sißung des niederösterreihischen Landtags gab dem „W. T. B.“ zufolge eine von mehreren Bezirksvereinen eingebrachte Petition um Aufhebung des internationalen Saatenmarktes Anlaß zu einer längeren lebhaften Debatte. Die antisemitishen Landtagsmitglieder

riffen die Jnstitution des Saatenmarktes in hesftigster

eife an und wurden von dem Landmarschall wiederholt zur Ordnung gerufen. Schließlich wurden alle Anträge der Antisemiten abgelehnt und die Petition gemäß einem An- trage des Abg. Sueß mit 31 gegen 19 Stimmen der Regierung überwiesen. / /

Jn dem Omladina-Prozeß sind bisher von den 185 vorgeladenen Zeugen 75 verhört worden. Die gestrigen Ver- höre bezogen fich auf hochverrätherische Kundgebungen in den Untersuchungszellen.

Frankreich.

Der Ministerrath beschloß gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, das Journal „Parti s0oclialiste“ gerihtlich zu ver- folgen wegen der gegen den Präsidenten Carnot auläßlich der Nichtbegnadigung Vaillant's ausgestoßenen Drohungen. Der Ministerrath beschäftigte sich sodann mit der Nachriht von der Einnahme Timbuktus. Der Gouverneur des Sudan wurde ermächtigt, den Obersten Bonnier, der Timbuktu eingenommen hat, jobald es die Um- stände erlauben, nah Frankreih zurückeh ren zu lassen. Ferner wurde konstatiert, daß angesichts der erwarteten Zoll- erhöhung seit einigen Wochen 5 Millionen Zentner Ge- treide importiert worden seien. :

In der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer interpellierte Lockro y die Regierung über die Lage der Flotte und fragte, was man mit den bewilligten Krediten ge- macht habe. Frankreih gebe mehr für die Flotte aus als die Dreibundmächte und dennoch stehe Fine See- maht nah, sowohl an Zahl der Schiffe, als an Schnelligkeit und an Artillerie - Ausrüstung. Ueberall herr¡he Unordnung. Die Küsten Frankreihs seien nicht ge- shüßt, die Häfen ungenügend vertheidigt und die Torpedo- boote niht im stande, ins offene Meer hinaus zu gehen. Lockroy \{chloß, gegenüber den leeren Arsenalen und dem en Zustande des Materials sei es Sache der Deputirten- ammer, eine wirklihe Untersuhung anzustellen. Der Depu-

tirte für Toulon Abel erklärte ebenfalls, eine n strenge Kontrole der Arsenale fei nöthig. Raiberti wünschte eine bessere Organisation der Küstenvertheidigung. Die Kammer wurde sodann auf morgen vertagt. i i

Der „Figaro“ veroffentlicht eine Unterredung mit Cor- nelius ek worin dieser mit neuen, zahlreiche französische

Politiker bloßstellenden Enthüllungen droht, falls nicht der von den RNeinah’ schen Erben gegen ihn angestrengte Zivil: prozeß bis nächsten Donnerstag zurückgezogen. sei und das Auslieferungsverfahren gegen ihn eingestellt werde.

Rußland.

Das gestern Abend über das Befinden des Kaisers ausgegebene Bulletin lautet: Die Temperatur sinkt weiter, sie ist heute Abend 377/19 Grad. Die Bronchitis läßt etwas nah und gestattet von Zeit zu Zeit kurzen Schlaf. Puls gut.

Kaiser bereits ‘am vergangenen Donnerstag unwohl. Troßz- dem nahm er ein nnenbad. Später empfand er, in E Kabinet neben dem Kamin sißend, Luftmangel und tand daher auf, um das e zu offnen. Der Kaiser nahm sodann, zwischen dem geheizten Kamin und dem offenen

enster sißgend, seine Arbeit auf ‘und zog si hierbei eine tarke Erkältung zu. Am folgenden Tage empfing der Kaiser, der eine sclaflose Nacht verbracht hatte und stark fieberte, auf Bitten der Kaiserin die Aerzte Krassoewsky und Wel- janikow. Diese konstatierten eine ernstliche Erkrankung und shlugen vor, den Moskauer Professor Sacharin zu be- rufen. Am vergangenen Sonntag traf Professor Sacharin in St. Petersburg ein, verweilte dort unter dem Vorwande ciner Privatkonsultation und stellte sich bei Hofe vor. Endlich willigte der Kaiser, obgleich er von einer ernstlihen Erkrankung nihts wissen wollte, ein, Sacharin sowie die anderen Aerzte zu empfangen. Sacharin blieb im Anitschkowpalais wohnen. Der für Sonntag anberaumte Kinderball bei dem Großfürsten Wladimir wurde abgesagt.

Nach den Vorschlägen des Finanz-Ministers beschlossen gu das Departement der Reichs - Oekonomie und das Z [Sn die Verstaatlihung der Orel-Witebsfk-

ahn.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus St. Petersburg ge- meldet, das Abkommen zwishen Ru pa und England in der Pamirfrage sei dem Abshluß nahe. Das Abkommen solle die Sicherheit der indishen Grenze im Sinne der britishen Forderung gewährleisten. Die Verhandlungen mit China versprähhen zum Abschluß zu kommen, sobald der chinesische Botschafter von Berlin in St. Petersburg an- gekommen sein werde.

Jtalien.

Der Papst empfing gestern den französishen Gesandten in China Gérard.

Spanien.

Jn Cadix eingelaufenen Nachrichten zufolge wären neu- gebildete bewaffnete Banden im Anzuge. Geheime Versammlungen hätten auf freiem Felde stattgefunden. Anarchisti)she Manifeste würden unter der Land- bevölkerung verbreitet.

Portugal.

Die kommerziellen und industriellen Vereinigungen ver- langen, wie „W. T. B.“ aus Lissabon erfährt, lebhaft die unverzüglihe Aufhebung des Gewerbesteuergeseßes. Die Minister traten gestern zusammen, um die Frage zu prüfen.

Schweiz.

Die Zolleinnahmen haben im Jahre 1893 laut Mel- dung des „W. T. B.“ 38378 517 Fr. oder 2345 783 Fr. mehr als im Jahre 1892 und 4378517 Fr. mehr gegenüber dem Budget von 1893 betragen.

Sämmtliche an der UébereinkunF über die Fischerei im Bodensee betheiligten Staaten haben sih damit einverstanden erklärt, daß der 22. Dezember 1893 als der Tag des Jnkraft- tretens der Uebereinkuntt beziehentlih der zehnjährigen Dauer derselben gelten folle.

Der italienische Gesandte Peiroleri hat dem Bundes-Prä- sidenten Frey die Vermuthung ausgesprochen, die Polizei- behörde von Zürich habe nicht rechtzeitig das Nöthige gethan, um am Sonntag den Angriff auf das italienische General - Konsulat zu verhindern. Der Bund-cs- Präsident sicherte eine Untersuhung über diesen Punkt zu und sprah sein Bedauern über die am Sonntag vor- gekommenen Ausschreitungen aus, die nicht von N! be-

angen worden seien. Die bei dem Tumult Verhafteten ollen einer Meldung aus Zürich zufolge niht vor Gericht ge- stellt, jedoh in den nächsten Tagen zahlreihe deutsche und österr eihishe Angehörige ausgewiesen werden. Gestern hat wiederum eine Anzahl von Verhaftungen stattgefunden. Belgien.

Infolge der in den leßten Tagen an der Brüsseler Universität vorgekommenen Zwischenfälle, die durch das Verbot der Vorlesungen Elysée Reclus’ über Geo- graphie hervorgerufen waren, begingen gestern einige Studierende Ausschreitungen gegen den Prorektor van der Kindere. Leßterer ließ infolge dessen, wie „W. T. B.“ berichtet, sämmtliche Vor- lesungen an der Universität bis auf weiteres aufheben.

Serbien.

Die Regierung ist, wie „W. T. B.“ aus Belgrad meldet, über die neue Beseßung der Präfekturen schlüssig ge- worden, und zwar werden die Präfekten gleihmäßig den Reihen der gemäßigten Fortschrittler und der Liberalen entnommen werden, wobei vor allem die Befähigung in Betracht gezogen werden sol. FJnfolge des immer ge- hâssigeren Tones der radikalen Presse sind zahlreihe Kon- fiskationen radikaler Blätter vorgenommen worden. Die Meldung von der bereits erfolgten Beseßung des Postens des Finanz-Ministers ist verfrüht. :

Das Journal „Videlo“ veröffentliht eine Erklärung Garaschanin ’s, worin er die Angaben eines Pester Blattes, denen zufolge er zur leßten Krise beigetragen und sih dann geweigert habe, die Regierung zu übernehmen, als unwahr und tendenziós bezeichnet. Er habe gegentheilige Beweise, die er aus Pflichtgefühl niht anführe.

Der Staatsgerichtshof hat infolge des Amnestie- Ukases beschlossen, das weitere Verfahren in dem Prozeß Avacumovic einzustellen.

Bulgarien.

In einer gestern veröffentlichten Ae wird dem neugeborenen Prinzen der Name „Boris“ und der Titel eines Prinzen von Tirnowo beigelegt werden.

Amerika. :

Infolge von Bedenken über die Gescßmäßigkeit der Emission neuer Bonds sind, wie „W. T. B.“ meldet, vor einer am Montag in dieser Angelegenheit zwischen New- Yorker Banquiers und dem Schaßsekretär Carlisle abgehaltenen Konferenz viele Offerten zurückgezogen worden. Der Schaßsekretär foll über die Zurückhaltung der New-Yorker Banken seine Enttäushung ausgedrückt haben, da er Grund habe, anzu- nehmen, daß 50 Millionen Dollars von ihnen ohne Schwierigkeit aufgenommen werden würden angesihts der ungeheuren Geld- beträge, die in ihren Gewölben auf Gelegenheit zur Anlage warteten. Auf die Erklärung der New-Yorker Banquiers, daß 150 Millionen Dollars dreiprozentiger Bonds \chnell gezeichnet

werden würden, falls deren Ausgabe vom Kongreß autorisiert

Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg g erfährt, fühlte fich der

sei, soll der Schaßsekretär geantwortet haben: bis zur Erledi- gung der Tarifvor e jei keine finanzielle Gesehgebung zu_ erwarten; da jedoch das Geld sofort beschafft werden müsse, habe er beschlossen, 5 prozentige Bonds zu emittieren. Der Richter am Tien Gerichtshof hat N geweigert, eas v lian Carlisle an der Ausgabe von Bonds zu hindern.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Gresham erklärte am niag, der Admiral Benham habe keine Jnstruktionen, Montag, der Admiral Benh habe keine Jnstrukti wischen. der brasilianishen Regierung und den Jn- [ur enten zu vermitteln. Es sei wadrideinliA daß in

afilien eine Krisis bevorstéhe. : i Aus Rio de Janeiro ist dem „Reuter'shen Bureau“

. die ect der Admiral da Gama habe en Ge

dem amerikani wader-Kommandanten angekündigt, er werde auf die drei amerikanishen Schiffe \hießen, wenn diese an Dos nähern sollten. Der „Guanabara“ habe auf die Bark „Goodnews“ geschossen, der amerikanische Kreuzer infolge dessen auf den „Guanabara“ gefeuert und dieser durh einen blinden Schuß geantwortet. Der amerikanische Kreuzer habe sodann eine Granate in den „Guanabara“ ge- worfen, worauf sih dieser ergeben habe. Jn Paris einge- troffenen Nachrichten aus Buenos Aires zufolge hötten sich die Aufständishen vor Rio de Janeiro nach einem blutigen Kampfe Port Madame's bemäh- tigt und belagerten das Fort Nictheroy, dessen Uebergabe erwartet werde. Die Aufständischen von Rio Grande hätten Munition erhalten. Curitiba, E und Antonina seien in die Hände der Aufständischen gefallen ; die Regierungs- truppen häiten Gewehre und Kanonen im Stich gelassen: Anitiba versuche, eine Lokalregierung zu organisieren.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Neichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden fih in der Ersten Beilage.

Der Heutigen 39. Ss des Reichstags wohnten die Staatssekretäre Dr. von oettiher, Nieberding und Dr. Graf von Posadowsky bei. i

Eingegangen ist die Vorlage, betreffend die Bekämpfung gemeingefährliher Krankheiten.

Die erste Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die anderweite Ordnung des Finanzwesens des Reichs, wird fortgeseßt.

Abg. Dr. von Frege (d.-kons.): Die bisherige Verhandlung hat elehrt, daß wir Recht hatten, als wir die Erörterung der Fitaniréforin - Vorlage vor derjenigen der einzelnen Steuer- Die Vorlage is für mich vom politischen

tandpunkt aus betrahtet sehr viel wihtiger als vom finanziellen. Es muß eine definitive Ordnung des Verhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten eintreten, damit endlich eine definitive renuna der Finanzen in den Einzelstaaten möglih werde. Zwischen der Erklärung des Abg. Dr. Lieber und “der viel shroffer ablehnendeñ eung des Abg. Dr. Bachem müssen wir \{charf unterscheiden.

an fann heute doch nicht mehr davon reden, daß nur die breite Masse des Volks die Staats- und Reichslasten trage, daß die oberen Zehntausend und auch die mittleren Klassen si ihrer Verpflihtung zu entziehen gewußt hätten. Heute ift dur die Neform der direkten Einkommensteuer in Preußen und Salfen die Hauptlast gerade auf die mittleren Klassen gelegt; niht mehr liegt sie auf den Arbeitern, denen gerade durch die neueste Geseß- gebung eine Menge Erleichterungen und Bevorzugungen zu theil ge- worden find. Gerade der ferneren Ueberlastung des Mittelftandes müssen wir. jeßt den größten Widerstand entgegenseßen; in dieser Beziehung befinde ich mih vollständig im Einklang mit dem Abg. Dr. Förster. Lehnen Sie dies Finanzgeseß ab, dann wird in den Einzelstaaten die Frage erwogen werden müssen, ob man nicht den Erlaß der untersten Stufen der Ein- kommensteuer wieder rügängig machen solle; jeßt dürfen die unverheiratheten jungen Burschen, welche bis zu 900 46 Einkommen haben. steuerfrei bleiben, während der einige Mark mehr verdienende verbeirathete Arbeiter mit einer großen Familie zur Steuer heran- gezogen wird. Zu welchen Mißverhältnissen führen die Schwan- tungen in den Ueberweisungen und den Matrikularbeiträgen in den Einzelstaaten, welche mehrjährige Budgets haben, wie Sälen: Bayern, Württemberg! In Mecklenburg wird bei Verwerfung der Vorlage zu einer Erhöhung der Einkommensteuer um 40 9% geschritten werden müssen. Ourch \sparsame Wirthschaft, durch Einleitung einer neuet Sparsamkeitsära die Vorlage überflüssig zu machen, das wird jeden- falls ein frommer Wunsch bleiben. Keine Partei des Reichs-

gesebe verlangten.

tags kann sich freisprechen von der Schuld, bei den Bewilli--

gungen von Ausgaben sehr freigebig, ja zu freigebig ge- wesen zu sein; das gilt selbstt in Bezug auf Kasernen- bauten. Die Bauten können doch auch nicht immer- fort aus Anleihen gedeckt werden. Hat man nicht speziell für die Stadt Berlin stets die kostspieligsten Zuwendungen bezüglich der Neichsbauten anstandéslos bewilligt? Haben Sie nicht für die Marine die Staatsmittel in ganz besonders großem Umfange angespannt? Jett freilich wollen Sie nicht B sagen, nahdem Sie A gesagt haben. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen 8. Sigung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Justiz-Minister Dr. von Schelling, der Finanz-Minifter Dr. Miquel und der Minister für Land- wirthschaft 2. von Heyden“ nebst Kommissarien beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1894/95 fortgeseßt und zwar beim Etat des Finanz- Ministeriums. t

Die Einnahmen werden ohne Debatte bewilligt, ebenso von den Besoldungen des Ministeriums die des Ministers und des Unter-Staatssekretärs. 4

An die Ausgaben für die Direktoren und Räthe. knüpft sih eine Debatte über die Dienstaltersstufen, die für diese Beamtenklassen bei allen „Behörden c werden sollen. Dem Etat des Finanz-Ministeriums if eine darguf bezügliche Denkschrift beigefügt, über die Namens der Budget- kommisston der Abg. van Vleuten berichtet. S

Abg. Krah (frkons.) bedauert, daß das System der Dienst- altersstufen niht auf alle rihterliGen Beamten, befonders auf die Richter erster Instanz bei den Land- und Amtösgerichten ausgedehnt werde. Die Wohlthaten dicses Systems für die Beamten, führt Redner aus, sind offenbar ; fie brauchen niht auf den Tod des Vor- gängers zu warten und haben ein zeitlih gesichertes Aufsteigen im Gehalt. Freilih würden nit alle rihterlihen Beamten dur das System Vortheil haben, manche würden die Hoffnung auf ein schnelles Aufsteigen fahren lassen müssen. Es läßt sich nicht verhindern, daß die Wirkungen des Systems für einzelne Beamte nicht erfreulich find; desto größer sind im allgemeinen die Vortheile des Systems, sodaß Y niht anstehe, mich mit vollem Herzen dafür zu erklären. Dabei ist zu beachten, daß eine Gesammtschädigung dieser Beamtenklasse niht eintreten darf, mit anderen Worten, daß nicht eine Skala eingeführt wird, welhe dem Staatsfiskus Ersparnisse dieser Beamtenklasse gegenüber möglih macht. In der Budget- kommission hat man sich mit der Sache beschäftigt und es

%

ist vom Finanz - Minister hervorgehoben worden, daß diese Aenderung ÎTeine Gehaltsaufbesserung in sich tragen könne. Dem stimme GN esihts der jeßigen Finanzlage vollkommen zu. Aber auch eine Verschle{terung is zu vermeiden, wie solche eine aus der Mitte der Kommission vorgelegte Skala mit sich bringen würde. Es wäre nit billig und gerecht, wenn man die Beamten in ihrer Ge- fammtheit in ihren Einnahmen verkürzen wollte. Es war meine Absicht, dem Hause eine Refolution vorzuschlagen, in welcher der Wunsch ausgesprochen werde, das System der Dienstalterszulagen bald- möglich auf die Richter auszudehnen, und zu dem Zweck dem Hause die nöthige elepedvorlage=zui en und A einen Plan vor- zulegen, mittels dessen das Haus die finanzielle Wirkung übersehen Fönnte. Ich behalte mir vor, eine fol e Resolution vielleicht bei der dritten Lefung noch einzubringen, wenn, wie ih hoffe, auch von anderen Seiten des Hauses die Auffassung getheilt wird, daß das System dec Dienstalterszulagen auf die Richter ausgeübt werden muß.

Abg. von Kir selmann (fons.) beklagt, daß die Profefforen der

Farmen zu Eberswalde und Münden von der Regulierung der

ehälter nah Dienstaltersstufen noch ausgeschlossen seien. Diese teen ständen den Universitäts-Professoren gegenüber sehr viel chlechter, weil sie nit er g ie und weil der Kreis ein fehr kleiner sei, fodaß ein Aufsteigen im Gehalt nicht in erheblihem Maße stattfinde. edner bittet den Minister dringend, für diese kleine Anzahl von Beamten schon im nächsten Etat eine Regelung vorzunehmen. :

Geheimer Ober-Finanz-Rath Leh nert: Alle Beamte der hierher gehörigen Kategorien . gleichzeitig zu bedenken, wäre sehr wünscens- werth; ber es ist unmöglich, wenn man eine gleihmäßige Behand- lung durchführen will. Wie der Vorredner für die Professoren der Forsiakademie, wird ein anderer Redner vielleiht ebenso warm für andere Kategorien eintreten. Vielleicht Gehe es fih ermöglichen, für die Professoren der Forstakademien eine vorläufige" Regelung eintreten zu laffen, vorbehaltlich der definitiven Regelung im Zusammenhang mit den. gleichftehenden Beamten anderer Fahschulen.

Auf eine Anfrage des Abg. von Strombe ck (Zentr.) erklärt der

Geheime Ober-Finanz-Rath Lehnert, daß die Dienstaltersstufen für verschiedene Beamte verschieden sein müßten, weil ein größerer Betrag als bisher niht aufgewendet werden könne. Das öchstgehalt dürfe also niht erhöht werden und müsse in derselben Zeit erreicht werden wie bisher. Dadurch entstehe die Verschiedenartigkeit, die bei den Unterbeamten nit nöthig sei, weil die Verhältnisse dort gleich- aglaeee seien.

uf eine Anregung des Abg. Dr. Sattler (nl.) erklärt der

Geheime Ober-Finanz-Rath Lehnert: es solle vermieden werden, daß ein Beamter, der in eine andere Klasse R wird, ein niedrigeres Gehalt beziehe als vorher, weil das niedrigste Gehalt der betreffenden Klasse niedriger sei als das Gehalt, welches er in seiner früheren Klasse bereits bezogen. Es sei bestimmt, daß er mindestens sein bisheriges Gehalt weiter beziehen solle. Aber dadur werde in den Rangypverhältnissen nichts geändert. L

Hierauf wird der Titel genehmigt, ebenso die übrigen Ausgaben für das Ministerium. Unter leßteren befindet sich auh der Titel, bei welhem die Aversionierung des Portos in Dienstangelegenheiten in Gestalt einer Minderausgabe zuerst in Erscheinung tritt. Das Haus stimmt durch Genehmigung dieses Titels der Porto-Aversio- nierung, für welche eine Summe von 6 000 000 # ausgeworfen ist, zu. |

Die übrigen Ausgaben werden ohne Debatte bewilligt.

Unter den einmaligen Ausgaben befinden fich: Kosten für den Umbau der Königlichen Theater- gebäude in Berlin, Hannover und Cassel, zusammen

_ Abg. von Eynern (nl.) hält diese Auszaben bei der {chlechten Finanzlage für sehr bedeutend, zumal die Rechtsfrage nicht ganz sicher entschieden sei, daß die Theatergebäude Eigenthum des Staats seien. Es müßten Verhandlungen mit der Kronkasse darüber stattgefunden haben. Redner will die Last nit ohne weiteres der Kronkasse auf- erlegen, weil diese durch die persönlichen Ausgaben schon belastet sei. Aber es müsse eine genaue Regelung des Verhältnisses stattfinden.

Finanz-Minister Dr. Miquel: Wir find darüber garni(t im Zweifel, daß der Kronfideikommißfonds nit verpflichtet ist, das Ge- bäude in Dach und Fach zu unterhalten, alfo eine Us zu leisten, die niht zum Betriebe des Theaters gehört. Das Gebäude ift vom bhannovershen Staat an den preußishen Staat gefallen ; daraus baben wir Veranlassung genommen , dasselbe den polizeilichen Anforderungen entsprechend herzustellen. Aber wir lehnen es ab, daß daraus die Verpflichtung hergeleitet wird, das Gebäude in alle Zu- kunft zu unterhalten und für den beftimmten Zweck zu erhalten.

Abg. Stengel (frkons.): Die Frage, ob der Kronfideikommiß- fonds den Betrie der Theater in Hannover, Cassel und Wiesbaden unterhalten wird, sheidet wohl aus den Verhandlungen dieses Hauses aus. Bedauerlich® ist, daß wir die Ausgaben zu machen gezwungen sind, weil die Theatergebäude Eigenthum des Staats sind. Für Dännover liegt außerdem ein Präzedenz vor, weil in den achtziger Jahren bereits einmal Ausgaben für das Theatergebäude aus dem allgemeinen Diépositionsfonds bewilligt sind.

Abg. Dr. Sattler U): In Daus, auf die leßte Aeußerung des Finanz-Ministers möchte ih doch Verwahrung einlegen. In annover is man anderer Ansicht. Ich will nicht weiter darauf ein- gehen, fondern nur hervorheben, daß aus den Verhandlungen mit dem Haus-Ministerium hervorgeht, daß die Krone wenigstens eine moralische Ln anerkennt, den Theaterbetrieb fortzuführen.

Finanz-Minister Dr. Miguel: Wenn auch die Krone eine solche moralische Verpflichtung für den Betrieb des Theaters anerkennt, fo folgt daraus noh nichts für eine Verpflichtung des Staats.

Abg. vonB uh (kons.): Wir werden für die Forderung stimmen, obgleich wir anfänglich zweifelhaft waren, ob nicht die Anlegung einer eleftrishen Beleuchtung zu den Betriebsausgaben der Theater gehört ; wir lehnen es aber ab, daß daraus irgendwelche Verpflichtung des Staats gefolgert wird.

Die einmaligen Ausgaben werden genehmigt.

Bei Schluß des Blattes beginnt die Berathung des Etats der Gestütsverwaltung.

In der Budgetkommission des Reichstags stand heute

. die im Extraordinarium zum Etat des Reichskanzlers ausgesette For-

derung von 60 000 e zur Instandhaltung des Dienstgebäudes sowie der Inventarienstücke in der Dienstwohnung des Reichskanzlers und in der Reichskanzlei zur Verhandlung. Die Position wurde nach ein- gehender Debatte genehmigt. Die darauf folgende Berathung des Etats der Schußgebiete konnte wegen Beginns der Plenar- bung niht zu Ende geführt werden und wurde deshalb auf morgen vertagt.

Die gestern im Dame der Abgeordneten eingebradhte Interpellation des Abg. Knebel (nl.) und Genossen lautet : Die Futternoth des legten Sommers hat in umfangreihen Ge- bieten des Staats massenhafte SotltecaBan zur Folge gehabt au in folhen Fällen, wo die Strafthat in Anbetraht der außer- Oden Umstände als entshuldbar betrahtet werden muß. Die nterzeichneten rihten an die Königlihe Staatsregierun die Anfrage, ob und in welchem Umfang dieselbe geneigt ist, für solhe Fälle Aller- höchsten Orts die Begnadigung in Antrag zu bringen."

Dem Haus e der Abgeordneten ist, wie hon mitgetheilt, geftern der Entwurf eines Besezes; betreffend die Ec ivel terung und Vervollständigung des Staats-Eifenbahn- neßes und die Betheiligung Des Staats an dem Bau einer Eifenbahn von Wittstock nach der Landesgrenze in

der Richtung auf Mi ; j - Lait ait 8 f row, vorgelegt worden. Dieser Gesetz

§ 1. Die Staatsregierung wird ermächtigt : L SUT nd von EisenbäHnen und der dur die- selbe bedingten Vermehrung des Fuhrparks der Staats3- bahnen, und zwar: a. zum Bau einer Eisenbahn: 1) von Gerdauen nach Angerburg die Summe i Po ¿i a c S 4 D ZCMUVO M 2) von Zinten nah Rothfließ die Summe von 7 770000 3) von Glaß nah Seitenberg die Summe von 3 080 000 4) von Beeskow nach Königs-Wusterhausen die S Gum. E O LOL 000 5) von Templin nah Prenzlau die Summe von 2 677 000 von . 1 604 000

6) von Probstzella nah Wallendorf die Summe 7) von Pattburg und Tinglef nah Sonder- burg die Summe von s « 2607000 8) von Schieder nah Blomberg die Summe L E E E e MLOOO so%hen einfgna nah Camen die Summe von . 962000 10) boegenübaah Grevenbroich die Summe von 3 475 000 b. zudie!eschaffung von Betriebs- s «iss mitteln: die Summe von L e GBO4000 : zusammen . 35 674 000 M

1E Sur Mew erng, des s{chmalßpurigen

Eisenbahnnetzes im Dberschlesischen Berg- werks- und Hüttenbezirk

die Summe von S

T Bur Ang des Staats an dem Bau einer Eisenbahn von Wittstock nach der Landesgrenze -in der Richtung auf

Mirow durch Uebernahme von Aktien die Summe von A ; 113 000 M insgesammt . . 37 287 000 M zu verwenden.

Mit der Ausführung der vorstehend unter Nr. I Litt. a 1 bis 9 aufgeführten Bahnen i} erst dann vorzugehen, wenn nachstehende Bedingungen erfüllt sind:

A. Der gesammte, zum Bau der Bahnen und deren Nebenanlagen nah Maßgabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten oder im Ent- eignungsverfahren festzystellenden Entwürfe erforderlihe Grund und Sobn ist der Staatsregierung in dem Umfange, in welchem derselbe nah den landesgefeßlihen Bestimmungen der Enteignung unterworfen ist, un- engeltis und lastenfrei der dauernd erforderliche zum Eigenthum, der vorübergehend erforderlihe zur Benußung für die Zeit des Be- dürfnisses zu überweisen, oder die Erstattung ‘der sämmtlichen staatsseitig für. dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder Enteignung aufzuwendenden Kosten, einschließli „aller Neben- entshädigungen für Wirthschaftsershwernisse und louge Nachtheile, in rechtsgültiger Form zu übernehmen und ficher zu stellen. |

Vorstehende Verpflichtung erstreckt \#ich insbesondere auch auf die unentgeltlihe und lastenfreie Hergabe des für die Ausführung der- jenigen Anlagen erforderlihen Grund und Bodens, deren Herstellung dem E fenbabutenebnier im öffentlichen As oder im Interesse des benachbarten Grundeigenthums auf Grund landesgeseßlicher Be- stimmung obliegt oder auferlegt wird. G :

B. Die Mitbenußung der Chausseen und öffentlichen „Wege ift, soweit dies die Aufsichtsbehörde für zulässig erachtet, seitens der daran betheiligten Interessenten unentgeltli und ohne besondere Ls für die Dauer des Bestehens und Betriebes der Bahnen zu gestatten.

C. Für die unter T Litt. a 4, 6, 7 und § benannten Bahnén muß außerdêm von den Interessenten zu den Baukosten ein unverzins- er: niht rückzahlbarer Zuschuß geleistet werden, und zwar zum

etrage:

a, bei Nr. 4 (Beeskow—Königs-Wusterhausen) D T 120 000 C

b, bei Nr. 6 (Probftzella—Wallendorf) von . 750 000

; „_ Pattburg C. De Mr: T Tinglef —Sonderburg) von . 500000 ,„ d, bei Nr. 8 (Schieder—Blomberg) von . 280 000 , § 2. Die Staatsregierung wird ermächtigt :

1) Zur Deckung der zu den im § 1 unter Nr. 1 und Il vorge- sehenen Bauausführungen und der unter Nr. 111 vorgesehenen Be- theiligung erforderlihen Mittel von 37 287 000 M. die Pren Restbestände der Baufonds der vor- maligen Berlin-Stettiner, der Berlin-Anhaltishen und der Berlin-Hamburger Eisenbahn im Betrage von mindestens / 2 200 000 , zu verwenden,

2) zur Deckung des alsdann noch verbleibenden NRestbetrages von höchstens Staatsschuldverschreibungen auszugeben.

§ 3. Wann, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Zinsfuß, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Kursen die Schuldverschreibungen verausgabt werden sollen F 2), bestimmt der Finanz-Minister. Jm übrigen kommen wegen erwaltung und Tilgung der Anleihe und wegen Verjährung der Zinfen die Vorschriften des Geseßes vom 19. Dezember 1869 (Gesehz- Samml. S. 1197) zur Anwendung.

§ 4. Jede Verfügung der Staatsregierung über die im §1 unter Nr. 1 und 11 bezeichneten Eisenbahnen beziehungsweise Eisen- bahntheile durch Veräußerung bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der ustimmung beider Häuser des Landtags. Diese Bestimmung bezieht sich niht auf die beweglichen Bestandtheile und Zubehörungen dieser Eisenbahnen beziehungsweise Gisenbahntheile und auf die unbeweg- lichen insoweit nit, als dieselben nah der Erklärung des Ministers der öffentlichen Arbeiten für den Betrieb der betreffenden Eisenbahn entbehrlih sind. Ebenfo ist zur Veräußerung der in Gemäßheit des § 1 Nr. IIT für den Staat zu erwerbenden Aktien, sowie der daselbst bezeichneten Bahn und zur Vereinigung derselben mit einer anderen Eisenbahnunternehmung die Genehmigung beider Häuser des Landtags

erforderlih. § 5. Dieses Geseß tritt. am Tage seiner Verkündigung in Kraft.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

___ Eine im Zustande von plößlich eingetretener Schlaftrunken - heit begangene Strafthat ist, nah einem Urtheil des Neichsgerichts, I. Strafsenats, vom 23. Oktober 1893, nicht zu bestrafen, wenn durch die Schlaftrunkenheit die freie Willensbestimmung des Thäters zur Zeit der That ausgeschlossen war.

Nach § 142 18 des Preuß. Allg. Landrehts (welcher für Berlin nicht gilt) muß ein Neubau, wenn die Fenster des Nachbars, vor welchen gebaut werden foll, hon seit 10 Jahren oder länger vor- handen sind, und die Behältnisse, wo sie sich befinden, nur von dieser Seite her Licht haben, fo weit zurüdcktreten, daß der Nachbar noch aus den ungeöffneten Fenstern des unteren Stockwerks den Himmel erblicken könne. In Bezug auf diefe Bestimmung hat das Neichsgeriht, V. Civils., durch Urtheil vom 25. Oktober 1893 ausgesprochen, daß es genügt, wenn der EERLA normale Nachbar in gewohnter Weise in vertikaler Richtung den Himmel sehen kann.

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Land- und Forstwirthschaft.

Weinernte. z

Die Weinernte im Rheingau war anfänglich dur das veränder- lihe regnerishe Wetter behindert; sie konnte jedo bei pemsguhenr Lesewetter zu Ende geführt werden. Infolge der hochedlen Reife und der dur längere Zeit andauernden feuchten Witterung war die Fäulniß der Trauben soweit vorgeschritten, die Beeren durch die \ch{ließlich eingetretene trockene Herbstzeit sich derart veredelten, daß sie rößtentheils zu Rosinen einshrumpften. Es sind daher auch Mostgewichte erzielt worden, wie folche in diesem Jahrhundert noch nicht vorgekommen ind. So that z. B. die Beerenauslese im Steinberg 2049 Oechsle ergeben. Das Jahr 1893 steht demna, obwohl es quantitativ nicht überall befriedigt hat, was die Qualität seiner Weine anbetrifft, unübertroffen da.

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Obsternte. “®

In einzelnen Kreisen des Regierungsbezirks Wiesbaden ist der Dbftsegen fo reihlich ausgefallen, daß bei den niedrigen Obstpreisen nur ein Theil der Ernte durch Verkauf verwerthet werden ftonnte. Infolgedessen haben die Besißer einen großen Theil des Obstes zu Fruchtwein und Dörrobst für thre eigenen“ Haushaltungen verarbeitet.

Gesundheitswesen, Thierkraukheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Spanien. Die gegen Syrakus angeordnete Quarantäne ift unter den üblichen Bedingungen aufgehoben worden. (Vergl. „R.-Anz.“ Nr. 262 vom 1. November 1893.)

Norwegen. : Durch Verordnung der Königlich norwegischen Regierung vom 26. d. M. sind Rumänien, Ungarn, Galizien und die Bukowina, sowie die asiatishe Türkei und die Häfen am Rothen Meer für rein von Cholera erklärt worden; demna gilt in Norwegen nur noch Rußland mit Aus\{chluß der Häfen am Nördlichen Eismeer und am Weißen Meer für verseuchzt. (Vergl. „R.-Anz.“ Nr. 213 vom 5. Sep- tember und Nr. 216 vom 8. September 1893.)

Brasilien. __ Durch Verordnung des brasilianishen Ministers des Innern sind die Häfen der französishen Kolonie Senegambien (St. Louis) für rein von Cholera erklärt worden. Alle seit dem 20. v. M. aus diesen Hâfen abgegangenen Schiffe werden nah einer \trengen ärztlichen Untersuchung in den Häfen Brasiliens zum freien Verkehr zugelassen. (Vergl. „R.-Anz.* Nr. 279 vom 21. November 1893.)

Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 14. bis 20. Januar ein der Vorwoche ähnliher und au die Sterb- lihkeit war nahezu die gleihe (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 19,7 gegen 19,5 der Vorwoche). Unter den Todes- ursachen kamen auch in dieser Woche akute Entzündungen der Athmungs8organe noch immer in großer Zahl zum Vorschein und führten in gleicher Zahl wiein der Vorwochezum Tode. Auch Erkrankungen an Grippe wurden wieder etwas häufiger beobahtet und endeten auh häufiger (in 21 Fällen) tödtlich. Dagegen erfuhren akute Darmkrankheiten einen erheblihen Rückgang und wurden in nur 16 Fällen Todesveranlassung. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine geringere als in der Vorwoche; von je 10 000 Lebendeg starben, aufs Jahr berechnet, 50 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten kamen Erkrankungen an Masern, die sh Moabit am häufigsten zeigten, etwas seltener, an Scharlah und Diphtherie in wenig von der Vorwoche abweichender Zahl, und zwar erstere aus der Tempelhofer Vorstadt, leßtere aus der E Vorstadt am zahlreihsten zur Anzeige. Erkrankungen an Unterleibs- typhus blieben selten. An Kindbettfieber wurden 5 Erkrankungen bekannt ; rofenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut glei- wie Erkrankungen an Keuchhusten gelangten etwas seltener zur ärzt- lichen Behandlung? während rheumatishe Beschwerden aller Art im Vergleich zur Vorwoche keine wesentlihe Veränderung zeigten.

Handel und Gewerbe.

Magdeburg, 30. Januar. (W. T. B.) Zudckerbericht. Kornzucker exkl, von 92% —,—, neue 13,65, Kornzuder exfl. 88 9/0 Rendement 12,65, neue 13,00, Nachprodukte exkl., 75 2/9 Rende- ment 10,30. Stetig. Brotraffinade I. - ,„—, Brotraffinade TT. —,—, Gem. Raffinade mit Faß 26,25. Gem. Melis I. mit Faß 24,50. Stetig. Rohzucker. 1. Produkt Transito f. a. B. Ham- burg pr. Januar 12,65 Gd., 12,70 Br., pr. Februar 12,65 bez., 12,674 Br., pr. März 12,724 bez:, 12,75 Br., per April 12,75 Gd., 12,80 Br. Ruhig. : i

Essen a. d. Ruhr, 30. Januar. (W. T. B.) Die heutige Monatsversammlung des westfälischen Kokssyndikats beschloß, der „NRhein.-Westf. Ztg.“ zufolge, für Februar die Förderung ebenso wie fchon im Januar um 100 einzuschränken und den Umlagebeitrag auf 22% gegen 20% im Januar festzuseßen. Der Geschäfts- beriht * des Vorstandes stellt wieder eine Verschiebung des Absaßes nah dem Westen fest, wo die Eisenwerke des Minetté- Reviers sich fortwährend ausdehnen. Die Gesammt-Kokserzeugung der Werke des Syndikats im Jahre 1893 betrug 4 196 917 t gegén 4 025 053 t des Jahres 1892. Die thatsächlihe Einschränkung der Förderung im Jahre 1893 betrug 14,6 9%. :

Die heutige Monatsyersammlung der * Zehenbesißer dés rheinisch- westfälishen Kohlensyndikats stellte die Ein- \hränkung der Förderung für Februar auf 8 9% fest, obgleich die Ver- käufe über 92% betragen. Nah dem Geschäftsberiht betrug der Absaß der Mitglieder des Syndikats 2949132 &% im Dezember, gleich 104/66 % der Betheiligungsziffer. Im Januar wurden vom Syndikat Verträge über 1 431 840 t ab- eshlossen, wovon 43 185 t für das Ausland bestimmt sind. Der

bsaß im Januar wird wegen der anhaltend milden Witterung weniger gut sein, immerhin im allgemeinen befriedigend bleiben. Die Beschlüsse wurden sämmtlich einstimmig gefaßt.

Verdingungen im Auslande.

Oesterreiß-Ungarn. E 15. Februar. Donau - Negulierungs - Kommission in Wien: Arbeiten zur Regulierung der Donau in Nieder-Oesterreih. Kosten- anfchlag 7 360 000 Fl. bis 8 560 000 F.

Niederlande.

6. Februar, 1 Uhr. Burgemeester en Wethouders van Rotterdam, im Raadhuis: Vergrößerung der Pumpenstation des hydraulifchen Etablissements auf Tijenoord. Io käuflich für 1 Fl. bei den Buchhändlern Wed. P. van Waesberge und Zoon zu Rotterdam.

Rumänien. l :

9. Februar. Ministerium des Innern in Bukarest : Bau eines Postgebäudes. Kostenanshlag 3 000 000 Fr.

Egypten. :

9. Februar, Mittags. Ministerium des Innern, General- Inspektion der Gefängnisse in Kairo: Lieferung von pharmazeutischen Produkten und Artikeln. S

5. Februar. Eisenbahnverwaltung Kairo: Lieferung des guß- eisernen Gitters für den neuen Bahnhof in Kairo nah den Bedin- gungen ' des Lastenhefts und den Zeichnungen, welche bei dem Archi- tekten dieses Bahnhofs einzusehen sind. Ferner Ausführung des Zimmerwerks für einen Schuppen bei diesem Bahnhof. Näheres in französisher Sprache beim „Reichs-Anzeiger“. | :

26. Februar. Verwaltung der Eisenbahnen in Kairo: Lieferung folgender Waaren : Material zum Einfetten und Reinigen, Kurz- und Glaswaaren, Schrauben, Nägel, Leim, Schmirgelleinwand, Schleif=

steine, Kautschukröhren und feuerfeste Ziegel.